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[Aus der kgl. Universittits-Augenklinik zu Bonn (Direktor: Gehoimrat Kuhnt).] Die Sehfunkfionen bet Bluterguss in das huge und bet Lidsehluss. Von Privatdozent Dr. Richard Cords, I. Assistenzarzt tier Klinik. Bekanntlich kann bet Bluterguss ins Augeninnere, set es nach einer Kontusion, set es infolge ether spontanen Hiimorrhagie, die Lichtempfindung ~r Lampen- uad Kerzenlicht voltkommen auf- gehoben seth. Es wiirde verkehrt sein, unter diesen Umstiinden aaf eine schwere Schttdigung oder Abhebung der Netzhaut zu schliessen. Denn mit der zunehmenden Resorption des Blutes bessert sich auch oft die Lichtempfindung wieder und es kann, zwar meist erst im Verlaufe yon Wochen oder Monaten, eine leid- liche oder gar normale Sehschiirfe wieder erreicht werden. Nut einige wenige Krankengeschichten mSgen dies demon- strieren: 1. D. M4 35 Jahre alt, Arbeiter, eflitt am 20. II. 1907 eiae Eisen- splitterverletzung. Der Splitter war durch die Sklera in den Glask(irperraum gedrungen und wurde auf dem gleichen Wege durch den Riesenmagneten extrahiert. Es erfolgte eine starke Glasklirperblutung~ so dass noeh am 3. V. 1907 kein rotes Lieht aus dem Augeninnern zu erhalten war. Die Projektion war aufgehoben. Dies fnhrte den behandelnden Arzt zu dem gut- achtlieh niedergelegten Sehlusse, ,,dass die Netzhaut in nahezu ganzer Aus- dehnung yon der Augapfelwand abgeliist ist, dass das Auge also total und unrettbar erblindet ist". Bet der ~qachuntersuehung am 27. III. 1912 land ich den GlaskSrper vollkommen klar; Spuren ether friiheren NetzhautablSsung waren nieht vor- handen. ~ur an der Eintritisstelle des Splitters befand sieh eine weisse, yon Pigment ums~iumte Narb% yon tier aus Bindegewebsstrtinge in den Glas- kiirper hineinragten. Wegen ihrer peripheren Lage kamen dieselben optisch nicht in Betraeht. :Nahe der Macula war eine geringe Pigmentverschiebung vorhanden. Die Sehseh~irfe wurde mit Simulationsproben auf mindestens 612 ~

Die Sehfunktionen bei Bluterguss in das Auge und bei Lidschluss

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[Aus der kgl. Universittits-Augenklinik zu Bonn (Direktor: Gehoimrat Kuhnt).]

Die Sehfunkfionen bet Bluterguss in das huge und bet Lidsehluss.

Von

Privatdozent Dr. R i c h a r d Cords, I. Assistenzarzt tier Klinik.

Bekanntlich kann bet Bluterguss ins Augeninnere, set es nach einer Kontusion, set es infolge ether spontanen Hiimorrhagie, die Lichtempfindung ~ r Lampen- uad Kerzenlicht voltkommen auf- gehoben seth. Es wiirde verkehrt sein, unter diesen Umstiinden aaf eine schwere Schttdigung oder Abhebung der Netzhaut zu schliessen. Denn mit der zunehmenden Resorption des Blutes bessert sich auch oft die Lichtempfindung wieder und es kann, zwar meist erst im Verlaufe yon Wochen oder Monaten, eine leid- liche oder gar normale Sehschiirfe wieder erreicht werden.

Nut einige wenige Krankengeschichten mSgen dies demon- strieren:

1. D. M4 35 Jahre alt, Arbeiter, eflitt am 20. II. 1907 eiae Eisen- splitterverletzung. Der Splitter war durch die Sklera in den Glask(irperraum gedrungen und wurde auf dem gleichen Wege durch den Riesenmagneten extrahiert. Es erfolgte eine starke Glasklirperblutung~ so dass noeh am 3. V. 1907 kein rotes Lieht aus dem Augeninnern zu erhalten war. Die Projektion war aufgehoben. Dies fnhrte den behandelnden Arzt zu dem gut- achtlieh niedergelegten Sehlusse, ,,dass die Netzhaut in nahezu ganzer Aus- dehnung yon der Augapfelwand abgeliist ist, dass das Auge also total und unrettbar erblindet ist".

