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HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT W 3828 F Herausgegeben oom Hohenzolleritchen Gefchichteoerein 24. Jahrgang Nr. 1/März 1974 Die Schlacht von Ostrach Am 21. März waren 175 Jahre vergangen seit der Schlacht von Ostrach, der ein Bericht auf Seite 2 dieses Heftes gewidmet ist. Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem wandfällen- den Gemälde in der Freiherr-vom-Stein-Schule in Ostrach. Es schmückt die Westwand des Schulsaals, der zugleich Sitzungssaal des Gemeinderats ist. Im Hintergrund links die Pfarrkirche St. Pankraz in Ostrach, die inzwischen neu gebaut wurde. Der Turm ist noch derselbe. Aufnahme: Leonie Frick

Die Schlach votn Ostrach · zel, de Spähtruppsr de, Herantastens vorauss bi, beides n Seiten kla wurder da, ß a n de Ostracr dih Entscheidune g fallen werde Kar. stanl mid seinet

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HÖH ENZOLLERISCHE

HEIMAT W 3828 F

Herausgegeben oom

Hohenzolleritchen Gefchichteoerein

24. Jahrgang Nr. 1/März 1974

Die Schlacht von Ostrach

Am 21. März waren 175 Jahre vergangen seit der Schlacht von Ostrach, der ein Bericht

auf Seite 2 dieses Heftes gewidmet ist. Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem wandfällen-

den Gemälde in der Freiherr-vom-Stein-Schule in Ostrach. Es schmückt die Westwand des

Schulsaals, der zugleich Sitzungssaal des Gemeinderats ist. Im Hintergrund links die

Pfarrkirche St. Pankraz in Ostrach, die inzwischen neu gebaut wurde. Der Turm ist noch

derselbe. Aufnahme: Leonie Frick

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Vor 175 Jahren: Die Schlacht von Ostrach

Hohenzollern wird demnächst um ein Heimatmuseum reicher, das im ehemaligen Molke-Gebäude der Gemeinde entsteht. Dort wird man auch die Gegner der Schlacht von Ostrach sehen, einen österreichischen und einen fran-zösischen Infanteristen von 1799. Der Gemeinderat hat Anfang März beschlossen, die beiden Uniformen in einer Tübinger Fabrik für historische Kleidung anfertigen zu lassen, mit denen zwei lebensgroße Figuren bekleidet werden. Dies ist ein begrüßenswerter Beitrag zu dem runden Ju-biläum der furchtbaren Schlacht am 21. März 1799, die sich in den nächsten zwei Tagen ausweitete zur Schlacht von Ostrach und Stockach, sich dann immer weiter in einzelne Nachhutgefechte auflöste und schließlich zum Rückzug der Franzosen über den Oberrhein führte. Die Schlacht, in der 5000 Mann gefallen sind, allein in der Umgebung von Ostrach und in der Gemeinde selber, ist das einzige kriegerische Treffen dieses Umfangs wahr-scheinlich seitdem Menschen überhaupt hier leben. Die Kämpfe zwischen Römern und Germanen im Linzgau haben bestimmt nicht diese Ausmaße angenommen, und auch die schwedischen Streifzüge um 1632-34 in den Süden Deutschlands, ja selbst die Belagerung Überlin-gens, so erbittert sie war, erreichten nicht die Ausmaße einer regelrechten Schlacht.

Schlacbtort nicht vorbestimmt

Die Gegend um Ostrach teilte demnach auch nicht das Geschick mancher Gegenden, in denen immer wieder Ge-fechte oder Schlachten vorkommen, einfach weil sie sich dafür eignen. Ostrach war nicht vorbestimmt als Schlacht-ort, wie man leicht ersieht, wenn man dieses Zusammen-treffen rekonstruiert. Es handelte sich einfach darum, daß eine französische Revolutionsarmee versuchte, durch Oberschwaben nach Österreich vorzustoßen, und daß die Truppenkonzentration vom Schwarzwald über Tuttlin-gen nach Sigmaringen und zum Bodensee dem kaiser-lichen Kommando natürlich nicht entging. Schließlich herrschte Kriegszustand (der sogenannte zweite Koali-tionskrieg), und irgendwo - natürlich möglichst weit von Österreich ab - mußte man den Feind bremsen, wo-möglich zum Rückzug zwingen. - Was menschlich da-hinterstand, soweit man die Feldherrn betrachtet, läßt sich ahnen. Die Franzosen führte Jean Baptiste Jourdan, die Kaiserlichen der Erzherzog Karl von Habsburg Lo-thringer. Dieser hatte Jourdan sechs Jahre später bereits in Belgien schlagen können (der Österreicher war damals ganze 23 Jahre alt, und es läßt sich fragen, ob er selber den Ausschlag gab), und Jourdan wollte vermutlich eben-so energisch die Scharte auswetzen, wie Karl seinen Ruf festigen wollte. Karl hatte 78 000 Mann, der Franzose etwa 67 000. Natürlich trafen sie sich nicht alle im Ostrachtal, aber an diesen Zahlen ermißt man doch, was für Dimensionen im Spiel waren.

Die Schlacht beginnt

Dem Tag von Ostrach gingen viele Tage der Scharmüt-zel, der Spähtrupps, des Herantastens voraus, bis beiden Seiten klar wurde, daß an der Ostrach die Entscheidung fallen werde. Karl stand mit seiner Hauptmacht in Saul-

gau, Hoßkirch und Bad Waldsee, Jourdan kontrollierte eine Linie schräg durchs Land etwa von Tuttlingen bis Markdorf. Am 19. März besetzten die französischen Ge-neräle Saint Cyr die Stadt Mengen, Lefevre Ostrach sel-ber. Morgens um drei, am 21. März, setzte sich die österreichi-sche Hauptmacht vom Kloster Siessen aus nach Westen in Bewegung und stieß bei Bolstern auf drei französische Kavallerieregimenter und zwei Bataillone, die sich gegen die Ubermacht tapfer wehrten und sich nur langsam nach Tafertsweiler zurückzogen. Noch war es Nacht, und nun fiel auch noch Nebel. Jourdan eilte nach Ostrach, Karl stand wenig östlich davon, als mit dem Morgengrauen die Österreicher eine breitere Front auf den Höhen öst-lich Ostrachs entwickelten. Jettkofen wurde den Fran-

Denkmal in Ostrach

zosen entrissen, die Brücke sofort wieder aufgebaut. In Wangen, in Einhart und in Ostrach lagen starke f ran-zösische Kräfte, ihre Artillerie stand westlich davon. Die nächsten österreichischen Angriffe konnten abgeschlagen werden. Ein Gefecht entbrannte bei Hosskirch, dem ein erneuter Angriff der Österreicher folgte, die in Ostrach den Fluß erreichten, dort aber an den Furten in dem da-mals noch ganz sumpfigen Gebiet abwärts des Ortes in das Feuer der französischen Artillerie gerieten. Auf dem Buchbühl baut sich in Eile die kaiserliche Artil-lerie auf - und die Ostracher Gebäude leiden unter dem Kanonen-Duell am meisten. Mit drei Angriffen zugleich bei Jettkofen, Ostrach und Magenbuch im Lauf des Vormittags erdrückt die österreichische Ubermacht schließlich die Franzosen, die sich in den Weithart zu-rückziehen. Aus der Schlacht von Ostrach wird in der Nacht zum 22. März und in den nächsten beiden Tagen die „Schlacht von Ostrach und Stockach", werden

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schließlich Nachhutgefechte im Hegau, bis die Franzosen ihre Truppen sammeln und sich über den Schwarzwald zurückziehen. An der Ostrach sah es furchtbar aus, denn für die Öster-reicher war es ein Pyrrhus-Sieg: von den 5000 Toten, die zwischen Tafertsweiler und Magenbuch herumlagen, wa-ren nach französischen Angaben 2160 Franzosen. Selbst wenn, wie überall üblich, diese Zahl zu gering ausgefal-len ist, selbst wenn man sie auf 2500 erhöht, bleiben im-mer noch gleich viel Tote auf der anderen Seite. Es dau-erte vierzehn Tage, ehe man sie alle gefunden und begra-ben hatte, und es waren fast alles junge Kerle um 20 her-um. Wie sie aussahen, kann man sich jederzeit ansehen: Unweit von Ostrach an der neuen Straße von Habsthal her steht ein Marterl am Waldrand, erst nach dem zwei-ten Weltkrieg errichtet. Es zeigt die Uniform der fran-zösischen und der kaiserlichen Truppen, die sich hier ge-genüberstanden.

Erinnerungen eines Paters

„Wir krochen aus den Höhlen hervor und atmeten wie-der etwas freier", schreibt am Nachmittag der Schlacht der aus Sigmaringen stammende Cisterzienser-Mönch Karl Wächter. Er gehörte zu Salem und hatte den Titel

eines „Gouverneurs der oberen Herrschaft" inne, war al-so weltlicher und geistlicher Verwalter der Ostracher Herrschaft Salems. Pater Wächter hat sich dadurch aus-gezeichnet, daß er aus der Ostracher und Lausheimer Zehntscheuer (beide stehen noch) das Getreide langsam und weise in jenen Jahren der Bedrückung, der Truppen-durchzüge und Kontributionen an die Einwohner ver-teilte. Ihm verdankt die Nachwelt auch die Beschreibung des verwüsteten Ostrach. Kugeln waren in Dächer gefah-ren, viele Scheiben zerbrochen, die Kochherde waren kalt, die Lebensmittel verschleppt und aufgefressen. In Ostrach auf dem Buchbühl steht heute das bekannte Denkmal, das an die Schlacht gemahnt, und der Ostracher Gemeinderat hat bei jeder Sitzung in der Freiherr-vom-Stein-Schule vor sich ein großes Schlachtengemälde, aus dem wir hier einen Ausschnitt zeigen. Den Hintergrund bildet der Buchbühl. Der Sieg wurde jedoch vertan, ein Jahr später stießen die Franzosen erneut vor, es kam zu einem Gefecht bei Meß-kirch (bei Menningen gibt es noch ein Soldatengrab von damals), das die Truppen kaum aufhielt, und in einem Siegeszug ohne gleichen marschierten die Franzosen durch Bayern bis vor Wien. Der Erzherzog war durch Intrigen kurz nach der Schlacht von Ostrach seines Kommandos enthoben worden, vielleicht gönnte man ihm den Sieg nicht - und wofür sind die 5000 Mann gefallen?

J O H A N N ADAM KRAUS

Zwei „Hechinger Wege" auf dem Heufeld

Das Heufeld liegt bekanntlich zwischen den Orten Sal-mendingen, Ringingen und dem Albrauf zum Killertal und Talheim in etwas über 800 m Höhe. Es diente nach dem Heuet bis 1868 als Weidefeld der genannten Ge-meinden, wozu auch noch Jungingen kam. Es gab dort also nur Heu und kein Oehmd, was wohl den Namen verursacht hat. Noch bis in unsere Tage herein wußte in Ringingen jedes Kind, wo der „Hechinger Weg", die nächste Verbindung mit der Zollerstadt verläuft. Er führt vom Dorf an der Kapelle und Karies Kreuz vorbei ziem-lich gerade zum sog. Inneren Kreuz (früher nach einem Salmendinger Grundstücksbesitzer des anfangenden 16. Jahrhunderts auch „Fegers Kreuz" genannt) zum Hech-inger Kreuz und schließlich zur Hechinger oder Schlat-ter Staig, dann hinunter ins Killertal am Judenbrünnele vorbei und oberhalb der Schlatter alten Kirche zur Zie-gelei Blank und nach Hechingen. Ehemals war dieser Weg viel begangen. Noch um 1915 hat der „Stettemer Bott" Leopold Dehmer mit seiner charakteristischen Botentasche den Weg von Stetten an der Laudiert über Ringingen nach Hechingen wöchentlich zweimal zu Fuß, und zwar am gleichen Tag hin und her, also eine re-spektable Strecke mit ziemlichem Höhenunterschied bei Wind und Wetter und wenig Lohn bewältigt. In frühe-ren Jahrhunderten mündete auf der Hechinger Staig noch ein anderer Weg von Osten her, der längst verges-sen ist, der „Althechinger Weg" oder 1530 die „Heer-straße". Nach J. Frischlins Gedicht über die „Hohenzollerische Hochzeit" von 1598 hieß diese Wegverbindung von He-chingen übers Heufeld nach Salmendingen-Melchingen sogar „Ulmer Straß", führte also weiter bis an die Do-nau. Heute ist diese Verbindung längst vergessen. Ja so-

gar ihren genauen Verlauf wußte man nicht mehr und vermutete, sie sei von der genannten Staig am Südrand des um 1850 angelegten fürstenbergischen (jetzt staat-lichen) Forstes, den der Volksmund „Koldur" (Kultur) nennt, hingelaufen, wo man jetzt auf den neueren Kar-ten irrig „Schlatter Kirchweg" verzeichnet findet. Von einem solchen meldet keinerlei Urkunde! Der Althechin-ger Weg müßte also über die „Salmendinger Viehweide" und südlich des Kornbühls gegen Salmendingen verlau-fen sein, wo er auf die heutige Straße Ringingen-Salmen-dingen gestoßen wäre. Erst der genaue Kenner alter Karten vom Vermessungsamt von Hechingen, Fritz Stau-dacher, hat vor nicht langer Zeit den alten Irrtum auf-geklärt.

Nach seinen Forschungen lief der Althechinger Weg von der Schlatter Staig nach Nordosten und traf nach ge-radem, heute durch den Forst zerstörten Verlauf zum Nordfuß des Kornbühls zur alten Flur Horb (1530 Horw, später Horben) auf einen von Salmendingen her-kommenden und zum Dreifürstenstein strebenden Feld-weg. Horb und die genannten Wege sind im Fleckenbuch der Gemeinde Salmendingen von 1530 aufgeführt. Die Vermutung württembergischer Forscher, bei diesem Horb hätten Herren von Horb gesessen, ist abwegig. Auch kann man heute nicht mehr ersehen, wieso am Nord fuß des Kornbühls eine Horb genannte sumpfige Stelle be-standen hat. Die alte Straße hat somit das Tälchen am Südfuß des Kornbühls mit seinen häufigen Nebeln und wohl auch früherer Nässe geschickt vermieden. Nur der Triebweg zur Viehweide lief dort hindurch, aber niemals ein Weg zur Schlatter Kirche, die bis ins 16. Jahrhundert eigene Pfarrkirche war.

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J O H A N N ADAM KRAUS

Unbekannte Schenkung zur Galluskapelle

Im 15. Jahrhundert waren die Schwelher, deren Vorfah-ren sich „von Wielandstein" im Lenninger Tal genannt hatten, Herren zu Ringingen ( H J H 1938, 94 f.) Klein-hans Schwelher hinterließ bei seinem Ableben um 1450 die Witwe Anna von Freyberg und zwei Töchter: Mar-garetha, als Gattin des Georg von Königseck, und Agnes, als Frau des Hechinger Vogts Friedrich von Ow. Von der genannten Frau Anna hatten wir schon Kunde durch die Geistersage der Zimmerischen Chronik, die um 1566 an-gelegt wurde. Ferner durch einen Eintrag in den Kon-stanzer Protokollen zu Freiburg, wonach der Bischof von Konstanz am 15. April 1464 der genannten Witwe die Erlaubnis erteilte, in der Kirche zu Ringingen für Toten-gottesdienste einen beweglichen Altar zu benützen ( H H 1954, 14). Da es nur „Kirche", nicht Pfarrkirche, heißt, könnte auch die Galluskirche im Westen des Dorfes ge-meint gewesen sein. Nach der genannten Chronik habe man dem geistweis wandernden Schwelher „in der Kirche allerlei nachgetan", bis er erlöst gewesen sei. Nun hat OStR Dr. Stettner, Ebingen, in den St. Martinsakten von Ebingen zu Stuttgart eine bisher unbekannte Urkun-dennotiz gefunden, die obige Anna von Freyberg als Wohltäterin der Galluskapelle ausweist: „Am 15. April 1455 schenkte Anna v. Fr. ihr zu Ringingen besessenes Sechstel des Zehnten an die Kapelle St. Gallus und St. Othmar daselbst" (Stuttg. Hauptstaatsarch. A 341, Bü 1,1). Leider konnte die zugrunde liegende Urkunde sel-ber, die verschiedene nähere Auskünfte gegeben hätte, nicht mehr gefunden werden. Anna war schon im J. 1453 Witwe, hat also aus ihrem Witwengut das Zehntsechstel zu einer Gottesgabe abgezweigt. Daß der hl. Othmar, der ja die Zelle des hl. Gallus in der Schweiz zum förm-lichen Kloster ausbaute, zweiter Patron der Ringinger Kapelle war, die leider 1834 abgebrochen wurde, hat man nicht mehr gewußt. Beide Heilige sind jedoch auf der Decke der Pfarrkirche hinten rechts abgebildet. Die neuentdeckte Notiz ist die älteste Nachricht über unsere Gallenkapelle ( H J H 1957, 37 f.), die weit ins 12. Jahr-hundert oder früher zurückreichen dürfte. Im J. 1455 wird auch der Schwiegersohn Friedrich von Ow im Ur-kundenbuch von Heiligkreuztal zu Ringingen (auf der Burg) wohnhaft aufgeführt, was im Register übersehen wurde.

Es fragt sich nun, wieso genannte Notiz gerade in den Ebinger Akten erhalten ist? Was hatte Ebingen mit der Sache zu tun? Die dortige Martinskirche besaß seit 1404 neun von Heinrich von Killer-Affenschmalz erworbene Lehenhöfe zu Ringingen ( H J H 1954, 111). Man möchte vermuten, dieses Sechstel des Großzehnten sei eben aus diesen St. Martinshöfen genommen worden, weswegen auch die Martinspfleger an der Stiftung interessiert wa-ren. Allerdings ist dann 1545 in der Beschreibung der Gü-ter und der herrschaftlichen Einkünfte zu Ringingen, so-wie sonst in den Ebinger Akten (des dortigen Rathauses) von diesem Zehntsechstel keine Rede mehr. Wie es scheint, wurde es (vor 1465) zur Besoldung des Frühmes-ners oder Kaplans an St. Gallen verwendet. Im Jahre 1465 verzichtete der als erster genannte Kaplan Albert Sigg auf die Frühmeßpfründe, und am 28. September desselben Jahres wurde Jakob Oettlinger von Jesingen investiert, auf Präsentation des Edelknechts Georg von Königseck, der oben erwähnt wurde. Schon am 28. Fe-bruar 1466 folgte ihm der Akolyt Johann Multscher von Yesingen (vermutlich ist der gleiche Or t Unerjesingen ge-

meint, der jetzt zu Tübingen gehört). Am 28. März 1481 folgt Nikolaus Sailer, präsentiert durch die 4 schwelhe-rischen Erben ( H J H 1957, 38). Die schwach dotierte Frühmeßpfründe wurde bald zur Aufbesserung des Ein-kommens verschiedener Pfarrer der Umgegend benützt und endlich am 28. Februar 1535 durch die damaligen Ortsherren Fürstenberg und Zollern auf Bitten des Pfarr-verwesers Andreas Heudörer mit der Pfarrpfründe Rin-gingen vereinigt, jedoch unter der Bedingung, daß jede Woche in der „Cappel sant Gallen" zu Ringingen eine Messe zu lesen sei. Was wurde nun aus obigem Zehnt-sechstel, dessen Berechnung doch ziemlich umständlich war? Offenbar haben die Ortsherren ziemlich früh es in eine feste Abgabe aus der herrschaftlichen Zehntscheuer umgewandelt. Denn im Jahre 1545 erhielt der Pfarrer aus dem bisherigen Kaplaneieinkommen jährlich aus dem Kasten als Korpus 18 Scheffel Vesen und 12 Scheffel Ha-ber (Reutl. Meß), dazu je 1 Fuder Winter- und Haber-stroh und von diesen Fudern das Kurzfutter . Noch 1589 hat man das Kaplaneieinkommen besonders berechnet und zum damaligen Pfarrhausbau verwendet. In diesem Verzeichnis ist keine Rede von einem Haus oder Scheuer des Kaplans. Vermutlich stand es am Eck des Gallengar-tens oberhalb der steilen Gasse, anstelle der Häuser 8 und 9 (Hochsticher). Grundzinsen bezog laut dieser Liste der Kaplan aus 5 Jauchert Aecker, vom Bader aus der Hofstat t 1 Schilling (ß) 6 hl, aus Salmendingen von Peter Heinrich 6 hl, von Sixt Ot t aus einer Heufeldwiese im Schild 1 ß 6 hl. Fer-ner aus drei als Lehen ausgegebenen Bauerngütern: a) von Melchior Buckenmaier aus Haus Nr . 123 mit Garten zwischen Enggasse und Rauße östlich (zuletzt Alois Dorn) jährlich 12 Simri Vesen und gleichviel Haber. Natürlich gehörten auch weitere Felder dazu, b) Schnei-der Michael Maier gab aus Gütern und Haus mit Garten Nr . 92, Ecke Gäßle-Hilbgasse (zuletzt Eugen Feßlers Witwe), jährlich 12 Sri Haber und ebensoviel Vesen. Hierzu gehörten z. B. beide Gärten links und rechts vom Gäßle bis zu Viesels Haus hinab, c) Klaus Epp gab aus Hs. 34 im Kreben (jetzt Josef Neser Metz-ger) und den zugehörigen Gütern 6 ß und je 2 Scheffel Vesen und Haber. Vorher hatte zum Lehen eine Hof -statt an der Hilbgasse gehört: von der Zehntscheuer her-über, wo jetzt die Häuser 83 bis 85 stehen (Nadler bis Riescher). Außer der früher genannten Gabe aus der Zehntscheuer bezog 1589 die Kaplanei vom Pfarrer 1 Sri Erbsen, V2 Sri Linsen, Vä Sri Bohnen. Ferner gehör-ten zur Pfründe: 2 Mm Wiesen ob dem Graben, die jähr-lich 13 Pfund 10 ß trugen. 1 Bomgärtlin an der Zuggas-se (wo jetzt das Haus 25 des Kajetan Dietrich steht). Ein Bomgart an St. Gallen Maur (Gallengarten), der 2 Pfund Heller ertrug. 1 Hanfgar t bei den Zyperbömen, der 12 ß brachte (am Lai), wo jetzt die Häuser 10 von Michael Wahl und 153 Josef Dietrich stehen. (Zippern heißen die kleinen grünlichen Pfläumlein, die ursprünglich von der Insel Cypern stammten.) Ferner 2 Mm Holzwiesen (lok-ker mit Waldbäumen bestanden) auf Altegert, die 2 Schf. 5 Sri Haber ertragen, V2 Mm am Klaffensteig hat Adam Buckenmaier und gibt 3 ß; drei weitere Mannsmad Holzwiesen auf Heufeld hat Jörg Burkart für jährlich 4 ß 6 hl, ferner der genannte Buckenmaier 2 Mm bei der Breiten Heck für jährlich 4 ß. Bodenzinsgaben aus eige-nen Aeckern Michel Sauters Kinder aus 1 Brachwiese ob Talwies 3 Vtl. Vesen. Aus 1 J am Heufelder Weg gab der Pfarrer 6 Sri Haber. Zwei Brachjauchert bei Fegers

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Kreuz am Hechinger Weg hat Michel Kohler für jährl. 5 Vtl. Haber. Aus Salmendingen gab Gallin Vogel aus 1 J an der Brüelgass 4 Sri Vesen, aus Talheim Michel Plä-wer 1 Pfd, 6 ß, 1 hl. Ein Kapital in Höhe von 60 fl bei Konrad Schmid zu Ringingen brachte an Zins 4 Pfd 10 ß. Aus Stetten gab Michel Werner mit Hans Schäfer jähr-lich den Zins von 20 fl, nämlich 1 Pfd 10 ß; Bastian Diez von Hausen i. K. gab laut Urkunde 1 Pfd 10 ß, Michel Rueß von Ringingen (Hs. 18) auf Martini 15 ß und Ja-kob Freyen Erben (Hs. 116) 15 ß. Adam Buckenmaier aus seinem Haus (heute Nr . 119 Wangerhannes) 3 Pfund Heller. Der Gallengarten ging nach Abgang der Kapelle erst im Jahre 1874 kaufweise von der Pfarrei an Jakob Bailer über, der im Jahr darauf das Haus Nr . 168 erbaute.

Johann Adam Kraus zum 70. Geburtstag

Am 18. März 1974 feierte in Freiburg Pfarrer Johann Adam Kraus seinen 70. Geburtstag. Es hieße Eulen nach Athen tragen, den Lesern der Hohenzollerischen Heimat zu berichten, wer Joh. Adam Kraus ist. Die letzten 40 Jahre hohenzollerischer Geschichtsforschung kann man sich ohne Kraus nicht vorstellen. Ringingen, sein Geburts-ort, war gewissermaßen die Schule des Heimatforschers. Hier kletterte schon der kleine Junge voller Forscher-drang in alten Gemäuern herum. Der heimatkundliche Unterricht in der Schule und die Erzählungen des Stein-hauers Dietrich faszinierten ihn. Als „Pfarrschüler" kam Kraus in die Quarta des Sigmaringer Gymnasiums. Seine Zeit als „Fidelianer" hat er in Beiträgen für die Hohenz. Heimat und einem Büchlein mit Jugenderinnerungen ge-schildert. Die Ferien in Ringingen waren immer wieder Ansporn zu Forschungen zur Geschichte des Heimatdorfes. Ein-druck auf den Gymnasiasten machte auch Studienrat Dr. Eugen Flad, der sich der Heimatgeschichte verschrieben hatte. So ist es nicht erstaunlich, daß einige Zeit später stud. theol. J. A. Kraus in Dr. Flads „Zollerländle" als Autor erscheint. Er berichtete aus Ringingens Vergangen-heit und über die Kapelle unserer lieben Frau bei Ringin-gen. Als Vikar in Burladingen hatte er Gelegenheit, sich wei-ter in die heimatliche Geschichte zu vertiefen. Es blieb nicht bei Ringingen. Viele andere Dinge bewegten ihn, wie die Burgen im Fehla- und Laucherttal und das Klo-ster Mariaberg. Von Prof. Nägele als Autor für die „Blätter des Schwäbischen Albvereins" sehr geschätzt, wirkte er schon über die engere Heimat hinaus. Frucht-bar war auch die Freundschaft mit Willy Baur. 1936 fesselte den Kaplan in Bingen schon wieder seine neue Umgebung, Burg Hornstein, die Herren von Bittel-schieß und vieles andere. Ein Jahr später, 1937 erschien in den „Hohenz. Jahresheften" seine Arbeit über die Grafen von Gammertingen. Diese Arbeit zeigte, daß er längst aus den Schuhen des „Heimatforschers" hinausge-wachsen war. Neben Willy Baur, Maximilian Schaitel und Walter Sauter war der Pfarrer von Dietershofen Hauptautor der „Zollerheimat". Sein eigentliches Wirkungsfeld erreichte Kraus mit der Ernennung zum Erzbischöflichen Archivar. Es gibt kaum eine Frage der hohenzollerischen Geschichte, die er in den letzten Jahrzehnten nicht angesprochen hätte. Man kann sich kaum vorstellen, wovon die seit 1951 erscheinende Hohenzollerische Heimat ohne die Beiträge von Kraus gelebt hätte. Mit unzähligen Arbeiten und kleinen Mit-teilungen leistete er, wie er selbst einmal formulierte, „Kärrnerarbeit für die Heimat" . Wer die Jahrgänge der

Alle diese Einkünfte und Vermögensstücke waren einst von uns unbekannten Stiftern geschenkt worden. Nur die Schenkung der edlen Anna von Freyberg, der hiesigen Burgherrin, bildet somit eine Ausnahme. Die älteste Stif-tung dürfte die der Kapelle und des zugehörigen Gartens oberhalb des St. Gallenhofes der späteren Pfarrei Truch-telfingen durch das Kloster St. Gallen in der Schweiz ge-wesen sein ( H J H 1957, 37 f.), dessen Mönche vom 8. bis 11. Jahrhundert in unserer Gegend vielfach Besitz erwar-ben und wohl auch seelsorgerlich tätig waren. Heute er-innern nur noch ein neuerer Bildstock am Gallengarten, eine Statue und ein Deckenbild in der Pfarrkirche, die Flurnamen Gallenbühl, das Gallenglöckle im Kirchturm und das auf dem Schulhaus an die ehemalige Kapelle mit Frühmeßpfründe.

Hohenz. Heimat schon einmal als Nachschlagewerk zu einem bestimmten Thema benützt hat, weiß das zu schät-zen. Unzählige Urkunden hat er für die Heimatfor-schung zugänglich gemacht, wie z. B. die Urkunden der Klöster Stetten und Mariaberg, Teile der Zwiefalter Ur-kunden und vieles andere aus Archiven, Pfarrhäusern, Zeitschriften usw. Viele einheimische Adelsfamilien, wie die Schwelherr und die Truchsesse zu Ringingen, die Her -ren von Lichtenstein, aber auch bisher ganz unbekannte Familien wurden von Kraus erforscht. Burgen wurden entdeckt, wie Hustnegg und Baldenstein bei Gammer-tingen. Die große Liebe war jedoch immer wieder Ringingen, das ihm eine Ortsgeschichte verdankt, um die es zu benei-den ist. Neben den historischen beschäftigten Kraus auch sprach- und volkskundliche Fragen, Flurnamen und alte Bräuche. Ein Augenleiden zwang den Unermüdlichen schon vor einigen Jahren, seine berufliche Tätigkeit aufzugeben. Trotzdem beschäftigt er sich noch intensiv mit allem, was Hohenzollern betrifft. Für seine Forschungen hat er im Laufe der Zeit auch große materielle Opfer gebracht. Die Hohenz. Heimat hat ihm eine großherzige Stiftung zu verdanken. Leser und Schriftleitung der Hohenzollerischen Heimat danken dem Jubilar für alle Arbeit und Mühe und wün-schen ihm fruchtbare und befriedigende Tätigkeit noch für viele Jahre. B.

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J O H A N N W A N N E N M A C H E R

Besondere Tage und Gezeiten für unsere bäuerlichen Vorfahren im Ablauf des Kalenderjahres

Wohl in jedem Haus war früher ein sogenannter Jahres-oder Hauskalender. In einer Zeit als of t noch keine Ta-geszeitung gehalten wurde, es kein elektrisches Licht gab, Abreißkalender, Rundfunk und Fernsehen fehlten, hatte der gute, alte Hauskalender noch eine ganz andere Be-deutung wie heute. Im Kalender waren die Tage des Jah-res nach Wochen und Monaten geordnet, darin standen die Festtage und vor allem die Namenstage, die ehemals anstelle der Geburtstage gefeiert wurden. Weiter gab es dort Wettervorhersagen, die jeden Bauersmann interes-sierten. Und dann konnte man im Kalender noch schöne Geschichten finden, die an Winterabenden oder an Sonn-tagen von jung und alt gerne gelesen wurden. Der Haus-kalender hatte ferner noch Platz für wichtige Eintragun-gen aus dem Geschehen der Familie, dem Vieh im Stalle, über Wind und Wetter, Saat und Ernte. In den Kalender hinein aber hatten unsere Vorfahren auch jahrhunderte alte Erfahrungen aus ihrem Leben und ihrer Tagesarbeit auf bestimmte Tage und Gezeiten festgelegt, die of t noch aus vorchristlicher Zeit stammten, aber vom Christentum angenommen und auf verschiedene Art und Weise gedeu-tet und herausgestellt wurden. Der Hauskalender bot sei-nen Inhabern viele sichere Stützen und Hilfen durchs ganze Jahr. So verzeichnet der Kalender am 6. Januar das Fest der Hl . Dreikönige. Dazu lautet in Rangendingen ein alter Bauernspruch: An Dreikönig ist der Tag schon wieder einen Hahnenschritt länger. Nach den langen Winter-abenden im November und Dezember war die Zunahme des Tageslichtes eine erfreuliche Feststellung und zugleich eine frohe Hoffnung. Am 20. Januar ist „Fabian und Se-bastian". Um diese Zeit herum regt sich schon wieder das Leben in der Natur . Alles schafft und treibt geheimnis-voll in der Stille, was unsere Vorfahren als gute Beob-achter erkannten und so zum Ausdruck brachten: „An Fabian und Sebastian der Saft muß in die Bäume gahn (gehen)". Dann auf den 2. Februar fiel „Maria Licht-meß". Da hieß es: „Lichtmeß bei Tag eß!" Der Tag ist schon um soviel länger geworden, daß man zum Essen morgens kein Licht mehr braucht. Weiter hörte man be-sorgte Gemüter: „An Lichtmeß muß der Bauer noch die Häl f te seines Heues haben!" Ferner sah man es nicht ger-ne, wenn an Lichtmeß während des Hauptgottesdienstes die Sonne auf den Altar schien. Dann hielt nach altem Volksglauben der Winter noch lange an, und „der Dachs muß noch sechs Wochen in seinen Bau". Am 24. Februar ist Matthias. Er galt als Winterwende. Im Volksmund hieß es dazu: „Mattheis bricht 's Eis!" Am 17. März ist Ger-trud. Sie galt als Patronin der Gärtnerinnen, und bis zu diesem Tag mußten die Sämereien im Hausgarten in den Boden gebracht sein. Gertrud hütet den Hausgarten und gibt der Erde Kra f t und Wärme, so glaubte man. - Ein Hal tepunkt im bäuerlichen Jahr war auch der „Josefs-tag" am 19. März. In normalen Jahren wollte man bis zu diesem Tag mit der Frühjahrseinsaat auf den Feldern im Gange sein. Der 23. April verzeichnet St. Georg, den Jör-gadag. Mit „Jörgadag" erloschen die „Tretrechte". Man durfte nach diesem Termin nicht mehr über andere Äcker fahren oder beim Pflügen mit dem Gespann auf der An-wand oder dem anstossenden Acker wenden. Mitte Mai verzeichnet der Kalender die Eisheiligen: Pan-

kratius, Servatius und Bonifatius. Den Abschluß bildet am 15. Mai die „kalte Sofie". Um diese Tage herum er-wartete die bäuerliche Bevölkerung of t sorgenvoll einen naturbedingten Rückschlag in der Witterung. Frost und Kälte um diese Zeit konnten of t großen Schaden im Hausgarten, bei der jungen Saat und den Futterpflanzen anrichten. Die Eisheiligen galten als Fürbitter gegen Frost und Kälte. - Am 15. Juni ist Vitus (Veitstag). An Veits-tag sollten nach bäuerlicher Erfahrung das Korn (Dinkel) aus den Hosen und die Ähren zu sehen sein, damit eine baldige und gute Ernte erhofft werden konnte. Das „Jo-hannisfest" feierte die Kirche am 24. Juni. An „Johanni" wollte man mit der Heuernte im vollen Gange sein. An „Peter und Paul", am 29. Juni fürchtete man schwere Gewitter, Hagel, Blitz und Einschläge. Der „Jakobitag", am 25. Juli, war ein of t genannter und sehnsüchtig er-warteter Tag. Das Brotgetreide war um diese Zeit in den meisten Haushaltungen aufgebraucht, und das Mehl war knapp geworden. Um Jakobi herum wollte man mit der Getreideernte beginnen, und sie sollte bei einigermaßen guter Witterung bis „Maria Himmelfahrt" , dem 15. Au-gust, an „Kräuterweihe" nahezu beendet sein. Nach der Getreideernte wurde das ö h m d , der zweite Futterschnitt, eingebracht. Das geschah so um den „Bartholomäustag", den 24. August, herum. Der Volksmund sagt dazu: „Bartiemai, legs ö h m d ufs Ha i " (Heu). Besondere Be-achtung erfuhr auch der „Ägidiustag" am 1. September. Da hieß es: „Ägide naß, Bauer fahr im Hoppas!" - d. h. schnell, weil dann schlechtes Herbstwetter in Aussicht steht. Dagegen: „Ägide trucka (trocken), Bauer sitz uf da Pfluag und gruab!" (ruhe aus!), denn das Wetter wird dann erfahrungsgemäß lange schön und trocken bleiben. Am 8. September ist das Fest „Mariä Geburt". Die Ernte war größtenteils zu Hause, die Felder leer, die Zugvögel sammelten sich zum Abflug, die Kartoffelernte und die Herbsteinsaat standen bevor. Der letzte Abschnitt in den Feldarbeiten konnte beginnen. Ein Sprichwort für Ma-riä Geburt lautete: „Marie Geburt, ziehn d'Schwalba und d'Studenta furt!". „Michael", am 29. September, war vor allem für die Ochsenbauern ein Richtungspunkt im Jahresablauf. Da war in Hechingen jeweils der „Mi-cheelemärkt". Und die Zugochsen, die man jedes Jahr wechselte, wollte man dann zum Verkauf auf den „Mi-cheelemärkt" bringen. Das war besonders wichtig in den Jahren, wo es infolge Trockenheit oder Unwetter nicht allzuviel Heu und Öhmd gab. Ende Januar, anfangs Fe-bruar des kommenden Jahres, sah man sich dann auf den Viehmärkten der Umgebung wieder um ein neues Ge-spann um.

„Gallustag", der 16. Oktober, war ein of t genannter Tag am Orte. St. Gallus ist der Kirchenpatron der hiesigen Pfarrkirche, und der Festtag wurde immer recht feierlich begangen. An „Gallatag" wollte man die mit Winterge-treide eingesäten Äcker grün sehen. Nach Gallatag war auch das Obst, das noch auf den Bäumen hing, für jeder-mann frei. Die Jungen gingen dann „speagla", d. h. hol-ten es herunter. In früheren Zeiten war das Obst of t sehr rar geworden, und jeder war glücklich, wenn er noch ei-nen Baum fand, an dem noch ein paar Äpfel oder Birnen hingen. Man lief oft weite Wege und machte sich viel Mühe, um da und dort noch eine Kleinigkeit zu ergat-

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tern. - In die Nähe von „Gallatag" fiel auch die „Kir-be" mit ihrem reichen Brauchtum. Of t konnte man an heißen und arbeitsreichen Sommertagen seufzen hören: „Wenn nao amol Kirbe wär!"

Am 11. November verzeichnet der Kalender „St. Mar-tin" (Martintag). Das bedeutete den Abschluß aller Feld-arbeiten, Steuern und Abgaben aller Art waren auf Mar-tinstag fällig, Knechte und Mägde bekamen ihren Lohn oder wechselten die Stellen. Der Winter nahte, und an Katharina, den 25. November, hieß es: „Kätharei bringt da Winter rei!" Alle Scheunen standen dann den ganzen Tag über offen, und mit Flegel oder der Walze wurde das Getreide gedroschen. An den langen Winterabenden ging man „z'Liacht". Der St. Nikolaustag brachte noch liebgewordene Freuden in die Wintertage hinein, Weih-nachten nahte, das langersehnte Fest mit seinem reichen und geheimnisvollen Brauchtum, das vielfach noch in vorchristliche Zeit hineinragt. Man glaubte, daß am Hl. Abend und in der Christnacht auch die bösen Geister frei wären. Durch Schießen, Lärmen, Schreckeläuten versuchte man sie zu verdrängen. Mit Weihwasser besprengte die Bäuerin auf der Bühne die vier Ecken, fegte alles sauber und sprach dabei den alten Spruch: „Naus ihr Ratta und Mäus aus meim Haus, der heilige Geist ist im Haus" und machte am Schluß das Kreuzzeichen. Bei dieser Handlung durfte sie nicht „gebraffelt" - angesprochen werden. Während des Schreckeläutens am Hl. Abend bekamen die

Bäume im Garten alle einen Strohwisch umgebunden, da-mit sie, so glaubte man, nicht erfrieren und wieder gut Frucht tragen würden. Am Weihnachtsmorgen gab man beim Schreckeläuten allen Haustieren zu fressen, dazu Salz aufs Futter, damit sie im kommenden Jahre gesund bleiben sollten. Und das Mädchen, das am Weihnachts-morgen als Erste Wasser am Brunnen holte, hatte das ganze Jahr über Glück und Vorrang vor allen anderen. Aus dem Wetter der Lostage schloß man weiterhin auf das Wetter der kommenden 12 Monate. Mit Sylvester nahm dann das Jahr mit Schießen und Neujahransingen sein Ende. Unsere Vorfahren lebten früher sehr naturverbunden nach altherkömmlichen Ordnungen, die einmal der Le-benserfahrung der Menschen aus vielen Jahrhunderten und zum anderen der religiösen Moral entstammten. Je-der in der Gesellschaft wußte, wo sein Platz war, nach welchen Richtlinien er sein Dasein und seine Arbeit zu gestalten hatte, was das Leben bedeutete und der Tod. Viel davon hat man in der Vergangenheit ins Lächerliche gezogen, dafür aber keine neuen und sicheren Haltepunk-te gegeben. Innere Leere, Ziel und Haltlosigkeit sind vielfach anstelle des Alten getreten. Allmählich kommt es den Menschen wieder etwas zum Bewußtsein: Die Grundgesetze unseres Lebens liegen nicht allein im Ma-teriellen, das heute so sehr im Vordergrund steht, sondern im Geistigen, im Seelischen. Nur von dort aus findet der Mensch seine Erfüllung.

M A N F R E D H E R M A N N

Eine hl. Kümmernis in Inneringen

Bei einer fotografischen Bestandsaufnahme bin ich auf einem Speicher in Inneringen auf ein Ölgemälde (Quer-format, 71 x 91 cm) gestoßen, das eine sehr seltene Dar-stellung zum Inhalt hat: eine hl. Kümmernis. Leider ist das Bild sehr stark verschmutzt, die Farbschicht rissig ge-worden. Bei der Bearbeitung des Sigmaringer Kunst-denkmälerbandes 1 hat man das Bild übersehen oder ihm keinerlei Beachtung geschenkt. Groß in der Mitte steht über einem Sockel ein Kreuz, dessen Balken in drei Bögen des Vierpasses enden. Der Gekreuzigte mit Bart und schulterlangem Haar trägt auf seinem lichtumstrahlten Haup t eine Krone. Im Gegen-satz zur üblichen Darstellung reicht ein langes, um die Hüf ten gegürtetes Gewand weit unter die Knie - fast bis zu den Knöcheln - hinab, während Arme und Schul-ter frei bleiben. Dabei hat sich der Stoff des Kleides über der Brust gestaut. Zuseiten des Gekreuzigten schweben zwei Engelskinder, nur mit einem schmalen Tuch um die Hüf ten bedeckt und von Wolken getragen; sie halten blumenartige Gebilde in ihren Händen. In einer Land-schaft mit mehreren Geländewellen, die in ordentliche Berge auslaufen, kniet eine Mutter mit einem Wickelkind in den Armen, ihr zu Füßen ein betendes Kind. Auf ihrem Kopf trägt die Frau eine sogenannte Schleifenhau-be, die durch eine Zugschnur unter dem Haarknoten ge-bunden wurde. Leibchen und Rock sind in dunklen Far-ben wiedergegeben, während die Schürze hell erscheint. Offensichtlich hat diese Mutter in der Sorge um ihr Kleinkind Zuflucht beim Gekreuzigten genommen und darum die Tafel gleichsam als Verlöbnis, das jedoch in

keiner Inschrift ausgedrückt wird, malen lassen. Hinter ihr erkennt der Betrachter ein schloßartiges, mehrstöcki-ges Gebäude mit seitlichen Erkern an der Eingangswand; über dem First flattert eine Fahne im Wind. Darüber steht auf einem Berg ein zweites vornehmes Haus mit einem Renaissance-Giebel. Auf der anderen Seite des Kreuzes befindet sich im Mittelgrund der Landschaft ei-ne ansehnliche Kapelle mit Dachreiter und barocker Zwiebelhaube. In der Mittelachse des jeweils von drei Fenstern beleuchteten Langhauses schließt sich ein einge-zogener Chor bzw. eine Sakristei an, die selbst wieder zwei Fenster auf einer Seite zeigt. Soll diese Darstellung etwa die Heiligkreuz-Kapelle zu Inneringen meinen? Dann hätte sich der Maler bei der Wiedergabe etliche Freiheiten erlaubt. Vor allem besitzt diese Kapelle nur einen einfachen Glockenbock, aber keinen viereckigen Dachreiter. Wie ist nun das seltene Ölbild zu deuten? Der bekleidete Crucifixus geht auf ein vielverehrtes Kreuz des Mittelalters in der Kathedrale S. Martino zu Lucca in Italien zurück, den „Volto santo". Allein, diese Form der Darstellung wurde später nicht mehr von allen verstanden. Vielmehr brachte die Legende sie mit der so-genannten hl. Kümmernis (auch Kummernus, Ontccom-mer, Wilgefortis, Hülpe und Liberata bezeichnet) in Ver-bindung 2. „Die hl. Kümmernis ist der Legende nach die Tochter eines heidnischen portugiesischen Königs gewesen, der sie martern und kreuzigen ließ, weil sie dem christ-lichen Glauben nicht abschwören wollte und sich weiger-te, einen heidnischen Prinzen zum Gemahl zu nehmen. Von Gott erflehte sie sich das Aussehen eines Mannes mit

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Bart, damit es ihr leichter werde, dem Entschluß der Jungfräulichkeit treuzubleiben. Der Kult der legendären Heiligen wurde zwar von der Kirche geduldet, jedoch nicht anerkannt. Als Volksheilige wurde die hl. Kümmer-nis besonders in fraulichen Sorgen und, wie der Name sagt, in allen Fällen menschlicher Kümmernisse angeru-fen" 3. In dieser Weise nur kann die für unseren Raum seltene Darstellung erklärt werden, so war sie auch vom Maler gemeint. Leider gibt es für dieses Gemälde keine urkundlichen Nachrichten, es ist weder signiert noch datiert. Zum Glück aber haben wir im Inneringer Kreuzweg, der im Jahr 1795 von Lukas Flöß nach einer Vorlage von 1737 4 auf der Rückseite der Tafeln für die Heiligkreuz-Kapelle ge-malt wurde, nun aber in der Pfarrkirche hängt, genügend Vergleichsmaterial für eine sichere Zuschreibung an den-selben Meister5 . Die Art und Weise, wie Hände und Füße, ja das gesamte Kleid des Kümmernis-Bildes wie-dergegeben sind, finden sich ebenso beim Kreuzweg wie-der. Auch die schematische Darstellung der um Hilfe bit-tenden Frau mit ihren Kindern hat viele Gegenstücke auf Votivtafeln der Nötenwang-Kapelle oder der Deutstet-ter Wallfahrtskirche, die nur von Lukas Flöß stammen können. Nach seinen Wanderjahren dürfte der Inneringer Kirchenmaler nicht vor 1785 in seinem Heimatort gear-beitet haben; als letztes Bild seiner Hand kennen wir die Votivtafel der Anna Maria Arnold und des Joseph Gui-de von Ittenhausen in der Nötenwang-Kapelle. In die-

sen Zeitraum fällt zweifellos auch das Kümmernis-Bild. Es ist keine große Kunst, was wir von Lukas Flöß ken-Gemälde zu den schönsten Zeugnissen der einheimischen nen. Dennoch gehören seine einfachen, ein wenig naiven Volkskunst. Auch sie haben ein Anrecht darauf, gepflegt und in Ehren gehalten zu werden. Es bleibt nur zu wün-schen, daß das Bild in absehbarer Zeit durch einen Res-taurator eine liebevolle Wiederherstellung findet. Viel-leicht würde sich auch ein Heimat-Museum glücklich schätzen, das Bild als Leihgabe von der Inneringer Pfarr -gemeinde zu erhalten, damit es wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Anmerkungen: 1 Hossfeld, Vogel, Genzmer, Kunstdenkmäler Hohenzollerns,

II. Bd Kreis Sigmaringen, Stuttgart 1948. 2 Lexikon für Theologie und Kirche - Bd 6, Freiburg 1961,

Sp 678. 3 Klaus Behl, Votivbilder - Zeugnisse einer alten Volkskunst,

Salzburg 1973, Beschreibung der Farbtafel Nr 7, ferner S 136. 136.

4 Pf Archiv Inneringen, Anniversarium II, S 68: Anno 1737 die 14 7bris instituta est via Stae crucis. Anno 1795 noviter de-picta Stationes constantes 45 flor: Simulque meis sumptibus depicta est ara Superior ad murum pro 24 flor. - Die 5. Kreuzweg-Station ist bezeichnet: Lukas Flöß pinx. 1795.

5 Manfred Hermann, Volkskunst auf dem Hochberg bei Neu-fra, Sigmaringen 1974, S 33 ff.

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JOSEF MÜHLEB A C H

Oberamtmänner und Landräte in Hohenzollern

Die Kreisreform in Baden-Württemberg nach dem Kreis-reformgesetz vom 26. Juli 1971 hat fü r den Landkreis Hechingen zum Jahresende 1972 die Auflösung und für den Landkreis Sigmaringen zum Jahresanfang 1973 durch die Eingliederung von Teilen der Landkreise Saulgau, Stockach und Überlingen einen trotz der Abtrennung ei-gener Gebietsteile erweiterten Gebietsumfang gebracht. Damit haben die bisherigen hohenzollerischen Kreise Hechingen und Sigmaringen geschichtlich eine Wende er-fahren, die das Ende des bisherigen, auf die preußische Zeit zurückgehenden, Standes bedeutet. Es liegt nahe, diese Wende zum Anlaß zu nehmen, in einem Rückblick eine Aufzeichnung über die Reihe der Oberamtmänner und Landräte, die in der Zeit von 1850 bis 1972 in H o -henzollern gewirkt haben, zu versuchen. Dabei ist vor-wegzunehmen, daß nach der Abtretung der beiden selb-ständigen Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen an das Land Preußen (1850) im Jahre 1862 die Oberämter Sigmaringen, Gammertin-gen, Hechingen und Haigerloch gebildet wurden. Wohl haben aus der Zeit des Fürstentums Sigmaringen noch die Oberämter Ostrach, Trochtelfingen und Wald bis 1862 bestanden, doch sind die archivalischen Unterlagen über die Besetzung dieser drei Oberamtmannstellen so dürftig, daß auf eine Einbeziehung dieser Ämter in die vorliegende Darstellung verzichtet werden muß. Durch das Preußische Gesetz vom 7. Oktober 1925 wurden die Oberamtsbezirke Haigerloch und Hechingen zum Land-kreis Hechingen und die Oberamtsbezirke Gammertingen und Sigmaringen zum Landkreis Sigmaringen zusammen-geschlossen.

OBERAMT/LANDKREIS S I G M A R I N G E N

1851 bis 1853 Anton von Sallwürk, Oberamtmann. Her r von Sallwürk ist geboren 1806. Er war zugleich - als Königlicher Commissarius in den Hohenzollerischen Lan-den - Vertreter des erkrankten Regierungspräsidenten Freiherrn Adolf Karl von Spiegel-Borlinghausen. Her r von Sallwürk war vor 1850 Regierungspräsident im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen. Er ist der Ver-fasser der Schrift „Die Vereinigung der Fürstenthümer Hohenzollern mit dem Königreich Preußen 1850". 1853 C. Homann, kommissarischer Oberamtmann. 1853/54 Hermann Mock, kommissarischer Oberamt-mann. Die Lebensdaten über ihn sind unter dem Zeit-raum von 1875 bis 1883 dargestellt. 1854 bis 1856 Thaddäus Bachmann, kommissarischer Oberamtmann. Nähere Daten über ihn enthält die Dar-stellung für den Zeitraum 1850 bis 1854 Oberamt He-chingen. 1856 bis 1859 Freiherr Raitz von Frenty. Preußischer Lieutnant a. D. und Kammerjunker. Oberamtmann in Sigmaringen war er vom Juni 1856 bis Oktober 1859. Im Oktober 1859 wurde er zum Landrat des Kreises Koblenz ernannt. 1859 bis 1873 Leopold Otto Albrecht von Manstein. Herr von Manstein ist am 5. Februar 1813 in Berlin ge-boren und stand von 1834 bis 1859 im preußischen Po-lizeidienst, u. a. als Distriktspolizeikommissar in Ostrow und Schreda, (Regierungsbezirk Posen), zuletzt als Po-

lizeihauptmann in Berlin. Ab 9. November 1859 zum kommissarischen Oberamtmann in Sigmaringen bestellt, wurde er zum 1. Mai 1861 endgültig zum Oberamtmann ernannt. Am 30. April 1873 wurde Herr von Manstein auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt. 1873/1874 Unbesetzt. Die Verwaltungsgeschäfte für das Oberamt führte Oberamtssekretär Schulz. 1875 bis 1883 Hermann Mock, Oberamtmann. H . Mock, geboren am 15. April 1824 in Sigmaringen, studierte an den Universitäten Tübingen, Heidelberg und München Rechtswissenschaft, legte 1848/49 die Staatsdienstprü-fung ab und stand vom 13. August 1849 ab im Dienst der Fürstlich-Hohenzollernschen Landesregierung Sigma-ringen. Am 21. April 1851 wurde er als Rechtspraktikant zur Preußischen Regierung in Sigmaringen übernommen und am 1. Januar 1852 dem Kreisgericht in Hechingen zugewiesen. Ab 15. Juni 1853 war er kommissarischer Oberamtmann in Sigmaringen. Nach Ablegung der Landratsprüfung blieb er bei der Regierung Sigmarin-gen bis zu seiner Bestellung zum Oberamtmann in Gam-mertingen am 1. Juni 1862. Zum 1. Juni 1875 wurde ihm die Oberamtmannsstelle in Sigmaringen übertragen. Her-mann Mock ist während seiner aktiven Dienstzeit am 17. März 1883 an den Folgen eines Gehirnschlages ge-storben.

