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Die Seuche des Vergessens

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Nr. 36Die Seuche des VergessensSie haben Angst vor dem großen Vergessen - und schenken einer Kolonialwelt dieFreiheit ...von Clark Darlton

Das Jahr 1971 war der Zeitpunkt, da Perry Rhodan - ursprünglich Offizier der US-Space-Force - mit derRakete STARDUST den Mond erreichte und mittels der dem gestrandeten Arkoniden-Raumschiff entnommenenTechnik seine Dritte Macht begründete.Auseinandersetzungen auf der Erde, Invasionen aus dem All, Raumschlachten, Kämpfe auf fernen Planeten -all das hat diese Dritte Macht in der kurzen Zeit ihrer Existenz schon erfolgreich durchgestanden.Jetzt sind es immer noch die Springer - jene galaktischen Händler, die seit Jahrtausenden ihr Handelsmonopolgegen jeden aufstrebenden Konkurrenten mit Nachdruck zu verteidigen wissen - die für die gesamte Erde einetödliche Gefahr darstellen.Perry Rhodan hat bisher alles, was in seiner Macht stand, getan, um zu verhindern, daß die Springer aus derErde eine versklavte Welt machen. Levtan, der Verräter, bildete dabei eine wichtige Figur in Rhodans Spiel -denn nur durch ihn war es möglich, eine Gruppe von Agenten in die »Große Ratsversammlung« der Springereinzuschmuggeln.Diese Männer - erprobte Kämpfer des Rhodan'schen Mutantenkorps - taten ihre Schuldigkeit. Jetzt aber tun sienoch mehr: Sie befreien einen ganzen Planeten von der Fremdherrschaft!DIE SEUCHE DES VERGESSENS dient ihnen dabei als Werkzeug der Befreiung ...

Die Hautpersonen des Romans:John Marshall, Tako Kakuta, Kitai Ishibashi, Tama Yokida und Gucky - Sie sind das Einsatzkommando, das GoszulsPlaneten befreien soll.Enzally - Der einzige Goszul, der die Telepathie beherrscht.Ralv - Der Führer der rebellischen Goszuls.Ralgor und Etztak - Zwei Patriarchen der Springer.Perry Rhodan - Kommandant der STARDUST und Administrator der Erde.

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Das Wasser in dem Hafenbecken war spiegelglatt.Kein Lufthauch kräuselte die Oberfläche, und mankonnte den mit bunten Pflanzen bewachsenen Grundunter dem Kiel des großen Segelschiffes deutlicherkennen. Schwärme merkwürdig geformter Fischezogen ruhig dahin und wichen nur den beladenenFrachtkähnen aus, die damit beschäftigt waren, dieLadung des Seglers zu löschen.

Rings um die halbmondförmige Bucht des Hafenslagen die Häuser der Stadt Sie klebten an den sanftenHängen der Berge, die bald in ein flachesHochplateau übergingen, das sich bis zum Horizonterstreckte. Somit unterschied sich das Hinterlandnicht sehr von dem Ozean, denn auch er bildete mitdem Himmel eine gerade und durch nichtsunterbrochene Linie.

Der Segler war zweifellos ein Kriegsschiff, dennan beiden Breitseiten waren die runden Luken mitden drohenden Mündungen der Kanonen zuerkennen. Trotzdem hatte er eine Ladungmitgebracht, die nun von den Bewohnern des Hafensin Empfang genommen wurde.

Die Mannschaft arbeitete emsig und ohneUnterlaß, wenn die rotbraunen Männer mit demdichten Haarwuchs auch oft miteinander tuscheltenund scheue Blicke in Richtung des Hecks warfen.Dann aber schleppten sie gehorsam wieder ihreBündel zur Reling, wo sie von den wartendenBesitzern der Frachtkähne in Empfang genommenwurden.

Auf dem flachen Oberdeck des Seglerhecks saßenvier Männer und beobachteten das Treiben an Borddes Schiffes mit mehr oder weniger geteilterAufmerksamkeit. Obwohl man im ersten Augenblickfast meinen konnte, das Löschen der Ladunggeschehe in ihrem eigenen Interesse, war das einFehlschluß. Diesen vier Männern war es völliggleichgültig, was in dem geräumigen Bauch desSchiffes lagerte und ob es in die rechten Hände kamoder ins Meer fiel.

Einer von ihnen seufzte und sah hinauf zu derstrahlenden Sonne, die genauso gut in Tripolis wie inBuenos Aires hätte scheinen können, wenn siezufällig die Sonne der Erde gewesen wäre. Das aberwar sie keineswegs.

»Diese Hitze macht mich noch verrückt«, knurrteer und strich sich über den struppigen Vollbart. »Ich

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werde froh sein, wenn ich diese Bartmatratze endlichabnehmen kann. Welchen Sinn die Maskeradeüberhaupt noch haben soll, ist mir schleierhaft.«

»Im Augenblick keinen«, gab sein Gegenüberzurück, ein kleiner und schmächtiger Bursche mitjungen, schmalen Japaneraugen über dem Vollbart.»Aber wenn sich an Bord des Schiffes ein Springersehen läßt, wird die Sache anders.«

»Pah«, machte der erste Sprecher mit einerabfälligen Handbewegung. »Mein lieber Tako, jederechte Springer wird sofort bemerken, daß wir nichtsals gut gelungene Imitationen sind - wenn man ihmZeit läßt, uns eingehend zu betrachten.«

»Dazu lassen wir ihm eben keine Zeit, John«, sagteder Japaner mit einem Lächeln. »Außerdem ist kaumanzunehmen, daß sie an Bord des Schiffes kommen.Dazu haben sie ja ihre Leute, die Goszuls.«

Die Goszuls waren die Eingeborenen dieser Welt,die von den Springern, einer intelligenten,raumfahrenden Rasse, in eine Kolonie verwandeltworden war. Gleichzeitig benutzten die Springerdiesen Planeten als militärischen Stützpunkt undAusgangsbasis für gemeinsame Operationen gegeneventuell auftauchende Feinde.

Und einer dieser Feinde wiederum war PerryRhodan, Administrator des Planeten Erde, gegen densich ihre augenblicklichen Pläne richteten. Daherauch die vier verkleideten Terraner auf dem Heck desSchiffes, das so friedlich und scheinbar harmlos imHafen des kleinen Kontinents lag, den dieEingeborenen Goszuls »Götterland« nannten.

Ihr geheimer Auftrag lautete, die Springer vonGoszuls Planeten zu vertreiben, wobei Perry Rhodanals Hintermann unerkannt zu bleiben wünschte. Dievier Männer waren somit auf sich allein angewiesen,denn die Flotte Perry Rhodans stand acht Lichttageentfernt im Raum und wartete ab.

John Marshall, fähiger Telepath desMutantenkorps, betrachtete nachdenklich seine dreiGefährten. Auf Tako Kakuta, dem Teleporter, bliebsein Blick besonders lange hängen.

»Eben«, sagte er schließlich. »Die Goszulsbereiten mir Sorgen. Zwar hat Kitai Ishibashi ihneneinen Suggestiv-Block verpaßt, aber niemand vonuns weiß, wie lange die Behandlung anhält. Wiederselbständig denkend, werden sie Verdacht schöpfenund uns an die Kreaturen der Springer, diesogenannten >intelligenten Goszuls<, verraten.Vergeßt nicht, Freunde, daß die primitivenEingeborenen die Springer für Götter halten.«

Kitai strich sich über den falschen Bart.»Die Dauer einer Suggestiv-Behandlung richtet

sich nach der mentalen Widerstandskraft desPatienten«, führte er sachlich aus. »Ich kann alsonicht sagen, wann die tapferen Matrosen wiederselbständig zu denken beginnen.«

Der vierte Mann lächelte dem Suggestor zu. Erhieß Tama Yokida, war ebenfalls Japaner undMitglied des Rhodan'schen Mutantenkorps. SeineFähigkeit war die Telekinese. Nur mit Hilfe seinergedanklichen Energieströme konnte er räumlich vonihm getrennte Materie bewegen.

»Wir können uns gegen sie verteidigen, falls esnötig sein sollte, mein lieber Kitai. Aber ich hoffe, eswird nicht nötig sein. Je länger wir unbemerktbleiben, desto besser für unseren Auftrag. Wenn wirerst einmal die notwendigen Ausrüstungsgegenständebesitzen, kann nichts mehr schief gehen.«

John Marshall räusperte sich.»Die Sachen liegen auf dem Grund eines Flusses,

ganz in der Nähe des Raumflughafens der Springer,etliche Kilometer von hier entfernt. Dort mußte sieGucky versenken, damit sie nicht in die Hand desGegners fielen. Ich bin froh, daß er sich wenigstensselbst retten konnte.« Er sah sich suchend um. »Woist er überhaupt?«

»Hier bin ich, geliebter Freund«, sagte eine helleund zirpende Stimme dicht hinter John. Der Telepathfuhr herum und starrte verwundert auf die hoheTaurolle, die dicht an der Reling lag. Jetzt bewegtesich die Rolle ein wenig. Oben an ihrem Endeerschienen zwei spitze, behaarte Ohren, dann zweilistig blinzelnde Augen - und schließlich eine lange,spitze Schnauze, an der einige Barthaare zitterten.»Die Vollbärte machen euch so gütig«, zirpte dieStimme weiter, während die schnellen Augen nachallen Seiten sicherten. »Alle Menschen solltenVollbärte tragen, damit sie gütig und erwachsenaussehen.«

Nach diesem Ratschlag kroch Gucky aus seinemVersteck und ließ sich mitten zwischen den vierMännern am Boden nieder. Hier schien er sich vorjeder unbefugten Entdeckung sicher zu fühlen.

Gucky war in der Tat ein erstaunlicher Anblick.Man stelle sich die Mischung zwischen einem

Biber und einer Maus vor, etwa ein Meter hoch undmit einem rostbraunen Fell bedeckt. Dazu einbreitflächiger Schwanz, der beim Gehen als Stützedient. Aus größerer Entfernung mochte man Guckyfür eine aus Hollywood entlaufene Mickymaushalten, aber wenn man ihn dann näher betrachtete,sah man den Irrtum ein. Gucky konnte auch vielmehr als eine Mickymaus. Gucky, Bewohner einesfernen und einsamen Planeten, war Telekinet,Telepath und Teleporter zugleich. Er war ebenGucky, mehr als nur vollwertiges Mitglied desMutantenkorps, das im Auftrag Perry Rhodans in denWeiten des Kosmos die Erde gegen alle Angriffeaußerirdischer Intelligenzen verteidigte.

»Danke für den Rat«, nickte Kitai ernst undbegann, den Mausbiber hinter dem rechten Ohr zukraulen, was sich dieser mit leisem Schnurren

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gefallen ließ. »Aber wenn ich mir dich mit einemVollbart vorstelle ...«

Er ließ die ungeheuerliche Visionunausgesprochen, wobei er mit einiger Mühe dasGrinsen verbiß. John hingegen lächelte.

»Gucky mit Vollbart? Königlicher Anblick! Derganze Planet hier würde vor Vergnügen aus demRaum-Zeit-Kontinuum springen. Ich auch.«

Gucky zischte warnend. John spürte, wie eineunsichtbare Hand ihn langsam in die Höhe hob, undwenn die ganze Situation nicht so ernst gewesen wäreund einen Scherz erlaubte, hätte Gucky ihn jetztsicher telekinetisch bis an die Reling schweben unddann ins Wasser fallen lassen.

So aber begnügte Gucky sich mit der sanftenWarnung.

»Möchte wissen«, zischelte der Mausbiber,»warum ein Bart bei mir lächerlicher wirken sollteals bei euch.«

John Marshall wollte gerade antworten, als seingeschultes Gehirn fremdartige Gedankenimpulseaufnahm. Er winkte seinen drei Gefährten kurz zuund drückte Gucky auf den Boden zurück. Dortkonnte ihn niemand sehen, wenn er nicht gerade aufdas Oberdeck kam. Fast zwei Minuten lang lauschteer mit halbgeschlossenen Augen, ehe er langsamnickte und Kitai kurz ansah. Während die anderenatemlos in ihrer jeweiligen Stellung verharrten, gaber fast flüsternd bekannt:

»Es sind unsere Goszuls - wenigstens einige vonihnen. Sie haben Ihren Hypnoseblock abgeschüttelt,Kitai. Sie machen sich Gedanken, wer wir sind. Wirbefinden uns an Bord ihres Schiffes, und sie wissennicht, wie wir dahin gekommen sind. >IntelligenteGoszuls<, also durch eine Hypnoschulung derSpringer gegangene Eingeborene, sind wir nicht, dashaben sie schon herausgefunden. Unsere Ähnlichkeitmit den Springern selbst bedeutet ihnen nicht viel, dasie selbst noch keine zu Gesicht bekommen haben.Also halten sie uns für Fremde - was wir ja auch inder Tat sind. Sie wollen uns überwältigen und den>Göttern< ausliefern.«

Tako, der Teleporter, sah hinab auf das Deck, wogerade die ersten Götterdiener, so nannten dieEingeborenen ihre plötzlich intelligent gewordenenRassegefährten, an Bord stiegen, um das Löschen derLadung für ihre Herren zu beaufsichtigen. Ihnenfolgten einige Kampfroboter der Springer alsBegleitschutz.

»Wie sollen wir eingreifen?« fragte der Japanerflüsternd. »Wenn die Konditionierten es merken,hetzen sie uns die Kampfroboter auf den Hals. Wirwollen doch nicht die Maske fallen lassen, oder ...?«

»Auf gar keinen Fall«, stimmte John Marshall zuund überlegte fieberhaft. »Kitai, was sagst du dazu?Kannst du nicht von hier aus ...?«

»Schlecht«, schüttelte der Suggestor den Kopf.»Die sicherste Methode, die Aufrührer wieder unterKontrolle zu bekommen, ist die direkteGegenüberstellung. Von hier aus kann ich sie nurmangelhaft beeinflussen, ganz davon abgesehen, daßeinige Verwirrung entstehen würde und ich meinenEinfluß nicht bündeln und konzentrieren kann.«

»Mit anderen Worten«, warf der Telekinet TamaYokida ein, »es ist nicht gut möglich, auf dieseEntfernung hin einen einzelnen aus der Masse herauszu isolieren und gedanklich zu beeinflussen - daswolltest du doch sagen, Kitai?«

Der Suggestor nickte düster und schwieg.John Marshall gab sich einen Ruck.»Wir müssen etwas unternehmen, und wenn wir

die ganze Bande mit einem Suggestiv-Blockversehen. Die Gedankenströme werden intensiver.Nicht mehr lange, und die Burschen lassen die Arbeitliegen und stürzen sich auf uns. Einer von ihnenfingert schon nach dem Messer.«

Die Goszuls lebten in einer Zivilisation, die sichetwa mit der des 18. Jahrhunderts auf der Erdevergleichen ließ. Messer waren daher eine in denHänden der Eingeborenen sehr wirksame Waffe.

»Der verdammte Roboter!« knurrte Kitai wütend.»Ich habe noch nie in meinem Leben versucht, einenRoboter hypnotisch unter meinen Willen zuzwingen.«

John lächelte schwach.»Damit werden wir auch Pech haben, fürchte ich.

Aber die Roboter würden es bemerken, wennähnliches mit ihren direkten Untergebenen geschähe.Wir stecken also in einer Zwickmühle.«

»Fragen wir Rhodan«, schlug Gucky vor, derimmer noch zwischen den Männern hockte und sichbemühte, auf keinen Fall gesehen zu werden. »Erkann uns vielleicht einen Rat geben.«

»Können schon«, dehnte John. »Fragt sich nur, ober auch will. Ihr wißt, daß die Springer auf keinenFall erfahren dürfen, wer sich da in ihre ureigenstenAngelegenheiten mischt. Klar, unserMiniaturfunkgerät hat eine Reichweite von dreiLichtmonaten, Rhodan ist aber nur acht Lichttageentfernt - aber ich fürchte, uns bleibt keine Zeit mehr,Verbindung mit Rhodan aufzunehmen. Seht nur dortunten!«

Die Köpfe der anderen Männer drehten sichruckartig zur Seite.

Unten auf dem. Deck hatte einer der Lastenträgersein fest verpacktes Bündel fallen lassen und standnun heftig gestikulierend bei einem der»Götterdiener« und sprach mit diesem. Nicht weitentfernt bezogen zwei der fünf an Bord gekommenenKampfroboter Stellung. Diese vollständigpositronisch aufgebauten Maschinen besaßen einnormal arbeitendes Gehirn und konnten selbständig

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Entschlüsse fassen und in die Tat umsetzen, solangesie mit der Kontrollzentrale, in Kontakt standen. Ihreeingebauten Energiestrahler machten sie zu fastunüberwindlichen Kampfmaschinen. Für dieprimitiven Goszuls mußten bereits diese Robotergottähnliche Geschöpfe sein, denn sie kannten janicht einmal die Raumfahrt. In ihren Augen stiegendie Götter vom Himmel herab und fuhren auchwieder in ihn hinauf.

Der etwas intelligentere Diener der Springer, vondenen in normalen Zeiten nicht mehr als zwanzig aufGoszuls Planeten weilten, hörte aufmerksam zu, wasder Eingeborene ihm zu berichten hatte. Sein Blickwanderte über das Deck des Seglers und bliebschließlich auf der Treppe zum Oberdeck haften.

Dann nickte er, schob den Berichterstatter beiseiteund schritt auf diese Treppe zu. Wie es schien,gedachte er, den vier verdächtigen Individuen aufdem Oberdeck einen Besuch abzustatten. Zum Glückkam ihm nicht der Gedanke, einen der Kampfroboterals Geleitschutz mitzunehmen.

John Marshall tastete nach dem Gehirn desGoszuls. Aha, man hatte ihm berichtet, an Bord desSeglers befänden sich merkwürdig aussehendeFremde, die vielleicht für die Götter interessantwären. Außerdem konnte John den Namen desMannes erkennen. Geragk hieß er.

Marshall nickte Kitai kurz zu. Die beidenMutanten arbeiteten gut zusammen. Geragk würdespäter von Bord des Schiffes gehen, ohne sich anirgendetwas erinnern zu können.

Der »Götterdiener« stieg die Holzstufen zumOberdeck empor und blieb an der Reling plötzlichstehen, als seien seine Füße festgenagelt. Mit weitaufgerissenen Augen starrte er auf die vier Männer,die er im ersten Augenblick für die gefürchtetenSpringer halten mußte. Noch dachte sein Gehirnnormal und konnte die Lage erfassen.

Springer? Hier auf dem Segler der Primitiven?Was hatte das zu bedeuten?

Er verbeugte sich tief, aber in seinen Augenflackerten Zweifel. John stellte fest, daß Geragkfieberhaft nach einer Erklärung suchte. Die Springerbeherrschten zwar diesen Planeten, aber sie warenviel zu stolz, sich um die Angelegenheiten derEingeborenen zu kümmern, geschweige denn, sichderart unter sie zu mischen.

»Verzeiht, ihr hohen Herren«, begann er zögerndund starrte verbissen auf die Holzplanken zu seinenFüßen, als könne er dort den Text zu seinerbeabsichtigten Entschuldigung finden. »Aber derKapitän dieses Schiffes ist so verwirrt, so erlauchteGäste auf seiner winzigen Barke vorzufinden. Darfich fragen, ob ich behilflich sein kann?«

Nun, das war eine relativ geschickte Formulierung.John lächelte.

»Es ist gut, Geragk, daß du kommst. Wir habeneine Inspektionsreise unternommen, aber wie dirbekannt ist, kennen uns die Primitiven nicht Wirwollen keine Gewalt anwenden, daher werden dieRoboter dafür sorgen, daß wir ungehindert von Bordgehen können.«

John erkannte, daß seine Worte den Goszulkeineswegs beruhigten. Geragk war festentschlossen, den unerklärlichen Vorfall zu melden.Es blieb also keine andere Möglichkeit, als ihm dieErinnerung zu nehmen und eine falscheSinneswahrnehmung zu suggerieren. Kitai»übernahm« den Fall.

Der Japaner veränderte seine Stellung nicht. Erblieb sitzen und richtete lediglich seinen Blick aufGeragk, der seinerseits die unbequeme Musterungmit sichtlichem Unbehagen über sich ergehen ließ.Aber nicht sehr lange.

Seine Züge verklärten sich plötzlich. Er lächeltezuvorkommend, verneigte sich noch tiefer undberührte mit der Stirn fast den Boden. Dann machteer wortlos kehrt und stieg wieder auf das Mitteldeckhinab, wo er Kurs auf jenen Goszul nahm, der ihn aufdie Fremden aufmerksam gemacht hatte.

John Marshall kniff die Augen zusammen.»Nur eine Atempause, Kitai. Du kannst sie nicht

alle der Reihe nach suggestiv beeinflussen. Ichfürchte, uns hilft nur eine Massenkur, wenn wir nichthandgreiflich werden wollen - und ich möchte es derKampfroboter wegen nicht. Beim geringstenVerdacht verwandeln die sich in feuerspeiendeFestungen.«

»Ich lasse sie ins Wasser fliegen«, kündigte Guckyzwitschernd an.

John legte den Finger auf die Lippen.»Pst, nicht so laut, Gucky. Wenn man dich sieht,

gibt es Aufruhr. Dich kann man wahrhaftig nicht miteinem Springer-Patriarchen verwechseln. Kitai, istdir an diesem Geragk etwas aufgefallen? Nein,natürlich nicht, denn du kannst keine Gedankenlesen. Bevor du ihm die neue Erinnerung gabst undihm befahlst, das Vorgefallene zu vergessen, fing icheinige Gedankenfetzen auf. Keine klaren undzusammenhängenden Gedanken, leider, aber nochinteressante Einzelheiten.«

»Was?« flüsterte Kitai und ließ das Deck nicht ausden Augen, wo der Kapitän des Seglers mit einigenseiner Leute verhandelte.