Bet der ~qachuntersuehung am 27. III. 1912 land ich den GlaskSrper vollkommen klar; Spuren ether friiheren NetzhautablSsung waren nieht vor- handen. ~ur an der Eintritisstelle des Splitters befand sieh eine weisse, yon Pigment ums~iumte Narb% yon tier aus Bindegewebsstrtinge in den Glas- kiirper hineinragten. Wegen ihrer peripheren Lage kamen dieselben optisch nicht in Betraeht. :Nahe der Macula war eine geringe Pigmentverschiebung vorhanden. Die Sehseh~irfe wurde mit Simulationsproben auf mindestens 612 ~

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festgestellt, w~hrend der Patient~ vielleieht teilweise dureh die Prog~ose des frtiher behandelnden Arztes veranlasst~ zuerst vSllige Erblindung vortausehen wollte.

2. Frau A. L., 77 Jahre alt, wurde am 14. XL 1909 yon einer Kuh mit dem Horne in das reehte Auge gestossen. Bet der Aufnahme in die Klinik am folgenden Tage sind die Lider 5demat5s; die Conjunetiva bulbi ist blutunterlaufen und umgibt die Cornea wallartig. Oben innen und aussen sehimmert clio Urea an der far Skleralruptur typisehen 8teUe dureh; Ten- sion - - 3 . Die Obertt~ehe tier Hornhaut ist leieht ehagriniert, die vordere Kammer vOllig mit Blut geflillt. Die Priifung der Sehfunktionen ergibt, dass das Lieht ether 25 kerzigen lqernstlampe in 30 em noeh gesehen wird; die Projektion ist falseh.

Unter Ruhelage ging die Sehwdlung der Bindehaut zuriiek, und es zeigte sieh eine grosse Aderhautruptur~ dur~ welehe die Linse unter die Conjunetiva ausgetreten war. Da die Projektion sdlleeht blieb, wurde der Patientin wegen der Gefahr der sympathisehen Ophthalmie wiederholt dringend zur Exenteration geraten. Sie lehnte jeden Eingriff ab und wurde am 13. XIL 1909 ungeheilt entlassen.

Bet der Vorstellung am 22. VI. 1910 wurde folgender Befund er- hoben. Keine Ziliarinjekfion. 0ben aussen vom Limbus zwei sehwarzliche staphylomatSse Vorw~lbungen, oben innen nut sehmutzige Verf~irbung der Bindehaut. Vonder luxierten Linse ist niehts mehr zu sehen. Die Cornea ist klar~ die Iris fehlt oder ist zuriiekgesehlagen. Zahlreiehe flottierende Opa- citates eorporis vitrei. Von dem gr~ssten Teile des Fundus erh~ilt man ein verh~tltnism~sig klares Bild~ besonders die Papille und ihre Umgebung sind sehr deutlieh siehtbar. Nirgendwo Zeiehen einer durehgemaehten Ablatio. Visus: mit -~ 10~0 6]~!

3. Th. N.~ 30 Jahre alt, Sehlosser. Beim Absehlagen yon ~ieten sprang dem Patienten am 1. XI. 1913 ein lqietenkopf gegen das reehte Auge. Bet der Aufnahme am 3. XI. besteht ein starker Reizzustand bet v~llig unverletzten Bulbushifilen. Die Cornea ist klar und spiegelnd, die vordere Kammer fast vollkommen mit BIut geCtillt. Tension normal. Aueh dieser.Patient vermag das Lieht ether 25kerzigen Nernstlampe nut zu unterseheiden, wenn ihm diese auf etwa 30 em angenahert wird. Aber auch dann wird die Riehtung aoeh falseh projiziert. Bei ether derartigen Belieh- tung finder eine geringe Kontraktion der Pupille des gesunden andern Auges start.

Die Kammerblutung war naeh wenigen Tagen resorbiert und es zeigte sieh, dass~ wie angenommen, aueh der GlaskSrper vSllig durehblutet war. Die Aufsaugung der GlaskSrperh~morrhagie ging tro~z energiseher resorbie- render Kur nur sehr langsam vor sieh.

