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Die Praxis der Bestimmung von Diffusionskoeffizienten geloster Stoffe oder ihrer Ionen Von BARBARA GRUTTNER, GERHART JANDER und ILSE BERTRAM Mit 2 Abbildungen Inhaltsiibersicht In zahlreichen Experimentaluntersuchungen der letzten Dezennien ist zur groBen- ordnungsmal3igen Bestimmung der Teilchengewichte geloster Stoffe oder von Ionen immer wieder die Ermittlung ihres Diffnsionsvermogens herangezogen worden. Da die hierfiir zur Verfiigung stehenden alteren Verfahren des ofteren modifiziert und ver- bessert worden sind, war es wiinschenswert, das apparative und methodische Riistzeug einmal irn Zusammenhang daraustellen. I. Die praktische Durchfuhrung von Diffusionsmessungenim 4- Schichten- Versuch nach ~ O L M Zur Bestimmung von Diffusionskoeffizienten anorganischer Ionen ist yon JANDER und Mitarbeiternl) seit 20 Jahren die Methode vori C)HOLM~) mit recht gutem Erfolg benutzt worden. Es handelt sich dabei um ein diskontinuierliches Verfahren, das sowohl hinsichtlich des ap- parativen Aufwandes als auch der Beherrschung der Methodik so geringe Anforderungen stellt, daB seine Anwendung in jedem Laboratorium ohne weiteres moglich sein durfte. Im Prinzip wird folgendermafien verfahren : Man bringt in ein zylindrisches Glasrohr eine bekannte Menge einer Losung der Substanz, deren Diffusionskoeffizient bestimmt werden SOH. Dariiber schichtet man die dreifache Menge an Losungs- l) a) G. JANDER u. H. SGHULZ, Kolloid-Z. Erg. Bd. zu 36, 109 (1925); Z. anorg. allg. Chem. 144, 225 (1925); Z. anorg. Chenl. 162, 141 (1927); - b) G. JANDER u. W. BRULL, Z. anorg. Chem. 168, 321 (1926); - c) G. JANDER u. A. WJNKEL, Z. physik. Chem. 149, 97 (1930); Z. anorg. allg. Chem. 193, 1 (1930); - d) G. JANDER, K. F. JAHR u. W. HEUKESHOVEN, Z. anorg. allg. Chem. 194,383 (1930); - e) G. JANDER, CHR. BLOHM u. B. GRUTTNER, Z. anorg. Chem. 258, 205 (1949); - f) B. GRUTTNER u. G. JANDER, Z. anorg. allg. Chem. 266, 225 (1951); - g) G. JANDER, H. HOFMANN, D. ERTEL u. G. KRIEN, unveroffentlichte Ergebnisse. *) w. &IOL.M, z. physik. Chem. 50, 309 (1905); 70, 378 (1910).

Die Praxis der Bestimmung von Diffusionskoeffizienten gelöster Stoffe oder ihrer Ionen

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Die Praxis der Bestimmung von Diff usionskoeffizienten geloster Stoffe

oder ihrer Ionen

Von BARBARA GRUTTNER, GERHART JANDER und ILSE BERTRAM

Mit 2 Abbildungen

Inhaltsiibersicht In zahlreichen Experimentaluntersuchungen der letzten Dezennien ist zur groBen-

ordnungsmal3igen Bestimmung der Teilchengewichte geloster Stoffe oder von Ionen immer wieder die Ermittlung ihres Diffnsionsvermogens herangezogen worden. Da die hierfiir zur Verfiigung stehenden alteren Verfahren des ofteren modifiziert und ver- bessert worden sind, war es wiinschenswert, das apparative und methodische Riistzeug einmal irn Zusammenhang daraustellen.

I. Die praktische Durchfuhrung von Diffusionsmessungen im 4- Schichten- Versuch nach ~ O L M

Zur Bestimmung von Diffusionskoeffizienten anorganischer Ionen ist yon JANDER und Mitarbeiternl) seit 20 Jahren die Methode vori C ) H O L M ~ ) mit recht gutem Erfolg benutzt worden. Es handelt sich dabei um ein diskontinuierliches Verfahren, das sowohl hinsichtlich des ap- parativen Aufwandes als auch der Beherrschung der Methodik so geringe Anforderungen stellt, daB seine Anwendung in jedem Laboratorium ohne weiteres moglich sein durfte. Im Prinzip wird folgendermafien verfahren : Man bringt in ein zylindrisches Glasrohr eine bekannte Menge einer Losung der Substanz, deren Diffusionskoeffizient bestimmt werden SOH. Dariiber schichtet man die dreifache Menge an Losungs-

l) a) G. JANDER u. H. SGHULZ, Kolloid-Z. Erg. Bd. zu 36, 109 (1925); Z. anorg. allg. Chem. 144, 225 (1925); Z. anorg. Chenl. 162, 141 (1927); - b) G. JANDER u. W. BRULL, Z. anorg. Chem. 168, 321 (1926); - c) G. JANDER u. A. WJNKEL, Z. physik. Chem. 149, 97 (1930); Z. anorg. allg. Chem. 193, 1 (1930); - d) G. JANDER, K. F. JAHR u. W. HEUKESHOVEN, Z. anorg. allg. Chem. 194,383 (1930); - e) G. JANDER, CHR. BLOHM u. B. GRUTTNER, Z. anorg. Chem. 258, 205 (1949); - f ) B. GRUTTNER u. G. JANDER, Z. anorg. allg. Chem. 266, 225 (1951); - g) G. JANDER, H. HOFMANN, D. ERTEL u. G. KRIEN, unveroffentlichte Ergebnisse.

*) w. &IOL.M, z. physik. Chem. 50, 309 (1905); 70, 378 (1910).