1883 bis 1890 Otto Georg Moritz von Westhoven, Ober-amtmann. Her r von Westhoven ist am 28. Mai 1834 in Simmern, Regierungsbezirk Koblenz, geboren. Als Hauptmann und Kompagnie-Chef wurde er im Krieg 1870/71 bei Gravelotte schwer verwundet. Nach sei-nem Ausscheiden aus dem Militärdienst konnte er am 6. Mai 1873 eine Beschäftigung bei der Preußischen Regie-rung Sigmaringen zur Vorbereitung für das Amt eines Oberamtmanns antreten. Der Beauftragung mit der kom-missarischen Verwaltung des Oberamts Gammertingen - 23. Juni 1875 - folgte die Ernennung zum Oberamt-mann zum 12. Juli 1877. Ab 15. November 1881 wurde Otto von Westhoven mit der kommissarischen Verwal-tung des Oberamtes Hechingen betraut. Zum 1. Juli 1883 hat ihn der Preußische Minister des Inneren als Oberamt-mann nach Sigmaringen berufen. Die Zurruhesetzung des Herrn von Westhoven erfolgte auf seinen Antrag wegen gesundheitlicher Schwächung infolge seiner Kriegsver-wundung zum 30. September 1890. 1890 bis 1903 Heinrich von Meer, Oberamtmann. Her r von Meer ist am 6. Februar 1857 in Hottorf , Regierungs-bezirk Aachen, geboren. Oberamtmann in Sigmaringen war er vom 1. Oktober 1890 bis 1903. Von 1892 bis

1902 gehörte er als Abgeordneter dem Hohenzollerischen Kommunallandtag an und war gleichzeitig stellvertre-tender Vorsitzender des Hohenzollerischen Landesaus-schußes. Ab 1903 war H . von Meer Regierungsrat bei der Regierung Trier, ab 1907 Vorsitzender des Schieds-gerichts fü r Arbeiterversicherung und ab 1913 Direktor des Oberversicherungsamtes für den Regierungsbezirk Trier. Seinen Ruhestand ab 1922 verbrachte er in Beuron, wo er am 4. Dezember 1946 gestorben ist. 1903 bis 1920 Philipp Longard, Oberamtmann. Ph. Lon-gard ist als Sohn des Regierungsrates und Verwaltungs-gerichtsdirektors Jean Claude von Longard am 12. Sep-tember 1860 in Sigmaringen geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg i. Br., Bonn, München und Straßburg legte er 1881 das

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erste juristische Staatsexamen ab. Nach nahezu vierjäh-riger Tätigkeit im Justizdienst von 1881 bis 1884 trat er in den Verwaltungsdienst bei der Preußischen Regierung Sigmaringen über. Es folgten kurzfristige Beschäftigun-gen von September 1885 bis April 1886 bei der Regie-rung Hildesheim und 1887/1888 bei der Regierung Königsberg. Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung im Jahre 1888 war er als Regierungsassessor bei der Re-gierung Sigmaringen beschäftigt, bis er zum 25. Februar 1891 zunächst kommissarisch und ab 1893 endgültig zum Oberamtmann in Hechingen ernannt wurde. 1903 wurde ihm als Nachfolger des Herrn von Meer die Oberamt-mannsstelle in Sigmaringen übertragen. Philipp Longard ist in seiner aktiven Dienstzeit am 3. März 1920 in Sig-maringen gestorben.

1920/1921 Dr. Michel Lang von Langen, Geheimer Regierungsrat, wurde nach dem Tod von Oberamtmann Longard im April 1920 zum kommissarischen Oberamt-mann bestellt. Bis 1918 war er im lothringischen Reichs-dienst beschäftigt. Er blieb in Sigmaringen kommissari-scher Oberamtmann bis Ende Januar 1921. Zum 8. März 1921 wurde ihm, nachdem er ab 1. Februar 1921 als Geh. Regierungsrat bei der Sigmaringer Regierung tätig war, die Verwaltung des Landratsamtes im Kreis Ziegenrück, Regierungsbezirk Erfurt , übertragen.

1921 bis 1923 Dr. Anton Reiser, Oberamtmann. A. Rei-ser ist am 10. Februar 1869 in Gammertingen geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft und nach wechselnden Beschäftigungen als Referendar und Asses-sor bei verschiedenen staatlichen und kommunalen Dienststellen, u. a. beim Oberamt Ehingen, beim Stadt-schultheißenamt Mössingen, bei der Kreisregierung Ulm, beim Statistischen Amt der Stadt Straßburg, beim Stati-stischen Landesamt in Stuttgart und beim Katholischen Kirchenrat in Stuttgart war er Bürgermeister der Stadt Sigmaringen vom 1. Januar 1910 bis 31. Januar 1921. Zum 1. Februar 1921 wurde ihm die Stelle des Oberamt-mannes beim Oberamt Sigmaringen zunächst kommissa-risch und ab 16. Mai 1921 endgültig übertragen. Nach nur zweieinhalbjähriger Tätigkeit als Oberamtmann ist Dr. Reiser am 18. August 1923 im Alter von 54 Jahren gestorben. Dr. Reiser war Ehrenbürger der Stadt Sigma-ringen.

1923/24 Nach dem Tod von Oberamtmann Dr. Rei-ser besorgte Oberamtssekretär Waldemar Tschor interi-mistisch die Oberamtmannsgeschäfte.

1924 Dr. Karl Müller, Landrat in Cochem, wurde vom Preußischen Minister des Inneren ab 9. Februar 1924 als stellvertretender Oberamtmann mit der kommissarischen Verwaltung des Oberamtes Sigmaringen beauftragt. Nach einer nur einjährigen Tätigkeit hat er 1925 wieder das Amt des Landrates in Cochem übernommen.

1924 bis 1946 Dr. Robert Seifert. Robert Seifert, geboren am 7. Juni 1891 in Hilders bei Fulda, war nach der juri-stischen Staatsprüfung und nach der Vorbereitungszeit als Referendar und Assessor beim Preußischen Ministeri-um des Inneren als Regierungsrat beschäftigt. Am 5. De-zember 1924 wurde ihm die kommissarische Verwaltung des Oberamtes Sigmaringen übertragen. Beim Zusam-menschluß der Oberämter Sigmaringen und Gammertin-gen zum Landkreis Sigmaringen wurde Dr. Seifert zum Landrat des Kreises Sigmaringen ernannt. Im Jahre 1946 wurde Dr. Seifert in die Landesdirektion des Inneren in Tübingen berufen. Vom 9. Januar 1950 bis 14. Mai 1952 war er beim Innenministerium des Landes Württemberg-Hohenzollern als Vorsitzender des 2. Beschwerdeaus-schusses beim Landesamt für Soforthilfe in Tübingen ein-gesetzt. Vom 15. Mai 1952 bis zu seiner Zurruhesetzung

am 30. November 1955 war Dr. Seifert bei der Bezirks-regierung Aachen in mehrfach wechselnden Dezernaten tätig. Er ist am 9. April 1963 gestorben. 1946 bis 1967 Ernst Reinhold Rothenbacher, Landrat. Geboren am 25. August 1907 in Sigmaringen. Nach dem Abitur am Gymnasium Sigmaringen (1926) studierte er Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft an den Universi-täten München, Königsberg und Frankfurt /Main. Kaufmännischen Tätigkeitszeiten 1930 bis 1939 in Ar-gentinien, Frankreich, England und der Schweiz folgte der Kriegsdienst 1940 bis 1945. Am 15. Juli 1945 wurde Ernst Rothenbacher unter dem Präsidenten von Hohen-zollern, Clemens Moser, zum Regierungsrat ernannt. Am 30. August 1946 erfolgte durch das Direktorium des Staatssekretariats Tübingen seine Ernennung zum Land-rat des Landkreises Sigmaringen. Vom Kreistag am 25. April 1956 auf weitere zwölf Jahre zum Landrat ge-wählt, trat Ernst Rothenbacher am 30. April 1967 in den Ruhestand.

Seit 1967 Dr. Max Gögler, Landrat. M. Gögler ist am 25. Januar 1932 in Baienfurt, Kreis Ravensburg, gebo-ren. Dem Abitur am Neuen Gymnasium in Ravensburg folgte das Studium der Rechtswissenschaft an den Uni-versitäten München und Tübingen. 1955 bestand er das Referendarexamen, 1960 das Assessorenexamen. Wäh-rend der Referendarzeit promovierte er an der Universi-tät Tübingen. Als Assessor war er beim Landratsamt Waldshut, beim Verwaltungsgericht für Südwürttem-berg-Hohenzollern in Sigmaringen, beim Landratsamt Ravensburg und beim Regierungspräsidium Südwürttem-berg-Hohenzollern in Tübingen tätig. 1964 wurde Dr. Gögler zum Regierungsrat, 1966 zum Oberregierungs-rat ernannt. In den Jahren 1965 und 1966 war er zwei-mal für kurze Zeit zur Vertretung des Landes Baden-Württemberg nach Bonn und von Mai bis Juli 1966 zum Staatsministerium in Stuttgart abgeordnet. Am 26. Juni 1967 trat er, vom Kreistag gewählt, die Landratsstelle in Sigmaringen an. Ab 1. Januar 1973 war er Landrats-verweser im erweiterten Landkreis Sigmaringen. Der Kreistag Sigmaringen hat Dr. Gögler am 17. Juli 1973 endgültig zum Landrat des räumlich neugegliederten Landkreises Sigmaringen gewählt.

OBERAMT G A M M E R T I N G E N

1851 bis 1854 Herr von Gebele, Oberamtmann. 1855 bis 1860 Benedikt Stehle, Oberamtmann. B. Stehle ist am 8. Februar 1801 in Betra geboren. Nach dem Stu-dium der Rechtswissenschaft war er von November 1828 bis Ende April 1830 Rechtskandidat beim Fürstlich Ho-henzollernschen Oberamt Sigmaringen. Anschließend war er zunächst als Rechtspraktikant, später als Assessor bei verschiedenen Dienststellen der Fürstlich Hohenzollern-schen Regierung, u. a. bei den Oberämtern Straßberg, Haigerloch und Sigmaringen, kurzfristig auch beim Fürstlich Hechingischen Hofgericht, eingesetzt. Nach dem Ubergang der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen an das Land Preußen wurde B. Stehle in den preußischen Staatsdienst über-nommen. Vom 17. September 1852 bis September 1854 war er mit der kommissarischen Verwaltung des Ober-amtes Haigerloch beauftragt. Im Jahre 1855 ist ihm die Oberamtmannstelle in Gammertingen übertragen wor-den. Am 30. April 1860 trat Benedikt Stehle, Vater von acht Kindern, in den Ruhestand.

1860 bis 1862. Vom 1. Oktober 1860 bis Ende Mai 1862 war die Oberamtmannstelle in Gammertingen nicht be-

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setzt. Die Geschäfte des Oberamtes wurden in dieser Zeit von Oberamtssekretär Harrer wahrgenommen. 1862 bis 1873 Hermann Mock, Oberamtmann. Hermann Mock war Oberamtmann in Gammertingen vom 1. Juni 1862 bis 31. Mai 1873. Seine Lebensdaten sind unter dem Oberamt Sigmaringen für den Zeitraum 1875 bis 1883 dargestellt. 1873. Regierungsbüro-Diätar Beck war vom 1. Juni 1873 bis Ende Dezember 1873 als kommissarischer Oberamts-sekretär mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Ober-amtmanns in Gammertingen beauftragt. 1874 Bachmann, Oberamtssekretär. Zum 2. Januar 1874 übernahm Regierungs-Zivil-Supernumerar Bachmann kommissarisch die Verwaltung der Oberamtssekretär-stelle in Gammertingen. Gleichzeitig hat er die Funk-tionen des Oberamtsvorstandes wahrgenommen. Im März 1874 wurde Bachmann endgültig zum Oberamts-sekretär ernannt. 1874/1875. Von Ende 1874 bis Juni 1875 war Graf zu Ysenburg und Büdingen-Philippeich Oberamtmann in Gammertingen. Er wurde im Juni 1875 zur landrätlichen Verwaltung in Halle, Regierungsbezirk Minden/West-falen, berufen.

1875 bis 1881. Otto von Westhoven war vom 23. Juni 1875 kommissarisch, ab 12. Juli 1877 endgültig zum Oberamtmann in Gammertingen bestellt. Seine Tätig-keit in Gammertingen dauerte bis zu seiner Versetzung als Oberamtmann nach Hechingen am 15. November 1881. Von 1883 ab war er Oberamtmann in Sigmarin-gen. Weitere Daten über ihn finden sich im Zeitraum 1883 bis 1890 Oberamt Sigmaringen. 1881. Nach Versetzung des Herrn von Westhoven nach Hechingen war Oberamtssekretär Beck kurzfristig kom-missarischer Verwalter des Oberamtes Gammertingen. 1882/1883 Herr von Schenk, Oberamtmann. Er ist im Juli 1883 als Nachfolger des Oberamtmanns Otto von Westhoven, der von Hechingen nach Sigmaringen beru-fen wurde, nach Hechingen versetzt worden. 1883 bis 1885 Franz Graf von Brühl, Oberamtmann. Graf von Brühl, geboren am 1. November 1852 in Pfor-ten, Kreis Sorau, Regierungsbezirk Frankfurt /Oder, leistete nach dem im Oktober 1875 abgelegten Referen-darexamen - zwischenzeitlich bei Staats- und Gerichts-behörden beschäftigt - seinen Militärdienst ab und be-stand 1852 das große juristische Staatsexamen. An-schließend war er beim Amtsgericht Forst, Regierungsbe-zirk Frankfur t /Oder als Gerichtsassessor tätig. Zum 1. Juli 1883 wurde ihm die kommissarische Verwaltung des Oberamtes Gammertingen übertragen. Seine endgül-tige Ernennung zum Oberamtmann in Gammertingen er-folgte zum 1. April 1884.

Zum 1. Februar 1885 wurde Graf von Brühl zum kom-missarischen Landrat im Kreis Daun, Regierungsbezirk Trier, berufen. Im Oktober 1886 wurde er endgültig zum Landrat in Daun ernannt. Im März 1889 wurde er Land-rat des Kreises Koblenz und zugleich Polizeidirektor in Koblenz. Am 1. Mai 1886 kam er als Verwaltungsdirek-tor zur Preussischen Regierung Sigmaringen unter gleich-zeitiger Ernennung zum stellvertretenden Regierungs-präsidenten. Vom 14. November 1899 bis 30. September 1919 war Graf von Brühl Regierungspräsident in Sig-maringen. Seinen Ruhestand verbrachte er in Freiburg i. Br., wo er am 28. Januar 1928 gestorben ist. Eine Toch-ter des Grafen von Brühl lebt in Freiburg im Breisgau. 1885 bis 1887 Jakob Rudolf Emil Minor, Major a. D., kommissarischer Oberamtmann. Emil Minor ist am 19. Dezember 1834 in Schlesien geboren, bestand an einer Realschule I. Ordnung in Breslau 1852 das Abitur und stand von 1852 bis 1878 im Militärdienst. Nach einem

beim Landratsamt Marburg abgeleisteten Vorbereitungs-dienst für das Amt eines Oberamtmanns bei gleichzeiti-gem Rechtsstudium war er vom 1. Oktober 1880 bis En-de Januar 1885 Bürgermeister in Lisdorf, Kreis Saar-louis. Zum 1. Februar 1885 wurde er mit der kommissa-rischen Verwaltung des Oberamtes Gammertingen beauf-tragt. Im April 1887 ist Emil Minor aus dieser Stelle aus-geschieden, um ein Amt als Hardes- und Kirchspielvogt in Schleswig-Holstein anzutreten. Hardenvögte waren in Schleswig-Holstein Verwaltungsbeamte, die über die so-genannten Herreden oder Harden, Unterabteilungen, der eine größere Anzahl von Gemeinden umfassenden Ämter, gesetzt waren. 1887 bis 1890. Vom 1. Mai 1887 ab war Her r Werner von Weiher, Regierungsassessor aus Frankfurt /Oder, kommissarischer Oberamtmann in Gammertingen. Zum 1. Februar 1888 wurde er endgültig zum Oberamtmann ernannt. Her r von Weiher hat am 1. Oktober 1890 die kommissarische Verwaltung des Landratsamtes im Kreis St. Goar, Regierungsbezirk Koblenz, angetreten. 1890/1891. Sein Nachfolger Regierungsassessor Frei-herr von Schirnding war ab Mitte Oktober 1890 in Gammertingen als kommissarischer Oberamtmann ein-gesetzt. Im November 1891 erhielt er die kommissarische Verwaltung des Landratsamtes Brieg in Schlesien über-tragen. 1891 bis 1899. Im November 1891 ist dem Regierungs-assessor Dr. jur. Bahlmann die kommissarische Verwal-tung des Oberamtes Gammertingen übertragen worden. Im August 1892 wurde Dr. Bahlmann endgültig zum Oberamtmann ernannt. Im August 1899 hat er die kom-missarische Verwaltung des Landratsamtes Beckum im Regierungsbezirk Münster in Westfalen angetreten.

1899 bis 1905. Zum kommissarischen Oberamtmann in Gammertingen wurde im Februar 1899 Regierungsasses-sor Freiherr von Fürstenberg bestellt. Endgültig zum Oberamtmann wurde er im Oktober 1899 ernannt. Am 31. Januar 1905 schied er aus dieser Stelle aus, um am 1. Februar 1905 die kommissarische Verwaltung des Landratsamtes im Kreis Coesfeld in Westfalen anzu-treten. 1905 bis 1917. Nachfolger des Freiherrn von Fürstenberg war ab 1. Februar 1905 Regierungsassessor Kloubert als kommissarischer Oberamtmann in Gammertingen. Seine endgültige Ernennung zum Oberamtmann ist zum 16. August 1905 erfolgt. Im Januar 1917 wurde er als Re-gierungsrat zur Regierung in Düsseldorf versetzt.

1917 bis 1925 August Hegemann, Oberamtsverweser. A. Hegemann, geboren am 20. Februar 1871 in West-rhauderfehn, Kreis Leer, Regierungsbezirk Aurich, leiste-te vom 8. November 1889 bis 30. November 1901 seine Militärdienstzeit ab. Von 1902 bis 1905 war er Verwal-tungsaspirant beim Grenadier-Regiment Königin Olga Nr . 119 in Stuttgart. Am 21. Dezember 1905 wurde er als Verwaltungsbeamtenanwärter bei der Regierung Sig-maringen in den preußischen Staatsdienst übernommen. Seiner Ernennung zum Oberamtssekretär im November 1908 nach vorausgegangener Dienstprüfung folgte seine Versetzung nach Gammertingen zum 1. Dezember 1908. Dort war er bis 1917 ständiger Vertreter des Oberamt-manns Kloubert und von 1917 bis 1925 Oberamtsver-weser. Im Jahr 1924 wurde A. Hegemann zum Ober-amtsinspektor ernannt. Nach Eingliederung des Ober-amts Gammertingen in den Landkreis Sigmaringen wur-de er am 1. Dezember 1925 an das Landratsamt Trier versetzt. Am 1. April 1930 kam er wieder nach Hohen-zollern zurück, um beim Landratsamt Hechingen eine Oberinspektorstelle anzutreten. A. Hegemann ist am 31. März 1936 in den Ruhestand getreten.

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Die Beschäftigung mit den zahlreichen Kunstwerken der 1861/62 in neugotischem Stil errichteten Pfarrkirche St. Martin und der drei Kapellen Inneringens 1 führte da-zu, nach den Quellen der Baugeschichte zu suchen und vor allem die Seelsorger kennenzulernen, die für die Hei-ligtümer verantwortlich waren. Leider fanden die wert-vollen Plastiken, Gemälde und Kultgeräte aus der Vor-gängerin der jetzigen Kirche in der Inneringer Ortsge-schichte von Johannes Maier und Siegfried Krezdorn 2

nicht die gewünschte Würdigung. Jedenfalls rührt dies auch daher, daß mit den Heiligenpflege-Rechnungen vor 1800 die Hauptquelle für eine einheimische Kunstge-schichte verloren gegangen ist3 . Dennoch lassen sich im Inneringer Pfarrarchiv noch genügend Nachrichten in Handschriften finden, die Auskünfte über die Heiligtü-mer und deren Ausstattung geben 4. Am bemerkenswer-testen ist eine private, im Jahr 1722 begonnene Orts-Chronik des Johann Ott mit einer Fülle detaillierter An-gaben über Pfarrei und Gemeinde, über Wetter, Wachs-tum und Ernte. Diese Chronik wurde treu und sorgfäl-tig bis zum Jahr 1786 vom selben Mann geführt und spä-ter durch etliche Zusätze anderer Hand ergänzt. Der Verfasser ist der am 9. Juli 1699 als Sohn des Georg ge-taufte Johann Ott , der sich 1723 erstmals verheiratete und nach einem arbeitsreichen Leben 5 im Alter von über 87 Jahren als damaliger Dorfältester am 21. März 1787 starb. Der Eintrag im Totenbuch gibt Zeugnis von seinem rechtschaffenen Leben und seinem guten Ruf, wenn es ihn als „vir bonae vitae et famae" bezeichnet. In der Regel bietet Johann Ott ein sehr lebendiges Bild der Inneringer Seelsorger und nennt die wichtigsten Bau-maßnahmen. Aus diesen Angaben wird deutlich, daß die Fürstenberger Patronatsherren ihre bestdotierte Pfarr-pfründe, die sie zu vergeben hatten, nur an ausgesuchte gelehrte Geistliche und eifrige Seelsorger verliehen. Zu-dem standen diese zumeist in sehr engen persönlichen Be-ziehungen zum fürstlichen Haus, die aufzudecken eine reizvolle Aufgabe darstellt.

In der Mitte dieser Untersuchung soll ein Ölgemälde mit der Darstellung Jesu am Ölberg stehen, das gegenwärtig auf einem Inneringer Speicher aufbewahrt wird und lei-der durch Staub arg verschmutzt ist. Zwar trägt es kei-nerlei Signatur oder Datierung, dennoch gelang es fest-zustellen, daß seine Anschaffung in die Zeit des Pfarrers Alois Lindau fällt, der von 1772 bis 1784 Seelsorger in Inneringen war. Zunächst jedoch soll die Gestalt dieses Mannes in den Vordergrund treten, zumal sein Wirken in Maiers Ortsgeschichte nur kurz geschildert wird 8. Ein epidemisches Fieber, dem in wenigen Wochen 29 Er-wachsene in Inneringen zum Opfer fielen - unter ihnen der Kirchenmaler Johann Chrysostomus Flöß 7 - , hatte am 24. Juni 1772 auch den etwa 54-jährigen Pfarrer und Dekan Anton von Langen nach achttägigem Krankenla-ger dahingerafft 8. Relativ rasch traf Fürst Joseph Wen-zel von Fürstenberg, der Patronatsherr, eine Entschei-dung über die Wiederbesetzung der Pfarrei mit einem ge-eigneten Nachfolger. Unter dem 7. Juli 1772 schrieb er aus Neustadt im Schwarzwald an seinen Hofkanzler Geppert zu Donaueschingen 9: „Da es dem Allerhöchsten gefallen, den H . Decan und Pfarrer von Langen zu Inneringen zu sich zu beruffen, als will Ich dieses vacan-te Pfarr-Beneficium dem H . Deputat und Pfarrer Carl Aloysi Lindau hiemit conferieret haben". Als Geburtstag des neuen Seelsorgers gibt Schaub bei der Bearbeitung der Freiburger Universitäts-Matrikel1 0 den 28. Okt. 1728 an; Lindau müßte also im 44. Lebensjahr gestanden ha-ben. Im Wintersemester 1748/49 hatte sich dieser zu Freiburg in die Listen der Theologen- und Juristen-Fa-kultät einschreiben lassen, wobei er als Konstanzer und

MANFRED H E R M A N N

Zur Pfarr-und Kunstgeschichte Inneringens

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als „ Acronianus-Seehase" bezeichnet wird. Für die Tüch-tigkeit des jungen Geistlichen spricht die Tatsache, daß er von 1762 bis 1766 als Pfarrer die fürstliche Residenz-stadt Donaueschingen betreute; danach hatte er auf den kleinen Or t Schönenbach bei Furtwangen im Schwarz-wald gewechselt. Der Patronatsherr bewies ihm wieder-um sein besonderes Vertrauen, wenn er ihn nach Innerin-gen präsentierte, also auf eine Pfarrei, die eben der Pfründe wegen sehr umworben war. Nach dem Dorf-chronist O t t ist „den 29t Julij der Hochgeertiste und wohl Geiertiste Ihro Hochwirdigste Herr und gewester Pfahr Herr zue Schönenbach mit Namen Allowüsius Lindawer auf allhießige Pfahrrey aufgezogen, und (hat) dieselbige angetreten" ".

Bald hatten die Inneringer herausgefunden: „Der gemel-te Pfahrherr ist in allen Kirchen Sachen vigilandt und hurtig, es gehet ihm alles wohl von statten, er ist ein überauß guether andechtiger Seil Sorger in allen seinen Kirchen Sachen mit guethen Ermahnungen gegen seine Pfahrkinder; so wohlen die allten und Jungen tuet er auf daß Möglichiste underweyßen zu allem gueten. Ehr Herr Pfahr ist auch dahier auf das Möglichiste mit seiner Pfarr zuefriden, und auf seiner Pfahrrey wohl begniegt." An-erkennend wird eine erste Renovation vermerkt: „Bey ihme Herre Pfahrer ist in anno 1773 daß Heyllige Grabb Neyerdingen aufgericht und gemacht worden dises auf das Herlichste, got dem Almechtigen zue Ehren ist ein Schönes Werkh, und wohl getan" (Ott). Oder sollte es sich dabei um eine Neuanfertigung gehandelt haben? Wir können dies nicht mehr nachprüfen, weil es nicht mehr vorhanden ist. Dankbar haben wohl die Inneringer die Wiederbelebung einer liturgischen Gewohnheit begrüßt: „Widerum tuot er Pfahrherr bey denen monathlichen Processionen des Umgangs mit dem hochwirdigen Guot under dem Creitzgang Somers Zeit den allerhailligsten Segen und die Benediktion geben und außtailen." Eine Hilfsmaßnahme hat ihm sicherlich Sympathie eingetra-gen: „Gemelter Pfahrherr hat alle Jahr haber den be-nethigen Pfahrkünder gueth thätigerweiß vorgestreckt und zu dem Som (Samen) haber dargereicht." In den Jahren 1778 und 1779 galt die Sorge Pfarrer Lindaus der Heilig-Kreuz-Kapelle und der Pfarrkirche: „Von gemeltem Herren Pfahrer von Schönenbach ist die Heilligkreitz Capellen in dem Frühe Jahr (1778) warge-nohmen worden, daß dise Capellen bawfellig gewesen, daß man den Dachstuell mit Sambt allem herunder brechen miesen, daß es großen Costen und Müeh verur-sachet hat, daß er Herr Pfahr daß beste darbey gethann, und über ihnne auch seine Cösten genommen hat. Darbey hat er Herr Pfahrr auch seine PfahrrKünder angespro-chen um etwaß dem Lieben Gott zue Ehren mit einer Beysteyr beyzuspringen nach dem Vermegen, auch durch die Bürgerschaft die Matteriallien beyzufihren . . . wie auch frohner, und daferner beyzuspringen so vill alß es etwan netig hat. Um Pfingsten ist die heillig Creitz Ca-pellen widerum aufgericht worden (Ott). „Anno 1778 ist in diser Zeit unßer Lieben Frauen Bruderschafts Al-tarr neyerdingen durch Herr Pfahrer wie auch die Liebe Muetter Gottes zue Ehren durch den Maller von Gam-mertingen aufgericht und gemallet worden. Auch ist in disem Jahr oder Sommer der Glockhen Thum bestochen und außgeworfen worden, zuegleich auch die Kirchen auß und inwendig erbessert und geweißelt worden. Anno 1779 ist durch Herrn Pfahrer unßer Sellen alltar und die Kantzell auf seine Cösten vom Maller von Gammertin-gen Neyerdingen renouiert und gemallet worden."

Nach knapp zwölf Jahren verließ Pfarrer Lindau wie-der Inneringen, wobei die Gründe seines Wegzuges nicht recht deutlich werden; auch für die Pfarrkinder kam sein

Weggang überraschend: „Anno 1784 den 15 Jenner ist der gemelte Pfahrr von der Pfarrey hinweeg gezogen auf die Pfahrrey Stiellingen, hiemit waist niemandt wa-rum oder waß Ursachen es geschehen ist. Ob es die Uhr-sach durch unseren Gnedigsten Firsten geschehen ist, daß waist niemandt. Mit diesem gueten Pfahrrherrn seindt wihr Pfahrkündter wohll zufriden gewesen, und Er mit seinen Pfahrkünder." Aus den Akten der Fürstl. Hof -kammer in Donaueschingen 12 erfahren wir, daß bereits am 29. Mai 1783 „auf anderweite Abänderung des bis-herigen Pfarrers, unseres geistl. Raths Aloysius Lindau (zu Inneringen) sothane Pfarrey vacant geworden" und sie dem Pfarrer von Reichenbach Franz Xaver Merlet übertragen worden sei. Freilich hat dieser sie nie angetre-ten. Am 1. Sept. 1783 wurde sie dem Emerfeldischen Pfarrer Ignaz Freiherr von Laßberg „aus bewögenden Ursachen und in sonderbaren gnädigsten Rücksicht des Supplicanten und seiner uns mit trey devotesten Diensten zugewandten Familie" in Aussicht gestellt. Durch die endgültige Präsentation Lindaus auf die Pfarrei Stüh-lingen am 4. Jan. 1784 wurde Inneringen frei; schon zwei Tage später hielt der neue Seelsorger die erste Tau-fe. - Pfarrer Lindau war dann in der Folgezeit der durchgreifende Umbau der Stühlinger Pfarrkirche durch Baumeister Salzmann zu danken, wobei der Riedlinger Bildhauer Johann Friedrich Vollmar eine einheitliche Ausstattung lieferte13. Im Jahr 1798 wechselte Alois Lindau auf die Pfarrei Schelingen am Kaiserstuhl; 1808 starb er im Alter von 80 Jahren.

Wenden wir uns der Darstellung Jesu am Ölberg zu, ei-nem relativ noch gut erhaltenen Ölbild, das oben im Halbrund abschließt. Maße (174 x 95 cm) und Form entsprechen genau jenen des Rosenkranzbildes14, das einst das Hauptgemälde des rechten Seitenaltares (also auf der Männerseite) in der ehem. Barockkirche dar-stellte. Auf der Frauenseite war der Altar laut einer Be-schreibung der Pfarrkirche von Pfarrer Ignaz von Laß-berg 15 dem blutschwitzenden Heiland am ölberg und der hl. Margaretha geweiht; zweifellos ist er mit dem laut Ortschronik von Johann Ot t im Jahr 1779 neu er-richteten (Aller-)Seelenaltar identisch. Im Anniversarien-buch I I 1 6 erfahren wir zusätzlich, daß die Neuanschaf-fung bzw. die Neufassung der Kirchenfabrik 148 fl geko-stet habe, wobei der Inneringer Kaufmann Christian Großmann zur Erstellung des Altares 20 fl und die soge-nannte „Große Zunf t" dieselbe Summe dazuschossen.

Am Ende des Mittelalters und dann in der Barockzeit durf te an keiner größeren Kirche der mit der Todesangst ringende und betende Jesus am ölberg, begleitet von den drei Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes, fehlen. Meist waren sie plastisch in einer felsenübersäten Land-schaft mit gemaltem Hintergrund dargeboten. Am Grün-donnerstag Abend, eigentlich an allen Donnerstag-Aben-den, versammelten sich dort die Beter, um der Todesangst des Herrn zu gedenken. Bis vor wenigen Jahren sah man auch an der Inneringer Pfarrkirche einen solchen ö lberg aus dem Jahr 1740 dessen Figuren zu den hervorra-genden Plastiken des einheimischen Barocks zählen. Ver-mutlich lieferte der „Bildhauer von Riedlingen", hinter dem sich sowohl der große Joseph Christian (1706-77) 18

als auch Franz Joseph Kazenmayer 19 verbergen können, nicht nur Krippenfiguren 20 für Inneringen, sondern auch die ganze ölberg-Gruppe. Bei der Erweiterung des Kirch-hofes 1740 wurde das an den Kaplaneigarten stoßende alte Beinhaus abgebrochen, daraufhin wurden „die Tod-ten Köpf und Beiner gantz Weegen voll weiß in die Erde vergraben allwo wirkhlich der Neye öllberg darauf ge-baut worden ist, wo zuvor Nirgents kein öl lberg auf er-meltem Kirchhof gestanden ist. Dises ist ein höchst Ehr-

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winschliches gebey zu iedem Sünder ein überauß schöner Sellen Trost" (Ott). In der Malerei des Mittelalters erscheint die Ölberg-Sze-ne - etwa in den Passions-Zyklen - durchaus nicht sel-ten, in unseren Barockkirchen dagegen sind Gemälde die-ses Themas weniger vertreten. In der Nähe erscheint es als Deckenfresko im Langhaus der alten Burladinger St. Georgskirche, wo die Todesangst und das Gebet Jesu zu-sammen mit der Gefangennahme wiedergegeben sind. Der Maler Franz Ferdinand Dent aus Hechingen stellte im Jahr 1772 Christus zusammen mit mehreren Engeln, unten die schlafenden Apostel und oben Gott Vater und den Hl . Geist dar: ein vielfiguriges Bild, das eine große Fläche zu füllen hatte 20a. Auf einem Altarblatt er-scheint die Ölberg-Szene in der weiteren Umgebung nur einmal: Der Riedlinger Maler Franz Joseph Spiegier (1691-1757) lieferte im Jahr 1735 ein solches für das zu Zwiefalten gehörende Priorat Mochental; später jedoch kam das Gemälde in die kath. Pfarrkirche zu Reutlin-gen21 .

Das Inneringer Ölbild auf Leinwand zeigt Christus in der rechten Bildhälfte in einer felsigen Landschaft kni-end, schräg von vorn gesehen. Die gefalteten Hände hält er in Hüfthöhe vorgestreckt bzw. den rechten Arm auf einen Felsvorsprung gelegt. Der flehende Blick des mit aufgelöstem, schulterlangem Haar umgebenen Hauptes geht zur Lichtgestalt eines schräg über ihm schwebenden Engels hinauf. Dessen linker Arm weist auf den Kelch des Leidens, der oben in der Mitte des Bildes von zwei geflügelten Engelsköpfchen getragen wird; das Gesicht und die rechte Hand des Engels wenden sich ganz dem mit der Todesangst ringenden Heiland zu. Ganz rechts im Hintergrund sieht der Betrachter den gefangenen und gefesselten Christus, hinter ihm die Schar der bewaffne-ten Soldaten und Schergen. Bemerkenswerterweise hat der Maler auf die schlafenden Apostel verzichtet und sich auf die wesentlichen Elemente der Szene konzentriert. So ist nämlich der Vordergrund nur sehr spärlich durch eine Reihe breitblättriger Pflanzen und einen Felsblock geglie-dert. Der Aufbau der Komposition wird im wesentlichen durch eine Diagonale bestimmt, die vom knienden und sich neigenden Christus zum schwebenden Engel, also von rechts unten nach links oben verläuft. Sofort wird dem Betrachter neben der gefälligen Malweise auch eine Reihe von Schwächen auffallen: Der elegant dargebotene Engel müßte entsprechend der Blickrichtung Jesu schräg von hinten gegeben sein (wie es der große spanische Maler El Greco in seinem Ölberg-Bild in der National Gallery in London von 1595 gezeigt hat2 2) , so aber nähert er sich Christus von der Seite. Auch der linke Unterarm Jesu ist zu kurz ausgefallen.

Durch Johann Otts Inneringer Dorfchronik ist der bzw. die Meister des Ölgemäldes bekannt: „Anno 1779 i s t . . . unßer Sellen alltar und die Kantzel l 2 3 vom Maller von Gammertingen renouiert und gemallet worden". Schon im Vorjahr gab die Rosenkranz-Bruderschaft2 4 für die Neufassung ihres Altares durch die Brüder Ambros (1730-1815) und Anton Reiser (1740-1811) aus Gammer-tingen 25 insgesamt 128 fl 11 xr aus. Zweiunddreißig Ta-ge lang war der jüngere der Brüder, Anton, in Innerin-gen tätig und mußte dort untergebracht und verköstigt werden; der ältere, Ambros, dagegen nur 17 Tage. Dieser Auftrag an Gammertinger Maler kommt ein wenig über-raschend, nachdem Inneringen in Lukas Flöß (1751 bis 18 34) 26 selbst einen guten Faßmaler aufzubieten hatte. Allein, der Einheimische war zu dieser Zeit offensichtlich noch auf Wanderschaft. Denn erst am 6. Februar 1786 heiratete er zuhause Magdalena Steinhart2 7 und über-nahm die seit Vaters Tod im Jahr 1772 verwaiste Werk-

Inneringer Ölberg-Christus

statt. Zudem ist weder in der Deutstetter Kirche noch in der Nötenwang-Kapelle bei Inneringen ein Votivbild mit dessen so typischer Handschrift aus der Zeit vor 1785 zu finden. Eine Beschäftigung der Gammertinger Malerbrü-der in den Jahren 1778 und 1779 wird daher verständ-lich. Es entspricht auch ganz ihren Gepflogenheiten, ein Gemälde nicht zu signieren; vielmehr traten sie völlig hinter ihrem Werk zurück. Außerdem hätte ein Bild von der Qualität des Inneringer Ölberg-Gemäldes wohl die Fähigkeiten eines Lukas Flöß überstiegen, da er nichts weiter als ein bescheidener Dorfmaler war.

Anmerkungen: 1 Hossfeld, Vogel, Genzmer, Die Kunstdenkmäler des Kreises

Sigmaringen, Stuttgart 1948, S 172-177. 2 Johannes Maier, Siegfried Krezdorn, Die Geschichte des

Ortes Inneringen, Inneringen oj. 3 Vermutlich kamen die Heiligenpflege-Rechnungen in das

Fürstenbergische Archiv in Donaueschingen, dort wurden sie um 1900 aus dem Bestand ausgeschieden.

4 Rechnungsbuch der Rosenkranz-Bruderschaft 1735 ff; Mor-tuarium Sive Liber Anniversariorum Ecclesiae Inneringanae 1733 ff; Gedenkh- und Merkh-würdige Sachen, die sich bey meinen Lebzeiten hin und wieder zue getragen haben in allerhandt Zuefelligkeiten so woll gueter und bößer Zeiten von Gaistlich und Weltlich, von Krieg Schaur Hagell und Suchten und Krankhheiten und anderer Verderblichkeiten, auch Muß gewexen, laydige Feyer Brünsten, und anders waß ich Johann Ott Georgen Sohn von meinem Gedenkhen ahn der Jugent oder Nachwelt auf das Mögkliste aufgezeich-net . . . , den Anfang darzue gemacht Ihn Anno 1722.

5 Im Jahr 1752 übergab er seinem Sohn Georg sein „doppel-tes Bauerngewerb" mit einem Wert von 3617 fl und seiner Tochter Eva ein „einfaches Bauerngewerb" mit 2317 fl Wert. Er hatte seinen Hof durch Grundstückskäufe aller Art vergrößert, vgl. Anm 2, S 447.

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6 S. Anm 2, S 182, 201 f. 7 Geboren bzw getauft am 11. Apr. 1721, gest. am 14. Apr.

1772 in Inneringen. Vater des Dorfmalers Lukas Flöß (1751 -1834).

8 S. Anm 2, 201 f. Dorfchronik des Joh. Ott, S 46. FFürsten-berg. Archiv Donaueschingen: + 8 8 , Cist 123 lat 2 Fase I6, Brief des Jungnauer Obervogtes an den Fürsten von Für-stenberg vom 5. Juli 1772.

9 FFürst. Archiv Donaueschingen: + 8 8 , Cist 123 lat 2 Fase I6. 10 Die Martikel der Universität Freiburg 1656-1806, hgbn

von Friedrich Schaub Freiburg 1944/55. 11 PfA Inneringen, Dorfchronik von Joh. Ott, S 47. 12 S. Anm 9. 13 Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bd.

Baden-Württemberg, bearb von Friedrich Piel, München 1964, S 463.

14 Ölbild, 174 x 95 cm. Unbekannter Meister, gemalt zw 1662 und 1700. Renoviert 1778 durch die Malerbrüder Reiser aus Gammertingen. Eine genauere Besprechung möchte ich mir vorbehalten.

15 PfA Inneringen, Liber Anniversariorum Ecclesiae Innerin-ganae 1733 ff, S 67.

16 S Anm 15, S 63. 17 S. Anm 1, S 173, Plastik Nr 4. Der hl. Johannes ist rück-

seitig mit 1740 datiert, wobei die Ziffern völlig jenen auf der Rückseite der Apostel vom Feldhauser Hochaltar glei-chen. Übrigens hat KuDSig den ölberg fälschlicherweise ins 17. Jahrhundert datiert.

18 Rolf Huber, Joseph Christian - der Bildhauer des schwä-bischen Rokoko, Tübingen 1960.

19 S. Anm 18, S 18. Alfons Kasper, Kunstwanderungen kreuz

und quer der Donau - Kunstführer durch Oberschwaben III, Schussenried, S 152.

20 PfA Inneringen, Rechnungsbuch der Rosenkranz-Bruder-schaft 1735 ff, S 57: 1740: dem Bildhawer von Riedlingen wegen verfertigten Bildnussen zu dem newen Krippelein 36 fl, bezahlt 40 fl; dem Mahler dieselbe zu fassen eben-fal ls in Riedlingen bezahlt 15 fl 40 xr; Herrn Martini Wit-tib in Riedlingen umb Zerschiedene Nothwendikeiten zue Kleydung für die personnen zu dem Cripplin 24 fl 38 xr 4 hlr.

20a Hossfeld, Vogel, Die Kunstdenkmäler des Kreises Hechin-gen, Hechingen 1939, S 53, Abb. 124. Ferner: Albert Pfef-fer, Franz Ferdinand Dent - ein hohenzollerischer Maler des 18. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Hohenz. Ge-schichtsvereins 63. Jg 1932, S 30-52.

21 Hermann Ginter, Südwestdeutsche Kirchenmalerei des Ba-rock - die Konstanzer und Freiburger Maler des 18. Jahr-hunderts, Augsburg 1930, S 170.

22 Engelbert Kirschbaum (Hgbr), Lexikon der christl. Ikono-graphie - III. Bd Freiburg u. a. 1971, Sp 346. Ferner: Manzini, Frati, Das Gesamtwerk von El Greco, Kunstkreis Luzern 1969, Kat. Nr. 90 b, S 106.

23 S Anm 15, S 63: 1779: In profesto S: Joannis Nepomuceni erecta fuit, eti nunc conspicitur, nova Catedra. Hanc e meis propriis sumptibus confici curavi, constitit - 130 fl.

24 S Anm 20. 25 Manfred Hermann, Volkskunst auf dem Hochberg bei Neu-

fra - Zeugnisse der Volksfrömmigkeit auf der Zollernalb, Sigmaringen 1974, S 33 ff.

26 S. Anm 25, S 36. 27 PfA Inneringen, Standesbücher 1700-1819, F 227.

Über die obere Mühle von Neufra , die vor einigen Jah-ren abgebrochen wurde, gab es bisher keine urkundlichen Nachrichten. Obwohl das Gebäude mit Sicherheit noch aus dem 17. Jahrhundert stammte, ist die Mühle in kei-nem Urbar erwähnt. Eine Urkunde im Fürstl. Archiv Sigmaringen löst das Rätsel. 1597 verkaufte Daniel Fi-derle an die Spethsche Herrschaft Hertingen seine Müh-le, die Brem-Mühle genannt, auf Markung Lichtenstein gelegen. Wenn die Mühle nach Hettingen gehörte, wird man sie in Neufra vergeblich suchen. B.

1601 verkaufte die Gemeinde Neufra mit Schultheiß Hans Hänlin ihr Rathaus mit Scheuer an die Spethsche Herrschaft. Ganz offensichtlich wurde das Spethsche Schlößle in Neufra auf dem Platz des alten Rathauses gebaut. Die Linie Speth-Neufra vergrößerte ihren Be-sitz in den folgenden Jahren. Sie kaufte die Ziegelwies (das Gelände zwischen der Fehla und der Bundesstraße), tauschte Wiesen mit Nikolaus Acker und gab Abraham Epple im Tausch ein anderes Haus. B.

Hettingen hatte im Mittelalter zwei Mühlen. 1386 ver-lieh Graf Wolfrad von Veringen Konz dem Bahnholzer die untere Mühle von Hettingen. Im Verkaufsbrief der Herrschaft Gammertingen-Hettingen von 1468 werden in Hettingen die untere und die obere Mühle erwähnt. B. Holzwiesen gab es im 15. Jahrhundert beim Birkhof. 1468 hatte Conrad Haberer aus Neufra Holzwiesen auf dem Hardt , genannt die Birken. 1588 tauschten Har t -hauser Bauern (Harthausen adSch.) 8 Mannsmahd Holz-wiesen beim Birkhof gegen 2 Mannsmahd Wässerwiesen bei Hermentingen. B.

Hinweise auf Veröffentlichungen zur hohenzollerischen Geschichte

1. Hohenzollern. Geschichte - Kultur - Wirtschaft. Ausstellung Staatsarchiv Sigmaringen. Sigmaringen: Liehner (1973).

2. Mauz, Manfred: Die erste (vollständige) Landesord-nung der Grafschaft Zollern. Zulassungsarbeit an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen 1973 (1. Dienstprüfung). Maschinenschr.

3. Ammer, U. und A. Allmendinger: Das Killertal. Ein Beitrag zur Landschaftsplanung. Herausgegeben vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Wein-bau und Forsten Baden-Württemberg. Stuttgart: Dai-ber 1972. (Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg) Band 38.

4. Agrar- und Landschaftsplan. Nahbereichsentwicklung Mittleres Laucherttal in Durchführung des Albpro-

gramms. Planentwurf. Esslingen: Bechtle [1973]. 5. Huber, Manfred: Grundzüge der Geschichte Rumä-

niens. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1973. (Grundzüge Band 23)

6. Räch, Andreas: Herrschaft und Dorfgemeinde an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit - gezeigt an den Dorfrechten der drei Albgemeinden Melchingen, Rin-gingen und Salmendingen. Zulassungsarbeit an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen 1973 (1.Dienst-prüfung). Maschinenschr.

7. Chronik der Erzabtei Beuron für das Jahr 1972. (Beuron: Beuroner Kunstverlag 1973).

8. Haigerloch. Kleinodien aus großer Vergangenheit. Hersg. von Marquard Guide und Hermann Zöhrlaut. Haigerloch: Elser 1973.

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9. Die Donauschwaben in Hechingen. 20 Jahre erfolg-reichen Wirkens und Heimatfindung. Hechingen: Pretzl 1972

10. Pfeffer, Bernhard: Die wirtschaftliche und soziale Struktur des Dorfes Heiligzimmern in der zweiten Häl f te des 1 Ö.Jahrhunderts. Zulassungsarbeit an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen 1973 (1.Dienst-prüfung). Maschinenschr.

11. Krezdorn, Siegfried: Hohenentringen im Schönbuch und seine Vergangenheit. Biberach: Biberacher Ver-lagsdruckerei 1971.

12. Trick, Alex: Häuserbuch von Sigmaringen. Band 1 und 2. 1973. Maschinenschr.

Ii. Frank, Robert: Weildorf im 16. Jahrhundert. Ein Querschnitt durch die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Zulassungsarbeit an der Päda-gogischen Hochschule Reutlingen 1973. (1 .Dienstprü-fung). Maschinenschr.

14. Natale, Herbert: Beda Webers Briefe nach Sigma-ringen 1843-1848. Ergänzungen zur Biographie des späteren Frankfurter Stadtpfarrers. S.A.: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte. 24 (1972). 277-304

15. 13. Landes- und Bezirksmusikfest mit Wertungs- und Jugendkritikspiel verbunden mit dem 90jährigen Ju-biläum der Volksmusik in Bisingen, vom 22. bis 25. Juni 1973 in Bisingen. Hrsg. von der Musikkapelle Bisingen e.V. Bisingen: Conzelmann[1973]

16. Die Lichte Au. Jahresschrift der Vereinigung der Freunde des Staatlichen Gymnasiums Hechingen. 24. (1973).

17. Kontakte. Liebfrauenschule Sigmaringen. Hrsg. Lieb-frauenschule Sigmaringen. Beuron: Beuroner Kunst-verlag 1973, Hef t 6

18. Weihe des Gemeindehauses St. Verena (Straßberg). Am 21. Oktober 1973. Hrsg. Pfarrgemeinde Straß-berg. Winterlingen: Blickle [1973]

19. 150 Jahre Bauunternehmung, 15 Jahre Träger-Scha-lung Steidle Sigmaringen. (Festschrift) Hrsg. E. Steidle Bauunternehmung Sigmaringen. Darmstadt : Hoppenstedts Wirtschafts-Archiv GmbH. 1973.

20. In der Schalung voraus - Steidle. E.Steidle. 150 Jahre Bauunternehmung. 15 Jahre Träger-Schalung [Fest-schrift], Darmstadt: Hoppenstedts Wirtschafts-Ar-chiv GmbH. 1973.

Register 1973 Heimatmuseum Sigmaringen 15 Hochberg bei Neufra , Volkskunst 54

Seite Holzwiesen 21 Archiv, 100 Jahre Fürstliches Archiv Sigmaringen 33 Kalender begleiten uns durch jedes Jahr 50 Bingen, ein Reichsdorf? 46 Lichtenstein, Stammburg 36 Bittelschiess, Aus der Geschichte des Dorfes 22 Mägerkingen, zur Geschichte der Exklave 10 Burladingen, Flurnamen II Neckarhausens Vergangenheit 12 Burrenburg bei Wald 25 Neufra , Illerzeller Meister 18 Daigger, Herkunf t und Verbreitung 64 Postwesen, Hohenzollern-Hechingen 38 Fachwerkhäuser, Gute Beispiele verderben Postanstalten Thum und Taxis in Hohenzollern 34 schlechte Sitten 62, 54 Raumschaft Winterlingen I 7 Faulerfrühmesse, Hettingen 4 Raumschaft Winterlingen II 32 Feldhausen, Madonna 41 Schaitel Maximilian, Nachruf 63 Feldhausen, Ritterhaus 20 Sigmaringen, „Runder Turm" 43 Feldhausen, Sebastianskapelle 55 Stauffenberg, Schenken von St. 26 Flad, Maria, Nachruf 57 Stetten b. H., Brand des Dominikanerinnenklosters 51 Flurnamen Holzwiesen und Holzmahd 13 Villingen, Stadtarchiv 45 Glatt, Herrschaft 11 Volksmedizinisches 37 Hohenzollernausstellung, Staatsarchiv 56 Vor- und Frühgeschichte (Altkreis Sigmaringen) I 14 Hohenzollern, Notgeld 59 Vor- und Frühgeschichte (Altkreis Sigmaringen) II 27 Hohenzollern, Die Burg im Dreissigjährigen Wehrstein und Kloster Kirchberg 5 Krieg 60 Wappenkunde, bloße Spielerei? 3 Hausen i. K., Die Wälder Murzeln und Hoirich 30 Mundart , der Teufel 57 Häuserbuch Sigmaringen 11 Mundart, Vornamen 42 Hl. Sippe, Veringenstadt 18 Mundart, Weisheiten 7

H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T

herausgegeben vom Hohenzoller isdien Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat -lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-gen. Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen, Kar l s t raße 3. Drude: M.L ieh -ners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen, Kar l s t raße 10.

Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung in Hohenzol lern mit der Geschichte ihrer He imat ver t rau t machen. Sie bringt neben fadihistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden kön-nen.

Bezugspreis: 2,00 D M halbjährlich Konten der „Hohenzoller isdien H e i m a t " : 802507 Hohenz . Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stut tgar t

Die Autoren dieser Nummer:

Johann Adam Kraus, Erzbisch. Archivar i. R. , Freiburg-Lit tenweiler

Dr. med. Herbert Burkarth, prak t . Arz t , Gammert ingen

Manfred Hermann, P fa r re r , N e u f r a

Josef Miihlebach, Landesoberamtsrat i. R. , Sigmaringen

Johannes Wannenmacher, Schulrat j. R. , Gammert ingen

Redaktionsausschuß:

Huber t Deck, Konrek to r 745 Hedi ingen, Tübinger Straße 28 Telefon 07471/2937

Walther Frick, Journal is t 748 Sigmaringen, Hohe Tannen Telefon 07571/8341

Die mit Namen versehenen Art ikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder ; diese zeichnen fü r den Inhal t der Beiträge ver-antwort l ich. Mittei lungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet

Manuskr ip te und Besprechungsexemplare wer-den an die Adresse des Schriftleiters oder Re-daktionsausschusses erbeten.

Wir bit ten unsere Leser, die „Hohenzollerische He ima t " weiter zu empfehlen.

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W 3828 F

Herausgegeben oom

Hohenzollerilchen Gefchichtaocrein

24. Jahrgang Nr. 2 /Jun i 1974

HÖH ENZOLLERISCHE

HEIMAT

Wildenstein wieder offen Der Wildenstein bei Beuron hat nie so ausgesehen, wie der berühmte Matthäus Merian ihn hier dargestellt hat. Namentlich ist der Burggraben weitaus niedriger und reichte keineswegs, wie Merian behauptet, fast bis zur Donauebene hinunter. Auch das Übrige stimmt nur unge-fähr, denn wie bei nur wenigen Burgen wissen wir beim Wildenstein sehr genau, wie er schon hundert Jahre vor Merian aussah; er hat sich nämlich seither nicht verändert in seinem Erscheinungsbild. Weil durch die Stiftungs-urkunde des Rheinischen Bundes vom 12. Juli 1806 Baden von Württemberg unter anderem die Souveränität über das Haus Fürstenberg bekam, dieses aber (über eine

Nebenlinie zunächst) die Zimmern'schen Herrschaften ererbt hatte, war der Wildenstein bis zur Kreisreform am 31. Dezember 1972 badisch. Wir setzen sein Bild an-läßlich der noch laufenden großen Erneuerung der Burg mit Absicht hierher, weil das historische Interesse des Hohenzollerischen Geschichtsvereins heute weiter ge-spannt ist und der Wildenstein jetzt zum Kreis Sigma-ringen gehört. - In diesem Zusammenhang sei auch der Hinweis erlaubt, daß die Chronik der Grafen von Zim-mern auch für Hohenzollern eine Fundgrube des Wissens darstellt, und daß sie derzeit im Sigmaringer Thorbecke-Verlag neu herauskommt. Ein Teil liegt bereits vor.