Am 31. I. 1914 ist das Auge blass, Hornhaut, Kammerwasser und Linse klar, die Iris normal. Der GlaskSrper ist besonders nasal und tem- poral mit dichten Triibungen durehsetzt, die bet tier Betraehtung mit der :Nernstspaltlampe irides keine h~imorrhagisehe F~irbung mehr zeigen. Der mittlere Tell des Glask~rpers ist ziemlieh kla 5 so dass man die Papille und

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einen Teil des iibrigen Fundus wieder deutlieh sieht. Die Sehseh~fe be- tr'~igt wieder 6]1sl in der N~ihe Jager 10.

Als Analogon hierzu miiehte ieh aus dar Literatur nut elnen ~ilteren Fall yon de Weeker 1) zifieren:

Demselben wurde ein 18j~hriger iunger Mann zugeflthrt mit Atrophia bulbi auf dem einen~ serSser Iritis und Glaskiirperblutung auf dam andern Auga. ,Depuis huit jours toute perception lumineuse avait brusquement disparu sur eet oeil, de fagon que le malade ne dist inguait m8me pas un fort bee de gaz plaad devant lui, at qu'expos~ aux rayons du soleil, il se eroyait en pleine obseurit6." Naeh 6 Monarch ener- gischer Knr betrug die Sehschlh'fe 115 und der Kranke las 57r. 3 Snellen fliessend.

Diese wenigen Fglle mSgen genfigen. Sie sagen dem er- fahrenen Augenarzte nichts Neues. Wird die Tatsache doch in den meisten einschl~gigen Werken erSrtert.

,,Die StSrung des SehvermSgens hi~ngt direkt yon der Menge des ergossenen Blutes ab, so dass die Verletzten bei ausgedehnter Blutung im Anfange gar nichts sehen. Im weiteren Verlaufe kehreu Lichtempfindung und Projektion wieder, indem die dicken Blut- schichten allmghlich eine Resorption erfahren." [ P r a u n s). ]

,,L'acnit6 visuelle d6pend de la quantit6 de sang 6panchd, de telle sorte, qu'au ddbut, les bless6s ne voient absolument rien." [ R o h m e r S ) . ]

Ist der GlaskSrper in diffuser Weise mit Blur infiltriert, so kann ,,das SehvermSgen so hochgradig herabgesetzt sein, dass Liehtempfindung und Projektion kaum vorhanden ist. Wir diirfen daraus aber noch nicht auf NetzhautablSsung schliessen". [ R i i m e r ~ ) . ]

,,Bei diffuser h~morrhagischer Infiltration des GlaskSrpers ist das SehvermSgen stets bis auf Erkennen yon Handbewegungen aufgehobe~. Ja es kSnnen anfangs die Lichtempfindung und Pro- jektion mangelhaft sein, well sehwaches Licht vom Blur absor- biert wird. Diese Tatsaehe ist wiehtig wegen der Entscheidung, ob Ablatio retinae besteht. Man kann bei Hi~mophthalmus aus geringem Mangel der Lichtwahrnehmung und der Lichtprojektion nicht auf NetzhautablSsung schliessen, hTur wenn die quantitative Lichtempfindung stark herabgesetzt und die Differenz in der Pro-

1) de Wecker, Traitd complet d'ophtalmologie. II. S. 554. 1886. ~) Praun, Die Verletzungen des Auges. Wiesbaden 1899. S. 372. a) Rohmer in Encyclop~die franocaise d'ophtalmologie. IV. S. 668. 1905. a) R6mer, Lehrbuch der Augenheilkunde. I. Aufi. S. 410. 1910.

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jektion sehr erheblich ist, so deutet das auf Komplikation mit Netzh autabl6 sung." [ W a g e n m a n n 1). ]

,,Not infrequently, immediately after a contusion, the light-- perception is completely lost, but both perception and projection return gradually and may even reach normal. We have seen such eyes which, from a condition of absolute amaurosis, have re- gained partial visual acuity." [Met ie rS) . ]

Wit sehen, dass die Ausffihrungen der einzelnen Autoren sich nahezu decken. Nur W a g e n m a n n driickt sich etwas vorsich- tiger aus, wi~hrend M e t l e r bet absoluter Amaurose die Wieder- herstellung ether teilweisen Sehschi~rfe beobachtete.

In tier Literatur fund ich indes keine quantitativen Unter- suchungen fiber die Absorption des Lichtes dutch Blur und m0chte mit der kleinen Arbeit diese Lticke ftillen.