GRBTTNER, JANDER u. BERTRAM, Diffusionskoeffizienten geeloster Stoffe oder Ionen 187

mittel und IaBt die dpparatur in einem vor Temperaturwechsel und Erschutterungen moglichst geschutzten Raum mehrere Tage steheri. Nach Ablauf der dem Versuch jeweils angepal3ten Zeit wird die Losung von unten so langsam abgezapft, daB dabei keine Durchmischung ein- tritt, man fangt je 'I, der Flussigkeitsmenge getrennt auf. Der Gehalt jeder der 4 Losungsschichten an der Substanz, welche diffundiert, wird mit geeigneten analytischen Methoden bestimmt. Nach der Gleichung :

h* 4 x A t

Da =z ___

wird der Diffusionskoeffizient D, bei der Temperatur 0" C errechnet ; h bedeutet die Hohe jeder Einzelschicht im DiffusionsgefiiQ in em, A t die Diffusionszeit in Tagen und x einen Wert, den man nach Umrech- nung des analytisch .bestimmten Substanzgehaltes in jeder Schicht auf Teile von 10 000 den STEFAN-KAWALKISChen Tabellen entnehnien kann. Wegen der Berechnung des Diffusionskoeffizienten und seiner IJni- rechnung auf vergleichbare Bedingungen vergleiche man den A))- schnitt I1 dieser Arbeit,

1. Die Apparatur Die von ~ H O L N I I ~ ) vorgeschlagene, spater von JANDER und Mit-

arbeitern l) verbesserte Apparatur besteht aus einer Glasrohre mit parallelen Wanden von etwa 20-30 em Lange und 3,5 bis 5,7 em Durch- messer. Durchmesser und Hohe der Diffusionszylinder werden von der Konzentration und der Diffusionsgeschwindigkeit der untersuchten Losungen bestimmt. Im Prinzip kommt es darauf an, einerseits ein so grofles Volumen diffundieren zu lassen, daB die analytische Bestim- mung der einzelnen Schichten bei Abbrueh des Versuchs mit ausrei- chender Genauiglreit moglich ist, andererseits die Versuchsdauer mog- lichst kurz zu halten. Diese beiden Forderungen lassen sich durch ge- eignete Wahl des Volumens der Losung und des Durchmessers der Diffusionszylinder in Einklang bringen.

Die angegebenen MaBe von 3,5 bis 5,7 cm sind als optimale Grenzen fur 25 oder 50 ml Unterschichtungslosung anzusehen. Zylinder mit einem Durchmesser von mehr a19 6 cm konnen prinzipiell nicht verwendet werden, da bei diesen Dimensionen bereits beim Unterschichten Vermischung auftritt. Das untere Ende des Zylinders zeigt eine konische Verjiingung, die in ein KapiIlarrohr mit Schliffhahn miindet. Zum Einlassen dient eine mit Schliffhahn versehene, durch ein Kapillarrohr verlangerte Pipette, die mit Hilfe eines Schliffkerns auf die Diffusionsrohre gesetzt wird. Zum Druclrausgleich tragt. der Zylinder oben ein gewinkeltes Glasrohr, das gegebenenfalls ebenfalls mit einemschliff- hahn versehen ist, wenn unter LuftausschluB diffundiert werden soll.

Um eine moglichst ebene Bodenflache herzustellen, hatte man bei friiheren Ver- suchen den konischen Teil des Zylinders mit Quecksilber gefiillt. Da manche zur Dif- fusion benutzten Losungen chemisch mit dem Quecksilber reagierten, wurde die waOrige

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188 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 287. 1956

Schicht von dem Quecksilber durch eine indifferente Schicht von analysenreinem Tetra- chlorkohlenstoff getrennt. Die Tetrachlorkohlenstoffschicht mu13 bis in den parallelen Teil der Diffusionsrohre reichen, das Kapillarrohr der Pipette endet etwa 1 mm iiber dieser Schicht. Die Pipette tragt 2 Marken, das Volumen zwischen diesen Marken ent- spricht dem Volumen einer Diffusionssehicht. Zwei oder mehr MeBkolbchen werden in feuchtern Zustand ebenfalls auf dieses Volumen geeicht. In diesen Kolbchen fangt man beim Ablassen die Losung in 4 getrennten Portionen auf.

Man hat nun im Laufe der Zeit beim Arbeiten rnit der OIIOLM- schen Apparatur einige Fehlermoglichkeiten beobachtet, andererseits aher a,uch Verbesserungen der Versuchsmethode entwickelt, die die

Abb. 1. DiffusionsgefaB

experiinentelle Durchfiihrung der Messungen erleichtern und die Genauigkeit der Ergebnisse steigern. Es ergaben sich folgende Einzelheiten :

Die geometrische Form des Diffusionszylinders ist fur die Esakt- heit der MeBergebnisse von Wichtigkeit. Die Wande der Diffusions- rohre miissen genau parallel sein, da sonst die Hohe der 4 Diffusions- schichten unterschiedlich ist. Man muS also den Querschnitt des GefaBes kontrollieren und kann auderdem priifen, ob die Hohe der untersten Schicht gleich der Gesamthohe der wal3rigen Losung ist. Der Diffusionskoeffizient, den man aus der untersten Schicht be- rechnet, besitzt bei der Bewertung am meisten Gewicht (siehe weiter unten). Um Wirbelbildungen oder die Entstehung von Stagnations- gebieten beim Ablassen der Losung zu verhindern, mu13 der ubergang der Rohre in die konische Verjiingung allmahlich erfolgen. Es wurde festgestellt, daS GefaBe mit lang ausgezogenem Auslauf durchweg niedrigere Diffusionskoeffizienten liefern als solche mit kurz ausge- zogenem Auslauf.