»Geragk wollte uns zwar seinen Vorgesetztenmelden, denn er hegte einen klaren Verdacht; aber erhätte es nicht getan, um den Springern einen Dienstzu erweisen. Er hatte andere Gründe.«

»Welche?«»Er wollte sie von einer Loyalität überzeugen, die

er in Wirklichkeit nicht fühlt. Genau weiß ich esnicht, aber mir ist so, als habe er für Sekunden an

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eine geheime Organisation gedacht, die denSpringern Schaden zufügen möchte und die GoszulsPlaneten gern wieder frei und unabhängig sähe.«

»Eine Untergrundbewegung?« hauchte Kitaiverwundert »Es soll auf Goszuls Planeten einerichtige Untergrundbewegung geben? Das glaube ichnicht. Wer sollte es wagen, gegen die Götter zukämpfen?«

»Jene, die sie am besten kennen - ihre Diener. Dasist meist so.«

»Jetzt greifen sie an!« schrillte Gucky in dieUnterhaltung hinein und teleportierte blitzartig in dieKabelrolle zurück. Die vier Männer saßen für einenAugenblick unschlüssig auf ihren Plätzen, dann sagteKitai:

»Ich werde sie alle auf einmal vornehmen. Unsereinziges Versteck ist das Schiff hier. Auf keinen Fallkönnen wir uns jetzt an Land sehen lassen, das gäbeunliebsame Verwicklungen.« Mit einem schnellenBlick überzeugte er sich davon, daß die Roboter sturan den von ihnen eingenommenen Plätzen stehenblieben. Das Geschehen an Bord einesEingeborenenschiffes berührte sie nicht, solange dieInteressen ihrer Herren nicht beeinflußt wurden.»Bleibt ruhig sitzen, bis alles vorbei ist. DieBurschen werden ihren Kahn entladen, als sei nichtsgeschehen.«

Obwohl John, Tako und Tama die verblüffendenFähigkeiten ihres Gefährten kannten, überfiel sieimmer wieder das Grauen, wenn sie die kaumfaßbare Veränderung der Betroffenen erlebten.

Der Kapitän des Seglers schien seine Mannschaft -oder zumindest einen Teil davon - überzeugt zuhaben, daß etwas an Bord des Schiffes nicht stimmte.Vielleicht machte er sich Gedanken darüber, daß ernicht wußte, wie die Fremden an Bord gelangt waren.Jedenfalls kümmerte er sich nicht um diebeschwichtigenden Worte Geragks, sondern riefseinen Leuten etwas zu. Nicht alle, aber doch einigeließen ihre Lasten einfach fallen und griffen zumMesser. Drohend schoben sie sich in Richtung desOberdecks.

Noch blieben die Roboter passiv.Kitai konzentrierte sich und schickte dem Mob

seine Gedankenströme entgegen.Der Kapitän blieb plötzlich stehen und faßte sich

an den Kopf, als sei ihm etwas eingefallen. Mit derLinken schob er das Messer in den Gürtel zurück.Zögernd folgten die anderen seinem Beispiel. Dererste drehte sich um und kehrte an seinenArbeitsplatz zurück. Als sei nichts geschehen, nahmer das Bündel wieder auf und warf es in denwartenden Lastkahn hinab.

Kitais Suggestivströme hatten die Diener derSpringer noch nicht erfaßt. Trotz ihrer relativenIntelligenz begriffen diese nicht, was an Bord des

Seglers vor sich ging. Ehe sie Verdacht schöpfenkonnten, gerieten sie jedoch in den Einfluß vonKitais Gabe. Es geschah nicht sehr viel; sie vergaßeneinfach, das war alles.

Die Situation war gerettet; wenigstens für denAugenblick. Die Erfahrung hatte gelehrt, daß KitaisBegabung ihre Grenzen besaß. Nach einer gewissenZeit überwand das Bewußtsein der beeinflußtenPerson die ihr auferlegte Sperre und neutralisierte sie.

Das Wichtigste jedoch war die Tatsache, daß dieRoboter von dem Zwischenspiel nichts bemerkthatten. Unverändert standen sie auf ihren Posten undachteten darauf, daß niemand die Diener ihrer Herrenangriff.

Stunden später erst verließ der letzte Ballen dieLuken des Seglers.

»Was haben wir eigentlich geladen?« erkundigtesich Tama, der als Telekinet natürlich keineGedanken lesen könnte. Ehe John antworten konnte,sagte Gucky, der inzwischen wieder aus seinerTaurolle hervorgekommen war:

»Hanf - oder so etwas Ähnliches. Die Springerzahlen gut dafür, weil sie daraus ein berüchtigtesRauschgift herstellen, das schon viele Planeten inseinen Bann geschlagen hat.«

»Woher weißt du das alles?« fragte Kitai erstaunt.Gucky richtete die spitzen Ohren nach vorn und

zirpte:»Gucky weiß alles!«John Marshall sah hinauf zum Himmel.»Es dunkelt bereits. Ich überlege immer noch, ob

wir wirklich an Bord des Seglers bleiben sollen, oderob wir an Land gehen. Die Springer halten sich nurauf diesem Kontinent auf, der Rest des Planetenkümmert sie wenig. Wenn wir sie also angreifenwollen, kann das nur hier geschehen.«

»Wenn Rhodan wenigstens Anweisungen gebenwürde«, klagte Tako.

John warf dem schmächtigen Japaner einen kurzenBlick zu.

»Wenn ich mich nicht irre, schickte er uns Gucky,damit wir seine Absichten erführen. Bisher hatGucky aber geschwiegen. Vielleicht ist die Zeit nochnicht reif ...«

Der Mausbiber hatte den zarten Wink verstanden.Seit er im Auftrag Rhodans zu den vier Mutantengestoßen war, hatte er noch nichts über seine Plänegeäußert - hauptsächlich deswegen, weil die sichüberstürzenden Ereignisse ihm dazu keine Zeitgelassen hatten. Er hielt den Kopf schief, als ermunter zwitscherte:

»Die Zeit ist bald reif, mein lieberTelepathengefährte, das weißt du so gut wie ich.Denke nur an diesen Geragk, der eben mit seinenRobotern das Schiff verläßt Er ist nur einer vonvielen.«

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»Was willst du damit sagen?« wollte John wissen,denn Gucky schirmte seine Gedanken erfolgreich ab.

»Es gibt in der Tat einige Goszuls, die sich mitdem Gedanken tragen, die Herrschaft der Springerabzuschütteln und diese galaktischen Händler in dasUniversum zurückzutreiben. Sie könnten unsereBundesgenossen werden.«

»Fein!« nickte John und machte kein sehrbegeistertes Gesicht. »Und wie nehmen wir mitdiesen Widerstandskämpfern Verbindung auf? Soeinfach ist das doch wohl nicht, oder ...?«

»Doch!« zwitscherte Gucky vergnügt und sah zu,wie die Matrosen nach beendeter Arbeit unter Deckgingen, um sich von der Anstrengung zu erholen.»Das ist höchst einfach. Du erinnerst dich doch jenergedanklichen Stimme, die du kürzlich vernahmst?Jemand mischte sich in unsere telepathischeUnterhaltung, wie etwa ein dritter Funker dasGespräch zweier Teilnehmer unterbricht. Es mußalso auf diesem Planeten noch mindestens einenTelepathen geben.«

John nickte langsam.»Mir kam die gleiche Vermutung«, gab er zu.

»Aber woher willst du wissen, daß er uns helfenwird?«

»Weil er einer der wichtigsten Männer derUntergrundbewegung ist«, sagte Gucky mit einerSelbstverständlichkeit, die John und seine dreiJapaner fast umgeworfen hätte. »Nimm Verbindungmit ihm auf, wenn er sich noch einmal meldet. Soeinfach ist das.«

John erholte sich von seiner Überraschung.»Woher willst du das denn wissen?«»Ich weiß sogar noch mehr«, wich Gucky der

Antwort aus. »Der Telepath der Goszuls heißtEnzally.«

Tako schloß seinen Mund, als John ihn scharfansah. Kitai schüttelte nur den Kopf und murmelteetwas von »hinterhältiger Geheimnistuerei«, währendTama ohne besonderes Interesse für die Unterhaltungden inzwischen dunkel gewordenen Himmelbeobachtete, auf dem sich die ersten fremdartigenKonstellationen abzuzeichnen begannen. Er warAstronom, und diese Welt war 1012 Lichtjahre vonder Erde entfernt. Grund genug also, sich für denHimmel zu interessieren.

»Und das sagst du erst jetzt?« sagte John Marshallvorwurfsvoll. Gucky nickte selbstbewußt.

»Hast du mich vielleicht danach gefragt?« Undvöllig übergangslos fügte er hinzu: »Wann holen wirdie Sachen, die ich von Rhodan mitgebracht habe?«

Fast hätte John es vergessen. Stimmt, die Sachen!Gucky hatte bei seiner abenteuerlich verlaufenenReise allerhand Gepäck mitgebracht, das jedochinfolge unvorhergesehener Geschehnisse im Stichgelassen werden mußte. Es lag wohlverpackt auf dem

Grund eines. Flusses abseits menschlicherSiedlungen.

»Bei Tag«, entgegnete John. »In der Nachtbenötigen wir Licht, und das würde den überallpostierten Wachrobotern in der Nähe desRaumhafens sicherlich auffallen. Wenn es hell ist,sind unsere Chancen besser. Morgen also - würde ichvorschlagen. Übrigens eine Frage, Gucky: Was hastdu mitgebracht?«

Gucky zeigte seinen Nagezahn. Immer, wennGucky grinste, kam dieser einsame Zahn zumVorschein. Der Mausbiber grinste gewissermaßenmit dem Zahn, so paradox sich das auch anhörenmochte. Und wenn Gucky den Zahn zeigte, konnteman seine Worte nicht mehr so genau nehmen - daslag in der Natur der Sache.

»Bomben«, flüsterte er mit seiner unglaublichhellen Stimme. »Einen ganzen Rucksack vollerBomben, niedlicher, kleiner Bomben.«

»Bomben?« ächzte John und starrte Gucky mitaufgerissenen Augen an. »Was sollen wir denn damitanfangen? Wir haben nicht einmal ein Flugzeug, mitdem sich Bomben abwerfen ließen. Außerdem habendie Springer uns schnell gefaßt, wenn wir anfangen,Bomben zu werfen.«

Gucky schüttelte mitleidig den Kopf.»Menschen sind schwer begreifende Kreaturen«,

beschwerte er sich tiefsinnig. »Wenn sie das Wort>Bombe< vernehmen, denken sie unwillkürlich aneine Explosion. Nein, Gefährte John, es handelt sichdiesmal nicht um detonierende Bomben, sondernlediglich um solche, die sich selbst auffressen, ehe siewirksam werden. So einfach ist das!«

Ohne zu verstehen, nickte John.»Ja, so einfach ist das«, murmelte er und

betrachtete den Mausbiber, als wolle er ihm das Fellüber die Ohren ziehen. »Ich schlage vor, du sagst unsjetzt endlich mal, was passieren wird - sonst passiertnämlich wirklich etwas ...«

Guckys Nagezahn verschwand blitzartig.»Gut, Freunde, dann hört mal aufmerksam zu ...«

*

Sieben Planeten umkreisten die Sonne Tatlira 221,die 1012 Lichtjahre von der Erde entfernt ihre Bahnum die Milchstraße zog. Nur der zweite Planet trugintelligentes Leben, die menschenähnliche Rasse derGoszuls, nun von den Springern in zwei Hälftengeteilt. Einer dieser galaktischen Händlerrasse, einPatriarch namens Goszul, hatte den Planeten entdecktund nach sich benannt. Von nun an gehörte GoszulsPlanet zum Imperium der Springer.

Die Springer - oder auch die Händler genannt -besaßen keine eigentliche Heimat. Mit ihren großenSchiffen durchkreuzten sie die Galaxis - und

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handelten. Sie hielten nicht viel vonZusammengehörigkeit, es sei denn, ihre Interessenstanden auf dem Spiel. Dann allerdings bewiesen sieeine erstaunliche Einmütigkeit und vergaßen denHader, der oft die einzelnen Sippen trennte.

Ein solcher Fall war nun eingetreten. Die Springerhatten die Erde entdeckt und waren bei dem Versuch,auch sie zu einem Handelsposten zu machen, vonPerry Rhodan energisch zurückgeschlagen worden.Hier, auf Goszuls Planeten, waren die mächtigstenSippenführer nun zusammengekommen, um einenPlan auszuhecken, wie man diesen lästigen und auchgeheimnisvollen Rhodan unschädlich machen könne,der sich so beharrlich der »gutgemeinten« Invasionwidersetzte.

Die ersten Angriffe der Mutanten hatten allerdingsdie Zahl der anwesenden Patriarchen erheblichvermindert, aber man gab nicht auf. Außerdem ahntenoch niemand, daß ausgerechnet Perry Rhodan, denman 1012 Lichtjahre entfernt vermutete, Urheberdieser Angriffe war.

Das mit den 1012 Lichtjahren stimmte nämlichkeineswegs; Rhodans Flotte stand acht Lichttage vondem System Tatlira entfernt im Raum und wartete ab.

Es handelte sich bei dieser Flotte um das gewaltigeSchlachtschiff STARDUST, eine Raumkugel miteinem Durchmesser von 800 Meter. Sie wurde vonRhodan selbst befehligt und auch gesteuert. In ihremInneren barg die Kugel Waffen modernster Prägungund größtenteils arkonidischen Ursprungs. ZweiFiktiv-Transmitter, die jede Materie beliebig weittransportieren und am Zielpunkt wiederrematerialisieren konnten - natürlich auchAtombomben - bildeten eine unwiderstehliche Waffe.

Drei Kreuzer, ebenfalls Kugeln mit einemDurchmesser von allerdings nur 200 Meter,begleiteten die STARDUST. Ihre Kommandantenwaren Captain McClears, Major Nyssen und MajorDeringhouse.

Von den Strukturtastern der Springer nicht erfaßtund somit unbemerkt, umkreisten diese vierRaumgiganten das ferne Sonnensystem. Rhodan hattenicht die Absicht, offiziell in die angelaufenenGeschehnisse einzugreifen, wenn er auch indirektdafür verantwortlich zeichnete. Er hatte Zeit. Auf derErde lief alles seinen gewohnten Gang. DieWeltregierung war inzwischen Realität und er,Rhodan, für sechs Jahre zum Administrator desPlaneten ernannt Worden. Während seinerAbwesenheit führte Oberst Freyt, sein ständigerStellvertreter, die Geschäfte.

Aber nicht alle Leute besaßen die gleiche Ruhewie Rhodan.

Schon gar nicht Reginald Bull, sein engster Freundund Mitarbeiter. Die roten Haarborsten Bulls, denman kurzerhand Bully nannte, standen wieder einmal

senkrecht zu Berge und trugen nicht gerade zurVerschönerung seines breitflächigen Gesichtes bei. Inden wäßrig blauen Augen schimmerte VerhalteneWut. Bis auf einige diensthabende Offiziere undFunker war die weite Kontrollzentrale desRaumriesen leer, aber Bully war nicht der Mann, dersich um die Anwesenheit einiger untergeordneterOffiziere kümmerte, wenn es darum ging, seinemÄrger Luft zu machen.

»Vielleicht bist du so freundlich«, krächzte erheiser, »und verrätst mir, was diese ewige Wartereieigentlich bedeuten soll.«

Perry Rhodan betrachtete unentwegt den mattschimmernden Bildschirm, auf dem Tatlira alskleiner und unbedeutender Stern zu erkennen war.Das matte Licht der Zentrale ließ seine hagere Gestaltein wenig verschwimmen, aber die Gesichtszügewaren im Widerschein des Schirmes deutlich zuerkennen. Die eng zusammengekniffenen Lippenbildeten einen geraden Strich. In den Augen funkelteein ruhiges Feuer der Erwartung. Die dunklen Haarelagen glatt an und bildeten somit einen wohltuendenKontrast zu Bullys unordentlicher Borstenmähne.

»Hast du überhaupt zugehört?« erkundigte sichBully ungeduldig, als er keine Antwort erhielt.Rhodan wandte ihm flüchtig den Kopf zu und sahdann wieder auf den Bildschirm.

»Sollte ich das?« fragte er sachlich.Bullys Gesichtsfarbe wurde etwas dunkler. Die

Enden der Haare zitterten unmerklich. Seine Stimmeaber wurde sanfter, was jedoch keineswegs daraufschließen ließ, daß auch seine Erregung abklang. ImGegenteil.

»Wozu rede ich dann, wenn niemand zuhört?«erkundigte er sich. »Ich habe gefragt, warum wir hiermitten in der Unendlichkeit herumhängen und woraufwir warten.«

Rhodan sah immer noch auf den Bildschirm.»Solange, mein Freund, bis wir dort drüben, acht

Lichttage von hier, landen werden. Natürlich kannniemand voraussagen, wie lange wir da noch zuwarten haben. Das hängt in erster Linie von JohnMarshall, seinen Mutanten und von Gucky ab.«

»Immer dieses Mausevieh!« stöhnte Bully und riebsich das Kinn. »Man sollte meinen, ausgerechnet vondieser Mickymaus hinge alles ab.«

»Tut es auch«, nickte Rhodan und bemühte sich,ernst zu bleiben. »Ich bin gespannt, was Gucky sagenwird, wenn ich ihm verrate, wie sein angeblich besterFreund über ihn denkt ...«

»Nicht, bei allen Göttern des Universums!« brüllteBully, als habe ihm jemand unversehens eine Nadelunter das verlängerte Rückgrat platziert. »Alles, nurdas nicht! Reize das Mausevieh nicht unnötig! Ichkann mich nicht revanchieren! Meinst du, ich hätteLust, mal wieder drei Stunden unter der Decke zu

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hängen, bis diese Mißgeburt so freundlich ist, michwieder runter zu lassen? Schließlich bin ich keinMutant, sondern ein normaler Mensch.«

Rhodan nahm den Blick von der Bildscheibe undsah ihn nachdenklich an. Ein feines Lächelnumspielte seine strengen Lippen. Es schien, als sei ertrotz seiner relativen Unsterblichkeit in denvergangenen Wochen erheblich gealtert.

»So?« machte er. Mehr nicht. Im Hintergrundstießen zwei Funkoffiziere sich heimlich an undkicherten. Sie gönnten Bully die freundschaftlicheAbfuhr.

»Vielleicht nicht?« stellte Bully eine Gegenfrage,erwartete aber offensichtlich keine Antwort, denn ersetzte sogleich hinzu: »Hast du überhaupt schon eineBestätigung dafür, daß Gucky die Mutanten gefundenhat?«

»Es gelang, allerdings nicht ohne Hindernisse.Augenblicklich weilt unser Stoßtrupp auf einemSegelschiff, das im Hafen von Götterland liegt. DerName ist mir entfallen. Seit gestern allerdings hatMarshall sich nicht mehr gemeldet.«

»Vielleicht hat man sie erwischt«, vermutete Bullydüster.

»Wir wollen es nicht hoffen, Bully. Das würdemeinen ganzen Plan über den Haufen werfen.«

»Welchen Plan, zum Donnerwetter?«»Den mit der friedlichen Eroberung von Goszuls

Planet.«Bully sah aus, als habe ihm jemand den Käse vom

Butterbrot gefischt. Er atmete tief ein und ließ dieLuft mit einem deutlichen Pfeifen wieder aus denLungen strömen.

»Friedliche Eroberung? Du verfügst vielleicht übereinen Optimismus, Perry. Ich würde dich ja darumbeneiden, wenn ich was mit ihm anzufangen wüßte.Friedliche Eroberung! Und die Händler haben unsereLeute getötet, wo sie ihrer nur habhaft werdenkonnten.«

»Auf Goszuls Planet leben nicht nur Händler«,machte ihn Rhodan ernst aufmerksam. »Dieprimitiven Eingeborenen sind völlig harmlos, dieintelligent gewordenen Diener auf der InselGötterland relativ ungefährlich, wenn sie erst einmalbegreifen, daß es um ihre Freiheit geht. Warum solltealso auch nur einer von ihnen getötet werden?Götterland ist die Provinz der Springer. Von hier ausbeherrschen sie den Planeten. Aber auf Götterlandweilen normalerweise kaum zwei Dutzend Springer.Die jetzige Ansammlung ist eine Ausnahme, mit derwir rechnen müssen. Hinzu kommen schließlich nochdie vielen tausend Arbeits- und Kampfroboter, diewir allerdings als ernstzunehmende Gegnereinschätzen müssen.

Aber ansonsten strebe ich eine friedlicheEroberung an.«

»Viel Vergnügen«, knurrte Bully, der immer nochnicht sah, worauf Rhodan eigentlich hinaus wollte.»Und wie willst du das schaffen, wenn ich fragendarf? Nur abwarten, bis wir schwarz werden?«

Rhodan zeigte auf ein schmales, rechteckigesKästchen, das vor ihm auf dem Kontrolltisch lag. Anseiner Seite waren einige Knöpfe, während dasschimmernde Oberteil eine Anordnung vonKontrolllampen aufwies.

»Dort - damit kann ich Kontakt mit Marshall oderGucky aufnehmen. Ich warte auf Nachricht. Und ehesie nicht eintrifft, können wir nichts unternehmen.«

»Mit den Fiktiv-Transmittern könnten wir sovielBomben ...«

»Ich lehnte schon einmal einen solchen Vorschlagab, Bully«, erinnerte ihn Rhodan. »Ich will nicht, daßunsere Position bekannt wird. Wenn wir die ArbeitMarshall und seiner Gruppe überlassen, wird keinSpringer auf den Gedanken kommen, uns hinter derAktion zu vermuten - falls sie überhaupt jemalsbegreifen, daß es sich um eine solche handelt.Vielmehr werden sie ihre Niederlage als ganznormale Krankheit zu werten haben.«

Bullys Gesicht wurde zu einem Fragezeichen.Dann blitzte es in den Augen auf.

»Ich habe die gleich hohe Intelligenzquote wie du,aber ich habe mir nie viel aus Kreuzworträtselngemacht. Sei also bitte so freundlich ...«

Rhodan war so freundlich.»Gucky hat eine ganze Menge nützlicher Sachen

mitgenommen, aber das Nützlichste dürften dieBomben des Vergessens sein.«

»Die ... was?«»Die Bomben des Vergessens. Sie wurden auf der

Erde entwickelt - gleichzeitig auch das Gegenserum.Kurz: Es handelt sich um ein bakteriologischesKampfmittel, das nach gewisser Zeit die Plastikhülleder Bomben zerfrißt und sich schnell ausbreitet. JederMensch, der damit in Berührung kommt, zeigt baldAnzeichen einer unbekannten Krankheit. Rote Fleckeauf dem Gesicht, Schmerzen im Genick,Ermüdungserscheinungen und so weiter. Aber dasSchlimmste folgt dann: Das Gehirn des Betroffenenarbeitet nicht mehr einwandfrei. Es kann sich nichtmehr erinnern. Es hat alles vergessen. Grob gesagt:Die Betroffenen werden verrückt.«

»Das nennst du friedlich?« protestierte Bullyerschrocken. »Du willst die Goszuls verrückt werdenlassen? Was hat das mit Humanität zu tun?«

»Vergiß nicht das Gegenserum. Es wirkt inumgekehrter Richtung. Die Kranken werden sofortwieder gesund. Irgendwelche Nachwirkungen sindausgeschlossen. Es ist, als wären die Krankenniemals krank gewesen.«

Bully machte ein ratloses Gesicht.»Das verstehe ich nicht. Warum dann das

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Theater?«»Die Springer stammen von der gleichen Rasse ab

wie die Goszuls - von den Arkoniden. Sie sind gegenunsere Krankheit keineswegs immun.«

Bullys Gesicht verklärte sich, als ginge die Sonneauf.