Die physikalischen Bedingungen fiir den Durchtritt des Lichtes dutch Btut sind einmal dadurch charakterisiert, dass darin zahlreiche gr0ssere korpuskul~re Elemente gleichm~ssig ver- teilt sind, und zweitens dadurch, dass diese Elemente einen Farb- stoff enthalten, der einen grossen Tell der Lichtstrahlen absor- biert. Der letztere Umstand bedingt es, dass nut ein Teil der Strahlen des Spektrums, vor allem die roten und gelben, durch- zutreten vermSgen, wobei zu berticksichtigen ist, dass das Ab- sorptionsspektrum des sauerstoffreichen oxyh~moglobinhaltigen Blutes ein anderes ist, wie das des sauerstoffarmen.

Wiire das H~moglobin im Blute gelSst bet Abwesenheit kor- puskuliirer Etemente, so wiirde dieses einfach wie eta Lichtfilter wirken. Die Objekte wiirden in einem gleichm~ssigen Farbenton erseheinen und die Gegensatze zwischen Hell und Dunkel ab- geschwacht; die Werte tier Sehscharfe wiirden mit steigender Sehichtdicke ebenso gleichmi~ssig abnehmen, wie bet Herab- setzung der Beleuchtung.

Dutch die Tatsache aber, class das Blur in 1 ccm 4500000 his 5 000000 eigenartig gestattete KSrperchen enthiilt, werden die Verh~iltnisse ganz andere. Die Lichtstrahlen werden vielf~tltig ge- brochen; das Licht wird yon jedem KSrperchen reflektiert, yon der Summe derselben nach den Gesetzen des Lichtdurchganges durch trtibe Medien in diffuser Weise verteilt. Dadurch kommt

~) W a g e n m a n n , Handbuch d. ges. Augenheilk. IX (5). S. 497. 1910. 3) Me l l e r , Ophthalmic surgery. II. Aufl. S. 119. 1913.

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es, class bei dickeren Schichten das Blur in ganz gleichm~tssiger diffuser Weise erhellt wird, auch wenn das Licht yon der Seite auf die Schicht auffiillt, wiihrend bei diinnen Schichten die Licht- strahlen durch die BIutk6rperchen derart gebrochen und abge- lenkt werden, dass eine einigermassen klare Zeichnung durch sie hindurch gesehener oder photographisch aufgefangener Objekte nicht stattfindet. Erst bei ganz dfinnen Schichten, wenn ein Teil tier Strahlen sich z w i s c h e n den suspendierten K0rperchen seinen Weg bahnen kann, n~hern sich die Verhaltnisse denen bei Blick durch ein klares Lichtfilter.

Wie sich diese Auseinandersetzungen ira Experimente in dem Verhalten tier Projektion und der Sehschiirfe besti~tigen, sei in folgendem gezeigt.

DieVersuche wurden wie folgt ausgefiihrt. Einem zum Aderlasse bestimmten Patienten wurden mittets dicker Kaniile 70 ccm I~lut aus einer Armvene entnommen and sofort in einen kleinen E r 1 e n- me y e r-Kolben geteitet, in welchem sich 0,5 g Fluornatrium pul- verisatum befand (es gentigen 0,3 g pro 100 ccm Blut). Der Kolben wurde wahrend der Entnahme geschiittelt. Der Zusatz yon Fluor- natrium (oder ttirudin) ist nStig, um die sonst sofort einsetzende Gerinnung und Klumpenbildung des Blutes zu verhindern und das Blut in seiner natiirlichen Beschaffenheit deckfarbig zu er- halten. Bei Luftabschluss tritt eine hnderung des Blutes in den n/ichsten 24 Stunden nicht ein. Die Fiirbekraft des Blutes wurde mit der A u t h e n r i e t h - F r i e d l g n d e r s c h e n Methode kolorime- trisch untersucht und ein normaler durchschnittlicher ttiimoglo- bingehalt yon 85--90 festgestellt. VenSses Blur wurde gewithtt, weil auch beim H~tmophthalmus das Nut meist aus einer Vene stammen dfirfte und eine allmghliche Verarmung an Sauerstoff im Augeninnern anzunehmen ist. Kann man doch bei l~nger be- stehenden Vorderkammerblutungen beobachten, dass das Blut all- m~ihlich dunkler wird nnd bei Wiederholung der B]ntung sich eine hellere Schicht fiber die dunklere left.