Die beiden Hahne am Auslauf der Pipette bzw. des Diffusions- gefaBes sollen mit schrager Bohrung versehen sein, ihre Handhabung muS moglichst erschiitterungsfrei erfolgen; von der Einregulierung der Hahnstellung hangt die Auslaufgeschwindigkeit der Losung ab. Es ist deshalb zweckmaBig, die Hahngriffe mit etwa 5 em langen, hebelartigen Verlangerungen zu versehen. Beim Ablassen der Fliissig- keiten aus dern DiffusionsgefaS zeigte sich, daS das Quecksilber wegen seiner groBen Oberflachenspannung eine mehrmaIige Regulierung der Hahnstellung notwendig macht. Da das Beruhren der Apparatur jedesmal mit einer wenn auch kleinen Erschiitterung verhunden ist,, wird am besten die Quecksilberschicht ganz durch Tetrachlorkohlen- stoff ersetzt und nur noch 1 Tropfen Quecksilber zum Dichten des Hahns benutzt.

Die Verwendung der bisher ausschliefilich benutzten Pipetten zum Einlassen der Liisnngen (eine Fiillung Unterschichtungslosung und drei Fiillungen Losungsmittel) erweist sich als unbefriedigend. -

Untcr den iiblichen Bedingungen miissen 25 ml Unterschiohtungslosung gleichmal3ig in eineni Zeitrauni von etwa 40 Minuten in dem Diffusionszylinder unter das Losungsmittel uuterschichtet werden. Die hierfiir erforderliche Einstellung des Piprt,tcnhahns ist im allgemeinen mit einer einzigen Regdierung nicht zu erreichen.

GRUTTNER, JANDER u. BERTRAM, Diffusionskoeffizienten geloster Stoffe oder Ionen 189

Solange sich die Flussigkeit noch in dem oberen dunnen Teil der Pipette \'or deren bauchiger Erweiterung befindet, ist eine Kontrolle der Auslaufgeschwindigkeit auf Grund des sichtbaren Absinkens des Meniskus und gegebenenfalls eine Korrektur durch Nachregulierung gut moglich. Sobald der Meniskus aber den weiten Teil der Pipette erreicht hat, kann das Auge Anderungen der Laufgeschwindigkeit nicht mehr differen- zieren, eine Nachregulierung muB rein gefiihlsmabig erfolgen und erfahrungsgemab mehrmals nachkorrigiert werden. Dies fuhrt zu mechanischen Erschutterungen und zu einer Diskontinuitat des Unterschichtungsvorganges. Zur Vermeidung dieser Fehler- quellen ersetzt man den eigentlichen Pipettenteil iiber dem Hahn durch eine 50 ml Burette mit SCHELLBACH-Streifen. Dazu wird der gerade Burettenteil moglichst weit unter den1 unteren Ende der Graduierung abgeschnitten und vom Glasblaser an Stelle des Pipetten- stuckes senkrecht an das Einlaufrohr mit Hahn gesetzt. Die Begrenzung der Burette nach oben wurde von uns aus raumlichen Griinden auf 30 ml begrenzt. Durch die durch- gehende Unterteilung und den relativ kieinen Biirettendurchmesser ist laufend eine exakte Kontrolle und Regulierung der Stromungsgeschwindigkeit mit der Stoppuhr moglich. Durch Nachfullen von oben kann ein beliebiges Volumen aus der Burette abge- lassen werden. Aus der Abb. 1 kann man die Apparateteile und ihre Dimensionen ersehen.

h2 Wie aus der Formel D, = a-xx hervorgeht, ist eine exakte Re- stimmung der Hohe h der einzelnen Losungsschichten von besonderer Bedeutung, da sie ja quadratisch in die Gleichung eingeht.

Zu ihrer Bestimmung wird auf der AuDenwand des Diffusionszylinders ein Streifen Millimeterpapier genau senkrecht aufgeklebt und die Differenz zwischen der Grenzflache Losung-Luft und der Grenzflache Losung-Tetrachlorkohlenstoff abgelesen. dieser Strecke entspricht der Hohe der einzelnen Schicht. Aus der folgenden kleinen Tabelle geht hervor, daB eiu Fehler von 0,l cm bei der Ablesung der Gesamthohe, entsprechend einem Fehler von 0,025 cm bei der Einzelschichthohe, bei Gesamthohen, wie sie sich aus den eingangs erwahnten Zylinderdurchmessern (3,5-5,7 cm) und Losungsvolumina (25 oder 50 ml/Schicht) ergeben, einen Unterschied von etwa 1,7-2,6% des auf 10°C umgerechneten Diffusionskoeffizienten D,, bewirkt.

Tabelle 1 - - _ _ - ___ ____ _ _ ~ - ~ -~ _ _

I Gesamthohe in cm 1 D,, 1 Differenz, bezogen auf die kleiuere Hohe

i 7,80 7,70

11,30 11,20

0,358 0,349

j 0,364 I 0,358

0,009 = 2,6%

0,006 = 1,7% --

Die Gesamtschichthohe betragt bei Diffusionszylindern von 4 bis 4,7 cm Durch- messer etwa 8 cm. Die Ablesung der Hohe ist dann bereits recht problematisch, denn durch Auftreten verschiedener Spiegeleffekte infolge der Form der GefaSe und des in der Langs- achse des Zylinders verlaufenden Kapillarrohrs, aber auch durch die Greuzflache Losung- CCI, treten vor allem an der oberen Grenzflache statt eines deutlichen Meniskus mehrere nur wenig gegeneinander kontrastierende Linien auf ; eine eindeutige parallaxenfreie Ab- Iesung ist daher erschwert. Die Verwendung einer Lupe schafft nur geringe Abhilfe. Beim Vergleich einer Hohenablesung mit blol3em Auge mit der unter Verwendung eines

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.Kathetonieters orhaltenen ergab, daB die mit bloBem Auge abgelesene Hohe groBer war: die Differenz war aber nicht bei allen GefaBen gleich grol3, sie konnte 0,7%, bei einem anderen GefaB 1,9% betragen. Bei Verwendung von DiffusionsgefaBen mit einem Durch- messer von etwa 5,7 cm treten die oben geschilderten Schwierigkeiten noch wesentlich verstirkt auf.