»Ach - und dann müssen sie zu uns kommen, wennsie die Gegeninjektion haben wollen?«

Rhodan schüttelte den Kopf.»Die Möglichkeit habe ich nicht in Betracht

gezogen. Für mich ist wichtig, daß sie künftighinGoszuls Planeten meiden wie die Pest. Wenn sie ihnfür rettungslos verseucht halten, werden sie niemalszurückkehren. Hast du eine bessere Idee?«

Bully mußte zugeben, daß es keine bessere gebenkonnte. Seine Borsten legten sich, denn seineUngewißheit war beseitigt worden. Mit einem Schlagwußte er nun, warum Rhodan abwartete.

*

Als der Morgen graute, stieß John Marshall seineGefährten an. Die Japaner schlugen die Augen aufund blinzelten in die ersten Sonnenstrahlen, die durchdas kleine Bullauge in die Kabine fielen.

»Ist es schon soweit?« knurrte Tako müde undschwang sich aus der schmalen Koje. »Was machtGucky?«

Der Mausbiber materialisierte mitten in derKabine, als habe er die Frage gehört, was ingewissem Sinne ja auch stimmte.

»Hier bin ich«, gab er zirpend bekannt und glättetesein Fell. »Ich habe mich ein wenig umgesehen. DieMatrosen schlafen noch. Sie scheinen sich gesternmüde gearbeitet zu haben. Alles ruhig - wiegeschaffen für unser Unter nehmen.«

»Bin ich froh, daß ich kein Teleporter bin«,murmelte Kitai und blieb ruhig im Bett liegen.»Meint ihr, daß ihr es allein schafft?«

Tako knöpfte seine Jacke zu.»Wir müssen wohl - Gucky und ich. Gemeinsam

schaffen wir es schon, wenn auch nicht auf einmal. Inder Nähe der Stelle, an der Gucky die Sachen imFluß versenkte, ist eine Sandbank. Darauf lagern wirdas Zeug.«

»Und von dort aus bringen wir Kiste für Kiste aufsSchiff«, fügte der Mausbiber hinzu. »Falls uns dieRoboter keinen Strich durch die Rechnung machen.Die Blechmänner sind mit empfindlichenTasterinstrumenten ausgerüstet.«

»Außerdem mit Energiestrahlen!« warnte Johnernst. »Ihr müßt sehr vorsichtig sein.«

»Sind wir schon«, zwitscherte Gucky vergnügt undnahm Tako bei der Hand, um ihn zu führen. »Du bistfertig?«

Der Teleporter nickte und versuchte ein Grinsen.

»Zwar wird das Händchenhalten nicht viel nützen,aber es gibt einem vorher einige Sicherheit. DieSprungkoordinaten kenne ich ja.«

»Wir landen auf der Sandbank, Tako. WennGefahr vorhanden ist, nicht blind springen, sondernhierher zurückkehren.« Gucky nickte. »Fertig?«

John und seine beiden Freunde sahen zu, wie derJapaner und der Mausbiber entmaterialisierten. Eswar immer wieder das gleiche Bild. Zuerst schien esso, als stünden die beiden hinter einer glasklarenWasserwand, die allmählich in Bewegung geriet.Und dann war nichts mehr.

John, Kitai und Tama waren allein in der Kabine.

2.

Träge wälzte sich der Fluß dem nahen Meerentgegen.

Er floß fast durch den halben Kontinent, der vonden Eingeborenen »Götterland« genannt wurde, aberviel sah er rächt von der vorhandenen Zivilisation. ImGegensatz zu den übrigen Kontinenten hatteGötterland dank der hier stationierten Anlagen derSpringer einen hohen zivilisatorischen Stand erreicht.Insbesondere an den Küsten waren technischvollendete Hafenanlagen entstanden, die für dieSegler meist zu modern waren und nichtentsprechend genutzt werden konnten.

Am bemerkenswertesten war wohl derRaumflughafen, der als Mittelpunkt derKolonialverwaltung gewertet werden müßte. Hierwurden die Schiffe der Springer überholt undrepariert. Es lag in der Natur dieser Rasse, daß siekeinen Heimatplaneten besaßen, dafür warenverschiedene Kolonialplaneten zu Stützpunktengeworden, die für ein reibungsloses Dasein imWeltraum unerläßlich waren.

Alle diese Anlagen mußten gegen eventuelleSabotageakte der Eingeborenen geschützt werden,denn die Springer selbst gaben sich nicht damit ab,gegen unterentwickelte Rassen zu kämpfen. Dafürgab es die Roboter, technisch ausgereifte,positronisch gesteuerte Maschinen von humanoidenAussehen. Sie besaßen alles, was selbständigeMiniaturfestungen besitzen mußten, um sich gegenjede Übermacht verteidigen zu können. IhreÄhnlichkeit mit den arkonidischen Kampfmaschinenkam nicht von ungefähr. Die Springer gehörten einstebenfalls zum großen Sternenreich der mächtigenArkoniden, hatten sich später aber selbständiggemacht und ihr eigenes Imperium gegründet, wobeisie keineswegs Wert auf eine genaue Grenzziehunglegten. Wo sie handeln konnten - da handelten sie.Und sie handelten mit allem, was Geld undWohlstand und Macht brachte.

Götterland wurde somit weniger von den

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Springern als von ihren Robotern kontrolliert.Unterstützt wurden sie dabei von den willigenHelfern, den durch eine Hypnoschulung gegangenenGoszuls, den von den Primitiven geächteten undzugleich gefürchteten Götterdienern. Sie galten alsVerräter an ihrer Rasse.

Die Sandbank erhob sich an ihrer höchsten Stellekaum einen Meter über die ruhig vorbeiströmendeWasseroberfläche. Die Ufer waren weit entfernt, abernicht zu weit, um hundertprozentige Sicherheit zuversprechen. Selbst für die schweren Kampfroboterbedeutete der Fluß kein Hindernis.

Gucky materialisierte aus dem Nichts und sah zu,wie auch Tako scheinbar aus leerer Luft entstand. Einschneller Blick überzeugte die beiden davon, daß sieallein waren. Wer hatte auch zu dieser frühen Stundeetwas auf einer Sandbank zu tun?

»Ziemlich kalt, finde ich«, knurrte der Japanermißmutig. »Und bei der Temperatur sollen wir einBad nehmen?«

»Da hilft so gut wie nichts«, nickte Gucky undschüttelte sich. »Ich mache einen Probesprung undbringe dir die genauen Koordinaten. Dann springenwir gemeinsam. Wir materialisieren auf dem Grunddes Flusses, der an keiner Stelle tiefer als fünf Meterist. Dann nehmen wir eine Kiste - und springenhierher zurück. Mehr als jeweils zehn Sekunden sindwir nicht unter Wasser.«

»Zehn Sekunden sind eine schöne Zeit, wenn mannicht atmen kann.«

»Das macht mir weniger aus als die Kälte - und dieAngst, jemand könnte inzwischen unseregeheimnisvolle Tätigkeit entdecken.«

Tako sah sich forschend um. Das Nordufer warflach und bot keine Deckung. Von dort konnte sichkaum jemand unbemerkt nähern, ganz bestimmt keinRoboter. Das Südufer war waldig und unregelmäßig.Es gab kleine Buchten und vorstehende Landzungen.Wenn schon ein Angriff erfolgen würde, dann kam erbestimmt von dieser Seite.

»Solange die Wachroboter uns nicht melden,erfolgt auch kein Angriff«, beruhigte der Japaner sichund den Mausbiber. »Beginnen wir, damit wir nichtzuviel Zeit verlieren.«

Gucky nickte - und war verschwunden.Tako wartete.Zehn Sekunden später materialisierte dicht neben

ihm eine schimmernde und triefende Metallkiste undGucky.

»Ich habe gleich eine mitgebracht«, schnaufte derMausbiber und atmete tief ein. »Ein Glück, daß dieStrömung nicht der Rede wert ist, sonst fänden wirdie Hälfte nicht mehr vor. Das Zeug liegt in einemUmkreis von fünfzig Metern verteilt. Das Wasser isttrüb, aber zur Not geht es. Wir werden schon allesfinden. Die Entfernung von hier ist genau

fünfhundert Meter. Richtung exakt Ost. Nun,versuchen wir's?«

Der Japaner nickte - und dann sprangen sie.Als eine halbe Stunde vergangen war, hatten sie

fast alles geborgen. Nicht immer ging alles so glattwie anfangs, denn einige der Kisten waren doch vomTreibsand halb vergraben worden. Jedenfalls gelanges ihnen, die Kisten im Verlauf von mehrerenSprüngen vom Sand freizuschaufeln und schließlichzur Sandbank zu bringen. Dort türmten sie sich zueiner beachtlichen Pyramide.

Tako hatte ganz schmale Augen, als er sagte:»Ich würde vorschlagen, daß wir diese hier erst

einmal in Sicherheit bringen, ehe wir weitermachen.Auf dem Grund des Flusses ist der Rest in Sicherheit,was man von den Kisten auf der Insel nicht geradebehaupten kann.«

»Einverstanden«, nickte Gucky. »Ein vernünftigerVorschlag. Ich nehme die Kiste mit den Bomben, dudie mit den Lebensmitteln. Los, beeilen wir uns!«

John bekam fast einen Schlag, als mitten in derengen Kabine plötzlich eine Kiste stand und ihn hartzur Seite drängte, so daß er in die nächstbeste Kojestolperte und gleich liegen blieb, Guckymaterialisierte auf der Kiste und sah sich um wie einSieger.

»Expreßgut ist eingetroffen!« zwitscherte er undmachte einen Satz auf das oberste Bett, denn imgleichen Augenblick materialisierte die zweite Kiste.Tako rutschte an ihr herab und blieb auf dem nassenHolzboden stehen. »Ist das alles?« japste John vondem Bett her, sehr froh darüber, daß Kitai und Tamagerade einen Rundgang durch das Schiff machten,um sich von der Harmlosigkeit der Mannschaft zuüberzeugen. »Viel hat hier nicht mehr Platz.«

»Ihr könnt auch ein wenig arbeiten«, schlug er vor.»Bringt die Kisten in einen geeigneten Lagerraum,den man abschließen kann. Wir holen inzwischen dieanderen. Es sind insgesamt vielleicht zwanzig.«

»Zwanzig?« ächzte John und kam wie ein Windaus dem Bett. »Zwanzig solcher Kisten?«

»Die meisten sind kleiner und waren besserverpackt. Leider haben sie durch meinenGewalttransport gelitten, aber sie sind wasserdichtgeblieben.« Gucky nickte Tako zu. »Wir müssenweitermachen. Verschwinden wir!«

Und sie sprangen.Leider sprangen sie mitten in die vorbereitete

Falle.

*

RK-071 war einer jener Kampfroboter, die eingewisses Gebiet abzusichern hatten. Meist standendiese Roboter in ihren Unterschlupfen und wartetenauf das Einsatzsignal. Dieses wiederum wurde

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drahtlos von den zuständigen Wachrobotern gegeben,deren es wesentlich mehr gab und deren Aufgabe eswar, den ihnen unterstellten Sektor ständig zukontrollieren.

Praktisch handelte es sich nur um eineVorsichtsmaßnahme, denn mit einer Revolte derrelativ harmlosen Goszuls rechnete niemand, nichteinmal die von Natur aus mißtrauischen Gouverneurevon Götterland. Sie hielten die Eingeborenen fürwillige Untertanen, die für die Bevormundung nochdankbar sein mußten.

Die Roboter hielten sich nicht an Gefühle undVermutungen. Sie waren programmiert und taten ihrePflicht, die ihnen von dem positronischen Gehirndiktiert wurde. Sie hielten sich an Tatsachen und ansonst nichts.

Die Veränderung auf der Sandbank war eineTatsache.

Wachroboter RW-895 registrierte dieseVeränderung und leitete sie an das Zentralgehirnseiner Kommandostelle weiter. Dort wurde dieMeldung ausgewertet und entsprechendeGegenmaßnahmen eingeleitet. Der für das Gebietzuständige Kampfroboter war der bereits erwähnteRK-071. Er empfing den Aktivierungsbefehl undsetzte sich in Richtung Fluß in Marsch.

Aber die Kommandozentrale derÜberwachungsstelle mußte sich wohl dervorangegangenen Ereignisse erinnern, denn sie hielteinen Roboter allein nicht für ausreichend. Man hattees mit einem rätselhaften und nicht zuunterschätzenden Gegner zu tun, allerWahrscheinlichkeit nach mit niemand, der auf dieserrückständigen Welt geboren wurde.

Soweit stimmten die logischen Schlüsse desleitenden Positronengehirns, wenn es auch hartnäckigschwieg, wenn man nach dem geheimnisvollenGegner selbst fragte. Der blieb somit vorerstunbekannt.

Aus verschiedenen Richtungen marschierten somitinsgesamt sechs Kampfroboter auf die Sandbank zu,um sich unter das Kommando von RK-071 zu stellen.Eine Kompanie schnell mit Waffen ausgerüsteterGoszuls höherer Intelligenzquote wurde amsüdlichen Flußufer stationiert und erhielt denAuftrag, niemand durch die so entstandene Liniedurchzulassen und verdächtige Personen sofortfestzunehmen.

Das alles geschah bereits, während Gucky undTako nach den versunkenen Kisten tauchten unddiese auf der flachen Sandbank aufstapelten. Von denUfern aus war der Vorgang nicht genau zu erkennen.Hin und wieder erkannten die Späher einemenschliche Gestalt, die genauso gut einem Goszulwie auch einem Springer gehören konnte. Lediglichdas kleine Wesen mit dem rostbraunen Pelz bereitete

dem Positronengehirn der Kommandostelle einigesKopfzerbrechen.

Und dann verschwanden die beiden Lebewesenplötzlich, als hätten sie sich samt zwei Kisten in Luftaufgelöst.

Das war für die Kampfroboter das Zeichen, dieSandinsel zu besetzen.

Sie marschierten einfach los und verschwanden imFluß. Da sie auch im freien Weltraum ihreBewegungsfreiheit keineswegs einbüßten, machteihnen das Wasser ebenfalls nichts aus. Als sei nichtsgeschehen, marschierten sie über den Flußgrund undstiegen dann wieder aus dem niedrig werdendenWasser, um sich auf der Sandbank wiederzufinden.

Hier gruben sie sich ein, um bei der Rückkehr derFremden nicht sofort gesehen zu werden. Ihr Befehllautete: nicht vernichten, sondern die Unbekanntenlebendig fangen.

Und das, aber nur das, war Guckys Glück.

*

Gucky materialisierte gleichzeitig mit Tako etwafünf Meter von dem Kistenstapel entfernt. Diesererstaunliche Vorgang spielte zwar beimReaktionsvermögen der Roboter keineswegs einebesondere Rolle, denn die mechanischen Monsterwunderten sich über nichts, auch nicht über dasschier unmöglich Erscheinende. Aber der Vorgang ansich ging so schnell und überraschend, daß Takoschon längst seine Kiste gepackt und den Rücksprungangetreten hatte, als die vier auf der Sandbankstationierten Roboter sich erst in Bewegung setztenund ihre Deckung verließen.

Gucky war gerade dabei, sich eine Kisteauszusuchen.

Das plötzlich in seinem Rücken entstehendeGeräusch ließ ihn herumfahren. Die vier Ungetümeschritten unbeholfen und drohend über den losenSand auf ihn zu. Zwei von ihnen scherten seitwärtsaus, um ihm den Rückzug abzuschneiden - bei einemTeleporter ein recht schwieriges Vorhaben, wie siesehr bald feststellen sollten.

Gucky ließ die Kisten Kisten sein und teleportiertein eine Höhe von zweihundert Metern, wo er erneutrematerialisierte. Seine telekinetischen Fähigkeitenerlaubten es ihm, hier regelrecht in der Luft stehen zubleiben und die Vorgänge unter sich in aller Ruhe zubeobachten.

Es war nicht schwer, das Geschehene zu erkennen.Drüben am Nordufer waren drei weitere

Kampfroboter in Stellung gegangen und warteten aufihr Einsatzkommando. Die Goszuls am Südufer desFlusses hatten sich zwar besser getarnt, aber Guckyentdeckte sie sofort, als er einmal Verdacht geschöpfthatte. Er mußte anerkennen, daß die

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Überwachungsautomatik der Springer tadellos undsehr schnell funktionierte. Innerhalb einer halbenStunde hatten sie seine Tätigkeit auf der Inselentdeckt und entsprechend gehandelt.

Und Tako, der von alledem nichts ahnte, konntejeden Augenblick zurückkehren.

Gucky entschloß sich zu sofortigenGegenmaßnahmen.

Er entmaterialisierte nicht, sondern ließ sicheinfach fallen. Wie ein Stein stürzte er auf dieRoboter zu, wich seitlich ein wenig aus und landeteknapp fünfzig Meter von ihnen entfernt amwestlichen Rand der Sandbank. Jetzt erst konnte ersich genügend konzentrieren und seinetelekinetischen Kräfte richtig einsetzen.

Einer der Kampfroboter erhob sich mühelos in dieLuft, noch ehe er sich umdrehen und die neueSituation erfassen konnte. Er stieg wild um sichschießend bis auf einhundert Meter Höhe und triebseitlich so weit ab, bis er über dem waldreichen undteils auch felsigen Südufer stand, wo die Goszuls inStellung gegangen waren. Gucky hatte eigentlichkeine Zeit, aber er konnte der Versuchung nichtwiderstehen.

Und so stürzte der Roboter nicht einfach ab,sondern drehte erst zwei vollendete Loopings, zogeine wunderbare Schleife über die staunendenGoszuls und prallte dann schließlich mit enormerBeschleunigung gegen einen Uferfelsen, der seinenmetallenen Kopf auf Anhieb zerschmetterte.

Der Rest rutschte als wertloser Schrotthaufen indas langsam dahinziehende Wasser und verschwanddarin auf Nimmerwiedersehen.

Nun der zweite.Er endete nach einem ähnlichen Kunststück am

gleichen Felsen, nur mit dem erstaunlichenUnterschied, daß es ihm gelang, ein Stück desFelsens vorher in glühende Lava zu verwandeln.Dieser Umstand jedoch beschleunigte sein Ende nur.Zischend versank er mit einem Klumpen glühendenGesteins in den Fluten des Flusses.

Gucky konnte seine Aufmerksamkeit gerade demdritten Roboter zuwenden, als Tako zurückkehrte.Der Japaner materialisierte direkt zwischen denbeiden Metallungeheuern, die Gucky angriffen.

Er war so überrascht, daß er sich nicht rührte. ZumGlück waren es die Roboter nicht. Sie kümmertensich nicht um Tako, sondern sahen wohl mit einigemRecht in dem kleinen Mausbiber den gefährlicherenGegner, den es unschädlich zu machen galt.

Der einmal erhaltene Befehl mußte eingehaltenwerden. Noch war das Kommando zum Vernichtennicht erteilt worden. Roboter kennen nur wenigRücksicht auf ihre eigene Existenz, wenn dieKampfroboter auch eine gewisse Ausnahme bildeten.Wenn sie in Gefahr gerieten, vom Gegner zerstört zu

werden, löste sich automatisch das Sperr-Relais, undsie machten von ihren tödlichen Waffen Gebrauch.

»Zum Schiff zurück!« schrillte Gucky, der nocheinige Sekunden Zeit zu haben glaubte. »Ich komme,wenn alles klar ist.«

Tako gehorchte und verschwand.Gucky dachte an Johns Ansicht über die

Humanität und entschloß sich zu einem besonderseindrucksvollen Schauspiel. Gleichzeitig erhoffte ersich damit eine imponierende Wirkung bei denGoszuls, die ja einmal ihre Bundesgenossen werdensollten.

Die beiden übrigen Kampfroboter verwandeltensich in zwei Kunstflugzeuge. Gerade über denGoszuls, die den Vorgang natürlich keineswegsbegriffen und glaubten, die metallenen Götter seienverrückt geworden, drehten sie Loopings, machtenRollen und vollführten die gewagtesten Kapriolen.Schließlich, als Höhepunkt ihrer Darbietung, trenntensie sich, wendeten und rasten mitHöchstgeschwindigkeit aufeinander zu. In der Mittetrafen sie zusammen, infolge eines inzwischenstattgefundenen Kurzschlusses wild schießend.Ineinander verkrampft stürzten die beidenKunstflieger halb zerschmolzen in den Fluß, in demsie zischend versanken.

Die Goszuls waren der Vorstellung mit ungeteilterAufmerksamkeit gefolgt, wenn sie sich die Vorgängeauch nicht zu erklären vermochten. Sie mußtenglauben, daß die beiden »Götter« Streit bekommenund sich gegenseitig vernichtet hatten. Niemand kamauf den Gedanken, das kleine pelzige Wesen auf derSandinsel dafür verantwortlich zu machen.

Lediglich RK-071 kam auf diesen absurdenGedanken und gab seinen beiden Metallgefährten denAngriffs- und Vernichtungsbefehl. Von nun an gab eskeine Rücksicht mehr. Der kleine Gegner war zugefährlich, um gefangengenommen werden zukönnen.

Die Kolosse marschierten auf das Nordufer zu undmachten Anstalten, im Fluß zu verschwinden. Guckyerkannte die Gefahr. Er wußte, daß Wasser demrobotischen Mechanismus nichts anhaben konnte. Ernahm eine Kiste und teleportierte zum Schiff.

Tako war gerade dabei, John Marshall dieSituation auf der Sandbank zu erklären, als derMausbiber in der Kabine auftauchte. Es war eng,denn nun waren auch Kitai und Tama zurückgekehrt.

»Da ist er ja!« rief Tako, und man sah ihm dieErleichterung an. »Was ist geschehen? Bist dugeflohen?«

Trotz der gespannten Lage hatte Gucky Zeit, sichverletzt zu fühlen.

»Geflohen?« zwitscherte er erstaunt undvorwurfsvoll zugleich. »Wie käme ich auf denGedanken? Mir ist lediglich ein Gedanke gekommen.

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Kitai, am Fluß wartet eine ganze Kompanie Goszulsdarauf, von dir behandelt zu werden. Vielleichtkannst du gute Bundesgenossen aus ihnen machen.«

»Eine ganze Kompanie?« Kitai riß die Augen auf.»Was wollen wir damit anfangen?«

»Eine ganze Menge. Du wirst ihneneinsuggerieren, daß sie alle weiteren Befehle zuignorieren und zum Hafen zu marschieren haben. Wirwerden sie dann hier in Empfang nehmen. Ich habeeine lebenswichtige Aufgabe für die Brüder.«

Kitai wollte noch etwas fragen, aber ein WinkJohns ließ ihn verstummen. Der Telepath hattebereits begriffen, was Gucky plante.