Das Blur wurde in zwei aus geschtiffenem Glase verfertigte Kuvetten mit planparNlelen Witnden gebracht, deren Lumen eine Breite yon 4 cm, eine HShe ~Ton 6 cm und eine Tiefe yon genau 1 em hatte. Ieh klebte die eine oder beide Kuvetten hintereinander auf ein grosses, v611ig lichtundurchl~issiges schwarzes Papier auf, das einen der grSssten Kuvettenwand fast entsprechenden Ans- schnitt besass, und deckte auch die Seitenwitnde der Kuvette,

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sowie Boden und DeckeI mit schwarzem Papier ab. Dieses Papier wand ich um meinen Kopf, so dass die Kuvette genau vor dem einen Auge sass, und schloss es oben durch ein Stirnband, unten durch ein um den Hals gelegtes schwarzes Tuch ab. Bei vSlliger Dunkeladaptation fiberzeugte ich mich, dass nirgendwo ein Licht- strahl durchdrang.

Nunmehr wurde die Entfernung festgestellt, in der eine der untersuchten Lichtquellen eben noch wahrgenommen werden konnte, wobei ich reich durch Vorhalten und Wegziehen eines Schirmes yon der Richtigkeit der Wahrnehmung iiberzeugte.

Die auf diese Weise yon dem Lichte getroffene Netzhautpartie wurde begrenzt dureh die Seitenw~.nde der Kuvette; die zentralen und peripheren Teile der Netzhaut wurden daher nicht gleieh- zeitig belichtet. Wegen der grossen Verschiedenheit der Licht- empfindlichkeit dieser Teile beim .dunkeladaptierten Auge unter- suchte ich in jedem einzelnen Falle beim Blick geradeaus und bei seitlicher Blickrichtung.

Die Versuche fanden in einem 10 m langen, vSllig verdun- kelten Raume start. Zwecks Dunkeladaptation verband ich mir ein Auge vor Beginn der ~ersuche 3/~ Stunde lang lichtdicht. Die Netzhaut diirfte sich bei einer GlaskSrperblutung meist im Zu- stande vollkommener Dunkeladaptation, bei Vorderkammerblutung in einem mittleren Adaptationszustande befinden.

Zunachst setzte ich beide mit Blur geffillte Kuvetten hinter- einander vor das Auge, so dass die Blutschicht eine Dicke yon 20ram hatte. Es entspricht das ungefahr einem vSlligen Ersatz des Kammerwassers und des GlaskSrpers durch Blur. Denn nehmen wir die Masse des sehematischen Auges, so betr~gt die Entfernung der Hornhauthinterfl~che zur Retina 24 ram, die durch- schnittliche Dicke der Linse 3,6 ram, der Raum ffir Kammer- wasser und GlaskTrper also 20,4 oder fund 20 mm.

Es ergab sich, dass unter diesen Umstanden weder Tages- licbt noch elektrisches Bogenlicht wahrgenommen wurde und nur bei Blick direkt in die Mittagssonne ein kaum merklicher gr~/uer Lichtschein auftrat.

Ich nahm darauf nur eine Kuvette, in wetche ich zuerst un- verdiinntes, dann in versehiedener Weise verdiinntes Blur fiillte. ~ber die gefundenen Resultate gibt Tabelle 1 Aufschluss.

Aus der Tabelle geht hervor, dass bei einem Blutgehalt yon Kammerwasser + GlaskSrper yon 500/0 eine 16kerzige Glfihlampe

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Tabelle 1. Die Zahlen geben die Entfernuug in cm an,

Grad der Verdiinnung des Blutes Unverdtinnt; Unverdiinnt 2 Kuvetten

Dies entsprieht einer Blutschicht yon 20 mm 10 ram einem Blutgehalt yon Kammerwasser -~

GlaskSrper yon 100 °/o 50%

Lieh~uelle lzen~allperiph.I zentral l peripher_

Direktes Sonnenlicht

Tageslicht (1 :2 m grosses Fenster) bei bewSlktem Himmel

Elektrisches Bogenlicht (400--500 K.) Osram-Metallfadengliihlampe 100 K.

Gasgliihlicht Osram-Metallfadentampe 50 K. Kohlenfadengltihlampe 25 K.