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ANDREAS R Ä C H

Zur Geschichte der Albgemeinden Melchingen, Ringingen und Salmendingen im 16. Jahrhundert

Gliederung

1. Historischer Uberblick 2. Die Dorfgemeinde im Mittelalter (allg. Uberblick) 3. Uberblick über den Inhalt der Dorfordnungen aus dem

16. Jahrhundert .

1. Historischer Überblick von der Entstehung der 3 Alb-gemeinden bis zur Gegenwart

Es ist anzunehmen, daß die 3 Albgemeinden im Zuge der alemannischen Landnahme entstanden sind, also von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis gegen Ende des 5. Jahrhun-derts n. Chr. Da natürlich Gründungsurkunden von allen 3 Gemeinden fehlen, bleiben nur noch die Ortsnamen für die Deutung übrig. Die ältesten Ortsnamen sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die -ingen-Namen, soweit sie an Personenna-men verknüpft sind. Die echten -ingen-Namen bezeich-nen Personenverbände, Sippen oder Großfamilien, die nach ihrem Oberhaupt benannt worden sind. Ihre Siedlungen sind deshalb wahrscheinlich von Anfang an kleine Gruppensiedlungen. So geht der Ortsname Mel-chingen auf den Personennamen Malicho, der Ortsname Salmendingen auf den Personennamen Salmund oder Salbod zurück. Der Ortsname Ringingen läßt sich auf zwei Arten interpretieren: a) Zurückgehend auf den Personennamen Ringo, b) bei den Leuten am Ring. Melchingen wird erstmals am 7. September 772 urkund-lich erwähnt, und zwar im Codex Laureshamensis. Als erster Vertreter des älteren Melchinger Geschlechts wird um 1100 Adilbert von Melchingen genannt. Er war ver-mutlich Lehnsmann der Grafen von Achalm. Später tra-ten die Melchinger Herren in den Dienst der Grafen von Württemberg (Mitte des 13. Jahrhunderts). Ein (jünge-res) Melchinger Geschlecht tritt Mitte des 14. Jahrhun-derts in den Dienst der Pfalzgrafen von Tübingen. 1450 kommt das Dorf zur werdenbergischen Herrschaft Troch-telfingen. Der Ortsname Ringingen kann kurz vor dem Jahre 799 erstmals belegt werden. Gallus Oheim, der Reichenauer Geschichtsschreiber (Ende 15. Jahrhundert) berichtet von einer Schenkung des Grafen Gerold an das Kloster Rei-chenau, wobei u. a. auch Ringingen auf der Schär genannt wird. Als Vasallen Bertholds von Neifens sind 1180 bzw. 1220 Otto und Dietrich von Ringingen bekannt, Ende des 13. Jahrhunderts wird ein edelfreier Eberhard von Ringin-gen urkundlich erwähnt. Dessen Wappen (in blauem Schildfeld ein goldener Schrägrechtsbalken, der mit 3 ro-ten Ringen belegt ist), wird seit 1929 von der Gemeinde Ringingen als Ortswappen geführt, allerdings unter Um-kehrung der Farbreihenfolge. Gegen 1340 treten dann die Truchsesse von Urach in Ringingen auf; 1392 nennt sich Heinrich von Killer („Affenschmalz") vorübergehend „von Ringingen". 1443 besaß Hans Schwelher die Burg Nähberg. Er war der älteste der Gebrüder Hans Schwel-her (von Wielandstein) und war von 1416-24 württem-bergischer Burgvogt auf der Achalm. ZU des Dorfes ka-men um 1490 an die Grafen von Werdenberg, aber erst 1584, als Zollern das Restviertel gegen Teile von Stetten u. H . und Hörschwag mit Fürstenberg (den Erben der Werdenberger) tauschte, kam Ringingen unter eine Herr-schaft.

Das Dorf Salmendingen wird erst 1245 mit dem Adeli-gen Peregrin von Salbendingen urkundlich erwähnt. In der ältesten Zeit gehörte Salmendingen den Grafen von Hohenberg zollernschen Stammes. Ein Ministerialge-schlecht derselben waren die ältesten Besitzer des Dorfes, nämlich das Geschlecht von Salmendingen. Im Jahre 1392 finden wir die letzte Nachricht über dieses Geschlecht. Der Besitz in Salmendingen ging allerdings schon 1339 verloren. Kuonrat von Truchseß, aus dem Geschlecht der Truchsesse von Urach, erwarb in diesem Jahre Güter von Eberhard von Salmendingen. Am 14. August verlieh König Ruprecht Burgstall, Zehn-ten, Leute und Zugehörde dem Grafen Johann von Wer-denberg. Vorübergehend war Salmendingen im Besitze Hans von Rechbergs, doch kam das Dorf 1495 wieder an die Herrschaft Werdenberg zurück. Eine gemeinsame Entwicklung der 3 Albgemeinden war erst seit 1584 möglich, als sie unter fürstenbergischer Herrschaft standen. 1806 erhalten die Fürsten von Sig-maringen die Landeshoheit über die ehemalige Herr-schaft Trochtelfingen. 1850 wird Hohenzollern preußisch und bildet den Regierungsbezirk Sigmaringen. 1861 wer-den die 3 Gemeinden dem Oberamt Gammertingen zuge-teilt, 1925 nach Aufhebung der Oberämter dem Land-kreis Hechingen. Im Zuge der Gemeinde- und Kreisreform gehören die 3 Gemeinden nun zur Zentralgemeinde Burladingen (Mel-chingen und Salmendingen seit 1973, Ringingen seit dem 1.1. 1974) und, nach Auflösung des Landkreises Hechin-gen, zum Zollernalbkreis.

2. Die Dorfgemeinde im Mittelalter - allgemeiner Über-blick

Der Begriff des Dorfes wird in der agrargeschichtlichen Literatur auf 2 verschiedene Arten angewandt. Einmal spricht man vom Dorf als Siedelverband; man versteht darunter die Dorfsiedlung. Dann beinhaltet der Begriff des Dorfes die gesamte Fläche, die Dorfmark. Das Dorf des Mittelalters hatte mit dem heutigen Aus-sehen wenig Gemeinsames. Damals war das ganze Dorf von einem Dorfzaun umgeben, dem Etter. Er hatte die Funktion, das Auslaufen des Viehs in die gebannte Flur sowie das Herumstreifen von Groß- und Kleinvieh zu verhindern, ferner wurde das außerhalb des Zaunes wei-dende Vieh vom Dorf ferngehalten. Auch den wild le-benden Tieren wurde durch den Etter der Zutrit t zum Dorf verwehrt. Aber auch irrationale Schutzaufgaben, so z. B. die Funktion magischer Abwehr in der Verbindung von Zaunrecht und Hexenglauben, werden dem Etter zu-geschrieben. Der Dorfzaun konnte zunächst nur durch bestimmte Zu-gänge betreten und verlassen werden, u. z. durch die Falltore, die an den Stellen, wo Dorfgassen auf die Flu-ren stießen, angebracht waren. Unter Falltoren versteht man mit Querhölzern und Riegeln versehene Gatter, die so aufgehängt waren, daß sie vom Innenraum her aufge-drückt werden konnten. Sie ermöglichten den Dorfbe-wohnern leichtes Passieren und wurden, wenn ein Wagen in die Flur bzw. ins Feld fuhr, einfach zurückgeschoben. Die Bauern lebten fast vorwiegend in den engen Lebens-kreisen, die sie sehen und erleben konnten: im Kreise der Familie und Sippe, im Kreis der Dorfgemeinschaft und

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im Bereich der Herrschaft. Sie waren nicht Teile der gro-ßen Gemeinschaft, v. a. des Volkes, sondern seine Ele-mente, und diese waren stärker und älter als alles andere. Durch diese Enge des bäuerlichen Lebenskreises, der nicht viel weiter reichte als bis zum nächsten Markt, wurde die Ausbildung und Erhaltung sehr eigenwilliger Persönlich-keiten gefördert. In der Hauptsache können wir zwei Schichten unter-scheiden: diejenige der eigentlichen Bauern, die über ein beträchtliches Ackergewerbe verfügen und häufig zu bes-serem Leiherecht sitzen, und diejenige Schicht der Tag-löhner. Aus dieser Oberschicht bildete sich später die so-genannte Ehrbarkeit des Dorfes heraus, der bei der Wil-lensbildung der Gemeinde ein großes Los zufiel. Auch die höheren dörflichen Ämter wurden fast ausschließlich von diesen Leuten besetzt. Dazu gehörten:

- der Schultheiß oder Amtmann Er war der übergeordnet leitende Dorfbeamte. In der Regel war es ein Bauer aus dem Dorf. Er hatte überwie-gend gerichtliche Funktion; seine Strafgewalt beschränkte sich allerdings auf leichte Fälle und Strafen. Deutlich charakterisierte er sich in seiner Doppelstellung als Ver-trauensmann der Herrschaft und als Repräsentant der Dorfgemeinde.

- die Heimburgen Sie übten vorwiegend kontrollierende Funktionen aus, wobei es ihre Hauptaufgabe war, das Gemeindegut zu überwachen und zu mehren.

- das Kollegium Es übte überwachende und kontrollierende Aufgaben aus, vielfach verbunden mit richterlichen Aufgaben. Häufig waren sie auch Urteiler im Dorfgericht. Bei den niederen dörflichen Diensten sind v. a. die Un-tergänger zu nennen, die die Aufgabe hatten, bei Nach-barstreitigkeiten in Dorf und Feld zu vermitteln und zu schlichten. Ferner unterstand ihnen die Aufsicht über die Marksteine der Dorfmarkung. Es gibt noch eine Viel-falt dörflicher Dienste, beispielsweise Schütz, Hir t , Roß-und Viehbeschauer, Büttel etc. Fast alle dieser Ämter wurden ehrenamtlich ausgeführt. Beschlußorgan der Dorfgemeinde war die Gemeindever-sammlung, die in älterer Zeit unter der Linde, auf dem Kirchhof, später dann im Gemeinde- oder Wirtshaus ab-gehalten wurde. Die Gemeindeversammlung wurde jähr-lich einmal durchgeführt. Teilnahme war für jeden Ge-meinsmann Pflicht; u. a. wählten die Dorfgenossen hier ihr Kollegium, den Hirten sowie Geschworene und Rich-ter. Das Dorfgericht entstand aus dem Absinken größerer Ge-richtsverbände, einen Vorgang, den man als Verdorfung des Gerichts bezeichnet hat. Das Dorf bildete den unteren Gerichtsbezirk und verdrängte andere Formen der Ge-richtsbarkeit. Es ist wohl naheliegend, die Dorfgerichts-barkeit mit Bagatellsachen in Verbindung zu bringen. Es handelte sich um Zivil- und Strafsachen im Bereich des genossenschaftlichen Dorf- und Markverbandes. Als Hauptaufgabe darf die Grundstücksanfertigung ange-sehen werden, wobei sich natürlich die Publizität und ge-naue Ortskenntnis sehr vorteilhaft auswirkte. Daneben fielen dem Dorfgericht weitere Funktionen, wie Verkauf von Gülten und Zinsen, Ratizierung von Diensten und Zehnten, Umwandlung dinglicher Rechte, Anlage von Urbaren, Zinsbüchern, Berainen, Dorfordnungen u. ä. zu. Im Bereich der Strafgerichtsbarkeit wurden nur leichtere Vergehen vom Dorfgericht abgeurteilt. Vorwiegend wurde eine Geldstrafe erhoben. Weitere Strafen wurden im Ortsgefängnis abgesessen. Dann kannte man die Dille,

einen drehbaren Käfig, der so lange gedreht wurde, bis der Bestrafene erbrechen mußte. Auch das Stellen an den Pranger war eine häufige Strafe. Es gab auch einen gemeindeeigenen Aufgabenbereich, wo-bei sich das Bedürfnis der Selbstverwaltung v. a. bei der Besetzung der dörflichen Ämter zeigte. Die eigentlichen Sachaufgaben der Gemeinde waren:

- Wahrung des Friedens im Dorf - Feuerschutz - Aufsicht über die Gewässer - Obsorge für Maß und Gewicht - Landbau - Überwachung des Viehs - Gewerbeaufsicht

Die Dorfmark war in drei Bereiche eingeteilt: 1. Allmende, das gemeinsam von den Bauern verwendete

Land, Weideplatz 2. Brühl und Breite 3. Die Feldflur Unter Feldflur versteht man die verschiedenen Felder, die für den Ackerbau in der Flur angelegt wurden. Die ver-schiedenen Gewanne wurden in 3 große Teile, die Esche oder Zeigen, eingeteilt. Der Esch war der Dreifelderwirt-schaft unterworfen. Er wurde in regelmäßigem Turnus mit Sommer- und Wintergetreide bebaut unter Einschal-tung eines Brachejahres. Die Dreifelderwirtschaft setzte ein weitgehendes Miteinanderwirtschaften sowie den Flurzwang voraus.

3.Überblick über den Inhalt der 3 Dorfordnungen aus dem 16. ]ahrhundert

Die Dorfordnung als späte Form des bäuerlichen Rechts ist aufs engste mit den Weistümern verwandt. Der Text wurde durch Befragen der Dorfbewohner zusammenge-stellt, allerdings auf Betreiben der Obrigkeit. In der Ein-leitung zum Ringinger Fleckenbuch heißt es: „Zu wissen Sig, daß uff Mittwoch nach des Hailigen Crutz erfindung tag Im tryssigsten Jarn der mindern Zal gezelt, usser Bevelch daß Eren - Vesten Felixen werden-bergers vogt Zü trochtelfingen, Schultais, Richter unnd gemaind zü Ringingen ire Eehäfftinen unnd annder Ire bruch Unnd alt Herkomen angezaigt, wie hernach stot". Diese Quellen gelten nur für einen lokal beschränkten Kreis und regeln die Rechte und Pflichten des Grund-herrn (die Grafen von Werdenberg) gegenüber den Grundholden oder der Bauernschaft untereinander, ihr dörfliches Zusammenleben mit Ämtern und Einrichtun-gen, mit Wald-, Flur- und Weidewirtschaft, mit Weg-und Feuerpolizei, mit Grenzmark-, Maß-, Gewichts- und Gesundheitspolizei, mit Gericht und Freveln, Bußen und Strafen. Bäuerliche und herrschaftliche Elemente sind auf das engste miteinander verknüpft . Einen wesentlichen Teil des materiellen Inhalts machten die rechtlichen Be-stimmungen über die Grenzen des Gerichtsbereichs, über Vorkauf, Vorschnitt und Bannwein, über Abgabe und Dienste der Untertanen und Hintersassen aus, denn sie dienten den Interessen der Herrschaft. Ferner enthalten diese Quellen Artikel über bäuerliche Nutzungsrechte in der Mark, über Ämterwesen und Erbrecht, über Guts-übergabe und Nachbarschaftshilfe, über Waldbenut-zungs- und Beholzungsrecht der Bürger. In Streitigkeiten mit der Obrigkeit beriefen sich die Bauern immer wieder auf das gute, alte Recht, denn altes Recht bricht neues Recht.

Es verwundert zunächst etwas, daß die Weistümer wenig vom dörflichen Brauchtum berichten, ist aber dadurch zu erklären, daß es in den Weistümern nicht um individuelle Rechte und Pflichten, um persönliche Anliegen geht, son-

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dem um die rechte Ordnung der Gemeinschaft, in der je-der Mensch steht. Das Weistum hat zunächst noch ganz nachbarliche, noch nicht politische Inhalte. Entscheidend sind die Kraf tver-hältnisse: Nähe oder Ferne der Herrschaft, deren Stärke Beanspruchung, Konkurrenz der Herrschaftsträger spie-len eine Rolle. Am stärksten wirkt sich das Satzungsrecht der Dorfge-meinde dort aus, wo es sich um Angelegenheiten der dörflichen Einung, um Gebot und Verbot in Feld und Wald handelt. Hier zeigen sich deutlich die Grenzen herrschaftlichen Einwirkungsvermögens. Die Dorfherr-schaft ist entweder gar nicht in der Lage, das komplizier-te Gefüge ländlicher Anbauregelungen zu überblicken, oder aber nicht daran interessiert, für mehr als den ord-nungsgemäßen Anbau zu sorgen. Sie begnügt sich meist damit, die Einkünfte zu sichern und fremde Einwirkung der hochgerichtlichen Obrigkeit fernzuhalten. Nicht immer blieben die Weistümer unverändert, denn oft paßten sich die Bauern selbst durch Nachträge, Zu-sätze ihrem Weistum den gewandelten Rechtsverhält-nissen an und berichtigten so Ungenauigkeiten oder Lük-ken aus. Diese Ergänzungen waren notwendig, nicht nur, weil die Quellen unvollständig waren, sondern es konn-ten sich die Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse ge-ändert haben, die Abgaben und Dienste in Geldleistun-gen umgewandelt worden sein, Flurnamen nicht mehr stimmen.

a) Die Melchinger Gemeindeordnung

Die Gemeinde besaß das nach 1447 entstandene, perga-mentene Fleckenbuch sowie die Erneuerung von 1570; beide sind jedoch bei der Besetzung des Rathauses im April 1945 verschwunden.

Inhalt: Die Herrschaften (zu damaliger Zeit Werdenberg und Württemberg, später - nach 1535 - Fürstenberg) haben im Dorf Gebot und Verbot, ferner fallen ihnen die Fäll (Abgabe beim Tode einer Person) und Frevelgelder zu. An der Spitze der Gemeinde steht ein vom Trochtelfinger Vogt eingesetzter Amtmann. Das Verfahren zur Wahl der 12 Richter wurde festgelegt. Das Stadtrecht, mit dem freie Märkte sowie Stock und Galgen verbunden waren, wurde bestätigt. Im folgenden wird der Zoll auf dem Markt festgelegt. In der Mühle galten die Gewichte, Längen- und Hohl-maße sowie das Eich der Pfalzgrafen von Tübingen, ebenso das Maß für die Schmalsaat wie Korn, Bohnen, Erbsen etc. nach Reutlinger Maß. Dann werden die Be-stimmungen über die Abhaltung des Marktes festgelegt, wobei vom geschworenen Knecht bekannt gegeben wer-den muß, daß aus Dörfern, in denen der Kaib (Vieh-seuche) ist, kein Vieh auf den Markt getrieben werden darf. Die Strafen für die Übertretungen in Wald und Feld fal-len an die Herrschaft. Einen sehr schönen Einblick in die Tätigkeit des Baders enthält der Artikel über die Melchinger Badstube, die am nordöstlichen Dorfausgang beim Stockbrunnen am Wei-herbach lag. Es wurden wöchentlich 2 Bäder abgehalten. Bei den Heimburgen muß der Bader die Erlaubnis ein-holen, für ein Bad einen Karren voll Holz entnehmen zu dürfen. Ferner muß er jederzeit 12 Kübel, 24 Kosten (Quasten aus Birkenreisern) und 24 Hüte (aus Stroh) be-reitstellen und darf das Badgeld nehmen. Weiter war festgelegt, daß im Dorf nur 2 Gastwirtschaf-ten betrieben werden dürfen. Dann folgt eine ausführ-liche Beschreibung der Wege und Stege. Am Schluß finden sich noch einige Nachträge.

b) Die Ringinger Gemeindeordnung

Sie bestand in 6 Doppelseiten von 19 zu 28 cm aus Per-gament. Am 23. April 1945 wurde sie beim Brand des Rathauses ein Opfer der Flammen. Zusammengestellt wurde sie am 4. Mai 1530 auf Be-fehl des Trochtelfinger Vogts Felix Werdenberger durch Schuthaiß, Richter und Gemeinde von Ringingen. Als Hohlmaße wurden das Reutlinger Simre, der Reut-linger Scheffel und das Tübinger Viertel verwendet, fer-ner waren das Tübinger Pfund und das Tübinger Län-genmaß in Gebrauch. Als Umgeld ( = indirekte Steuer auf alkoholische Ge-tränke) wurde das 13. Maß verlangt, das an die Herr-schaften Werdenberg und Zollern (Verhältnis 3:1) fällt. Auf S. 3 ist ein eigenes Recht des Pfändens dargestellt. Sehr aufschlußreich für die damaligen Ausmaße der Ge-meinde sind die Artikel über den Dorfzaun. Er verlief von der Badstube (am Birenstall, neben Haus 75, Jo-hann Arnold) hinüber zur Kirche St. Gallus (1834 abge-brochen, im Garten von Gregor Freudemann), von dort bis zum Tanzplatz (heute Schule) hinunter (J. A. Kraus vermutet hier eine ungenaue Angabe im Fleckenbuch, denn er meint, daß der Etter beim Raißle - Haus 190, Maria Dorn - herunterkam) und bis zum heutigen Schwe-sternhaus St. Barbara. Dort ist eine Lücke ( = Lücke im Zaun). Von dieser Stelle verlief der Etter zur Schächer-wiese, die Bitze hinauf und entlang der Herrschafts-wiesen zum St. Jakob (einem Bildstock auf der Staig westlich des Hochkreuzes) und wieder hinunter zur Bad-stube. Die folgenden Artikel umfassen die Beschreibung der Wege und Lucken. Die Viehweide umfaßte 35 Mannsmahd ( = 1654 Ar). Dann folgt die Beschreibung der Wasserrinnen, durch die das Abwasser des Dorfes geleitet wurde; weitere Artikel enthalten den Schützen- und Mesnerlohn und Bestim-mungen über die Schafhaltung. Ein großer Frevel kostete 3 Pfund 5 Schilling Heller, ein kleiner Frevel 30 Schilling Heller, ein Lugfrevel drei Schilling Heller. Weiter waren Strafen für die Einung ( = Übertretungen auf der Weide, Flurzwang, am Etter etc.) vorgesehen. Dann folgen die Straßenbeschreibungen, ferner waren die Bannwälder und Weideplätze festgelegt. Den Schluß bildet eine Aufstellung, die die angeführten Personen für Zollhäuser und Misten an die Gemeinde zu bezahlen hatten.

c) Die Salmendinger Gemeindeordnung

Das sogenannte Salmendinger Fleckenbuch von 1530 lag bis 1951 im Salmendinger Gemeindearchiv. Seit dem 21. 12. dieses Jahres befindet es sich im Staatsarchiv Sigma-ringen als Nr . 26 des Bestandes „Fremde Archivalien". Das Büchlein (Format 17 ,5x27,5 cm) hat einen leder-überzogenen Pappeinband, vorn und hinten ein Papier-schmutzblatt, dazwischen eine Lage von 6 Pergament-blättern, die paginiert sind. Der Text von 1530 steht auf pag. 1 bis 16 (obere Hä l f -te). Die Seiten 16 (untere Hälf te) bis 24 enthalten Nach-träge des 16. und 17. Jahrhunderts. Infolge der Benüt-zung sind die Blattränder so stark abgegriffen, daß an einigen Stellen der Text unleserlich geworden ist. Aufgestellt wurde die Salmendinger Gemiendeordnung am 5. Mai 1530 auf Geheiß des Trochtelfinger Vogts Felix Werdenberger von Schultaiß, Richter und der Ge-meinde Salmendingen. Zunächst werden die verwendeten Maße erwähnt: Reut-linger Scheffel und Simre, Tübinger Viertel, Eichmaß und Elle.

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Dann werden die Strafgelder festgelegt, die der Gemein-de zufallen, wobei es sich vorwiegend um kleine Beträge handelt. Die Gemeindeordnung beschreibt dann die verschiedenen Wege, wobei Etterpflicht für denjenigen besteht, der an ein gemeindeeigenes Gut angrenzt. Ein weiteres Etterge-bot sagt aus; wo Güter zusammenstoßen, muß der äußer-ste Anlieger einen Zaun anbringen; bei Nichtbefolgen hat dieser für den entstandenen Schaden aufzukommen. Eine Landstraße soll 18 Schuh ( = 5,46 m), ein Treibweg 24 Schuh ( = 7,29 m) breit sein. Die Frevelgelder, die der Herrschaft Werdenberg zu-fallen, betragen: ein großer Frevel 10 Pfund Heller, ein kleiner Frevel 4V2 Pfund Heller, ein Unrecht 5 Schil-ling Heller. Die Gelder aus Zwing und Bann (das Recht, die Benut-zung der Dorfmark durch Bann zu regeln), Geboten und Verboten sowie dem Untergang fallen an die Gemeinde Salmendingen. Die folgenden Artikel sind wohl die interessantesten, denn sie regeln die Benutzungsrechte auf dem Heufeld. So haben, wenn das Heufeld offen und erlaubt ist, neben Salmendingen noch Ringingen und Talheim (auch Jun-gingen) die Trat t ( = das Betretungsrecht mit Vieh) auf

dem Heufeld. Die Gemeinde Salmendingen konnte das Heufeld eine Woche vor bzw. nach dem 1. Mai bis zur Heuernte bannen. Bei einer Viehseuche in einem der beteiligten Dörfer wa-ren bestimmte Treibwege festgelegt. Salmendingen hat das Recht, einen eigenen Weideplatz zu bannen, wobei es zu einigen Streitigkeiten v. a. mit Ringingen kam. Die Strafe für die Verletzung des Bannes auf dem Heu-feld beträgt 3 Pfund 5 Schilling Heller. Dann folgen verschiedene Bestimmungen über die Heu-ernte. Für einen Auswärtigen, der beim Holzhauen auf dem Heufeld erwischt wird, beträgt die Strafe 3 Pfund 5 Schilling Heller; für Einheimische, die auf dem Heufeld Feuer an Eichen legen, ist dieselbe Strafe vorgesehen. Derjenige, der Wiesen auf Egerten (schlechtes Graswachs-tum) hat, darf 3 Tage vor dem ö f fnen des Heufelds mähen, Witwen und Waisen dürfen ihre Wiesen einen Tag vorher mähen. Dann sind die Bannwälder und die Plätze für die All-mende aufgeführt, ferner gemeinsame Egerten mit an-dern Gemeinden. Rechtsansprüche auf die Badstube hat das Dorf; dafür mußte es an die Herrschaft Zins bezahlen.

Volkskunst auf dem Hochberg bei Neufra Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte Hohenzollerns

Zu Weihnachten 1973 erschien im Thorbecke-Verlag Sig-maringen das Werk von Manfred Hermann über die Hoch-bergkapelle bei Neufra . Volkskunst ist etwas, worüber die Fachleute noch vor nicht allzu langer Zeit die Nase rümpften: Bauernbarock, wertloses, primitives Zeug. Erst in den letzten Jahrzehnten hat man die Innigkeit und Ausdruckskraft erkannt, die aus den Zeugnissen der Volkskunst spricht. Je komplizierter und gekünstelter unsere Umwelt wird, desto mehr rührt uns das einfache und kindliche Gottvertrauen der Volkskunst an. Schon der Anlaß zum Bau der Hochbergkapelle war ein ganz volkstümlicher. Nach 14 Hageljahren gelobte die damals sehr arme Gemeinde Neufra , zur Ehre des Hl. Kreuzes auf dem Hochberg eine Kapelle zu bauen. Aller-dings bedurfte es der Ta tkraf t des damaligen Pfarrherren Constantin Adalbert Sallwürk, um das Gelöbnis in die Tat umzusetzen. Mehr als 220 Jahre später bekam Neufra in Manfred Hermann einen Pfarrherrn, der in der Lage war, die Schätze des Hochberges zu würdigen und in einem präch-tigen Buch der Öffentlichkeit vorzustellen. Die Kapelle selbst wurde vor einigen Jahren renoviert. Die Wände strahlen in Weiß, es ist alles sauber und or-dentlich, nur der alte Hochberg mit dem Geruch einer verstaubten und selten gelüfteten Bauernstube ist es nicht mehr (einen Blick in die „Bauernstube" zeigt das Bild auf S. 62). Er kann es auch gar nicht mehr sein, denn in den letzten Jahren wurde die Kapelle mehrfach von Ein-brechern heimgesucht und es ist nicht mehr zu verantwor-ten, wertvolle Dinge dort zu lassen. So wurde ein Teil der gezeigten Bilder schon vor Jahren gestohlen und ist nur noch in Form von Fotos vorhanden. Pfr . Hermann hat es erstmals unternommen, die zahl-reichen Votivtafeln bestimmten Malern zuzuschreiben. Neben unbekannten Dorfmalern oder gar Laien sind es vor allem die Malerfamilie Reiser aus Gammertingen und Lukas Flöss aus Inneringen, die als Urheber in Frage kommen. Die auffallend gute Qualität der Hochberg-bilder ist der Familie Reiser zu verdanken. Ambros, Jo-

hann und Anton Reiser waren schon bekannt. Über Carl Reiser, von dem die besten Bilder auf dem Hochberg stammen, wußte bisher niemand etwas. Auch Anton Rei-ser, der Stammvater der Malersippe, war bisher unbe-kannt. Constantin Hanner setzte die Gammertinger Ma-lertradition bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fort. Vom jungen Hanner und nicht von dem, damals schon 73jähr. Carl Reiser dürfte auch die Tafel auf S. 105 und auf dem Frontispiz stammen. Zugleich ist diese Tafel das letzte Zeugnis (1850) für Tierdarstellungen auf Votivbildern. Die Tafel auf S. 108/109 soll die Großfamilie Specker aus Neufra darstellen (nach Veröffentlichung des Buches meldete sich die Urenkelin eines der abgebildeten Söhne). Auf dem Original ist übrigens deutlich zu erkennen, daß die Kreuze über den Köpfen aus ganz verschiedenen Zei-ten stammen. Die Tafel dürfte daher kaum vom letzten Überlebenden der Großfamilie gestiftet worden sein. Wahrscheinlich brachte man immer nach dem Tod eines Familienmitgliedes über seinem Kopf ein Kreuz an. Auch von dem auf S. 96 dargestellten Sohn des Josef Embach lebt heute noch eine Enkelin in Gammertingen (über 90 Jahre alt). Die Walburga Obermillerin, die so gotterge-ben in ihrem Bett liegt, dürfte wohl eher die obere Mül-lerin aus Neufra sein. Jedenfalls kam und kommt der Name Obermiller in der Umgebung nicht vor. Neben dem Hl . Kreuz wurde anscheinend auch die „Ma-ria vom guten Rat" (Gnadenbild von Genazzano) auf dem Hochberg verehrt, die auf einem Votivbild von 1761 dargestellt ist. Ein Bild der „Maria vom guten Rat" befindet sich am Oberteil des linken Seitenaltares der Kapelle. Das Altarblatt von Ambros Reiser stellt lt. freundl. Mitteilung von J.A.Kraus die wunderbare Über-tragung des Gnadenbildes von Genazzano dar. Aller-dings erscheint die ikonographische Darstellung nicht ganz eindeutig, denn es fehlt das zu erwartende, von Engeln getragene, Gnadenbild. Die Rauchsäule im Hin-tergrund gibt dazu keinen rechten Sinn. Die Verehrung dieses Gnadenbildes scheint sich damals in unserem Ge-biet schnell ausgebreitet zu haben. Von 1762 ist sie in

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Inneringen, Gammertingen (St. Michaelskirche) und Rin-gingen bezeugt. Ganz wesentlich sind natürlich auch die von Pfr . Her-mann hergestellten kulturgeschichtlichen Bezüge. Die zahlreichen Pferdeverlöbnisse zeigen, wie wertvoll für unsere Vorfahren die Haustiere, vor allem die Pferde waren. So betet z. B. auf einer Deutstetter Tafel die gan-ze Familie vor der schmerzhaften Muttergottes „weil sie unser Pferd hat wieder gesund werden lassen". Ähnlich war es mit den Rindern. Eine Viehseuche konnte eine Fa-milie völlig ruinieren. Nicht nur wohlhabende Leute, wie der Gammertinger Sennereipächter Josef Embach, vor allem kleine Leute, die nur eine oder zwei Kühe im Stall hatten, beteten in solchen Zeiten inbrünstig um Erhal-tung ihrer Tiere. Für die alten Volkstrachten sind die Votivtafeln fast der einzige Beleg. Beim Vergleich mit Votivtafeln aus ande-ren Gebieten zeigt sich, daß hier tatsächlich eine spezielle

Volkstracht unseres Bereiches dargestellt ist. In einer Be-schreibung des Fürstentums Hohenz.-Sigmaringen von 1834 heißt es: „Die Frauen tragen hier eine eigenartige Steifmütze, die nur in diesem Teil Schwabens zu finden ist." Zweifellos ist damit die auf einigen Tafeln darge-stellte Radhaube gemeint. Auffallend ist auch die alter-tümliche Tracht, die von den Frauen der Albgemeinden noch bis in die Zeit nach 1820 getragen wurde. Für jeden Freund einheimischer Kunst- und Kulturge-schichte ist das Buch eine reine Freude. Die großzügige Bildausstattung durch den Verlag macht es zu einer Zier-de für jeden Bücherschrank.

Manfred Hermann, Volkskunst auf dem Hochberg bei Neufra -Zeugnisse der Volksfrömmigkeit auf der Zollernalb. 124 Sei-ten, davon 56 Seiten Text und 68 Kunstdrucktafeln mit 63 Abbildungen, darunter 13 farbige. 18 x 24 cm. Ganzleinen mit vierfarbigem Schutzumschlag. Jan Thorbecke Verlag Sigmarin-gen. DM 28.-

JOSEF M Ü H L E B A C H

Oberamtmänner und Landräte in Hohenzollern (2. Teil)

OBERAMT / LANDKREIS H E C H I N G E N

1850 bis 1854. Thaddäus Bachmann, kommissarischer Oberamtmann. Th. Bachmann, geboren am 28. Oktober 1819 in Stein bei Hechingen, stand von 1838 bis 1850 im Dienst der Fürstlich Hohenzollernschen Landesregierung Hechingen. Am 31. August 1846 war er, bis dahin Inha-ber der Stelle des Umgeldkommissars, zum Sekretär bei der Fürstlich Hohenzollernschen Hofkammer Hechingen ernannt worden. Zum 23. Februar 1849 wurde er zum 1. Regierungs- und Appelations-Gerichtssekretär beför-dert. Nach Übernahme in den preußischen Staatsdienst erhielt er am 9. März 1850 die selbständige kommissa-rische Verwaltung des Oberamtes Hechingen übertragen. Vom 1. November 1854 bis 31. Mai 1856 war Th. Bach-mann mit der kommissarischen Verwaltung des Ober-amtes Sigmaringen beauftragt. In diese Zeit fällt seine Ernennung zum Rechnungsrat (1855). Nach seiner Über-nahme in den Sekretariatsdienst der Preußischen Regie-rung Sigmaringen zum 1. Juni 1856 blieb er als Rech-nungsrat in dieser Stellung bis zu seiner Zurruhesetzung am 31. Mai 1874. 1854 bis 1868. Freiherr Wilhelm von Frank, Oberamt-mann. Als 1854 Hohenzollern in sieben Oberamtsbezirke eingeteilt wurde, ist Kreisrichter Freiherr Wilhelm von Frank zum Oberamtmann in Hechingen bestellt worden. 1868 bekam er eine Regierungsratsstelle bei der Regie-rung Magdeburg übertragen. Anläßlich seiner Ernennung zum Regierungsrat in Magdeburg hat ihm die Stadt Hechingen das Ehrenbürgerrecht verliehen. 1868 bis 1877. Nachfolger als Oberamtmann in Hechin-gen wurde sein Bruder, Freiherr Adolf von Frank. Im Januar 1877 ist Adolf von Frank nach Breslau versetzt worden. Kurz vor seiner Versetzung wurde er zum Re-gierungsrat ernannt. 1877 bis 1879. Ab Januar 1877 war kommissarischer Oberamtmann in Hechingen Regierungsassessor von Natzmer. Im Dezember 1877 wurde er endgültig zum Oberamtmann bestellt. Im Oktober 1879 erhielt Her r von Natzmer bei gleichzeitiger Ernennung zum Landrat die Landratsstelle in Kolberg in Pommern übertragen. 1879 bis 1881. Im Oktober 1879 wurde Regierungs-assessor Dr. phil. Franz Gehle zum kommissarischen Oberamtmann in Hechingen bestellt. 1880 erfolgte seine

Ernennung zum Oberamtmann. Dr. Gehle übernahm 1881 als Landrat die Verwaltung des Landratsamtes Daun, Regierungsbezirk Trier. 1881 bis 1883. Vom 15. November 1881 bis 30. Juni 1883 war Otto von Westhoven mit der kommissarischen Verwaltung des Oberamtes Hechingen beauftragt. Vor-her war er - von 1875 bis 1881 - Oberamtmann in Gammertingen. 1883 wurde er zum Oberamtmann in Sigmaringen ernannt. Weitere Daten enthält der Zeit-abschnitt 1883 bis 1890 Oberamt Sigmaringen. 1883/1884. Nachfolger des Herrn von Westhoven war als Oberamtmann in Hechingen Herr von Schenk, der 1882/1883 die Oberamtmannstelle in Gammertingen innehatte. 1884 bis 1888. Axel Graf von Schwerin, geboren am 28. März 1850 in Groß Binzono, Kreis Greifswald in Vorpommern, trat nach dem Abitur in den Militär-dienst ein und nahm am Frankreich-Feldzug 1870/71 teil. Die Folgen einer schweren Verwundung, die er im August 1870 erlitten hat, zwangen ihn, im Herbst 1873 den Militärdienst im Rang eines Leutnants aufzugeben und sich dem Zivilverwaltungsdienst zu widmen. Nach Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst wurde ihm im Mai 1879 die kommissarische Verwaltung der Amtmannstelle in Montabaur, Regierungsbezirk Wiesba-den, und im Dezember 1879 die Amtmannstelle in Wall-merod im gleichen Regierungsbezirk, ebenfalls kommissa-risch, übertragen. Im Januar 1881 hat er vertretungs-weise die Verwaltung des Amtes Montabaur erneut über-nommen. Eine Bewerbung beim Regierungspräsidenten in Sigmaringen brachte ihm - im Mai 1884 - die Über-tragung der kommissarischen Verwaltung des Oberamtes Hechingen. Am 5. August 1885 wurde er zum Oberamt-mann in Hechingen ernannt. Graf von Schwerin ist am 28. Dezember 1888 an den Folgen seiner Kriegsverwun-dung in Hechingen gestorben. Begraben ist er in Schojow in Pommern.

1889 bis 1891 Gerichtsassessor Freiherr Senfft von Pil-sack. Er war ab 1. Februar 1889 kommissarisch, von Oktober 1889 bis Januar 1890 endgültig Oberamtmann In Hechingen. 1891 bis 1903 Philipp Longard, Oberamt-mann. Ph. Longard war vom 25. Februar 1891 kommis-sarisch und ab 1893 endgültig Oberamtmann in Hechin-

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Ermunterung zum Forschen

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Unter diesem Zeichen hat im Frühsommer dieses Jahres eine Ausstellung im Sigmaringer Staatsarchiv stattge-funden, die jetzt noch nach Vereinbarung besichtigt wer-den kann. Da die Tageszeitungen ausführlich über diese „Dokumente aus acht Jahrhunderten" berichtet haben, ersparen wir uns ein nochmaliges Eingehen auf diese Dokumentation. Jedoch darf man sich freuen über die zunehmende Zahl solcher Ausstellungen: 1972 über den heiligen Fidelis, 1973 über die Geschichte Hohenzollerns, jetzt über sechzehn Themenkreise zur Geschichtsforschung, und gerade diese gegenwärtige Ausstellung möge auch den nicht berufsmäßigen Historikern Anleitung und Übersicht geben über die Vielfalt der Möglichkeiten zu

eigener Forschung. Hierher paßt dieses geflügelte Fabel-wesen, halb Engel, halb Merkur, Vignette eines Notars namens Johann Waibel, mit seinem Spruch: „Den Win-den überlasse ich mein Segel".

Im übrigen begrüßen wir natürlich auch an dieser Stelle die gestiegene Aktivität des Staatsarchives in den letzten drei Jahren, die im Abstand von jeweils rund einem Jahr große und umfassende Ausstellungen erbrachte: 1972 über den heiligen Fidelis, im vergangenen Jahr über die Geschichte Hohenzollerns und nun gegenwärtig die hier genannte.

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gen. 1903 erhielt er die Oberamtmannstelle in Sigma-ringen übertragen. Die Lebensdaten über ihn enthält der Abschnitt 1903 bis 1920 Oberamt Sigmaringen.

1903 bis 1918. Im März 1903 übernahm Regierungsas-sessor Dr. Schoenfeld die kommissarische Verwaltung des Oberamtes Hechingen. Im Juni 1903 wurde er zum Oberamtmann ernannt. Während der Einberufung des Oberamtmannes Grospietsch in Haigerloch zum Heeres-dienst im Weltkrieg 1914/18 und während dessen Ab-ordnung zur Übernahme der kommissarischen Verwal-tung des Landratsamtes Groß-Strelitz, Schlesien, wurden von November 1916 ab die Geschäfte des Oberamtes Haigerloch vom Oberamtmann in Hechingen mitbesorgt. Ende Februar 1918 schied Dr. Schoenfeld aus seinem Amt in Hechingen aus, um zum 1. März 1918 die kommissa-rische Verwaltung des Landratsamtes Grevenbroich, Re-gierungsbezirk Düsseldorf, zu übernehmen. Ein Sohn von Dr. Schoenfeld wirkt zur Zeit als Jesuitenpater in Frankfurt /Main.

1918 bis 1921. Nachfolger von Dr. Schönfeld war als kommissarischer Oberamtmann Regierungsrat Paul Paeh-ler aus Kassel. Im Februar 1919 wurde er zum Oberamt-mann ernannt. 1921 .erhielt P. Paehler eine Regierungs-ratstelle bei der Regierung Trier übertragen.

1921 bis 1924 Oberamtmann Schaaf, vorher Kreissyn-dikus in Aachen. Das Preußische Staatsministerium hat ihn zum 1. Juli 1924 zum Landrat ernannt und ihm gleichzeitig das Landratsamt Düren, Regierungsbezirk Aachen, übertragen.

1924 bis 1945 Paul Schraermeyer, Landrat. P. Schraer-meyer ist am 26. Juni 1884 in Meyenburg, Kreis Ost-Priegnitz in der Mark Brandenburg, geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Hildesheim und dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universi-täten Tübingen und Göttingen bestand er 1909 die erste und nach der Referendarzeit 1914 die zweite juristische Staatsprüfung. Dem Kriegseinsatz im ersten Weltkrieg, der nach einer schweren Verwundung endete, folgte eine Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft Thorn in West-preußen. Als Thorn durch den Versailler Vertrag an Po-len fiel, führte der weitere Lebensweg Paul Schraermeyer über einige Dienststellen der württembergischen Staats-verwaltung zur preußischen Regierung in Sigmaringen, von der er am 1. März 1919 als Regierungsrat übernom-men wurde. 1923 war er vorübergehend kommissari-scher Oberamtmann für die Oberämter Sigmaringen und Gammertingen. 1924 bekam er als Nachfolger des nach Düren, Regierungsbezirk Aachen, versetzten Oberamt-manns Schaaf die Oberamtmannstelle in Hechingen über-tragen. Bei der Bildung des Kreises Hechingen (1925) er-hielt er die Dienstbezeichnung Landrat. In dieser Stel-lung blieb er bis 1945. Am 14. Mai 1945 wurde er von der französischen Militärregierung seines Amtes entho-ben, doch wurde er als Mitarbeiter der vom Gouverne-ment Militaire eingesetzten interimistischen Landräte Moser und Remark bis September 1946 belassen. Paul Schraermeyer ist am 1. Juni 1955 in Stuttgart gestorben.

1945 Clemens Moser, kommissarischer Landrat. Cl. Mo-ser, geboren am 1. Spetember 1885 in Hausen am An-delsbach, Kreis Sigmaringen, war altsprachlicher Stu-dienrat am Gymnasium Hechingen. In der Ära des Na-tionalsozialismus ist er wegen seiner politischen Haltung aus dem Staatsdienst entlassen worden. Anfang Mai 1945 wurde er vom General der Ersten französischen Armee zum kommissarischen Landrat in Hechingen be-stellt. Seine Tätigkeit als Landrat dauerte nur bis Ende Juni 1945. Vom 7. Juni 1945 bis 15. März 1946 war er Präsident von Hohenzollern, vom März 1946 bis 1949

ehrenamtlicher Landeshauptmann beim Landeskommu-nalverband der Hohenzollerischen Lande, gleichzeitig - ab 16. Oktober 1945 - hauptamtlicher Landesdirektor bei dem zu diesem Zeitpunkt eingerichteten Staatssekre-tariat für das französisch besetzte Gebiet Württemberg-Hohenzollern und - ab 1947 — Staatssekretär für Ar-beit beim Staatssekretariat in Tübingen. 1949 ist er aus diesen Ämtern ausgeschieden (Siehe Eberhard Konstan-zer: Die Entstehung des Landes Baden-Württemberg, Kohlhammer, Stuttgart 1969). Clemens Moser ist am 4. November 1956 in Sigmaringen gestorben und in Hausen am Andelsbach, seiner Heimatgemeinde, die ihm das Ehrenbürgerrecht verliehen hatte, begraben.

1945/1946 Dr. phil. Peter Remark, kommissarischer Landrat. Peter Remark ist am 28. Februar 1881 in Ueberherrn im Saarland geboren und erhielt nach Ab-schluß seines Studiums seine erste Anstellung im Staats-dienst als Philologe am Gymnasium in Hechingen. Er war dann zunächst als Gymnasial-Oberlehrer, später als Studienrat an den Gymnasien Kempen/Niederrhein und Jülich, Regierungsbezirk Aachen, tätig. Mit 62 Jah-ren wurde er wie Cl. Moser aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entlassen. Er nahm seinen Wohn-sitz in Owingen und wurde im Juli 1945 zum kommis-sarischen Landrat in Hechingen bestellt. Seine Tätigkeit als Landrat endete in der zweiten Augusthälfte 1946. Dr. Remark ist am 20. Oktober 1969 in Owingen ge-storben.

1946 bis 1966 Dr. Hans Speidel, Landrat. Hans Speidel ist in Schlatt am 28. Februar 1900 geboren. Nach dem Abitur in Konstanz studierte er zunächst Geschichtswis-senschaft, dann Jura an den Universitäten Freiburg, Tü-bingen und Frankfurt . Dem ersten juristischen Staats-examen in Frankfurt (1927) und der Promotion zum Doktor jur. (1928) folgte die Referendarzeit in Frank-fur t und Köln, die mit der zweiten Staatsprüfung beim Kammergericht in Berlin endete (1929). Dann war er Rechtsanwalt in Köln. Während des zweiten Weltkrie-ges, in dem er bei der Luftwaffe eingesetzt war, ent-schloß sich seine Familie 1940 wegen der Bombenan-griffe zum Umzug aus Köln in seine Heimatgemeinde Schlatt. Nach dem Krieg eröffnete er eine Rechtsanwalt-praxis in Hechingen. Am 23. August 1946 wurde Dr. Speidel vom Direktorium des Staatssekretariats Süd-württemberg-Hohenzollern in Tübingen zum Landrat des Kreises Hechingen berufen. Hier wirkte er bis zu seiner Zurruhesetzung am 30. September 1966. Im Jahre 1970 hat ihm seine Heimatgemeinde Schlatt das Ehren-bürgerrecht verliehen.

1966 bis 1972. Dr. Hans-Jörg Mauser, Landrat, geboren / am 12. November 1927 in Stuttgart, absolvierte das

Eberhard-Gymnasium in Stuttgart mit dem Abitur. Nach Abschluß des Studiums der Rechtswissenschaften und der Wirtschaftswissenschaften war Hans-Jörg Mauser Refe-rendar beim Amtsgericht Sigmaringen und bei der Staats-anwaltschaft Hechingen. Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung und der Promotion zum Doktor jur. trat er in ein Anwaltsbüro in Tübingen ein, wo er sieben Jahre als Rechtsanwalt tätig war. Anschließend wech-selte er in den öffentlichen Dienst und zwar zum Ar-beitsministerium. Von diesem Ministerium wurde er in den parlamentarischen Beratungsdienst beim Landtag Baden-Württemberg abgeordnet, bis er, vom Kreistag des Kreises Hechingen am 29. Juli 1966 zum Landrat gewählt, am 1. Oktober 1966 die Landratsstelle in He-chingen antrat. Nach der Auflösung des Landkreises Hechingen im Zuge der Verwaltungsreform des Landes Baden-Württemberg (31. Dezember 1972) wurde Dr.

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Mauser zum 1. Januar 1973 als Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Südwürttemberg-Hohenzollern als Nachfolger des Regierungspräsidenten Willi Birn be-rufen.

OBERAMT H A I G E R L O C H

1850/1851 Konrad Harz, Oberamtmann. Rechtskandi-dat K. Harz stand von 1843 ab im Dienst der Fürst-lich Hohenzollernschen Landesregierung Sigmaringen als Rechtspraktikant beim Oberamt Haigerloch „zur Ver-wesung des Aktuariats" (Die Herrschaft Haigerloch un-terstand von 1634 bis 1850 Hohenzollern-Sigmaringen). 1846 wurde dem K. Harz die Stelle des Oberamtmanns und Vorstandes für das Oberamt Glatt, das ebenfalls zu Sigmaringen gehörte, übertragen. Als Wohnung in Glatt war ihm das Schloß zugewiesen. 1850, nach dem Ubergang der beiden Hohenzollernschen Fürstentümer an Preußen, wurde K. Harz in den preußischen Staats-dienst übernommen und gleichzeitig zum Oberamtmann in Haigerloch ernannt. Er blieb Oberamtmann in Hai -gerloch bis Ende 1851. 1852. Assessor Rebmann war vom 1. Januar 1852 bis September 1852 Oberamtsverwalter in Haigerloch. Harz und Rehmann sind zum Kreisgericht Hechingen überge-treten. 1852 bis 1854. Vom 17. September 1852 bis Ende Juni 1854 war Benedikt Stehle als kommissarischer Oberamt-mann mit der Verwaltung des Oberamtes Haigerloch beauftragt. Nähere Angaben über ihn enthält der Ab-schnitt Oberamt Gammertingen, Zeitraum 1854 bis 1860. 1854 bis 1891 Sebastian Emele Oberamtmann. S. Emele, geboren am 26. November 1825 in Melchingen, studierte nach dem Besuch des Sigmaringer Gymnasiums Hedingen Rechtswissenschaft an den Universitäten Tübingen und München und bestand vor dem königlich preußischen Justizsenat zu Ehrenbreitstein bei Koblenz 1850 die erste und 1852 die zweite juristische Staatsprüfung. Von Ok-tober 1850 bis September 1852 war er als Auscultator und ab Oktober 1852 bis Ende August 1853 als Appel-lations-Gerichts-Referendarius beim Kreisgericht Alten-kirchen, Kreis Koblenz, vom September 1853 bis Ende Juli 1854 - ebenfalls als Referendar - beim Kreisge-richt in Arnsberg, Westfalen, beschäftigt. Nachdem er zum 28. September 1854 als Oberamtsverweser mit der kommissarischen Verwaltung des Oberamtes Haigerloch beauftragt war, wurde er am 4. Januar 1856 zum Ober-amtmann ernannt. Sebastian Emele blieb Oberamtmann in Haigerloch bis zu seiner Zurruhesetzung am 30. Juni 1891. 1891 bis 1902 Karl Sauerland, Oberamtmann. K. Sauer-land ist am 10. September 1861 in Sigmaringen als Sohn des Gymnasialoberlehrers und Professors Albert Sauer-land geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums He-dingen in Sigmaringen studierte er Rechts- und Staats-wissenschaften an den Universitäten München, Freiburg und Straßburg. Der Ablegung der ersten juristischen Staatsprüfung 1883 folgte eine Beschäftigung als Justiz-referendar beim Amtsgericht Sigmaringen. Nach weiteren wechselnden Beschäftigungen bestand er 1889 die große juristische Staatsprüfung. Anschließend war er als Ver-treter des Landrats des Kreises Bomst, Regierungsbezirk Posen, und des Landrats des Kreises Filchne, Regierungs-bezirk Bromberg (Posen), dann bei der Regierung Posen und noch einmal in Bomst eingesetzt. Im Mai 1891 wur-de ihm - als Regierungsassessor - die kommissarische Verwaltung des Oberamtes Haigerloch übertragen. Zum 1. Februar 1892 ist Karl Sauerland endgültig zum Ober-amtmann in Haigerloch ernannt worden. Seine Amtszeit in Haigerloch endete am 2. Februar 1902 infolge seiner

Übernahme als Regierungsrat zur Preußischen Regierung Sigmaringen. 1913 wurde er zum Geheimen Regierungs-rat und 1919 zum Verwaltungsgerichtsdirektor und stell-vertretenden Regierungspräsidenten ernannt. Am 30. September 1926 ist er in den Ruhestand getreten. Karl Sauerland ist am 15. Januar 1939 in Sigmaringen ge-storben.

1902 bis 1914. Regierungsassessor Herr von Schulz-Haus-mann war vom 20. Februar 1902 ab kommissarischer Oberamtmann in Haigerloch. Zum 1. August 1902 wurde er zum Oberamtmann ernannt. Er blieb Oberamtmann bis Ende Februar 1914. Seine Tätigkeit in Haigerloch endete mit seiner Versetzung als Regierungsrat zur Re-gierung Magdeburg. - Herr von Schulz-Hausmann hat im Novemberheft 1910 der Mitteilungen des Bundes für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern eine Abhandlung „Hohenzollerische Volkstrachten" ver-öffentlicht.

