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Zeitsehrift fW angewandte Chemie und Zentralblatt fur technische Chemie XXI. Jahrgang. Heft 9. 28. Februar 1908. Die praktischen Vorschriften nach dem englischen Patentgesetze 1907. Von Patentanwalt Dr. JULIUS EPHRAIM. (Eingeg. d. 8.11. 1908.) Am l./l. 1908 ist das englische Patentgesetz voin 28./8. 1907 in Kraft getreten. Die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes sind namentlich in Deutschland, gegen dessen chemische Industrie das Gesetz ausgesprochenermaBen gerichtet ist, einer eingehenden Kritik unterworfen worden. Jetzt, nach der Einfiihrung des Gesetzes, wird man ge- rade von seiten der deutschen chemischen Industrie sich mit den Forderungen des Gesetzes abzufinden haben. Die praktisch wichtigste Frage ist daher nicht, ob dm Gesetz gut oder schlecht ist, sondern wie man seinen Anforderungen Rechnung tragt. Die Vorschriften (,,Rules") fiir die Ausfiihrung des Gesetzes sind am 17./12. 1907 erlassen worden. 1. Mit Bezug auf die A n m e l d u n g ist die Frage der Einheitlichkeit besonders zu beachten Eine einzige Patentanmeldung sol1 nw eine ein- zige Erfindung enthalten. Pihnlich der deutschen Praxis wird bestimmt, daB verschiedene Gegen- stande nicht als eine einzige Erfindung aufgefal3t werden sollen, weil sie aile fiir eine bestehende Ma- schine, einen Apparat oder ein Verfahren anwend- bar sind oder dieselben zu bilden vermogen. (Vor- schrift 13, Nr. 1). Enthalt eine Anmeldung mehrere Erfindungen, so kann auf Verlangen des ,,Compt- rollers" (Vorsteher des Patentamtes) eine Be- schrankung der Anmeldung, Beschreibung oder Zeichnung vorgenommen werden. Der aus der ur- spriinglichen Beschreibung ausgeschiedene Teil kann gesondert angemeldet werden und erhalt nach Anweisung des Comptrollers entweder das Datum der urspriinglichen Anmeldung oder ein zwischen der urspriinglichen Anmeldung und der Neuanmel- dung liegendes Datum. Auch die abgeanderte Be- schreibung kann ein spiiteres Datum als der ur- spriinglibhe Anmeldetag erhaiten, jedoch nicht spiiter, als die Abiinderung vorgenommenworden ist. Die Moglichkeit der Verschiebung des Anmelde- datums bei ejner wegen Nichteinheitlichkeit not- wendigen Teilung der Anmeldung ist selbstver- standlich von besonderer Bedeutung fiir die "rage der Neuheit. Namentlich wird man die Maglichkeit einer Teilung und einer dadurch notwendigen Prio- ritatswrschiebung bei der Inanspruchnahme der Prioritit unter der ,,internationalen Union fiir ge- werblichen Rechtsschutz" beriicksichtigen miissen. 2. Bei der Inanspruchnahme der Prioritiit auf Grund der internationalen Union fiir gewerblichen Rechtmchutz ist unter Anfiihrung der beziiglichen Daten anzugeben, in welchen Staaten oder briti- schen Besitzungen die Anmeldungen eingereicht wurden. Die zwolfmonatliche Prioritatsfrist kann Ch. 1908. nur von der ersten auslandischen Anmeldung, also keiner splteren, abgeleitet werden. Die britische Anmeldung mu13 von den gleichen Anmeldern ein- gereicht werden, auf deren Namen die erste aus- landische Anmeldung erfolgte. Eine Erleichterung im Vergleiche zu der jetzi- gen Praxis ist, daJ3 die beglaubigte auslandische Be- schreibung nicht unbedingt mit der englischen An- meldung eingereicht werden muO, sondern bei Frist- bewilligung durch den Comptroller innerhalb hoch- stens dreier Monate nach der Anmeldung nachge- reicht werden kann. Man wird ein Fristgesuch fiir die Nachreichung der beglaubigten auslandischen Beschreibung gleichzeitig mit der Anmeldung iiber- reichen (Vorschrift 16). 3. Etwaige Zeichnungen konnen mit Hand, Lithographie oder Druck hergestellt werden (Vor- schrift 20). Die MaBe der Zeichnungen sind 43 cm Hohe und 20,3-21 cm Rreite oder 40,6-41,9 cm (Vorschrift 21). Die friiher geforderte Randlinie ist in Fortfall gekommen. Da.s zweite Exemplar der Zeichnung kann auf Zeichenleinwand angefertigt werden (Vorschrift 24). 4. Das englische Gesetz unterscheidet proviso- rische und komplette Anmeldungen. Die proviso- rische Anmeldung (bei Unionsanmeldungen unzu- lassig) mu13 innerhalb 6 Monate von der Einreichung der Anmeldung komplettiert werdeu. Die Frist kann gegen Zahlung von 2 Pfd. Sterl. um hochstens 1 Monat verlangert werden (Vorschrift 27). 5. Nach Einreichung der kompletten Beschrei- bung (die auch unter Umgehung der provisorischen gleich bei der Anmeldung eingereicht werden kann) beginnt die Untersuchung iiber eine Vorwegnahme des Anmeldungsgegenstandes. Dieselbe kann in zweierlei Weise erfolgen, weshalb auch das Prii- fungsverfahren verschieden stattfinden kann. 6. Die erste Art der Vorwegnahme kann durch eine innerhalb 50 Jahren vor dem Anmeldungsdatum eingereichte und vor dem Anmeldungsdatum ver- offentlichte britische Patentschrift, welche eine komplette Beschreibung enthalt, stattfinden (Ab- schnitt 7, Nr. 1 des Gesetzes). Sollte sich bei der Priifung zeigen, daB nach Ansicht des Priifers die Erfipdung fiir die Anstellung der Nachforschung un- geniigend beschrieben und definiert ist, so fordert der Comptroller Abanderung der Beschreibung und Zeichnung, wobei eine Verlegung des Anmelde- datums verfiigt werden kann (Vorschrift 28). Der Verlauf der Priifung kann verschieden sein. Wenn sich eine vollsti&n&ge Vorwegnahme ergibt, so macht der beauftragte Priifer einen voryaufigen Bericht an den Comptroller, ohne die Nachfor- schung fortzusetzen (Vorschrift 29). Erfolgt keine Abanderung des vorlaufigen Berichtes, so witd dieser als endgiltiger Bericht angesehen. In diesem Falle kann der Comptroller von der ihm nach Ab- schnitt 7, zweiter Absatz des Unterabxhnittes 4, 40