,, 16 ,, ,, 10 ,, ~ 5 , ,

Stearinkerze (ungeftihr 2 K.) H e f n e r s Normalkerze

eben wahr- genommen m

wahrgenommen

dicht dicht darer davor

60 90 15 35 14 28 2 8 1 3

- - 2

dicht vor demAuge nur unter den gtinstigstenUmsti~nden peripher wahrgenommen werden kann, bei einem solchen yon 25 o/o ~ eine Stearinkerze noch nicht gesehen wird. Ist die vordere Kammer mit Blur angefiillt, so entspricht das einer Blutschicht yon 2,6 mm; hierbei wird Kerzenticht in einer Eatfernung yon 2--4 m noch wahrgenommen.

Was die Projektion anlangt, so k onnte ich bei einer Ver- diinnung yon 1:1, entsprechend einer Blutschlcht yon 5 ram, auch

Tabelle 2. Sehschtirfe nach S n e l l e n bei Blick

Prozent Entsprechend Blut- Wiirde °/o an Blur in Kammer- Blut schicht in mm yon wasser-}-Glaskiirper entsprech.

100 50 25 20 10 8 7 6 5 2,5 1,25 1 0,5 0

10,0 5,0 2,5 2,0 1,0 O,8 o,7 0,6 0,5 0,25 0,125 o,1 0,05 0

50 25 12,5 t0

5

3,5 3,0 2,5 1,25 0,625 0,5 0,25 0

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in welcher die Lichtquelle noch wahrgenommen wurde.

1 : 1 1 :3 1 : 4

5 mm 215 mm 2 mm

25 °/o 12,5 °/o 10 °/o

zentral periph, zentral peripher zentral I peripher

deut- lich

5O

110 29 fi7 16

4

deut- lich

100

170 43 4O 28 25 17 15 3

Z

hell

> 100o > 1000 > lOOO > lOOO > lOOO > lOOO

1000 9OO 60O 4OO 2O0

hell

1000

> '1000 > 100o > lOOO > 1000 > 1000 > 100o > iooo

1000 200 100

hell

> 1000

> 1 0 0 0 1000

> lOOO > lOOO > lOOO > lOOO > lOOO > 1000 > 1000 > IOO0

hell

> 1000

> lOOO > 1o00 > 1000 > 1000 > lOOO > lOOO > lOOO > 100o > 1000 > 1000

die Stellung der st~rksten Lichtquelle zu meinem Auge aicht cr- kennen; immer w a r nut eine gleichm~ssig erhellte graue oder r6tliche Scheibe zu sehen, Auch bei der Verdfinnung 1:3, ent- sprechend einer Blutschicht yon 2,5 mm, wurde fast ebenso oft falsch wie richtig projiziert; insbesondere wurde dabei noch rechts und links verwechselt.

Ganz aaders bei einer Verdiinnung yon 1: 4, entsprechend einer Schicht yon 2 ram. Hierbei wurde die Richtung auch

durch eine 10 mm dicke Kuvette mit verdtinntem Bht.

Sehseh~rfe

Diffuser roter Sehein.

5 cm yon d. grSssten Zahl (60) wird eine kaum merkl. Ungleiehmiissigkeit gesehen 5 ¢m yon der grSssten Zahl werden undeutliche Konturen gesehen.

O~ 8/6 0 ' 6/15" 6/10" 5/6. "5/5. 6/5 zum Teil. 6/4 , 6/4.

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schwacher Lichtquellen exakt angegeben; der Lichtschein wurde auf der Seite der Lichtquel!e heller gesehen, ohne dass diese als solche wahrgenommen werden konnte. Dies geschah undeutlich erst bei einer Verdfinnung yon 1: 9, entsprechend einer Blutschicht yon 1 ram.

~ber das Verhalten der Sehsch~rfe nach S n e l l e n durch diinnere Bhtschichten hindurch gebe die n~chste Tabelle 2 Aus- kunft, deren Werte bei helladaptiertem Auge an einer mit Osram- lampen erhellten Sehprobentafel festgestellt wurden.

Die Kuvette yon 10 mm Schiehtdicke wurde mit dem dutch Fluornatrium priiparierten und mit Leitungswasser in verschie- denem Grade verdfinnten Blute gefiillt und dieht vor alas Auge gehalten; ich las durch dieselbe die Zeichen einer mir nicht ge- l~ufigen S n e 11 e n sehen Tafel.