1914 bis 1917 Alfred Grospietsch, Oberamtmann. A. Grospietsch, Regierungsassessor aus Frankfurt /Oder, ist am 16. September 1879 in Liebau, Schlesien, geboren. Er war vom 5. März 1914 ab mit der kommissarischen Verwaltung des Oberamtes Haigerloch beauftragt und ist am 16. August 1914 zum Oberamtmann ernannt wor-den. Vom 21. August 1914 bis 11. Juli 1916 war er im Weltkrieg 1914/18 zum Heeresdienst einberufen, im Oktober 1916 zur Vertretung des Polizeipräsidenten in Magdeburg abgeordnet und 1916/1917 als Oberamt-mann mit der kommissarischen Verwaltung des Landrats-amtes Groß-Strehlitz, Regierungsbezirk Oppeln in Schle-sien, betraut. Seine Ernennung zum Landrat in Groß-Strehlitz hat der Preußische Minister des Innern im Sep-tember 1917 ausgesprochen. Schon während der Zeit der Einberufung des Oberamtmanns Grospietsch zum Hee-resdienst im Weltkrieg 1914/18 und während der Zeit seiner Abordnung zur Übernahme der kommissarischen Verwaltung des Landratsamts Groß-Strehlitz, dann end-gültig vom November 1916 ab sind die Geschäfte des Oberamtes Haigerloch vom Oberamt Hechingen mitbe-sorgt worden. Das Jahr 1925 brachte dann die Zusam-menlegung der Oberämter Haigerloch und Hechingen zum Landkreis Hechingen. Angemerkt sei noch, daß nach dem Ubergang der Fürstentümer Hohenzollern-Sigma-ringen und Hohenzollern-Hechingen und nach Bildung des Regierungsbezirks Sigmaringen als Hohenzollernsche Lande (1850) das ehemalige Fürstliche Oberamt Glatt als Preußisches Oberamt bestehen blieb. Oberamtsver-weser war 1850/51 Oberamtsaktuar Karl Schießle, der Ende Dezember 1851 in den Justizdienst übergetreten ist. K. Schießle, geboren am 24. Juli 1819 in Beuren, von 1843 bis 1850 Rechtspraktikant beim Oberamt Glatt des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen, zuletzt Kreis-richter, ist am 25. Juli 1895 gestorben. Nach ihm führte der Publikationskommissär Josef Kordeuter, geboren am 23. Oktober 1816 in Kalkreute, vom 1. Januar 1852 bis 27. September 1854 die Geschäfte des Oberamtsverwe-sers in Glatt. Aus dem dienstlichen Laufgang des Joseph Kordeuter seien folgende Daten festgehalten: 1834 bis 1838 Provisor im Schuldienst (Kalkreute und Rulfingen), 1939 Beschäftigung beim Thum- und Taxisschen Rent-amt Ostrach, 1840 bis 1842 Bediensteter bei der Spar-und Leihkasse in Sigmaringen, 1843 bis 1850 Publika-tionskommissär im Dienst der Fürstlich Hohenzollern-schen Landesregierung Sigmaringen, 1850/51 im preu-ßischen Staatsdienst als interimistischer Verwalter der Landeskasse Hechingen, vom 1. Januar 1852 bis Sep-tember 1854 Oberamtsverweser in Glatt, ab Mai 1852 als Oberamtssekretär, 1855 Vorsteher der Strafanstalt

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Habsthal, 1858 Vorsteher der Strafanstalt Hornstein, 1863 Oberamtssekretär im Steuer-Büro der Preußischen Regierung Sigmaringen, 1865 Ernennung zum Regie-rungssekretär, im Januar 1870 Ernennung zum Rech-nungsrat. J. Kordeuter ist in seiner aktiven Dienstzeit am 21. Juni 1881 in Sigmaringen gestorben. Er hat zwei Schriften verfaßt und herausgegeben: „Tabellen zur Re-parat ion der Grundsteuerkapitalien, der Güterpreise und aller sonstigen Geldwerte nach dem Flächenmaß (1864)" und „Tabelle zur Umrechnung des württemberischen Flä-chenmaßes in das Meter-Maß" (1870). Vom 1. Juni 1874 ab war dem Joseph Kordeuter bis zu seinem Tod die ne-benamtliche Verwaltung des Staatsarchivs Sigmaringen, die vorher Rechnungsrat Bachmann wahrgenommen hat-te, übertragen (Der Frau des Sohnes Regierungssekretär Max Joseph Kordeuter, Amalie Kordeuter, geb. Strobel, verdankt das heimatliche Schrifttum manche liebenswerte Gabe, u.a. das Gedichtbändchen „Heimatlieder", erschie-nen 1916). Das Oberamt Glatt wurde durch Allerhöchsten Erlaß vom 18. Januar 1954 aufgehoben und in das Ober-amt Haigerloch eingegliedert.

Nachtrag zum Abschnitt Oberamt Gammertingen, 1917 bis 1925: Oberamtsverweser August Hegemann ist am 8. Dezember 1945 in Hechingen gestorben. Anmerkung: Das wichtigste Quellenmaterial für die vorstehende Dar-stellung bot das Staatsarchiv Sigmaringen. Die Bestände an Personalakten für die Oberamtmänner und Landräte in Hohenzollern beim Staatsarchiv sind leider nicht voll-ständig. In der Regel sind die Personalakten bei Ver-setzung des Beamten von der Regierung Sigmaringen an die neue Dienststelle gegeben worden. Diese Akten sind heute kaum mehr erreichbar. Teilweise konnten dienst-liche Daten der Chronik der Stadt Hechingen von Lud-wig Egler (1906), der Geschichte des Oberamtes Haiger-loch von Franz Xaver Hodler (1928), den preußischen Staatshandbüchern 1852 bis 1940 und dem Regierungs-amtsblatt Sigmaringen 1852 bis 1944 entnommen wer-den. Das unvollständige Quellenmaterial ergibt zwangs-läufig Lücken in der Gesamtdarstellung der Oberamt-männer und Landräte. Hier bleiben späteren Forschun-gen noch Möglichkeiten zur Ergänzung offen.

J O H . W A N N E N M A C H E R

Aus unserer heimischen Mundart Selten gewordene Ausdrücke und Namen für unsere Haustiere

Zahlreiche fremde und mitunter recht unverständliche Worte gelangen vor allem durch die Massenmedien lau-fend in unsere deutsche Sprache. Sie werden oft schon von unseren Kleinen aufgefangen und bei Spiel und im weiteren Alltag verwendet. Sie spielen zum Beispiel schon „cowboy", haben eine kleine „Ranch", „trimmen" sich und sind „fit". Dazu kommen die vielen Abkürzun-gen in Wort und Schrift, die unsere Muttersprache ent-seelen und verstümmeln. Diesem Prozeß gegenüber steht der ständige Schwund mundartlicher Ausdrücke, verur-sacht vor allem durch den Strukturwandel der bäuerli-chen Gesellschaft. Bei Vielen spielt auch Gleichgültigkeit und eine gewisse Vorsicht, nicht als ungebildet zu gelten, beim Sprechen eine Rolle. Und doch ist die Mundart die älteste geprägte Form unserer Sprache. Sie schließt nicht nur Wortprägung in sich, sondern ebenso die Gedanken-prägung und hüllt dazu die ganze Innerlichkeit des Ge-mütes in ihr sprachliches Gewand. Of t ist ein mundartlicher Ausdruck in seiner die ganze Lebens- und Denkweise umfassenden Gestalt durch ein hochdeutsches Wort nur schwer oder kaum zu ersetzen. So sagt man in Rangendingen, wenn etwas schief geht und üble Folgen hat, kurz „dös ischt noo lätz!" Ein Weg, der steil nach oben führt , ist „g ä h ". Es geht da und dort „gäh" nuff - oder „gäh" naa! - Und wenn man nicht gut aufpaßt , kommt man vom Weg ab und fährt „schiagar" d Haida nab oder „keit" naa. Man „keit" den Kindern auch ein Stück Brot oder ein Kleidungsstück zu. „Kei mr au mein Mutza (Kittel) ra"! rief allemal der Bauer seiner Ehehälfte ins Haus, bevor er bei veränder-lichem Wetter aufs Feld fuhr. Das recht selten gewordene Wörtchen „keia" hatte eine mehrfache Bedeutung. Das tut mir leid, übersetzt die Mundart so: „Dös keit me." Und stößt jemand herbes Leid zu, dann hört man: „Dös ischt no sellig." Eine Frau, die das Geld leicht und unnö-tig ausgibt, tut alles „verburlanda". Ein „koazegs" Weibsbild ist eine eigensüchtige, unzufriedene Person. Geht jemand schwerfällig und holpernd des Weges, dann

„schiaket" er so dahin. Ist -zuviel Salz an der Suppe, so ist sie „rääß". Den „Schbrubersack" kennt man auch kaum mehr. „Schbruber" waren die Hülsen, in denen beim Dinkel das Korn steckte. Matratzen gab es früher noch nicht. Dafür hatten die Erwachsenen im Bett den Strohsack, und die Kinder erhielten ins „Scheeßle" (Kinderwagen) als Unterlage ein „Schbrubersäckle". War dies mitunter feucht und naß geworden, so nahm man es im Sommer einfach heraus und hing es zum Trocknen an den Garten-zaun. Vor noch etwa 50 Jahren gab es auf unseren Dör-fern Feuerung und Heizung nur mit Holz. Das Holz wurde meist eigenhändig gesägt und gespalten und nach-her„uffbeiget" (aufgesetzt), damit es trocknen und da-rauf in den Holzschopf gebracht werden konnte. Im Winter wurden die Stuben mitunter recht stark geheizt, und dann hörte man den Vater rufen: „Hairet uff mit Schuura, dr Ofa sinkelet jo ganz"! d. h. er ist bald glü-hend heiß. Wer sich stark erkältet, bekommt „Schnudere-de". Ist er noch nicht ganz auf der Höhe und kann noch nicht voll seiner Arbeit nachgehen, dann „hodderet" er so umeinander. Eine knotenförmige Anschwellung unter der Haut , meist unter den Armen, am Hals oder an den Beinen, nannte man einen „Knüpfel". Und wenn einer Sachen verlangt, wobei es am gesunden Menschenver-stand etwas fehlt, dann hat er einen „Knüpfel im Hie-ren". Das Sieb, das man beim Dreschen des Getreides zum Reinigen der Frucht gebrauchte, nannte man in der Mundart „Reiter". Die Tätigkeit des Siebens hieß: „rea-da". Wenn man unvorsichtig mit Holz umgeht, kann man mal einen „Spreißa" in den Finger oder die Hand bekommen. Der „Spreißa" ist meist ein kleines Holz-teilchen, das unter die Haut eindringt und sehr schmerz-haft werden kann.

„S- hot mr au bitzlet" sagt man, wenn einem plötzlich etwas zustößt oder begegnet, womit man sich schon mal im Stillen beschäftigt hat. Die Sache kann angenehmen oder auch unangenehmen Charakter haben. Schlägt man

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an ein lose sitzendes Blech, dann „schätteret" es. Auch Blasinstrumente, die nicht mehr ganz in Ordnung sind, schätteret beim Spielen. Früher bekamen die Bauersleute, wenn sie alt waren und den Hof in jüngere Hände gaben, keine Rente. Dafür erhielten sie von den Hoferben die „Leibnisch". Sie be-stand in der Hauptsache aus Lebensmitteln wie: Weizen, Mehl, Fleisch, Obst usw., was jeweils vertraglich genau festgelegt wurde. Das Wort „Leibnisch" kennt man heute fast nicht mehr. Interessant sind auch die Namen, welche die Mundart den Haustieren gab und diese genau voneinander unter-schied. Ein junges Pferd war und ist auch heute noch ein „Fille". Die Kuh kalbt entweder ein „Kuahkälble" (weib-lich) oder ein „Stierle" (männlich). War das Stierle etwas älter und nicht „verschnitta", so hieß es „Hägele". Der Zuchtstier war ein „Haga". Das Kuahkälble wurde mit den Jahren ein „Rendle" und zuletzt eine „Kalben" und dann eine Kuh. Bei den Schweinen bezeichnete man die weiblichen Tiere als „Nonna". Das beschnittene männli-che Tier war ein „Barg". Die „Nonn" wurde als Mutter-tier zu einer „Kosel" und das unbeschnittene männliche

Schwein zu einem „Näaber". Zu Geiß sagt man in der Mundart „Goaß". Bei den Katzen gab es die Kätzin und das Gegenstück, den „Rälleng". Die Enten heißen auf gut Schwäbisch „Geita". Bei den Gänsen gab es einen „Genz-get" (Gänserich). Das Hühnervolk wird von dem Hahn, „Gockeler" genannt, bewacht. Der Hahn macht beim Krähen bekanntlich die Augen zu. „Weshalb macht der Gockeler die Augen zu, wenn er kräht?" fragte ein hu-morvoller Bauersmann einen jungen Tierarzt von Hech-ingen, der gelegentlich auf seinen Hof kam. Der Tierarzt versuchte diesen Vorgang fachgerecht aus dem Zusam-menwirken der Kopfmuskeln des Hahnes zu deuten. Schalkhaft lächelnd meinte darauf der Bauersmann: „Herr Doktor, dös stemmt it". „Ja, weshalb macht er's dann zu", fragte darauf der Tierarzt. „Ha, dös ischt ganz oifach, weil er's auswendig ka!" entgegnete der spa-ßige Landwirt. Das Sprichwort hat schon recht, wenn es sagt: „Ein Bauer und ein Doktor wissen zusammen mehr, als der Doktor allein!" Die Sprache der Mundart ist einfach, kernig, voller Le-benserfahrung und Seelentiefe. Hüten und pflegen wir sie als ein hohes Kulturgut unserer Heimat!

J O H A N N ADAM KRAUS

Alte Wand- und Bodenfliesen

Unser Foto stammt aus Ringingen und zeigt einige 132 farbig glasierten Wandplättchen (je 15 zu 15 cm) vom Jahre 1788. Sie finden sich an den beiden Wänden neben dem Stubenofen im Haus Nr . 98 des Bürgers Isidor Vie-sel. Er hat sie um 1939 vom alten Haus übernommen, das um 1500 oder früher hier am „Weißengässle" (heute „Gässle") erbaut war. Weiß Heinz hieß nämlich im J. 1392 der Besitzer des hier gestandenen Hauses und zwar Lehenbauer des edlen Heinrich von Killer, genannt Affenschmalz. Unter den späteren Bewohnern des Hauses sei vor allem Johann Bailer des Josef erwähnt, der vom Haus 111 stammend im J. 1776 mit Verene Hipp (1752-1809) das Haus Nr . 98 erheiratete. Er scheint im J. 1788 die genannten Wandfliesen von einem Hafner W L er-worben zu haben. Schon 1801 vertauschte er jedoch das Haus gegen Nr . 57. Die Plättchen zeigen stark stilisierte Bäume, Blumen, Pflanzen und Fische. Letztere sieht man z. B. auf dem von uns schwarz umrandeten mit der Jahr-zahl 1788 und den Buchstaben W L. Letztere sind bis heute noch nicht gedeutet, da es damals in Ringingen keine Familie L gab. Vielleicht war ein W. Löffler aus Melchingen gemeint? Sehr viele, besser ausgeführte und

in den Motiven wesentlich reichhaltigere Fliesen dieser Art sind nach einem früheren Bericht der Albvereins-blätter in Holzgerlingen (7031) erhalten, die vielleicht vom nahen (Häfner-) Neuhausen stammen. Denkbar wäre, daß ein Hafner von der Alb dort gelernt hat und die Idee von da mitbrachte. Gibt es noch ähnliche Bei-spiele in unserer Gegend? Wesentlich älter sind die unglasierten Bodenplatten (16 zu 16 cm), die im Juni 1932 der inzwischen längst ver-storbene kunstverständige Lautlinger Pfarrer Albert Pfeffer in der Ringinger Marienkapelle entdeckte. Sie finden sich nur im Chor an der Wand um den Altar, wo die Schuhe der Besucher sie nicht abwetzen konnten. Die Fliesen zeigen spätgotische Ornamente aus der Zeit vor 1500, einige ein Eichelblatt, andere das Viertel einer Sonne mit Strahlen, so wie unsere flüchtige Skizze sie nur ungefähr aus dem Gedächtnis widergibt. Sie erinnern stark an die viel deutlicheren Bodenplättchen aus der Junginger Marienkapelle auf der Leer, die um 1745 in eine Annakapelle umgetauft wurde. In den 30er Jahren hat Pfarrer Benno Kramer mir eine Anzahl davon ge-zeigt. Sie lagen damals im Untergeschoß des Turms der Pfarrkirche. Er hat sie m. W. in die hohenzollerische Landessammlung gegeben. Sie zeigten ebenfalls den Vier-telausschnitt eines Kreises und zwar sehr deutlich die spätgotische Minuskelinschrift „tritt mich". Weitere Plat-ten aus derselben Annakapelle seien später erhoben und

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eine zeitlang verschollen gewesen. Merkwürdigerweise führt Konservator i. R. Oskar Heck in seinem Schrift-chen „Hohenzollerische Landessammlung der Stadt He-chingen" 1973 Seite 9 eine Anzahl solchen Bodenplatten mit dieser Inschrift in der Sammlung an, deren Herkunf t ungewiß sei. Er vermutet ihre Herkunf t aus den Klöstern Bernstein, Kirchberg oder Bebenhausen. Es dürfte sich jedoch um die Junginger Plättchen handeln, über deren Schöpfer (vor dem Jahr 1500) allerdings nichts ausge-sagt werden kann. Die Unsicherheit ihrer Herkunf t ist

vermutlich auf den rücksichtslosen Hinauswurf der Sammlung aus den Räumen der Burg Hohenzollern und auf die gewaltsame Auflösung des Rechtsträgers, des ho-henzollerischen Kommunalverbandes, zurückzuführen. Im Freiburger Augustinermuseum finden sich solche Bo-denfliesen (auch 16 cm im Quadrat und angeblich aus dem 13. Jahrhundert), die aus dem Hause „Zum Wolf" stammen und auch den Viertelkreis mehrfach zeigen. Da-rin sieht man Buchstabenreste, die sehr wohl „tritt mich" heißen könnten.

J O H A N N ADAM KRAUS

Die Daigger: Herkunft, Name und Verbreitung Fortsetzung und Schluß von 4173

Seine Herkunf t vor 1548 kann man nur vermuten. Am ehesten scheint Burladingen in Frage zu kommen, wie wir unten sehen werden. In Jungingen sowohl als in Hechin-gen, Weilheim und besonders Burladingen gab es in jener Zeit den Familiennamen Decker und in Killer einen zol-lerischen Nisy (Dionys) Toegker mit seiner Frau Katha-rina und den Kindern Jakob, Johann, Katharina und Anna, die der Frau zu Lautlingen (wohl von Westerstet-ten) gehörten. In Burladingen waren es im Jahre 1544: Christ Decker (tot 1554), Althans Decker, die Brüder Bastian und Hans Doegkher, Hans Deuckers seligen Kin-der; Fabian und Simon D., sowie Hans Toegker genannt Pfisterhanselin. Alle ihre Nachkommen heißen um 1610 dann Pfister (d. h. Bäcker), offenbar als Nachkommen eines Bäckers. Schon im J. 1468 ist Hans Deker (nur mit einfachem k !) zu Burladingen Bebauer des Veringendor-fer Michaelsgutes daselbst und wohl derselbe im Jahre 1454 als Hans Decker ein geschworener Ortsrichter. Am 26. Juli 1406 meldet eine Trochtelfinger Bürgerliste einen Klaus Deker und einen „Alten Deker" (beide nur mit einfachem k geschrieben; FUB 6, S. 237). In Freiburg/ Brsg. finden sich 1319 Heinrich und Konrad Decker, 1438 zu Fridingen bei Riedlingen eine Anzahl Doekeller, die dann 1545 Degkeler hießen. Im J. 1655 war ein „Gorgus Deugger alias Schweizer" auf der Trochtelfinger Mühle. Am 8. Juni 1600 ist ein Hans Daickher von Willsingen in Burladingen zur Heirat mit Beatrix Gaiserin zugelassen, nachdem er zollerisch leibeigen geworden. Im J. 1590 sind in Burladingen neben verschiedenen Pfistern noch erwähnt: Hans Daiger und Frau Anna Bausingerin (mit Kind Konrad 1597) und 1597 heiratete Jerg Daiger von Oberstetten mit Frau Maria Wangnerin von Burladingen. In Jungingen finden sich 1597 drei Hans Daicker, unter-scheidbar durch die Beinamen Michelhans, Stadel und Schuler, dazu ein Jakob Degger.

Wenn ich in Hohz. Heimat 1962, 42 annahm, die Burla-dinger Toegker bedeuteten „Pfister" (von lat. pistor, also Bäcker), so ist diese Vermutung nicht aufrechtzuhalten. Vielmehr wird ein Vertreter, der Bäcker war, eben den Berufsnamen, also Pfister, weitervererbt haben, wobei der Stammname Decker verloren ging. Noch um 1550 waren manche Familiennamen im Fluß, wie die Leibei-genschaftslisten deutlich zeigen. 2) Man kann sich nun bei dem besten Willen nicht vor-stellen, daß der Name Deker, Degger, Deckher etwas mit Teig zu tun gehabt habe. Man denkt weniger an „Ab-decker" oder Schinder, als vielmehr an "Dachdecker", wie noch im Jahre 1738 ein Lorenz Kraus zu Ringingen als „Decker" des herrschaftlichen Fruchtkastens seinen Lohn erhielt. Die 1544 in Burladingen genannten Decker er-scheinen 1548 als Toegker, wobei doch wohl ö und nicht

o-e zu lesen ist! In Hechingen gab es 1590 einen Jakob Daickher, der 1593 Deigger geschrieben ist und ein Lehen-gut zu Starzein (wohl seinem Herkunftsort) verkaufte. Die Frage lautet nun: Wie kann aus Degger-Decker ein Deugger-Teuger-Daigger-Daiker werden? Nach meiner Kenntnis der heimischen Mundart (Hohz. J H e f t 1953, 127) ist dies völlig ausgeschlossen, wenn nicht das erste E (bzw. oe) in Decker-Toeckher lang war (man also Deeker sprach)! So entwickelte sich in Ringingen die Familie Bö-ler-Böhler um 1680 zu Bayler-Bailer. Noch um 1920 re-dete man im genannten Ringingen und wohl auch ander-wärts nicht vom Apotheker, sondern vom Apodaiker, und man ging „in die Apodaik". Die Zimmerische Chro-nik von 1566 bringt Beispiele dafür, daß zu ihrer Zeit zum Zeichen der Dehnung eines Selbstlautes der folgende Mitlaut verdoppelt wurde, also gerade umgekehrt wie heute! So nehme ich an, der Starzler Decker von 1548 sei Deeker gesprochen worden, trotz der eventuellen Ablei-tung des Wortes von „decken" (lateinisch tegere, mit lan-gem e!). Der Name Daigger könnte somit ursprünglich einen Dachdecker bezeichnet haben. Aber diese Erklärung hat einen Haken. Einmal will nicht recht einleuchten wieso es vor 1500 so viele Nachkommen von Dachdeckern gegeben haben soll, wo doch auf den Dörfern die Leute selbst ihre Strohdächer herstellten. Zum andern fällt die Schreibart Deker von 1406 und Toegker von 1548 auf. Niemals ist doch in den Wörtern Deckel, Deckung, ver-stecken, Hausecke, Beck usw. das E zu eu oder ai gewor-den. Warum aber dann beim Namen Decker-Toegker-Degger zu Deuker-Daigger? Warum sprach man zwischen 1540 und 1600 und wohl auch früher das E lang aus? Ob nicht ein ganz anderer Wortstamm zugrunde liegt? Die uralten, ins 5.-6. Jahrhundert zurückreichenden Ortsna-men Deggingen, Döggingen, Deggendorf, Deggenhausen zeigen mit Sicherheit, daß es einen althochdeutschen Ruf-namen Degg oder Taggo gegeben haben muß, der in der Erweiterungsform Degenhart, Tagaher, Deginher, Dago-bert o. ä. geheißen haben wird. Im J. 1271 finde ich einen Walter Decke und 1281 eine Mathilde Dekerin im Schwä-bischen Gebiet. Aus Deginher aber konnte leicht Degher und Decker werden! Dagobert wird erklärt als „leuch-tend wie der Tag". Dagegen bedeutet ein mittelhochdeut-sches Zeitwort dagen (ahd. thaken) so viel als schweigen, die Nebenform degen aber „zum Schweigen bringen". „Der Degen" bedeutete sowohl „Dolch", als auch „Die-ner, Krieger, Held", während der Frauenname Dagmar wieder mit Tag und berühmt zusammengestellt wird. 3) Außer den schon in „Hohz. Heimat" 1967, 60 f ge-nannten Wohnorten der Ringinger Daigger in St. Louis (Amerika), Meldungen, Schlatt, München, Bad Cann-statt, Landau (Pfalz) fanden sich noch weitere: Am

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11. Mai 1712 ging Johann Daicker von Ringingen mit seiner Frau Anna Mar. Werner von Melchingen und einem Kinde nach Ungarn. Ein Menrad Daigger heira-tete 1758 von Ringingen nach Hermentingen und erhielt dort von seiner Frau Anna Müller 1760 eine Tochter Maria Anna. Weiteres wissen wir nicht. Dagegen meldete sich überraschend eine weitverzweigte Daiggerfamilie aus Aichstetten und Ehingen an der Donau. Nämlich ein am 11. Okt. 1815 (Im Haus 79 zu Ringingen geborener Mi-chael Daigger (1) (Sohn des Georg u. d. Dorothea gb. Rueß: H H 1967, 60 Nr . 37, Abkömmling von Nr . 30 a) heiratete in Steinhilben am 22. Juni 1841 die Agatha Zeiler (gb. 1819 als Tochter des dortigen Gregor Z. und der Magdalena gb. Heinzelmann). Beide bekamen 11 Kinder, von denen aber nur 4 Söhne und 1 Tochter (ABCDE) länger lebten. Über deren Nachkommen berichtet folgende Liste; die einzelnen Personen sind durchnumeriert. Der Vater Mi-chael (1) starb 1889 in Zwiefalten bei seiner Tochter Magdalena (6). Die Familie Michael Daigger zog 1862 von Steinhilben nach Aichstetten bei Tigerfeld.

Nachkommen des Michael Daigger (1) und der Agatha g. Zeiler

I. Generation: Johann Bapt. (2), Jakob (3), Gregor (4), Anton (5), Magdalena (6).

II. Generation: Kinder von 2: Christian (7), Agatha (8), Michael (9), Johann Ev. (10), Adolf I (11), Em-ma (12). Kinder von 3: Agatha (13), Johann Bapt. (14), Mi-chael (15), Magdalena (16), Rosina (17), Paulina (18), Theresia (19), Maria (20), Josefine (21), Klara (22), Jakob II (23), Gregor II (24). Kinder von 4: Leonhard (25).

I I I . Generation: Kinder von 9: Magdalena (26), Adolf II (27), Johann B. f ; Alfons (28), Maria (29), Ka-tharina (30), Johann Gg. (31) ledig. Kinder von 10: nur 1 Sohn, der früh starb. Kinder von 11: der einzige Sohn fiel 1939. Kinder von 24: Jakob III (32) ging nach Amerika: 1 Sohn; Julie (33), Theresia (34), Gregor I I I (35), Johann (36) fiel im Krieg; Siegfried (37) gefallen;

38-40 klein gestorben; Alfred (41) nach Amerika (2 Söhne); Erwin (42): Amerika.

IV. Generation: Kinder von 27: Anna (43), Michael (44): Aichstetten. Kinder von 28: Wolfgang (45), Christina (46). Kinder von 35: Siegfried (47), Gerold (48): Ehingen.

Genauere Angaben mögen folgen:

1,2 Johann Baptist Daigger, gb. Steinhilben 1841 14. Dez., starb 1951, heir. 27. 7. 1868 zu Aichstetten mit Magdalena Dorn aus Ringingen Hohz. (aus Haus 52, gb. 15. Dez. 1848 als Tochter des Christian Dorn u. d. Judith gb. Dietz). Sie bekamen 9 Kinder von denen 3 klein starben. Es überlebten: a) Christian (7) gb. 1870, ging nach Amerika, wo er 1895 starb, b) Agnes (8) gb. 1871, heir. 1900 mit Thomas Baumann, später Bahnhofsvorsteher in Sigmaringendorf bzw. Zwiefaltendorf, c) Michael (9) geb. 1874, heir. 1906 mit Viktoria Jaudas (des Joh. Gg.) zu Aichstetten, d) Johann Ev. (10) wurde 1878 geboren, später Bahnhofsvorsteher in Sigmaringendorf, e) Adolf (11) gb. 1882, heir. 1909 mit Berta Wirt, wurde Bahnhofs-vorsteher in Tuttlingen. Ihr Sohn fiel 1939 im Krieg, f) Emma (12) gb. 1884, starb ledig in Tuttlingen 1936.

1.3 Jakob Daigger, 1845-1934, zog mit den Eltern 1862 von Steinhilben nach Aichstetten und dann mit seiner Familie 1896 nach Ehingen a. d. Donau. Er heir. 1870 in Aichstetten mit Josefa Schneider (1857 bis 1910), von der er 16 Kinder erhielt, von denen 5 klein starben. Es überlebten: a) Agatha (13) heir. den Landwirt Kaspar Roggenstein in Aichst. b) Jo-hann Bapt. (14) (1874-1952) wurde Klosterbruder in Österreich, starb in Aichstetten 1952. c) Michael (15) 1878-1925, ledig, d) Magdalena (16) 1872, starb als Schwester Dativa 1907 in Schwäb. Gmünd, war ins Kloster Untermarchtal eingetreten. Ebenso gingen ins Kloster: e) Rosina (17) 1885-1917 und f) Pauline (18) 1887-1931. g) Theresia (19) heiratete und er-hielt 5 Kinder, h) Maria (20) verheir. hat 7 Kinder, i) Josefine (21) verheir., hat 15 Kinder, k) Klara (22), ist ledig gestorben. 1) Jakob (23) gest. 1880 in Aich-stetten. m) Gregor (24) 1881-1934, siehe unten.

1.4 Gregor I. gb. 1847 in Aichstetten, heir. 1876 in Dürrenwaldstetten. Sein Sohn Leonhard (25) führte in dreimaliger Ehe seine Landwirtschaft weiter, hatte 5 Töchter, deren eine einen Waidmann aus Mörsingen ehelichte.

1.5 Anton Daigger, gb. 1851 in Steinhilben, heir. 1875 in Gossenzugen mit Josefa Schmid, wanderte mit ihr und einem 1876 geborenen Sohn im J. 1878 nach Amerika aus.

1.6 Magdalena 1855-97, heir. 1876 in Zwiefalten den Uhrmacher Mathias Jaudas und starb dort.

11,9 Michael Daigger, gb. 31. 5. 1874 in Aichstetten gest. 4. 11. 44, heir. am 14. 5. 1906 mit Viktoria Jau-das des Johann Gg. u. d. Katharina g. Waidmann zu Aichstetten. Sie hatten 7 Kinder: a) Magdalena (26) gb. 1907, heir. 1933 mit Matthäus Faigle aus Mün-singen, verzogen nach Schorndorf. Er ist Polizei-wachtmeister mit den Kindern: Egon (Professor in Weingarten), Arthur (Oberstleutnant beim Natofüh-rungsstab in Bonn) und 1 Tochter, die einen Arzt in Schorndorf hat. b) Adolf (27) Wirt zum Rößle i. Aichstetten, gb. 1908, heir. 1946 mit Rosina Rudolf daselbst, baute 1951 Wirtschaft mit Saal neu. Sie be-kamen 2 Kinder: Anna (43) gb. 1948, heir. 1967 mit Andreas Zürn, techn. Zeichner in Aichstetten, und Mi-chael (44) gb. 1950, noch ledig. Rößlewirt. c) Johann Georg, 1911-16. d) Alfons (28) gb. 1912, heir. 1945 mit Hilda Dümig, ist Rektor in Schorndorf, hat 1 Sohn Wolfgang (45), Ingenieur bei Bosch (baut z. Zt. ein Werk in Amerika) u. 1 Tochter Christina (46), die einen Arzt ehelichte, d) Maria (29), gb. 1915, verheir. mit Willi Hagmeier in Eislingen, e) Katharina (30), gb. 1920, verh. mit Oberlehrer Anton Weber in Schorndorf, f) Johann Georg (31) gb. 1921, ledig, stark gehbehindert im Rößle zu Aichstetten.

11,24 Gregor Daigger des Jakob, gb. 1881 in Aich-stetten, gest. 1934, Gastwirt z. „Neuen Haus" in Ehingen, wohin der Vater 1896 gezogen war. Er ehe-lichte 1908 die Josefa Jans von Schnürpflingen b. Ulm (1879-1925) und zum 2. Mal am 27. 4. 1925 mit Paula Moll von Berg (1888-1955), beidemal in Ehingen. Er bekam 8 und 3 Kinder: a) Jakob (32), gb. 1909, ging nach Amerika, hat 1 Sohn, b) Julie (33), gb. 1910, verh. in Ehingen, c) Theresia (34), 1911, klein gest. d) Gregor III. (35), gb. 1912. Siehe I I I , 35. e) Johann (36) gb. 1913, im Krieg vermißt, f) Siegfried (37), gb. 1915, im Krieg vermißt, g-i) Paula, Josefine u. Josefine, klein gestorben, k) Alfred

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(41) gb. 28. 1. 1928, ging nach Amerika, hat 2 Söhne. 1) Erwin (42) gb. 28. 1. 1929, ging ebenfalls nach Amerika.

111,35 Gregor III. gb. 1912 Sept. 24. Wirt z. „Neuen Haus" in Ehingen. Seine Gebäude gingen 1945 durch Kriegseinwirkung zugrunde, worauf er neu baute. Er heir. 21. 7. 1951 mit Hildegard Meurle aus Emerkin-gen, gb. 26. 1. 1918, die ihm 2 Söhne schenkte: Sieg-fried (47), gb. 22. 5. 1953 und Gerold (48) gb. 6. 7. 1955. Zu obigen Daten steuerten bei: H . H . Pfarrer Wilh. Viesel - Steinhilben, Gregor Daigger in Ehingen (Riedlingerstr. 15), H . H . Pfarrer Schröder - Aichel-au und Bürgermeister Eugen Ruch in Aichstetten.

Anhang: Wie die Steinhilber-Aichstetter-Ehinger Daigger mit dem Ringinger Stammvater Melchior Daigger-Deug-ker zusammenhängen (Aus Zeitschr. „Hohz. Heimat" 1967, 60).

Melchior Deugker zu Ringingen 1606-15.

Sohn: Christian Daiker-Decker, 1622 in Haus Nr . 89

Enkel: Christian Daiker in Hs. 89, heir. 1658 mit Bar-bara Vogel, lebt noch 1714.

Urenkel: Augustin Daigger (Hs. 90) heir. 1697 Anna Mar. Bailer d. Jakob jun. ist 1701 Schulmeister, stirbt 1723.

Ururenkel: Georg Daigger, gb. 1702, heir. 1728 Anna M. Wahl und 1743 Juliana Rueß. Er ist 1745-61 Schultheiß in Ringingen (Haus 79).

Urururenkel: Michael Daigger (Hs. 79) heir. 1773 Elisa-beth Stecher des Gregor aus der Ringinger Seemühle.

Urururure: Georg Daigger (Hs. 79) 1780-1838, heir. 1810 Dorothea Rueß d. Josef u. d. Rosina gb. Neser (1779-1860). Deren Sohn ist der in Ringingen 1815 geborene und 1841 in Steinhilben verheiratete Mi-chael Daigger.

M A N F R E D H E R M A N N

Zur Postgeschichte von Veringenstadt/Hohenzollern

Marken und Briefe der Thum und Taxisschen Postabla-gen Hohenzollerns fanden bei Aktionen der letzten Jahre ein lebhaftes Interesse und erzielten durchweg hohe Prei-se. Es ist an der Zeit, die Postgeschichte dieser Orte ein-mal näher zu untersuchen und den Umfang der anfallen-den Postsachen zu prüfen. Heute wollen wir uns der Postablage von Veringenstadt zuwenden, der ersteinge-richteten Hohnezollerns. Die Kleinstadt in der Mitte des malerischen Lauchertta-les, etwa 14 km nördlich von Sigmaringen, gehörte inner-halb des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen ab 1827 zum Oberamt Gammertingen. Das Postwesen dieser Zeit war im Land noch wenig entwickelt; erst nach langen Verhandlungen mit der Württembergischen Post (am 12. Februar 1819 war zwischen der Fürstlich Hohenzol-lerisch-Sigmaringischen Regierung und der Württember-gischen Regierung ein Vertrag über die Einführung Württembergischer Posten geschlossen worden) war es ge-lungen, am 12. April 1819 ein Postamt zu Sigmaringen einzurichten. Noch immer gab es aber außer einem privaten Boten-fuhrwerk des Joseph Anton Teufel von Gammertingen keine direkte Postlinie zwischen Sigmaringen und Gam-mertingen. Erst 1825 ließ sich das fürstliche Haus von Thum und Taxis, welches seit dem 1. Oktober 1819 die Post in Ho-henzollern als Württembergisches Lehen übertragen be-kommen hatte, herbei, wöchentlich einmal einen Postwa-gen zwischen Sigmaringen und Gammertingen laufen zu lassen. 1845 verband zweimal wöchentlich ein Eilpostwa-gen die Städte Sigmaringen und Hechingen über Gam-mertingen. Beim Übergang des Fürstentums an Preußen (Abtre-tungsvertrag vom 7. Dezember 1849, genehmigt durch Gesetz vom 12. März 1850) waren es dann wöchentlich zwei Eilwagen und zwei Karriolposten. Am 1. Juli 1855 begann der Postkommissar für Hohenzollern, General-Postdirektionssekretär Wilcke aus Frankfurt , zugleich Vorstand des Sigmaringer Postamtes, seine Tätigkeit. Er war um die stetige bessere postalische Versorgung des Landes bemüht, und er erreichte es, daß am 1. Juni 1858 eine tägliche Personenpostverbindung zwischen Sigmarin-gen und Hechingen eingerichtet wurde. An diesem Kurs

traten gleichzeitig mehrere Briefkollektionen (Briefsam-melstellen) in Tätigkeit, nämlich in Veringenstadt, Het-tingen und Burladingen. Die Einrichtung einer Landbe-stellung erklärte die Regierung in Sigmaringen selbst für überflüssig, weil das gut ausgebildete Amts- und Gemein-debotenwesen dafür einen hinreichenden Ersatz biete. Der Postkellektor in Veringenstadt nahm Briefe entgegen und versah sie mit dem zweizeiligen Kastenstempel G A M M E R T I N G E N - V Ö H R I N G E N S T A D T in Blau; er gab sie dann dem durchpassierenden Eilwagen nach Sig-maringen oder Hechingen mit. Dagegen befaßte sich der Briefsammler nicht mit der Bestellung von Postsachen; wir werden also nie den obigen Stempel auf der Rücksei-te eines Briefes finden. Alfred Rist in Sigmaringen hat als erstes Verwendungsdatum den 15. September 1858 fest-gestellt; das letztmögliche ist der 30. April 1863, da am folgenden Tag eine Postablage eröffnet wurde. Der 4,75 cm lange und knapp 1 cm hohe Kastenstempel wurde entgegen der Vorschrift regelmäßig auf der Marke ange-bracht, welche oft des schwachen Abdruckes wegen noch-mals in Sigmaringen entwertet wurde. Darum verdient dieser Stempel auf Marke keine höhere Bewertung. Die Stempelfarbe ist stets ein dunkles Blaugrün; gelegentlich finden wir darin dunkelbraune ölige Schmutzflecken, aber kein Schwarz. Der Stempel ist nicht allzu häufig, jedoch auch nicht ausgesprochen selten, da er fast fünf Jahre lang verwendet wurde.

Am 8. Januar 1863 gab das Amtsblatt der Preußischen Regierung bekannt, daß Postmeister Ernst Thierbach zum Vorstand des Postamtes Sigmaringen und zum Post-kommissar der Hohenzollerischen Lande ernannt worden sei. Dieser betrieb mit allem Nachdruck die Einrichtung der Landpost, durch deren Boten sämtliche Orte an das Postnetz angeschlossen werden sollten. Bereits am 1. Mai 1863 wurde in Veringenstadt eine Postablage mit einem Landpostboten-Bestellbezirk eingerichtet, in dem mon-tags, mittwochs und sonnabends ein Landpostbote die Orte Hermentingen, Inneringen, Hochberg, Jungnau und Veringendorf beging. Es wurde bekannt gegeben, daß die Landpostboten Frankomarken und Frankocouverts zum Verkauf an das Publikum bei sich führten, daß sie ferner mit den erforderlichen Taxen zur Frankierung von Brie-fen innerhalb des Postvereinsgebietes versehen seien.

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„Ebenso sind die Landpostboten ermächtigt, gegen Ent-richtung der üblichen Gebühren Scheine über Empfang von rekommandierten Briefen und Wertsendungen, bei letzteren bis zu mittelst der Landbotenpost zu befördern-den Werte, auszustellen. Einzahlungen nehmen die Land-postboten bis zu dem Betrage von 87 fl 30 kr an. Eine Frankierung von Briefen nach außerhalb des Postvereins-

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gebietes gelegenen Orte, sowie von Packeten und Werth-sendungen durch die Landpostboten ist so wenig zulässig, als die Annahme einer Einzahlungsgebühr durch diesel-ben. Es kann jedoch gestattet werden, derartige Sendun-gen mit der Bezeichnung „frei" den Landpostboten mit-zugeben, es wird alsdann der zu entrichtende Frankobe-trag auf dem nächsten Bestellgang von dem Aufgeber er-hoben werden." Im folgenden Jahr, nämlich vom 16. Mai 1864 an, wurde der Landpostbestell-Bezirk erheblich erweitert. Von Ve-ringenstadt aus wurden am Montag, Mittwoch und Frei-tag die Orte Hermentingen, Hettingen (vermutlich bis dahin Briefkollektion, die nun aufgehoben wurde), In-neringen, Hochberg, Jungnau und Veringendorf; am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend die Orte Har thau-sen auf der Scher, Benzingen, Kaiseringen, Frohnstetten, Storzingen und Blättringen begangen. Am 1. Dezember 1864 trat mit der Errichtung eines Landpostboten-Be-stellbezirkes bei der Postexpedition Straßberg eine Ver-kleinerung des Veringenstädter in Kra f t : An allen sechs Wochentagen erreichte der Postbote die Orte Hermentin-gen, Hettingen, Inneringen, Harthausen a. d. Sch., Ben-zingen und Veringendorf; am Montag, Mittwoch, Frei-tag den Ort Hochberg; schließlich am Dienstag, Donners-tag und Sonnabend die Orte Blättringen und Jungnau. Bei Errichtung der Postablage in Veringenstadt am 1. Mai 1863 wurde ein zweizeiliger Kastenstempel einge-führt mit dem Text: S I G M A R I N G E N - V E R I N G E N -STADT (nun wurde also die Postfiliale dem Postamt Sig-maringen unterstellt; zudem hatte sich die Schreibweise des Ortsnamens geändert). Der 38 mm lange und 11 mm hohe Stempel besitzt eine dunkelblaugrüne Grundfarbe (ein öliger Abdruck am 5. Mai 1864 erscheint in Hell-grün) und wurde bei Sendungen für Orte außerhalb des Landpost-Bestellbezirkes immer neben der Marke ange-bracht. Dieser Stempel blieb jedoch nur knapp über ein Jahr in Verwendung (letztes bisher bekanntes Verwen-dungsdatum laut Herrn Rist ist der 12. Juli 1864), dann wurde der durch einen gleichlautenden Datumsstempel in Form eines Einkreisers ersetzt ( 0 22 mm, statt Jahres-zahl ein Zierring). Das erste bisher bekannte Verwen-dungsdatum ist der 19. Juli 1864, als letztes besitze ich den 17. September 1867. Bemerkenswert ist die farbliche Entwicklung dieses Stempels: Zuerst erscheint er im alten Blaugrün, wechselt zum Jahresende in ein Dunkelgrün,

dann in ein schmutziges Graugrün; am Ende gab das Stempelkissen kaum mehr eine Farbe ab, so finden wir auf Briefen des Januar 1866 Abdrücke kaum definierba-rer Färbung. Erst im März 1866 scheint der Postablage-Besorger wieder die blaugrüne Farbtinte auf das Stem-pelkissen gegossen zu haben. - Trotz des nur einjährigen Gebrauches des zweizeiligen Kastenstempels der Postab-lage, welcher regelmäßig auch als Ankunftsstempel er-scheint, ist er nicht selten. Den Einkreiser möchte ich so-gar - auch angesichts des weiten Umfanges des Land-post-Bestellbezirkes - als den häufigsten Postablage-Stempel Hohenzollerns bezeichnen. Im übrigen dürfe in sämtlichen obengenannten Landpost-orten ein Briefkasten mit einem darin hängenden einzei-ligen Kastenstempel vorhanden gewesen, aber kaum ge-braucht worden sein. Als Beleg dafür diene jener von Storzingen, welcher auf einer Postquittung von 1898 ver-wendet wurde, ö f t e r s haben die Bürgermeisterämter die Briefkastenstempel an sich gezogen und zum internen Ge-brauch bestimmt. Nach dem Übergang der Thum und Taxisschen Post an Preußen am 1. Juli 1867 wurden sämtliche Postablagen in Postexpeditionen II. Klasse umgewandelt. Anfangs verwendeten sie den alten Stempel bis zur Einführung des Ablösers in der Form der späteren Norddeutschen Postbezirks-Stempel weiter, der Wechsel dürfte Mitte Oktober 1867 erfolgt sein. Das erste bekannte Datum des Ablösers in Veringenstadt ist der 30. November 1867 ( 0 24 mm in Schwarz); ein Stempel, der weit in die Zeit der Deutschen Reichspost hinein gebraucht und da-nach durch einen größeren mit Sternverzierungen ersetzt wurde. Preußen-Marken mit Ablage- bzw. Expeditions-stempel sind gleich häufig bzw. selten. Während der NDP-Zei t von 1868 bis 1871 dürfte der Postverkehr, der sich noch vor zehn Jahren meist auf

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Dienstpost der Bürgermeister- und Pfarrämter erstreckt haben mag, ziemlich angewachsen sein. Darum sind Mar-ken und Briefe dieser Zeit aus dem Ort nicht selten. Al-lerdings ist zu beobachten, daß nicht alle Marken dersel-ben Ausgabe gleichmäßig gebraucht wurden. So erscheint etwa die 2-Kr-Marke der durchstochenen Ausgabe noch im Oktober 1871 auf Briefen und Karten. Daher verdie-nen Kombinationen mit Marken der zweiten Ausgabe der Mischfrankatur wegen keine besonderen Mehrpreise, vielmehr dürfte die gezähnte 2-Kreuzer-Marke mit dem Veringerstädter-Stempel, erst recht die gezähnte 18 Kr. eine echte Rarität darstellen.

Quellen: THELE, Geschichte des Postwesens in den Hohenzollerischen Landen, in: Archiv für Post und Telegraphie, Beiheft zum Amtsblatt des Reichs-Postamtes 1912 (Nr. 11), S. 313-334, 355-392. Amtsblätter der Königl.-Preuß. Regierung in Sigmaringen, 1853-70. ALFRED RIST, Thum und Taxis in Hohenzollern, in Rhein-Lahn-Bote (Thum und Taxis-Bote) vom 1. November 1965. DTO, Rhein-Lahn-Bote vom 1. Januar 1966.

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Arbeiten zur Hohenzollerischen Geschichte

Pädagogische Hochschule Freiburg:

1963 Sinz Otto, Die Geschichte des Schulwesens in der Stadt Hechingen.

1968 Robbers Birgit, Die Wohlfahrtsstiftungen des Hau-ses Hohenzollern-Sigmaringen im 19. Jh. bes. das Josefinenstift. 117 S.

1969 Henselmann Gerda, Geschichtl. Zeugnisse in Ve-ringen, 108 S.

1970 Graf Maria, Die Verfassung des Fürstent. Hohen-zollern-Hechingen vom 16. 5. 1848.

Päd. Hochschule Reutlingen: 1967 Beck Helmut, Die Juden in Hohenzollern. 42. S.

1970 Zink Ursula, Die Grabstätten des Hauses Hohen-zollern-Hechingen i. d. Hechg. Stiftskirche. 57 S.

1971 Rager Ingeborg, Grosselfingen i. d. Mitte des 16. Jh. 110 S.

Päd. Hochschule Weingarten:

1964 Enderwitz Gerda, Geschichte d. ehem. Franziska-nerklosters St. Luzen in Hechingen.

1965 Lieb Helmut, Die Grundherrschaft des Augusti-nerinnenkl. Habstal im 18. Jh.

1967 Gans Walter, Die Herrschaft Gutenstein als Typ der ungeschlossenen schwäb. Zwergherrschaft nach dem Gutensteinischen Urbar von 1690. (Aus Zeitschr. f. württ. Geschichte Jg. 31,1972, S. 421 f.)

Verluste an Baudenkmälern

Der neue Landkreis Sigmaringen ist durch eine Veröf-fentlichung in der letzten Nummer der „Denkmalspflege in Baden-Württemberg" zwar unliebsam, aber verdient behandelt worden. Nicht weniger als sechs von zwölf

Verlusten an Baudenkmälern in jüngster Zeit entfallen nämlich auf diesen Kreis. Das bedeutsamste und auch dem einstigen Bauvolumen nach größte ist dabei das Kaplaneihaus von Bachhaupten. Hier wurde nicht nur der Sitz des einstigen Gouverneurs der sogenannten „oberen Herrschaft" der Reichsabtei Salem zerstört, was noch angegangen wäre, sondern ein Herrensitz mit getä-ferten Decken und Wänden, mit wunderschönen Türen und der ganzen Anlage solcher Amtshäuser, die man überall sonst zu erhalten versucht. Die Denkmalspflege hat hier, wie im Fall des Gammertinger Schlosses (Ost-flügel) keine Möglichkeit gesehen, das Bauwerk zu erhal-ten. In Gammertingen entsteht an der Stelle des Ost-flügels (der Westflügel ist nie ausgeführt worden) ein hochmodernes Bankgebäude, das sich trotzdem hoffent-lich dem Bild des Werkes aus der Hand von Michel d 'Ixnard einfügen wird. Im Bereich Hohenzollerns ist auch das älteste Haus von Krauchenwies verschwunden, ebenfalls für einen Bankneubau. Die „Denkmalspflege" schreibt dazu, dieses Bauernhaus aus dem 17. Jahrhun-dert bedeute die „unterste Grenze des Erhaltenswerten"; aber gerade in Krauchenwies, wo die Baudenkmäler nicht mehr dicht gesät sind, wäre der Erhalt dieses mitten im Ort gelegenen Hauses empfehlenswert gewesen. Frick

Vorbildliche Denkmalspflege

Die Stadt Mengen renoviert derzeit den „Alten Fuchs", die ehemalige Südostbastion der Stadtbefestigung, ein hohes Giebelhaus, etwa zu vergleichen mit dem Schloß in Gutenstein im Donautal. Der „Fuchs" erhält ein gan-zes Stockwerk für die öffentliche Bibliothek der Stadt, einen Festsaal für Konzerte und dergleichen und Tages-räume für den Altenclub Mengen. Das Haus wird ein würdiges Gegenstück zur „Alten Post" darstellen, der einstigen Poststation in Mengen, jetzt Heimatmuseum, an das soeben letzte Hand angelegt wird. Im Dachge-schoß eine einzigartige Sammlung von alten bäuerlichen Arbeits- und Hausgeräten vor der Mechanisierung. Das Erdgeschoß ist noch heute mit Kopfsteinen gepflasterte Durchfahrt, in der alte Kutschen, darunter eine Post-kutsche stehen. Frick

H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T

herausgegeben vom Hohenzollerischen Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat -lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-gen. Ver lag: HohenzollerisdierGeschichtsverein 748 Sigmaringen, Kar l s t raße 3. Druck: M. Lieh-ners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen, Kar ls t raße 10. Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung in Hohenzol lern mit der Geschichte ihrer He imat ve r t r au t machen. Sie br ingt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden kön-nen. Bezugspreis: 2,00 D M halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " : 802507 Hohenz . Landesbank Sigmaringen 12363 Postscheckamt Stu t tgar t

Die Autoren dieser Nummer:

Andreas Radi , Burladingen-Ringingen

Johann Adam Kraus, Erzbisch. Archivar i. R. , Freiburg-Lit tenweiler

Dr. med. Herbert Burkarth, prak t . Arz t , Gammert ingen

Manfred Hermann, P fa r r e r , N e u f r a

Josef Miihlebach, Landesoberamtsra t i. R . , Sigmaringen

Johannes Wannenmacher, Schulrat i. R . , Gammert ingen

Redakteur: Dr . med. Herbe r t Burkar th , 7487 Gammert ingen

Redaktionsausschuß:

Huber t Deck, Konrek tor 745 Hechingen, Tübinger Straße 28 Telefon 07471/2937

Walther Frick, Journal is t 748 Sigmaringen, H o h e Tannen Telefon 07571/8341

Die mit Namen versehenen Art ikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder ; diese zeichnen f ü r den Inha l t der Beiträge ver-antwort l ich. Mit tei lungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet

Manuskr ip te und Besprechungsexemplare wer den an die Adresse des Schriftleiters oder Re-daktionsausschusses erbeten.

Wir bi t ten unsere Leser, die „Hohenzollerische He ima t " weiter zu empfehlen.