Die praktischen Vorschriften nach dem englischen Patentgesetze 1907

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Zeitsehrift fW angewandte Chemie und

Zentralblatt fur technische Chemie XXI. Jahrgang. Heft 9. 28. Februar 1908.

Die praktischen Vorschriften nach dem englischen Patentgesetze

1907. Von Patentanwalt Dr. JULIUS EPHRAIM.

(Eingeg. d. 8.11. 1908.)

Am l./l. 1908 ist das englische Patentgesetz voin 28./8. 1907 in Kraft getreten. Die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes sind namentlich in Deutschland, gegen dessen chemische Industrie das Gesetz ausgesprochenermaBen gerichtet ist, einer eingehenden Kritik unterworfen worden. Jetzt, nach der Einfiihrung des Gesetzes, wird man ge- rade von seiten der deutschen chemischen Industrie sich mit den Forderungen des Gesetzes abzufinden haben. Die praktisch wichtigste Frage ist daher nicht, ob dm Gesetz gut oder schlecht ist, sondern wie man seinen Anforderungen Rechnung tragt. Die Vorschriften (,,Rules") fiir die Ausfiihrung des Gesetzes sind am 17./12. 1907 erlassen worden.

1. Mit Bezug auf die A n m e l d u n g ist die Frage der Einheitlichkeit besonders zu beachten Eine einzige Patentanmeldung sol1 nw eine ein- zige Erfindung enthalten. Pihnlich der deutschen Praxis wird bestimmt, daB verschiedene Gegen- stande nicht als eine einzige Erfindung aufgefal3t werden sollen, weil sie aile fiir eine bestehende Ma- schine, einen Apparat oder ein Verfahren anwend- bar sind oder dieselben zu bilden vermogen. (Vor- schrift 13, Nr. 1). Enthalt eine Anmeldung mehrere Erfindungen, so kann auf Verlangen des ,,Compt- rollers" (Vorsteher des Patentamtes) eine Be- schrankung der Anmeldung, Beschreibung oder Zeichnung vorgenommen werden. Der aus der ur- spriinglichen Beschreibung ausgeschiedene Teil kann gesondert angemeldet werden und erhalt nach Anweisung des Comptrollers entweder das Datum der urspriinglichen Anmeldung oder ein zwischen der urspriinglichen Anmeldung und der Neuanmel- dung liegendes Datum. Auch die abgeanderte Be- schreibung kann ein spiiteres Datum als der ur- spriinglibhe Anmeldetag erhaiten, jedoch nicht spiiter, als die Abiinderung vorgenommen worden ist.