Die genannten Komplikationen bei der Ablesung lassen sich jedoch durch intensives Anfarben der Tetrachlorkohlenstoffschicht mit einem in Wasser unloslichen Farbstoff praktisch vollkommen beseitigen. Der Farbstoff ,,Fettrot R" (Fa. Ciba) eignet Rich hierzn gilt,.

/ \

OH Er ist, in CCI, mit intensiv roter Farbe gut loslich, in waBrigen Losungen vom

pH 2 bis 14 dagcgen vollkommen unloslich, so daB die wal3rige Schicht ohne Storung spek- tralphotometrisch untersucht werden kann. Durch das Anfarben der Tetrachlorkohlenstoff- schicht erscheint sowohl der Meniskus zwischen farbloser Losung und tiefrotem CC14 als auch infolge Spiegelnng der dunkelroten Flache der obere Meniskus vollkommen scliarf und eindeutig. Die Kreislinien der Phasengrenzflachen fiind auch bei dickeren Zylindern gut, sichtbar, so daB eine paralla,wnfreie Ablesung moglich ist,.

2. Die Durchfiihrung der Diffussiunsversuche Die mit, Chroriischwefelsinre gereinigte und getrocknete Apparatur sowie Queck-

silber, Tetrachlorkohlenstoff und alle benotigten Losungen werden vor Beginn des Ver- suchs mindestens 15 Stunden in dem Versuchsra.um aufbewahrt, damit Temperaturaus- gleich erfolgt.

Als Versuchsraum dient am besten ein Kellerraum ohne Fenster, der nioglichst ge- schiitzt vor Temperaturschwankiingerl und Erscliiitterungen liegen soll. Durch Einbau eines einfachen 1500-Watt-Elelitroofens mit Kontakttherrnometer gelingt es leicht, einen Kellerranm von etwa 25 1n3 ini Teniperaturgebiet von etwa 20" unabhangig yon der Jahreszeit auf i 0 , l " temperatmurkonstant, zu haltmen. Beim Einbau einer solchen Anlage ist, darauf zu achten, daB der Ofen moglichst weit. cntfernt von den Diffusionszylindern, das Thermometer dagegen in deren unrnittelbarer Nahe angebracht wird. Die Hahne der L4pparati~r werdcn gefettet, dann fullt man rnit einern 1a.ngen Trichter 1 Tropfen Queck- silber in das Uiffusionsgefi,B. uni den unteren Hahn zu dichten und spannt das GefaB in genaii senkrechter Lage so hoch ein, daB sich die geeichten MeBkolbchen unter den Ab-

en. Das Stativ soll nioglichst schwer sein. Falls infolge der baulichen Lage des Diffusionsraumes gewisse permanente Erschiitterungen oder Schwingungen des Mauerwerks nnvermeidlich sind, hat sich eine Stativuiiterlage aus Schaumgummi. polstern gut bewahrt.

Iler m g e f i r t h 7'ctrachloikohlenstoff wird entweder init Hilfe eines langen Trichters oder c lurch Ansnugen so hoch eingefullt, daW das Ablaufrohr der Burette nach dem Ein- setzen ctwa 1 nini iiber dem Tetrachlorkohlenstoff endet. Man 1aSt aus der eingesetzten Biirottc voraichtig das Losungsmittel, in das der zu untersuchende Stoff hineindiffun- dieren SOH, anf den Tetrachlorkohlenstoff laufen, dieser darf dabei nicht sprudeln oder sich bewcgen, Man benntzt, bei den 4-Schichten-Versuchen 3 Volumen Losungsmittel ituf I Volunien T,osung der zu untersuchenden Substanz ( I Volumen Losung: 25 oder 50 ml).

GRUTTNER, JANDER u. BERTRAM, Diffusionskoeffizienten geloster Stoffe oder Ionen 191

Darauf nimmt man die Burette aus der Apparatur, 1a13t den Losungsmittelrest ablaufen und moglichst gut abtropfen, fullt die Burette rnit der Lijsung der zu untersuchenden Substanz, fuhrt sie in die Apparatur ein und klemmt sie fest ein. Um etwaige Temperatur- erhohungen, die durch das Beriihren der Gefade mit den Handen eingetreten sein konnen, auszugleichen, 1aBt man die Apparatur I Stunde ruhig stehen und beginnt dann mit dem Unterschichten. Dieses dauert 40 Minuten oder mehr, je nachdem, ob die Dichteunter- schiede von Losungsmittel und Losung groBer oder gering sind.

Da der Dichteunterschied im allgemeinen sehr gering ist, ist es vielfach unumgang- iich, die Unterschichtungslosung durch einen geeigneten Zusatz zu ,,beschweren". Dazu eignet sich nach JANDER und WINK EL^^) in erster Linie Harnstoff, dessen Anwesenheit die Diffusionsgeschwindigkeit von Ionen nicht beeinflu13t. , Vielfach konnen auch typische Neutralsalze wie NaCIO,, KNO,, KCl usw. verwendet werden. Die Brauchbarkeit des einen oder anderen Beschwerungsmittels wird von Fall zu Fall durch entsprechende Vor- versuche zu klaren sein. Die Burette bleibt wahrend der Dauer der Diffusion in der Apparatur. Um ein Nachlaufen in dieser Zeit zu verhindern, 1aBt man 1 Tropfen Queck- silber von oben in die Burette fallen. Uber die Dauer des Versuchs vergleiche man das in Absehnitt I1 Gesagte.