Die erste Rubrik gibt den Prozentgehalt der Mischung an Blur an, die zweite die dementsprechende Dicke einer Schicht unverdiinnten Blutes und die dritte den Prozentgehalt an Blur, der unter gleichen Bedingungen in Kammerwasser + Glask(irper vorhanden w~re.

Man sieht, dass bei einem Blutgehalt der Mischung yon 6 his 7 o/% also bei einer Blutsehicht yon 0,6 bis 0,7 mm die Sehscharfe pliitzlieh sehr gute Werte erreicht.

Dieser plStzliche Umschwung der optischen Bedingungen diirfte dadurch bedingt sein, dass bei dieser Verdiinnung nicht mehr alle Strahlen auf ein BlutkSrperchen stossen und yon diesem reflektiert werden, sondern dass ein Tell der Strahlen zwischen den BlutkSrperchen hindurchgelangt. Bei einer Blutschicht yon 0,7 mm gehen auf 1 qcm 350000 rote BlutkSrperchen, bei einer solchen yon 0,6 300000.

Fragt man nun, inwieweit diese Untersuchungen ftir die Beur- teilung der Sehfunktion des durchbluteten Auges verwertet werden k5nnen, so lassen sie sich natiirlich nicht ohne weiteres darauf iibertragen. Erstens wird ein paralleles Strahlenbtischel dutch die Blutschicht geschickt und nicht wie beim Auge ein gebrochenes. Zweitens war es nieht miiglich, das ganze Gesichtsfeld gleich- zeitig mit dem durch das Blur passierten Lichte zu belichten, sondern nur einen, wenn aueh grSsseren Teil. Ferner ist der Weg der yon der Seite in das Auge fallenden Strahlen in den brechenden Medien ein kiirzerer, und schliesslich ist in Betracht zu ziehen, dass beim Hiimophthalmus oft aueh noch andere schwere Sch~di-

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gungen (Linsenluxation, Iridodialysis, Aderhautruptur, Bulbus- ruptur usw.) vorhanden sind. Auch bleibt das Blur nieht lange in gleichm~tssiger Verteiluag, wean auch die Gerinnung verh~i]t- nismiissig spi~t einsetzt. Es senkt sich und klumpt sich zusammen, so an verschiedenen Stellen eine verschiedene Lichtdurchli~ssig- keit gestattend. O g u c h i 1) zeigte neuerdings wieder im Tierexperi- meat, dass das Blut bei Injektion in den GlaskSrper t~ingere Zeit die Form eines umschriebenen Klumpens beibeh~tlt, der sich all- m~hlich entf~irbt und zu einer grauweissen Scheibe wird. Der Btutklumpen wird unter gleichzeitiger diffuser Triibung des um- gebenden GlaskSrpers ausgelaugt. Das H~moglobin tritt in den GIaskSrper, zuweilen auch in die vordere Kammer (siehe auch F u c h s , Lehrbuch, 10. Aufl., S. 282). Allm~hlich hellt sich dana der getrfibte GlaskSrper wieder auf, indem die kSrperlichen Be- standteile tells verschwinden, tells sich senken. Die Lichtdurch- l~ssigkeit nimmt immer mehr zu, bis schliesslich nur noch grSssere Flocken hin und her schwanken, die dana spi~ter abet auch wieder vSllig klarem G]askSrper Platz machen kOnnen. Ob es w~hrend dieser Vorg~nge zur Bildung yon proliferierendem Bindegewebe kommt, ist in allen F~llea verschieden.

Unter Beriicksichtigung dieser Bedenken diirften sich die Schlussfolgerungen aus meinen Untersuchungen wie folgt zu- sammenfassen lassen:

I s t K a m m e r w a s s e r u n d G l a s k S r p e r d u t c h B lu r e r - s e t z t , so k a n n h S c h s t e n s be i B l i e k d i r e k t in d i e S o n n e n o c h e i n e k a u m m e r k l i c h e L i c h t e m p f i n d u n g w a h r - g e n o m m e n w e r d e n .

I s t d i e H ~ l f t e d u r c h B l u r e r s e t z t , so k S n n e n n u r s t ~ r k e r e L i c h t q u e l l e n (fiber 25 K) n a h e v o r d e m A u g e e r k a n n t w e r d e n .

Das L i c h t e i n e r S t e a r i n k e r z e w i r d a u c h be i e i n e m B l u t g e h a l t y o n 25 % n o c h n i c h t g e s e h e n . A u c h f i i r s t ~ r k e r e L i c h t q u e l l e n i s t d a b e i d i e P r o j e k t i o n n o c h a u f g e h o b e n .