Die Moglichkeit der Verschiebung des Anmelde- datums bei ejner wegen Nichteinheitlichkeit not- wendigen Teilung der Anmeldung ist selbstver- standlich von besonderer Bedeutung fiir die "rage der Neuheit. Namentlich wird man die Maglichkeit einer Teilung und einer dadurch notwendigen Prio- ritatswrschiebung bei der Inanspruchnahme der Prioritit unter der ,,internationalen Union fiir ge- werblichen Rechtsschutz" beriicksichtigen miissen.

2. Bei der Inanspruchnahme der Prioritiit auf Grund der internationalen Union fiir gewerblichen Rechtmchutz ist unter Anfiihrung der beziiglichen Daten anzugeben, in welchen Staaten oder briti- schen Besitzungen die Anmeldungen eingereicht wurden. Die zwolfmonatliche Prioritatsfrist kann

Ch. 1908.

nur von der ersten auslandischen Anmeldung, also keiner splteren, abgeleitet werden. Die britische Anmeldung mu13 von den gleichen Anmeldern ein- gereicht werden, auf deren Namen die erste aus- landische Anmeldung erfolgte.

Eine Erleichterung im Vergleiche zu der jetzi- gen Praxis ist, daJ3 die beglaubigte auslandische Be- schreibung nicht unbedingt mit der englischen An- meldung eingereicht werden muO, sondern bei Frist- bewilligung durch den Comptroller innerhalb hoch- stens dreier Monate nach der Anmeldung nachge- reicht werden kann. Man wird ein Fristgesuch fiir die Nachreichung der beglaubigten auslandischen Beschreibung gleichzeitig mit der Anmeldung iiber- reichen (Vorschrift 16).

3. Etwaige Zeichnungen konnen mit Hand, Lithographie oder Druck hergestellt werden (Vor- schrift 20). Die MaBe der Zeichnungen sind 43 cm Hohe und 20,3-21 cm Rreite oder 40,6-41,9 cm (Vorschrift 21).

Die friiher geforderte Randlinie ist in Fortfall gekommen.

Da.s zweite Exemplar der Zeichnung kann auf Zeichenleinwand angefertigt werden (Vorschrift 24).

4. Das englische Gesetz unterscheidet proviso- rische und komplette Anmeldungen. Die proviso- rische Anmeldung (bei Unionsanmeldungen unzu- lassig) mu13 innerhalb 6 Monate von der Einreichung der Anmeldung komplettiert werdeu. Die Frist kann gegen Zahlung von 2 Pfd. Sterl. um hochstens 1 Monat verlangert werden (Vorschrift 27).

5. Nach Einreichung der kompletten Beschrei- bung (die auch unter Umgehung der provisorischen gleich bei der Anmeldung eingereicht werden kann) beginnt die Untersuchung iiber eine Vorwegnahme des Anmeldungsgegenstandes. Dieselbe kann in zweierlei Weise erfolgen, weshalb auch das Prii- fungsverfahren verschieden stattfinden kann.

6. Die erste Art der Vorwegnahme kann durch eine innerhalb 50 Jahren vor dem Anmeldungsdatum eingereichte und vor dem Anmeldungsdatum ver- offentlichte britische Patentschrift, welche eine komplette Beschreibung enthalt, stattfinden (Ab- schnitt 7, Nr. 1 des Gesetzes). Sollte sich bei der Priifung zeigen, daB nach Ansicht des Priifers die Erfipdung fiir die Anstellung der Nachforschung un- geniigend beschrieben und definiert ist, so fordert der Comptroller Abanderung der Beschreibung und Zeichnung, wobei eine Verlegung des Anmelde- datums verfiigt werden kann (Vorschrift 28).

Der Verlauf der Priifung kann verschieden sein. Wenn sich eine vollsti&n&ge Vorwegnahme ergibt, so macht der beauftragte Priifer einen voryaufigen Bericht an den Comptroller, ohne die Nachfor- schung fortzusetzen (Vorschrift 29). Erfolgt keine Abanderung des vorlaufigen Berichtes, so witd dieser als endgiltiger Bericht angesehen. In diesem Falle kann der Comptroller von der ihm nach Ab- schnitt 7, zweiter Absatz des Unterabxhnittes 4,

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gegebenen Befugnis Gebrauch machen und die An- meldung zuriickweisen.