Beim Ablassen der Diffusionssaule ist jedes unnotige Beriihren und Drehen des Hahns zu unterlassen. Eine mehrmalige Reguliernng larjt sich aber doch nicht vermeiden, da Quecksilber, Tetrachlorkohlenstoff und wadrige Losung unterschiedliche Oberflachen- spannung besitzen und die Fliissigkeiten nur langsam auslaufen diirfen. Die wa13rige Losung wird kontinuierlich in 4 Portionen in den im feuchten Zustand geeichten MelJ- kolbchen aufgefangen; die Kolbchen werden entleert und mit Wasser nachgespult. Die Dauer fur das Ablassen je einer Schicht betragt etwa 25 Minuten.

Die Temperatur des Versuchsraumes wird als erstes vor dem Ansetzen eines .Diffu- sionsversuches und vor dem Beginn des Ablassens der Diffusionssaule gemessen, damit kurzfrist:ge Temperaturerhohungen durch Gliihlampen, die Korperwarme des Versuchs- ausfiihrenden usw. nicht mitgemessen werden. Sofern kein wirklich temperaturkon- stanter Raum zur Verfiigung steht, wird der Mittelwert der beiden Temperaturen als Versuehstemperatur genommen. Als Beginn eines Versuches wird der Zeitpunkt genoni- men, an dem die Unterschichtung der Losung beginnt; der Versuch gilt als beendet, wenn die Halfte der 2. Schicht abgelassen ist.

Bei der Bestimmung spezifischer Diffusionskoeffizienten von Ionenl) enthalten Losung und iiberschichtetes Losungsmittel noch zusatzlich eine groBe Menge Fremd- elektrolyt. Um zu vergleichbaren Werten zu kommen, mu13 dann auderdem noch die relative Zahigkeit der Losung, in die die zu untersuchenden Ionen hineinwandern, be- kannt sein. Man midt die ZLhigkeit der Uberschichtungslosung bei der Temperatur des Diffusionsversuches im Vergleich zu der des Wassers. Die Ergebnisse, die man mit dem OsTWALDschen Kapillarviskosimeter und mit dem Kugelfallviskosimeter nach HOPPLER erhalt, stimmen gut iiberein, wenn das OSTWALD-Viskosimeter eine Auslaufzeit von -100 sec (bezogen auf Wasser von Zimmertemperatur) besitzt.

3. Bemerkungen iiber die Ubereinstimmung gemessener Diffusionskoeffizienten Bei vergleichenden Diffusionsmessungen ist die Einhaltung moglichst identischer

Bedingungen in jeder Hinsicht anzustreben. Diese miissen sich auch auf Form und Di- mensionierung der Diffusionsgefarje erstrecken. Die beste Reproduzierbarkeit der Er- gebnisse wird stets dann erzielt, wenn fur verschiedene Messungen das gleiche GefaR ver- wendet wird. Dies leuchtet ohne weiteres ein, wenn man bedmkt, da13 die Vorgange des

192 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine,Chemie. Band 287. 1956

Unterschichtens und Ablassens der Diffusionssaule immer infolge Stromungserschei- nungen, Wirbelbildungen, mechanischer Erschiitterungep usw. Fehler verursachen miissen, die weder theroretisch noch praktisch genau kontrollierbar sind, zweifelsohne aber maBgeblich von den geometrischen Formen des Zylinders beeinflufit werden. Um die unseres Erachtens im wesentlichen methodisch und apparativ bedingten gelegent- lichen Diskrepanzen bei Ergebnissen verschiedener Autoren zu vermeiden, ware eine generelle und sehr detaillierte Normung von Diffusionsapparaturen und deren Hand- habung anzustreben.

Bei strikter Beachtung aller bis jetzt erwahnter Mafiregeln beobachtet man bei Parallelvermehen eine durchschnittliche Abweichung von weniger aIs 1,5% von den jeweiligen Mittelwerten, wahrend man in friiheren Arbeiten') mit Abweichungen von etwa 3% zu rechnen hatte.

11. Die Errechnung des Diffusionskoeffizienten aus den gemessenen Werten

Nach dein 2. FIcKschen Gesetz:

ist die erste Ableitung der Konzentration nach der Zeit proportional der zweiten Ableitung nach der Ortskoordinate. Zur Losung dieser Gleichung denkt sich STEFAN~) ein zylindrisches GefaB, in dem sich zu Beginn des Versuchs Losung der Hohe 2 h befindet, daruber unendlich viele Schich- ten Liisungsmittel. Das System ist also nur nach unten begrenzt (bei X = 0). Der Gesamtgehalt an diffundierender Substanz wird gleich 10 000 gesetzt. Der Substanzgehalt der Schichten wird in Abhangigkeit von h, D und t berechnet. Die Losung der partiellen Differentialgleichung gibt bei diesen Anfangsbedingungen fur einen bestimmten Diffusions- koeffizienten D die Konzentration c an, die zu einer Zeit t in der Hohe X herrscht. Urn hieraus den Substanzgehalt einer Schicht zu ermitteln, wird c mit g (Querschnitt der Schicht) multipliziert und uber X inte- griert, und zwar fur die erste (unterste) Schicht von 0 bis h, fur die zweite von h bis 2 h, fur die dritte von 2 h bis 3 h usw. Es ergibt sich,

h da13 die Substanzgehalte nur von ~ abhangen, d. h. fur zwei Systeme I/E ist, bekommt man mit h,, D,, t, bzw. h,, D,, t, fur die -~ = ___

fur entsprechende Schichten die gleichen auf 10 000 bezogenen Sub-

hl V D X V%

-

stanzgehalte. STEFAN gibt in einer Tabelle die Substanzgehalte fur - 0,lO; 0 , l l ; 0, lZ; - - . 0,20; 0,22; . . . 0,60 an. Es treten nur bis

zur 28. Schicht von Null verschiedene Substanzgehalte auf. Nach dem

s, J. STEFAN, Ber. Kais. Akad. Wiss., math.-nat. Kl., Wien 79, I1 (1879) 161, 184.