»Kitai wird tun, was du sagst«, wandte er sich anGucky. »Und die Ausrüstung ist sicher?«

Gucky machte sich zum Sprung bereit. Er fixierteKitai, den er mitzunehmen hatte und nahm seineHand. Zu John gewandt, sagte er:

»Noch nicht. Drei Kampfroboter sind dabei, sie inBesitz zu nehmen. Ich werde ihnen die Suppeversalzen.«

»Kampfroboter?« entsetzte sich John. »Wie willstdu sie ...?«

»Keine Sorge, Freund. Vier von ihnen habe ichschon durch mangelhafte Pilotenkenntnisse zugrundegerichtet. Auf drei mehr oder weniger soll es mirauch nicht ankommen.«

Mit dieser mehr als geheimnisvollen Andeutungverschwand er. Kitai war ebenfalls nicht mehr in derKabine. Tako, der sich übergangen fühlte, fragteJohn:

»Und ich? Soll ich auch ...?«»Warte noch«, entschied Marshall. »Gucky wird

dich holen, wenn er dich braucht. Wir können jetztnichts tun als warten.«

Gucky materialisierte und ließ Kitai los. Von denRobotern war noch nichts zu sehen. Sie mußten sichnoch unter der Flußoberfläche aufhalten und konntenjeden Augenblick das Ufer der Sandbank erreichen.

»Dort drüben am Südufer, Kitai! Die Goszulsliegen da in Stellung und wissen vorerst noch nicht,was sie von den Wundern zu halten haben, die sichvor ihren Augen abspielen. Nimm sie in Behandlung.Kümmere dich nicht um das, was gleich hiergeschehen wird. Am besten gehst du in Deckung,damit die Roboter dich nicht entdecken.«

»Welche Roboter?«»Sie spielen Untersee-Boot, werden aber gleich

auftauchen«, verkündete Gucky und ließ den Strandnicht aus den Augen. »Mach voran, wir haben nichtviel Zeit.«

Er bemerkte in einigen Metern Entfernung einKräuseln der Wasseroberfläche. Der erste derRoboter tauchte mit seiner Schädelplatte aus denFluten.

Gucky liebte die Abwechslung. Nichts war ihm

mehr zuwider als die Monotonie. Und wenn er diesedrei Roboter auf die gleiche Art erledigte wie dieersten vier, so war das zweifellos Monotonie.

Blitzschnell faßte er seinen Plan und führte ihnaus. Drüben am Südufer gab es genug lose Felsen,die er von der Sandbank aus leicht telekinetischdirigieren konnte. Endlich wieder einmal konnte derMausbiber nach Herzenslust spielen, wie seine Rasseauf dem einsamen Planeten der sterbenden Sonne dastelekinetische Bewegen von Materie nannte.

Die Goszuls, die sich kaum von ihrer erstenÜberraschung erholt hatten, erlebten nun eine zweite.Statt fliegender Roboter gab es schwebende Felsen inendloser Folge. Sie hoben sich am seichten Ufer ausdem Wasser, segelten in ruhigem Flug dicht über denFluß dahin und klatschten dann an einer bestimmtenStelle in die Fluten, um gurgelnd zu versinken.Natürlich konnten die Goszuls nicht wissen, daß sieunter sich drei Kampfroboter begruben, denen dieEnergiewaffen unter Wasser nicht viel nutzten.

Schließlich, schon erhob sich dicht neben derSandbank eine neue Insel aus Felsen, beendeteGucky seine Vorstellung. Unter der Insel, so wußteer, waren die Roboter vorerst sicher. Mit der Zeitwürden sie sich vielleicht befreien können, vielleichtaber auch nicht. Jedenfalls hatte man im Augenblicknichts mehr von ihnen zu befürchten. Daß siedrahtlos über das Geschehene berichten konnten,störte Gucky nur wenig. Er suchte Kitai in seinerSanddeckung auf und fragte: »Nun, schon Erfolg?«

»Ja, ich denke schon. Es wird noch einige Minutendauern. Ich muß das ganze Ufer bestreichen, damitich niemand übersehe.«

»Gut, dann mache weiter. Ich werde den Transportder Kisten wieder aufnehmen und Tako holen. Ineiner halben Stunde haben wir es geschafft.«

Er kehrte zu dem Stapel zurück und verschwandSekunden später mit einer Kiste. Als er mit Takozurückkehrte, überließ er diesem die Aufgabe, dieAusrüstung zum Schiff zu schaffen, während erselbst die restlichen Behälter vom Grund des Flussesholte.

Kitai hatte inzwischen Erfolg.Das zeigte sich eindeutig, als die Goszuls

unbekümmert ihre schützenden Deckungslöcherverließen und sich zur Marschordnung formierten.Einer von ihnen übernahm das Kommando. Ohnesich weiter um die beiden Menschen und denMausbiber auf der nahen Insel zu kümmern, nahmensie Richtung zur Küste und setzten sich in Marsch.Kurz vor der Mündung gab es eine Brücke, wußteKitai. Von dort war es nicht mehr weit bis zumHafen.

Gucky kam herbei.»Sie werden den Hafen morgen Mittag erreichen

und sich bei uns melden«, grinste der Suggestor. »Sie

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handeln aus freiem Willen und werden noch einigeFreunde, mitbringen, so daß wir morgen mit einerhübschen Menge freiwilliger Helfer rechnenmüssen.«

»Die können wir auch gebrauchen«, grinste Guckyzurück und nahm Kitai bei der Hand. »Und nunschließe deine Augen, Bruder - ich bringe dich zumSchiff.«

Zwei Stunden später lag die gesamte Ausrüstungwohl verstaut in einer der großen Bugkabinen, in dieJohn und seine Mutanten umgezogen waren, um diewertvollen Kisten nicht unbewacht zu lassen. In allerRuhe konnten sie sich nun daran machen, den Inhaltder wasserdichten Kisten zu untersuchen.

Gucky half ihnen dabei. Er zeigte auf den Stapelmit den länglichen und verhältnismäßig flachenBehältern aus Metall und sagte:

»Der Inhalt ist gleich. Es genügt, wenn wir eineöffnen.«

Sie taten es. Als der Deckel aufschwang, starrtendie vier Männer verwundert auf die Doppelreihe derkleinen Bomben, die vielleicht so groß wie einenormale Handgranate waren. Die Hülle bestand nichtaus Metall, sondern aus buntem Plastikmaterial.Gucky zeigte auf die roten.

»Die wirken am schnellsten. Infektionsspanne nurwenige Tage. Ausbruch der Krankheit in einerWoche. Bei den anderen dauert es länger. Einegenaue Liste ist beigefügt.«

»Bakterienkrieg!« flüsterte John nicht geradebegeistert.

»Keine Sorge«, gab Gucky zurück und sah sehrfröhlich aus. »In den grünen Kisten dort drüben istdas Gegenserum. Im übrigen stehen wir vor demAusbruch eines Krieges, der uns allen noch viel Spaßbereiten wird.«

»Ein Krieg - und Spaß« dehnte Kitai vorwurfsvoll.Gucky grinste vergnügt.»Dieser - ja!«

3.

Geragks hypnotische Beeinflussung durch Kitaiblieb nicht sehr lange wirksam. Er war nach derEntladung des Seglers in sein Wohnquartierzurückgekehrt, nachdem er die Erfüllung desAuftrags seinem zuständigen Wachroboter gemeldethatte. Dieser veranlaßte zugleich den Abtransport derSchiffsladung zur Rampe des Raumhafens.

In seinem Quartier setzte sich Geragk aufs Bettund stützte den Kopf in die Hände. Unter seinerrotbraunen Haut zuckten die Nerven. In denmongoloiden Augen war ein unstetes Flackern.

Hatte er nicht etwas vergessen, was ihm äußerstwichtig erschienen war? Irgend etwas, das seineStellung bei den Göttern festigte?

Aber so sehr er auch überlegte, noch wich derBann nicht, der sich wie ein eiserner Reifen um seineStirn legte. Als es an der Tür klopfte, schrak erzusammen wie ein ertappter Sünder. Heute wollteRalv ja etwas mit ihm besprechen - fast hätte er nichtmehr daran gedacht.

Er ließ den späten Besucher ein und verschloß dieTür wieder.

Ralv war der Anführer der Organisation, die demGötterspuk ein Ende bereiten wollte, und zwar mitGewalt. Seine hünenhafte Gestalt überragte dieGeragks um gut zwanzig Zentimeter. Seine tiefroteHaut zeigte dunkle Behaarung und starke Sehnen.Ralv mußte über ungemeine körperliche Kräfteverfügen.

»Fühlst du dich nicht wohl?« fragte er, als er sichgesetzt hatte.

Geragk zuckte die Achseln.»Ich weiß nicht recht, wie ich mich fühle.

Vielleicht war es auch nur die Arbeit und die Hitzeheute. Mir ist, als läge ein Gewicht auf meinemKopf.«

Ralv betrachtete ihn aufmerksam. Dann nickte er.»Rendex geht es ähnlich heute. Ich war eben bei

ihm. Übrigens gehörte er zu deinemEntladekommando. Zufall?«

»Was?«»Daß ihm so ähnlich wie dir zumute ist.«Geragk sah Ralv an.»Irgend etwas war auf dem Schiff, aber ich weiß

nicht mehr was. Wie kann man das nur vergessen? Eswird mir auch bestimmt wieder einfallen, aber imAugenblick ... ich weiß nicht. Alles ist somerkwürdig.«

Ralv schnitt ein neues Thema an.»Unseren Verbindungsleuten ist es gelungen, einen

der Wachroboter zu fangen und auseinander zunehmen ...«

»Ihr habt einen Metallgott getötet?«»Rede keinen Unsinn! Du weißt genauso gut wie

ich, daß das ganze Geschwätz von Göttern undMetallgöttern Unsinn ist. Diese sogenannten Göttersind Humanoiden wie wir. Sie haben Schiffe, mitdenen sie von Stern zu Stern fliegen können - das istalles. Sie sind Ausbeuter, die unsere Unkenntnisausnutzen. Mit Hilfe ihrer technischen Überlegenheithaben sie unsere Welt versklavt. Wir werden sie vonGoszuls Plansten vertreiben, wie sie unsere Weltnennen.«

»Aber einen Metallgott - einen Roboter zu fangen...! Wird der Verlust die Götter nicht rebellischmachen? Sie schicken uns ihre Kampfmaschinen aufden Hals.«

Ralv machte ein geheimnisvolles Gesicht.»Vielleicht weißt du es noch nicht, aber wir haben

unerwartete Bundesgenossen erhalten. Seit

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unbestimmter Zeit weilen auf unserer Welt Fremde,die ebenfalls die Götter bekämpfen und ihnenSchaden zufügen.«

»Fremde?« machte Geragk und sah plötzlich sehrnachdenklich aus. »Wie kommt es, daß ich beidiesem Wort etwas spüre ...? Hatte ich nicht heutemit Fremden zu tun ...?«

Er schüttelte den Kopf und ballte die Fäuste.»Nun?« erkundigte sich Ralv neugierig. »Immer

noch nichts?«»Ich muß schlafen, Ralv. Vielleicht fällt es mir

morgen wieder ein. Ich habe das Gefühl, es istwichtig, sehr wichtig sogar. Was ist übrigens aus demRoboter geworden, den ihr auseinandergenommenhabt?«

»Was soll aus ihm geworden sein? Wir haben seinInneres untersucht und festgestellt, daß er reinmechanischer Natur ist. Notfalls könnten wir solcheGebilde sogar nachbauen, wenn wir die notwendigenMaschinen besitzen - und das wird ja nicht mehrlange dauern. Wenn wir die Götter vertrieben haben,werden wir auch ihre Fabriken übernehmen undselbst solche Schiffe bauen, mit denen man dieSterne erreichen kann.«

»Besitzen wir genaue Unterlagen über sämtlicheAnlagen?«

»Alles ist vorbereitet. Wir könnten schon dieseNacht losschlagen, wenn Enzally uns nicht gewarnthätte.«

»Enzally? Was will der Seher?«»Eigentlich sollten wir ihn >den Lauscher<

nennen, denn er vermag die Gedanken andererMenschen zu lesen - aber nicht nur die Gedanken derMenschen, sondern auch die der sogenannten Götter.Und die der Fremden.«

»Die der Fremden? Er hat Verbindung mit denFremden?«

»Nur ganz kurz und für wenige Augenblicke. Erlauschte einer telepathischen Unterhaltung. DieFremden müssen also ebenfalls Gedankenleser sein.Aber als er sich einmischte, brachen dieGedankenströme ab und er hörte nichts mehr. Sovieljedenfalls konnte er erfahren: Die Götter sind dieFeinde dieser Fremden. Sie griffen auch ihrenHeimatplaneten an, wurden aber zurückgeschlagen.Nun kamen sie nach hier, um eine Versammlung derGötter - die sie übrigens Springer nennen - zuzerschlagen. Wir haben selbst erlebt, daß ihnen daszum Teil gelungen ist.«

»Bundesgenossen«, sann Geragk vor sich hin.»Niemals hätten wir mit Freunden rechnen dürfen,und nun haben wir plötzlich welche. Aber: warummelden sie sich nicht? Warum bleiben sie verborgenund zeigen sich uns nicht?«

»Sie werden ihre Gründe haben. Enzally versucht,Verbindung mit ihnen aufzunehmen, bisher ohne

Erfolg. Er gibt mir sofort Nachricht, wenn er etwaserfährt. Du siehst, unsere Lage ist nicht hoffnungslos,aber es ist im Augenblick klüger, wenn wirabwarten.«

»Wenn die Götter nur nicht vorzeitig durch dasVerschwinden eines ihrer Roboter gewarnt wurden.«

»Damit müssen wir rechnen«, sagte Ralv underhob sich. »Und versuche du, dich an das zuerinnern, was heute auf dem Segler geschehen ist. Esist doch merkwürdig, daß alle, die heute unter deinemKommando standen, an Gedächtnisschwund leiden.Da steckt doch etwas dahinter.«

Geragk öffnete ihm die Tür.»Aber was?« fragte er, ohne eine Antwort zu

erhalten oder zu erwarten.

*

Die Kunde von dem merkwürdigen Gefechtzwischen einem kleinen Tier und siebenKampfrobotern drang auch bis an die Ohren derheimlichen Rebellen. Überall in denVerwaltungszentren saßen Goszuls, die die Arbeitder positronischen Gehirne und der weitverzweigtenAutomatik dank ihrer erhaltenen Hypnoschulungunterstützten. Einige von ihnen hatten denplötzlichen Angriffsbefehl am Vormittag zurKenntnis genommen und später von der Vernichtungder sieben Kampfroboter erfahren.

Und noch ein wenig später löste eine weitereNachricht erhebliches Befremden aus - aber nicht nurbei den Goszuls, sondern auch bei denGouverneuren, den Springern. Die zum Flußbeorderte Kompanie der Goszuls hatte sich nichtweiter um ihre Aufgabe gekümmert, sondern warnach der Vernichtung der Roboter aufgebrochen undbefand sich zur Stunde auf dem Marsch zurSeehafenstadt. Was sie dort wollte und wer ihnen denBefehl erteilt hatte, war nicht herauszubekommen.

Jedenfalls suchte Ralv, als er von der erstaunlichenNeuigkeit hörte, sofort seinen Gefährten Geragk auf,der heute kein Kommando erhalten hatte und inseiner Wohnung weilte.

»Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber ich haltees für unbedingt notwendig, daß wir uns um dieLeute kümmern. Ich will nicht hoffen, daß einigeunserer Unterführer den Entschluß faßten,selbständig zu handeln. Gegen die Kampfroboterhaben sie keine Chance.«

Geragk, der dem Bericht schweigend gelauschthatte, sagte sinnend:

»Wie sah dieses Wesen aus, das gegen die Roboterkämpfte und sie besiegte? War es kein Mensch?«

»Kein Goszul, kein Springer - nichts. Es war einTier.«

»Ein Tier kann niemals Roboter vernichten«,

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meinte Geragk verständnislos.»Ob es einer dieser Fremden ist, von denen

Enzally sprach?«»Möglich«, gab Ralv zu. »Begleitest du mich?«Die beiden Männer eilten aus dem Haus und

nahmen den nächsten Wagen, der sie zur Hafenstadtbrachte. Die Kompanie befand sich noch auf demMarsch, hatte aber die allgemeine Richtung nichtgeändert. Wenn sie ihr Tempo beibehielt, würde sieerst im Morgengrauen des anderen Tags den Hafenerreichen. Solange mußten sie sich gedulden, wennsie keinen Verdacht erregen wollten.

Der Abend und die Nacht verging. Sie waren beieinem Freund untergeschlüpft, der ebenfalls ihrergeheimen Organisation angehörte. Ein Bote warunterwegs, Enzally zu verständigen. Er konnte in dreiStunden eintreffen, wenn man ihn nicht aufhielt.

Die Zeit verging nur langsam.Sie bemerkten nichts von der fieberhaften

Tätigkeit, die inzwischen die Überwachungszentrenergriffen hatte. Funksprüche rasten über Götterlandund unterrichteten die Springer-Gouverneure vondem unerklärlichen Vorfall. Eine soebenfertiggestellte Einheit von Kampfrobotern verließ dieFabrik und marschierte zur Hafenstadt. WeitereVerstärkungen vom Raumfeld abzuziehen schien denGouverneuren zu riskant.

Als der Morgen graute, glich der Hafen einemHeerlager. Überall an den wichtigen Ausfallstraßenwaren Kampfroboter stationiert, die jedes Fahrzeugkontrollierten. Die Goszuls ließen die nichtungewohnte Kontrolle geduldig über sich ergehenund verhielten sich erstaunlich diszipliniert.

Es war dem Telepath Enzally gelungen, unbemerktund ohne Verdacht zu erregen in die Stadt zugelangen. Seine suchenden Gedanken fanden Ralvund Geragk. Wenig später klopfte er an die Tür.

Die beiden Freunde atmeten auf, als sie ihrenwichtigsten Mann erkannten. Sie bestürmten ihn mitFragen, aber der schon ältere Telepath hobbeschwörend beide Hände und lächelte wissend. Ersetzte sich auf die Kante eines Bettes und sagte:

»Gönnt mir eine kurze Pause, Freunde. Ich habeeinen langen Weg hinter mir - und er war nichteinfach zu gehen. Die Springer sind unruhiggeworden - ihr seht, ich nenne sie auch schon nichtmehr Götter. Der Grund ist einfach zu erklären: Icherhielt eine neue Verbindung mit den Fremden. Sieweilen hier ganz in der Nähe - vielleicht sogar in derStadt.«

»Hier in der Stadt?« stieß Ralv hervor und hatteMühe, seine Überraschung zu verbergen. »Wo?«

»Wir werden es bald wissen, denn sie haben michgebeten, heute früh erneut Verbindung mit ihnenaufzunehmen. Ich weiß nicht, wie viele es sind, abermindestens zwei von ihnen sind Telepathen wie ich.«

Geragk saß in einer Ecke und starrte Löcher in dieLuft. Er sah ganz so aus, als denke er angestrengtnach. Enzally warf ihm einen schnellen Blick zu undwinkte Ralv plötzlich ab, der etwas sagen wollte. DerTelepath hielt den Kopf ein wenig schief undbetrachtete Geragk forschend.

Plötzlich sagte er:»Ich werde dir helfen, Geragk, deine Erinnerung

aufzufrischen; vielleicht erfahren wir dann mehr.Was also war gestern auf dem Schiff?«

Ralv begriff sofort und verhielt sich abwartend. Erwußte, daß Enzally in Geragks Gedanken forschte,und vielleicht gelang es dem Telepathen sogar, in dieverschleierte Erinnerung vorzudringen.

»Seltsam«, murmelte Enzally plötzlich. »Es ist, alsläge vor deinen Gedanken eine Art Schleier - ichkann ihn fast körperlich spüren. Er ist nichtnatürlichen Ursprungs. Nur ein anderer Telepath -oder eine Variation, vielleicht ein Suggestor - könnteihn vor dein Erinnerungsvermögen gelegt haben. Aufdem Segler warst du gestern, der im Hafen liegt? Unddort geschah etwas? Was geschah? Nein, du brauchstnichts zu reden, das strengt zu sehr an. Denken,nichts als denken - das genügt. Ja, so ist es besser.Fremde waren an Bord? Der, Kapitän sagte es dir?Vier fremde Männer, die wie Götter aussahen? Unddu gingst zu ihnen - und dann war alles vorbei? Duweißt nichts mehr?«

Enzally atmete auf und lehnte sich zurück, Geragkdabei nicht aus den Augen lassend.

»Sieh mich an, Geragk! Diese vier Männer - hastdu sie deutlich gesehen? Was sagten sie zu dir?Doch, du kannst dich erinnern, wenn du das willst! Ja- ja - du erinnerst dich jetzt! Sie waren es, die dir denBefehl gaben, alles zu vergessen. Dir und allenLeuten des Kommandos! Ihr alle vergaßt das, was ihrsehen konntet. Diese vier Männer sind die Fremden,die wir suchen! Sie sind unsere Verbündeten!«

Geragk sah aus, als erwache er aus einem Traum.Seine Augen waren weit aufgerissen und starrten insLeere. Dann aber nickte er.

»Du hast recht, Enzally. Die vier Fremden sind aufdem Schiff; ich entsinne mich jetzt wieder. Sie gabenmir und meinen Leuten den Befehl, alles zuvergessen. Warum eigentlich, wenn sie unsereFreunde sind?«

Enzally lächelte.»Du vergißt, daß auch Roboter auf dem Schiff

waren. Was wäre geschehen, wenn sie Verdachtgeschöpft hätten? Sie sind nur vier Männer, diegegen eine ganze Welt stehen. Sie müssen vorsichtigSein. Aber ich glaube, sie suchen Freunde. Wirwerden es bald wissen.«

»Wann?« fragte Ralv, der sich bisher schweigsamverhalten hatte.

Enzally hob die rechte Hand.

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»Gleich«, flüsterte er und bedeutete den beidenMännern, jetzt zu schweigen. Ganz ruhig undunbeweglich saß er auf dem Bett und lauschte in sichhinein.

Es dauerte fast zehn Minuten.Weder Ralv noch Geragk konnten ahnen, was in

diesen zehn Minuten geschah. Sie wußten, daß ihrTelepath sich mit jemand unterhielt, aber sie konntennatürlich kein einziges Wort dieser Unterhaltungverstehen.

Endlich nickte Enzally mehrmals vor sich hin, sahauf und sagte:

»Macht euch bereit, Freunde. Ihr werdet michbegleiten. Ich glaube, der Kampf beginnt.«

Geragk kannte die Antwort, aber er fragte doch:»Wohin gehen wir?«»In den Hafen - ein Schiff wartet dort auf uns.«

*

Der Kapitän des Seglers war fest davon überzeugt,aus völlig freiem Willen zu handeln, als er weiterhinim Häfen blieb, statt gleich wieder auszulaufen, wiedie Anordnungen es besagten. Er hatte zwar keineAhnung, warum er so handelte, aber er tat es eben.Kitai hatte dafür gesorgt, daß seine Befehle dennotwendigen Nachdruck erhielten und die Wirkungseiner Suggestion eine Weile anhielt.