Nach Mitteilung des Priifungsergebnisse& kann der erhobene Einwand durch Abanderung der Be- schreibung oder durch Ausfuhrungen seitens des Anmeldcrs entkraftet werden. Hierfiir wird eine zweinionatliche Frist gestellt (Vorschrift 30). 1st der Einwand der Vorwegnahme nicht beseitigt, so findet eine Anhorung vor dem Comptroller statt. Dicselbe ist wenigstens 10 Tage vor dem Termine mitzuteilen (Vorschrift 31). Beharrt der Comptroller auf seiner Ansicht iiber die Vorwegnahme, so wird bestimmt, daD nach den Patentanspriichen ein Hin- weis auf die entgegenstehende Patentschrift aufge- nommen wird. Hierfiir ist ein besonderer Wortlaut festgestellt. Es wird auch besonders angegeben, falls die Aufnahme des fraglichen Hinweises auf Grund des oben erwahnten vorlaufigen Berichtes stattfinden sol1 (Vorschrift 32).

Die nach dem neuen Gesetze dem Comptroller zugesprochene Befugnis, eine Patentanmeldung wegen vollst.andiger Vorbeschreibung zuriickzu- weisen, ist vielfach diskutiert worden. Wie sich die Bestimmung in der Praxis bewahrt,, wird in erster Reihe davon abhangen, in welchem Umfange der Comptroller von seiner Befugnis Gebrauch macht. Da der Comptroller nur das ausfiihrende Organ sein durfte, wahrend im Einzelfalle die Ansicht des Priifers den Ausschlag geben wird, hangt die Art der Priifung iiberhaupt von den Priifern ab Nach ihrer Vorbildung kiinnen die englischen Priifer - wenigstens bisher - keinesfalh mit den Mitgliedern anderer Patentamter, z. B. des deutschen oder osterreichischen, verglichen werden. Bei dem ver- h8ltnismC13ig geringen Umfange der zu beriicksich- tigenden Literatur kann die britische Priifung aller- dings haufig Veroffentlichungen heranziehen, die in anderen Landern iibersehen wurden. Die Beurtei- lung der Vorveroffentlichungen ist dagegen fur den Anmelder im allgemeinen nicht giinstig. Nament- Iich wird der von der jungeren Erfindung erreichte Fortschritt, dessen Vorhandensein gerade die Ver- schiedenheit der Neuanmeldung von der Vorver- offentlichung dartun kann, nicht geniigend beriick- sichtigt.

7. Eine zweite Art der Vorwegnahme kann nach dem neu eingefuhrten Abschnitt 8 des Pntent- gesetzes darin bestehen, daR die angemeldete Erfin- dung ganz oder teilweise in einer friiher angemelde- ten, aber vor der Einreichung der fraglichen Anmel- dung noch nicht veroffentlichten Patentbeschrei- bung bcansprucht ist. Es handelt sich hierbei also mu schwebende Anmeldungen, von denen allerdings nicht die Beschreibung, sondern uur der Patent- anspruch berucksichtigt wird. Ergibt sich eine voll- standigo oder teilweise Vorbeanspruchung des Er- findungsgegenstandes, so kann der Anmelder inner- halb zweier Monate vom Datum der Verfugung die Vornahme eines ,,Verzichtes" (,,disclaimer") be- antragen oder darlegen, weshalb keine Vorweg- nahme vorliegt. Falls dem Comptroller die Abande- rungen der Anmeldung oder die Ausfiihrungen nicht geniigend erscheinen, setzt er eine Anhorung fest. Wird die Anschauung iiber die Vorbeansprnchung aufrecht erhalten, so wird nach den Pateatan- spriichen ein Hinweis auf die altere Anmeldung von

bestimmtem Wortlaute unter Bezugnahme auf den Abschnitt 8 des Gesetzes gemacht.

Die Priifung entspricht im vorliegenden Falle im wesentlichen der Priifung nach 3 3, Absatz 1, des deu tschen Patentgesetzes. Wie diese Priifung sich bewiihrt, wird in erster Linie davon abhangen, welche Auslegung man dem Schutzumfange der Patentanspriiche gibt. Eine Voraussage 11Bt sich natiirlich nicht treffen. Jedenfalls wird man der Abfassung der englischen Patentnnspriiche noch groL3ere Sorgfalt wie bisher zuwenden mussen.