ZF -

185, 208.

GRUTTNER, JANDER u. BERTRAM, Diffusionskoeffizienten geloster Stoffe oder Ionen 193

Reflexionsprinzip verkurzt STEFAN seine Tabelle. Er nimmt an, daB der uber die 16. Schicht hinausdiffundierende Stoff nach den gleichen Gesetzen wieder hinunterdiffundiert. Demnach hat man zur 16. Schicht den Gehalt der 17. Schicht, zur 15. den Gehalt der 18., zur 14. den Gehalt der 19. Schicht usw. hinzuzurechnen. Nach demselben Prinzip ver-

STEFAN-KAWALKIs c he Ta belle li - I

0,0400 0,0484 y 4

92 0,0576 0,0676 loo

108 0,0784 116 0,0900 124 0,1024 132 0,1156 140 0,1296

0,1444 14’ 156 0,1600 336 0,1936 368 0,2304 400 0,2704 432 0,3136 464 0,3600

0,4096 496 0,4624 528

560 0,5184 592 0,5776 624 656

0,6400 0,7056

688 0,7744 720 0,8464 752 0,9216 784 1,0000 816 1,0816 848 1,1664

1,2544 880 912 1,3456 944 1,4400

1984 1,6384 1,8496 2112 2,0736 2240 2,3104 2368

2496 2,5600 2624 2,8224

4,0000 -

I

2587 2666 2778 2914 3068 3233 3404 3576 3751 392 1 4088 4411 4716 500 I 5267 5516 5746 5960 6157 6341 6510 6666 6811 6945 7069 7184 7291 7390 7483 7569 7650 7797 7926 8039 8144 8237 8320 8593

79 112 136 154 165 1 7 1 172 175 170 167 323 305 285 266 249 230 214 197 184 169 156 145 134 124 115 107 99 93 86 81

147 129 113 105 93 83

2 73

2535 2568 2617 2671 2735 2799 2866 2934 2994 3049 3097 3172 3217 3236 3230 3201 3166 3114 3054 2990 2920 2849 2776 2706 2635 2566 2496 2429 2364 2302 2241 2129 2020 1920 1829 1745 1666 1406

I11 4

2466 2431 2384 2329 2265 2194 2121 2048 1972 1896 1816 1660 1504 1350 1203 1036

935 817 710 616 533 459 394 338 289 246 210 179 151 128 108

78 54 38 26 18 12 3

35 47 55 64 71 73 73 76 76 80

156 156 154 147 167 101 118 107 94 83 74 65 56 49 43 36 31 28 23 20 30 24 16 12 8 6 9

IV

2414 2330 2221 2085 1935 1772 1607 1440 1284 1135

996 755 563 412 300 214 156 108

76 52 36 24 17 11 8 4 3 2 1 1

I1 + IV n

4949 4898 51 4838 6o 4756 78 4670 86 4571 99 4473 98 4374 99 4278 96 4184 94 4093 91 3927 166 3780 147 3648 132 3530 3415 3322 93 3222 loo 3130 92 3042 st? 2956 86

83 2873 8o 2793

76 2717 2643 74 2570 73 2499 71

68 2431 66 2365

2303 62 2241 62

112 2129 109 2020

1920 loo 91 1829 84

1745 1666 79 1406 260

194 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 287. 1956

kurzte KAWAI,KI~) das STEFANsChe System auf die Halfte, er faate also die 1. und 16., die 2 . uncl 15., die 3. und 14. Schicht usw. zusammen. AuBerdem vereinigte er die 8 Schichten zu 4 Doppelschichten, es be- finden sichalso uber einer Losungsschicht I drei Losungsmittelschichten 11, I11 und IV. Die Hohe einer solchen Schicht wurde noch rnit 2 h be- zeichnet, wahrend sie bei spateren Autoren gleich h gesetzt wird. KA- WALKI hat schon an Stelle von - das Quadrat 4Dt = x eingefuhrt.

KAWALKIS Tabelle wurde von JANDER uns SCHT'LX Is) und von J O S T ~ ) erganzt.

Der Diffusionskoeffizient D, bpi der Teniperatur 6 wird wie schon erwahnt aus der Formel:

h 11% 2 I/Dt

112

4Xtl t ufi =

errechnet. Die Werte fur x entnimmt inan fiir die auf 10000 bezogenen analytisch ermittelten Suhstanzgchalte S fur Schicht I, I11 und I1 + I V den BAwALKrschen Tabellen. 411e drei Diffusioriskoeffizienten spiegeln

1 4 6 8 10?O-z 2 4 6 5 W.fOD" 2 4 6 8 10

Abb. 2. Substanzgehalte der Einzelschichten in Ab- hangigkeit vorn s-Wert (halblogarithrnischc Dar-

stellung)

- -

gut die Symnietrie des GefaBes und Storungen wahrend des Versuchs wider.

Zur Mittelwertsbil- dung werden den ein- zelneii Diffusionskoeffi- zienteri Gewichte zuge- teilt, die sich aus dem Anstieg der Kurve er- geben, die man erhalt, wenn man die x-Werte jeder Schicht gegen die auf 10000 bezogenen Substanzgehalte S auf- tragt. Besonders deutlich sind diese Verhaltnisse aus einer halblogarith- mischen Darstellung er- sichtlich (Abb. 2). J e

4, W. KAWALKI, Wiedernanns Ann. Phys. Chern., N.F. 52, G. F. 288, 166, 300 (1894). 5, W. JOST. Diffusion 11. chem. Rralttion in festen Stoffen, Dresden u. Leipzig,

1937, 8. 221.

GRUTTNER, JANDER u. BERTRAM, Diffusionskoeffizienten geloster Stoffe oder Ionen 195

steiler die Kurve verlauft, desto gro13ere Zuverlassigkeit besitzt der x- Wert, da Fehler bei der Bestimmung des Substanzgehaltes entsprechend geringere Unsicherheiten bei der Ablesung des x-Wertes verursachen.