Die leicht gebeugte Gestalt des Japaners lehntegegen die Reling. Kitai hielt Wache, während JohnMarshall und die beiden anderen Mutanten in allerRuhe die Ausrüstung sichteten, die Gucky gebrachthatte. In der Kabine war Platz genug vorhanden, dieSachen nach einer Linie zu ordnen.

Gucky selbst unterstützte Kitai bei seiner Aufgabe,die Ankunft der drei Goszuls rechtzeitig zubemerken. Er hockte zwischen den Aufbauten undschickte seine telepathischen Fühler aus. Es dauerteauch nicht sehr lange, bis er unter den Tausenden aufihn einströmenden Impulsen die richtigen entdeckenund isolieren konnte. Mit einiger Hingabe lauschte erder Unterhaltung zwischen Enzally, Ralv undGeragk, als diese zum Hafen gingen und geschicktdie Kontrollen der Wachroboter vermieden, wasnicht, immer so einfach war. Denn die Gedanken vonRobotern aufzufangen gelang selbst einemTelepathen wie Enzally nicht.

Die Loyalität der drei Goszuls stand außerhalbjeder Diskussion; Allein die leise geführteUnterhaltung, deren Zeuge Gucky war, bewies daszur Genüge.

Der Mausbiber teleportierte zu Kitai, der erschrak,als Gucky neben ihm materialisierte.

»Sie kommen.«Kitai seufzte.»Ist es unbedingt notwendig, daß du meine

ohnehin schon strapazierten Nerven noch mehrbelastest? Kannst du nicht wie ein vernünftigerMensch die paar Schritte gehen?«

»Ich bin kein Mensch«, eröffnete Guckytriumphierend. Sein Stolz über diese Tatsache warunverkennbar. »Warum soll ich mich anstrengen,wenn es auch einfacher geht?«

Kitai grinste.»Ich werde dir bei Gelegenheit einsuggerieren, du

seist ein Huhn. Vielleicht kommen wir dann endlichwieder zu einem frischen Ei.«

Gucky verzog das Gesicht, murmelte etwasUnverständliches und zeigte zum Hafen.

»Dort kommen die drei - siehst du sie? Der älterevon ihnen ist der Telepath Enzally, mit dem John sichmehrfach unterhielt. Der rechte muß Ralv, derAnführer der Rebellen, sein. Dann ist logischerweiseder linke unser Freund Geragk, den du schon in derKur hattest.«

Kitai sah, wie die drei Männer geschickt einenWachroboter umgingen und dann ganz so taten, alshätten sie wichtige Geschäfte im Hafen zu erledigen.Vorbei an den Lagerhäusern näherten sie sich demKai, an dem der Segler lag. Im Vorbeigehen grüßtensie einige Goszuls, die ihnen neugierig nachblickten.

Gucky ließ freudig erregt seinen Nagezahnverschwinden und zirpte:

»Ich werde die anderen benachrichtigen. Es ist janicht gerade notwendig, daß die drei Unterhändlergleich unser ganzes Waffenarsenal zu Gesichtbekommen. Bei dem herrlichen Wetter können wir anDeck verhandeln. Was meinst du?«

»Erkundige dich lieber, was John dazu meint. Erist unser Boß.«

»Auch meiner?« machte Gucky erstaunt - und warverschwunden. Er hatte es mal wieder vorgezogen,seine körperlichen Kräfte zu schonen.

Kitai wandte nun seine ganze Aufmerksamkeit denRebellen zu, die ein wenig unschlüssig vor derprimitiven Gangway standen, die das Schiff mit demKai verband. Er richtete sich auf und winkte ihnenzu.

Enzally gab den Gruß zurück und schritt weiter.John Marshall und seine Gefährten erwarteten die

Gäste auf dem oberen Heckdeck. Mit Hilfe dervorhandenen Hilfsmittel hatten sie ihr Aussehenendlich ändern können. Sie sahen jetzt aus wie ganznormale Goszuls, nicht mehr wie Springer.Schließlich war es ja nicht mehr ihre Aufgabe, sichunbemerkt unter die galaktischen Händler zumischen, sondern sie wollten vielmehr alsEingeborene gelten - wenigstens den Springerngegenüber.

Gucky hielt sich ein wenig im Hintergrund. Ersollte erst später in Erscheinung treten - und derMausbiber plante, das mit entsprechendem

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Nachdruck auch zu tun.Enzally und John maßen sich mit abtastenden

Blicken. Unsichtbar gingen ihre Gedanken hin undher, forschten, fragten und gaben Antwort. Dannstreckte Enzally beide Hände aus und ging auf Johnzu.

»Willkommen, Sohn einer fremden Welt«, sagte erim reinsten Interkosmo, der Verständigungsspracheder Springer und auch des arkonidischen Imperiums.»Du bist gekommen, uns zu helfen. Ich sehe, daß dunicht lügst.«

»Wir sind glücklich, nicht mehr allein zu sein«,versicherte Marshall und begrüßte auch die beidenBegleiter des Telepathen. Danach stellte er die dreiJapaner vor. »Setzen wir uns, hier sind wir ungestörtund können zugleich den Hafen übersehen. Ichnehme an, Enzally, wir haben uns einiges zuerzählen.«

Sie hockten auf Taurollen und Matten. VomHimmel herab schien eine warme Sonne. Im Hafenwar nur wenig Betrieb. Das plötzliche Auftauchender vielen Wachroboter war zwar nichtsUngewohntes, aber daß auch Kampfroboter an allenwichtigen Punkten stationiert wurden, erregte docheiniges Mißtrauen.

»Ihr wollt einiges über unsere Organisationwissen«, stellte Enzally sachlich fest »Ralv ist derrechte Mann, das zu erläutern - er hat sie gegründetund ist ihr Leiter.«

Ralv nickte stolz und sagte:»Stellen Sie Fragen, Herr, ich werde antworten.«John winkte ab.»Bleiben wir bei dem vertraulichen Ton, wie er

unter Verschwörern und Bundesgenossen üblich ist,Ralv. Meine erste Frage an dich lautet: Wie groß istdeine Widerstandsgruppe? Wie viel Mitglieder zähltsie?«

Ralv machte ein betroffenes Gesicht.»Hm - ehrlich gesagt, so genau weiß ich das nicht.

Die ganzen Umstände erfordern zugunsten dereigenen Sicherheit, daß wir keine regelrechteOrganisation aufgezogen haben. Ich weiß nur, daßwir überall Bundesgenossen haben, die lieber heuteals morgen sähen, daß die Götter verschwänden.Nicht jeder ist dazu bereit, für diesen Gedanken zukämpfen und das relativ bequeme und gesicherteLeben aufzugeben oder auch nur zu riskieren. Sie -eh - du verstehst, wie ich das meine?« John nickte,sagte aber nichts. Ralv fuhr fort: »Wir haben unserKennwort. Wollen wir sichergehen, so sagen wir es.Erhalten wir entsprechende Antwort, so wissen, wir,daß wir es mit einem Mitglied unserer Organisationzu tun haben.«

»Ist das nicht ein wenig leichtsinnig?«»Keineswegs. Es gibt unter den Goszuls keine

Verräter, höchstens Feiglinge.«

»Würdest du so freundlich sein, mir in diesemspeziellen Fall den Unterschied zu erläutern?«

Enzally mischte sich ein.»Darf ich das tun? Kein Goszul wird aus

egoistischen Gründen zu den Springern gehen undihnen verraten, daß es eine Widerstandsgruppe gibt.Abgesehen davon würde ihn die Rache seinereigenen Landsleute treffen, denn die Springer werdenihn nicht beschützen.

Aber wir haben genug Leute, denen dasaugenblickliche Leben gefällt; sie werden sichniemals gegen die Springer empören, aber sieverraten auch die Widerstandskämpfer nicht. Dassind jene, die wir Feiglinge nennen.«

»Und wenn man sie zwingt, ihre Landsleute zuverraten?«

Enzally lächelte kalt.»Wir sind es gewohnt, Schmerzen zu ertragen -

und notfalls lieber zu sterben, als den Mundaufzumachen.«

Nun lächelte auch John, aber es war einanerkennendes Lächeln.

»Dann würde ich sie aber auch nicht als Feiglingebezeichnen, Enzally. Sie sind tapfer - sie können sichnur nicht entscheiden, das ist alles. Verurteilen wirsie also nicht. Jedenfalls sind sie in unseren Augenkein Hindernis. Das wollte ich wissen.«

»Deine nächste Frage?« wollte Ralv wissen.»Gibt es nur in dieser Stadt Rebellen, oder sind sie

auch in anderen Städten vorhanden?«»Ganz Götterland ist voller Rebellen, die nur auf

ein Kommando warten, um über ihre sogenanntenHerren herzufallen. Sie besitzen sogar schonWerkzeuge, mit denen sie die Roboter angreifen undaußer Gefecht setzen können.«

»Auch Kampfroboter?«Ralv machte ein betrübtes Gesicht.»Noch nicht - leider. Aber wenn wir erst einmal

die Fabriken und Maschinen besitzen, werden wir ...«»Die Fabriken werden durch Kampfroboter

bewacht«, unterbrach John ernst. »Du siehst, es istsomit unmöglich, diesen Fall als realisierbaranzunehmen. Wir müssen anders vorgehen, wenn wirdie Springer und ihre Roboter erledigen wollen.«

»Wir?« staunte Ralv fassungslos. »Soll das heißen...?«

»Warum, glaubst du, sind wirzusammengekommen? Also, die Roboter sind eureHerren, aber sie sind wiederum nur die Diener derSpringer, die ihr Götter nennt. Vertreiben wir also dieSpringer von dieser Welt, dann lassen sie die Roboterzurück, die infolge ihrer Programmierung unsereerbitterten Feinde bleiben. Das jedoch ist keinunlösbares Problem, da sich Roboter unter gewissenUmständen umprogrammieren lassen. Hauptsache istlediglich, daß die Springer verschwinden.«

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Ralv lächelte ungläubig, ebenso Geragk. LediglichEnzally lauschte in sich hinein und machte einnachdenkliches Gesicht.

»Wir haben die Mittel und einen Plan, der dasUnglaubliche verwirklichen kann«, fuhr John fortund sah Ralv an. »Ich benötige zur Ausführungjedoch deine Unterstützung und dein grenzenlosesVertrauen.«

»Wenn Enzally dir vertraut, dann tun wir es auch«,bestätigte Ralv einfach. »Er kann deine Gedankenlesen und er weiß, daß du nicht lügst.«

»Ich bin ebenfalls Telepath und kann meineGedanken abschirmen«, warnte John. »Ich kann ihmsogar falsche Gedanken vorgaukeln. Mein FreundKitai ist Suggestor; er kann euch allen seinen Willenaufzwingen und ihr meint, es sei euer eigener. Dusiehst, euer Vertrauen muß noch viel größer sein, alsihr annehmt. Bist du immer noch gewiß, in uns deineechten Bundesgenossen zu sehen?«

Ralv nickte, ohne zu zögern.»Sicher, denn würdest du uns das alles verraten,

wenn du falsch spielen wolltest? Sage uns also, waswir tun sollen.«

John Marshall brauchte nicht in den Gedankenseines Gegenübers zu forschen, um die Wahrheitseiner Worte zu erkennen. Aber er mußte ganzsichergehen, denn wenn Ralv erfuhr, was man vonihm und seinen Landsleuten forderte, würden ihmdoch Bedenken kommen.

»Es könnte sein«, fuhr er fort und gab gleichzeitigEnzally den gedanklichen Befehl: Du mußt jetztschweigen, denn ich beabsichtige nicht, meineGedanken abzuschirmen. Du kannst sie offen lesen.Erschrick nicht, wenn du die Wahrheit erfährst. Wirunterhalten uns später. Laut sagte er weiter zu Ralv:»Es könnte also sein, daß meine Befehle dirunmenschlich und grausam vorkommen, besondersdarum, weil sie deine eigenen Freunde betreffen.Viele von ihnen werden sich dazu bereit erklärenmüssen, freiwillig zu erkranken.«

»Zu erkranken?« stammelte Ralv verständnislos.John nickte.»Du wirst schon längst eingesehen haben, daß es

völlig unmöglich ist, die Springer mit Gewalt vondieser Welt zu vertreiben. Meine Rasse, die mit denSpringern im Kriegszustand liegt, darf sich offiziellnicht in die Angelegenheiten dieser Händlereinmischen, daher müssen wir unerkannt bleiben. Ihrwiederum seid zu schwach, um offen gegen sievorzugehen. Was uns also bleibt, ist die List.«

»Bisher kann ich nur zustimmen«, gab Ralv zu.Auch Geragk nickte. Enzally hockte bewegungslosund lauschte in sich hinein.

»Eine List also«, fuhr John fort und suchte nachWorten, den Goszuls sein Vorhaben möglichstschonend beizubringen. »Die Springer kennen nur

die Gewalt, wenn es gilt, ihr Ziel zu erreichen. Siewürden auch diesen Planeten mit Gewalt verteidigen,wenn sie ihn gegen einen Angriff schützen müßten.Was aber sollen sie tun, wenn sie von etwasangegriffen werden, das ihnen unbekannt ist - sagenwir mal von einer Krankheit, einer fürchterlichenSeuche?«

»Eine Seuche?« Ralv erschrak nun doch, »Dumeinst, eine Seuche könnte sie vertreiben? Und wennschon, was nützt uns ein verseuchter Planet? Wirwürden alle sterben.«

»Es handelt sich um eine Seuche ohne tödlichenAusgang«, tröstete John. »Mehr noch: Wir besitzenein sofort wirkendes Gegenmittel. Eine einzigeInjektion genügt, um den Betroffenen unmittelbardarauf wieder gesunden zu lassen.«

Langsam nickte der Rebellenführer.»Wenn ich recht verstehe, wollt ihr einen

bakteriologischen Krieg gegen die Springer führen?«»Nicht nur gegen die Springer - in gewissem Sinn

auch gegen die Goszuls.«Ein Schatten huschte über das Gesicht des anderen.

Er schüttelte den Kopf.»Das begreife ich nicht. Warum auch gegen uns,

wenn es nur darum geht, die Springer zu vertreiben?«»Das ist ja die List! Wenn die Springer auch nur

ahnen, daß es sich um eine künstlich hervorgerufeneSeuche handelt, die lediglich dazu dienen soll, sie zuverjagen, werden sie Gegenmittel suchen und aufkeinen Fall das Feld räumen. Nein, bei unsererAktion muß unter allen Umständen der Eindruckentstehen, als handele es sich um eine plötzlich aufdieser Welt ausgebrochene Krankheit, für die eskeine Heilung gibt. Nur so werden wir erreichen, daßsie fluchtartig Goszuls Planeten verlassen, umniemals mehr wiederkehren zu wollen. Ihre Fluchtmuß sogar so panikartig vonstatten gehen, daß sieihre technischen Anlagen und ihre Roboter einfachzurücklassen, um die Seuche nicht in den Weltraumzu tragen.«

Ralv und Geragk sahen sich an.Schließlich sagte Ralv:»Aber es wird niemand sterben - und später kann

man geheilt werden?«»Selbstverständlich. Die Seuche ist äußerst

ansteckend, und es ist damit zu rechnen, daß fast dieHälfte der Bevölkerung davon ergriffen wird, wennman für entsprechende Verbreitung sorgt. Niemandwird sterben, im Gegenteil. Bei unseren Versuchenauf meinem Heimatplaneten ist erwiesen worden, daßnach der Heilung sogar positive Effekte auftreten. Esist wie bei einem Heilserum, das ja im Grundegenommen ebenfalls wie eine gesundmachendeKrankheit wirkt. Man bekommt Fieber, fällt in einenGenesungsschlaf - und wacht quietschlebendigwieder auf. So ähnlich ist es bei unserer künstlichen

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Seuche auch. Sobald die Kranken später ihreInjektion erhalten, werden sie einschlafen und gesunderwachen. Nur erhöht sich bei dieser Behandlung ihreIntelligenz um etwa zwanzig Prozent Das ist einVorteil, der eurer ganzen Rasse zugute kommenwird.«

Enzally sah plötzlich hoch.»John Marshall, willst du Ralv und Geragk nicht

sagen, worin diese Seuche besteht? Ich meine, siehaben ein Recht darauf, es zu erfahren.«

»Natürlich habe ich die Absicht, es ihnen zuverraten. Aber es wäre im Sinne unserer Taktikgünstig, wenn außer uns niemand wüßte, wie harmlosim Grunde genommen diese Seuche ist. Nur echteAngst der Eingeborenen kann die Springerüberzeugen, daß die Krankheit natürlichen Ursprungsist.« Er nickte Enzally zu und fuhr, zu den beidenanderen Goszuls gewandt, mit veränderter Stimmefort: »Zuerst zeigen sich auf dem Gesicht des von derSeuche Betroffenen farbige Stellen, die sich über denganzen Körper ausbreiten. Eine Woche später etwaläßt das Erinnerungsvermögen nach, bis esvollständig erlischt. WeitereKrankheitserscheinungen gibt es nicht. Sobald dieInjektion mit dem Heilserum erfolgt, tritt eineNormalisierung und Gesundung nach drei Tagen ein.Die Erinnerung kehrt zurück, die Farbstellenverschwinden - und der Verstand arbeitet besser alsje zuvor.«

Ralv sah seinen Gefährten Geragk lange an, ehe ersagte:

»Es ist also nur ein vorübergehender Zustand - wieeine Erkältung etwa?«

»Ja, damit läßt es sich vergleichen, wenn dieäußeren Merkmale auch wesentlich erschreckendersind - aber das müssen sie sein, um ihren Zweck zuerreichen. Ich frage dich also, ob du bereit bist, dieseKrankheit unter dein Volk zu tragen. Die einrückendeKompanie wird dir dabei helfen.«

Ralv erstarrte und wurde blaß.»Was ...? Du willst, daß ich meine Landsleute

infiziere?«»Es ist die einzige Möglichkeit, die Springer davon

zu überzeugen, daß sie verschwinden müssen, ehe esauch sie erwischt.«

Ralv starrte nachdenklich in das trübe Hafenwasserhinab.

Endlich nickte er.»Also gut. Dann erkläre mir, was ich zu tun habe.«

4.

Es dauerte ganze vier Wochen, aber dann stand dieWiderstandsgruppe Ralvs als gut getarnte undhervorragend organisierte Einheit da. Ihre Agentensaßen überall, auch in den Verwaltungszentralen und

Schaltanlagen der Springer und ihrer Roboter.Götterland war ein kleiner Kontinent von vielleicht

120.000qkm Fläche. Seine Länge betrug 500km,während er im Schnitt nur 250km breit war. DieGouverneure der Springer saßen an verschiedenenOrten und standen durch Funkstationen miteinanderin Verbindung. Der Kontakt zu den übrigenKontinenten des Planeten war nur gering. DieSpringer hatten ja keineswegs die Absicht, sich hieranzusiedeln; ihnen ging es in erster Linie um einenStützpunkt, wenn auch niemand etwas dagegeneinzuwenden hatte, daß man an den Eingeborenenverdiente.

John Marshall ließ sich jeden Tag von Enzally, mitdem er in telepathischer Verbindung stand, über denStand der Dinge unterrichten. Auch das Unternehmen»Totenschiff« gehörte zu diesen Dingen, mit denendie Aktion gegen die Springer eingeleitet wurde.

Gerade vom Gelingen dieses Unternehmens»Totenschiff« hing es ab, ob die Springer sounvorsichtig waren, sich infizieren zu lassen -infizieren von einer Panik nämlich, die sie ein- fürallemal von dieser Welt vertreiben sollte, die ihnennicht gehörte.

Von Westen her näherte sich Götterland einmittlerer Segler. An den beiden Masten hingen dieSegel schlaff und unordentlich herab, denn es wehtenur eine schwache Brise aus West, die das Schiffkaum vorantrieb.

Es bewegte sich nun in einer Entfernung vonzweihundert Kilometern vor der Küste vonGötterland und näherte sich langsam aberunaufhörlich dem Festland.

Einige Gestalten lungerten auf Deck herum. Siewaren offensichtlich ohne jede Beschäftigung,obwohl ein Blinder hätte sehen können, daß es genugzu tun gab. Überall lag Schmutz und Dreck umher. Inden Aufgängen herrschte Unordnung undDurcheinander. Achtlos hingen einige Wäschestückean einer Leine und bewegten sich träge im leichtenWind, der keine Kühlung brachte.

Unter Deck sah es nicht viel anders aus.In den Kabinen lagen einige Matrosen faul auf

ihren primitiven Kojen und dämmerten vor sich hin.Niemand kümmerte sich um sie, und auch demKapitän des verwahrlosten Schiffes schien es völliggleichgültig zu sein, welchen Kurs sein Kahn nahm.Er stand auf dem Oberdeck hinter dem Rundsteuerund hielt die Speichen lässig mit einer Hand. SeinSteuermann lag unten auf seinem Bett und schlief.Aber auch ohne das Steuer wäre das Schiff weiternach Osten getrieben.

Was wollte er überhaupt in Götterland?Der Kapitän strich sich über die Stirn und ließ das

Steuer dabei los. Was machte es schon?Ja, was wollte er in Götterland? Er wußte es nicht

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mehr. Vage nur erinnerte er sich an den Ausbruch derSeuche vor gut zwei Wochen, als sie gerade denHafen auf dem West-Kontinent verlassen hatten - mitwelchem Ziel eigentlich?

Zuerst hatte es den Koch gepackt - ausgerechnetden Koch! Er bekam rote Flecke im Gesicht undbesonders im Nacken. Sie hatten ihn sofort isoliert,aber es war doch wohl bereits zu spät gewesen. ZweiTage später zeigten sich die merkwürdigen Fleckenbei ausnahmslos allen Besatzungsmitgliedern.Leichtes Fieber stellte sich ein, aber sonst tratenkeine Beschwerden auf.

Erst eine Woche danach verlor der Koch seinGedächtnis.

So sehr sie sich auch bemühten, er konnte sicheinfach nicht mehr darauf besinnen, wer er eigentlichwar. Er wußte überhaupt nichts mehr, nur, daß er aufeinem Segler und krank geworden war. Von diesemZeitpunkt an funktionierte sein Gedächtnis wieder.Alles, was vorher gewesen war, existierte einfachnicht mehr.

Und dann, zwei Tage später, verloren sie alle ihrErinnerungsvermögen.

Für jeden Mann auf dem Schiff war es so, als sei ererst vor einer Woche geboren worden. Genau voracht Tagen war er auf die Welt gekommen, miteinem funktionierenden Verstand ohne Erinnerung.Das war alles.