8. Nach dem neuen englischen Patentgesetze nehmen c h e m i s c h e E r f i n d u n g e n eine Sonderstellung ein. Es sind auf Verlangen des Comptrollers bei chemischen Erfindungen typische Muster und Proben vor Annahnie der vollstandigen Beschreibung beizubringen (Abschnitt 2. Nr. 5 des Gesetzes). Derartige Proben sind auf Verlangen in Doppel einzureichen (Vorschrift 36, Abs. 1) . Die Tatsache, daR Proben eingereicht worden sind, wird auf der kompbtten Beschreibung vermerkt und in der Anzeige iiber die Annahrne im Patent- blatt angegeben (Vorschrift 36, Abs. 2). Die Proben miissen, wcnn nicht andere Anweisungcn besondcrs gegeben sind, in Glasflaschen von einer 7,6 cm nicht iiberschreitenden Hohe und einem iul3eren Durch- messer von 3,8 cm iiberreicht werden. Die Flaschen miissen gut passende Stopsel haben und versiegelt sein. Jede Flasche mu13 ein aufgeklebtes ocler sonst befestigtes Etikett mit einer Beschreibung zeigen, welche die Probe mit der in der Anmeldungsbe- sohreibung geschilderten Substanz klar identifiziert. Etiketts, die nicht auf die Flaschen geklebt sind, sollen 7,6 cm breit und nicht h g c r als 10,l cm sein (Vorschrift 36, Abs. 3).

Wenn Proben von Farbstoffen gefordert wer- den, so miissen diese von Proben der mit diesen Farbstoffen gefiirbten oder gedruckten Materialien begleitet sein. Diese Proben miissen moglichst flach sein und sind fest auf Kartons von 40,6 cm Lange und 20,3 cm Breite zu befestigen. Die Kartons miissen eine vollstandige Bcschreibung der Vcr- fahren tragen, durch welche die Farbe- oder Druck- effekte erzeugt wurden. Die Zusammensetzung und Starke der verschiedenen Bader, die Tempera- turen, Dauer der Behandlung, der Erschopfungs- grad der Parbebiider ist anzugeben. Bei gefiirbten Geweben ist die fixierte Farbstoffmenge, bei Druk- ken die Zusammensetzung der Druckpaste und an- dere notwendige Anweisung anzugeben. Die Be- schreibung muI3 auch den gebrauchten Stoff mit dem in der Patentbeschreibung geschilderten klar identifizieren (Vorschrift 36, Abs. 3). Giftige, atzende, explosible oder leicht entziirtdliche Stoffe miissen deutlich als solche bezeichnct werden.

Die im Gesetze aufgestellte Forderung der Ein- reichung chemischer Proben ist wiederholt scharf getadelt worden. Die Bestimmungen der Vorschrif- ten diirften die friiher geaul3erten Bedenken im wesentlichen widerlegt haben. Die Vorschriften stimmen im wesentlichen niit den in Deutschland geltenden Forderungen uberein. Auch hier war friiher das Verlangen nach Vorlage von Proben wiederholt bekampft worden. I n der Praxis hat man sich aber im allgemeinen auch seitens der Privat- erfinder mit den Vorschriften abgefunden. Dies diirfte auch in England der Fall sein. Undngenahm

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ist nur, daB jetzt verschiedene Lander Proben for- dern, und daD deshalb groBere Mengen der Sub- stanzen hergestellt werden mussen.

9. Der E i n s p r u c h wird in England voraus- sichtlich eine groBere Bedeutung wie bisher erlangen, weil nach dem neuen Gesetze die Einspruchsgrunde erweitert sind. Der Einspruch kann innerhalb zweier Monate vom Datum der Bekanntmachung der Annahme der vollstandigen Beschreibung ein- gereicht werden (Abschnitt 11 des Gesetzes). Der Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme ( l la des Gesetzes) und wegen Nichtiibereinstimmung der provisorischen mit der kompletten Beschreibung ( 1 Id) war bereits nach dem alten Gesetz vorgesehen. 3 e u sind die Einspruchsgrunde wegen Nichtneuheit (1 lb) und ungeniigender Beschreibung (Ilc).

Der Einspruch ist von dem Einsprechenden zu unterzeichnen und mit einem ungestempelten Duplikat einzureichen (Vorschrift 40, Abs. 1). Es kann vollstandige Versagung des Patentes oder Be- schrankung verlangt werden. In letzterem Falle soll eine schriftliche Angabe uberreicht werden, welche moglichst die A r t der geforderten Abande- rungen andeutet und die Teile der alteren Patente anfuhrt, welche die Beschrankungen notwendig er- scheinen lassen (Vorschrift 40, Abs. 2) .