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HÖH ENZOLLERISCHE

HEIMAT W 38£8 F

Herausgegeben oom

Hohenzollcrifchcn Gefchichtaoerein

S4. Jahrgang Nr. 3/Scptcmber 1974

Kranker Bürger aus Veringenstadt Ausschnitt aus einem Deutstetter Votivbild um 1835

So sahen die Patienten aus, die in unserem Beitrag „Sanitätsbericht über das Fürstentum Hohenzollern-Sig-maringen" erwähnt werden. Dr. med. Johann Ferdinand Heyfelder, Verfasser des Berichtes, war ein recht interes-santer Mann. Die Tätigkeit als fürstlicher Leibarzt und Medizinalrat in Sigmaringen war nur eine kurze Station in seinem Leben. Heyfelder wurde am 19. 1. 1798 in Küstrin an der Oder geboren. 1820 promovierte er in Breslau. Bis 1825 hielt er sich in Paris auf und ließ sich dann in Trier als Arzt nieder. Da er mit dieser Tätigkeit nicht zufrieden war, trat er 1832 in den Dienst des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen als Leibarzt und Medizinalrat, Referent für das Medizinalwesen im Für-stentum. Die Stellung eines Brunnenarztes fü r Bad Im-nau war der Anlaß zu zahlreichen Arbeiten über das Bäderwesen in Südwestdeutschland und im Elsaß. Hey-

felder war Mitarbeiter bei vielen medizinischen Zeit-schriften und hatte auch als Operateur einen Namen. Dies war der Grund für einen Ruf an die Universität Erlangen als Professor und Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik, die er 13 Jahre lang leitete. Der Zar von Rußland, im Nahen Osten in blutige Kriege verwickelt, hielt in Europa Ausschau nach einem guten Chirurgen. So kam es, daß Heyfelder 1854 Oberster Chirurg des russischen Heeres wurde. Später war er als russischer Staatsrat medizinischer Lehrer und Leiter einer Klinik in St. Petersburg. Im Auftrag der russischen Re-gierung besuchte er 1866 die Kriegsschauplätze in Böh-men, Preußen und Sachsen, um Erfahrungen zu sammeln. Als hochgeehrter Mann begab er sich jedoch bald nach Deutschland zurück und verstarb 1869 in Wiesbaden.

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HERBERT B U R K A R T H

Dr. Heyfelders Sanitätsberichte über das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen 1833/34

1833 bis 1837 veröffentlichte der fürstliche Leibarzt und Medizinalrat Dr. Heyfelder in Sigmaringen mehrere Sa-nitätsberichte über das Fürstentum. Die Sanitätsberichte Heyfelders waren keine amtlichen Veröffentlichungen, sondern erschienen in einer medizinischen Fachzeitschrift (Schmidts Jahrbuch). Sie waren als Beiträge zu einer me-dizinischen Chorographie gedacht (heute würde man Geo-Medizin sagen). Ein großer Teil des Inhaltes ist heu-te nur noch medizinhistorisch interessant und für den Laien ungenießbar. Es wird daher hier nur das gebracht, was von allgemeinem Interesse ist. Das Fürstentum H o -henzollern-Sigmaringen bestand ungefähr aus dem „Alt-kreis" Sigmaringen und der Herrschaft Haigerloch, nahm also den größeren Teil der späteren Hohenz. Lande ein. Geographisch waren das ganz verschiedene Gebiete, Oberschwaben, Alb und Neckargebiet.

Organisation des Medizinalwesens

Das Fürstentum bestand 1834 aus vier Physikatsbezir-ken, Haigerloch, Gammertingen, Sigmaringen und Wald. Außer einem allgemeinen Landes-Armenfonds bestanden in jedem Amtsbezirk Amtsarmenfonds und an verschie-denen Orten Lokalarmenfonds. Die Mittel dieser Fonds waren größer, als man sich das heute vorstellt. Das Für-stentum hat (1833) ungefähr 50 000 Einwohner. Es gibt 8 Ärzte, 28 Wundärzte, 5 Tierärzte und 89 Hebammen (die Versorgung der Landbevölkerung oblag vorwiegend den Wundärzten, einem heute fast ganz vergessenen Be-ruf sstand. Die Wundärzte kamen meistens aus dem Handwerk, den Badern. Sie waren bei einem akademi-schen Arzt in die Lehre gegangen und mußten vor dem Amtsarzt ein Examen ablegen. In der zweiten Hä l f t e des 19. Jahrhunderts wurde die Ausbildung neuer Wund-ärzte verboten, weil es genügend akademische Ärzte gab. Aber einige alte Wundärzte haben in unserer Gegend noch nach dem Jahr 1900 praktiziert).

Die öffentlichen Apotheken waren in befriedigendem Zu-stand, dagegen mußten die Apotheken der, noch vor-handenen Klosterkonvente, als den Anforderungen der Medizinalpolizei nicht entsprechend, geschlossen werden. Die fünf te Auflage der Preuß. Pharmakopoe (amtlidies Arzneibuch) wird als Landespharmakopöe und Arznei-taxe eingeführt. Zugleich wird allen öffentlichen Apo-theken die Hal tung eines Depots der nötigsten chirurgi-schen Verbandsstücke vorgeschrieben. Es wurde außer-dem eine allgemeine Apothekenvisitation eingeführt. Die Kommission besteht aus dem Medizinalreferenten, dem Physikus (Amtsarzt), einem Apotheker und der Polizei-behörde. Es wurde eine Anzahl von Verordnungen er-lassen, welche die Arzneivorräte der Hebammen, die Verlegung der Friedhöfe aus den Ortschaften, die Be-lohnung für die Anzeige pockenkranker Kühe und die Hal tung von Arzneimitteln durch die Wundärzte be-treffen.

Die Kuhpockenimpfung wurde, mit wenigen Ausnahmen, bei allen Neugeborenen vor Ablauf des ersten Lebens-jahres vorgenommen. Die Revaccination (Wiederimp-fung) erfolgte bei verschiedenen Erwachsenen, die früher schon einmal gekuhpockt waren (das ist durchaus be-

merkenswert; die Einführung der allgemeinen Impf-pflicht im Deutschen Reich erfolgte erst 1874).

Hygienische Verhältnisse

Nur wenige Städte haben öffentliche Schlachthäuser, die, wo sie bestehen, reinlich und gut gehalten sind. Wo die öffentlichen Schlachthäuser fehlen, hat jeder einzelne Schlächter eine besondere Schlachtstätte, gegen deren Ein-richtung sich in medizinalpolizeilicher Beziehung in der Regel meistens nichts einwenden läßt. In allen Städten und Dörfern finden sich öffentliche Waschhäuser. Auf dem Lande ist fast jeder bemittelte Eigentümer in Besitz eines besonderen Waschhauses.

Wirtschaftliche und klimatische Verhältnisse

Hauptprodukte des Landes sind Waldungen, Viehzucht und Ackerbau, sehr ergiebig auch Jagd und Fischerei. Von Metallen findet man Eisen (Bohnerz), das von zwei Eisenwerken von ziemlich bedeutendem Umfang verar-beitet wird (Laucherthal und Thiergarten). Außer diesen und einer Glashütte befinden sich im Lande keine eigent-lichen Fabriken. Das Klima ist anders auf dem Kamm der Alb, ein anderes auf dem nördlichen und dem süd-lichen Abhang des Gebirges. Diese dreifache Verschieden-heit ist nicht ohne Einfluß auf den Verlauf der Krank-heiten bei Menschen und Tieren.

Wohnverhältnisse

Die Wohnungen in den Dörfern der Alb und des süd-lichen Abhanges sind meist einstöckige, hölzerne, mit Stroh oder Ziegeln gedeckte Häuser. Sie hängen unmit-telbar mit dem Stall zusammen, aus dem man gewöhnlich in die Scheune gelangt, so daß Wohnhaus, Stall und Scheune unter einem Dach stehen. In der Regel findet sich in diesen Häusern nur ein heizbares, aber helles und ge-räumiges Wohnzimmer. Neben diesem die Küche, in welcher auf einem eisernen Kunstherd, der seit 5 Jahren hier in Gebrauch ist, gekocht wird (das ist erheblich über-trieben, denn 100 Jahre später gab es in den Dörfern noch zahlreiche gemauerte Herde). Die Speisen werden in eisernen Gefäßen gekocht und in irdenen oder hölzer-nen Gefäßen genossen. Im Bezirk Haigerloch sind alle Häuser mit Ziegeln gedeckt und ganz oder teilweise in Stein gebaut. In den Städten haben sie zwei oder drei Stockwerke und sind ohne Ausnahme mit Ziegeln ge-deckt. Die innere Einrichtung ist im ganzen bequem zu nennen.

Die Straßen der Dörfer und Städte zeichnen sich nicht durch musterhafte Reinlichkeit aus. Besonders gilt das von den Dörfern, wo man nicht selten vor den Dünger-haufen die Häuser nicht sieht. Man schläft zu jeder Jah-reszeit auf oder unter dicken Federbetten. N u r die ganz Armen bringen die Nächte auf einem Strohlager zu. Die höheren Stände allein haben Matratzen aus Roßhaar und wählen im Sommer eine leichtere Bedeckung.

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Ernährung

Die Nahrung besteht beim Volke des Morgens in Kaffee oder einer Wasser-, Mehl- oder Milchsuppe (m. W. wurde auf der Alb meistens Habermus gegessen). Mittags gibt es Suppe, Knöpfel, eine in ganz Schwaben beliebte Mehl-speise, Sauerkraut, Kartoffeln und Schweinefleisch. Rind-fleisch wird selten gegessen. Abends meist Suppe, Milch und Kartoffeln. In Ermangelung der Erdäpfel werden im Sommer abends Salat oder Bohnen gegessen, aber die Hauptnahrungsmittel sind Mehlspeisen, Schweinefleisch und Sauerkraut. Fleischsuppe ist auf dem Lande nicht be-liebt, weil sie Durst und Durchfall verursachen soll. Den Vorrang hat eine, mit Speck bereitete Suppe. Fische wer-den wenig gegessen, obwohl sie um billige Preise zu ha-ben sind. Als Getränk dient Schnaps oder Bier, in sel-tenen Fällen Wein.

Säuglingspflege

Die neugeborenen Kinder werden 2-6 Monate, selten länger, von der Mutterbrust ernährt. In einigen Gegen-den auf dem Lande wird das Säugen 2, selbst 3 Jahre fortgesetzt, um eine weitere Schwangerschaft zu verhin-dern. Sehr viele Mütter nähren ihre Kinder überhaupt nicht, sondern geben ihnen vom Tag der Geburt ab Mehl-oder Milchbrei. Dieser wird auf ein oder zwei Tage auf Vorrat gekocht. Nicht selten ist er, wenn er gereicht wird, schon mit Schimmel überzogen. Dabei nimmt man sich nicht einmal die Zeit, ihn am Feuer zu wärmen, sondern tut ihn sich zuvor selbst in den Mund, wässert ihn und stopft ihn dann dem Kind hinter die Maxillen (Kiefer).

Um die Kinder ruhig zu halten, gibt man ihnen fortwäh-rend einen Lutschbeutel, Schlotzer in der Landessprache, in den Mund. Sie behalten ihn bis zur ersten Zahnung ständig im Mund. Die schlechte Beschaffenheit der Zähne bei den Kindern ist in dem unverständigen Gebrauch der Lutschbeutel mit begründet (Dr. Heyfelder konnte noch nicht wissen, daß der „Schlotzer", meistens mit Brot und Honig gefüllt, eine Brutstätte für Bakterien war und Ur-sache der Darminfektionen, an dem ein großer Teil der Säuglinge starb). Erkrankt ein Säugling, so ist man ge-neigt, ihm einen Aufguß aus Kirschwasser und allerlei, teilweise ekelerregenden Dingen, einzuflößen, gelegentlich auch Pflaumenbranntwein. Unter einer solchen unzweck-mäßigen Behandlung sterben mehr als die Häl f te aller Kinder vor Ende des ersten Lebensjahres. Es ist aber auch nicht in Abrede zu stellen, daß der Brauch, bei jeder Jah-reszeit die Neugeborenen innerhalb der ersten Lebenstage zur Taufe in die Kirche zu bringen, einen Anteil an dieser großen Sterblichkeit hat. Abgesehen von dem schlechten Gebrauch, die Neugeborenen zu ernähren, werden sie sonst reinlich und zweckmäßig gehalten. Namentlich pflegt man sie täglich zu baden. Das Wiegen und das fortgesetzte feste Wickeln (fatschen) ist hier nicht be-kannt.

Bekleidung und Sitten

Die Kleidung der Einwohner ist im ganzen zweckmäßig und meistens warm, wozu die gegen Abend erfolgende Kühle in diesem Hochlande zu jeder Jahreszeit auffor-dert. Die Kopfbedeckung der Frauen, besonders auf dem Lande, ist eine eigentümliche schwarze Steifmütze, wie sie nur in diesem Teil Schwabens gesehen wird (gemeint ist damit die Radhaube, die wir von Votivbildern aus dieser Zeit kennen). An öffentlichen Spielen und Belusti-gungen kennt man das Scheibenschießen, das Kegelspiel,

den Tanz bei Hochzeiten, Kirchweihen und den Bruder-tagen der verschiedenen Gewerke. Der Sinn fü r Ver-gnügen spricht sich auf der Alb weniger aus, als bei den Bewohnern der nördlichen Abdachung gegen den Neckar hin. Das Verhältnis von ehelichen zu unehelichen Kin-dern beträgt auf der Alb in den letzten beiden Jahren 1:7.

A Der allgemeine Krankheitscharakter des Jahres 1833

Epidemisch herrschten an vielen Orten die Masern, der Keuchhusten und der Scharlach. Besonders häufig wurde die Chlorosis (Blutarmut bei jungen Mädchen) beobach-tet. Bemerkenswert ist, daß nicht bloß schwächliche, eine sitzende Lebensweise führende Mädchen, sondern auch, dem Aussehen nach, die kräftigsten Bauerndirnen in dieser Gegend, bleichsüchtig wurden. Dr. Batzer (Sig-maringen) behandelte dieses Übel mit Tinktura ferri acetici und Ferrum subcarbonicum (obwohl man vom Eisenmangel als Krankheitsursache keine Ahnung hatte, wurde empirisch richtig mit Eisen behandelt). Der Scharlach verbreitete sich im 1. Quartal dieses Jah-res über sämtliche Physikate des Fürstentums, in 25 Or t -schaften sich zur vollkommenen Epidemie steigernd. Nach den amtlichen Listen kamen beinahe 600 Schar-lachkranke in ärztliche Behandlung, von denen etwas mehr als der 5. Teil gestorben ist. Es waren besonders die Nachkrankheiten zu fürchten, an denen fast mehr Individuen starben, als am Scharlach selbst. An den Ma-sern starb nur jeder 19. Kranke, vor allem Kinder im Alter von IV2 Jahren bis zu 5 Jahren. Im ganzen Für-stentum starben 90 Kinder an den Masern. Am Ende des dritten Trimesters erschien die Grippe, auf dem hie-sigen Hochlande, 6 Wochen später als in Stuttgart (da-mals ließen sich auch die Epidemien Zeit). Die Grippe wurde besonders Kindern und Greisen gefährlich. So starben in einem benachbarten Dorf 13 Kinder. Nur we-nige Erwachsene erlagen der Grippe, aber viele, an sich kräftige Individuen, welche die Krankheit überstanden hatten, starben gegen Ende des Jahres an Lungen-schwindsucht. Vier Personen, die den Exzessen in geisti-gen Getränken ergeben waren, wurden nach überstande-ner Grippe wassersüchtig (darunter ist nicht zu verstehen, daß sie jetzt Wasser getrunken hätten!).

Der allgemeine Krankheitscharakter des Jahres 1834

Auf dem Kamme der Alb wurden die Varicellen (Wind-pocken) außergewöhnlich häufig beobachtet. Das Rasen während des Carnevals, das Tragen leichter Fastnachts-kleider, wie sie wohl für ein italienisches oder spanisches, aber nicht für das hiesige Klima taugen, legte auch dies-mal, wie immer, den Grund zu tödlichen chronischen Brustübeln und Störungen der monatlichen Reinigung (letzteres wohl nicht nur durch „Erkältung").

Unter den Haustieren zeigte sich an einigen Orten die Lungenseuche beim Rindvieh. Eine andere Krankheit, welche die Aufmerksamkeit der Behörden in Anspruch nahm, , war die Wutkrankheit unter den Füchsen, die in den Physikatsbezirken Wald und Gammertingen wahr-genommen wurde. In den Sommermonaten d.J. gab es immer mehr Fälle von Brechdurchfall. In einigen Orten, namentlich an solchen, die wegen Versiegung ihrer Quel-len und Brunnen Mangel an Trinkwasser litten und solches mehrere Stunden weit herholen mußten, erkrank-ten sämtliche Bewohner. Ende August wurden Fälle von echter Ruhr in allen Physikatsbezirken beobachtet. Im September waren diese dann schon so häufig, daß es Ruhrkranke in allen Stadt- und Dorfgemeinden gab.

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Außer der Ruhr trat noch der Typhus abdominalis in einem Marktflecken des Physikates Sigmaringen (in Bin-gen) auf.

Mehrere Ärzte, Wundärzte und Hebammen, die Ruhr-kranke gewartet hatten, erkrankten selbst und teilten die Krankheit auch ihren Familien mit. Am längsten dau-erte die Epidemie in Gammertingen, nämlich vom 22. August bis 24. Dezember. Höhepunkt der Erkrankungen und Sterbefälle war der Oktober. Behandelt wurden die Ruhrkranken durch Blutegel am After, feuchtwarme Um-schläge auf den Unterleib und dünne, schleimige, lau-warme Getränke, als Medikamente Mohnsaft, Salzsäure in schleimigem Vehikel, Calomel usw.

Der Typhus abdominalis entwickelte sich zur Epidemie in Bingen, dessen Bewohner mit weniger Ausnahmen im 3. Quartal an Brechdurchfällen gelitten hatten. 5 Er-wachsene und eine größere Zahl von Kindern waren ge-storben. Die wenigsten Kranken hatten jedoch um ärzt-liche Hilfe nachgesucht, sondern zu Hausmitteln aller Art, vor allem zum Kirschwasser und zum Wein Zuflucht genommen. Fast alle, die versucht hatten, sich auf diese Weise von dem Übel zu befreien, erkrankten an Typhus abdominalis. Es wurden mehr Frauen als Männer heim-gesucht und es ist bemerkenswert, daß kein einziger Mann gestorben ist, während von den Frauen jede dritte unterlag. Sämtliche Kranken gehörten der ärmeren Klas--e an und wohnten auf dem linken Ufer der Laudiert. Der auf dem rechten Ufer liegende Teil blieb gänzlich verschont (diese auffallende Scheidung der Krankheits-fälle läßt auf eine Verseuchung des Trinkwassers schlie-ßen).

„Chronische Contagien"

Die Krätze war in der Berichtszeit ein sehr verbreitetes Übel, vor allem in den, auf der Alb gelegenen Ortschaf-ten. Der Handel, der durch Juden mit alten Kleidern be-trieben wird, dürfte nicht ohne Einfluß auf die Verbrei-tung der Krätze sein. Im ganzen selten ist die Syphilis, welche zur Zeit des allgemeinen Friedens häufig nur an Garnisonsorten gefunden wird. Der Kopfgrind (Pilzer-krankung) wurde nur in einem Ort der Alb unter den Kindern beobachtet.

Aus detn Gebiet der Chirurgie

Von größeren Operationen wurden gemacht, mehrere Amputationen der oberen und unteren Extremitäten, der Zehen und der Handwurzel . Die Amputatio mamae (Entfernung der weiblichen Brust) viermal, die Opera-tion der Hasenscharte zweimal, des Lippenkrebses drei-mal (der Lippenkrebs war wegen der großen Zahl der Pfeifenraucher damals nicht selten), Staroperationen fünfmal und zwei Steinschnitte (Entfernung von Blasen-steinen). Dr. Batzer machte zwei Herniotonien (Bruch-operationen, die aber nur bei eingeklemmten Brüchen vorgenommen wurden. Dabei erweiterte man die Bruch-öffnung und versuchte den vorgefallenen Darm zurück zu bringen. Mit der heutigen Bruchoperation hat das keine Ähnlichkeit). Ein 20jähriger Patient wurde wieder gesund. Der andere Patient starb. Sehr grobe Diätfehler des Operierten riefen einen hohen Grad von Enteritis (Darmentzündung) hervor, es bildete sich ein künstlicher After und der Tod erfolgte am 9. Tag (In Wirklichkeit starb der Patient an einer Bauchfellentzündung durch Eröffnung des Darmes bei der Operation. Andererseits wäre er durch den eingeklemmten Bruch auf alle Fälle gestorben. Man muß bedenken, daß damals noch ohne

Narkose operiert wurde, mit größter Schnelligkeit, um dem Patienten so wenig Schmerzen wie möglich zu be-reiten). Drei Wasserbrüche wurden operiert. Eine Schä-delrepanation (Eröffnung der Schädelknochen) wurde bei einem 17jährigen Jüngling vorgenommen, der von einem herabstürzenden Balken getroffen, besinnungslos zu Boden gefallen war. Auf dem rechten Scheitelbein hatte sich eine faustgroße Geschwulst gebildet, die durch Kreuzschnitt eröffnet wurde und eine, durch das ganze Scheitelbein gehende Fissur (Knochenriß), erkennen ließ. Der Kranke befand sich zunächst 5 Tage wohl. Dann tra-ten schnell die Zeichen einer heftigen Hirnreizung ein. Der Kranke delirierte und verfiel in Convulsionen (Krämpfe). Unter diesen Umständen ward zur Trepana-tion geschritten und unmittelbar unter der harten Hirn-haut ein bedeutendes Blutextravasat (Bluterguß) entdeckt. Der Operierte blieb zwar am Leben, aber aus der Trepa-nationsöffnung wucherte ein schwammiges Gewebe her-vor, das seiner Existenz gefährlich wurde (wahrscheinlich handelte es sich um eine Wucherung von Narbengewebe). Eine gänzliche Durchtrennung der Achillessehne durch ei-nen Sensenhieb bei einem 8jährigen Mädchen behandelte Wundarzt Steinhart (wo Steinhart tätig war, ist nicht angegeben). Nach vorgenommener Unterbindung der verletzten Arterie nähte er die Wundränder mit der blu-tigen Nah t und hielt sie mit einer Binde und dem Pan-toffel zusammen. Die Heilung erfolgte binnen 33 Tagen, aber das Gehen und Stehen wurde dem Mädchen erst nach 7 Wochen gestattet. (Es ist zweifelhaft, ob es zu einer Heilung der Sehne kam. Wahrscheinlicher ist, daß das Fußgelenk versteifte; aber früher kam man mit sol-chen Defekten ganz gut zurecht).

Die Viper (gemeint ist wohl die Kreuzotter) ist in man-chen Gegenden der Alb ziemlich häufig und Beispiele von Verletzungen bei Menschen und Tieren werden nicht selten beobachtet. Im vergangenen Sommer wurde ein Hi r t von einer Viper gebissen, die ihm unter die Bein-kleider bis zum linken Oberschenkel gekrochen war. Der Biß erfolgte, als der Mann die Schlange unter den Bein-kleidern fühlte, sie mit der H a n d ergriff und hervor-ziehen wollte. Der Gebissene wusch die heftig schmer-zende Wunde zweimal mit Wasser aus. Nach einer hal-ben Stunde traten Hitze, Übelkeit, kalter Schweiß und ein, an Ohnmacht grenzender Zustand, auf. Nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, versuchte er nachhause zu gehen und erreichte nicht ohne Mühe seine Wohnung. Hier wurde er von Übelkeit und krampfhaf tem Würgen ergriffen und erbrach zweimal gallige Stoffe. Danach fühlte er sich auffallend erleichtert. Der herbeigerufene Arzt fand die Wunde stark gerötet und geschwollen. Die Wunde wurde scarifiziert (aufgeritzt) und mit sie-ben Blutegeln besetzt. Nach deren Abfall (wenn sie sich vollgesogen hatten) wurde sie mit Schröpfköpfen besetzt, danach mit Cantharidenpulver bestreut und in erweichende Breiumschläge gehüllt (die alten Ärzte ver-suchten, innere Schädlichkeiten durch Ableitung auf die Hau t zu beseitigen). Dennoch stellten sich deutliche Fie-berschübe ein, gegen die anfangs diaphoretische (schweiß-treibende) Teeaufgüsse, später Salpeter und Glaubersalz verwendet wurden. Unter dieser Behandlung verloren sich die Zufälle, so daß der Verletzte schon nach 10 Ta-gen wieder ausgehen konnte.

Eine eigentümliche Schußwunde hatte ein Zollschutz-wärter namens Hänger, dem das, mit der Mündung auf den rechten Fuß gerichtete Gewehr, losging. Obwohl die Wunde so aussah, daß die teilweise Abtragung des Fu-ßes unvermeidlich erschien, wurde die Erhaltung des Gliedes versucht. Die Heilung dauerte 13 Wochen, nach-dem viele Schrotkörner und Knochenstücke entfernt oder

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abgestoßen waren. Die Heilung war so vollkommen, daß der Verletzte ohne Hinken wieder seinen anstren-genden Berufsgeschäften nachkommen konnte. Wundstarrkrampf wurde in vier Fällen beobachtet (alle Fälle gingen tödlich aus).

Aus dem Gebiet der Geburtshilfe, der Kinder- und der Frauenzimmerkrankheiten

Es fanden in den beiden Jahren ca. 3100 Geburten statt. Darunter waren 19 Zwillingsgeburten, 72 Kinder wur-den mit Hilfe der Zange und 51 durch Wendung zu Tage gefördert. Die Perforation wurde zweimal gemacht (wenn keinerlei Möglichkeit mehr bestand, das Kind auf die Welt zu bringen, wurde der Schädel des Kindes ange-bohrt und damit verkleinert. Das war eine harte Sache. Aber es gab kein anderes Mittel, das Leben der Mutter zu retten; es gab keine Kliniken, in die man die Patien-tin einweisen konnte. Der Arzt mußte die Geburt beendi-gen, möglichst so, daß er den vorhandenen Kindern die Mutter erhielt. Dr. Heyfelder berichtet in diesem Ab-schnitt noch von zahlreichen Fällen regelwidriger Gebur-ten und von Unterleibserkrankungen, so z. B. vom Wie-dereintritt der monatlichen Blutung bei einer 70jährigen Klosterfrau. Meistens handelte es sich wohl um Krebs-fälle).

Bemerkenswerte Unglücksfälle und gerichtsärztliche Untersuchungen

Mißhandlungen an Lebenden, Selbstmorde und tot auf-gefundene Personen waren vorzüglich der Anlaß zu ge-richtsärztlichen Untersuchungen. Totschläge, Mordtaten und Kindermorde sind nicht vorgekommen. Kindermorde sind hier sehr selten, obwohl die Zahl der unehelichen Kinder nicht so klein ist. Am 23. Juni v.J. erhängte sich in einem Wald bei Gammertingen eine junge Musikantin mit Hilfe eines zusammengedrehten Netzes. Die Verstor-bene hatte stets ein liederliches Leben geführt und sich kurz vor der Erhängung in Bier und Branntwein be-rauscht. Am 2. August stürzte sich ein 81jähriger Witwer aus seinem, von innen verriegelten Zimmer des 2. Stock-werkes. Am 23. September erhängte sich ein, zu Trüb-sinn neigender, 55 Jahre alter Hutmacher. Seine Frau wollte den Selbstmord verheimlichen und hatte dadurch fast den Verdacht eines ausgeübten Mordes erweckt. Ein 60jähriger Landmann ersäufte sich in einer wasserhalti-gen Erzgrube. Ein 65jähriger Mann, von Eifersucht gegen seine, fast gleichaltrige Ehefrau getrieben, machte ver-schiedene Versuche des Selbstmordes; jedesmal ein ande-res Mittel erprobend, seinem Leben ein Ende zu setzen (ob er es schließlich schaffte, ist nicht mehr mitgeteilt). Am 5. November wurde auf einem der höchsten Punkte der Alb ein 66jähriger Mann tot aufgefunden. In Folge der Untersuchung stellte sich heraus, daß der Mann sich in berauschtem Zustand auf den Weg gemacht hatte. Er litt außerdem an einem eingeklemmten Bruch. Die da-mals herrschende, nicht unbedeutende Kälte, hat ohne Zweifel den Tod herbeigeführt. Ein 49jähriger Mann stürzte im Zustand von Trunkenheit die Treppe seines Wohnhauses hinab und starb nach zwei Stunden. Die Obduktion ergab eine Gehirnerschütterung. Die Obduk-tion war angeordnet worden, wiel der Verletzte mit sei-ner Frau in stetem Unfrieden gelebt und das Gericht diese als schuldig am Tode ihres Ehemannes bezeichnet hatte. Ein 3iährieer Knabe stürzte in eine, mit eben ab-gelöschtem Kalk angefüllte Grube, verfiel in Enteritis und Enzephalitis und verstarb nach drei Tagen unter Convulsionen. Ein anderes Kind fiel in ein Gefäß mit sie-

dendem Wasser und fand hier den Tod. Ein 9jähriges Kind wurde vom Feuer in der Küche ergriffen und starb infolge der bedeutenden Brandwunden.

V olksmittel

Auf dem nördlichen Abhang der Alb (Herrschaft Hai-gerloch) ist der Wein, in den übrigen Teilen des Fürsten-tums das Kirschwasser ein beliebtes Volksmittel bei Krankheiten jeder Art. Ein sehr beliebtes Abführmittel ist eine Abkochung aus Sennesblättern mit Pflaumen. Gegen Lungenschwindsucht wird Salat von Brunnen-kresse mit Meerrettich oder Hagenbuttentee verwendet. Bei Brustkrankheiten wird eine Mischung von Wasser, Zucker und Eigelb, auch gebratene Äpfel mit Zucker genommen. Bei Würmern gebraucht man rohe gelbe Rüben und Knoblauchmilch. Bei Halsentzündungen wird eine Abkochung von Kaffeesatz verwendet. Bei Ver-dauungsbeschwerden gibt man einen Aufguß von Cala-mus aromat. (»Drachenblut«, Harz aus Palmenfrüchten) mit Kirschwasser. Gegen Durchfälle Rotwein mit Mus-katnuß. Zur Blutstillung nimmt man mit Wasser ange-feuchtetes Kochsalz. Bei Dysurie (Beschwerden beim Wasserlassen) wird ein Aufguß von Schafgarbe verwen-det. Wöchnerinnen gibt man Eichelkaffee mit Milch als Milch machendes Mittel. Gegen Krätze nimmt man rote Praecipitatsalbe mit Terpentin oder Teer, gegen Seiten-stechen warme, ölige Einreibungen. Bei angeschwollenen Brüsten Neugeborener (eine völlig harmlose Erscheinung, die nach wenigen Tagen abklingt) legt man mit Zucker durchräucherte Baumwolle auf. In frische Wunden bringt man den Saft von Herba plantaginis (Wegerich).

Endemische Krankheiten

(Als endemische Krankheiten werden Leiden bezeichnet, die in einem bestimmten Gebiet gehäuft vorkommen, also gewissermaßen heimisch sind. Dr. Heyfelder glaubt vor allem die Steinleiden (Gallen- und Nierensteine) als endemische Leiden bezeichnen zu können und hatte eine stattliche Steinsammlung. Tatsächlich waren Nieren-und Blasenstein schon bei Kindern wesentlich häufiger, als heute. Das dürfte vermutlich durch die Ernährung bedingt gewesen sein. Von einem echten endemischen Leiden kann man aber nicht sprechen, da Verhältnisse in den Nachbargebieten wohl kaum anders waren).

Der Cretinismus

Diese Krankheit ist ein echtes endemisches Leiden und von besonderem historischen Interesse, weil sie seit meh-reren Jahrzehnten praktisch ausgestorben ist. Ursache ist ein geologisch bedingter Jodmangel, der zunächst zu Kröpfen führt . Bei extremem Jodmangel kann es in der Schwangerschaft zu einem Mangel an Schilddrüsen-hormon kommen. Das führte zu embryonalen Entwick-lungsstörungen, die sich in angeborenem Schwachsinn und ganz typischen körperlichen Mißbildungen äußerten. Die Mitteilung von Dr. Heyfelder ist eine der ältesten aus Südwestdeutschland. Der Cretinismus findet sich in einem Seitental des Neckar. Das Tal ist eng. Es wird von der, zur Holzflößerei be-nutzten Glatt durchströmt und enthält nur einen, an der Schattenseite des Tales gelegenen, von ca. 450 Seelen bewohnten Or t namens Glatt. Das Trinkwasser ist hier schlecht, die Luft zu jeder Zeit schwül, dumpf und drük-kend, der Boden feucht, der Begräbnisplatz mitten im Ort, neben der Kirche und den Überschwemmungen

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mit Bergwasser ausgesetzt. Der Boden ist Muschelkalk, das Wasser gipshaltig und nach Versicherung der Be-wohner selbst zum Waschen nicht recht tauglich. Die Wohnungen sind eng, feucht und finster. Kröpfe werden hier vielfältig und von seltener Größe, nicht nur bei Frauen und Mädchen, sondern auch bei Knaben und Männern gesehen. Selbst in gesunden und hochgelegenen Orten Geborene werden nach längerem Aufenthalt in diesem Tal kropfig, wie viele Beispiele beweisen. Diese erste Stufe des Cretinismus findet sich hier und in einem anderen, ungefähr zwei Stunden davon, auf einem sump-figen Plateau gelegenen Dorf Empfingen, auffallend häu-fig, so daß wir geneigt sind, die Behauptung auszuspre-chen, daß hier nur wenige Bewohner eine vollkommen normale Bildung der Schilddrüse haben (H. schildert das Dorf Glatt so, wie man sich damals einen Cretinen-ort vorstellte. In Wirklichkeit dürfte sich Glatt kaum von den Orten der Umgebung unterschieden haben. Der Cretinismus war ein furchtbares Übel für die betroffenen Orte. Mehrere Cretins in einer Familie waren keine Seltenheit. Leider gibt Heyfelder keine Gesamtzahl an. Er berichtet lediglich von 8 Cretins der schlimmsten Form. Daneben muß es aber eine größere Zahl von leichteren Fällen gegeben haben).

Die Cretins sind kleine, verkrüppelte Wesen mit ab-normer Schädelbildung, schielenden Augen, unförmiger Bildung des Gesichtes, besonders der Nase, der Lippen, der Zähne, mit struppigem, borstenähnlichem Haar und rauher, faltiger Haut . Die Sprache ist schwerfällig, der Gang unsicher, die Arme und Beine sind klauenartig mißgestaltet. Bei einigen gestattet der Grad ihrer intel-lektuellen und körperlichen Verkrüppelung noch, daß sie zu leichteren häuslichen Arbeiten herangezogen werden. Andere dagegen können nicht gehen, nicht stehen, nicht reden. Die Speise muß ihnen in den Mund gestopft wer-den. Affenartig zusammengekauert sitzen sie in einem dunklen Winkel des Zimmers auf dem Boden oder in einem Sessel. Sie zupfen mit ihren klauenartigen Händen am Körper herum, sind unempfindlich gegen Kälte und Hitze. Es bedarf einer harten Behandlung, wenn ihnen ein tierisches Heulen oder Grunzen entlockt werden soll. Herden von Fliegen bedecken ihre Körper und den geöffneten Mund. Keine Bewegung der Hand oder des Körpers geschieht, um die Fliegen zu verscheuchen (In den folgenden Jahrzehnten starb der Cretinismus lang-sam aus, nachdem durch den zunehmenden Handel mehr fremde Lebensmittel, die Jod enthielten, in die Dörfer gelangten. Der Kropf blieb noch lange endemisch.

Meersburg nahm Abschied von gutem Lehrer Xaver Schilling von einem großen Trauergeleit zur letzten Ruhe gebettet

Bei strahlendem Sonnenschein nahmen gestern nach-mittag zahlreiche Meersburger Bürger, Schüler und Leh-rer Abschied von dem im 84sten Lebensjahr verstorbenen Oberlehrer i. R. Xaver Schilling. Nachdem Pfarrer Schneider die kirchlichen Gebete am Sarg und am Grab gesprochen hatte, widmete der Leiter der Grund- und Hauptschule Meersburg, Ot to H a u , zugleich im Namen des staatlichen Schulamtes dem hochverdienten Schul-mann einen ehrenvollen Nachruf. In ihm klang der Schmerz um den Verlust dieses weit über Meersburg hinaus geschätzten Pädagogen, der 28 Jahre lang die Meersburger Volksschule geleitet hatte, darunter auch in Kriegs- und Notjahren. Dazu hatte er sein reiches Wissen auch zahlreichen einst jungen Lehrern in der damaligen Meersburger Seminarübungsschule vermittelt. Rektor H a t t legte neben dem Kranz der Stadtverwal-tung einen Kranz seiner Schule sowie einen weiteren im Namen des Oberschulamtes am Grabe nieder. Auch die Schulsprecher der Grund- und Hauptschule verabschie-deten sich im Namen ihrer Mitschüler und der einstigen Schüler mit einem Blumenbukett. Oberlehrer i. R. Xaver Schilling verstarb nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren. Sein Name ist im Herzen tausender Menschen festgeschrieben, die ihm in ihrer Schulzeit anvertraut waren und denen er sein reiches Wissen und das Wesen seiner reifen Persön-lichkeit anvertraut hatte. Der gebürtige hohenzollerische Landsmann kam aus Gauselfingen als Schüler nach Meersburg. Hier besuchte er von 1904 bis 1910 das Lehrerseminar. Sein erstes Berufsjahr verbrachte er in Aftholderberg bei Pfullen-dorf. Schon nach einem Jahr kehrte Xaver Schilling,

nunmehr selbst Lehrer, an die Meersburger Seminar-übungsschule zurück. Ihm hatten in den folgenden Jahren viele badische Lehrer wertvolle Impulse und Anregungen zu danken. Nach drei an der Front miterlebten Jahren des Ersten Weltkrieges kehrte er 1917 an seine Meersburger Schule zurück. Er war damals mit 27 Jahren einer der jüngsten Schulleiter Badens. Als die Lehrerbildungsanstalt im Jahre 1924 aufgelöst wurde, übernahm der hervorragen-de Erzieher die Leitung der Meersburger Volksschule. Hier wirkte er, beliebt bei Schülern, Kollegen und Eltern, jahrzehntelang. Neben seinem Lehramt sah man Xaver Schilling als Künstler und Publizisten tätig. Zusammen mit anderen Lehrern gab er ein heimatkundliches Lesebuch heraus, das für die unteren Klassen der Volksschulen ein wert-voller Lernbegleiter war. Volks- und Heimatkunde spielten in seinem Leben eine große Rolle. Nicht nur im Wort, auch in Form von zahlreichen Radierungen, Feder-zeichnungen und Ölbildern hat er seine Wahlheimat Meersburg festgehalten. Aufsätze in Tageszeitungen und Fachschriften ergänzten das Bild des heimatkundlich sehr engagierten Schulmannes. Nun wurde er auf dem heimischen Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Zahl-reiche ehemalige Schüler im heutigen reifen Alter werden seiner in Liebe und Dank gedenken. Der Verstorbene hatte der Meersburger Grund- und Hauptschule eine Schulchronik hinterlassen, die wert-volle Aufzeichnungen und Bilder aus den Jahren seit 1935 enthält und die nun in seinem Geiste weitergeführt werden soll.

Südkurier, 20. 6. 1974

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Melodie des Lebens Ivo Mauthner

Ich ruh' im lichten Buchenhain und träum' in Gottes Welt hinein. Ich bin kein Ich mehr und kein Du und lausch' in Andacht immerzu, fühl mich als kleines Stäublein nur im großen Dome der Natur . Die Amsel schluchzt im windgekosten Wipfel, und ihre sehnsuchtsvollen Lieder perlen glockenrein hernieder aus dem Gipfel. Dazwischen lacht der Specht und rätscht ein Häher-

plärren. Es harf t im hohen Rispengras der Wind, und in der Ferne jauchzt vor Glück ein Kind. Legionen Grillen schrillen sonnentrunken ihr Gezirp ohn' Unterlaß. Die Lerchen dudeln, und vom Ried herüber quarrt der

Frösche Baß. Drüben, am buntbetupften, blumenübersäten Bergeshang wachsen graue Mauern aus dem satten Grün der Wiesen, und Linden überschatten Kreuze unter denen Gräber

liegen. Die Blumen blühen und ihr schwerer, süßer Duf t durchwebt wie Weihrauch des Sommertages milde Luft . Die Immen läuten durch's Geäst und fiedeln nektartrunken des Lebens ew'ge Melodei. Nicht lange mehr wird's dauern, und auch ich werd'

siedeln, dort, wo ew'ger Friede sei, drüben am buntbetupften, blumenübersäten Bergeshang.

Alles Jauchzen, Lachen, Pläne machen, Vorwärtsstürmen und Erraffen hat nur allzuschnell ein Ende. Auch die Träne wird versiegen, jedes Leid vor Dir entfliehen an deines Lebens Wende. Nirgends kannst Du Ruhe finden, bis der Herrgott Dich holt heim; und Du schläfst in seinen Händen unterm Kreuz im Lindenhain.

Dr. Joseph Mauz gestorben

Am 13. August 1974 verstarb in Biberach Dr. Joseph Mauz, Oberregierungsschulrat i. R. Als Sohn einer Lehrersfamilie wurde er 1907 in Hetlingen geboren. Dr. Mauz war ein sehr vielseitiger Mann. Nach dem Besuch der Pädagogischen Hochschule studierte er Psy-chologie, Geologie und Paläontologie. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war er hauptsächlich als -Wissen-schaftler tätig. Nach dem Krieg trat er wieder in den Schuldienst und war zuletzt Schulrat in Biberach. Unter dem Pseudonym Ivo Mauthner war er auch als Schrift-steller bekannt. Anton Gabele nannte ihn einen natur-geborenen Erzähler. In seinem Buch „Abseits der Roll-bahn" schilderte er Erlebnisse und Eindrücke aus Ruß-land. Seinem Heimatort und dessen Menschen hat er in dem Büchlein „Zwischen Schlehdorn und Heckenrosen" ein Denkmal gesetzt.

Karl Dehner, ein Heimatforscher aus Thanheim Verfasser der Sigmaringendorfer Chronik - Zu seinem 100. Geburtstag

Am 24. August waren es 100 Jahre her, daß der Ver-fasser der Dorfchronik von Sigmaringendorf, Haupt -lehrer Karl Dehner, geboren wurde. Dieser Mann verdient es, daß wir heute seiner in Dankbarkeit und Verehrung gedenken, denn Karl Dehner war nicht nur ein hervorragender Lehrer und Erzieher, sondern auch beseelt von glühender Liebe zu Heimat und Vaterland, und sie war die Triebfeder zu rastlosem Schaffen: zur Errichtung eines Geschichtsdenkmals für seine zweite Heimat Sigmaringendorf. Karl Dehner, in Thanheim, einer kleinen Gemeinde am Fuße des Zollerberges, geboren, verlebte dort seine Jugend. Seine Ausbildung in der Volksschule erhielt er von dem Lehrer Hieronymus Bisinger, der den Ruhe-stand in Sigmaringen verbracht und in dem begabten Knaben früh die Fähigkeit zum Lehrerberuf erkannt hatte. Auf Wunsch seines eifrigen Schülers bereitete er ihn auf das Lehrerseminar Boppard vor. 1882 legte er die erste Lehrerprüfung ab. Seine erste Wirkungsstätte war Imnau, dann folgten Gruol, Rangendingen, Laucher-thal (1884-1888), Habsthal, Tafertsweiler, Hochberg. 1898 kam Dehner als Schulleiter nach Sigmaringendorf. In Sigmaringendorf entwickelte sich neben seiner Tätig-keit als Lehrer und Erzieher die Neigung zum Forschen. Volksnähe und zuverlässiges Gedächtnis hatten ihn bewogen, seinem Interesse an der Geschichte und zur Verwendung im heimatkundlichen Unterricht dem alten Brauchtum nachzugehen. Ohne Rast grub er im Erinne-rungsschatz bejahrter Einwohner. So ging er auch,

nachdem er die geschichtliche Entwicklung Sigmaringen-dorfs erhellt hatte, daran, alte Schriften zu studieren, so das Gemeindearchiv mit seinem Dorfrodel, den Urbarien, den Zehntbüchern, Pfandschaftsrodeln, den Lagerbüchern und den Versatzbüchern. Er fand in ihnen viel Hinweise, die ihn zu den Akten der umliegenden Gemeinden und ehemaligen Klöstern führten, so zu den Urbarien der Städte Scheer und Mengen und der Kon-vente Hedingen und Mengen, dem Rotbuch in Scheer und dem dortigen österreichischen Urbar. Eine wertvolle Fundgrube waren das Sigmaringendorfer Pfarrarchiv und das Archiv des Jahrhunderte mit der Dorfer Pfar r -stelle verbundenen Klosters Mehrerau bei Bregenz, ebenso die fürstlichen und staatlichen Archive wie die Chroniken der Klöster von Inzigkofen und Hechingen und die Zimmerische Chronik. Auch Zeitschriften früherer Jahrzehnte sah der Rastlose durch nach wirtschaftlichen und kulturellen Hinweisen früherer Zeiten. Daraus ging eine Arbeit hervor, die Dehner zu einem wertvollen Besitz Sigmaringendorfs machte. Wenn man bedenkt, mit welch umfangreichen Zeit- und Geldopfern jede Zeile der Chronik verbunden ist, und daß hierzu jede vom Beruf geschenkte freie Stunde verwendet wurde, dann ermißt man, mit wie großer Liebe Dehner über seiner Arbeit saß, an seinem Werke: „Chronik von Sigmaringendorf". Im Jahre 1912 erschien die mit großem Interesse er-wartete Ortschronik in drei Heften. Im bestgetroffenen Chronistenton, mit dem Bemühen um eine objektive

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Darstellung, begegnet uns im ersten H e f t mit seinen 96 Seiten ein halbes Jahrtausend von 1249 bis 1727. Wer das Heft liest, legt es nidit so schnell aus dpr Hand . H e f t 2 (Seite 97-192) ist dem ersten H e f t ebenbürtig. Es schildert die Sigmaringendorfer Ereignisse von 1728 bis 1814. Dieser Band streift auch die politischen und die kirchlichen Geschehnisse in den hohenzollerischen Landen und in der württembergischen Nachbarschaft. Er beleuchtet auch welthistorische Vorgänge, soweit sie auf das aufstrebende Dorf einwirkten. Das dritte H e f t (Seite 193 bis 370) umfaßt die Jahre 1815 bis 1912 und gibt auch eine gedrängte Landesgeschichte Hohenzollerns. Mit Sigmaringendorf erscheint in allen Wechselfällen und Ereignissen, ebenso gewürdigt wie dieses, auch Laucherthal mit dem Fürstlichen Hüttenwerk. Schritt für Schritt können wir bis 1912 die Entwicklung dieses heute weit über die Grenzen des Bundesgebietes hinaus bekannten Unternehmens verfolgen. Sein reiches Wissen widmete Dehner auch anderen Gemeinden. Aus seiner Feder stammen ähnliche Nieder-schriften seiner Forschungsergebnisse über seine Heimat-gemeinde T h a n h e i m , über Hitzhofen und Rosna. Dehner ging außerdem dem Wirken namhafter Söhne Sigmaringendorfs und Laucherthals in ihrer Bedeutung für das Volk nach, gab eine Schrift zum 200jährigen Bestehen des Hüttenwerkes Laucherthal (1708 bis 1908) heraus und schrieb eine Würdigung der Allgemeinen Schulordnung für das Fürstentum Hohenzollern- Sigma-ringen. Die Reihe der in der Presse veröffentlichten Arbeiten ist sehr umfangreich. Hiervon seien nur die bedeuten-deren erwähnt. Es handelt sich durchweg um historische Untersuchungen. Das Schlößchen Ratzenhofen in Sig-maringendorf; Der Fürstliche Tiergarten Josefslust; Allerlei vom Wusthau; Die hohenzollerischen Mühlen; Die Klausen in Hohenzollern; Der Suggenstein und die Herren von Volkwein; Das Schlößchen Inzigkofen; Das

Eisenwerk Berenthal; Das Schloß Lenzenberg; Die Exklave Burgau; Abgegangene Orte; Klöster und Burgen in der Umgebung von Sigmaringen; Die Zimmerische Chronik und der Wildenstein u. a. m. Nicht unerwähnt seien die Lehrmittelsammlung für die Volksschule Sig-maringendorf, Dehners Mitarbeit an dem Hohenzolleri-schen Lesebuch für Oberklassen und dem für die Lehrerschaft herausgegebenen Buch: „Materialien zur Textbehandlung von 160 Liedern der Volksschule." Mitten in seinem Schaffensdrange überfiel Dehner eine schwere Krankheit, gegen die er mit eisernem Willen ankämpfte. Selbst in seiner hilflosen Lage noch diktierte er seiner Tochter die letzten Geschehnisse aus dem Jahre 1913 für die Fortsetzung der Ortschronik. In den Mor-genstunden des Weißen Sonntags, am 19. April 1914, starb dieser schaffensfrohe Mann nach einem monate-langen, schmerzvollen Krankenlager. Im „Schlößchen Ratzenhofen", das in seiner Chronik oft genannt ist, hat er die „Chronik von Sigmaringendorf" geschaffen, und in den Wänden dieses alten Wahrzeichens des Dorfes schloß Hauptlehrer Karl Dehner im 52. Lebensjahr gottergeben seine Augen für immer. Die dankbare Ge-meinde wies seinem Bilde im Sitzungssaal des Rathauses eine Ehrenstelle an, und in der „Karl-Dehner-Straße" wurde dem tüchtigen Lehrer und erfolgreichen Heimat-forscher für alle Zeiten ein Denkmal gesetzt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß von 1914 ab die Ortschronik von Hauptlehrer Bernhard Eisele weitergeführt wurde. Nach dessen Tod im Jahre 1943 übernahm Hauptlehrer Hinger diese Arbeit. Hauptlehrer Hinger war in der ersten Ehe mit der ältesten Toditer Berta des Chronisten Karl Dehner-ver-heiratet und nach deren Tod im Jahre 1946 heiratete er deren Schwester Thea. Es ist zu erwarten, daß im Laufe des kommenden Jahres die Neuauflage, ergänzt bis zum Jahre 1962, erscheinen wird. gh.

Hohenz. Zeitung, 25. Aug. 1974

J O H A N N ADAM KRAUS

Zu den Herren von Benzingen und Steinhilben

Die Burg Benzingen ist nach Seb. Locher unterhalb des Friedhofes am Brühl abgegangen. Als ersten Herrn von hier nennen die Urkunden zum Jahr 1237 einen Alber-tus de Banzingen, der dann 1268 Ritter genannt wird und den Beinamen „der Vlade" trägt. Mit ihm wird im letztgenannten Jahr sein Bruder Ruedeger v. B. als Zeu-ge au fge führ t ' . Der Ritter Heinrich von Benzingen er-scheint mit dem Pfarrer (plebanus) Albert von Benzingen um 1238/40 in einer Urkunde des Grafen Gottfried von Sigmaringen2 . Dieser Ritter Heinrich gibt im Jahre 1252 in Veringen ein Lehengut zu Huscberch (Husch-berg, vermutlich Rusch-, heute Rauschberg bei Jungnau) an seinen Herrn, den Grafen Wolfrad d. jüngeren von Veringen zurück zu einem Geschenk ans Kloster Heilig-kreuztal. Dabei waren Zeugen: die Pfarrer Heinrich von Deutstetten und Heinrich zu Hettingen, der Vize-pleban Albert zu Veringen(-dorf), ein Ritter von Schalksburg und Hermann von Hornstein 3 . Auch am 19. April 1254 wird Ritter Heinrich v. B. als Zeuge einer Urkunde des Grafen Wolfrad von Veringen für Kloster Salem genannt und mit ihm die Plebane Hermann von Büningen (Bingen) und Conrad zu Harthausen (Scher), die Ritter Heinrich von Hornstein mit Verwandten und der „minister" Cunrad von Het t ingen 4 . Dann scheint die Familie aus dem Lauchertgebiet weggezogen zu sein.