Oder war es mehr? Wahnsinn vielleicht?Der Kapitän zuckte die Achseln. Ihm war es

ziemlich gleich, was nun geschehen würde. Er wußtenicht, warum er nach Osten segelte. Die Laderäumewaren leer, als sollte er etwas in Götterland abholen.Aber wo? Und was? Er wußte plötzlich auch nichtmehr, aus welchem Hafen er ausgelaufen war.

Keine Antwort.Er sah hinab aufs Deck und beobachtete die

herumlungernden Gestalten, die seine Mannschaftdarstellten. Was sollte er mit ihnen noch anfangen?Ein Mann ohne Erinnerung ist wie ein Kind - nurunvernünftiger. Konnte er ihnen deswegen einenVorwurf machen? Was stand ihnen bevor? Würdeman sie nicht wie die Pest meiden, wenn sie einenHafen anliefen? Würde man sie nicht einsperren odergar verschwinden lassen, um eine Verbreitung derrätselhaften Seuche zu verhindern, gegen die es keinGegenmittel geben konnte?

Fern am östlichen Horizont tauchte ein Punkt aufund näherte sich schnell.

Der Kapitän des Seglers kniff die Augenzusammen und versuchte zu erkennen, wer da auf ihnzukam. Ein Segelschiff konnte es auf keinen Fallsein, dann also nur eins dieser Boote der Götter, dieohne Wind fuhren.

Ausgerechnet das!Wenn sie entdeckten, was sich hier auf seinem

Schiff ereignet hatte, würden sie vielleicht sogar aufden Gedanken kommen, ihn an Ort und Stelle zuversenken, um einer Ansteckung zu entgehen.

Aber trotz der verlorenen Erinnerung arbeitete derVerstand des Kapitäns bereits schärfer als je zuvor inseinem Leben. Der erste positive Effekt derunbekannten Seuche stellte sich ein. DieIntelligenzquote des Kapitäns war gestiegen. Später,wenn er die heilende Injektion erhielt, würde dieserEffekt wirksam bleiben.

Woher wußte er überhaupt, daß es Götterland unddie Götter gab?

Als das schlanke Torpedoboot herbeigekommenwar und an Backbord beilegte, wußte der Kapitänbereits, wie er sich und seine Mannschaft rettenkonnte.

Doch seine Befürchtungen waren grundlosgewesen.

Der Springer, der sich an Bord des Torpedobootesbefand, dachte nicht daran, den Segler mit seinerverseuchten Mannschaft zu versenken. Dazu war erviel zu neugierig und wißbegierig. DieInformationen, die er von seinerÜberwachungszentrale erhalten hatte, erregten seinganzes Interesse. Er wußte nicht, was ihn erwartete,aber er ahnte, daß es etwas sehr Bedeutendes seinmußte.

Eine große Gefahr nähere sich von Westen, hatteder Robotsender gemeldet. Sie befände sich aufeinem kleinen Segelschiff, dessen Position bekanntsei. Unbedingte Untersuchung sei unerläßlich.

Mehr hatten die Roboter auch nicht gewußt.Der Gouverneur, sein Name lautete übrigens

Gorlap, hatte keine Sekunde gezögert, einTorpedoboot bereitstellen zu lassen. Er würdehöchstpersönlich dem geheimnisvollen Seglerentgegenfahren und herausfinden, was an ihm sogefährlich war. Pah, ein Segelschiff und gefährlichfür die unüberwindlichen Springer! Lächerlich!

Er ahnte noch nicht, wie schnell er seine Meinungändern würde.

Er befahl zehn Kampfrobotern, als Vorkommandoan Bord des angehaltenen Seglers zu gehen, derkeinerlei Absicht zeigte, sich gegen dieBevormundung zu wehren. Im Gegenteil. Ziemlichteilnahmslos sahen die an der Reling stehendenSeeleute der Enteraktion zu und rührten keinenFinger.

Die zehn Roboter gingen an Bord desSegelschiffes und trafen auf keinen Widerstand.

Gorlap ging kein Risiko ein. Er ließ zehnWachroboter folgen, deren Gehirn weiter ausgereiftwar, dafür verfügten sie aber über keinerleiBewaffnung. Wenn etwas faul an der Geschichtewar, würden sie es sofort bemerken.

Und sie bemerkten in der Tat etwas. Einer von

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ihnen funkte zurück:»Die Leute hier an Bord sind krank.«Gorlap konnte seine Überraschung nicht

verbergen.»Krank?« funkte er zurück und starrte zu den

Matrosen hinüber, die an der Reling lungerten. »Wassoll das heißen: krank?«

»Wir können die Krankheit nicht identifizieren«,gab der Robot zurück.

Niemand konnte behaupten, daß Gorlap einFeigling war. Er bewaffnete sich mit einem tödlichenEnergiestrahler und kletterte über die Reling, um sichan Bord des eigenartigen Seglers zu begeben. Seinrötlicher Vollbart, Kennzeichen seiner Rasse, zittertevor Erregung.

Untätig hatten die Kampfroboter Stellung bezogen.Sie hatten keinen Widerstand registriert undverhielten sich passiv.

Als Gorlap die fleckigen Gesichter der Matrosenerblickte, erschrak er doch. Die Springer konntensich zwar über die Fortschritte ihrer medizinischenWissenschaft nicht beklagen, aber tief in ihremInneren war die Furcht vor unbekannten Krankheitenlebendig geblieben. Wie oft schon war es geschehen,daß sie auf fremden Planeten landeten und von einemBazillus befallen wurden, gegen den ihr Organismuswehrlos war. Ganze Sippen waren dahingerafftworden, ehe die Ärzte ein Gegenmittel entwickelnkonnten.

Hier auf Goszuls Planeten gab es keineunbekannten Krankheiten - wenigstens nicht bisheute.

Der Mann hinter dem Ruder ließ das Rad los undkam zu Gorlap, der unbeweglich an der Reling stehenblieb, als könne er sich plötzlich nicht mehr rühren.

»Was - was ist geschehen?« fragte der Springerwürgend, als er auf die roten Flecke starrte, die vonder natürlichen Hautfarbe nicht mehr viel übrigließen. »Seid ihr krank?«

Kurz nur überlegte der Kapitän, wie es möglichsei, daß er die Sprache der Götter noch verstand, woer doch die Erinnerung verloren hatte. Er fand keineAntwort, und er zerbrach sich auch nicht weiter denKopf.

»Eine Seuche«, sagte er schleppend. »Sie brachvor zwei Wochen aus. Keiner auf diesem Schiff bliebgesund.«

»Tote?«»Niemand. Die Krankheit scheint nicht tödlich zu

sein.«Gorlap atmete innerlich auf. Vielleicht war es nur

eine harmlose Infektion, nicht mehr.»Wie heißt der Bestimmungshafen des Schiffes?«Der Kapitän zuckte die Achseln.»Ich weiß es nicht.«»Du weißt es nicht? Du mußt doch wissen, wie

dein Auftrag lautet.«»Vielleicht wußte ich es einmal, aber ich vergaß

es. Wir haben alles vergessen.Die Seuche hat uns die Erinnerung genommen. Ich

weiß nur noch, daß ich Kapitän dieses Seglers binund vor acht Tagen erwachte.«

»Erwachte?«»Ja, wie aus einem Traum. Alles, was vorher war,

versank im Nichts. Wenig blieb zurück. Ich kennenicht einmal mehr meinen Namen. Niemand aufdiesem Schiff weiß seinen Namen.«

Gorlap wich einen Schritt zurück und streckte demKapitän abwehrend die Hände entgegen. Nicht weitentfernt machte sich ein Kampfroboter einsatzbereit.

»Ihr habt alle den Verstand verloren?« ächzteGorlap entsetzt.

»Nicht den Verstand«, verteidigte sich derKapitän, »nur die Erinnerung - aber das ist wohlgenauso unangenehm. Die Seuche ist übrigensansteckend. Sie sollten sich nicht zulange hieraufhalten.«

Gorlap wich weiter zurück.»Wir haben Gegenmittel«, versuchte er sich selbst

Mut einzureden. »Dein Schiff darf jedenfalls denHafen von Götterland nicht anlaufen. Kehre zurück.«

»Wohin zurück? Ich weiß nicht, von wo ichkomme.«

Gorlap biß sich auf die Lippen.»Du segelst nach Westen zurück, oder meine

Roboter werden euch alle töten und das SchiffVerbrennen. Nur so kann ich sicher sein, daß dieSeuche nicht nach Götterland kommt.«

Langsam schüttelte der Kapitän den Kopf. Einkaltes Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Du irrst«, sagte er, »wenn du Götterland vor derSeuche des Vergessens schützen willst, mußt du nichtnur mein Schiff, sondern auch deine Roboter unddich selbst vernichten. Ihr alle tragt den Keim derKrankheit bereits in euch.«

Der Springer kletterte über die Reling und turntean Bord seines Torpedobootes zurück. Er zögerte,aber dann wandte er sich wortlos um und verschwandunter Deck. Sekunden später drehte das Boot ab undfuhr mit hoher Geschwindigkeit in östlicher Richtungdavon.

Gorlap hatte den unheimlichen Segler nichtvernichtet, aber er hatte auch seine zwanzig Roboterzurückgelassen. Vielleicht trugen sie wirklich dieErreger der unbekannten Erkrankung an ihrenmetallenen Körpern.

Und er, Gorlap?Der Springer verscheuchte den Gedanken. Er war

mit dem kranken Kapitän nicht in direkte Berührunggekommen.

Berührung?Ja, er hatte mit den Schuhsohlen die Planken des

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Seglers berührt, und mit den Händen die Reling!Verdammt, er hätte den Segler vielleicht doch

versenken sollen. Wenn der Wind so blieb, würde dasSeuchenschiff den Hafen in einer Woche erreichen.Bis dahin mußten die notwendigen Vorbereitungengetroffen sein. Noch war nichts verloren. JedeSteuerzentrale konnte den Kampfrobotern auf demverseuchten Segler den Befehl zufunken, das Schiffzu versenken. Die Roboter würden sofort gehorchen,auch wenn sie selbst dabei auf den Grund des Meereshinabsanken. Nicht zu weit von der Küste konntensie sich dann noch retten, wenn der Wasserdruck sienicht vorher zerstörte.

Gorlap betrachtete seine Hände. Die Haut wartiefbraun und gesund.

Wie lange würde es dauern, bis die ersten rotenFlecken sich zeigten - wenn überhaupt?

*

In unterschiedlichen Kreisbahnen umrundetennoch zahlreiche Schiffe der Springer GoszulsPlaneten. Es handelte sich um die Patriarchen dereinzelnen Sippen, die auf diesem abseits derHandelslinien gelegenen Stützpunktzusammengetroffen waren, um den Angriff gegen dieferne Erde zu planen.

Aufgeschreckt durch die unheimlich schnellenAktionen der Mutanten und entsetzt über dieerlittenen Verluste hatten sie mit ihren Schiffen denPlaneten verlassen und hielten sich nun in dem ihnenvertrauteren Weltraum auf. Sie hofften, daß dieGouverneure bald wieder normale Verhältnisseherstellen konnten.

Wer ihr Gegner war, wußten sie nicht, und als eseinige Wochen auf Götterland ruhig geblieben war,begannen sie, sich erneut in Sicherheit zu wiegen.Die ersten der Patriarchen landeten auf demgigantischen Raumhafen von Götterland, ohnevorerst ihre Schiffe zu verlassen. Die Beratungensollten in Kürze wieder aufgenommen werden.

Zur gleichen Zeit etwa wurde das Segelschiff mitden erkrankten Matrosen dicht vor der Hafeneinfahrtder Stadt versenkt. Die Roboter erhielten denentsprechenden Befehl dazu von Gorlap, noch bevordieser seine Erinnerung verlor. Es war seine letztebewußte Tat - danach versank die Vergangenheit fürihn. Hilflos und ohne jedes Interesse dafür, was umihn geschah, dämmerte er in fruchtlosem Grübelndahin, bis der Gouverneur des benachbarten Bezirksihn endlich aufsuchte.

Damit griff die Seuche nach ihrem zweiten Opferunter den Springern.

Inzwischen trafen die erstenKatastrophenmeldungen aus den primitivenKontinenten ein. Ralv und seine Organisation sorgten

dafür, daß diese beunruhigenden Nachrichten auchüber die Überwachungszentren bis zu den Ohren derSpringer gelangten.

Damit wurde zweierlei erreicht. Zuerst einmalsorgte ein Erlaß dafür, daß ab sofort der Hafen fürjedes Schiff gesperrt und somit die Verbindung zuden anderen Kontinenten abgebrochen wurde.Zweitens bemächtigte sich der Springer eine ständiggrößer werdende Unsicherheit.

Man hatte Gorlap in eine durch Roboter geleiteteKrankenstation geschafft, wo man versuchte, derUrsache der Seuche auf die Spur zu kommen. Aberdie Erreger konnten nicht entdeckt und somit auchkein Gegenserum entwickelt werden. Als einige Tagespäter der Gouverneur des Nachbarbezirks ebenfallserkrankte, als den anfänglichen Flecken das dunkleVergessen folgte, ergriff die übrigen achtzehnSpringer ein namenloses Entsetzen. Krankheit undTod waren ihnen keine unbekannten Begriffe, dennsie waren nicht unsterblich. Aber bei vollemVerstand plötzlich ohne jede Erinnerung dazustehen,das schien ihnen schlimmer als der Tod.

Die Springer in den Schiffen dachten naturgemäßanders. Sie befanden sich in relativer Sicherheit undfern vom eigentlichen Geschehen. Goszuls Planetbedeutete ihnen nichts, höchstens einenvorübergehenden Treffpunkt. Wenn es dort etwas zuverlieren gab, dann höchstens wertvolle technischeEinrichtungen und erstklassige Roboter, von denenjeder einzelne ein Vermögen kostete.

Der Patriarch Ralgor dachte in erster Linie an dieseRoboter, als er von den beunruhigenden Meldungenhörte. Im Geiste sah er schon, wie die primitivenEingeborenen über die waffenlosen Wachautomatenherfielen und sie zerschlugen, bevor dieKampfroboter herbeieilten und ihre tödlichenEnergiestrahler einsetzten.

Man sollte es nicht soweit kommen lassen. Undwenn man helfend den Gouverneuren zur Seite stand,ließ sich vielleicht ein lohnendes Geschäftabschließen. Einen fabrikneuen Kampfroboter hatteRalgor sich immer schon gewünscht, sich aber bisherniemals leisten können.

Also übernahm er die Steuerung seines SchiffesRAL II, glitt aus der Kreisbahn und landete auf demRaumflughafen von Götterland, wo bereits mehrereandere Sippenschiffe standen und abwarteten.

Ralgor jedoch hatte keineswegs die Absicht,untätig abzuwarten, bis die Seuche den ganzenPlaneten und somit auch Götterland erfaßte. Er wolltemit gutem Beispiel vorangehen, um später auch alsder Mann der Initiative belohnt werden zu können.Kaum gelandet, setzte er sich mit denKommandanten der anderen Schiffe in Verbindung.

Als ersten rief er Etztak, einen der ältestenPatriarchen der versammelten Händler. Der

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mißtrauische Graubart wollte zuerst nicht zuhören,als ihm der viel jüngere Ralgor einen Vorschlagmachte, aber dann begann er mit steigendemInteresse zu lauschen.

»... ist es doch unter diesen Umständen klar, daßwir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Wenn wir unsnicht gefährden wollen, dürfen wir nicht mehr langehier bleiben. Es wird Zeit, daß wir unseren Entschlußfassen. Warum kamen wir hier zusammen? Um einenPlan auszuarbeiten, wie wir den Planeten Terra zueiner Handelsniederlassung machen können.Friedlich scheint es nicht mehr möglich zu sein, alsobleibt der Kampf, wobei allerdings mit Zerstörungengerechnet werden muß.«

»Mir geht es nicht um eine Handelsniederlassung,mir geht es darum, mich an Rhodan zu rächen. Er hatunserer Sippe große Verluste zugefügt.«

»Warum sitzen wir dann hier und warten, bis dieGoszuls noch mehr Schaden angerichtet haben? Wieviele von uns haben sie bereits getötet?«

»Waren es die Goszuls?« fragte Etztak lauernd.»Die Methode paßte eher zu einer anderen Rasse, dieich tausend Lichtjahre von hier entfernt kennenlernte.«

»Die Terraner wissen nicht, wo die Springer ihreVersammlungen abhalten.«

»Also gut«, ging Etztak auf die AndeutungenRalgors ein. »Was willst du vorschlagen?«

»Daß wir sofort eine Konferenz einberufen unduns endlich entscheiden, wie und wann wir Terraangreifen.«

Etztak nickte langsam.»Gut, ich bin einverstanden und unterstütze deinen

Plan. Was aber ist mit Goszuls Planeten? Hast dunoch nicht von der schrecklichen Seuche gehört, dieauf den primitiven Kontinenten wütet und die bereitsauf Götterland übergreift? Schon wurden zwei derzwanzig Gouverneure von ihr ergriffen und verlorenihr Gedächtnis. Wir kennen kein Gegenmittel.«

Ralgor sah sich seinem geheimen Zielnäherkommen.

»Deswegen befürworte ich eine schnelleEntscheidung wegen Terra.

Und dann räumen wir Goszuls Planeten, ehe dieSeuche auch uns ergreift Wir sollten wenigstens diewertvollen Roboter retten. Sie lassen sich jederzeitdurch unsere Bord-Positronen-Gehirneumprogrammieren.«

Der Graubart lächelte verständnisvoll.»Ich beginne zu verstehen, Ralgor. Aber ich weiß

nicht, ob ich mich deinen Folgerungen anschließenkann. Die Anlagen auf Goszuls Planet gehören allenSippen gemeinsam. Würden wir uns nichtunrechtmäßig bereichern?«

Ralgor hielt es für besser, das Thema zu wechseln.»Wirst du die Versammlung einberufen, Etztak?

Du bist der Älteste.«»Ich werde die anderen fragen, ob sie kommen«,

versprach der Patriarch, ohne sich festzulegen.Ralgor unterbrach die Verbindung und saß noch

lange allein in seiner Zentrale. Dann entschloß er sichzu einem kleinen Landgang, Schaden konnte es nicht,wenn er sich umsah.

Zusammen mit seinem Navigator verließ er dieRAL II und nahm den nächsten Robotwagen zurStadt.

5.

John hielt es für klug, das Hauptquartier auf demSegler im Hafen zu belassen.

Schon längst hatten er und seine Mutanten dieInjektion erhalten, die sie vor der Seuche desVergessens schützte, obwohl Gucky pausenlosbehauptete, die aus der Krankheit folgerndeErhöhung des Intelligenzquotienten würdeniemandem schaden. Auch die Rebellenführer warengegen die nur scheinbar so fürchterliche Seuchegefeit, die in Wirklichkeit nicht einmal dieGefährlichkeit einer normalen Grippe erreichte. Wasbedeutete schon der Verlust der Erinnerung, führteJohn mehrmals aus, als sie darüber sprachen, wennman sie jederzeit zurückerhalten konnte und dannklüger war als je zuvor? Es ist wie eine schmerzloseNarkose, sagte er, aus der man gesund erwacht.

Der Segler lag etwa hundert Meter vom Kaientfernt auf Reede. Tako kehrte gerade von einemEinsatz zurück. Wie üblich materialisierte er mittenzwischen den Mutanten, die auf dem Oberdeck saßenund mit Ralv die nächsten Maßnahmen besprachen.Gucky lag neben Tama auf dem Rücken und ließ sichden Bauch kraulen.

Lediglich Ralv erschrak; er hatte sich noch nichtan die außergewöhnlichen Fähigkeiten seiner neuenFreunde gewöhnen können.

John sah auf.»Nun, hast du etwas erreicht, Tako?«Der Japaner nickte und setzte sich zu ihnen.»Ich muß gestehen, daß in diesen letzten Wochen

die Organisation der Widerstandsbewegunggroßartige Fortschritte gemacht hat. Der Name Ralvsist zu einer Art Zauberwort geworden. Bedingungslosund voller Vertrauen gehorcht man ihm und befolgtseine Anordnungen. Die Kiste mit denErregerbomben brachte ich zum Ost-Kontinent. Dortgelangt der Inhalt zur Verteilung.«

»Du warst lange fort - annähernd Stunden.«Tako zuckte mit den Achseln.»Die Rebellengruppe dort drüben lebt sehr isoliert.

Ich mußte einige Fragen beantworten. So sehr manRalv auch vertraut, die Neugier, läßt sich nicht immerganz unterdrücken. Du wirst das verstehen, Ralv.«

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Der rothäutige Rebell nickte.»Meine Anweisungen sind knapp und erklären

praktisch nichts. Die Leute werden natürlich dieGelegenheit nutzen, um ein wenig hinter die Kulissenzu schauen. Was hast du ihnen gesagt?«

»Die Wahrheit, was sonst?«John zog die Augenbrauen in die Höhe.»Du hast ihnen gesagt, was ihnen bevorsteht? Sie

wissen also, daß sie sich und andere infizieren - daßsie die Erinnerung verlieren werden?«

»Ja - und ich erklärte ihnen auch, warum das sosein müsse. Wenn sie wollen, daß die Springer ihreWelt kampflos und in panischer Flucht verlassen,müssen sie tun, was wir von ihnen verlangen.Vielleicht durchschauen die Goszuls unseren Plannicht vollständig, aber sie fühlen doch, daß es keinenanderen Weg gibt. Die Bomben werden noch heuteAbend in verschiedenen Städten des Ost-Kontinentsplatzen und die Bakterien verbreiten.«

»Wir können also in einer Woche damit rechnen,daß die äußeren Anzeichen der Seuche dort ebenfallsauftreten. Damit ist der erste Teil unserer Aufgabeabgeschlossen.« John schien erleichtert. »Es ist nichtleicht, eine ganze Welt erkranken zu lassen, auchdann nicht, wenn man das Heilmittel bei sich führt.Aber wenn dieser Planet wieder frei sein wird unddie Menschen gesund, ist ihre Intelligenz soweitangestiegen, daß sie mit ihrem Verstand etwasanzufangen wissen. Die Kurve der zukünftigenEntwicklung wird steil ansteigen.«

Für einige Augenblicke entstand Schweigen. Heißbrannte die Sonne aus dem wolkenlosen Himmelherab und ließ das fast unbewegte Wasser im Hafenwie flüssiges Blei schimmern. Drüben am Kailungerten untätig einige Goszuls und warteten aufGelegenheitsarbeit. Die Robotzentralen hatten schonlange keine neuen Aufträge mehr erteilt.

Noch wußten diese Goszuls nicht, daß der Keimder Seuche bereits in ihnen arbeitete und vielleichtschon morgen die roten Flecken auf ihre Wangenzaubern würde.