Grundet sich der Einspruch auf widerrecht- liche Entnahme, so mussen die Beweismittel inner- halb 14 Tagen nach Ablauf der zweimonatlichen Einspruchsfrist oder wahrend einer vom Comptrol- ler im besonderen Falle erlaubten Frist eingereicht werden. Im anderen Falle gilt der Einspruch als fallen gelassen (Vorschrift 41, Nr. 1).

Wenn dcr Einspruch wegen ungenauer Be- schreibung erhoben ist, so soll die Einspruchsmit- teilung von einer Feststellung begleitet sein, die angibt, in welcher Beziehung die Erfindung unge- nugend oder ungenau beschrieben oder gekennzeich- net ist (Vorschrift 41, Nr. 2).

Beglaubigte Erklarungen (,,statutory declara- tions'') werden nur beim Einspruche wegen wider- rechtlicher Entnahme gefordert, konnen aber inner- halb 14 Tagen vom Ablauf der Einspruchsfrist mit einem Doppel fur den Anmelder eingereicht werden (Vorschrift 42). Der Anmelder kann dann seinerseits auch innerhalb 14 Tage beglaubigte Erklkrungen einreichen, worauf der Einsprechencle in der gleichen Frist Gegenerklarungen machen kann, die sich aber nur auf die in der Erwiderung enthaltenen Gegen- stande beziehen durfen (Vorschrift 43). Wenn der Einsprechende keine beglaubigten Erklarungen ein- reicht, kann der Anmelder Erklarungen innerhalb dreier Monate von der Bekanntmachung der An- nahme seiner Anmeldung einreichen (Vorschrift 44). Der Einsprechende kann innerhalb 14 Tage ant- worten und der Anmelder wiederum innerhalb 14 Tage eine Gegenerklarung einreichen (Vor- schrift 45). Weiterer'Beweis findet nur auf Ver- langen oder Zustimmung des Comptrollers statt (Vorschrift 46). Nach AbschluB der Beweismittel findet eine Anhorung vor dem Comptroller statt. Die Partei, welche gehort werden will, mu13 dies anzeigen. Will eine Partei bei der Anhorung sich auf eine andere Veroffentlichung als die im Ein- spruche angefuhrten Patentschriften beziehen, so muB sie dies mindestens 5 Tage vor dem Termine dem Comptroller und dem Gegner zugleich mit Ein-

zelheiten der betreffenden Veroffentlichung anzeigen (Vorschrift 47).

Der Einspruch erfordert eine Gebiihr von 10 sh. Die Anhorung kostet eine Gebiihr von 1 Pfd. Sterl.

Uber die Bedeutung des Einspruches im eng- lischen Patenterteilungsverfahren la& sich eine Voraussage nicht machen. Moglicherweise finden nur wenige Einspruche statt. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, dab gerade die bereits vor der Annahme der Anmeldung entgegengehaltenen Pa- ten& durch die Inhaber derselben eine nochmalige Wiirdigung erfahren. Gerade mit Rucksicht auf das kostspielige englische Gerichtsverfahren wird vielleicht der Einspruch ein willkommenes Mittel sein, die Frage, inwieweit ein jungeres Patent in ein alteres eingreift, wenigstens vorlaufig zu klaren. Die deutsche chemische Industrie hat wahrschein- lich ein besonderes Interesse an der Verfolgung der englischen Patenterteilungen. Inwieweit von dem Einapruche praktisch Gebrauch gemacht wird, wird in erstsr Linie von der Handhabung der Recht- sprechung durch den Comptroller abhilngen.

10. Nach der Annahme der Anmeldung und bei giinstiger Entscheidung uber einen Einspruch findet die Siegelung des Patentes statt, wenn der Anmelder die Siegelungsgebuhr von 1 Pfd. Sterl. zahlt. Die Siegelung soll innerhalb 15 Monate vom Tage der Anmeldung stattfinden (Abschnitt 12, Nr. 2 des Gesetzes). 1st die Siegelungsgebuhr nicht bezahlt worden, so kann eine Verlangerung der Sie- gelungsfrist bis zu hochstens 3 Monaten gewlihrt werden (Vorschrift 48). Die Gebuhr fur eine Ver- langerung von 1 Monat betragt 2 Pfd. Sterl., von 2 Monaten 4 Pfd. Sterl., von 3 Monaten 6 Pfd. Sterl.

11. Von besonderer Bedeutung ist die Ertei- lung der Zwangslizenz und die Zurucknahme von Patenten wegen ungenugender Ausubung in Eng- land. Diese Bestimmungen des neuen Gesetzes richten sich hauptsachlich gegen die deutsche che- mische Industrie, die dementsprechend besonderes Interesse an diesen Bestimmungen und ihrer Hand- habung besitzt.