Den Ritter Albertus de Baenzingen (wohl den obigen) finden wir am 2. Februar 1270 in einer Urkunde des Klosters Urspring, und am 15. April 1272 als Zeugen des Grafen Diepold von Aichelberg für das Kloster Baindt die Ritter Ruedeger von Baenzingen mit seinem Bruder Otto, der den Rittertitel nicht hat 5. Herr Aulbrecht Rit-ter von Bain Bainzingen tritt auf am 1. Februar 1283 zu Schelklingen als Zeuge des Grafen Ulrich von Berg-Schelklingen für das Kloser Urspring 6. Als letzte unter den Zeugen für den Grafen Diepold von Aichelberg stehen am 12. März 1292 (die offenbar noch jungen) Ot to und Albert von Benzingen 7. Ein noch jüngerer Al-bert „der Benzinger" war dann 1363 in Schelklingen wohnhaf t 8 , während jahrs zuvor eine Verwandte namens Sophie von Benzingen Klosterfrau bei den Ur-springer Benediktinerinnen war. Da dieses Alberts Siegel zwei Schwanenflügel im Schilde enthält, scheint seine Familie zu der Sippe Hölnstein-Melchingen-Lichtenstein zu gehören. Unter den Buchauer Stiftsleuten werden 1328 auch „die Benzinger" und ihre Genossen erwähnt 9

und bei Dapfen im Lautertal ist 1365 eine Benzinger Furt genannt1 0 . Erwähnt sei nodi, daß im Jahre 1330 ein (vielleicht bürgerlicher) Konrad von Benzingen auf dem Benzingerhof bei Aach (5,2 km von Freudenstadt) saß. Ein eifriger Leser unserer Zeitschrift „Hohz. Heimat" ,

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OSTR Dr. Hans Rommel in Freudenstadt (Har t ranf t -str. 31), berichtet nämlich in seinen Freudenstädter Hei-matblättern (Beilage zum Schwarzwälder Boten) vom 14. Februar 1974 von einem Hof , der früher Benzingen genannt wurde, heute aber Benzingerhof heißt. Er liegt in der Gemeinde Aach auf der Hochebene zwischen die-sem Or t und Dietersweiler. Dieses Benzingen wird laut Rommel in einer Urkunde vom 30. Oktober 1330 er-wähnt, die in Abschrift im Hauptstaatsarchiv Stuttgart erhalten ist1 1 . Sie besagt: Diemo von Steinhilben schenkt auf seiner Burg Vöhrbach dem Benediktinerpriorat Reichenbach (Murg) das „Gut zu Benzingen, da Conrad von Benzingen uffsitzet", mit jährlicher Abgabe von 18 Schilling Heller, 4 Hühner und 1 Scheffel Haber. Daß der jetzige Hof gemeint war, zeigen spätere Lagerbücher und noch das Steuerbuch der Gemeinde Aach von 1759, wo immer noch diese 18 Schilling ans Kloster Reichen-bach aufgeführt werden. Diemo v. St. schenkte ferner „ein Gut, da Ruoffe uffsitzet" und das früher Marquard und Voltz von Tumlingen gehört hatte, mit 3Va Schilling Heller und 1 Huhn Abgabe. Dann schenkte er noch einen Garten vor dem oberen Tor zu Dornstetten mit 8 Hüh-nern jährlicher Abgabe. Von diesen Hühnern sollen die Patres am Stephanstag 6 und am Johannestag drauf die restlichen 7 vorgesetzt erhalten. Vom Geld müssen jedem am Aschermittwoch und den folgenden Fasttagen ein He-ring beschafft werden, soweit das Geld reicht. Sollten die Abgaben anders verwendet werden, so hätten Diemos Erben das Recht, die geschenkten Güter an sich zu ziehen. Zeugen der Schenkung waren: Junker Wilhelm von Eberstein, der Hülwer und der Pfuser als Gebrüder von

Vöhrbach, der Waldacher Kirchherr Albrecht der Ke-cheler, sowie der Dornstetter Schultheiß Albrecht, des Hülwers Sohn als Vetter des Schenkers, und der Dorn-stetter Bürger Ulrich Schienlin. Man mag vermuten, der Bebauer des Hofes Konrad von Benzingen sei ein Ab-kömmling der Herren von Benzingen in Hohenzollern gewesen. Die Herren von Steinhilben, Nebenzweig derer von Wurmlingen mit dem Lindwurmwappen, sind aus-führlich von Friedr. Eisele 1933 untersucht worden 12. Zu ergänzen ist: Im J. 1283 trat Har tmann von Steinhilben ins Kl. Schussenried ein und brachte ihm ein von seinem Vater Ludwig für 30 Pfund Heller erhaltenes Gut mit Weinberg zu Metzingen zu 13. Ein Edelknecht Albert von Steinhilben hatte 1490 zu Horb einen Jahrtag, wie Bos-sert berichtet. Die von Eisele gesuchte Burg Velsenberg, von der sich einige Steinhilber schreiben, dürfte die bei Theinselberg südöstlich von Memmingen sein. Weitere Daten über die Steinhilber finden sich in dem Aufsatz über Mariaberg im Hohz. Jahresheft 1962. Ihr Sitz Husteneck konnte inzwischen oberhalb Gammertingens rechts der Laudiert festgestellt werden 14. Nach Rommels Bericht scheinen die Steinhilber schon vor dem Jahre 180 auf Vöhrbach (Pfalzgrafenweiler) gesessen zu ha-ben. Als Letzten nennt er einen Mathis von Steinhilben, der um 1530 in Dornstetten gestorben sei.

') WUB 3,397 445; 6,365; 2) Hohz. JHeft 1951, 36; 3) WUB 4,282, wo der Ort bei Binzwangen a. d. Donau vermutet wird. 4) Mitt. Hohz. 3,48; 5) WUB 7,68 u. 192; 6) WUB 8,379; •) WUB 10,30; 8) v. Albertis Wappenbuch; •) OA Riedlingen 669; 10) OA Münsingen 614; u ) Stuttg. H 102, Kl. Reidien-bach Bd. 1; 12) Zollerheimat 1933, 21 ff. und Hohz. Heimat 1961, 61; ") OA Urach 1909, 664; 14) Höh. Heimat 1960, 51.

J O H A N N ADAM KRAUS

Volksmedizin II

Im Jahrgang 1973 S. 37 waren einige längst vergessene, vor ca. 60 Jahren von alten Leuten gehörte, Rezepte der Volksmedizin früherer Zeit mitgeteilt. Die meisten Leser werden wohl den Kopf geschüttelt haben über so viel Einfalt und Aberglauben unserer Vorfahren. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß die Medizin ähnlich wie die Technik eigentlich erst in den letzten 100 Jahren größere Fortschritte gemacht und wirkliche Heilmittel liefern konnte. Früher standen die Menschen den Krankheitser-scheinungen machtlos gegenüber und griffen daher nach jedem Strohhalm, den man ihnen bot. Noch in unserer Jugend war es eine wirkliche Not , wenn man das „G'schnuudert" (Schnupfen) oder Frostbeulen bekam! Man darf auch nicht vergessen, welch große Rolle (nicht nur heute!) das Vertrauen oder „der Glaube" an Arzt und Heilmittel spielen. Das galt auch ehemals bei völlig unzureichenden Mitteln, wenn sie nur von einem berühm-ten Manne stammten. Bei Warzen hat nachweisbar schon das bloße „Besprechen" und der „Glaube" geholfen, in anderen Fällen halfen keine modernen Mittel und selbst keine Operation, wie mir kürzlich ein weitbekannter Me-dizinprofessor versicherte. Erfolgte früher eine Heilung, vermeintlich durch ein (völlig harmloses) Mittel, so hat man diese bedenkenlos für alle Fälle als unfehlbar weiter-propagiert. Hier bringen wir nun aus zwei Handschriften des ausgehenden 18. Jahrhunderts (Erzbischöfl. Archiv Freiburg: H a 596-597) einige von den 450 Rezepten, die dort von einem ungenannten, lateinkundigen Manne ge-gen Krankheiten, Hexereien usw. zusammengetragen sind, allerdings weithin einen greulichen Aberglauben enthalten. Als Autoren nennt er nicht nur Zeitgenossen,

sondern berühmte Männer des klassischen Altertums und Mittelalters, wie Plinius, Aristoteles, Cato, Demokrit, Albertus Magnus, Theophrastus Parazelsus, Nostrada-mus, Averroes, Raimundus Lullus und viele andere. Heu-te im Zeitalter des großen medizinischen Fortschrittes la-chen wir über diese abergläubischen, stümperhaften, kindlichen „Rezepte".

Gegen Zahnschmerzen: Wann man dem Patienten ei-nen Menschenzahn an den Hals hänget, solle derselbe von Stund an Linderung bekommen. NB: Vielmehr aber, wann man dazu tut eine Bohne (fabam), darein ein Löch-lein gebohret, und eine Laus darein gestechet, also in ein Seidentüchlein gewücklet und oberzehltermaßen ange-henkt, soll merklich viel bey der Sache tun. - Daß ein Pferd nicht miid werde, so hänge oder binde ihm die großen Wolfszähne an, wie Plinius davon schreibt. Sie machen, daß ein Pferd in keinem Laufen und Rennen müd werde. — Für den Winterfrost: Nimm ungewässer-tes Gänseschmalz. Damit salbe die Zehen, Hände und Füße, oder am Leibe, wo du willst. - Gegen Hagel und Donnerwetter: Den 1. Tag nach Johannis des Täufers im Neumond, wenn der Tag fällt, so sammelt man das H y -pericon oder St. Johanniskraut vor Sonnenaufgang und schlägt hernach auf alle 4 Ecken Eichenpfähle am Freitag vor Sonnenaufgang und hängt das Hypericon daran, so ziehen die Wetter vorüber. Oder: Etlich machen ein Kreuz auf einen Teller (aus Holz!) und schreibe darin in die 4 Ecken je den Buchstaben A G L A, und stecken ein Messer in das Kreuz gegen den Wind mit der Schärfe (Schneide), so weichen die Wetter auch. (AGLA ist ein kabbalistischer Gottesname und bedeutet: „Du bist groß

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o Herr , in Ewigkeit".) Die Schiffsleute brauchens gegen Conträren Wind und in Mähren haben es einige Herren auf ihren Häusern stehen. - Gewehre oder Eisen entro-sten: Nimm Bernstein 4 Lot, Trippel 2 Lot, destilliertes Baumöl 2 Lot, Stahlfeile 1 Lot. Dieses alles gepulvert und gemischet und die Waffen mit einem wollenen Tuch oder Leser damit abgerieben. - Wunden heilen: Nimm Saft von den Blättern Verbasci, sonst Wullkraut oder Königskerze genannt, zerstoß die Blätter und leg sie auf (die Wunde) in Windlein. Laß es einen Tag drauf und es wird stattlich heilen. Doch muß man die Wund oder Ge-der (Geäder?) mit warmem Wein auswaschen, danach Saft und Blätter drauflegen, so wirst du einen wunder-barlichen Effekt vermerken, wie ich von einem Erfahre-nen hörte, sagt Mizaldus in seinen Memorabilien cant. 2, N . 56. - Blut in Eile zu stillen: Stoße Kohlen von gemeinem Holz zu Pulver und tue solches in die Wunde. Probatum est, et fecit. - Wundarznei: Man nimmt griechisch Pech, Schwefel und Olibanum album, jedes gleichviel, zerreib oder stoße diese Stuck und klopfe sie wohl durcheinander in Eier-Weiß, ziehe die Lefzen der Wunde zusammen, wisch das Blut ab, streich dieses Werk auf ein Leinentüchlein, leg es auf die Wunden, bind ein Tüchlein drüber und laß es einen oder etliche Tag drauf liegen. Das ist eine wunderbare Sache, so probat und vielmalen probiert worden. - Gegen Fliegenplage: Be-streich den Pferden die Schäden nur mit Krauseminze, so flieget keine Fliege mehr drauf. Item: Schmiere die

Pferd im Sommer mit dem Saft von den Kürbisblättern, oder: Bestreich sie mit Oel, darin Lorbeer gekochet seind. Item: Nimm Odermennig mit Osterlucia gesotten, bestreich damit die Pferde, so kommt keine Fliege auf sie. - Gegen Hitze im Kopf: Nimm Holunderschwäm-me, gieß darauf Holunderblut und Regenwasser, laß es zusammen drauf stehen, daß es wohl erweiche und die Kra f t aus den Schwämmen zu sich ziehe. Danach mach ein 4 oder 6faches Leinentüchle damit naß, schlag es um den Kopf bei der Stirn, Schläfe, und fahre damit fort , so wirst du bald Linderung spüren. - Gegen Fußmüdig-keit: Nimm Knoblauch, Unschlitt und Baumöl, mach ein Sälblein daraus, bestreichle die Sohlen und Füße damit. Doch ist Hirschen- oder Bock-Unschlitt besser als das ge-meine. - Contra colicam oder Bauchgrimmen: Alle Morgen nüchtern Speichel auf den Nabel gestrichen hilft in momento und praeserviert vor allen Anstößen. Oder : Einen Fingerhut voll geschabtes Helfenbein in Brannt-wein eingenommen und sich 1 Stunde drauf ins Bett gelegt. Probatum est! - Dies soll genug sein. Über die andern oft skurrilen Rezepte, magisch-sympathischen Künste, astrologischen Lehren, mit religiösen Sprüchen durchsetzten Zauberstücklein und Verhexungen des ge-lehrten Anonymus bleibe der Schleier des Geheimnisses gebreitet, zumal er nach pag. 1,13 nicht will, daß „Igno-ranten oder Narren" davon Kenntnis erhalten. So be-zeichnet er solche, die für seine „Geheimwissenschaft" kein Verständnis aufbringen.

FRITZ SCHEERER

Vom Werden unserer Hochalblandschaft

Vor etwa 150 Millionen Jahren zog sich das Jurameer langsam nach Südosten zurück. Der alte Meeresboden wurde Landoberfläche, die langsam nach Nordwesten anstieg und der Abtragung durch lange, lange Zeiten ausgesetzt war, so daß aus dem einst nahezu ebenen Meeresboden unsere vielgestaltige Landschaft wurde. Heute zeigt die Formenwelt dieses Hochlandes Verkar-stung mit Trockentälern, abflußlosen Wannen, Dolinen und Felskuppen. Trotz ihrer Weiträumigkeit ist aber diese Hochfläche voll mannigfaltiger Abwechslung. Es lassen sich drei Formenkreise unterscheiden: die Schicht-stufenalb, die Kuppenalb und die Flächenalb. Hinzu kommen noch die Täler von Schmiedia, Fehla und Lau-diert.

Um einen Überblick über diese Landschaft zu bekommen, müssen wir auf den Aussichtsturm auf dem Vorderen Augstberg bei Steinhilben (849 m) steigen. Dort er-blicken wir im Norden, Westen und Südwesten ein viel-gestaltiges, unruhiges Hügelhochland mit meist bewalde-ten Kuppen und flachen, sanft geneigten Trockentälern, ein Waldgehügel, wie man es auf der Alb nicht vermu-ten würde (Kuppenalb). Hinter den Hügeln erscheint im Nordwesten das oberste Laucherttal, links davon Salmendingen mit dem vorgeschobenen, schöngeformten Kornbühl (886 m N N ) in dem weiten Heufeld bei Rin-gingen (Schichtstufenalb mit Wohlgeschichteten Kalken, Weißjura ß), im Westen der ferne Raichberg im Hohen-zollerngraben und die bewaldete »Burg« bei Tailfingen. An die Kuppenalb schließt sich im Süden die felderreiche und daher dörferreiche, ausgeglichene, flachwellige Platte der Flächenalb an, die im Jungtertiär (Unter- und Mit-telmiozän) eingeebnet wurde. Denn vor rund 20 Mil-

lionen Jahren stieß ein Meer aus dem Alpenvorland weit auf die Alb vor. Erst nach dem Rückzug dieses Meeres konnten die bisher ins Meer mündenden Flüsse der Alb dem Sammelfluß Donau zuströmen. Die Grenze zwischen Kuppen- und Flächenalb bildet das »Kliff«, die Küstenlinie des einstigen Molassemeeres, die rund 3 km südlich unseres Standorts von Südwesten nach Nordosten verlief: Stetten am kalten Markt, Frohnstet-ten, Winterlingen, Harthausen (Scher), Neufra (dringt also an der Laudiert weit nach Norden vor), südlich Bronnen, nördlich Harthausen (Feldhausen) und Wilsin-gen und dann weiter nach Nordosten, Pfronstetten usw. Das Gehen und Kommen der Meere war nur möglich, wenn die Erdkruste nicht starr und unbeweglich war, sondern wenn sich Teile derselben hoben (Rückzug des Meeres) oder senkten (Kommen des Meeres). Für eine Hebung unseres Gebiets seit dem Rückzug des letzten Meeres erhalten wir sogar genaue Werte, denn die Kü-stenlinie war doch damals der Meeresspiegel (0 m N N ) . Heute aber liegt sie bei Winterlingen 770-780 m, bei Harthausen (Scher) 760 m, bei Neufra 750 m, bei Hel-denfingen auf der Ulmer Alb rund 600 m hoch. Um die-sen Betrag hat sich also unsere Heimat in den 20 Millio-nen Jahren gehoben. Das sind gewaltige Beträge. Ver-teilen wir sie aber auf die lange Zeit, so sind es nur 3,8 mm im Jahrhundert. Die Schichten senken sich nach Südosten, wie unser Rundblick deutlich zeigt. Das gilt für die ganze Alb und hängt mit der großen Heraushe-bung seit dem Ende der Jurazeit zusammen und ist zu-gleich schuld an der Abtragung unserer Hochalb. So lie-gen die Wohlgeschichteten Kalke auf dem Plettenberg bis in 1 000 m Höhe, dagegen im Donautal bei Beuron nur noch in einer Höhe von rund 700 m.

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Die Ur-Fehla

Das Einfallen der Schichten nach Südosten (etwa 2,5 °/o) hat auch den Verlauf der Flüsse und Täler begünstigt, denn auf den einfallenden undurchlässigen Schichten wur-de das einsickernde Wasser abgelenkt. Auf der im Nord-westen am höchsten gehobenen Alb war die Abtragung am stärksten. So trug das weitgedehnte Heufeld bei Ringingen auch einmal fast 300 m mittleren und oberen Weißjura. Dieser wurde aber vom fließenden Wasser nach Südosten talab verfrachtet. Also eine gewaltige Leistung! Vergleichen wir das mit dem, was heute ge-schieht, dann wird uns erst klar, wie lange Zeit das ge-dauert haben muß. Über 100 Millionen Jahre! Die Tal-bildung, die Ausräumung unserer Landschaft setzte schon mit dem Rückzug des Jurameeres ein. Je mehr nun un-sere Landschaft emporgehoben wurde, desto mehr Gefäll hatte das Wasser, desto rascher konnte es ausräumen. Die Schuttmassen wurden als Juranagelfluh im Mün-dungsgebiet der Ur-Fehla abgelagert. Wir finden heute Juranagelfluh bei Inneringen, Emerfeld, Billafingen, bis nördlich Wilflingen an dem Hang »Betzenhardt« (810 -670 m hoch). Diese Juranagelfluh hat als widerstands-fähige Decke auf 6 km Länge und etwa 1 km Breite die-ses Gebiet vor Abtragung geschützt, so daß es uns heute als Höhenzug entgegentritt. Wie kamen aber die Gerölle hierher? Da ist doch kein größerer Fluß in der Nähe. Als die Vulkane bei Urach und im Hegau ausbrachen (vor mehr als 10 Millionen Jahren) erstreckte sich die Albtafel noch weit über den Neckar nach Norden (in der Kirchheimer Gegend bis in die Gegend von Stutt-gart, mindestens 23 km) und Westen. Unsere Fehla war ein großer Fluß, ja sie war der Haupt f luß unserer Ge-gend. Das können wir auch beweisen. Wandern wir vom Ortszentrum Burladingen nach Westen, so durchschreiten wir ein sehr weites Tal, das unten 500 m, oben über 2 km breit ist, in dem aber ein Fluß fehlt. Die Fehla, deren Tal versumpft ist, entspringt erst südlich Burla-dingen. Um eine solch große Pforte im Gebirge zu schaf-fen, muß einst ein stattlicher Fluß, größer als die Lau-diert unterhalb Hettingen, hier durchgeflossen sein. Das Quellgebiet der Ur-Fehla lag im untersten Weißjura auf der weit nach Nordwesten reichenden Alb, hoch über dem inzwischen bis zum Keuper freigelegten Gebiet von Bietenhausen und Rangendingen. Von dort floß sie nach Südosten hoch über dem heutigen Starzel- und Fehlatal und dann in gleicher Richtung weiter über In-neringen, bis sie östlich Wilflingen in einen der Südwas-serseen mündete. Mit ihren starken Schotterablagerungen füllte sie aber ihre eigene Flußrinne in ihrem Unterlauf auf (s. unten).

Gegen Ende des Tertiärs (Pliozän) wurde der Unterlauf der Ur-Fehla durch Verwerfungen in „rheinischer" Rich-tung (vom Kleinengstinger Maar bis Sigmaringen) ge-stört. Der Lauchertgraben (von Prof. Hennig 1926 fest-gestellt) brach ein. Er zeigt sich im Gegensatz zum H o -henzollerngraben, dessen Einbruch an die Wende Kreide-zeit/Alttertiär gesetzt wird und heute einen Höhenzug darstellt (Raichberg usw.), heute noch als Graben. Die Ur-Fehla, deren Unterlauf durch Schottermassen verbaut war, wurde samt ihrem Nebenfluß, der Ur-Lauchert, gezwungen, ihr Flußbett innerhalb des Lauchertgrabens zu legen, statt südöstlich nach Inneringen abzufließen. Der Unterlauf der Fehla, also die heutige mittlere Lau-diert, wurde dann als Donauzufluß abhängig vom Ge-schick der Donau in den Eiszeiten (Stauung usw.). Dar-auf soll aber hier nicht eingegangen werden. Vieles hat sich schon früher geändert, als vor etwa 60 Millionen Jahren der Rheintalgraben einzubrechen be-

gann und sich dann die Rheinzuflüsse mit starkem Ge-fäll rückwärts einschnitten, allen voran der Neckar, der in den letzten 10 Millionen Jahren das ganze Gebiet oberhalb Stuttgart erobert hat. Die Starzel hat sich über Hechingen rückwärts eingeschnitten und den ganzen Oberlauf der Ur-Fehla erobert. So ist die große Talwas-serscheide (736 m) zwischen Hausen und Burladingen und damit ein günstiger Übergang über die Alb ent-standen (Bundesstraße 32 und Hohenzollerische Landes-bahn), auf der schon die Römer ein Kastell anlegten. Im Quellgebiet der Ur-Lauchert wurde der Albtrauf zurückgedrängt. Die Steinlach schnitt sich rückwärts ein, „köpfte" hoch über Talheim den Hauptzweig der Ur-Lauchert, deren Einzugsgebiet aber wesentlich kleiner war als das der Ur-Fehla. Die Lauchert konnte daher keine Talwasserscheide schaffen, vielmehr deckten sich bei ihr Albrand und Wassersdieide (auch heute noch!). Die durch Erpf und Seckach verstärkte Lauchert, einst ein Nebenfluß der Fehla, wurde durch den gewaltigen Verlust der Fehla zum Hauptfluß. Heute gibt sie daher dem Tal den Namen bis zur Mündung in die Donau.

Die Ur-Schmiecha

Im Ur-Schmiechatal liegt heute die Talwasserscheide zwischen Lautlingen und Ebingen in 742 m Höhe. Auch hier kann das kümmerliche Rinnsal Riedbach unmöglich das breite Tal (unten 400 m, oben 2 km breit) ausge-räumt haben. Dazu hat der Riedbach bei der kleinen Wassermenge ein viel zu geringes Gefäll, so daß das ganze Tal versumpft ist (Name Riedbach! Flur Todt-land). Auch hier muß ein stattlicher Fluß, größer als die heutige Schmiecha bei Ebingen, durchgeflossen sein. Die Ur-Schmiecha hatte weiter draußen, etwa 300 m über Haigerloch-Balingen im obersten Braunjura ihre Quellen. Der Zillhauser Bach und die Pfeffinger Eyach waren ihre Nebenflüsse, die Pfeifinger Eyach zuletzt sogar der Quellfluß, genau wie die heutige Onstmettinger Schmie-cha. Hoch über Laufen, Lautlingen, Ebingen flössen die Wasser nach Südosten. Nach Queren der ehemaligen Meeresküste (bei Straßberg) wurde die mitgeführte Ju-ranagelfluh (W 8) in einem deltaförmigen Fächer abge-lagert, vor allem zwischen dem mittleren Schmiecha- und mittleren Laucherttal. So liegen Benzingen und Blätt-ringen auf Juranagelfluh-Schotter der Ur-Schmiecha, fin-den sich Schotter bei Winterlingen und Nusplingen auf dem Heuberg. Die Eyach hat sich über Balingen rückwärts eingeschnit-ten, den Zillhauser Bach und zuletzt die Pfeifinger Eyach abgelenkt und eingetieft. Da die Donau nach Sü-den abgedrängt wurde und sich in Etappen eintiefte, mußten unsere Donauzuflüsse ihren Unterlauf verlän-gern und sich ebenfalls eintiefen (die Schmiecha rund 100 m). Durch die Talwasserscheide wurde auch hier die Durch-gängigkeit des Gebirges wesentlich erhöht. Die Ablen-kung des Haupttals schuf die tiefe und breite Pforte, die von der Bundesstraße 463 und der Bahn Tübingen-Sigmaringen benützt wird und in der die Römer eben-falls ein Kastell (wenn auch nur für kurze Dauer) an-legten. In dem gewundenen, engen Unterlauf der Schmie-cha und auch der Lauchert meiden die Straßen das Tal und ersteigen die Höhen, wie bei Straßberg schon die Römerstraße Sulz-Häsenbühl-Laiz. Zusammenfassend können wir feststellen: Mit dem Vor-dringen der Neckarzuflüsse wurde zuerst das Albvorland erobert. Dann begann das Eindringen in den Albkörper (Eyach, Starzel, Steinlach). Dabei drangen sie sowohl gegen den Albrand wie gegen die Talrümpfe der Donau-zuflüsse (Fehla, Schmiecha) vor. Die Taleroberer kamen

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aber dabei wesentlich rascher vorwärts als die Stufen- Zwischen den Donauzuflüssen erheben sich plumpe Berg-randangreifer (die Steinlach bei der Laudiert). Diese klotze und Höhenrücken der verschiedensten Formen waren wohl gefällstark, „ihre Wasseradern konnten je- und Größen, deren Südgrenze einen deutlichen Abfall doch die riesigen Schuttmassen des Traufs nicht rasch zur Flächenalb bildet. Mit der Talvertiefung von Schmie-bewältigen und fuhren sich fest. Jene waren begünstig- cha, Fehla bzw. Laudiert fiel das dichte Talnetz, das einst ter" (Huttenlocher). Aus der Übernahme der alten Tal- Wasser führte, schrittweise trocken. Es ist heute völlig läufe der Donauseite auf die Neckarseite ergaben sich außer Funktion gestezt, da tiefer Karst herrscht, die Talpässe (Burladingen, Lautlingen).

J O H A N N W A N N E N M A C H E R

Aus unserer heimischen Mundart Treffliche Redewendungen und selten gewordene Ausdrücke

Die Technisierung und Rationalisierung in fast allen Lebensbereichen geht auf Kosten des Rein-Menschlichen. Überall ist dies zu spüren. Man möchte aus der Vermas-sung, Nivellierung und Vereinsamung heraus, ausschließ-lich und unbeschwert wieder ganz Mensch sein. So be-sinnt man sich mehr denn je wieder auf das Alther-gebrachte, die Tradition, auf beständige und zeitlose Werte, die der Heimat und der Natur entwachsen, Ruhe und Geborgenheit vermitteln. - In dieser Richtung liegen auch die Bestrebungen der Heimat- und Trachten-vereine, die das gute Alte in der heutigen Zeit wieder schützen und pflegen. Dabei erfährt auch die Mundart , als Ausdruck der Volksseele - mit Recht besondere Be-achtung. Von Martin Luther stammt der Spruch: „Wer dem Volk auf' Maul schaut, sieht sein Herz!" Den allzu Sorglichen und Ängstlichen sagt in Rangen-dingen die Mundart in aller Ruhe: „Kommt dr Dag, so brengt's dr Dag!" Diese Einstellung beruht auf viel Erfahrung und Lebensweisheit und hat auch heute noch ihre Gültigkeit. Ist einer verdrießlich, ratlos und zeigt es auch im Gesicht, indem er die Unterlippe zu tief fallen läßt, so heißt es: „Dear heegt no an baise Lätsch na!" Steht einem ein schöner Erfolg oder eine gute Partie in Aussicht, dann hört man of t etwas neidisch sagen: „Dear hot no da Fenger em reachta Loch." Wenn hin-gegen jemand aus Übermut, Dummheit oder Gleichgültig-keit zu seinem Schaden oder Nachteil gehandelt hat, so wird ihm dies so bestätigt: „Dear hot no am Dreck an Aurafeig (Ohrfeige) gea!" Diese anschauliche Wendung stammt aus einer Zeit, da unsere Wege und Straßen noch of t wenig ausgebaut, nicht asphaltiert waren und es überall Dreck und Pfützen in Menge gab, die man beim Gehen und Fahren ständig um sich hatte. Patschte man dann mal ungeschickt in den angestauten Dreck, so konn-te man sich damit übel beschmutzen. — Steht man plötzlich vor einer schwierigen Situation, die unbedingt bewältigt werden muß, dann kann einem ,,d' Katz da Buckel nuff schteiga," d. h. man kann es mit der Angst zu tun bekommen. Glaubt jemand sich einer Person oder Sache ganz sicher, muß aber dann feststellen, wie ihm dies oder jenes plötzlich aus den Händen entgleitet, so hört man nachher betroffen: „Dear ischt mr naus-gschlupft wie an Aal!"

Krankheiten und Alter schwächen die Menschen. Kinder hängen dann „mautereg" umeinander und die Alten of t „loddereg" in ihrem H ä ß drin. Mitunter hört man auch: „Diea hanget umeinander, wiea d' Flieaga im Septem-ber!" Auch ein Zahn, ein Nagel, ein Brett usw., wenn sie nicht mehr fest sitzen, sind „loddereg". Junge Burschen, die nirgendwo mehr Hal t finden und ein leichtes Leben führen, „verlodderet". - Kinder, die bei Spiel und Arbeit mitunter zu laut werden und zu großes Ge-

schrei machen, „dend (tun) wiea de abglauna (losge-lassenen) Hond!" „Dua gschdät" (langsam) ruf t man den Kindern und Erwachsenen zu, wenn sie zu eilig und unvorsichtig auf ein Ziel oder eine Arbeit zuschießen. Ist einer voll Launen und Ungeduld, ihm alles zu kurz und zu lang und ihm nicht zu raten, dann ist er „gräteg". Er fängt dann vielleicht auch an zu „driebuliera" und zu „debara". - Diese Ausdrücke umschließen jedoch weit mehr als die hochdeutschen Worte: schimpfen, schelten. Sie sind auch viel bildhafter und kräftiger. Um jemand wieder zur Ruhe zu bringen oder einen Vorteil von ihm zu erlangen, tut man ihm „flattiera", schöne und gute Worte geben, mitunter auch schmeicheln. Kinder sind voll Lebenslust und „waalet" (wälzen) voll Freude auf dem grünen Rasen herum. In dem Wort „waalet" liegt die ganze Breite des Wohlbehagens und die ge-sunde Bewegungslust der Kleinen. Eine andere Bedeu-tung hat das „Waalet", wenn einer weit über den Durst getrunken hat, nicht mehr stehen kann und sich im Schmutze herumwälzt. Wenn ein junger Mann einen Schatz gefunden hat, dann hat er derb gesagt: „a Mensch". Und „sodale" sagt man in der Mundart überall dort, wo man etwas recht und in Ordnung findet, wenn man gibt, nimmt oder eine Sache abschließt. „So-dele" sagte eine Metzgersfrau, als sie das Fleisch auf die Waage legte und der Zeiger ein wenig hinter dem ge-wünschten Gewicht zurückblieb. Die Kundin, eine Nicht-schwäbin reagierte darauf so: „Ich will kein ,Sodele\ ich möchte Fleisch."

In den Erntezeiten gebrauchte man in jedem Bauern-haus den Leiterwagen, um Heu, ö h m d und Garben in die Scheune zu fahren. Da die Feldwege of t noch wenig ausgebaut und holperig waren, mußte man die Ladungen auf den Wagen „spanna", damit sie festhielten und nicht auseinander fielen. Dazu gebrauchte man den „Wiesboom", die „Wurfsoale", die „Wellnegel" und die „Wellea". Diese Gegenstände sieht man heute kaum mehr. Ebenso ist das „Lägele" (Wasserfäßle) verschwun-den, das man mit wohlschmeckendem, kühlem Brunnen-wasser füllte und es den Angehörigen zum Trinken an heißen Sommertagen mit aufs Feld brachte. Zu Bier reichte in früheren Zeiten das Geld oft nicht aus.

Kam ein Gewitter, das neben Regen auch kleine Hagel-körner mitbrachte, so „kitzabohnalete" es. Vielfältig wie die schwäbische Landschaft ist auch die Schwabenseele. Entsprechend ist auch die Mundart , de-ren Wendungen und Wörter außergewöhnlich bildhaft, vielfältig und tiefgründig sind Schöpfung der Umwelt, ein Stück Heimat, das wir bewahren und schützen wollen. Es gilt, altes Volkstum zu retten und der seelenlosen Vermassung entgegenzuwirken.

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M A N F R E D H E R M A N N

Fl':cht nach Ägypten, Johann oder Georg Schiander, wahrscheinlich 1719

Die Maler Schiander in Inneringen und Trochtelfingen

Heiligenpflege-Rechnungen sind nicht immer eine kurz-weilige Lektüre, sie stellen jedoch eine der wichtigsten Quellen für die einheimische Kunstgeschichte dar. Johann Adam Kraus sind z. B. Auszüge aus jenen der St. Georgs-Kirche zu Burladingen zu danken worin folgender Eintrag enthalten ist: „1699 - dem Maler von Inneringen ist von der ganzen Bühne in der Kirche, Kanzel, Gätter vor dem Altar, wie auch der völligen Pfarrkirche zu malen und zu streichen gegeben worden 22 fl. - Item dem Maler von Inneringen St. Katharinen, St. Barbaras Bildnussen zu fassen 3 fl." Wer aber ist der Kirchenmaler von Inneringen, dessen Name nicht ge-nannt wird?

In der Rosenkranzbruderschafts-Rechnung von Innerin-gen 2 findet sich zum 16. Okt . 1735 folgende Ausgabe: „den Mahlern Johan und Georg Schlandern die 2 Trag Cappellen zu den Processionen sambt 2 großen Bildern Hertz Jesu und Mariae und 2 antependiis mit Blumen und den Namen Jesu und Mariae zu mahlen bezahlt 25 fl." In einer vorausgehenden Zusammenstellung 3 der Ausgaben wird nur ein Faßmaler genannt: „1735 den 18. Julj - die 2 Brustbilder Jesu und Mariae In fein Gold und Silber zu fassen Johan Schlandern bezahlt 20 fl." Diese beiden Brustbilder von 1722 4 waren Arbei-ten des „Bildhauers von Mengen" hinter dem sich Johann Georg Machein (1718-34 in Mengen) verbirgt. Freilich sind sie heute nicht mehr vorhanden. Die beiden Ante-pendien dürften zu den beiden Seitenaltären der Pfarr -kirche gehört haben, zum linken Seelen- oder ö lberg-Altar und zum rechten Rosenkranz-Altar.

Überraschenderweise läßt sich von beiden Faßmalern, die vermutlich Brüder waren, Georg Schiander als Inneringer Hintersasse nachweisen. Johann Schiander war offensichtlich nicht verheiratet und hat sich wohl nur zeitweilig in Inneringen aufgehalten. Darum finden wir ihn in der Albgemeinde nicht direkt erwähnt.

Als erster Träger des sonst in Inneringen nicht vertretenen Familiennamens erscheint am 12. Jan. 1699 im dortigen Taufbuch 5 der „aedituus" = Mesner Silvester Schiander in der Eigenschaft als Pate. Am 2. Juni des gleichen Jahres verliert er seine Gemahlin Anna Maria Rösch mit einem Alter von 53 Jahren 6. Seine zweite Frau Anna Maria Herterin schenkte ihm am 10. Juli 1705 eine Tochter Magdalena, fü r die sich der damalige Pfarrer Daniel Ülin (1698-1715 Seelsorger in Inneringen) - und das ist als Zeichen der Verbundenheit zu wer-ten - als Pate zur Verfügung stellte. Weitere Angaben ließen sich fü r Silvester Schiander nicht mehr finden, jedoch dürfen wir in ihm den Vater der beiden Maler-Brüder Johann und Georg Anton sehen. Einer von ihnen - wohl Johann - ist offensichtlich jener „Maler von Inneringen", der in der Burladinger St. Georgskirche Decke, Kanzel und die Kommunionbank gemalt bzw. gefaßt hat.

Als Nachfolger des Vaters im Mesnerdienst finden wir unterm 24. Okt. 1700 im Inneringer Ehebuch Georg Anton Schiander genannt, von Altingen stammend und als Mesner und Schulmeister (Ludimoderator) bezeichnet, der an diesem Tag vor Kooperator Johann Michel Deu t t l 7 mit Ursula Schmittlerin von Inneringen den

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Bund fürs Leben schloß. Aus dieser Ehe gingen elf Kin-der hervor, jedoch kein Sohn, der den Vater überlebt hätte und Werkstatt-Nachfolger geworden wäre. Es ist bemerkenswert, daß bei acht Taufen zwei Schultheiße, nämlich Jakob Sauter und Georg Kleck, als Paten ge-nannt werden. Dies spricht fü r das Ansehen und die Wertschätzung des Mesners und Schulmeisters. Freilich amtierte zwischen den beiden Ortsvorstehern ein Schult-heiß Peter Metzger, der am 26. April 1706 mit 11 fl gestraft wurde, weil er den Bruder des Mesners Schiander im Wirtshaus einen Krug an den Kopf geschlagen und dem Bruder des Mesners vorgeworfen habe, sein Bruder - der Mesner - sei mit der Einfüllung des Weihwasser-kessels sehr unfleißig. Der Bruder des Mesners antwor-tete, sein Bruder habe nicht allemal Zeit, einem jeden Esel den Weihkessel alle Augenblicke vollzuhalten 8 .

Gelegentlich erscheinen in den Rosenkranz-Bruderschafts-Rechnungen Anstreicherarbeiten des Mesners erwähnt: z. B. „1721 - Dem Meßmer für 2 Baldachinstängle an Zustreichen bezallt 30 xr." Am 20. Mai 1735 erhält Johann Schiander 4 fl 30 xr für das Bemalen von drei Fahnenstangen mit Blumen. Aus den schon zu Beginn erwähnten Aufträgen möchte ich schließen, daß der Mes-ner Georg Anton nur gelegentliche Maler- d. h. Anstrei-cherarbeiten ausführte, während sein Bruder Johann - damals in Trochtelfingen ansässig - der eigentliche Kirchen- und Faßmaler war. Ab 1735 dürfte dann der Mesner einen Jungen in Ausbildung genommen haben, der den Malerberuf in Inneringen weiter übte: Johann Chrysostomus Flöß (1721-1772) 8. Allein, viel konnte er diesem nicht mehr beibringen: Entkräftet starb Georg Anton Schiander nach längerem Krankenlager, nachdem er dreimal versehen worden war, am 15. Dez. 1738 im Alter von 62 Jahren. Sein Geburtsdatum müßte also um 1676 liegen. Das zweichörige, strohgedeckte Haus, Güt-lein und Fahrnis erhielt 11 Jahre später die jüngste

1 Johann Adam Kraus, Kunst und Kultur in den Heiligen-pflegerechnungen von Burladingen, in: Hohenz. Heimat 1959, S. 44/46.

2 im Pfarr-Archiv Inneringen, S. 55. 3 Rechnungen über Ein- und Ausgaben der Erzbruderschaft

des hl. Rosenkranzes zu Inneringen, S. 16. 4 s. Anm. 3, S. 13. Zum „Bildhauer von Mengen" s. die

Bemerkung bei Alfons Kasper, Kunstwanderungen kreuz und quer der Donau I (Oberschwaben III), S. 133 unter Mengen.

5 PfArch. Inneringen. 6 Totenbuch 1700-1819, im PfArch. Inneringen. 7 Kaplan Deutl war eine der bedeutendsten Inneringer

Priesterpersönlichkeiten. Der Magister stammte aus Otto-beuren und war dort am 25. Aug. 1665 geboren. Seine erste Taufe hielt er in Inneringen am 27. Sept. 1694. Infolge der schweren Gichtanfälle des Pfarrers Daniel Ülin (1698-1715 in Inneringen) mußte er nahezu die gesamte Seelsorge versehen, erst recht nach dessen Tod, als die Pfarrei bis 1717 unbesetzt blieb. Deutl war auch der Rech-ner der Rosenkranz-Bruderschaft. Zum letzten Mal taufte er am 20. Nov . 1742. „Diser guete Herr Capalan ist zu letzt alters halber so weit kommen, daß er in der heilligen Meß Leßen verühret und nicht mehr können fortkomen biß mann ihne wider auf daß rechte gefert gewisen. Ehr ist ein frommer gots förchtiger Priester gewesen. Ehr hat allTäglich die heillig Kreütz Capellen besuecht, aldorten den heilligen Creitz Weg abetet; und andere Capellen mehr, wan es sonsten möglich sein hat können besuecht. Ehr ist zue letzt worden wie ein Kündt, daß er bißweillen in ermelte Capellen gegangen, den Weeg nihmer mehr in den Pfahrhof gewußt. Ehr ist über Etlich 70 Jahr alt geworden, und Niemallen eine Brille oder Augen Spigell gebrudit. Ehr ist in Anno 1743 (erst 1744) gestorben in

Tochter Anna Barbara für die Versorgung ihrer 3 ledigen „ohntüchtigen" Schwestern 9. Außer der Strafsache gegen Schultheiß Peter Metzger, die in den Verhörsprotokollen der Herrschaft Jungnau genannt ist, gibt es in Inneringen keine weiteren direkten oder indirekten Hinweise für den Maler Johann Schian-der. Wann er sich in Trochtelfingen niedergelassen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls kaufte er am 24. 1. 1718 dort ein eigenes Haus 1 0 , wobei er als Bürger bezeichnet wird. Von seinen künstlerischen Arbeiten wissen wir wenig: N u r sieben kleine Ölbilder in Kartuschen um die Mittelnische des Hochaltares der Kapelle zur schmerz-haften Muttergottes in Meldungen stammen von seiner Hand . Jedenfalls ist die Kreutztragung für ihn belegt1 1

(1735). Zu dieser Zeit arbeitete neben ihm ein junger Maler, der später die Malertradition in Trochtelfingen fortsetzen sollte: Johann Bommer aus Aulendorf 1 2 , der in der gleichen Kapelle in Melchingen die Deckengemälde lieferte. Er dürfte nach seiner Heirat am 26. Nov. 1736 13

die Maler-Werkstätte des Johann Schiander übernommen haben. Dieser starb in Trochtelfingen plötzlich, ohne vorausgehende Krankheit und unversehen am 14. No-vember 173714 , also noch ein Jahr vor seinem Bruder in Inneringen. Jedenfalls hinterließ er keine Erben. Für die Kunstgeschichte Hohenzollerns spielen beide Maler Schiander so gut wie überhaupt keine Rolle, weil sie offensichtlich - von den Kartuschen-Bildern in der Kapelle in Melchingen abgesehen - kaum Gemälde hinterlassen haben. Andererseits ist unser Wissen über die Kunst des 1. Drittels des 18. Jahrhunderts auf der Hohenzollern-Alb noch völlig unbefriedigend. Gar oft steht der Betrachter vor einem nicht signierten und unbelegten Altarbild oder einem anderen Gemälde. Da ist es stets gut zu wissen, welche Künstler aus dem geographischen Umkreis überhaupt in Frage kommen können. Darum muß man sich auch den Namen Schiander merken.

dem Pfahrhof und nicht lang kranckh gelegen" (Johann Otts Inneringer Dorfchronik, ab 1722, im PfArch. Inne-ringen). In seinem 50. Kaplansjahr in Inneringen verstarb er an Mariae Lichtmeß (2.2.) 1744 und wurde im Toten-buch genannt ein „getreuer und kluger Knecht; und da er über weniges getreu gewesen, sei er über vieles eingesetzt worden, und er trat ein in die Freude seines Herrn".

8 Aus den Verhörsprotokollen der Herrschaft Jungnau im Staatsarchiv Sigmaringen. S. Johannes Maier, Siegfried Krezdorn, Die Geschichte des Ortes Inneringen (1966), S. 75.

9 s. Johannes Maier, Siegfried Krezdorn, S. 477 f. 10 Job. Adam Kraus, in: Hohenz. Heimat 1957, S. 62. 11 Kunstdenkmäler Hohenzollerns, Kr. Hechingen 1939, S. 242. 12 Als seine Schwester Maria Antonia Bommerin am 23. N o -

vember 1730 in Trochtelfingen Ludwig Clavel heiratete, wird sie als Aulendorferin bezeichnet. Joh. Baptist Bommer, „hon. et Artificiosus Juvenis et pictor" ehelichte die Schwester des damaligen Pfarrers Joseph Anton Schnizer, Maria Ursula Schnizerin. Aus der Ehe stammten

zwei Söhne, die das Kunsthandwerk des Vaters fortsetzten, aber nicht in Trochtelfingen blieben, und eine Tochter. Joh. Baptist Bommer brachte es zu hohen Ehren. Er starb am 31. Juli 1778 in Trochtelfingen als Schultheiß und Heiligenpfleger, nachdem er „den Lauf des Lebens lobens-wert vollendet", einen guten Tod.

13 Ehebuch Trochtelfingen 1718-70. 14 Totenbuch Trochtelfingen 1718-70.

Anmerkung der Schriftleitung: In der Jahresrechnung des Klosters Mariaberg von 1719/20 heißt es: „Dem Maler von Trochtelfingen für das Josefs-Antependium bezahlt 11 Gulden." Zweifellos ist mit dem Maler von Trochtelfingen Johann Schiander gemeint.

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A N T O N GABELE f

Großvater mußte „brummen" Historisch-Originelles aus dem Hohenzollerischen

Wie eine aus dem morschen Schild eines alten Ritters herausgefallene Wappenzier liegt das Zollerländchen zwischen seinem Nachbarn Baden und Württemberg. Als auf Napoleons Geheiß die große Flurbereinigung in Süddeutschland geschah, hatten sich die zwei damals noch in Hohenzollern regierenden Häuser rechtzeitig mit der Familie des Allgewaltigen verschwägert und so ihren Besitz gerettet. Doch dann verleideten die wild gewor-denen Bauern des Jahres 1848 den Fürsten ihre Herr -schaft. So trat der kinderlose Fürst von Zollern-Hechin-gen sein Land dem Vetter in Sigmaringen ab, und dieser gab beide Fürstentümer an den etwas weitschichtig ver-wandten Vetter in Berlin, damit „Deutschland aus dem Reich der Träume endlich Wirklichkeit werde", wie es in der Proklamation an das „hohenzollrische Volk" hieß. Das zollrische Volk ließ das Preußischwerden über sich ergehen und blieb im übrigen bei seinen alten Gewohn-heiten, ging über die Landesgrenzen her und hin wie seit je, verkaufte auf dem badischen Markt Sau und Kuh und kaufte dort, was man brauchte: Bier und Bratwurst, Hemd und Stiefel.

So hielt es auch mein Großvater, der im südlichsten Zipfel Hohenzollerns sein Zimmermannshandwerk be-trieb. Er kaufte nicht nur Nagel und Beil drüben hinter dem Wald in dem nur eine knappe Wegstunde entfern-ten badischen Städtlein, er richtete dort mit seinen Ge-sellen manches Haus auf und trank seinen Schoppen im Löwen und auch zwei. Dies behagliche Her und Hin wurde plötzlich im Jahre 1866 gestört. Am 14. Juni beschloß der Deutsche Bun-destag die Mobilisierung gegen das überhebliche Preußen und damit auch gegen das preußisch gewordene Zoller-ländchen. Die Nachbarländer Baden und Württemberg, die zu Österreich hielten, ließen sich die Reichsexekution übertragen. Der Großvater ließ sich von seiner Frau zur Vorsicht überreden und ging eine Woche lang nicht mehr in das feindliche Ausland hinüber. Aber schließlich brauchte er Nägel und zwei neue Beile, schlug alle Worte der Frau in den Wind und schritt getrost durch den Wald ins Städtlein. Der Kaufmann war wie immer, und so wollte der Großvater auch versuchen, ob der Wein wie immer schmecke, und trat in den Löwen. Es saßen am Tisch die altgewohnten Gäste, sie begrüßten den Zimmermann wie einen verlorenen Sohn und wollten auch gleich anfangen mit ihm zu politisieren. Der Wein hat schon stärkere Riegel aufgeschlossen. Er brachte also den Großvater dazu, die historischen Worte zu sprechen: „Uire' Großherzog, den könnt ma in Ber-lin nit mal als Bettelvogt brauche'!" „Verhaue' wer-det se, Eure Schnapspreuße', verhaue', daß die de' Hintere' in der Schlinge heimtrage' müsse'!" schrien dagegen die anderen, und über solchen Schwatz wäre beinahe das historische Wort verlorengegangen. Doch da saß im Nebenzimmer der Her r Amtmann und lauschte durch die halboffene Tür auf den Schwatz in der Stube. Und so erhaschte er das Wort vom Bettelvogt, und eine warme Woge der Freude rann ihm über das Herz. Endlich hatte er den Bösschwätzer in der Schlinge! Diesen Zimmerer, der vor etlichen Wochen in der gleichen Stube unter schallendem Gelächter der Weinbrüder ein

noch viel schlimmeres Wort gesagt hatte, doch eins, für das man ihn damals nicht belangen konnte! Der Amtmann war nämlich Junggeselle, fünfzig und et-liches alt, aber noch gelenk und frisch. Er hatte nun zu-fällig eine Witwe kennengelernt, die drüben im zollri-schen Dörflein ihr Hauswesen betrieb. Man weiß ja, solche Witwen haben of t mit Behörden und dergleichen ihre Sorgen und wissen sich nicht dabei zu helfen. Der Her r Amtmann May bot sich ihr als Beistand an, aus purer Menschenfreundlichkeit, und kam jede Woche ein paarmal durch den Wald zur Witwe Kiefer, um ihr von den Sorgen zu helfen. Und darüber hatte nun dieser Zimmermann gewitzelt: es sei doch schon Ende Juni, hatte er den Kumpanen erzählt, und doch habe er gestern im Garten der Nachbarin einen Maikäfer gesehen, einen riesigen, ausgewachsenen. Die Gäste im Löwen schüttelten sich vor Lachen, und der Amtmann May im Nebenzim-mer wurde blaß und rot vor Zorn. Und jetzt war dieser Zorn nicht mehr ohnmächtig. Jetzt war die Waffe geliefert. Der Amtmann trank sein Glas in einem Zuge leer und schlich sich hinaus. Er war aber so freudenvoll, daß er der Löwenwirtin beim Bezahlen einige Andeutungen gab. Und diese, weniger vaterlän-disch gesinnt, trat in die Wirtsstube, zupfte den Groß-vater heimlich am Ärmel und erklärte kurz, dies und das drohe, drückte ihm Hut und Stock in die H a n d und schob ihn zur Tür hinaus. Der Großvater fußelte die Gasse hinab, über die Brücke und den Berg empor. Jetzt erst fällt es ihm auf die Seele, was für eine Gefahr hinter ihm her sei. Dann aber, hinter den Grenzpfählen meint er sich geborgen, zündet sich einen Stumpen an und schreitet gemächlich heimwärts. Allein er hatte nicht damit gerechnet, daß Krieg war. Was kümmerte den badischen Gendarmen ein preußischer Grenzpfahl! Der ritt ohne Beschwer in die preußischen Gerechtsame hinein, erwischte den Großvater, der hurtig noch ins Gebüsch verschlupfen wollte, und verhaftete ihn. Inzwischen hatte die Großmutter einen Sonntag voller böser Ahnungen verbracht, und die Ahnungen wurden Gewißheit in der Nacht, als sie von Stunde zu Stunde umsonst nach dem Schritt des heimkehrenden Mannes lauschte. Sowie dann der Tag graute, rüstete sie sich und nahm entschlossen den Fußweg durch die taunasse Wiese und in den Wald. Ihr begegnete der Gerber. Der Gerber hatte auch im Löwen dabeigesessen und wußte die Zu-sammenhänge. „Aha, schaut's so aus!" rief die Groß-mutter, sie marschierte stracks dem Löwen zu. Die Wirtin mußte ihr dann noch einmal den Hergang auseinander-hecheln, derweil die Großmutter ein Schüssele Herz-stärkung nahm. Und schließlich wagt sie den Gang zum Schloß hinauf. Die Großmutter fand den Amtmann im Garten: „Was soll das heißen, Herr Amtmann May, einen unbescholte-nen Mann wegen eines einzigen dummen Wortes ein-schließen? Von dem Wort wird Euer Großherzog nit vom Thron fallen, schätze ich". „Majestätsbeleidigung ist nun einmal Majestätsbeleidigung, liebe Frau", näselte der Amtmann und fächelt sich mit einer Nelke unter der Nase her, „da beißt keine Maus kein' Faden ab! Der Mann muß brummen." „So!" rief die Großmutter, „brummen muß er", und kam dem Amtmann ganz nahe und sah ihm scharf ins Auge: „Dann soll auch der Mai-

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käfer brummen. Über die Stadt hin soll er brummen, über den ganzen Markt ." Und sie wandte sich trotzig davon, wurde aber zurückgerufen. „Warum gleich so hitzig?" sagte der Gerichtsherr. „In Anbetracht der besonderen Umstände, und weil Euer Dorf jetzt endlich badisch geworde'n ist, wie es sich schon lange gehört hätte, ein Fluchtverdacht also kaum vor-liegt, will ich überlegen, ob ich den Deliquenten nicht bis zur Verhandlung auf freien Fuß setzen kann. Dann hat er seine Zunge besser in acht zu nehmen, verstanden! Warten Sie im Löwen."

Dort wartete die Großmutter, trank noch einige Schüssele von dem heiß Gebrannten und erzählte der staunenden Wirtin jede Einzelheit aus dem Nelkengärtlein. Auf ein-mal knarrte die Tür, und der Zimmermann stand vor ihnen. Meiner Großmutter kamen die Tränen, so of t sie uns von diesem Wiedersehen sagte. Wie Brautleute zogen sie miteinander durch den Wald nach Hause und wünsch-ten den Preußen soviel Glück, wie ihnen im damaligen Krieg gewiß kein anderer in Süddeutschland gewünscht hat.

Vergeblicher Kampf gegen Schmeie-Verschmutzung?

Die zahlreichen Initiativen der Gemeinde Stetten akM. wegen der Verschmutzung der Schmeie, die durch den Ortsteil Storzingen fließt, haben bereits „einen Bart". Die verantwortlichen Behörden haben bisher keine Initia-tive ergriffen, um wenigstens den Tatbestand festzu-stellen und aufzuklären, geschweige denn die Verursacher der Verschmutzung der Schmeie zu finden. Das inzwi-schen tote Wasser zeigt sich in verschiedenen Färbungen, die vom dunklen Rot über alle Farbschattierungen bis zum tiefen Blau reichen, weiße Schaumkronen, reichen an verschiedenen Stellen bis zu vier und fünf Metern Höhe. Inzwischen kann in diesem Gewässer kein Fisch mehr leben. Das Bürgermeisteramt Stetten akM. hat sich deshalb in einem ausführlichen Schriftsatz an den neuen Umweltschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, Staatssekretär Teufel, mit der Bitte ge-wandt, endlich in dieser unleidlichen Angelegenheit eine Überprüfung und Entscheidung herbeizuführen.

