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5s Die rhythmischen Spontanentladungen im Zentralnervensystem der Tintenfische von H. MISLIN, hlainz Die Tintenfische sind zweifellos die hochstorganisierten Wirbellosen mid gel -tatten in mancher Hinsicht einen Vergleich mit den Wirbeltieren. Aus diesen Griinden sind Untersuchungen iiber die Erregungsvorgange am Zentralnervensystem dieser eigen- artigen Tiergruppe erwiinscht gewesen. Es gelang uns erstmalig, spontane. autorhyth- mische Potentialschwankungen in fast allen Teilen des Z. N. S. bei Octopus und Sepia abzuleiten. Der isolierte Arm zeigt rhythmisch-periodische Entladungssalven. die sich in Intervallen von nur wenigen Sekunden bis mehreren Minuten folgen. Sie haben Spindelform und sind aufzufassen als gleichzeitige Entladungen mehrerer Erregungs- herde. Entladungen einzelner Zellen sind registriert worden. Diese Aktionspotentiale sind auch am vollig isolierten Axenstrang-Nervensystem, also von einzelnen ”Gang- lienanschwellungen” abgeleitet worden, selbst noch mehrere Tage nach der Armampu- tation. Temperaturerhohung bringt die Potentiale zum Verschwinden, wahrend Ab- kiihlung die Erregungssalven auffallend verstarkt. Die spontane Erregungsbildung und Rhythmizitat dieser Tintenfischarme charakterisiert dieses Axenstrang-Nervensystem als ein ausgesprochenes Zentralorgan. Von besonderem Interesse sind die Befunde am Unterschlundhirn der Octopoden. Ein bestimmter Abschnitt des vollig isolierten Viscerallappens zeigt wahrend Stunden spontane, rhythmische Serien von Potentialen. Eine genaue Lokalisierung dieser Aktionstrom-Herde ist uns jetzt gelungen. Die gefundenen elektrischen Aktivitaten lassen sich aber nicht den Atembewegungen oder den Kreislaufbewegungen zuordnen. Es scheint sich um Erregungsvorgange zu handeln, die als Bintrazentraler Tonus, aufzufassen sind. Die Temperatur-Effekte waren sehr 5hnlich wie beim Armnerven- system. Es wird weiter berichtet iiber die Ergebnisse der Potential-Ableitungen aus den hoheren Hirnzentren, bei Octopoden und Decapoden. Prof. Dr. H. Mislin Mainz Johannes Gutenberg Universitat, Zoologisches Institut

Die rhythmischen Spontanentladungen im Zentralnervensystem der Tintenfische

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Die rhythmischen Spontanentladungen im Zentralnervensystem der Tintenfische

von

H. MISLIN, hlainz

Die Tintenfische sind zweifellos die hochstorganisierten Wirbellosen mid gel -tatten in mancher Hinsicht einen Vergleich mit den Wirbeltieren. Aus diesen Griinden sind Untersuchungen iiber die Erregungsvorgange am Zentralnervensystem dieser eigen- artigen Tiergruppe erwiinscht gewesen. Es gelang uns erstmalig, spontane. autorhyth- mische Potentialschwankungen in fast allen Teilen des Z. N. S. bei Octopus und Sepia abzuleiten. Der isolierte Arm zeigt rhythmisch-periodische Entladungssalven. die sich in Intervallen von nur wenigen Sekunden bis mehreren Minuten folgen. Sie haben Spindelform und sind aufzufassen als gleichzeitige Entladungen mehrerer Erregungs- herde. Entladungen einzelner Zellen sind registriert worden. Diese Aktionspotentiale sind auch am vollig isolierten Axenstrang-Nervensystem, also von einzelnen ”Gang- lienanschwellungen” abgeleitet worden, selbst noch mehrere Tage nach der Armampu- tation. Temperaturerhohung bringt die Potentiale zum Verschwinden, wahrend Ab- kiihlung die Erregungssalven auffallend verstarkt. Die spontane Erregungsbildung und Rhythmizitat dieser Tintenfischarme charakterisiert dieses Axenstrang-Nervensystem als ein ausgesprochenes Zentralorgan.

Von besonderem Interesse sind die Befunde am Unterschlundhirn der Octopoden. Ein bestimmter Abschnitt des vollig isolierten Viscerallappens zeigt wahrend Stunden spontane, rhythmische Serien von Potentialen. Eine genaue Lokalisierung dieser Aktionstrom-Herde ist uns jetzt gelungen. Die gefundenen elektrischen Aktivitaten lassen sich aber nicht den Atembewegungen oder den Kreislaufbewegungen zuordnen. Es scheint sich um Erregungsvorgange zu handeln, die als Bintrazentraler Tonus, aufzufassen sind. Die Temperatur-Effekte waren sehr 5hnlich wie beim Armnerven- system. Es wird weiter berichtet iiber die Ergebnisse der Potential-Ableitungen aus den hoheren Hirnzentren, bei Octopoden und Decapoden.

Prof. Dr. H. Mislin Mainz

Johannes Gutenberg Universitat, Zoologisches Institut