Das neue englische Gesetz kennt zwei Arten von Zurucknahmegriinden und dementsprechend auch zwei Arten des Zurucknahmeverfahrens.

a) Jede interessierte Person kann an das ,,Ham de1samt"ein Gesuch um Einraumung einer Zwangs- lizenz oder Rucknahme des Patentes richten, weil den berechtigten Anforderungen des Publikums be- zuglich der patentierten Erfindung nicht ent- sprochen ist (Abschnitt 24 des Gesetzes).

Der Antrag soll klar die Art des Interesses des Antragstellers angeben und die Grunde, auf welche sich der Antrag stutzt, anfiihren. Es sollen weiter im einzelnen die Umstande des Falles und die Re- dingungen, unter denen die Zwangslizenz beantragt wird, dargelegt werden. Auch der Name und die Adresse des Patentinhabers, sowie derjenigen Per- sonen, denen nach Ansicht des Antragstellers ein Vor- wurf zu machen ist, sollen angegeben werden (Vor- schrift 68). Der weitere Schriftwechsel entspricht auch himichtlich der, ubrigens vom Handelsamte abzulndernden, Fristen den Vorschriften iiber den Einspmch (8 . 0. 9.). Wenn das Amt keinen ,,prima facifall" annimmt, so wird der Antrag zuruckge- wiesen (Vorschrift 72). I m anderen Falle soll er- wogeu werden, ob die Moglichkeit einer Einigung

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[ Zeitschrift fur 388 Stobbe : Chemieohe Lichtwirkungen. angewandte Chemie.

zwischen den Parteien besteht. Wenn irgend eine verniinftige Wahrscheinlichkeit fur ein Oberein- kommen besteht, so sollen Schritte zur Anbahnung unternommen und inzwischen die Uberweisung an das Gericht vertagt werden (Vorschrift 73). Erst wenn keine Aussicht auf eine Einigung besteht, wird der Antrag an daa Gericht weitergegeben.

b) Nach 4 Jahren nach Anmeldung des Pa- tentes (jedoch nicht vor dem 28. August 1908) kann man beim C o m p t r o 1 1 e r die Zuriicknahme be- antragen, weil der patentierte Artikel oder das pa- tentierte Verfahren ausschlieBlich oder hauptslch- lich auBerhalb Englands hergestellt oder ausgefiihrt wird (Abschnitt 27 des Gesetzes). Der Patent- inhaber soll innerhalb 14 Tage von der Absendung des Duplikatantrages oder innerhalb einer weiteren vom Comptroller zu gewahrenden Frist durch be- glaubigte Erklarungen feststellen, ob die im An- trage gemachten Angaben zutreffen. Falls sie un- zutreffend sind, soll angegeben werden, in welchem Umfange sie unzutreffend sind. Es soll auch an- gegeben werden, wo der patentierte Gegenstand in GroBbritannien hergestellt oder das Verfahren aus- gefiihrt wird. Wenn keine Ausfiihrung der Erfin- dung in GroBbritannien erfolgt ist, sollen die Griinde fur die Unterlassung dargelegt werden.

Das weitere Verfahren ist dem Einspruchsver- fahren analog.

Die beiden Zuriicknahmegriinde sind nicht nur in ihrem Wesen und der Verfahrensvorschrift ver- schieden, sondern zeigen auch eine verschiedene Stellung der entscheidenden Behorde gegen den Patentinhaber. Bei dem Antrage auf Zwangslizenz streben die Vorschriften augenscheinlich eine Ver- meidung der Zuriicknahme und iiberhaupt der rich- terlichen Entscheidung an. Die Vorschrift, daB das Handelsamt sich um die Herbeifiihrung einer Eini- gung bemiihen soll, deutet wohl klar auf die Ten- denz der Bestimmung hin. Ganzlich anders mutet dagegen das Verfahren wegen Nichtausiibung an. Aus diesen Bestimmungen spricht jedenfalls keine Milde. Man wird also damit zu rechnen haben, daB cin Ausfuhrungszwang in GroDbritannien besteht.

Chemische Lichtwirkungen. Von HANS STOBBE, Leipzig.

Auszug aus einem Vortrage, gehalten in der Hauptveraammluog des Bezirksvereins

Sachsen-Anhalt in Magdeburg am 17. November 1907.

(Eingeg. den 9.11. 1908.)