Tako seufzte:»Ich möchte ein wenig schlafen, John. Wie lautet

der nächste Auftrag?«»Heute Abend wird Enzally Verbindung mit mir

aufnehmen, eher kann ich nichts sagen. Es wird vonihm abhängen, wann und wo wir eingreifen. DieSpringer verhalten sich abwartend. Seitdem zweiGouverneure erkrankt sind, scheinen sie vorsichtiggeworden zu sein. Jeder Kontakt mit denEingeborenen wird vermieden. Übrigens haben dieRobots unser >Totenschiff< versenkt. Zum Glückkonnte sich die Besatzung schwimmend retten.«

»Das also hatten sie nicht vergessen?« wundertesich Tako. John lächelte nachsichtig.

»Die Erinnerung setzt aus, aber nicht die

Fähigkeit, eingeübte Handlungen auszuführen.Außerdem sind die Erinnerungen nicht etwa gelöscht.Wie wäre das auch möglich, wenn später einmal alleswieder vorhanden sein soll? Irgendwo muß die wahreErinnerung ja bleiben. Sie schwammen also zumUfer - und steckten die anderen an.«

Ralv erhob sich.»Ich habe noch einiges zu erledigen. Sollte sich

etwas Neues ergeben, werde ich euch eine Nachrichtübersenden.«

Er schritt zur Reling des mittleren Decks undkletterte an der Strickleiter in sein Boot hinab, dasabwartend neben dem Segler lag. Mit ruhigenRuderschlägen entfernte sich dann das Boot undstrebte dem Kai zu. Einmal noch winkte Ralv zurück,dann war er zwischen den Lagersilos verschwunden.

Kitai seufzte.»Ein feiner Bursche, dieser Ralv. Er muß uns

wirklich voll und ganz vertrauen, sonst würde er dasnicht alles für uns tun. Schließlich trägt er seinemVolk gegenüber die Verantwortung.«

»Ohne uns würden die Goszuls noch eine Ewigkeitvon den Springern unterjocht und ausgebeutetwerden. Ralv weiß das genau.«

»Du hast recht, John, aber ich bewundere denblinden Mut dieses Burschen deshalb nicht weniger.Sein Einfluß ist groß. Ich habe es in den letztenTagen nicht mehr nötig gehabt, jemand unserenWillen aufzuzwingen.«

John wollte gerade antworten, als er plötzlich dieHand hob und den Japaner bat, nichts mehr zu sagen.Auch Gucky richtete sich abrupt auf und lauschte mitgeschlossenen Augen. Die drei Japaner verhieltensich mucksmäuschenstill, denn sie wußten, daß ihrebeiden Telepathen eine Gedankenbotschaftempfingen. Sie konnte nur von Enzally kommen,denn soweit ihnen bekannt war, gab es keinenanderen Telepathen auf diesem Planeten.

Es war ein merkwürdiger und auch unheimlicherAnblick.

Der Mensch und der Mausbiber hockten reglos aufdem Holzdeck in der prallen Sonne und hörtenschweigend zu, was ihnen eine stumme Stimme zusagen hatte. Johns Gesicht zeigte einen gespanntenZug. Einmal huschte ein Schatten darüber, um soforteinem amüsierten Lächeln Platz zu machen.

Guckys Reaktionen liefen erstaunlich synchron.Sein Nagezahn zeugte davon, daß die Langeweile dervergangenen Wochen ein Ende zu haben schien.Zwar sträubte sich sein Nackenfell gelegentlich undwies darauf hin, daß die bevorstehende Abwechslungmit Schwierigkeiten verbunden war, aber sonst warweder ihm noch John anzusehen, woraus dieseAbwechslung bestand.

Enzally mußte viel zu berichten haben, denn dasunnatürliche Schweigen dauerte mehr als fünfzehn

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Minuten, dann richtete sich John endlich aus seinerverkrampften Haltung auf und holte tief Luft. Miteinem kurzen Blick zu Gucky sagte er:

»Das war Enzally. Er wird uns noch heuteaufsuchen, wahrscheinlich gegen abend, wenn ernähere Einzelheiten erfahren hat. Drüben beimRaumflughafen ist einiges los. Du solltest dir daseinmal ansehen, Tako. Die Springer landen. Und wirhaben geglaubt, sie würden eilends verschwinden,wenn sie von der Seuche erführen. Sie stehen nochmit den Gouverneuren in Verbindung und wissensomit, was auf Goszuls Planet vor sich geht. Ichverstehe das nicht ganz.«

»Was ist denn eigentlich passiert?« wollte Kitaiwissen.

John sah nachdenklich zum Himmel empor, alskönne er dort die Antwort finden. Aber Rhodan warzu weit entfernt.

»Die Springer landen«, wiederholte er. »Wirwissen ja, daß noch etwa dreißig von ihnen in derNähe weilen und den Planeten umkreisen. Dochhofften wir, daß sie fliehen würden. Aber unsereRechnung geht nicht auf. Sie tun genau das Gegenteilvon dem, was wir erwarteten. Sie landen auf einer inihren Augen verseuchten Welt.«

»Das verstehe ich nicht«, gab der Suggestor zu.»Freiwillig begibt sich niemand in Gefahr, dasGedächtnis zu verlieren. Sie müssen also einenGrund haben, wenn sie landen.«

»Den haben sie auch!« nickte John grimmig. »Esist Enzally gelungen, einige von ihnen zu belauschen- telepathisch, selbstverständlich. Den Planeten unddie noch darauf regierenden Gouverneure haben sielängst abgeschrieben, nicht aber die technischenEinrichtungen und die Roboter. Um sie geht es inerster Linie.«

Kitai machte ein verständnisloses Gesicht.»Das begreife ich nicht - ehrlich gesagt. Sie

müssen doch wissen, daß die Erreger der Krankheitüberall haften, auch an Metall. Sie begeben sichfreiwillig in die Gefahr, infiziert zu werden?«

»Sie unterschätzen die Gefahr«, klärte John ihnauf. »Ihre Habgier ist größer als alle Vorsicht. EinKampfroboter ist fast soviel wert wie ein kleinesRaumschiff. Goszuls Planet erinnert in diesemAugenblick an eine Stadt beim Rückzug, die zurPlünderung freigegeben wird. Jeder wird versuchen,sich nach Möglichkeit zu bereichern. Die Springersind Krämer.«

»Leider sind die Springer auch Kämpfer«,murmelte Tama tiefsinnig.

»Wir wissen das nur zu gut«, nickte Johnzustimmend. »Und darum glaube ich auch nicht, daßEnzally alles erfahren konnte. Ich möchte jede Wettedarauf eingehen, daß noch etwas anderes hinter ihrenAbsichten steckt, als nur Roboter und Maschinen zu

stehlen - wenn sie auch nur sich selbst bestehlen.«»Aber was?«»Warten wir ab, bis Enzally kommt. Vielleicht

erfahren wir dann mehr. Er wird in einigen StundenWer sein.«

Gucky, der bisher geschwiegen hatte, fragtelispelnd, weil er zu faul war, den Nagezahnzurückzuziehen:

»Hat jemand etwas dagegen, wenn ich michumsehe?«

Etwas ratlos stellte John die Gegenfrage:»Wo willst du dich umsehen?«»Na, wo schon? Auf dem Raumhafen natürlich. Es

ist ja nur ein Maussprung bis dort.«»Aber nur für Teleporter«, schränkte John ein und

dachte einige Sekunden nach. »Vier Augen sehenmehr als zwei - und zwei telepathische Gehirneerfahren auch mehr als nur eins. Also gut - aber laßdich nicht bei den Springern sehen. Einige von ihnenkennen dich und wissen, daß du etwas mit Rhodan zutun hast. Das würde unsere Pläne erheblich stören.«

»Niemand wird mich sehen«, verteidigte sichGucky und verbarg keineswegs seine Vorfreude aufdas Abenteuer. »Ich werde bald zurück sein und euchberichten, was die Springer vorhaben - außer Roboterklauen.«

Sprach's und war verschwunden.John starrte auf die Stelle, an der Gucky eben noch

gesessen hatte. Schließlich seufzte er auf und meinte:»Ich bin ja recht froh, ein Mensch zu sein, aber

manchmal wünsche ich mir doch, ich wäre einMausbiber. Diese kleinen Kerle haben es gut.«

»Gucky ist auch für seine Rasse einaußergewöhnliches Exemplar«, erinnerte ihn Kitai.»Die Rasse der Mausbiber an sich ist ein verspielterund nur schwach intelligenter Haufen organischerLebewesen. Gucky unterscheidet sich von ihnengenauso wie ein ausgewachsener Telepath von derübrigen Menschheit.«

»Also gut«, räumte John ein. »Dann wäre ich ebenmanchmal froh, Gucky zu sein. Ist das wenigstenskorrekt?«

Kitai grinste.»Abgesehen davon, daß man kaum von korrekten

Wünschen sprechen kann, kann ich dein Verlangenverstehen. Mir wäre es auch, lieber, ich könnte außersuggerieren auch noch Gedanken lesen. Der Menschist nun einmal so veranlagt, daß er niemals zufriedenist.«

»Und das wiederum ist die Triebfeder seinesStrebens«, philosophierte Tako und starrte sinnendauf seine nackten Zehen. »Ich habe Hunger.«

Sie lachten über den Gedankensprung und sahenJohn an. Der Telepath nickte und erhob sich.

»Gehen wir nach unten, da ist es kühler. Imübrigen habe ich ebenfalls Hunger. Hoffentlich

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kommt Gucky rechtzeitig zurück.«Leider war das eine Hoffnung, die sich nicht

erfüllte ...

*

Nicht daß Gucky unvorsichtig gewesen wäre, aberseine Neugier war eben größer als alle Bedenken.

Sein erster Teleportersprung brachte ihn zum Randdes riesigen Raumlandefeldes, wo er sich zwischeneinigen Schuppen verbarg, die nicht viel mit denlanggestreckten Verwaltungsgebäuden gemeinsamhatten, in denen die Robotanlagen untergebrachtwaren. Ganz in der Nähe patrouillierte einWachroboter arglos hin und her. Gucky wußte, daßzwischen ihm und dem nächsten Kampfroboter einedrahtlose Verbindung bestand. Er hütete sich also,dem Ungetüm unter die Linsen zu geraten.

Was ihm zuerst auffiel, waren die vielenRaumschiffe der Händler, die auf dem Feld gelandetwaren und auf ihren plumpen Hecks standen. Eswaren mindestens zwanzig dieser mehr alszweihundert Meter langen Schiffe, deren metallischeHüllen silbern in der Sonne schimmerten undeindringlich die Macht der Springer verkörperten.Jedes dieser Schiffe war durchaus in der Lage,Goszuls Planeten in eine glutflüssige Hölle zuverwandeln, auf der kein Leben mehr möglich seinwürde.

Die Seuche und auf der anderen Seite die Habgierder Springer, so wußte Gucky plötzlich, würde dasjedoch verhindern. Solange es auf dieser Welt nocheinen funktionsfähigen Roboter gab, würde man sienicht vernichten.

Gucky duckte sich tiefer in den Schatten der Hüttein eine Bodenfalte. Der eigentliche Rand desLandefeldes war fünfzig Meter von ihm entfernt, aberes gab dort vorn so gut wie keineDeckungsmöglichkeiten. Es war also besser, von hieraus zu operieren.

Der Mausbiber überzeugte sich davon, daß derWachroboter seine gewohnte Runde ging und sichdabei immer mehr von der Hütte entfernte. Es lagnun an ihm, sich das richtige Schiff auszusuchen,wenn auch eine gehörige Portion Glück dazu gehörte,nicht ausgerechnet vor den Augen Etztaks zumaterialisieren, der ihn kannte.

Um sicherzugehen, beschloß Gucky, einentelepathischen Spähsprung vorauszusenden, um dieLage zu erkunden. Fast zwei Minuten mühte er sichdamit ab, in dem Gewirr der auf ihn einströmendenImpulse Enzallys Gedanken zu identifizieren, aberdann gab er es auf. Wahrscheinlich schirmte derGoszul sein Gehirn automatisch und instinktiv ab,wenn er >bei der Arbeit< war. Er, Gucky, machte dasja schließlich auch. Also blieb nichts weiter übrig, als

die gelandeten Springer aufs Korn zu nehmen.Die Springer waren zum Glück keine Roboter, und

somit fiel es Gucky nicht schwer, ihre Gedanken zuordnen und zu lesen. Die Aufgabe war nur insofernnicht einfach, weil sich an Bord jedesSpringer-Schiffes mindestens zwanzig Personenaufhielten, von denen aber nur der Kommandant undjeweilige Patriarch der Sippe für Gucky interessantwar. Sozusagen blind mußte der Mausbiber mitseinen Gedanken in das erste Schiff springen undsolange sondieren, bis er den Patriarchen fand.

Sein Körper blieb indessen mit stark geminderterReaktionsfähigkeit zurück, ein Umstand, der Guckyein wenig die Freude nahm. Aber es war nichts daranzu ändern. Außerdem nahm er an, hierverhältnismäßig sicher zu sein.

Als er die auf ihn einströmenden Gedankenisolierte und nur einen einzigen auf sich einwirkenließ, mußte er erkennen, daß er Zeuge einerUnterhaltung wurde, denn es waren zwei Gedanken,die da auf gleicher »Frequenz« sprachen.

... nehme ich sowieso an, daß mal wieder reichlichübertrieben wird. Nicht einmal Landurlaubgenehmigen sie uns, aber selbst wollen sie nochheute Abend das Schiff verlassen.

Immerhin handelt es sich um eine Besprechung ...Und wenn schon! Es ändert nichts daran, daß

diese angebliche Seuche für uns gefährlich ist,während sie ihnen anscheinend nichts ausmacht. Amliebsten würde ich mich selbständig machen.

Du kennst die Strafe, die sie dafür verhängen,Holflersy. Ich würde dir nicht raten, deine Küche imStich zu lassen.

Gucky grinste und veränderte die Frequenz. Er tates mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der einMensch des 20. Jahrhunderts die Einstellung einesRadios bediente.

Immerhin hatte er erfahren, daß dieKommandanten der Schiffe heute noch eineZusammenkunft planten. Es wäre nun sehrvorteilhaft, die Gedanken eines solchenKommandanten lesen zu können, um keineÜberraschung zu erleben. Selbst Enzally hatte nichtgewußt, was die Springer mit ihrer Konferenzdiesmal planten.

Ja, das war eine andere, lautlose Stimme. Jemanddachte angestrengt nach, aber niemand antwortete.Der Betreffende mußte also allein sein.

Gucky lauschte Und hatte Glück. Es war reinerZufall, daß er ausgerechnet den habgierigen Ralgorerwischt hatte.

Ralgor saß in seiner privaten Kabine undüberlegte, was er heute auf der ersten Sitzung derSpringer-Patriarchen sagen wollte. Er arbeitete seineRede aus, wie man so schön zu sagen pflegte. Er tates lautlos und in Gedanken, was aber keineswegs

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verhindern konnte, daß ihm jemand dabei zuhörte.Manchmal murmelte er auch halblaut vor sich hin.»Wenn ich nur Etztak überzeugen kann«, knurrte

er mißmutig und dachte weiter. Ich muß seine ganzeAufmerksamkeit auf Terra lenken und dafür sorgen,daß Goszuls Planet mehr in den Hintergrund tritt.Die Gouverneure allein haben kaum noch dieEnergie, sich an die Stützpunkte zu wenden und umHilfe zu bitten. In wenigen Wochen hat die Seuche siegeholt. Eigentlich ist die Seuche des Vergessens einSegen für jene, die sich ihrer im Rahmen desGeschäftes bedienen.

»Ich kann meine beiden anderen Schiffe perHyperfunk herbeiholen«, fuhr er dann murmelnd fort,als sei das bloße Denken nicht mehr ausreichend.»Ihre Laderäume fassen mindestens zweihundertKampfroboter und Wachautomaten. Ganz abgesehenvon den technischen Einrichtungsgegenständen derRaumschiffswerft mache ich das Geschäft meinesLebens, wenn ich ...«

Zu Guckys Bedauern wurde der Gedankengangdes ehrbaren Patriarchen an dieser Stelle jähunterbrochen. Jemand mußte die Kabine betretenhaben.

»Herr, hier ist die gewünschte Sternkarte.« Aha,das mußte der Navigator sein, vermutete Gucky.»Die Sprungkoordinaten sind errechnet. Und Sieglauben, wir schaffen das?«

»Bestimmt!« entgegnete Ralgor, dachte aber mitkeinem Gedanken an das, was geschafft werdensollte und etwas mit einem Hypersprung zu tun hatte.»Geben Sie diesen Zettel dem Funker. Er soll soforteinen verschlüsselten Spruch an die beiden Schiffeder Sippe absenden. Sobald die Antwort eintrifft,möchte ich unterrichtet werden.«

Dann war er wieder allein, aber GuckysHoffnungen erfüllten sich nicht. Ralgor kam nicht aufseine geheimsten Pläne zurück. Eins jedoch warGucky klar: Ralgors beabsichtigte Plünderung desGoszul-Planeten stand in engem Zusammenhang mitseinen Plänen für Terra und den eben gebrachtenSternkarten. Auch das Herbeiholen derSpringerschiffe seiner eigenen Sippe war ein Teilseines gefaßten Planes. Wie dieser Plan jedoch imeinzelnen aussah, wußte auch Gucky nicht. Er mußtees erfahren.

Hm, dieser Ralgor kannte ihn nicht und hatte ihnnoch nie zuvor gesehen. Wenn er ihm also in der Tatbegegnete, war das weiter nicht so gefährlich.Außerdem würde Ralgor vorsichtig sein müssen, umseine geheimen Pläne seinen Rassegefährten nicht zuverraten. Wenn er also ahnte, daß Gucky etwas mitdiesem Perry Rhodan und Terra zu tun hatte, würdeer erst recht eine Begegnung verschweigen müssen.

Gucky holte tief Luft und teleportierte.Er landete haargenau in Ralgors Zentrale, hatte

aber Glück. Der Springer wandte ihm gerade denRücken zu und studierte die vom Navigatorüberbrachte Sternkarte. Er saß auf einem Stuhl undahnte nicht, daß knapp einen Meter hinter ihm einkleines unscheinbares Etwas aus dem Nichts entstandund blitzschnell hinter die geöffnete Tür desWandschrankes schlüpfte. Von hier aus hatte Guckyeine gute Übersicht und war gleichzeitig gut getarnt.Er mußte unbedingt feststellen, für welchen Sektorder Galaxis Ralgor so großes Interesse zeigte.

Ralgor dachte in fremden Begriffen, und da Guckykeine Ahnung hatte, mit welchen Namen die SpringerSterne und Sonnensysteme bedacht hatten, fand ernatürlich auch auf Anhieb nicht heraus, mit welchenSystemen Ralgor sich so intensiv befaßte.

Plötzlich spürte Gucky das Näherkommen andererGedanken. Draußen vor der Tür blieb jemand stehenund trat dann nach kurzem Anklopfen ein. Es mußteder Navigator von vorhin sein.

»Der Funkspruch wurde ordnungsgemäßaufgefangen, und die Antwort traf soeben ein, Herr.Die RAL III und RAL V treffen noch diese Nachthier ein. Befehlsgemäß werden sie in zwei LichttagenEntfernung das System Goszuls umkreisen.«

Ralgor sah auf und grinste hämisch.»Es ist die längste Zeit Goszuls System gewesen«,

verriet er einen Teil seines geheimsten Planes.»Vielleicht wird man es eines Tages Ralgors Systemnennen.«

Der Navigator grinste zurück.»Ein gutes Geschäft?«»Natürlich, würde ich mich sonst damit befassen?«Das Gesicht des Navigators wurde ernst.»Was soll unsere Sippe mit einem verseuchten

Planeten anfangen?«Ralgor reagierte unerwartet abweisend.»Ich bin froh, daß du auf diese Frage selbst keine

Antwort findest. Dieser Umstand beweist mirnämlich, daß auch die anderen Patriarchen mit großerWahrscheinlichkeit nicht hinter meine Absichtenkommen. Sie können gehen, Gromsk. UmSonnenuntergang herum möchte ich das Schiffverlassen. Sie sorgen für die notwendigenWachablösungen. Ich möchte, daß die RAL IIstartbereit wartet, bis ich an Bord zurückkehre.«

Der Navigator zog sich ohne Antwort zurück.Noch zehn Minuten hockte Ralgor an seinem

Tisch über den Sternkarten und überprüfte dieaufgezeichneten Sprungkoordinaten, dann stand erplötzlich auf, blickte auf den in der Wandeingelassenen Zeitmesser und verließ die Kabine. Erschloß nicht einmal die Tür, sondern ließ sieangelehnt.

Gucky wartete einen Augenblick, dann huschte erhinter seinem Versteck hervor und eilte zumSchreibtisch. Er war so klein, daß er sich auf den

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Stuhl stellen mußte, um einen Blick auf die Kartenwerfen zu können.

Sternenkarten sind schwer zu lesendeSchriftstücke. Man muß sie gründlich studieren, umaus ihnen klug zu werden, besonders dann, wenn dieBezeichnungen unverständlich sind.

Gucky erblickte ein Gewimmel winziger Punkte,die miteinander durch gestrichelte Linien verbundenwaren. Daran standen Zahlen, dicht darunter Namen,die keine Bedeutung für ihn hatten.

Eine zweite Karte zeigte eine Vergrößerung. Diewenigen Sonnensysteme bestanden nun nicht mehrbloß aus winzigen Punkten, sondern in der Tat ausSonnen und den dazugehörigen Planeten. Es war nunnicht mehr sehr schwer, eines dieser Systeme zuidentifizieren. Besonders deshalb nicht, weil ein rotesKreuz es deutlich hervorhob.

Mit einem Blick erkannte Gucky, daß Ralgor sichfür die Sonne und ihren Planeten Erde interessierthatte.

Hinter Gucky war ein Geräusch. Noch ehe er sichumdrehen konnte, wußte er, daß er in denvergangenen Sekunden nicht genügend aufgepaßthatte. Ralgor war zurückgekehrt.

Der Springer stieß einen erstaunten Ruf aus, als erdas merkwürdige Wesen über seine Karten gebeugtvorfand. Es dauerte mindestens zwei Sekunden, eheer seiner Überraschung Herr wurde. Seine Rechtefuhr zum Gürtel und kam mit dem Strahler wiederhoch. Der Lauf richtete sich auf den Mausbiber.

Gucky hätte teleportieren können, aber es wäreihm wie ein feiger Rückzug vorgekommen.Außerdem dauerte es mindestens eine Sekunde, eheer entmaterialisierte. Der Springer würde seinentödlichen Schuß noch anbringen können.

Da gab es auch andere und bessere Mittel.»Guten Tag«, sagte Gucky in reinem Interkosmo

und entblößte freundlich seinen Nagezahn. »Wie gehtes dir, Ralgor?«

Der war so verblüfft, daß sein Unterkiefer umeinige Zentimeter nach unten sank.