Grabungen auf der Heuneburg

Auch in diesem Herbst ist wieder auf der Heuneburg bei Hundersingen gegraben worden. Da die Burg und das Dorf Hundersingen jetzt im Kreis Sigmaringen liegen, sei auch an dieser Stelle auf die größte Keltenburg in Europa

hingewiesen. Ohnehin ist Hohenzollern nicht arm an kel-tischen Funden (Eisen- bzw. Hallstatt-Zeit).

Jedoch kann sich auch die Fülle bisheriger Einzelfunde nicht messen an dieser ganzen kleinen Stadt, die hier innerhalb eines Mauerrings zum Vorschein kommt; eines mit Türmen bewehrten Mauerrings aus dem 6. vorchrist-lichen Jahrhundert, den die Ausgräber selber als ein „Troja diesseits der Alpen" bezeichnen, dem nicht einmal das von Homer besungene Skaische Tor fehlte! Die Gra-bungen seit 1950 fast jedes Jahr, durchgeführt vom In-stitut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Tübin-gen, haben für diese Burg, für diese bewehrte Stadt muß man schon sagen, eine regelmäßige Handelsverbindung mit Groß-Griechenland nachgewiesen, was hier nicht im üblichen Sinn Unteritalien meint, sondern vor allem Massilia (heute Marseille). Auch ist die Burg selber von einem vermutlich griechischen Baumeister errichtet wor-den, ein Unikum unter allem Vergleichbaren.

In „Burgen und Schlösser Hohenzollerns" von Zingeler, anfangs dieses Jahrhunderts, gibt es zu Sigmaringen ein paar interessante Anmerkungen, wo er frühe Aussagen, so von Hekataios von Milet, Zeitgenosse jener Heune-burg, zitiert. Er bezieht sie zwar auf Sigmaringen, eher aber könnte die Heuneburg gemeint sein.

Die „Burg" ist freilich nur ein Haufen Gräben und Meß-zeichen. Zu empfehlen ist daher das Buch „Die Heune-burg" von Wolfgang Kimmig (Prof. Dr., Leiter des ge-nannten Tübinger Instituts) im Selbstverlag der „Gesell-schaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern", Stgt. Altes Schloß. Frick

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerischen Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat-lichen Schulämtern Hechingen und Sig-maringen. Verlag: Hohenzollerischer Ge-schichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstr. 3. Druck: M. Liehners HofbuÄdrudcerei KG, 748 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohen-zollern mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fach-historischen auch populär gehaltene Bei-träge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden können.

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen Heimat": 802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart

Die Autoren dieser Nummer:

Johann Adam Kraus, Erzbisch. Archivar i. R., Freiburg-Littenweiler

Dr. med. Herbert Burkarth, prakt. Arzt, Gammertingen

Manfred Hermann, Pfarrer, Neufra

Fritz Scheerer, Balingen

Anton Gabele j", Studienrat a. D. und Schriftsteller, gebürtig aus Buffenhofen

Johannes Wannenmacher, Schulrat i. R., Gammertingen

Redakteur: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen

Redaktionsausschu ß:

Hubert Deck, Konrektor 745 Hechingen, Tübinger Straße 28 Telefon (07471) 2937

Walther Frick, Journalist 748 Sigmaringen, Hohe Tannen Telefon (07571) 8341

Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche ge-kennzeichnet.

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten.

Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzol-lerische Heimat" weiter zu empfehlen.

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HEIMAT Herausgegeben oom

Hohenzollerildien Gefchichteoereln

24. Jahrgang Nr. 4 / D e z e m b e r 1974

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I — - — I | f j Im Jahre 1591 wurde die Muttergotteskapelle von Neufra gebaut, die in den 50er Jahren j? mustergültig wieder erneuert wurde. Stifter waren Margareta von Speth und ihr Mann,

Philipp Schad von Mittelbiberach. Diese Darstellung der Geburt Christi ist die Predella ¡P des Altars, ein bemaltes Holzrelief, das zugleich mit der Kapelle entstanden ist.

-r Bild: Leonie Trick i> L

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J O H A N N W A N N E N M A C H E R

Alte Advents-, Weihnachts- und Neujahrslieder aus Rangendingen

Unsere bäuerlichen Vorfahren lebten noch eng verbunden mit der Natur , dem Nährboden aller kulturellen Werte. Ihre Lebens- und Arbeitsweise war von einem reichen Brauchtum umgeben, das ihnen Hal t und Stütze gab, ihr Innenleben bereicherte, Freude und Frohsinn schenkte. In eine fromme Gläubigkeit eingebettet war besonders ihr Liedgut in der vorweihnachtlichen Zeit, an dem Feste selber - sowie um die Jahreswende. Das Lied ist ja auch die schönste Zusammenfassung von Geist und Gemüt, höchster Ausdruck dessen, was in den Tiefen der Men-schenbrust vor sich geht.

Noch um die Jahrhundertwende, als es am Orte noch kein elektrisches Licht gab, Rundfunk und Fernsehen fehlten, kamen an den langen Winterabenden Nachbarn, Verwandte und Bekannte in den „Liachtstuben" zusam-men. Hier war auch das Volkslied zu Hause. Und in der Adventszeit sang man dann auch das einmalig schöne Marienlied „Gegrüßet seist du, Maria". Es hatte fol-genden Text, dem eine herrliche, volkstümliche Melodie unterlegt war :

1. „Gegrüßet seist du, Maria, jungfräuliche Zier! Du bist voller Gnade, Gott der Her r ist mit dir. Eine ganz neue Botschaft, ein unerhört Ding von der himmlischen Hofs tadt der Engel Gabriel bringt!

2. Was sind das für Reden, was soll denn das sein? Wer kommt denn zu mir ins Schlafzimmer herein? Die Tür ist verschlossen, die Fenster sind zu, wer ist draußen und klopfet bei der nächtlichen Ruh?

3. Erschreck' nicht Maria, es geschieht dir kein Leid; ich bin nur ein Engel, verkünd' dir große Freud, daß du sollst empfangen und gebären einen Sohn, nach dem wir verlangen viel tausend Jahre schon!

Weihnachten kam heran. Ein altes Brauchtum umrankte die Festtage. Noch bei Dunkelheit morgens begann der Gottesdienst. Auf das Engelamt folgte mit deutschen Liedern das Hirtenamt. Als erstes Lied intonierte dann die Orgel das von allen Kirchenbesuchern freudig erwar-tete „In dunkeler Nacht" . . . Die jubilierende Gemeinde setzte ein und vom gebeugten Mütterlein, wie vom klei-nen Schulkind hallte es, von kräftigen Männerstimmen unterstützt, durch den feierlich geschmückten Kirchraum bis hinaus auf die träumenden Weihnachtsfluren:

1. In dunkeler Nacht, die Hirten noch wach. Es schweiget und neiget sich alles zur Ruh. Die Herden tun weiden auf blumigen Heiden, die Hir ten tun beten dem Ewigen zu.

2. Und himmlischer Glanz umstrahlet sie ganz. Sie staunen und fürchten das heilige Licht. Da nahet sich ihnen mit himmlischer Miene, mit seligem Blicke ein Engel und spricht:

3. Nicht fürchtet euch mehr das himmlische Heer! Und preiset und jubelt dem himmlischen Zelt! :Es ist euch geboren zu Bethlehems Toren -in niedriger Hüt te der Heiland der Welt!:

Das Lied ist verklungen. Jetzt erst war so richtig und innig Weihnachten in die Herzen eingekehrt.

Das alte Jahr ging zu Ende. Bei einem gemütlichen Glas Bier erwarteten die Männer meistens den Schlag der

letzten Stunde. Es ist zwölf! Man wünscht sich „a glück-seligs nubs (neues) Johr allseits!" und schon setzen die klangvollen Männerstimmen ein:

1. Der Himmel steht offa, s-weißt neamed worum, und ein jeder muß streiten und kämpfen dorom!

2. Arme Seele, arme Seele komm zu miar herein, beichte du mir deine Sünden, sei'n sie groß oder sei'n sie klein.

3. Sei'n sie groß oder sei'n sie klein, mit himmlischem Fleiß; O, so werden ja deine Kleider ja alle schneeweiß!

4. Schneeweiß und so weiß, und so weiß als der Schnee, und so wollen wir miteinander ins Himmelreich eingeh'n!

5. Ins Himmelreich eingehen, ins himmlische Paradeis, wo Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist!

Eine kurze Unterhaltung folgte. Man überdachte die alten Zeiten, erinnerte sich an diesen und jenen, an Vater und Mutter, die alle schon das Zeitliche gesegnet hatten. Und schon hallt es vom nächsten Tisch herüber und alle stimmen wehmütig mit ein:

1. N u r noch einmal in diesem meinem Leben möcht ich meine lieben Eltern wiederseh'n! O, wie vieles wollt ' ich darum geben, o, könnte dies nur einmal noch gescheh'n! Ich wollte sie mit wonnevollen Blicken und mit wahrhaft kindlichem Vertrau'n sie an meinen heißen Busen drücken Und freudevoll ihr Angesicht beschau'n!

2. Denk ich an jene frohen Stunden, als ich bei meinen lieben Eltern oftmals saß! -O - die Wonnen, die ich da empfunden, als ich mein Stückchen Brot mit ihnen aß! Ich wußte nichts von Gram und bangen Sorgen, es war mein Herz von Freuden immer voll. Ich war vergnügt am Abend wie am Morgen, o, damals ging es mir ja immer gut!

3. Doch das Schicksal hat sie mir entrissen, Meine Freude, mein Glück, mein höchstes Gut, für welche jetzt noch meine Tränen fließen, und dankbar noch, solang ich lebe hier. Mutter, die du mich mit Schmerz geboren, ich weiß, du liebtest mich so sehr. Und auf ewig hab ich dich verloren, und auch mein Vater lebt schon längst nicht mehr.

4. Ihr sorgtet stets für mich und meine Brüder, ihr zöget uns zu guten Menschen auf. Und nimmer seh ich euch ihr Eltern wieder, der liebe Gott nehm' euch zu sich hinauf. Dort möget ihr nun ewig bei ihm wohnen, dort sehet ihr nun Gottes Angesicht. Der Himmel möge euch ihr Eltern lohnen, was ihr an euren Kindern habt getan!

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5. O - alle, die ihr noch das Glück genießet, daß eure Eltern noch am Leben sind, so suchet stets ihr Leben zu versüßen und zeiget, daß ihr gute Kinder seid. O - bittet Gott, daß sie noch lange leben, behandelt sie gerecht und liebevoll! Seid euren Eltern immer froh ergeben, so geht es euch auf Erden immer wohl!

Die angeführten, ortsgebundenen Lieder, um 1920 her-um vom Einsender gesammelt, sind außer dem Lied „In dunkeler Nacht" am Orte kaum mehr bekannt. Schon der Weltkrieg 1914-18 hat die erste Unterbrechung in der Überlieferung herbeigeführt. Da sie in keinem Lie-derbuch aufgezeichnet sind und ihre Herkunf t trotz vielfacher Nachforschung bis heute nicht ermittelt wer-den konnte, gerieten sie immer mehr in Vergessenheit.

Hierzu haben neben anderem auch die rasch einsetzende Industrialisierung und der Strukturwandel in den länd-lichen Verhältnissen, in der Lebens- und Denkweise beigetragen.

Die herrlichen Heimatlieder stammen aus einer ver-gangenen Epoche. Sie haben den Menschen viel Freude geschenkt und ihr religiöses Leben mitgetragen. - Ob die neue Zeit mit ihrer vielfachen Vergötterung des Wissens, der Erfolge der Technik und des Fortschrittes den Menschen eine ebenso gesicherte leibliche und seeli-sche Geborgenheit gewährleistet wie die vergangene Epoche, ist nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen zu bezweifeln.

Anm. Die Melodie zu den Liedern kann auf Wunsch Liebhabern zugestellt werden.

M A N F R E D H E R M A N N

Die einstige Sebastianskapelle zu Inneringen

Für die Menschen vor mehr als 200 Jahren war St. Se-bastian nicht allein der Patron stolzer Schützengesell-schaften und der Schutzherr edler Ritter, für den ein-fachen Mann in Stadt und Land bedeutete der Heilige ein mächtiger Helfer in Zeiten schlimmer Seuchen, ins-besondere der Pest. Wir machen uns heute kaum mehr ein Bild vom Grauen und der Angst, die zwei Pestwellen 1611 und 1635 im Land verursacht haben. Da die Toten-bücher der einzelnen Pfarrgemeinden nur selten über 1650 zurückreichen, läßt sich schwer ein genaues Bild über die Bevölkerungsverluste gewinnen.

Bemerkenswert ist die Angabe von Dekan Johannes Rieger in Gammertingen anläßlich der Visitation des Kapitels Trochtelfingen 1612 „Alle Konfratres hätten mit wenigen Ausnahmen aus Ungunst der Zeit die Kate-chetische Lesung (gemeint ist wohl die Christenlehre) nicht weitergeführt. Darob gefragt, klagten alle, die Knaben und Mädchen in diesem Alter seien durch die gerade grassierende Pest hinweggerafft worden". Nahezu alle Orte der Region dürften somit von der ersten Pest-welle heimgesucht gewesen sein. Auf Grund der von Pfarrer und Dekan Georg Benkler sen. 2 sehr sorgfältig geführten Kirchenbücher gibt es für Inneringen genaue Unterlagen über die Pesttoten dieser Gemeinde3 . Da-nach verloren 1611 nicht weniger als 211 Menschen ihr Leben; im Jahr 1635 raffte der schwarze Tod sogar 277 Einwohner des Albdorfes dahin, das ist jeweils ein Viertel der Bevölkerung. Ähnliche Zahlen gelten zweifel-los auch für die anderen Orte im Land.

In diesen entsetzlichen Seuchenjahren ist die Verehrung des Pestpatrons Sebastian vielerorts gewachsen. So geht die einstige Sebastiansbruderschaft in Harthausen/Scher auf das Jahr 1635, „die Zeit der allgemeinen Pest in Schwaben", zurück4 . Weit älter ist dagegen die gleich-namige Bruderschaft in Sigmaringen, die am 12. April 1483 errichtet und um 1690 erneuert wurde 5 . In der einstigen Ritterherschaft Gammertingen-Hettingen legen noch zwei Kapellen Zeugnis für die besondere Verehrung des hl. Sebastian durch die Freifrau Dorothea Speth ab, die nach dem Tod ihres Mannes und ihres ältesten Sohnes 1586 bis 1599 die Herrschaft führte: die Sebastians-kapelle in Feldhausen5 a und die Sebastianskapelle in

Hettingen 5b. Offensicitlich wurde die letzte jedoch nicht erst 1612 durch Dorotheas Sohn, Ludwig Friedrich Speth von Zwiefalten, und seine Gemahlin Susanna von Rat-

St. Sebastian

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St. Rochus

zenried erbaut, da sie bereits am 6. Oktober 1591 durch Weihbischof Balthasar Wuorer von Konstanz geweiht worden war 6c. Folglich dürf te die Kapelle einige Zeit vorher, wohl durch Dorothea Speth, entstanden sein.

N u r wenigen wird bekannt sein, daß auch Inneringen neben der Heiligkreuz-Kapelle, der Dreifaltigkeits-Kapelle und dem kleinen Waldheiligtum Mariä-Nöten-wang an der Straße nach Egelfingen eine Sebastians-kapelle f>m Rand des Dorfes besaß. Sie wurde 1839 abgebrochen, da der Unterhalt so vieler Nebenkirchen fü r die Pfarrei allmählich eine zu große Last geworden war. Nach alter Ortstradition stand sie auf der kleinen Anhöhe am Nordrand des Dorfes.

Wie das Anniversar-Buch I I 6 in einem Anhang berich-tet, wurde die „St. Sebastiani Kappel anno 1611 bey damahliger großer Pest errichtet". Die Wohltäter hätten soviel gestiftet, daß ein Überrest des Geldes nach voll-endetem Bau der Kirchenfabrik zugewiesen worden sei. Aus einer späteren Beschreibung kennen wir auch die weiteren Patrone der Kapelle, die sicherlich mit einer Darstellung vertreten waren: den hl. Nikolaus und den hl. Rochus7 . Der Altar wurde 1694 konsekriert, im gleichen Jahr erlangte man für die Besucher der Kapelle am Sebastianstag einen vollkommenen Ablaß.

Durch Johann Otts Dorfchronik 8 erfahren wir weiter, daß unter Pfarrer Johann Heinrich Gauch (1717-32 in Inneringen) neben der Dreifaltigkeits- und der Nötenwang-Kapelle auch die Sebastianskapelle aus Mitteln der Heiligenpflege renoviert worden sei. Offen-sichtlich genügte fü r die Kirchenbesucher jedoch der Platz nicht mehr, oder die Kapelle war etliche Zeit danach baufällig geworden. Jedenfalls „hat Ihro Exzellenz der H e r r P fahr r (und Kammerer Anton Joseph von Langen) anno 1756 die heilige Niclauß-Capellen von Neyem bawen und erweitern lassen und hat er Her r P fahr auf sein aygen Cösten daß Alterle machen und mahlen

lassen". Zwar tri t t hier der hl. Nikolaus als Schutzherr des Heiligtums auf (sein Bild hat offensichtlich die Mitte des kleinen Altares geziert), dennoch ist hier die Se-bastianskapelle gemeint. Am 4. August 1763 wurde die Sebastians-Kapelle zugleich mit der Nötenwang-Kapelle mit großer Feierlichkeit vom Konstanzer Weihbischof Franz Carl Joseph Graf von Fugger u. Weißenhorn eingeweiht. Zusätzlich werden wir auch über das litur-gische Leben am Heiligtum unterrichtet: „Also wird darzu mal an S. Sebastian Tag in dieser Capellen ein Lob Ambt sambt nachmitagiger Vesper (gehalten), all wo Niemallen bye Manß gedenckhen eine heilige Meß alldorten gelesen worden ist".

Nach dem Inneringer Festkalender im Anhang des Anni-versarium II wurde der 20. Januar als ganzer Festtag begangen. Dies geschah auf Grund eines in den Pest-jahren 1611 und 1635 abgelegten Gelübdes (devotio). Nach dem Offizium in der Pfarrkirche, wo die Heiligen-pfleger Gaben für die Kerzen zu Ehren des hl. Sebastian sammelten, zog man in Prozession zur Sebastianskapelle, wo dann das feierliche Amt gesungen wurde. Wahr-scheinlich war auch in der Pfarrkirche und zwar am Muttergottes- bzw. Rosenkranzaltar ein Sebastians-Bild-nis aufgestellt, vor dem die Kerzen brannten. Zudem wurde der Seuchen- und Pestpatron auch in der Heilig-kreuz-Kapelle am evangelienseitigen Nebenaltar verehrt. Zwar ist heute die Sebastians-Kapelle aus dem Dorfbild verschwunden, dennoch sind uns noch drei hervorragende Plastiken aus dem Heiligtum erhalten: der hl. Sebastian und der hl. Rochus an den hinteren Langhauspfeilern der Pfarrkirche, sodann der hl. Bischof Nikolaus auf einem Inneringer Pfarrspeicher. Freilich wird kaum noch jemand den Zusammenhang mit der einstigen Kapelle kennen. Nachdem die Figuren zu den bemerkens-wertesten Barock-Schöpfungen im Umkreis gehören, soll ihnen noch besondere Achtung geschenkt werden.

Der hl. Blutzeuge Sebastian9 am hintersten südlichen Langhauspfeiler der Pfarrkirche ist in der üblichen Weise nackt wiedergegeben, nur mit einem im Wind wirbelnden Lendentuch bekleidet, an einen Baumstamm gefesselt und von vier großen Pfeilen durchbohrt. Durch den weit zurückgesetzten linken Fuß und den nach oben gestreckten und gebundenen rechten Arm kommt reiche Bewegung in die Gestalt. Das schmerzvolle Antlitz des zur rechten Schulter geneigten Hauptes wendet sich hilfesuchend zum Himmel. Noch ist also der Heilige in sein irdisches Leiden hineingestellt, fast scheint er sich in den Qualen zu winden. Lebendig ist am Brustkorb, an Armen und Beinen das Spiel der Muskeln herausge-arbeitet, sehr genau sind die Kniescheiben wiederge-geben. N u r an der Gestaltung von Fingern und Zehen zeigen sich gewisse Schwächen des Schnitzers. Über dem Kopf des Heiligen schwebt ein reizender, draller Putto, dessen Körperachse parallel zum rechten Arm des hl. Sebastian verläuft. Die gesamte Plastik entspricht weit-gehend dem hl. Sebastian am rechten Seitenaltar der Pfarrkirche Grüningen bei Riedlingen. Freilich sind bei der Inneringer Figur die Qualen des Gemarterten, ja das ganze Pathos überzeugender ausgefallen. Der Körper-haltung nach zu schließen hat die Plastik in der ehe-maligen Sebastianskapelle - vom Beschauer aus ge-sehen - auf der rechten Seite des Altares gestanden.

Auf der Gegenseite befand sich einst als weiterer Pest-patron ein hl. Rochus10 , heute am hintersten nördlichen Langhauspfeiler der Pfarrkirche. Nach der Legende wurde er um 1295 in Montpellier in Südfrankreich ge-boren. Als Rompilger soll er in Italien Pestkranke ge-pflegt und geheilt haben und dabei selbst angesteckt

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worden sein. Im Jahr 1327 ist er in seiner Heimat ge-storben. Auch hier ist der Heilige in der üblichen Weise als Pilger dargestellt, in einen fußlangen Rock mit brei-tem, vorn verschließbarem Schulterumhang gekleidet, auf den zwei Pilgermuscheln geheftet sind. An den Füßen trägt Rochus einfache, hochgebundene Sandalen. In der Rechten hält er den Pilgerstab mit Wasserflasche, mit der Linken weist er, zugleich den hochgeschobenen Rock zurückziehend, auf die vortretende Pestbeule am rechten Oberschenkel. Wie beim Sebastian ist auch hier das emporgewandte Antlitz vom Schmerz geprägt und Hi l fe suchend wiedergegeben. Jeder Muskel im Gesicht scheint auf das Äußerste gespannt, die Züge von Qual gezeichnet. Rechts zu Füßen des Heiligen liegt ein Hund , den Kopf zu ihm erhebend, einen Laib Brot im Maul. Die Plastik des hl. Rochus ist ihrem Gegenstück gegen-über ebenbürtig ausgefallen, freilich zeigen sich an den Händen mit den überlangen Fingern noch größere Schwächen als vorher.

Zu den beiden Pestheiligen gesellt sich als einstige Mittel-figur ^es Altares ein hl. Bischof Nikolaus 1 1 - heute auf einem Inneringer Pfarrspeicher - in bemitleidenswertem Zustand. Durch den Verlust des linken Vorderarmes mit dem typischen Attribut (Buch mit drei Goldkugeln) ist er nicht ohne weiteres als solcher zu erkennen, doch ge-hört er mit den beiden oben besprochenen Heiligen stilistisch zusammen. Die kräftige, gedrungene Gestalt erscheint in Pontifikal-Gewändern, also in langer Souta-ne, mit Chorrock und Stola, ein Pluviale mit plastischer Borte, die Mitra auf dem Haup t . Das leicht aufwärts gewandte Gesicht mit offenem Mund wird von fülligem H a a r und gewelltem halblangen Bart gerahmt. Die Au-genbrauen sind nach oben gezogen und verleihen dem Antlitz einen gespannten, flehenden Aufblick. Mit dem beliebten Volksheiligen, der insbesondere als Patron der Handelsleute und Seefahrer gilt und zu den 14 Nothel-fern gezählt wird, vereinigten die bedrängten Inneringer ihr Gebet. Ihm und seinen beiden Begleitern am Altar,

die dem Pfeil und der Pest stand gehalten haben, ver-dankten sie Trost in jeder Not . Welcher Künstler hat nun die Figuren, fü r die es leider keine direkten Belege bzw. Rechnungen mehr gibt, ge-schaffen? Am leichtesten lassen sich fü r den hl. Bischof Martin Vergleichsstücke finden. Sofort fällt eine nahezu völlige Übereinstimmung mit den beiden Bischöfen am Hochaltar der Pfarrkirche Grüningen bei Riedlingen auf, der 1748 entstanden ist und dessen Schnitzarbeiten vom „Bildhauer von Sigmaringen" 12 geliefert worden sind. Abgesehen von der Beinstellung, ist der dortige linke Bischof mit der Nikolaus-Figur in Inneringen na-hezu identisch, nicht nur in der Behandlung der Gewän-der und ihrer Verzierungen (Borten, Schließe, Brust-kreuz), sondern auch in der künstlerischen Handschrift . Ohne Zweifel war hier derselbe Schnitzer am Werk. Wie bereits oben bemerkt, lassen sich viele Gemeinsamkeiten auch bei den Sebastiansfiguren in Grüningen und Inne-ringen entdecken. Freilich hat der Meister in der Wieder-gabe der seelischen Haltung, des Leidens und des Pathos bei der Inneringer Plastik deutliche Fortschritte gemacht. Wer ist aber der „Bildhauer von Sigmaringen"? Mit ihm ist niemand anders gemeint als der ehemalige Mitarbeiter des Riedlinger Bildhauers Joseph Christ ian1 3 , nämlich Franz Magnus Hops, der sich 1740 in Sigmaringen nie-derließ und dort fürstlicher Hofbildhauer wurde 14. Er muß die drei Figuren für die Inneringer Sebastians-kapelle geschaffen haben. Freilich scheint sein Todes-datum (3. Januar 1756) 15 dagegen zu sprechen. Wir dürfen jedoch die Stelle in Johann Otts Inneringer Dorf -chronik dahin interpretieren, daß Kapelle und Altar schon auf den Sebastians-Tag des Jahres 1756 fertig-gestellt worden sein könnten. Jedenfalls haben wir in diesen Schnitzereien wohl die letzten Arbeiten des Sig-maringers vor uns, die in der zweiten Hä l f t e des Jahres 1755 entstanden sind. In ihnen erweist sich Hops als einer der fähigsten hohenzollerischen Bildhauer, dessen Werk doch weit größer ist, als es Marta Schimmelpfennig von der Oye 1936 geschildert hat.

1 Joh. Adam Kraus, Aus den Visitationsakten des ehem. Kapitels Trochtelfingen, in: Freiburger Diözesan-Archiv 1953 (Bd 73 oder 3 F 5. Bd); S. 152

2 Von 1610 Feb 5 bis zu seinem Tod am 24.9. 1640 Seelsor-ger in Inneringen. Er stammte aus Sentenhart und kam aus Röhrenbach/Linzgau. Nach dem großen Aderlaß der ersten Pestwelle von 1611 brachte er mehrere Angehörige nach In-neringen. Er war ein opfervoller Pfarrer während der Pest und des 30-jährigen Krieges. Er wurde Dekan des Landka-pitels Riedlingen und starb, nachdem er „über 30 Jahre lang das Amt des Pfarrers mit größter Sorgfalt versehen hatte" (Anniversarium II, P fA Inneringen). Er stiftete die Madon-na der Nötenwang-Kapelle. Die Inschrift auf dem Rücken der Figur „R. D. M. G. B." ist zu deuten: Reverendus Do-minus Magister Georg Benkler; leider ist die Auflösung des Zusatzes noch nicht gelungen. - Das Totenbuch der Pfarr-gemeinde Inneringen beginnt mit dem Jahr 1598.

3 Johannes Maier, Siegfried Krezdorn, Die Geschichte des Ortes Inneringen, o. J., S. 197 ff.

4 Johann Adam Kraus, Die Pestbruderschaft in Harthausen auf der Scher, in: Hohenz. Heimat (HH.) 1959, S. 58 f.

5 Johann Adam Kraus, Die Sebastiansbruderschaft Sigmarin-gen, in: H H . 1963, S. 15.

5a Manfred Hermann, Zur Geschichte der Sebastianskapelle in Feldhausen, in: H H . 1973, S. 55 f. Kunstdenkmäler Hohenzollerns - Kr. Sigmaringen 1948, S. 155 ff.

5t> Kunstdenkmäler Hohenzollerns - Kreis Sigmaringen 1948, S. 159 f.

"c Not iz in H H . 1953, S. 47. 8 P f A Inneringen, Mortuarium sive Liber Anniversariorum

Ecclesiae Inneringanae, angelegt im Jahr 1733, S. 65. 7 S. Anm. 6, S. 68. 8 P f A Inneringen, angelegt im Jahr 1722 ff., S. 17 ff. 9 Lindenholz, vollrund, neuere Fassung. GesH mit Baum-

stamm u. Engel 126 cm, H mit Kopf 94 cm, br 65 cm u. t 42 cm. Engel h 38 cm. Zum Verständnis des Heiligen s. Anm. 4.

11 Lindenholz, hinten ausgehöhlt, Fassung wohl 18. Jh., jedoch 91 x 45 x 31 cm.

11 Lindenholz, hinten ausgehölt, Fassung wohl 18. Jh, jedoch vollkommen verschmutzt. Der Bischofstab ist abgebrochen. 103 x 42 x ca. 30 cm. Eine gründliche Renovation wäre bei der qualitätvollen Figur dringend erforderlich.

42 P f A Grüningen, Kirchenpflege-Rechnungen 1748/49 S. 8, 12, 13 und 15. vgl. Rolfhuber, Joseph Christian - der Bildhauer des schwäbischen Rokoko, Tübingen 1960, S. 82.

13 Franz Magnus Hops stand im Jahr bei Christian in Arbeit. S. Rolf Huber, S. 18.

14 Marta Schimmelpfennig von der Oye, Skulptur und Stuk-katur des Rokokos in Hohenzollern, Berlin 1936. Teil I: Franz Magnus Hobs, S. 11-28.

15 P f A Sigmaringen, Totenbuch. Übrigens könnten die Inne-ringer Figuren unvollendet gewesen sein. Die Hände des Rochus sind offensichtlich später ergänzt.

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J . A. K R A U S

Volkssprüche von der Alb 1) Wenn die Glocke in den Kelch schlägt (Glockenschlag während der Erhebung des Kelches bei der Messe), stirbt jemand.

2) Wenn das Ewige Licht hell brennt, desgleichen.

3) Wer am Morgen f rüh niest, wi rd an dem Tag erzürnt .

4) Schwalben, die am Hause nisten, bewahren vor Blitz-schlag. 5) Wenn man eine Sau kauft , muß ein Wisch Stroh mit aus der Steig, damit das Tier gut gerät (groanet).

6) Wenn zwei gleichzeitig dasselbe sagen, erlösen sie eine Arme Seele.

J O H A N N A D A M K R A U S

Gammertingen und das Kloster St. Gallen

7) Wenn eitle Mädchen nachts in den Spiegel schauen, guckt ihnen der Teufel entgegen. 8) Wenn jemand stirbt, muß man alles Lebende im Haus von der Stelle rücken, auch Vieh, Mehl, Eier, Brot usw. 9) Wenn jemand in der Karwoche wäscht, gibts eine Leichenwäsch. 10) Ein Unglückstag, wenn man mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bett aufsteht, oder wenn einem eine schwarze Katze über den Weg läuft. 11) K o m m t ein kleines Kind erstmals in ein Nachbarhaus, so soll man ihm ein Ei (Stotter-Ei) geben, damit es leichter sprechen lernt. 12) Wenn einem Kind ein Zahn ausgeht, werfe es ihn rückwärts über den Kopf und sage: „Bopperzahn, Bop-perzahn, komm bald wieder an" , dann wächst bald ein neuer.

Zwei kleine Not izen in War tmanns Urkundenbuch von St. Gallen (Schweiz) beziehen sich auf unser Gammer-tingen und scheinen merkwürdigerweise bisher nicht be-achtet worden zu sein. Es heißt dor t im Band I I I , S. 825: „Die Mönche des Klosters erhalten am Feste des hl. Mat thäus (21. September) als Sondergabe Fische samt Wein und ein kleines Brot aus Gamert ingen".

Und Seite 828 desselben Bandes heißt es: „Von Hausen: Zum Uebertragungstag des hl. Benedikt (16. Juli) erhalten dieselben vier Gerichte mit Wein, einem größeren Brotlaiblein, Fleisch, Käse, Eier und Bohnen. U m den Jahrestag des Abtes N o r d p e r t (1034-72, gestorben an einem 2. September) erhalten sie vier Gerichte wie oben, also mit Wein und einem größeren Laiblein. Am Matthäustag (21. Sept.) bekommen sie laut Anordnung des Abtes Wernher (1133-67) Wein, Fische, und ein kleines Laiblein von Gamertingen." Die beiden Einträge stammen etwa aus dem Jahr 1200, auf alle Fälle sind sie nach dem Jah r 1167, dem Todes-jahr des Abtes Wernher, eingetragen. Obwohl der H e r -ausgeber der Urkunden unter diesem Hausen das Dorf bei Bernang (St. Gallen) vermutete, w o f ü r jeder Anhalts-punk t fehlt, möchte man aus der Zusammenstellung mit Gammertingen doch eher auf das Dörflein Hausen an der Laudiert (also oberhalb Gammertingens) t ippen, wo das Schweizerkloster bis zur Reformationszeit das Recht hatte, den Pfar rer zu präsentieren. Aber, wuchs damals Wein tatsächlich in und um Gammertingen? Wir wissen es nicht! Dessen Güte steht sowieso nicht zur Frage. Wohl trieb man noch Weinbau bis um 1700 in den alten St. Gallischen Pfarreien Rangendingen und Zell am Zollerberg, bzw. Boll. Man kann es daher fü r möglich halten, daß dieser Wein aus Gammertingen bzw. Hausen a. d. L. ursprünglich von dort stammte. In einer Urkunde des Jahres 1370 wird nämlich dieses Hausen (dann bis um 1500 auch Zaiselshausen) genannt, und zwar als Propstei (Mon. Zoll. I, S. 213). Es scheint also eine Ar t Verwaltungsmit telpunkt oder Sammelstelle der klöster-lichen Pfarreien unserer Gegend gewesen zu sein, nämlich für Truchtelfingen (mit Hof und Kapelle zu Ringingen), Willmandingen, Rangendingen, Zell am Zoller und Frommern ( H J H 1954, 36-51). Propst heißt der Vor-steher oder Leiter eines kleinen Klösterleins. Wir wissen

freilich von einem solchen zu genanntem Hausen nichts Näheres. Wie kam nun St. Gallen zu diesen Einkünf ten aus Gam-mertingen und dem nahen Hausen a. d. L.? Die Lebens-zeit des genannten Abtes Wernher weist m. E. auf den St. Galler Schutzvogt, den Grafen „Uodalricus deGamir-tingin", von dem berichtet w i rd : „Nach seinem und seines Söhnleins Tode ha t Abt Wernher gegen Zahlung von 300 Mark Silber die Schutzvogtei dem Grafen Rudolf von Pf Ullendorf übertragen". Dies geschah laut Urkunde im Jahre 1166 (Karl Schmid, Graf Rudolf v. Pfullend. , Frbg. 1954, 283-84). Kurz vorher muss Graf Ulrich von Gammertingen gestorben sein, denn das Kloster war bestimmt darauf bedacht, schnell wieder einen Schutzvogt zu bekommen. H . M. Maurer häl t diesen Gammertinger Schutzvogt des Klosters St. Gallen für Ulrich I I I . von Gammertingen, dessen Vater Ulrich von 1116-44 erwähnt wird (Hohenz. He ima t 1966, 57 f.). Des Söhnleins Tod könnte mit der Gründung des Klosters Mariaberg bei Gammertingen zusammenhängen, das laut Überlieferung dem Tod zweier (!) Knaben der gräflichen Stifterin seinen Ursprung verdankt . ( H J H 1956, 110 ff). Wie lange die wirtschaftlichen Beziehungen Gammertingens mit dem Kloster St. Gallen dauerten, darüber scheinen die Quellen zu schweigen.

Nacht rag: Das Stiftsarchiv von St. Gallen teilte mir auf Anf rage mit, daß das Wor t Probst 1370 in Hausen nicht so sehr ein Filialklösterlein bezeichne, als vielmehr eine Sammelstelle der Einkünf te des Klosters, geleitet von einem Mönch, der Propst (praepositus) hiess (Verweis auf H . Bikel, Studie über die Wirtschaftsverhältnisse des Klosters St. Gallen, Freiburg 1914 S. 192-197).

Anmerkung der Redakt ion zum Weinbau in Gammer-tingen. In den Urkunden des Klosters Mariaberg läßt sich bis ins 15. Jahrhunder t ein Weinberg nachweisen. Dieser Weinberg (in über 700 m Höhe) ist als Flur-namen noch bekannt und die Anlage ist im Gelände deutlich zu sehen. Demnach scheint es im Mittelalter sogar auf der Höhe der Alb, an geschützten Südhängen natürlich, Weinbau gegeben zu haben. D a ß der Weinbau aufgegeben wurde, dür f te seinen Grund in einer Kl ima-verschlechterung haben. Diese braucht nur geringfügig zu sein, wi rk t sich aber doch in extremen Lagen entsprechend aus.

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J. A. KRAUS

Junginger Pfarrerliste Im Jahre 1488 Trennung von der Pfarrei Killer

Bereits um 1933 hat Pfarrer Benno Kramer in „Der Zoller" eine Liste der Seelsorger von Jungingen veröf-fentlicht, auch auf Tafeln in der Kirche anbringen las-sen. Seitdem fanden sidi Ergänzungen. Bis 1488 gehörte der Or t zur ums Jahr 750-800 entstandenen Pfarrei Killer. Doch schon 1473 heißt die Junginger Kirche vor-ausschauend „Pfarrkirche" und bereits 1483 ist von der „neuen Pfarrei" die Rede. Offiziell erfolgte die Trennung von Killer jedoch erst 1488, wie auch damals Hausen von Killer getrennt wurde. Patron war der Graf von Zollern. Als Seelsorger sind bekannt geworden:

1. Veit Kipf t (fälschlich auch „Wiek"), wurde am 21. Juli 1488 als Pfarrer proklamiert, am 8. Dez. 1488 investiert, wird bis 1503 genannt. - 2. Simon Kopp, angebl. 1503-1533, investiert 1515, zahlt 6 fl als Erst-früchte. - 3. Johannes N., 1533, Erstfrüchte 8 fl. -4. Renhard Link, Verweser, am 18. Febr. 1536, am 10. 3. 1535 aus Erpfingen vertrieben, das lutherisch wurde; Dekan des Kapitels Trochtelfingen. Kam 15'43 nach Ringingen. - 5. Georg Wolfgang aus Hechingen, proklamiert am 10. 3. 1543. - 6. Johannes Sun aus Hechingen, um 1552 Verweser des ganzen Tales: Hausen bis Schlatt. Er war 1549 geweiht, zunächst nach Schwall-dorf gekommen. - 7. Paulus Wernher, um 1556. - 8. Zimprecht Miller, resigniert 1576, war schon jahrs zu-vor abwesend. - 9. Hieronymus Kircher (Kirchher), hier als Verweser 1575, proklamiert 10. Okt . 1576. -10. Augustin N. , 1579. - 11. Madtin Rauch aus Sig-maringen, 1584, vorher und wiederum 1593 Pfarrer in Owingen. - 12. Matthäus Faber seit 1586, ist 1590 noch nicht investiert. - 13. Johannes N., 1592. — 14. Bartholomäus Vattlin aus Hundersingen (Vater aus Trochtelfingen!) 1594, doch erst am 12. Apr. 1595 ernannt, invest. 17. 6. 1595, studierte 1575 in Freiburg, starb 1611 an Pest. Seine Schwester 1617 als Hexe verurteilt (Mitt. a. d. fürstebg. Archiv II, 950). -15. Michael Agricola (Baur), 1612-1626 und länger. -16. Vitus Bölzlin 1629-1631, aus Ehingen. Geweiht 1627. - 17. Mg. Jakob Mayer 1631-1635, starb an Pest, stammt aus Schmiechen, war 6 V2 Jahre Kaplan in Hettingen, 4V2 Jahre Kaplan in Mengen. - 18. Wilhelm Rudolph aus Meßkirch, 1635 ff. war dann 1650 in Burladingen. - 19. Bernhard Mayer 1641. - 20. Ver-weser Johann Mösner, Pfarrer von Hausen, 1640-44. -21. Hans Heinrich Göser (Geiser), 18. 9. 1643 Verweser (Göser stammte wohl aus Jungingen!). - 22. Mg. Ma-thias Vöhringer 1645 f. (Nr. 17 bis 22 scheinen in Schlatt gewohnt zu haben.) - 23. Sebastian Elsäßer, resign. 1657. - 24. Nikolaus Hohenschildt aus Hechingen, invest. 30. Aug. 1657. Ging später nach Lautlingen. -25. Johann Jakob Schaller, präsentiert 12. März 1661, invest. 27. Juli 61, stammt aus Luzern in der Schweiz, hier bis zum Tod am 5. Oktober 1692. - 26. Johann Jakob Schübel, Maigster, 1693 bis zu seinem Tod am 7. Nov. 1711. War schon am 20. Dez. 1692 präsentiert worden; Schübel stammte aus Rottenburg. - 27. Johann Christoph Mang, 19. Febr. 1711 bis Januar 1715. 28. Frz. Friedrich Höger, 16. Jan. 1715 bis März 1744. - 29. Karl Anton Dobler aus Radolfzell, Juli 1744 bis Mai 1753. War geboren 1720; Jungingen hatte 705 Einwoh-

ner. - 30. Josef Stengele aus Kolbingen, bg. 1721, hier 1753 bis Febr. 1761, bisher Kapl. in Fridingen. -31. Nikolaus Pflaum (Pflumm) aus Zimmern 1761-1772 bis Mai. - 32. Franz Joseph Marchand aus Hechin-gen, 1772-84. Hat te einen Vikar Gomeringer 1784-88. - 33. Joseph Anton Weiger, Sept. 1785 bis Juli 1788, geht nach Hausen am Tann. - 34. Johann Konr. Luk. Vitalowitz von Hechingen, geb. 1739, hier vom Juli 1788 bis Nov. 1812. - 35. P. Cherubin von St. Lu-zen-Hechingen, Nov. 1812 bis Juli 1813 und nochmals März bis Juli 1816. - 36. P. Dionys Funk, vormals Guardian bei St. Luzen, bisher in Thanheim, hier vom Juli 1813 bis März 1816, wo er starb. - 37. Raphael Huber, geb. Owingen 1776, hier vom 19. Juli 1816 bis Februar 1826. Erbaute die hiesige Pfarrkirche 1819. Sein Vikar war Franz Anton Seitz, geb. in Hechingen 1796, hier Febr. bis Mai 1826, dann Pfarrer in Than-heim. - 38. Joseph Anton Mayer von Hechingen, geb. 1797, geweiht 1821, hier vom Mai 1826 bis Februar 1831, ging nach Rangendingen (FDA 17, S. 17). 39. Jo-hann B. Kohler von Jungingen, geb. 1790, hier vom Febr. 1831 bis Nov. 1843, ging nach Stein (FDA 17. S. 20). - 40. Franz Xaver Klaffschenkel von Burladin-gen, geb. 1807, hier vom 1. Dez. 1843 bis Juni 1853, ging nach Imnau, wo er am 14. Febr. 1867 starb (FDA). - 41. Pfv . Johann Nep. Birkle, Juni 1853 bis Febr. 1854. (FDA 20. S. 30). - 42. Gottfried Pfister von Hechingen vom März 1854 bis Nov. 1863. -43. Pfv . Mang, vom Dez. 1863 bis Mai 1865. - 44. Pfv . Wunibald Kernler von Hausen a. A., vom Mai bis August 1865, zugl. Pfarrer in Ringingen. - 45. Pfv . Gustav Stauß vom August 1865 bis Juli 1869. - 46. Ot to Fischer von Iserlohn, geb. 1839, ordiniert 9. Aug. 63 in Mainz, hier vom Juli 1869 bis Sept. 1886 (FDA 28, S. 229). - 47. Pfv . Joseph Söll von Weildorf, vom Okt . 1886 bis Jan. 1887 (FDA 59, 1931, S. 42). - 48. Pfv . Franz Wächter, vom Febr. 1887 bis Juni 1888 (FDA 59, S. 12). - 49. Eugen Maier von Gruol, Pfv . vom Sept. bis Dez. 1888 (FDA 59, S. 9). - 50. Joseph Schä-fer von Bargen, geb. 1860, hier vom Jan. 1889 bis April 1893 (FDA 59, S. 32). - 51. Alois Schneider vom Mai 1893 bis Okt . 1896 (FDA 28, 277). 52. Vikar Alois Ruff von Zimmern, vom Okt . bis Dez. 1896 (FDA 68, 13). - 53. Pfv . Karl Barth von Melchingen, Jan. bis Aug. 1897 (FDA 64, S. 39). - 54. Johann Scherer von Bingen, vom Aug. 1897 bis Mai 1907 (FDA 39, S. 59). -55. Pfv . Anton Funk von Hechingen, Mai bis Okt . 1907 (FDA 54, S. 45). - 56. Franz Pohl von Sigmaringen, vom Dez. 1907 bis Okt. 1926. (FDA 68, 1941, S. 13). -57. Benno Kramer von Hechingen, Geistl. Rat, Monsig-nore, hier von Okt . 1926 bis zum Tod am 31. März 1949 (FDA 71, 1951, 230). - Vikare: Viktor Haug aus Wald, Mai bis Okt . 1936. Verunglückt in Steinbach am 17. Sept. 1938 (FDA 68, 1941, 19). - Paul Gröner von Glatt, Mai 1937 bis 1940. P. Anton Beiter, Weißer Vater, 1940. Dann P. Alfred Noker, Weißer Vater, von Okt . 1940 bis 1945. Ludwig Huber, vom 4. Febr. 1946 bis 1948, dann erzbischöfl. Hofkaplan , dann Pfar-rer in Oberwinden. 58. Pf. Eugen Wessner aus Har t -hausen a. d. Sch. seit 1949, investiert 11. Juni 1950. Ad multos annos!

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J O H A N N ADAM KRAUS

Nochmals Wandplättchen Auf den Bericht in H . H . 1974, 27 über Ofenwand-Plättchen in Ringingen meldete sich überraschend Herr Dr. Hans-Ulrich Roller vom Württembergischen Muse-umsverband Stuttgart und wies hin auf H e f t 12/13 „Der Museumsfreund" von 1971 (Verl. Herrn. Rösler, Schorndorf), worin Herr Dr. med. Karl Hillenbrand eine Unmenge Nachweise und Bilder solcher Plättchen aus Baden und Württemberg darbietet. Zentralen solcher Fliesenherstellung waren Heimsheim, Simmozheim, Neu-bulach und Holzgerlingen. Auf Seite 85 wird berichtet, daß nach dem letzten Krieg im Stuttgarter Altertums-handel eine ganze Wand solcher Plättchen aus der Gegend Salmendingen-Meldiingen auftauchte (Größe je 15 zu 15 cm), von denen einzelne Stücke laut Abbildungen N r . 72-74 mit den Ringinger Exemplaren auffallend übereinstimmen. Zehn davon erwarb der Verfasser Hillenbrand, die übrigen gingen ans Badische Landes-

museum in Karlsruhe. Solche Fliesen finden sich heute auch in den Sammlungen Calw, Langenau, Speyer, Villingen, Kandern usw., solche aus Meldungen auch in der Sammlung Alfred Hagenlocher in Reutlingen. Ein-zelne abgebildete Stücke zeigen die Namen „A. E. Schlos-ser in Meldungen", „Katharina Wernerin 1782", „Anselm Lefler 1782". Die s. Z. ausgesprochene Vermutung, die Ringinger Wand könne von Meldungen stammen, scheint sich zu bestätigen. Es müßte anhand der Melchinger Kir-chenbücher wohl möglich sein, den Hersteller, einen Mel-chinger Hafner um 1782-88, festzustellen. Sonderbar finde ich, daß bei uns im Hohenzollerischen bisher nie-mand auf diese eigenartigen Erzeugnisse der Hafnerkunst hingewiesen hat. Das Hef t 4/5 „Der Museumsfreund" (1964) beschreibt mit Text und Bild verschiedene Arbeiten von Zieglern, also Dachplatten, Backsteine, Bodenplatten mit Orna-menten, Aufschriften etc. aus ältester bis neuerer Zeit. Darunter finden sich auch Bodenfliesen mit Wappen, Bildern, Inschriften wie „trit midi", „precedit veritas", „maria hilf", „ars longa" usw. (S. 89) aufgeführt .

GREGOR R I C H T E R

Die Fabrikordnung von Karlstal bei Haigerloch als Quellenbeispiel

Die in den Archiven vorhandenen Quellenzeugnisse las-sen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten auswerten. Die mittelalterliche Urkunde über den Eigentumsüber-gang eines Grundstücks kann beispielweise für das dabei beachtete rechtliche Verfahren, für damals gebräuchliche Flurnamen, für die Zahlungsweise und Vergleichswerte, für die Geschichte von genannten Personen und Familien oder für die aus der Reihenfolge der Nennung abzule-sende Stellung eines Zeugen im ständischen System Er-kenntnisse ermöglichen. Im Regelfall müssen die Forscher viele gleichartige oder aufeinanderfolgende Quellenstücke durchsehen und auswerten, ehe sie zeittypische Zustände oder Entwicklungstendenzen zu erkennen und darzustel-len in der Lage sind. Der einzelne Quellenbeleg würde die Vielfalt seiner Aussagen ohne die Arbeit des Forschers dem Leser nicht offenbaren.

Daneben gibt es aber auch Quellenschriftstücke, die für sich allein stehen, unmittelbar ansprechen, Einblicke in geschichtliche Zustände vermitteln und zu Vergleichen mit der Gegenwart anregen können. Längst sind ge-schichtliche Quellen dieser Art dem Arbeitsunterricht in den Schulen nutzbar gemacht und in Lehrbüchern oder gedruckten Quellensammlungen dargeboten worden. Die Auswahl läßt sich aber hierbei durchweg von überregio-nalen Gesichtspunkten bestimmen, um an berühmten Vorgängen, Namen oder Orten das Beispielhafte aufzu-zeigen.

Daneben sollten jedoch die Quellen der näheren Heimat nicht übersehen werden, die den eigenen Erfahrens- und Erlebensbereich betreffen und verdeutlichen, daß auch unsere überschaubare Umwelt der geschichtlichen Be-dingtheit unterliegt.

Solche heimatgeschichtliche Quellen lassen sich zu den verschiedensten historischen Bereichen ausfindig machen. Zur Geschichte der Industrialisierung und der davon be-einflußten Arbeitsverhältnisse liefert die Karlstaler Fa-brikordnung ein Beispiel. Sie hat folgenden Wort laut :

F A B R I K - O R D N U N G

für die Fürstliche Baumwollspinnerei in Karlsthal bei Haigerloch 1

A. Allgemeine Bestimmungen.

§ 1

Alle auswärtigen Fabrik-Arbeiter, welche entweder in den Fabrik-Gebäuden, oder in Haigerloch wohnen, ha-ben sich mit obrigkeitlichen Heimathscheinen bei der Fürstlichen Fabrik-Verwaltung auszuweisen. Die Heimathscheine werden bis zum allenfallsigen Dien-stesaustritte bei der Beamtung verwahrt.

§2

Die regelmässigen Arbeits-Stunden sind:

von f rüh 6 bis Mittag 12 Uhr und von Nachmittag 1 Uhr bis abends 8 Uhr. Zum Beginnen und zur Beendi-gung der Arbeit wird mit der Fabrik-Glocke ein Zeichen gegeben.

Sollten besondere Umstände ausnahmsweise längere Ar-beitszeit erfordern, so haben sich die Arbeiter die Ver-längerung der Arbeitszeit ohne Ausnahme, jedoch stets gegen verhältnismässige Erhöhung ihres Lohnes, gefallen zu lassen.

§ 3 Die Ausbezahlung der Arbeits-Löhne erfolgt alle 14 Tage und zwar in der Art, daß z. B. der Lohn, welcher vom 1. bis 14. eines Monats verdient wurde, erst am 28. des-selben Monats verabreicht wird.

Der Arbeiter behält daher immer ein Guthaben von 14 Taglöhnen bei der Fabrik-Kasse im Ausstande, und dieses Guthaben der Arbeiter dient der Fabrik als Gewährlei-stung für die genaue Pflichterfüllung der Fabrik-Arbeiter und als Sicherheit gegen muthwillige Beschädigungen an Gebäuden und Maschinen.

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Geldvorschüsse und Abschlags-Zahlungen auf den Ver-dienst der Arbeiter finden nicht statt, da selbe nur zu Irrungen Veranlassung geben und Weitläufigkeiten im Geschäfts-Gange verursachen.

§ 4 Sollte ein Arbeiter am Zahltage unrichtig gezähltes oder ungangbares Geld erhalten, so hat der Empfänger die Anzeige davon auf der Stelle zu machen, indem nach-trägliche Reclamationen nicht berücksichtigt werden kön-nen.

§ 5 Alle Arbeiter, welche in das Fabrik-Geschäft aufgenom-men zu werden beabsichtigen, haben sich bei der Fürst-lichen Fabrik-Verwaltung zu melden, und diejenige Ar-beiter, welche wieder austreten wollen, haben von der Anmeldung ihres Austrittes an, welche nur an einem Zahltage angebracht werden kann, noch 4 Wochen lang im Dienste zu verbleiben. Mehr als 3 Aufkündigungen an einem und demselben Zahltage werden nicht angenommen.

§ 6

Wer ohne vorgegangene Anmeldung austritt, oder ohne hinreichenden Grund aus der Arbeit bleibt, verliert sein Guthaben am Lohne (§ 3 oben).