Zu den chemischen Lichtwirkungen geh6rt vor albn Dingen der AseimilationsprozeB, jene hoch- wichtige physiologisch-chemische Reaktion, bei der im Pflanzenkorper hochmolekuhre organische Stoffe aus Kohlensaure und Wasser aufgebaut werden. Ferner gehoren hierher auch eine sehr groOe Zahl anderer Zustandslnderungen, rein chemische Vor- gange, die ebenfalls entweder nur durch das Licht hervorgerufen oder doch wenigstens in ihrem zeit- lichen Verlaufe beeinfluBt werden.

Die ersten Beobachtungen uber die Beteiligung des Lichtes bei solchen Prozessen reichen bis in das Altertum und das Mittelalter zuriick. Das Griinen

der Pflanzen, die BrZiunung der menschlichen Haut, das Bleichen von Leinen, die Entstehung des Pur- purfarbstoffes aus dem schleimigen, farblosen oder gelblichen Safte einiger Schnecken des Mittelmeeres, die Veriinderungen snorganischer Farbstoffe, z. B. des Zinnobers, werden bereits in diesen Zeitcpochen auf die Wirkung des Lichtes zuriickgefiihrt.

Nachdem dann die Alchymisten in den spa- teren Zeitaltern nur h6chst sparliche Beitrage zur Photochemie geliefert haben, begann erst vom 18. Jahrhundert an ein systematisches Studium der chemischen Lichtwirkungen. Man untersucht'e in erster Linie anorganische Stoffe, vornehmlich die Salze der Schwermetalle, auf ihr Verhalten gegen Licht; man erkannte, daB die Entfarbung einer alko- holischen Eisenchloridlosung bei LuftabschluB durch das Licht bewirkt wurde, und daB die urspriingliche Farbe dieser Fliissigkeit im Dunklen und bei Luft- zutritt wiederkehrte. Man erforschte den Grund fur den Farbwechsel der mit Berliner Blau gefarb- ten Stoffe bei Licht und Dunkelkeit. Die Licht- empfindlichkeit der Silbersalze entdeckte ein deut- scher Arzt, J o h a n n H e i n r i c h S c h u l z e , im Jahre 1727; er war der erste, wclcher Schrift- ziige in Gestalt von Schablonen auf mit Hallen- steinlosung getriinktm Papieren wiederzugeben ver- stand. Nach S c h u 1 z e bcschaftigten sich viek andere Forscher mit den Silbersalzen, unter ihnen vornehmlich S c h e e 1 e. Er stdlte sicn bei seinen photochemischen Studien zum ersten Male die sehr wichtige Frage: Wenn die Stoffe durch das Licht verandert werden, welcher Art sind die Verinde- rungen, und woraus besteht die Materie nach der Belichtung? S c h e e 1 e fand z. B., daB das bei der Insolation des Chlorsilbers entstehende schwarze Pulver metallisches Silber enthielt und daB auBer diesem auch Salzsaure entstande, wenn die Belich- tung nnter Wasser vorgenommen wiirde. Ferner konstatierte derselbe Forscher, daB ein wit Chlor- silber bestrichener Papierstreifen bei der Einwir- kung des zerlegten Sonnenlichtes nicht gleichniaBig dunkelt, sondern daB dieses Salz im roten, gelben und griinen Teile des Spektrums fast unverandert bleibt, im blauen und violetten Lichte hingegen schnell zersezt wird.

Dieses staunenerregende Ergebnis sollte bald noch iibertroffen werden durch R i t t e r s Ent- deckung der ultravioletten Strahlen (1801) und durch die Tatsache, daB die Silbersalze gerade in diesen dem Auge unsichtbaren Strahlen ebenfalls und besonders stark verandert werden. Uncl aIs dann weiter gezeigt wurde, daO die vielen anderen lichtempfindlichen Stoffe sich den Spektralfarben gegenuber ahnlich verhielten, verallgemeinerte man die bisher gewonnenen Resultate und teilte die Far- ben resp. die ihnen entsprechenden Strahlen in zwei Kategorien - in diejenigen, welche chemische Wirkungen hervorriefen, und solche, welche diese Flhigkeit nicht zeigten. Die ,,c h e m i s c h w i r k s a'm e n " seien allein die brechbarsten, die blauen, violetten und ultravioletten Strahlen.

Wie voreilig und wie wcnig zutreffend diese zum Teil noch bis auf den heutigen Tag beibehaltene Einteilung war, zeigten weitere photochemische Versuche an anderen Stoffen, vornehmlich an far- bigen Substanzen, z. B. Bleioxyd, Eisenritriol.