S u s der Abb. 2 erkennt man, daB fur x-Werte zwischen 0 , l bis 0,6. die Kurve der Schicht I einen recht steilen Verlauf zeigt. Da Schicht I den gro13ten Gehalt besitzt und deshalb am genauesten analysiert werden kann, werden die Diffusionsversuche so abgebrochen, da13 x- Werte von dieser GroBenordnung vorliegen; das ist dann der Fall, wenn der Gehalt der dritten Schicht etwa 10 bis 15% des Gesamtgehalts betragt. So er- halt die am zuverlassigsten a,nalysierte Schicht auch bei der Auswertung das gro13te Gewicht. Hat man in eiiieni Vorversuch die ungefahre GrolJe von D ermittelt, so kann man die passendste Zeitdauer des Versuchs vorausberechnen. Die Kurve der Schicht I11 zeigt einen monoton ab- nehmenden Verlauf, wahrend die Kurve der Schicht I1 gerade zwischen den x-Werten 0 , l his 0,6 ein Maximum durchlauft. Die sich aus Schicht I1 ergebenden s-Werte wurden daher nur ein sehr kleines Gewicht erhalten bzw. gar nicht' eindeutig auswertbar sein. Da in Schicht I V der Suh- stanzgehalt nur klein und daher oft nicht, genau analysierbar ist, werden Schicht I1 und IV zusanimen analysiert und ausgewert,et. Die Kurve der Sahicht I1 + IV zeigt monoton abnehnienden Verlauf.

Als Anstieg tg OL der S, x-Kurve nimmt man die Differenz d S der S- Werte, zwischen denen interpoliert werden mu13 urid dividiert durch die Differenz Ax der zugehorigen x-Werte. Wenn alle drei x-Werte eines Diffusionsversuchs aus dem gleichen Interval1 interpoliert werden, kann die Division durch Ax unterbleiben. Die erste Schicht bekommt durchweg das grii13te Gewicht, Schicht I1 + I V meistens das kleinste, gelegentlich auch Schicht 111.

Um bei verschiedenen Teniperaturen gemessene Diffusionskoeffi- zienten miteinander vergleichen zu konnen, mu13 man sie auf eine Bezugs- temperatur unirechnen. JANDER und Mitarbeiter l) wahlten 10" C als Bezugstemperatur. NERNST 6, hat nun folgende Beziehung gefunden :

(1)

t ist die gemessene Temperatur in Grad C, D, der Diffusionskoeffizient fur diese Tem- peratur, D,, der Diffusionskoeffizient bei der Bezugstemperatur von 18" C.

Diese Formel gilt nur naherungsweise fur Temperaturen t, die nicht allzusehr von t = 18" C abweichen. Der Temperaturkoeffizient ,xI8 = 0,026 ist also theoretisch fur eine Umrechnung der bei etwa 18" ermittelten Diffusionskoeffizienten auf die Bezugstemperatur von 10" nicht streng gultig. Andererseits geht aus den Messungen von <JANDER

D, = D,, [l + 0,026 (t - IS)]

E, W. NERNST, Z. physik. Chem. 9, 613 (1888).

196 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 287. 1956

und SCHULZ la), die bei Temperaturen von 4-13" durchgefuhrt wurden, auf Grund der gut'en Obereinstimmung zwischen den theoretisch un ter Verwendung von als auf 10" umgerechneten und den experimentell bei 10" gefundenen Werten hervor, dalJ inan bei Benutzung von alS zur [Jmrechnung auf 10" uber ein Temperaturintervall von etwa 10" keinen wesentlichen Fehler begeht. Da unseres Wissens in der bisher veriiffentlichten Literatur ausschliefllich der NEIiNsiische Temperatur- koeffizient s18 zur Umrechnung auf 10" verwendet wurde, halten wir es unter Beriicksichtigung der obigen Einschra,nkung fiir richtig, diesen Wert auch beizubehalten.

Es erscheint uns unwahrscheinlich, da8 es einen allgemein streiig gultigen Tem- peraturkoeffizienten fur die Umrechnung von D, auf D,, gibt, der auch solche Faktoren wie beispielsweise temperaturabhangige dnderungen der Hydratationszahlen der Ionen und der Zahigkeiten der Losungen in dem betrachteten Temperaturbereich mit einschlieBt. Ein neuer, in dieser oder jener Richtung noch so gut theoretisch begrundeter Temperatur- koeffizient ware also prinzipiell auch wieder mit unkontrollierbaren Fehlerquellen be- haftet.

Unter diesen Gesichtpunkten kann dem auf 10" oder eine beliebige andere Temperatur umgerechneten Diffusionskoeffizienten nur der Cha,rakter einer annahernd richtigen KorrnungsgrtiBe zugebilligt werden, die allerdirigs fur eine vergleichende und orientierende Betrachtung verschiedener Systeme erfahrurigsgema, I3 durchaus ausreichend ist. Kommt es jedoch auf eine Kenntnis der absolut genauen GroBe eines Diffusionskoeffizienten bei 10" an, so muB man die experimentelle Bestimmung auch bei dieser Temperatur durchfuhren. Aus dem Ge- sagten durfte der Vorteil eines unabhangig von den Jahreszeiten teni- peraturkonstanten Versuchsraumes ersichtlich sein. Die in einem solchen Raum ermitt.elten Ergehnisse sind hinsichtlich der Fehler, die durch Temperaturumrechnung entstehen konnen, bei direkteni Vergleich absolut, bei Vergleich der auf 10" umgerechneten Werte relativ fehler- frei.