Dieser verlorene Lohnes-Betrag soll aber nicht der Fa-brik-Kasse zum Vorteile gereichen, sondern, wenn anders die Fabrik-Kasse keine Ansprüche auf Schadens-Ersatz zu machen hat, sollen solche Lohnes-Abzüge zur Unter-stützung kranker oder zur Belohnung solcher Arbeiter verwendet werden, die sich durch besonderen Eifer und Geschicklichkeit ausgezeichnet haben.

§ 7 Tabakrauchen ist in allen Theilen der Fabrik-Gebäude wegen Feuersgefahr aufs strengste verboten.

§8

Complotte unter den Arbeitern, Aufreizungen derselben zur Unbotmäßigkeit, sowie die Unbotmäßigkeiten ein-zelner Arbeiter sind strenge verboten. Anstifter der Com-plotte werden dem Gerichte zur Untersuchung und Be-strafung überliefert. Dagegen steht jedem Arbeiter, wenn er sich über Sachen oder Personen zu beschweren hat, der Weg zur Verwaltung oder nöthigenfalls zur höheren Stelle 2 offen, wo gerechten Beschwerden gewiß das Ge-hör nicht versagt wird.

§ 9

Veruntreuungen jeder Art, selbst die anscheinend unbe-deutenden, werden dem Gerichte zur Untersuchung und Bestrafung überwiesen. Gleiches Verfahren wird gegen solche Individuen beobachtet, welche Wissenschaft von Veruntreuungen anderer haben, und selbe nicht zur An-zeige bringen, oder das Veruntreute bergen, oder zur Verwerthung desselben behülflich sind.

§ 10 Gratulationen und Ceremonien am Neujahrstage, N a -mensfesten etc. haben als überflüssig, und Pathendienste der Beamten und Aufseher gegenüber von Fabrik-Arbei-tern als unstatthaft zu unterbleiben.

§ 11

Nichtbeachtung vorstehender Bestimmungen oder Zuwi-derhandlungen werden nach vorgegangenen Verweisen durch Lohnes-Abzüge gebüßt, und damit sich kein Arbei-ter mit Unkenntniß der Bestimmungen dieser Fabrik-Ordnung entschuldigen könne - wird jedem Arbeiter ein

Exemplar beim Dienstes-Antritte zugestellt und über dieses andere Exemplare in allen Arbeitssälen angeschla-gen.

B. Besondere Verpflichtungen

I. Der Meister und Aufseher

§ 12 Das Geschäft des Meisters erfordert:

daß derselbe 1) ohne Rücksicht auf die vorgeschriebene Arbeitszeit

leiste, was sein Amt erfordert, insbesondere die ihm anvertrauten Maschinen bestens warte und besorge,

2) ausser diesem der Erste und Letzte an der Arbeits-stätte seye,

3) ohne Notwendigkeit seine Leute nie verlasse, 4) daß der Meister sein Ansehen gegen die Untergebene

stets durch anständige Begegnung und Behandlung behaupte, gegen alle Arbeiter gleichen Gerechtig-keits-Sinn ohne allen Eigennutzen bewahre, und zwar selbst in dem Falle, wenn es sogar auf gerechte Kosten der Dienstherrschaft gehen müßte,

5) hat der Meister für Handhabung der Fabrik-Ord-nung besondere Sorge zu tragen, und alle Zuwider-handlungen anzuzeigen, um nach vorgegangener Un-tersuchung die Bußen regulieren und zum Einzüge bringen zu können,

6) hat der Meister keinen Betrunkenen im Fabrik-Ge-bäude viel weniger bei der Arbeit zu gedulden,

7) keinen Arbeiter in seinen Sälen zu leiden, wenn er in denselben zur Arbeit nicht eingetheilt ist,

8) Krämer, Obsthändler und überhaupt Niemanden ist der Eintritt in die Fabrik zu gestatten, der nicht mit einer Einlaß-Karte versehen ist. Fremde, welche ohne Eintritts-Karten sich zum Ansehen der Fabrik mel-den, sind, jedoch stets mit Höflichkeit, abzuweisen,

9) für Ordnung und Reinlichkeit in seinen Sälen und Werkstätten hat der Meister strenge zu sorgen, und

10) genaue Aufsicht zu halten, daß die Spinner die ihnen beigegebenen Arbeiter, Kinder etc. zur exacten Ar-beit anhalten, selbe aber stets mit Güte behandeln, Kein Arbeiter, weder Kind noch Erwachsener, darf geschlagen oder gestoßen oder auf was immer für eine Art durch Wort und That gekränkt und be-schimpft werden.

Gegenüber dieser Verpflichtungen der Meister und Auf-seher sind folgende Obliegenheiten:

II . Der untergeordneten Arbeiter festgestellt

S 13

1) Der untergeordnete Arbeiter hat dem Meister die schuldige Achtung und Gehorsam nie zu versagen,

2) keine Fremde in die Fabrik einzuführen, 3) die vorgeschriebenen Arbeitsstunden genau einzuhal-

ten, 4) die Arbeit an keinem Tage und zu keiner Ta-

geszeit zu verlassen, ohne selbst in dringenden Fällen womöglich zuvor Erlaubniß eingeholt zu haben,

5) geistige Getränke sollen zu keiner Zeit in der Fabrik erscheinen, und in den Arbeits-Sälen weder Speisen, noch Obst, Brod u. dgl. genossen werden, weil durch Abfälle von denselben die Säle verunreinigt, und möglicher Weise den Maschinen Schaden zugefügt werden könnte,

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6) Ruhe und Stille soll in allen Arbeits-Sälen herrschen, und weder unnöthige Gespräche geführt, noch Hän-del und Spiele getrieben werden,

7) kein Arbeiter soll sich in Arbeits-Zimmer begeben, worin er nichts zu schaffen hat,

8) gebrauchte Gegenstände hat kein Arbeiter im Wege stehen zu lassen, sondern selbe nach gemachtem Ge-brauche selbst wieder am gehörigen Orte zu versor-gen,

9) Beschädigungen an Gebäuden und Gerä tschaf ten , sowie Verunreinigungen derselben und Besudeln der Wände und Mauern sind bei angemessener Strafe verboten, und der Schaden-Ersatz gegen den Ueber-treter dieser Anordnung vorbehalten. Endlich

10) selbst im äusseren Umfange der Fabrik ist den Ar-beitern strenge Reinlichkeit zur Pflicht gemacht.

Vorstehende Fabrik-Ordnung wurde der Fürstlichen Landesregierung zur hohen Bestätigung vorgelegt.

Karlsthal bei Haigerloch den 14. November 1838

Die Verwaltung der Fürstlichen mechanischen Baumwoll-Spinnerei

Dieser Fabrik-Ordnung wird die diesseitige Genehmi-gung mit folgenden Bestimmungen ertheilt:

§ 1

Die Fürstliche Fabrik-Verwaltung hat in Gemäßheit der Verordnung vom 24. März 1825 (G.S.II.175 3) die Hei-mathscheine der Fabrik-Arbeiter jährlich in der ersten Woche des Monats Mai dem Oberamte Haigerloch zur Einsicht und Prüfung vorzulegen.

§2

Dieselbe hat ferner ein allgemeines Dienstbuch anzule-gen, in welchen alle Anmeldungen sowohl zum Dienst-eintritte als auch zum Austritte nach der Zeitordnung, in welcher sie erfolgen, mit Namen, Heimath, Wohnort und Alter der betreffenden Arbeiter verzeichnet, auch beim Austritte die Gründe, wodurch dieser veranlaßt worden, angegeben, und von dem Austretenden unterschriftlich anerkannt werden sollen.

§ 3

Die Fürstliche Fabrik-Verwaltung hat von 3 zu 3 Mona-ten die für den Austritt angegebenen Gründe, sowie alle ohne die vorgeschriebene Anmeldung erfolgte Austritte einzelner Arbeiter und die wegen Nachlässigkeit oder sonstigen Verschuldens angeordnete Entlassungen den be-treffenden diesseitigen Aemtern anzuzeigen, damit Lez-tere bei Vertheilung der Armen-Unterstützungen von diesen Anzeigen geeigneten Gebrauch machen können, wenn ein ohne hinreichenden Grund aus dem Fabrik-dienst getretener oder aus Verschulden entlassener Arbei-ter später in den Fall kommen würde, Unterstützungen aus den Armenfonds in Anspruch zu nehmen.

§ 4 Schulpflichtige Kinder dürfen nur in soweit zu Fabrik-Arbeiten verwendet werden, als hiedurch der gesetzliche Schulbesuch nicht beeinträchtigt wird.

§ 5

Vorstehende Bestimmungen sind der Fabrik-Ordnung beizufügen und mit dieser druken zu lassen. Abdrüke hievon hat die Fabrik-Verwaltung nicht nur hieher vor-

zulegen, sondern auch denjenigen Aemtern mitzutheilen, aus deren Bezirken Arbeiter in der Fabrik angestellt wer-den, Sigmaringen den 4. Dezember 1839.

Fürstl. Hohenzollernsche Landesregierung Mok 4 Dopfer 5

Die Karlstaler Fabrikordnung ist ein frühes Beispiel fü r die neuen Produktions- und Arbeitsverhältnisse am Be-ginn der Industrialisierung in unserem Raum. Die Fabrik selbst verdankte ihre Existenz und ihren Namen dem Fürsten Karl von Hohenzollern6 , der mit dem 1838 gegründeten Werk die dürftigen Verhältnisse der Gegend verbessern und den armen Bewohnern Arbeit und Ver-dienst verschaffen wollte 7

Im Unterschied zu den Zunftordnungen, die für die je-weiligen Handwerkszweige einer Stadt und später eines ganzen Territorialstaates galten, regelten die Fabrikord-nungen lediglich die Verhältnisse in einer einzigen Fa-brik. Sie waren eine spezielle Art des Arbeitsvertrages, den die Beschäftigten mit dem Eintritt in den Betrieb an-erkannten. Wie groß der Abstand der hier sichtbar werdenden Zu-stände zu den Verhältnissen unserer Zeit sind, wird nicht nur in den Vorschriften von § 2 über die Arbeitszeit oder von § 12 Ziff. 10 bzw. von § 4 des Genehmi-gungserlasses sichtbar, die von der Kinderarbeit als einer Selbstverständlichkeit ausgehen. Der Passus über die Ver-wendung von Lohnabzügen für kranke Arbeiter erinnert daran, daß erst in späterer Zeit Betriebskrankenkassen spezielle, und gar erst nach einem halben Jahrhundert die Bismarckschen Sozialgesetze für allgemeine soziale Fürsorge der von Krankheit betroffenen Arbeitnehmer sorgten. Daß die Pflicht zur Vorlage der Heimatscheine die aus-stellende Gemeinde als diejenige Stelle auswies, die im Notfal le den Arbeiter zu unterstützen hatte, die Stadt Haigerloch somit vor unberechtigten Ansprüchen frei-stellte, mag nicht ohne weiteres verständlich sein. Dage-gen ersieht man unschwer aus § 3 des Genehmigungser-lasses, daß bei selbstverschuldetem Verlust des Arbeits-platzes Folgen für den Anspruch auf Sozialfürsorge ent-stehen konnten. Die Abschnitte über die Arbeitszeit, über die strenge Dis-ziplin oder über die Kinderarbeit dürften bei kritischer Würdigung Aufmerksamkeit verdienen. Daneben werden jedoch auch das Verbot der Prügelstrafe, die Ansätze so-zialer Fürsorge für kranke Arbeiter und der zugesicherte Anspruch auf gerechte Behandlung zu beachten sein. Im ganzen aber ist zu begreifen, daß es sich um ein Do-kument einer anderen Epoche handelt, das aus seiner Zeit heraus verstanden werden muß und in der Diskrepanz zur Gegenwart das Ausmaß geschichtlicher Entwicklung zu verdeutlichen vermag.

1 Nach dem Plakatdruck im Staatsarchiv Sigmaringen Be-stand H o 202 (Fürstliches Oberamt Haigerloch) Nr. 853.

2 Gemeint ist die Landesregierung, der die Fabrikverwaltung unterstand.

3 Sammlung der Gesetze und Verordnungen für das Für-stentum HohenzoIIern-Sigmaringen von 1821-1826, 2. Band.

4 Quirin Mock, Direktor der Landesregierung, vgl. Hof - und Adresshandbuch des Fürstenthums HohenzoIIern-Sigmarin-gen, 1844, S. 26.

5 Xaver Dopfer, Assessor bei der Landesregierung, vgl. eben-da.

6 Fürst Karl kam 1831 zur Regierung und dankte 1848 ab. 7 Vgl. Franz Xaver Hodler, Geschichte des Oberamtes Hai-

gerloch, 1928, S. 427.

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S C H L A C H T V O N O S T R A C H

In diesem Jahr waren 175 Jahre vergangen seit der Schlacht von Ostrach am 21. März 1799. Wir haben im April-Heft darüber berichtet. Jetzt bleibt anzuzeigen, daß im Herbst die Gemeinde Ostrach ein Diorama dieser Schlacht gekauft hat, das in Überlingen bei der alljähr-lichen Zinnfiguren-Ausstellung im Heimatmuseum auf-gestellt war. Es ist das Werk eines Schneidermeisters aus Reutlingen, Flüchtling aus Sachsen, der den Buchbühl von Ostrach und den Morgen jenes Tages in 2500 win-

zigen Figuren festgehalten hat. Das Diorama, getreu bis zum letzten Uniformknopf, entstand aus zahlreichen Studien in den zuständigen Archiven in Paris und Wien und kann zur Besichtigung, wenn es einmal im neuen Heimatmuseum von Ostrach aufgebaut ist, nur empfoh-len werden. Unser Bild vermittelt nur einen kleinen Ausschnitt. Vorne vorgehende französische Infanterie, dahinter ansteigend der Buchbühl, auf dem heute das Denkmal steht. Bild: Leonie Frick

ROBERT F R A N K

Weildorf im 16. Jahrhundert Ein Querschnitt durch die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse

Vorwort: Der Verfasser dieses Artikels ist in Weildorf (bei Haiger-loch) geboren und aufgewachsen und hat dies zum Anlaß genommen, seine Zulassungsarbeit zur 1. Dienstprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen (im Früh-jahr 1973 an der P H Reutlingen) seinem Geburtsort zu widmen. Die ersten Anregungen, über Weildorf zu schrei-ben, erhielt der Verfasser von seinem beratenden Dozent an der P H in Reutlingen, Herrn Prof. Dr. Rudolf Seigel. Im folgenden Artikel bringt der Verfasser eine Kurzfas-sung seiner Zulassungsarbeit.

1. Kurzer Überblick über die Geschichte des Dorfes Weildorf

Wir erfahren von Weildorf erstmals am 3. Mai 786, als ein Graf Gerold von Nagold u. a. auch Güter in Weil-dorf dem Kloster St. Gallen übertrug. Damals wurde der Or t „Uvildorof" genannt \ Weildorf lag in der Ber-toldsbar und war mit Fischingen und Mühlheim der Empfinger Mark zugeschrieben. Weildorf hatte früher einen eigenen Adel. Bei einer Schenkung des Grafen Adalbert von Zollern-Haigerloch bei Wilfingen an das Kloster St. Georgen im Schwarz-wald im Jahre 1095 werden unter anderen Lehensleuten

des Grafen auch ein „Adelbertus de Wildorf miles" (Rit-ter) als Zeuge genannt. Auch 1472 werden Konrad, Otto und Peter Dietrich „von" Weildorf erwähnt. Weildorf gehörte schon 1274 zur Grafschaft Hohenberg und Herrschaft Haigerloch. Man erfährt davon, als nach dem Tode des in Weildorf ansässigen hohenbergischen Dienstmannes Boiehart seine Witwe Agnes als Nonne in das Kloster Kirchberg eintrat und dem Kloster Besitzun-gen. in Weildorf vermachte. Dazu gab Graf Albert von Hohenberg am 21. 12. 1274 seine Zustimmung. Dem Orte erging durch die Zugehörigkeit zur Herrschaft Haigerloch das gleiche Schicksal wie dieser: diese wurde des öfteren verpfändet. Die Herrschaft Haigerloch war vermutlich nicht sehr wertvoll; auch wird sie wegen der abgeschiedenen und im Winter trostlosen Lage der Stadt, dem Zentrum, nicht sehr beliebt gewesen sein. So wurde Weildorf am 2. Juli 1375 an den Herzog Leopold von Österreich und 1392 mit anderen Dörfern der Herrschaft Haigerloch an Kon-rad von Weitingen verpfändet. 1436 kommt es mit der Herrschaft als Pfand an die Herren von Stoffeln, 1449 an Graf Ludwig von Württemberg, 1488 an Österreich. In der ersten Hälf te des 15. Jh. war Weildorf u. a. auch im Besitz der Edlen von Bubenhofen. Im Urbar von 1472

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der Herrschaft Haigerloch heißt es: „I tem Litfr id Buckenmayr, git jerlich uß seim hof der der Bubenhoffer gewesen ist, den yetz die herschafft innhaut ( . . . ) " 2. Auch noch in einem Verzeichnis der Lehen, Schupposen und Hubgüte r in der Herrschaft Haigerloch, gefertigt unter Graf Christoph (1522-1536), wird dieser H o g er-w ä h n t 3. Die Herrschaft , und somit auch Weildorf, kommt 1497 endgültig an Zollern, als Graf Eitelfriedrich II . die ganze Herrschaf t von König Maximilian gegen die Herrschaft Rhäzüns eintauscht. Diese Herrschaft in Graubünden war durch die He i ra t Eitelfriedrichs I. mit Ursula von Rhäzüns 1432 an Zollern gekommen.

2. Kurzer Überblick über die Geschichte der Herrschaft Haigerloch

Nach Eisele 4 sind im 11. Jh. die Grafen von Zollern im Besitz der Herrschaft . Doch Jochen Laubis 5 glaubt, daß die Herrschaft Haigerloch zu dieser Zeit im Besitz der Grafen von Haigerloch-Wieseneck war , da der zu dieser Zeit lebende Graf Adalber t von Zollern mit dem Grafen Adalber t von Haigerloch nicht gleichzusetzen sei, da die Grafenhäuser Zollern und Haigerloch-Wieseneck nichts miteinander zu tun hätten. Erst nach dem Tode von Wezel, dem letzten Grafen von Haigerloch (gest. nach 1162), seien die Zollern auf bisher ungeklärte Weise in den Besitz der Herrschaft gekommen.

Anschließend kommt Haigerloch an die den Zollern ver-wandten Grafen von Hohenberg. Mit dem allmählichen Verfall des Hauses Hohenberg beginnt für die He r r -schaft Haigerloch die Zeit der Veräußerungen und Ver-pfändungen, bis Haigerloch 1381 an Österreich ve rkauf t wird. In die Zeit zwischen 1354 und 1381 6 fäl l t die ver-waltungsmäßige Trennung der Stadt Haigerloch in die obere und untere Stadt . Zur oberen Stadt gehören die Dör fe r Gruol, Heiligenzimmern, Weildorf und Bittel-bronn; zur Burg und niederen Stadt gehören Trillfingen, Steinhofen, Owingen, Rangendingen, H a r t , Bietenhau-sen, Höfendor f , Hospach und Imnau. „Nach den Besitz-verhältnissen zu schließen, ist der Zubehör zur oberen Stadt der ältere. Er ist geschlossener und u m f a ß t Lehen und Huben . Der Burgzubehör hingegen besteht aus ein-zelnen herrschaftlichen Rechten und nur wenig Grundbe-sitz" 7. Betrachtet man nun die Besitzverhältnisse im 16. Jahrhunder t , so ist der Grundbesitz der Herrschaft in Weildorf nicht sehr groß. Nach Eisele 8 sei im 16. Jahr -hundert Gruol nur noch der einzige Or t , wo größerer haigerlochischer Besitz anzutreffen sei, und in Heiligen-zimmern gebe es nachweislich nach 1472 überhaupt kei-nen haigerlochischen Grundbesitz mehr. Demzufolge ha t in der Zeit der Verpfändungen ein Ausverkauf herr-schaftlichen Besitzes stat tgefunden.

Die Herrschaf t Haigerloch ist t rotz des Verkaufes an Österreich (1381) beinahe immer verpfändet (meist an den niederen Adel), da die Kaufsumme von Österreich nicht gleich erstattet wurde. So geht sie 1449 an Graf Ludwig von Würt temberg über. Die Grafschaft Hohen-berg fiel zwar 1481 an Österreich zurück, doch Graf Eberhard von Würt temberg erhielt Haigerloch. 1488 wurde die Herrschaft wieder von Herzog Sigmund ein-gelöst und blieb bis 1497 bei Österreich. In diesem Jahr tauscht Graf Eitelfriedrich II . von Zollern die ganze Herrschaft Haigerloch gegen die Herrschaft Rhäzüns (Graubünden), die durch He i ra t seines Großvaters Eitel-friedrich I. mit Ursula von Rhäzüns 1432 an Zollern ge-kommen war . Durch die Erbteilung Karls I. im Jahre 1575 unter seine Söhne, kam die Herrschaf t Haigerloch an Christoph, der dazu noch die Herrschaft Wehrstein erhielt.

3. Die Rechte und Besitzungen der Herrschaft Haiger-loch und die Verhältnisse der Untertanen

3.1. Landesherrschaft Landesherr war die Herrschaft Haigerloch in ihrem Ge-biet. Was diese Landesherrschaft auszeichnete, soll im fol-genden näher beschrieben werden.

Frevel und Gerichtsgefälle Nach dem Urbar von 1472 9 galt folgendes: der Blut-frevel kostet drei P f u n d Tübinger. Eine Klage (Be-schwerde) kostet ebenfalls drei P f u n d Tübinger. Für Raufhändel muß man fünf Schilling bezahlen, die dem Oberamtmann der Herrschaf t zustehen. Üble Nachrede wird mit drei Schilling geahndet, die dem Unte ramtmann gehören. D a ß man den Amtleuten, Dor fbeamten etc. einen Teil der Bußgefälle gab, mag damit zusammenhängen, daß man damit verhindern wollte, daß Strafsachen still-schweigend abgemacht und der Rechtsweg umgangen würde. Aus den Renteirechnungen der Herrschaft Haigerloch der Jahre 1558/59, 1564/65, 1570 und 1580/81 10 konnte ich u. a. entnehmen: wegen Schlagen mußten 13 P fund Heller bezahlt werden. Bei Raufhände l wurden zwei P f u n d Heller verlangt, bei einer „frevanlichen hannd-lung" 23 Pfund , acht Schilling und neun Heller , bei einer „fridbrechigung handlung" 31 P f u n d und fünf Schilling. Eine Frau mußte drei P f u n d Heller bezahlen, da sie bei einem Juden unerlaubt Geld entliehen hatte. Vergleicht man z. B. die Strafe bei Raufhände l 1472 und 1580, so ergibt sich eine Steigerung um das Achtfache. Überhaupt erreichen die Bußgefälle eine beträchtliche Höhe .

Ungeld (Umgeld)

Das Umgeld ist eine Verbrauchssteuer und wurde in der Herrschaf t vom Wein erhoben. Sie betrug einen Schilling fü r ein Omen Wein. In Weildorf gab es in der zweiten H ä l f t e des 16. Jah r -hunderts zwei Leute, von denen Umgeld gefordert wurde : von Hans Fischer (Beruf: Bäcker), der zwei H ö f e von der Herrschaft Haigerloch innehat, desweiteren von Do-minicus Maurer, der 16 Jauchert Grundstücke bewirt-schaftet. Diese beiden waren wohl die Gastwirte im Dorf . Laut der Renteirechnung der Herrschaft Haigerloch vom Jahre 1558/59 " hat H a n s Fischer 45 Omen Wein aus-geschenkt. Das macht also zwei P f u n d und fünf Schil-ling Umgeld. Dominicus Maurer hat im gleichen Zeit-raum (ein Jahr) 24,5 Omen Wein ausgeschenkt, was ein P fund , vier Schilling und sechs Hel ler Ungeld ausmacht. So betrug das Aufkommen an Ungeld in Weildorf fü r die Herrschaft im Rechnungsjahr 1558/59 insgesamt drei P fund , neun Schilling und sechs Heller. Laut den Renteirechnungen der betreffenden Jahre betrugen die Einnahmen an Ungeld 1531/32: 8 ß, 4 h ; 1538/39: 11 ß. Es ist also eine deutliche Steigerung der Geldein-nahmen, und somit auch des Verbrauchs zu erkennen. Weinbaugebiete waren in Weildorf um diese Zeit noch die Kra f tha lde (Gruoler Ha lde) und die Neue H a l d e (Weildorfer Halde) .

Schätzung Die Schätzung ist eine Landessteuer. Sie war ursprünglich eine Sondersteuer fü r besondere Zwecke (z. B. Krieg), wurde aber allmählich eine periodische Abgabe. Sie wurde für jedes Dorf festgelegt. Vom Dorf wiederum wurde sie auf die einzelnen Einwohner umgelegt. H ie r t ra t das Dorf als Leistungsgemeinde 12 auf . Die Schät-zung hatte, was Weildorf zumindest anbetriff t , eine kon-stante Höhe. Im Urbar von 1472 13 wa r die Schätzung

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eine halbjährliche Steuer auf Walpurga (1. Mai) und auf Martini (11. Nov.) mit jeweils fünf Pfund Heller, sowie eine jährliche Kornsteuer aus Veesen (gedroschener, aber noch nicht gegerbter, d. h., noch nicht enthülster Dinkel) und Haber über jeweils drei Malter auf Martini. 1594 14

hieß diese Landessteuer „Ablösung Schätzung", was dar-auf hindeutet, daß sie befristet sein sollte. Wie man aus der Schätzung für Weildorf (und auch fü r die anderen Orte der Herrschaft) ersehen kann, bestand die Schätzung aus einer Geld- und einer Naturalabgabe. Dabei stellte die Naturalabgabe wohl die ursprüngliche Bede dar, während der Geldbetrag die eigentliche Schät-zung darstellte; diese war somit eine Ergänzung zur Bede.

Der Großzehnt Er stand der Herrschaft zu und bestand aus der zehnten Garbe von den Halmfrüchten. In Weildorf waren dies Veesen, Haber und Rauhe Gerste. Aber auch von den Hülsenfrüchten Erbse und Linse wurde der Zehnt gefor-dert, was wir aus dem Gültverzeichnis von 1594 15 er-fahren. Hier heißt es vom Schütz, daß er für den Erb-senzehnt 12 Viertel Erbsen und ein Viertel Linsen bei-steuern soll. Auch im jährlichen Korpus (siehe unten) sind Erbsen enthalten. Auch die Pfarrei in der Oberstadt Haigerloch, eine Filiale von Weildorf, erhielt aus dem Lichtenbergacker (Zeig Gruol) den Kornzehnten. Im Ur-bar von 1472 wird der große Zehnt der „groß kornze-hend" 16 genannt. Diese Abgabe war wohl die schwer-wiegendste für die Bauern. Laut der Renteirechnung der Herrschaft vom Rechnungsjahr 1553/54 war der Groß-zehnt für Weildorf wie folgt festgelegt:

Veesenzehnt 71 Malter Haberzehnt 30 Malter Zehnt von der rauhen Gerste 1 Malter Erbsenzehnt 1 Malter

Es fällt auf, daß der Roggen von der Herrschaft Haiger-loch nicht als Zehntabgabe gefordert wird, obwohl dieser unter den grundherrlichen Abgaben am meisten verlangt wird. Dies kann man damit erklären, daß die einzelnen Grundherren für bestimmte Fruchtsorten eine Vorliebe haben. So wird Roggen zum größten Teil nur von den Klöstern Alpirsbach und Kirchberg gefordert (als H o f -gült), und ist somit wohl deren Hauptfrucht . Sie wollen dafür keinen Veesen als Hofgült , während die Her r -schaft Haigerloch den Großteil von Veesen (als Groß-zehnt) fordert. In der Renteirechnung der Herrschaft von 1547/48 er-fährt man auch, daß die Zehntabgabe nicht sehr beliebt war. Mehrere Weildorfer wurden mit drei Pfund Heller bestraft, weil sie die Zehntgarben „verelgt" (verbrannt?, versteckt?) haben. Die Höhe des Großzehnten wurde anscheinend jedes Jahr neu festgelegt, denn in der Renteirechnung von 1553/54 heißt es unter der jeweiligen Zehntabgabe fü r Veesen, Haber, Rauhe Gerste und Erbsen, daß der „Weyl-dorfer zehend dis jars verlien worden" sei um so und so viel Malter.

Korpus Dieses Leibgeding war zur Besoldung des Pfarrers be-stimmt. Es war eine fest bemessene, vom Zehntertrag un-abhängige Fruchtmenge. Dieses jährliche Korpus erhielt die Pfarrei in der Oberstadt Haigerloch (Filiale von Weil-dorf) aus dem Großzehnten der Herrschaft. Der Pfarrer bezieht diese Abgabe „ausser der zehend scheur auf dem thaen" 1 7 ( = Tenne: Fußboden der Scheuer), die wie folgt bemessen war :

Roggen 4 Malter Haber 2 Malter Veesen 4 Malter Erbsen 1 Malter

Kleinzehnt Er bestand in Weildorf aus Hanf , Flachs und Rüben und gehörte dem Pfarrer in der Oberstadt Haigerloch. In den Bereich des Kleinzehnten war alles einbezogen, was in Weildorfer Zwing und Bann (Markung) wuchs.

Etterzehnt Alles was im Etter (innerhalb des Dorfzaunes) wächst, gehört der Pfarrei in der Oberstadt. Der Etterzehnt war durchweg Kleinzehnt. In Weildorf erfahren wir aus diesem Anlaß auch den Verlauf des Dorfetters: „Item was im etther wächst, gehört der zehend dem Pfar -rer in Oberstat zue. Und facht an (beginnt) beym bom-lin, da der stain stat, zu Klein Weildorf an der Straß denselbigen marckhen, zwuschen Moritz Riester und Marx Leibfruden. Von derselben marckhen der furch nach abhin zwischen Moritz Riester und Marx Leibfru-den, biß uf der Clauserin von Weildorf (Klause Weil-dorf) wys. Von dannen uf dem Kleinen Weildorf waßen, und dan wider an das bomlin, da die marckhen stat" 18. Im Etter befinden sich hauptsächlich Wiesen und Gärten.

Heuzehnt Der Heuzehnt gehört teils der Herrschaft Haigerloch, teils der Pfarrei in der Oberstadt aus einigen Grund-stücken.

Weinzehnt Den Weinzehnt hatte bisher der Pfarrer in der Oberstadt Haigerloch erhalten, „doch ist die herschafft mit pfar -hern überkhomen (übereingekommen) das man ainem pfarrherrn jarlich dar für anthwurt , und gibt zehen omen weins under der halden vorlaß wein. Dagegen empfacht (empfängt) die bemelt (genannte) herrschaft den ze-hend" 19. Der Vorlaß, den nun der Pfarrer zum Teil da-für bezieht, daß jetzt die Herrschaft den Weinzehnten bekommt, ist der Wein, der selber ohne Pressung ab-läuf t ; der Qualität nach ist der Vorlauf das Beste. Wein-baugebiete waren in Weildorf, wie schon genannt, die Kraf thalde (Gruoler Halde) und die Neue Halde (Weil-dorfer Halde).

Neubruchzehnt Neubruchland ist Land, das nicht ursprünglich Ackerbo-den war. Von all diesem Land, das in Weildorfer Zwing und Bann (Markung) liegt, oder das noch Neubruchland werden soll, erhält der Pfarrer in der Oberstadt Haiger-loch den Neubruchzehnt, sofern diese Grundstücke nicht den Zollern (also der Herrschaft Haigerloch) zinspflichtig sind. Dieser Zehntbereich ist beschränkt auf die Flur „Gehrbolt" (Zeig Aichen).

Lebendiger Zehnt oder Blutzehnt Dieser Zehnt wird vor allem von jungen Tieren erhoben und ist in der Regel bei deren Geburt fällig. Er gehörte in Weildorf der Pfarrei in der Oberstadt Haigerloch und sollte „verzehendt werden wie zu Haygerloch" 20. Die Ablieferung erfolgte in der Oberstadt. Der Zehnt war wie folgt geregelt: Von einem Füllen (das geboren wird) erhält der Pfarrer einen Schilling. Für ein Kalb muß der Bauer, ist es ein Stier, sechs Heller geben, ist es eine Kuh, drei Heller. Und wird diese Kuh verkauft , wenn sie schon Milch gibt, dann muß der Bauer den zehnten Pfennig (10 Prozent) der Verkaufssumme abliefern. Von einem „laub" (?) und einem Kitzlein werden zwei Heller ge-fordert , egal ob es aufgezogen oder verkauft wird. H a t man einen jungen Bienenstand, so ist ein Schilling als Zehntabgabe fällig. Von jedem zweiten Wurf, egal ob es viel oder wenig Junge sind, muß dem Pfarrer ein Schwein gegeben werden. Von Gänsen, Enten und H ü h -nern muß jeweils ein Tier abgeliefert werden.

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Der Pfarrer hält als Empfänger des Kleinzehnten den Eber. Auf diese Weise kann der Geistliche kontrollieren, von welchem Bauern er demnächst ein Schwein als Zehnt-abgabe erhalten wird. Deshalb müssen die Bauern auch, hält der Pfarrer keinen Eber, als Entschädigung für den Pfarrer, folgende Abgaben leisten: In Weildorf zahlt der Bauer von jeder zweiten Fahrt, die er mit der Schweins-mutter an andere Orte (zum Eber) unternimmt, jeweils einen Schilling und sechs Heller. Trägt das Tier nicht, muß der Bauer nichts bezahlen.

Dorfvogt Der Vogt ist Vorsteher eines Amtes. Er ist herrschaftli-cher Beamter und zugleich Genosse der Bauern; daher rührt sein „Januskopf". Die Aufgaben sind die Verwal-tung und ein Teil der Gerichtsbarkeit. Der Vogt hatte über sich den adligen Obervogt, im 16. Jahrhundert in Hechingen ansässig. Weildorf und Bittelbronn bildeten ein Amt. Der Vogt von Weildorf war zugleich Vogt in Bittelbronn (mit Henstetten). Dies wird ersichtlich, als die Erneuerung (Erfassung der Grundstücke) des Klosters Kirchberg in Weildorf und Bittelbronn (mit Henstetten) beendet ist und verlesen wird. Die Verkündigung erfolgt vor Marx Leibrid, dem damaligen Vogt aus Weildorf, und vor den Gerichten zu Weildorf und Bittelbronn 21. Diesen Dorf -vogt nannte man auch Untervogt, da er über sich einen höhergestellten Vogt, den Obervogt, hatte.

Pfarrpfründe

Die Herrschaft Haigerloch kontrolliert seit 1536 22 das gesamte Kirchenvermögen, und somit auch in Weildorf. Deshalb wurden unter diesem Abschnitt „Landesherr-schaft" auch solche Abgaben aufgeführt , die dem Pfarrer in der Oberstadt zustehen (Korpus, Kleinzehnt, Etter-zehnt, Neubruchzehnt, Blutzehnt). Die Dörfer hatten eigene Heiligenpfleger, die nicht der Herrschaft Rechenschaft ablegen mußten. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts waren Jörg Pfister und Hans Seeger Heiligenpfleger in Weildorf 23 . Nun aber hat der herr-schaftliche Amtmann das Recht, die Heiligenrechnungen zu prüfen. Verwaltet wird das Heiligenvermögen von herrschaftlichen Beamten, geistliche Verwalter genannt. Ein Heinrich Schweigtcker wird als geistlicher Verwalter erwähnt 2 4 . Diese Beamten besolden u. a. auch die Pfar -rer, Mesner und Schulmeister. Bisher habe laut einer Urkunde von 1470 die Heiligen-pflege in Weildorf den Kaplan der Frühmeßpfründe jährlich mit zehn Pfund Heller aus dem Heiligenvermö-gen besoldet. Von nun an erhält der Inhaber der Früh-meßpfründe, um 1530 Her r Endriß, von der Herrschaft das Geld. Hier erkennt man die Absicht der Herrschaft, auch die Angelegenheiten der Kirche unter ihre Kontrolle zu brin-gen. Von den Geistlichen werden auch Residenzpflicht und Pünktlichkeit verlangt. Ihre Aufgaben werden genau definiert: „Dargegen (für das Einkommen, das der Kaplan der Frühmeßpfründe in Weildorf nun von der Herrschaft er-hält) soll er alle sampstag vor dem bainhauß 25 seelves-per leßen mit rauchen (Weihrauch) und umbgon. Der-gleich ainem pfarher zugeberlicher (zu gegebener) zeit, wo er sein bedarffen und ers leibshalb thun mag, hand-raichen thun (behilflich sein)" 26. Woher der Geistliche sein Geld beziehen soll, ist auch erklärt : „Doch soll der pfarherr sollich zehen pfund hel-ler bey den zinßlewten empfahen (empfangen) und ein-nemen ( . . . ) " " . Die Geistlichen werden auch von der Herrschaft eingesetzt.

Schütz Der Schütz ist in etwa die Ortspolizei. Seine Aufgaben konnte ich keiner der mir vorliegenden Quellen entneh-men. Man erfährt lediglich von einem Schütz in Weil-dorf, als dieser für den Erbsenzehnt 12 Viertel Erbsen und ein Viertel Linsen geben muß 2S.

Bannrechte Hier interessiert zum ersten der Mühlenbann. Die Bann-mühlen für den Haigerlocher Bezirk waren nach Eisele29 wohl die beiden herrschaftlichen Mühlen in Haigerloch. Man mußte also hier sein Korn malen lassen. Zum einen sei dies die Mühle in der Flucht, und zum anderen die Hagmühle; nachweisen lasse sich dies nicht. Die beiden anderen Mühlen in der Herrschaft standen in Gruol (die des Klosters Alpirsbach) und in Heiligen-zimmern (die des Klosters Kirchberg). Dies waren Mahl-und Sägemühlen. In der ganzen Herrschaft Haigerloch gab es nur einen Marktort , und das war die Stadt Haigerloch. Im 16. Jh. waren am 24. 8. (Bartholomäus) und am 6. 12. (Niko-laus) Markttage3 0 , wovon bis auf heute der letztere übriggeblieben ist. Das Haigerlocher Maß gilt in ganz Weildorf fast unein-geschränkt. Nur das Kloster Alpirsbach kann bei zwei Abgaben einer seiner Höfe das Oberndorfer Maß durch-setzen.

3.2. Gerichtsherrschaft Die Gerichtsherrschaft lag in der Hand des Landesherrn, der Herrschaft Haigerloch (bzw. deren Eigentümer, die Grafen von Zollern). Sie war ein einträgliches Geschäft, stand dem Gerichtsherrn doch ganz oder teilweise das Gefälle zu (siehe unter „Frevel und Gerichtsgefälle"). Unter die gerichtsherrlichen Abgaben fallen auch das Rauchhuhn, zum Teil auch das Fastnachtshuhn und das Frongeld. Diese Abgaben werden weiter unten näher be-schrieben. Die hohe Gerichtsbarkeit stand in Weildorf und in der ganzen Herrschaft Haigerloch dem Grafen von Zollern zu, war also unabhängig von der Größe der Grundherr-schaft (die Herrschaft Haigerloch hatte relativ wenig Grundbesitz). Wer alleiniger Gerichtsherr war, war auch eigentlicher Dorfherr . Die anderen Grundherren waren dann nur noch Rentenempfänger. Sie waren dann ange-wiesen, ein gutes Verhältnis zum Gerichtsherrn zu haben, um z. B. gegen säumige Zahler gewappnet zu sein. Dem Dorfgericht oblag vor allem die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten. Es war auch zuständig für die nichtstreitige Gerichtsbarkeit, vor allem Liegenschaftsan-gelegenheiten und z. B. auch Mithilfe bei der Urbaran-fertigung. Desweiteren konnte das Dorfgericht über leich-tere Vergehen richten und Geldstrafen oder Gefängnis verhängen. Dieses Gericht konnte sieben bis zwölf Mitglieder haben. Dem Dorfgericht zu Weildorf war Bittelbronn zugewie-sen. Die beiden Ortschaften bildeten ein Amt und hatten einen gemeinsamen Vogt, der dem Gericht vorstand. Beim Abschluß der Erneuerung (Erfassung der Grund-stücke) des Klosters Kirchberg in Weildorf und Bittel-bronn (mit Henstetten) erfährt man von der Größe und Zusammensetzung des Gerichts31. Es setzt sich zusam-men aus dem Vogt und zwölf Richtern, die alle nament-lich genannt werden: Vogt: Marx Leibfrid; Richter: Ja-cob Leibfrid (Sohn vom Vogt), Conlin Mantz, Jörg Zürn, Benedict Fischer, Hans Seger, Bastian Junger, Hans Fischer, Frid Eplin, Bartlin Walckam, Theis Cost, Wolff Weihuser und Balthas Fechter. Die letzteren vier sind, wie ein Vergleich mit dem Leibeigenenverzeichnis von 1548 ergibt, von Bittelbronn. So ergäbe sich also

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folgende Besetzung des Gerichts: Vogt und acht Richter aus Weildorf, vier Richter aus Bittelbronn. Tagte das Gericht, so gab es auf Kosten der Herrschaft eine Ge-richtszehrung, wie aus den Renteirechnungen ersichtlich ist (1546/47 z. B. betrugen die Kosten für Gerichtszeh-rung 2 lb, 10 ß, 10 h). Die Gerichte zeigen in fast ganz Zollern den gleichen Aufbau: ein Vogt, 12 Richter. Appellationsinstanzen für die Malefizgerichtsbarkeit wa-ren das Fünfzehnergericht (eingerichtet 1458) und das Hofgericht (eingerichtet unter Eitelfriedrich II .)3 2 , beide in Hechingen. Dies galt solange, wie die Herrschaft Hai-gerloch zur Grafschaft Zollern gehörte. Hier kann man die Absicht der Zollern (also der Herrschaft) erkennen, den Rechtszug nur noch im eigenen Territorium zu ge-statten. Man darf also an kein höheres Gericht außerhalb der Grafschaft Zollern mehr appellieren.

Rauchhuhn Hier handelt es sich, wie oben genannt, um eine gerichts-herrliche Abgabe. Gerichtsherr ist der Graf von Zollern. Das Rauchhuhn wurde von jedem Haus (Feuerstelle, Rauch - daher der Name) in Weildorf gefordert. Im Urbar von 1472 33 heißt es, daß jedes Haus drei junge Hühner und ein Fastnachtshuhn (wohl ein altes Huhn) geben muß. Nach den Renteirechnungen der Herrschaft Haigerloch von 1553/54 und 1564/65 muß jedes Haus drei große Hühner geben. Laut obigen Renteirechnungen gab es 1554 in Weildorf 20 Häuser, das macht also 60 große Hühner ; 1564/65 hatte Weildorf 24 Häuser und somit 72 große Hühner abzugeben. In der Renteirech-nung dieses Jahres heißt es außerdem, daß jedes Haus, egal ob es eine Feuerstelle hat oder nicht, Rauchhühner geben muß.

Fastnachtshuhn Das Fastnachtshuhn ist eine gerichtsherrliche, und wie unter dem Kapitel „Leibherrschaft" später noch zu sehen ist, auch eine, leibherrliche Abgabe. Daß es eine gerichts-herrliche Abgabe ist, kann man aus der Renteirechnung von 1546/47 erkennen. Weildorf und Bittelbronn geben nämlich die 27 Fastnachtshühner zusammen ab. Bittel-bronn ist aber dem Gericht in Weildorf zugeordnet, beide bilden zusammen ein Amt. Im Rechnungsjahr 1553/54

ist diese Abgabe für Weildorf gesondert berechnet; ihre Höhe beträgt 20 Fastnachtshühner (20 Häuser hatte Weildorf laut Renteirechnung vom gleichen Jahr).

Fronen Die Fronen waren eine gerichtsherrliche Abgabe3 4 . Die Fronarbeit wurde im 16. Jahrhundert in der Herrschaft Haigerloch mit Geld abgegolten, so auch in Weildorf. Denn die Fronarbeit wurde widerwillig geleistet, hatten die Bauern doch selbst genug Arbeit zu erledigen. Als 1572 mit dem Umbau des Haigerlocher Schlosses begon-nen wurde, wurden die Fronen wieder mit Arbeit abge-leistet. Auch in der Zwischenzeit wurde am Schloß gear-beitet. Die Bauern wurden dafür entlohnt. Beim Holz-hauen für das Schloß werden auch elf Weildorfer ge-nannt, wobei nach Leistung (Klafter Holz) bezahlt wurde 3 5 . Auch sonst wurden die Bauern zu Fuhren herangezogen, z. B. zum Einsammeln des Zehntertrages, was dann auch entlohnt wurde. Bei der Frongeldabgabe wurde unterteilt in Leute mit Wagen (Bauern mit 4, 5 oder 6 Pferden3 6) , Leute mit Karren (Bauern mit 3, 2 oder 1 Pferd 37), Taglöhner und Witwen bzw. Witwer. Die Bauern mit Wagen verrichte-ten die sogenannten Spanndienste, besonders bei der Feldbestellung und bei Bauarbeiten; das gleiche gilt für die Leute mit Karren. Die Taglöhner leisteten die Hand-dienste mit der H a n d oder der Hacke. Die „Klasse" der Witwen bzw. Witwer konnte sich auf die drei vorge-nannten Gruppierungen verteilen. Hier nun kurz eine Übersicht über die Frongeldabgabe in Weildorf nach den Renteirechnungen der Jahre 1546/47, 1547/48, 1558/59, 1564/65 und 1570:

Jahr 's c t; tao ?

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Frongeld

1546/47 8 2 5 4 17 lb, 14 ß, 2 h 1547/48 8 2 9 3 19 lb, 10 ß, 7,5 h 1558/59 8 3 13 - 20 lb, 2 ß, 1 h 1564/65 9 3 16 - 23 lb 5 h 1570 6 7 17 3 22 lb, 19 ß, 11 h

Wird fortgesetzt

1 F. X. Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, Hechin-gen 1928, S. 808-810 und S. 940.

2 FAS, H. Haig 137,1; Blatt 44 b. 3 FAS, N V Z A Nr. 8259, Blatt 4 b. 4 K. F. Eisele, Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern

und ihrer Nachbarn, Stuttgart 1956 ( = Arbeiten zum historischen Atlas von Südwestdeutschland, Heft 2), S. 3.

5 Jochen Laubis, In: Höh. H. 16,1966, S. 20. 8 Elmar Blessing, Beitrag zur Geschichte der Stadt Haigerloch.

Entstehung und Name der Stadt. In: Festschrift Hansmartin Decker-Hauff, Tübingen 1967, S. 141.

7 Ebenda, S. 142. 8 Eisele, Studien zur Geschichte . . . , S. 18. • FAS, H. Haig 137,1; Blatt 54 a.

10 FAS H. Haig, Renteirechnungen der Herrschaft Haigerloch. 11 Ebenda. 12 K. S. Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, Köln/

Graz 1962 ( = Studien zur Reditsgeschichte des mittelalter-lichen Dorfes 2), S. 234-250.

13 FAS H. Haig 137,1; Blatt 37 a und Blatt 51 b. 14 FAS N V Z A Nr. 8265; Blatt 7 a. 15 Ebenda, Blatt 26 a. 16 FAS H. Haig 137,1; Blatt 54 a. Zum Zehnten allgemein

siehe J. A. Kraus, Vom Zehnten, unter besonderer Berück-sichtigung Ringingens, In: Höh. H. 5, 1955, S. 10.

17 FAS H. Haig 78,1; Blatt 64 a. 18 Ebenda, Blatt 60 a.

19 Ebenda, Blatt 63 b. 20 Ebenda, Blatt 63 a. 21 FAS H. Haig 137,5. 22 Eisele, Studien zur Geschichte . . . , S. 9. 23 FAS H. Haig; Renteirechnung 1547/48. 24 Ebenda. 25 Die Gebeine der Toten wurden früher nach bestimmter Zeit

der Grablege wieder ausgegraben und in einem dafür er-bauten Haus, dem Beinhaus, aufbewahrt.

26 FAS H. Haig 78,1; Blatt 132 b. 27 Ebenda, Blatt 133 a. 28 FAS N V Z A Nr. 8265, Blatt 26 a. 29 Eisele, Studien zur Geschichte . . . , S. 49. 30 Ebenda, S. 47. 31 FAS H. Haig 137,5. 32 Eisele, Studien zur Geschichte.. . , S. 11. Die beiden ge-

nannten Gerichte waren auch Apellationsinstanzen für zivil-rechtliche Angelegenheiten.

33 FAS H. Haig 137,1; Blatt 53 b. 34 Th. Knapp, Der Bauer im heutigen Württemberg nach seinen

Rechtsverhältnissen vom 16. bis ins 19. Jahrhundert, Stutt-gart 1902 ( = Württembergische Neujahrsblätter, Neue Folge 7), S. 29-34.

35 FAS H. Haig; Renteirechnung 1553/54. 36 Eisele, Studien zur Geschichte . . . , S. 45. 37 Ebenda.

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Josef Wiest 80 Jahre alt Im Oktober 1974 feierte in Rangendingen Oberlehrer i. R. Josef Wiest seinen 80. Geburtstag. Josef Wiest war 15 Jahre lang Schriftleiter der „Hohenz. Heimat" . Wir möchten an dieser Stelle nicht nur Josef Wiest unsere herzlichen Glückwünsche aussprechen, sondern auch die Gelegenheit wahrnehmen, ihm für seine jahrelange, selbstlose Arbeit zu danken. In Anerkennung seiner großen Verdienste wurde Wiest schon vor Jahren Ehren-mitglied des Hohenz. Geschichtsvereines. Nachdem er am ersten Weltkrieg als Soldat teilgenom-men hatte, wurde Wiest 1920 Lehrer und Schulleiter in Gammertingen. Mit Begeisterung begann er die Ge-schichte von Gammertingen zu erforschen und 1928 erschien sein erstes Buch über die Geschichte der Stadt Gammertingen. Trotz beruflicher Tätigkeit als Schul-leiter, Leiter der Gewerbeschule und Ehrenämtern wie Organist, Chorleiter usw. fand er immer noch Zeit fü r die Heimatforschung. Neben seiner Arbeit als Schrift-leiter der „Hohenz. Heimat", trug er noch mehr Material zur Geschichte von Gammertingen zusammen, das er 1961 in einem zweiten Buch „Geschichte der Stadt Gammertingen unter der Speth'schen Herrschaft" heraus-gab. Dieses Buch bringt nicht nur eine Fülle von Material über Gammertingen selbst, sondern über die ganze ehe-malige Reichsritterschaft Gammertingen. Für Gammertingen war Wiest mehr als Geschichts-schreiber. Als Lehrer hat er ganze Generationen von Gammertingen schulisch geprägt, in vier Jahrzehnten. Als Wiest 1960 in seinen Geburtsort Rangendingen zurückkehre, verlieh ihm die Stadt Gammertingen die Würde eines Ehrenbürgers. Viele unserer Leser sind uns seit über zwei Jahrzehnten verbunden und in ihrem Namen wünschen wir Josef Wiest noch manches geruh-same friedliche Jahr und nochmals herzlichen Dank für alles!

Hechingen als Reise-Tip Die neu eingerichtete Hohenzollerische Landessammlung wird offenbar viel zu wenig besichtigt. Der Geschichts-verein hat mit nahezu hundert Personen im Oktober dort einen Besuch gemacht, zugleich mit einem Besuch bei Baron von Au zu Wachendorf, der mit großem Ent-gegenkommen durch sein Schloß führte. Wie wir hören, ist der Besuch der Sammlungen höchst dünn. Wir empfeh-len daher vor allem den Lehrern, mit ihren Schulklassen einmal nicht nur den Zoller zu besuchen - was ja erfreu-lich of t vorkommt - sondern damit auch gleich den Besuch der Sammlung im Alten Schloß zu verbinden, f r .

Neufraer Schlößle Wieder einmal entsteht in Eigenarbeit eines Bürgers eine denkmalspflegerische Maßnahme. Der Neufraer Glaser-und Schreinermeister hat das ehemalige Schlößle der Herren von Speth gekauft (es ist dasselbe Geschlecht, von dem auch unser diesmaliges Weihnachts-Titelbild gestiftet wurde) und richtet es wieder her. Auch die beiden Ecktürme sollen noch aufgebaut werden, die irgendwann bis unter die Dachschräge abgetragen wur-den. Das Schlößle ist 1690 erbaut worden und diente bis in die letzten Jahre als fürstlich-hohenzollern'sches Forstamt. Solche Objekte stehen noch manche in Hohen-zollern, wie wir vermuten, und würden die Mühe und die Opfer von Bürgern lohnen. Man erinnere sich an unseren Bericht über den Filmclub von VUsingen, der in Gemeinschaftsarbeit etwas Ähnliches zustande brachte im vergangenen Jahr. Bild: Leonie Frick

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT herausgegeben vom Hohenzollerischen Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat-lichen Schulämtern Hechingen und Sig-maringen. Verlag: Hohenzollerischer Ge-schichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstr. 3. Drude: M.Liehners Hofbuchdruckerei KG, 748 Sigmaringen, Karlstraße 10. Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohen-zollern mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fach-historischen auch populär gehaltene Bei-träge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden können. Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen Heimat": 802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart

Die Autoren dieser Nummer:

Johann Wannenmacher, Schulrat i. R., Gammertingen

Manfred Hermann, Pfarrer, Neufra

Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R. Freiburg-Littenweiler

Dr. phil. Gregor Richter, Staatsarchivdirektor, Sigmaringen

Robert Frank, Lehrer, Weildorf

Redakteur: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen

Redaktionsausschuß: Hubert Deck, Konrektor 745 Hechingen, Tübinger Straße 28 Telefon (07471) 2937

Walther Frick, Journalist 748 Sigmaringen, Hohe Tannen Telefon (07571) 8341

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