Bei e i n e r V o r d e r k a m m e r b I u t u n g w i r d K e r z e n - l i c h t in m i n d e s t e n s 1 m e r k a n n t ; d i e P r o j e k t i o n i s t d a b e i u n g e n a u .

W ~ i h r e n d be i e i n e r B l u t s c h i c h t yon 0,7ram vor d e m A u g e d i e S e h s c h ~ r f e s i c h a u f E r k e n n e n v o n K o n -

~) Oguchi, v. Graefe's Arch. f. Ophth. Bd. LXXXIV. S. 446. 1913.

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t u r e n b e s c h r ~ n k t , e r r e i e h t s i e b e i e i n e r s o l c h e n v o n 0,6 mm a n n ~ h e r n d n o r m a l e W e r t e .

Im Anschluss an diese Untersuchungen sei hier noch eine Ta- belle mitgeteilt, welche die S ehfunktion bei L i d s c h 1 u s s darlegt. Sie diiffte in den F~llen yon Nutzen sein, bei denen man beurteilen muss, ob bei Verwachsungen dot Lidr~nder nach Verbrennungen oder Ver~tzungen dutch operatives Vorgehen noch eine Besserung erzielt werden kann. Untersucht wurde dabei sowohl mit dem hell- wie mit dem dunkeladaptierten Auge.

Tabelle 3. Lichtempfindung bei Lidschluss.

(Die Zahlen geben die Entfernung in cm an, in welcher die Lichtquelle noch eben wahrgenommen wurde.)

Beobachtung mit dem Lichtquelle helladaptierten dunkeladaptierten Auge

Tagoslicht Bogenlicht

Osramgliihlicht 100 K. Gasgltihlicht

Osramgltihlampe 50 K. Kohlenfadenlampe 25 K.

Nernsflampe Kohlenfadenlampe 16 K.

,, 10 K. 5K.

Stearinkerze Hefner-Normalkerze

> 1000 > lOOO > lOOO >tv00

360 310 gee 280 110 100 29 22

1000 ) 1000

1000 > 1000 > lOOO

lOOO > lOOO > 1000 > 1000

1000 8OO 600

Da das Auge sich in einem Zustande befindet, welcher der Dunkeladaptation naher steht, so kSnnen wir also eine gtinstige Prognose nur dana stellen, wenn unsere gewShnlichen Licht- quellen noch in grSsserer Entfernung wahrgenommen werden. So empfiehlt sich die Untersuchung mit einer Kerze in 1/~--1 m.

Bemerkenswert war demgegeniiber die Beobachtung, dass im Vergleiche zu dieser gutenUnterscheidungsf/~higkeit yon Hell und Dunkel, die einer Blutschieht yon 2,5--3 mm entsprechen diirfte, die Projektion eine sehr schlechte war. Auch wean der Versuchs- leiter mit st~rkeren Lichtquellen nahe an mein Auge herankam, urteilte ich noch sehr oft falsch und hatte besonders Neigung, temporalw~irts zu projizieren. Auch bei den st~rksten Lichtquellen wurde rechts und links, oben und uaten zuweilen verwechselt. Wenn die Lichtquelle gerade vor dem Auge stand, wurde sie selt- samerweise meist nach der Schla~enseite projiziert. Es ist das

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Die Sehfunktionen bei Bluterguss in das Auge und bei Lidschhss. 109

nut so zu erkl~ren, dass sich das Licht im Gewebe des Lide.s diffus ausbreitet; es stimmt das mit den obigen Beobachtungen an Blutmischungen iibereia.

Kurz k6nnen wir also sagen:

Be i v S l l i g e r V e r w a c h s u n g d e r L i d r ~ n d e r w i r d d a s L i c h t e i n e r S t e a r i n k e r z e in 1/~--1 m g u t e r k a n n t ; d i e P r o j e k t i o n i s t a b e r a u c h f i i r s t ~ , r k e r e L i c h t g u e l l e n u n g e n a u .

Dem Jubilar, meinem friiheren Chef und hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat S a t t l e r , sage ich ftir die Anregung zu dieser Arbeit, Herrn Geheimrat K u h n t fiir das entgegen- gebrachte Interesse und die ~berlassung der Mittel der Klinik meinen besten Dank.