Von I. BERTRAM7) ist auf Grund einer mathematisehen Ableitung unter Verwendung der NERNsTschen Formel ein Temperaturkoeffizient von al0 = 0,03283 zur Umrechnung der Diffusionskoeffizienten von a18 auf 10' vorgeschlagen worden. Da diesem Werte jedoch im Prinzip die gleichen eben erwahnten Mange1 wie dem NERNsTschen Wert aI8 anhaften durften und eine experimentelle Nachprufung seiner Gultigkeit noch aussteht, haben wir von seiner Einfuhrung abgesehen, zumal eine nachtragliche Umrechnung Slterer Werte in vielen Fallen infolge fehlender Temperaturangaben nur schwer moglich ist.

Der auf 10" umgerechnete Diffusionskoeffizient D,, wird noch mit der relativen Zahigkeit des iiberschichteten Liisungsmittels multipli-

7 j I. BERTRAM, Diplomarbeit. Greifswald 1952.

GRUTTNER, JANDER u. BERTRAM, Diffusionskoeffizienten geloster Stoffe oder Ionen 197

ziert, da aus dem STOKES-EINSTEINsChen Gesetz folgt, dalj bei der Diffu- sion des gleichen Stoffes bei gleicher Temperatur in verschiedenen Losungsmitteln das Produkt aus den1 Diffusionskoeffizienten und der Zahigkeit der Losung D . 7 konstant ist.

111. D er 2 - Schiehten- Dif f usionsversueh J O S T ~ ) hat bereits darauf hingewiesen, dafi andere Versuchsan-

ordnungen a h die der STEFAN-KAWALKISChen Tabelle entsprechenden moglich sind. Wiihlt man eine Versuchsanordnung, bei der sich iiber einer Schicht der Versuchslosung eine Losungsmittelschicht befindet und halt die Versuchsdauer kurz. so da13

= 1,44 hZ 4 De A t

x=--

bleibt, kann man zur Berechnung des Diffusionskoeffizienten die von SrwAx 3, gegebene Formel

benutzen, die fur nach oben und unten unendlich ausgedehnte Fliissig- keitssa'ulen gultig ist. In dieser Formel ist t die Versuchszeit in Tagen, b die Hohe der Unterschicht,ungslosung in em, s+ (t) und s- (t) sind die Gehalte an diffundierendem Stoff in der oberen bzw. unteren Schicht zur Zeit t .

Auch die K A W A L K I S C ~ ~ Tabelle lafit sich nach dem Reflexions- prinzip fur 2-schichtige Versuche zusammenfassen. Der Gehalt der unteren Schicht ist dann gleich der Summe der Gehalte aus Schicht I und IV, die obere Schicht besitzt die Gehalte der Schichten I1 und I11 bei KAWALKI.

Vergleicht man die Substanzgehalte der oberen Schichten, s+ (t) &us G1. (8) und I1 + I11 im 2-Schichten-System nach KAWALKI, mit den Gehalten der Schichten 3 bis 00 nach STEFAN (vgl. S. 192) und I1 + I11 + IV im 4-Sehichten-Versuch nach KAWALKI, so ergibt sich, daI3 bei x-Werten, die gleich oder grofier aIs 1,44 sind, die Gehalte der verschieden hohen oberen Schichten nur noch unwesentlich voneinander abweichen.

Folgende Bedingungen mussen bei der Durchfuhrung von 2- Schich- ten-Versuchen und bei Benutzung der G1. (8) zur Berechnung eingehalten werden :

1. Die Hohe der oberen Schicht mu13 mindestens gleich der der unteren Schicht sein; eine groljere Hohe hat innerhalb der zulassigen Versuchszeiten keinen merklichen Ein- flu13 auf das Versuchsergebnis.

2. In die Berechnungsformel geht lediglich die Hohe der unteren Sehicht ein.

198 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 287. 1956

3. Die Dauer der Diffusion ist so zu bemessen, daR beini Abbrechen etwa 23% (ent- sprechend dem Wert x = 1,44 der STEFAN-KAWALKIschen Tabelle) des gesamten Stoffes in die obere Schicht eindiffundiert sind.

Fur die Durchfuhrung von 2-Schichten-Versuchen wird die gleiche Apparatur, wie sie fur die 4- Schichten-Versuche verwendet wird, be- nutzt ; die praktische Ausfuhrung der Versuche gestaltet sich ganz ent- sprechend. Die optimale Laufzeit kann in wenigeri Vorversuchen er- mittelt werden, diese sind im allgemeinen a,uch bei 4- Schichten-Ver- suchen unvermeidlich.

Bei einer praktischen Nachprufung der 2-Schichten-Methode durch BERTRAM') und JANDER und Mitarbeiter lg) hat sich gezeigt, dalj die Ergebnisse bei einer Toleranz von 18 bis 25% hinsichtlich des Gehaltes der oberen Schicht gut reproduzierbar sind; sie stimmen mit den aus ent- sprechenden 4-schichtigen Versuchen erhaltenen Ergebnissen ausge- zeichnet uberein. Dem Nachteil, da13 pro Versuch nur ein Wert fur den Diffusionskoeffizienten ermittelt werden kann, steht die grolSere Analysen- gena.uigkeit und die erheblich kurzere Versuchsdauer entgegen. Diese betragt bei gleicher Schichthohe durchschnittlich 20 % der Dauer von 4-Schichten-Versuchen. Infolge der kurzeren Laufzeit verringert sich der EinfluB von Temperaturanderungen und aulSeren Erschutterungen. Bei der Diffusion in sehr verdunnten Losungen kann durch Erhohung der Menge der benutzten Losungen die Analysengenauigkeit gesteigert werden. SchlieBlich nimmt die Berechnung von D nur wenige Minuten in Anspruch, da alle MeBgrolJen direkt in die Formel eingesetzt werden kiinnen .

Berlin-Charlottenburg, Anorganisch-Chemisch,es Institut der Tech- nischen Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 8. Juni 1956.