»Du ... sprichst? Wer bist du?«»Du sprichst ja auch, nicht wahr?« erkundigte sich

Gucky versöhnlich und konzentrierte seine ganzeAufmerksamkeit auf die Pistole. Seihetelekinetischen Geistesströme erfaßten die Materiebehutsam, und der Lauf der Waffe zeigte plötzlichgegen die Decke. Der Springer war derart überrascht,als ein unbelebter Gegenstand plötzlich Neigungzeigte, sich selbständig zu machen, daß er keinerAktion fähig war. Staunend sah er zu, wie derStrahler seinen verkrampften Fingern entglitt undgegen die Decke schwebte, als sei er ein Ballongeworden. An der Decke angekommen, hielt derStrahler an und richtete seinen Lauf auf RalgorsKopf.

»Nun, jetzt bist du aber artig?« fragte Gucky undzwitscherte wie ein irdischer Vogel. »Mach die Türzu!«

Ralgor fiel nicht ein, dem Befehl Folge zu leisten.Er stieß einen zweiten, diesmal aber wutentbranntenSchrei aus und stürzte sich auf den Eindringling.Gucky dachte an die ernsten Ermahnungen JohnMarshalls und verzichtete auf weitere Experimente.Er entmaterialisierte und verpaßte somit deneigentlich amüsanten Teil des Abenteuers.

Ralgor wurde von der Wucht des Sprungs jäh nachvorn gerissen, als seine mächtigen Fäuste ins Leeregriffen. Er prallte mit dem Schädel gegen denBordkommunikator und holte sich einefarbenprächtige Beule, deren Vorhandensein er späterbei mitfühlenden Fragen seiner Sippengenossenniemals befriedigend erklären konnte.

Fassungslos starrte er auf die Karten.Mit brummendem Schädel und einer unwilligen

Handbewegung wischte er sie vom Tisch.Dann sank er schwer in den Stuhl, auf dem noch

vor drei Sekunden Gucky gestanden hatte.Verdammt! Es gab also doch Geister!

6.

»Die haben etwas mit der Erde vor!«John sah ungläubig aus.»Ich denke, den Gedanken haben sie längst

aufgegeben, Gucky. Ich kann mir nicht vorstellen,daß sie es noch einmal versuchen werden. Die ersteLehre sollte ihnen genügt haben.«

»Der Kerl hatte Karten, auf denen die Erdebesonders auffällig markiert worden war. Ich wette,sie werden heute Abend über diesen Punktverhandeln. Wir sollten nicht versäumen, einenBeobachter zu der Konferenz zu entsenden.«

»Enzally wird uns berichten.«»Das genügt nicht, ganz abgesehen davon, daß wir

mit unserem Besuch einen sehr positiven Zweckerfüllen können.«

»Und der wäre?« beugte sich John interessiert vor.»Wir werden die Patriarchenversammlung

verseuchen«, sagte Gucky.Der Telepath wollte gerade eine abwehrende Geste

machen, als er mitten in der Bewegung anhielt. Einnachdenklicher Zug huschte über sein Gesicht.Schließlich nickte er zögernd.

»Ein wahrhaft toller Gedanke, Gucky. Aber ichglaube doch, daß ich dazu die Erlaubnis Rhodanseinholen muß. Ohne jede Anweisung können wirnicht jene Springer mit einer Krankheit infizieren, dienicht auf Goszuls Planet stationiert sind. Die Seucheist ansteckend; sie würden sie in den Raumhinaustragen. Und ich wehre mich dagegen, dasUniversum absichtlich zu verseuchen.«

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»Frage doch Rhodan«, schlug Tako vor. »Er wirdschon wissen, was er verantworten kann und wasnicht« John hielt es ebenfalls für das einzigVernünftige. Er holte das kleine Gerät aus demVersteck, mit dem sich eine Simultanverbindung biszu einer Entfernung von drei Lichtmonaten herstellenließ. Der Kontakt mit der STARDUST war, bereitsnach dreißig Sekunden hergestellt.

»Es besteht die einmalige Gelegenheit, die hier aufGoszuls Planeten weilenden Springer in einem Raumversammelt anzutreffen, Mister Rhodan. Sollen wirsie mit der Seuche infizieren oder nicht?«

»Eine direkte Frage, John. Ich will sie genausodirekt beantworten, wenn Sie eine andere Auskunftgeben können: Was soll auf dieser Versammlung derSpringer beraten werden?«

»Niemand weiß das. Gucky meint, der Angriff aufdie Erde.«

»Sie sind also noch nicht geheilt«, murmelteRhodan und dachte einige Sekunden nach. »Gut, Siesollen Ihre Antwort haben: Wenn die Springer heuteAbend beschließen sollten, daß sie die Erdeanzugreifen gedenken, dann sind sie zu infizieren.Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

»Ja, das haben Sie. Und was geschieht, wenn siedie Seuche ins Universum tragen?«

Man hätte glauben können, Rhodans Lächeln überacht Lichttage hinweg spüren zu können.

»Nicht viel«, sagte er und unterbrach dieVerbindung.

Johns Gesicht war nicht gerade geistreich zunennen, als er das Gerät verstaute und seine Freunderatlos ansah.

»Habt ihr das gehört? Nicht viel, sagte Rhodan.Das soll jemand begreifen!«

»Ist das nötig?« wollte Gucky wissen und fügteschnell hinzu: »Achtung, ich fühle Enzally kommen.Hoffentlich hat er unsere Zweifel nicht bemerkt, daswäre unangenehm.«

Aber Enzally war ganz arglos. Er begrüßte die vierMänner mit der gleichen Verbeugung, mit der erauch Gucky bedachte, nahm Platz und sagte miteinem etwas nachsichtigen Lächeln:

»Die Versammlung der Springer beginnt jedenAugenblick. Ich kam mit einem Dienstwagen derRaumhafenverwaltung hierher, um euch zuunterrichten. Ihr seid verwundert wegen des Wagens?Nun, wir haben unsere Freunde jetzt überall. Aberum auf die Springer zurückzukommen: Was ist IhreAbsicht? Wollen Sie die Versammlung sprengen?«

»Wir wollen die Springer verseuchen«, sagte Johnhart.

Über das Gesicht des alten Goszuls huschte einkaltes Lächeln.

»Ausgezeichnet Die handelnden Götter habengesehen, was aus einer Rasse wird, die von dieser

Seuche des Vergessens befallen wird. Wenn sie diegleiche Krankheit an sich bemerken, werden sievoller Panik in das Universum fliehen und dortHeilung suchen. Uns jedenfalls werden sie künftig inFrieden lassen.«

Tako hatte eine längliche Kiste geöffnet und fünfkleine Bomben herausgeholt. Abschätzend wog er siein seinen Händen. John bemerkte es.

»Gucky wird dich begleiten. Es ist besser, wennzwei Teleporter die Aufgabe erledigen. Werft dieBomben und verschwindet sofort wieder. Vielleichtist es dir noch möglich, Gucky, einiges über denZweck der Versammlung zu erfahren - vorher.Rhodan gab ja Befehl, die Bomben erst dann zuwerfen, wenn die Springer die Absicht äußern, Terraanzugreifen.«

»Du kannst dich auf uns verlassen«, beruhigteGucky den Telepathen, nahm Tako zwei der fünfBomben ab, packte ihn bei der Hand und nickte ihmzu.

Eine Sekunde später waren sie verschwunden.

*

Die beiden Teleporter materialisierten nicht weitvon dem ihnen bereits bekannten Gebäude am Handdes Raumhafens, in dem die Verhandlung heutestattfinden sollte. Enzally hatte ihnen die Lage genaubeschrieben. In der näheren Umgebung War niemandzu sehen, auch keine Wachroboter. Vor dem Eingangdes Gebäudes allerdings standen zwei wuchtigeKampfroboter mit schußbereiten Strahlarmen. Es warvöllig aussichtslos, an ihnen vorbeikommen zuwollen.

»Also direkt hinein in die Höhle des Löwen«,stellte Tako wenig begeistert fest. Er sah aus wie einechter Goszul und war von den Eingeborenen dieserWelt nicht mehr zu unterscheiden. »Wir wissen nicht,wo wir landen, und wenn das mitten imVerhandlungssaal geschieht, gibt es einigeAufregung.«

»Besonders dann, wenn sie mich sehen«,vermutete Gucky in aller Bescheidenheit. »Aber aufder anderen Seite kann ich mir besser helfen als du.Schließlich bin ich außerdem noch Telekinet. Ichwerde ihre Nasen verbiegen.« Tako grinste flüchtig.»Also gut, dann springst du zuerst und kommst sofortzurück, um mir die Daten bekannt zu geben. Dannspringen wir gemeinsam.«

Gucky sah sich um.»Bleibe hier hinter dem Ruf stand für Taxen

zurück und verbirg dich, so gut es eben geht. Aberwer sollte schon kommen? Ein Goszul wird dichnicht verraten, und Wachroboter sind nicht in Sicht.Ich glaube kaum, daß ein Risiko besteht.«

»Außerdem kommst du gleich zurück«, beruhigte

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sich Tako selbst.Gucky nickte zustimmend und entmaterialisierte.Der Japaner blieb allein zurück und bereitete sich

heimlich darauf vor, jederzeit verschwinden zukönnen, wenn es sein müsse. Aber alles blieb still:Das Raumfeld mit seinen riesigen Schiffen lag wieausgestorben. Weit drüben an seinem Randpatrouillierte ein Roboter. Die Sonne war bereitsunter den Horizont gesunken, und es würdeallmählich dämmerig.

Es dauerte fünf Minuten, ehe Gucky zurückkam.»Ich habe einen ausgezeichneten Platz gefunden«,

sagte er mit seiner unwahrscheinlich hellen Stimme.»Eine Art Galerie über dem Verhandlungssaal.Niemand sieht uns, und wir haben eine wunderbareAussicht. Wir können sogar alles hören, wasgesprochen wird. Und da die Springer verschiedeneDialekte besitzen, unterhalten sie sich aufInterkosmo.«

»Nimm mich bei der Hand, das ist sicherer.«Sie sprangen und landeten den Bruchteil einer

Sekunde später in einem dunklen Raum, der nurdürftig von einem aus der Tiefe dringenden Lichterhellt wurde. Stimmengemurmel wurde hörbar.

»Die Galerie«, flüsterte Gucky. »Vorsichtigbewegen jetzt, wenn wir auf den Gang gelangen.Früher, so stelle ich mir vor, saßen hier oben auchLeute, aber jetzt sind die Springer so dezimiert, daßsie mit dem Saal dort unten auskommen.«

Sie verließen den Raum, in dem allerhandGerumpel lagerte, darunter auch ein außer Dienstgestellter Roboter. Auf der eigentlichen Galerie wares heller, und es boten sich nur wenigDeckungsmöglichkeiten. Sie mußten sich eben daraufverlassen, daß niemand kam. Bis dicht an den Randdes Geländers krochen sie vorsichtig auf Händen undFüßen, dann richteten sie sich halb auf.

Was sie sahen, ließ ihr Herz rascher schlagen.An die zwanzig Springer saßen oder standen in

Gruppen beisammen und unterhielten sich angeregtmiteinander. Wie es schien, waren die Beratungendurch eine Pause unterbrochen worden, um deneinzelnen Springern Gelegenheit zu geben, über dasThema frei zu diskutieren.

Vorn an einem langen Tisch hockten Ralgor -Gucky erkannte ihn nicht zuletzt an derfarbenprächtigen Beule an der Stirn wieder, obwohler sie noch nicht gesehen hatte - und Etztak. DerPatriarch mit dem eisgrauen Bart redeteununterbrochen auf Ralgor ein, aber die beidenLauscher auf der Galerie konnten kein Wortverstehen. Gucky schaltete sich telepathisch ein underkannte, daß Etztak über eine mögliche Invasion desPlaneten Erde sprach. Er erörterte einen Plan, den erzur Debatte stellen wollte. Aus den dazwischenerkennbaren Gedankenfetzen Ralgors war zu

erkennen, daß es genau der Plan war, den dieser demälteren Etztak einzureden gedachte.

»Ich glaube, daß wir unsere Bomben loswerden«,zischelte Gucky dem ungeduldig wartenden Tako zu.»Sie haben diesen Planeten noch nicht verloren, undschon denken sie daran, einen zu erobern. Die Suppewerden wir ihnen versalzen.«

Unten im Saal tat sich inzwischen etwas. Etztakbat die versammelten Patriarchen, ihre Plätze wiedereinzunehmen. Er wartete, bis Ruhe eingetreten war,dann begann er zu sprechen:

»Wir kamen ursprünglich zu Goszuls Planet, umüber die Möglichkeit zu beraten, der wachsendenBedrohung durch einen gewissen Perry Rhodanentgegenzutreten, der den Planeten Terra vertritt.Leider wurde unser Vorhaben durch einigeEreignisse hinausgeschoben. Jetzt ist wieder etwaseingetreten, mit dem wir nicht rechneten. AufGoszuls Planet ist eine Seuche ausgebrochen, derenNatur völlig unbekannt ist. Zu unserer Bestürzungmüssen wir feststellen, daß wir nicht immun dagegensind. Nach den letzten Meldungen sind bereits siebender zwanzig Gouverneure erkrankt und haben dasGedächtnis verloren. Wir, die wir bisher mit denGoszuls nicht in Berührung kamen, blieben gesund.Aber es ist selbstverständlich, daß wir so schnell wiemöglich von hier verschwinden sollten, um derGefahr der Ansteckung nicht auch noch ausgesetzt zuwerden.«

Etztak wartete, bis die allgemeine Unruhe sichlegte. Mit veränderter Stimme fuhr er dann fort:

»Ich möchte an dieser Stelle an den eigentlichenZweck unseres Zusammenseins erinnern, der diesmalnicht handelstechnischen Dingen gilt. Meine Sippewurde bei dem Versuch, Kontakt mit einem PlanetenTerra herzustellen, von einem starken Gegnerzurückgeschlagen. Ich spreche von Perry Rhodan,dem Administrator oder Präsidenten dieses Planeten.Er scheint mit Unterstützung der Arkoniden zuarbeiten, deren plötzliche Aktivität fastunwahrscheinlich anmutet. Rhodan gelang es, einegroße Anzahl unserer Schiffe mit unbekanntenWaffen zu vernichten. Außerdem kennt dieserRhodan mit Bestimmtheit das Geheimnis der Weltdes ewigen Lebens, jener sagenhaften Welt also, aufder man die Unsterblichkeit erlangen kann.«

Wieder ging ein Raunen durch die Versammlung.Die Patriarchen steckten die Köpfe zusammen undbegannen miteinander zu flüstern. Mehr noch als alleReichtümer lockte sie das ewige Leben. Eine Sageschien plötzlich greifbare Wirklichkeit geworden zusein.

Aber Etztak ließ keine Unterhaltung zu.»Wir müssen diese Welt verlassen, Partner, das

steht fest. Und so wie die Dinge stehen, werde ichbeim Rat der Händler eine fünfzigjährige Quarantäne

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vorschlagen. Leider müssen wir die technischenEinrichtungen im Stich lassen, aber das ist nicht zuändern. Und nun mein Vorschlag, der sich mitRalgors Meinung deckt: Wir eilen geschlossen mitunseren Schiffen und entsprechender Verstärkungzum Planeten Erde und vernichten Rhodans Flotte.Ich bin überzeugt, daß wir auf der Erde mehrReichtümer finden werden als auf allen Welten, diewir kennen. Ich erinnere nur an den Planeten derUnsterblichkeit.«

Jemand im Hintergrund erhob sich und rief:»Was ist mit Begleitschutz?«Etztak schien die Frage erwartet zu haben.»Topthor, der Überschwere! Ja, ich fürchte, wir

können uns nicht auf ihn verlassen. Er versuchtewährend meiner Verhandlungen mit Rhodanselbständig Terra anzugreifen und erlitt fürchterlicheVerluste. Fast seine ganze Flotte wurde zerstört. Alsich ihn später um Hilfe bat, war er gerade inpanischer Flucht begriffen. Ich glaube kaum, daß erbereit sein wird, Terra noch einmal anzugreifen.«

»Warum verhandeln wir nicht mit Rhodan, wenner so mächtig zu sein scheint?«

»Er ist mächtig! Glaubt jemand in diesem Saal,daß wir uns von einem mächtigen Gegner Vorteileerhoffen dürfen? Er stellt die Bedingungen, nicht wir!Was wäre dabei zu verdienen? Nein, wir haben nureine einzige Wahl: Wir müssen diesen Terra-Planetenüberraschend angreifen und seine Verteidigungskraftso schwächen, daß wir ihn in Besitz nehmenkönnen.«

Drei oder vier der Patriarchen riefen erregt:»Warum beraten wir überhaupt noch? Verlassen

wir Goszuls Planeten, auf dem nichts mehr zu holenist - eilen wir nach Terra und schöpfen aus demReichtum der Arkoniden! Erfahren wir die Positiondes ewigen Planeten und holen uns dieUnsterblichkeit!«

Etztak winkte ab.»Unser Entschluß muß einstimmig sein, damit kein

anderer von dem Plan erfährt. Wer hatGegenargumente?«

Ein noch junger Springer in der ersten Reihe hobdie Hand.

»Wollen wir die Kampfroboter auf GoszulsPlaneten zurücklassen?«

Ralgor neben Etztak wurde unruhig, aber erbeherrschte sich ausgezeichnet und überließ dieAntwort dem Älteren.

»Haben wir eine andere Wahl?« Etztak fragte esmit hochgezogenen Augenbrauen. »UnsereDesinfektionsmittel sind gegen die Seuche desVergessens unwirksam. Auf keinen Fall dürfen wirdiese furchtbare Krankheit ins Universum tragen.Unvorstellbare Folgen müßten von uns verantwortetwerden. Die intelligenten Rassen des Universums

ohne Gedächtnis - eine grauenhafte Vision!«Ralgor war das Thema unangenehm. Er unterbrach

Etztak:»Noch Einwände? Wenn nicht, würde ich Etztak

vorschlagen, zur Abstimmung zu schreiten.«Der alte Graubart nickte.»Ist hier jemand, der nicht bereit wäre, in einer

gemeinsamen Aktion der galaktischen Händler denPlaneten Terra zu einer Kolonie zu machen und PerryRhodan das Geheimnis des ewigen Lebens zuentreißen?«

Die Frage war so gestellt, daß niemand zuwidersprechen wagte. Der Vorschlag, die Erde zuerobern, war somit einstimmig gebilligt worden.

Etztak nickte befriedigt.»Kommen wir zu den Einzelheiten. Ich schlage

vor, daß wir für weitere drei Wochen in einerKreisbahn um Goszuls System bleiben und uns dortversammeln. Wozu einen neuen Ort wählen ...?«

Gucky hatte genug gehört. Er wandte sich an Tako.»Hast du die Bomben fertig? Ich denke, wir lassen

sie platzen.«Der Japaner griff in die Tasche und holte seine drei

Plastikbehälter daraus hervor.»Zünder auf fünf Sekunden einstellen«, befahl

Gucky. Während sie ihr Attentat vorbereiteten,wurden unten im Saal ernsthafte Probleme gewälzt.Sie waren für die beiden Späher jetzt völliguninteressant, denn die Patriarchen würden diegefaßten Pläne nicht mehr ausführen können.

Tako stellte die dritte Zündung ein und sah auf.Gucky war bereits fertig.

»Wenn wir sie werfen, und sie schlagen auf, dauertes ganze fünf Sekunden. Es gibt eine harmloseDetonation, die den Zweck hat, die Bakterien zuverschleudern. Außerdem erweckt die kleineExplosion den Eindruck, es handele sich umSprengbomben. Also los - eins, zwei, drei!«

Die fünf Bomben flogen in hohem Bogen durchdie Luft und fielen mitten zwischen dieVersammelten auf den Boden oder gar auf dieTische. Für eine Sekunde herrschte völligesSchweigen, dann brüllte Ralgor, der sich als ersterfaßte:

»In Deckung!«Das war leichter gesagt als getan. Wohin in

Deckung, wenn niemand wußte, wie lange es nochdauern würde, bis die Bomben in die Luft gingen?Alles warf sich automatisch zu Boden und hoffte, daßder Nebenmann die zu erwartenden Splitter auffing.

Als dann die fünf Detonationen ertönten undeigentlich nichts geschah, war man zwar erleichtert,aber man vermutete einen faulen Trick, womit mander Wahrheit ziemlich nahe kam. Niemand jedochäußerte den Verdacht, es könne sich umBakterienbomben gehandelt haben.

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Etztak war schnell wieder auf seinem Platz. Erhielt einen kleinen Strahler in der Hand und suchtemit den Augen die leere Galerie ab. Die Bombenwaren von dort oben gekommen.

Aber Gucky und Tako waren schon längstverschwunden.

7.

Perry Rhodan legte den kleinen Hebel zurück, derden Simultankontakt mit John Marshall hergestellthatte. Das leise Rauschen der kosmischen Statikverstummte. Langsam drehte er sich um und sahReginald Bull an. Die beiden Männer weilten alleinin der geräumigen Kontrollzentrale desRaumgiganten STARDUST, acht Lichttage vonGoszuls System entfernt.

»Nun, was sagst du dazu?«Bully machte ein zweifelndes Gesicht.»Wozu eigentlich das ganze Theater auf diesem

Planeten, wenn wir nur zwanzig Springer vertreibenwollen? Es hätte doch genügt, sie allein zuinfizieren.«

»Eben nicht«, widersprach Rhodan. »Wären nurdie Patriarchen und mit ihnen die Mannschaftenerkrankt, wüßten sie nicht, wo sie sich angesteckthätten. Natürlich wissen sie es heute auch nicht, abersie müssen annehmen, daß auf Goszuls Planet sogardie Roboter und Maschinen verseucht sind.Außerdem erlebten sie das schauerliche Schauspielbei den Goszuls, die ihre Erinnerung verloren undganz von vorn anfangen müssen. Nein, ohne diesesBeispiel könnte die zu erwartende Wirkung niemalsso nachhaltig sein. Wir erreichen damit zweierlei: Siewerden Goszuls Planet unter Quarantäne stellen undihren Plan, die Erde zu erobern, schnellstensaufgeben.«

»Hoffentlich behältst du recht, Perry! Ich bin esleid, mich für alle Ewigkeit nur mit diesen Springernherumzuschlagen. Schließlich haben wir noch andereAufgaben zu lösen.«

»Die Versammlung fand vor acht Tagen statt. Dieersten Anzeichen müßten sich inzwischen auf denSchiffen der Springer bemerkbar gemacht haben. Bisjetzt zeigen unsere Instrumente an, daß sie immernoch in einer Entfernung von zwei Lichttagen um dasSystem kreisen und laufend Verstärkungen erhalten.Major Nyssen von der SOLAR SYSTEM berichtet,daß er insgesamt neunundsechzig Schiffe gezählthat.«

Bully pfiff durch die Zähne und strich sich mit derHand über die unruhig werdenden Haarstoppeln.

»Das ist eine ganz hübsche Menge. Möchtewissen, wie wir mit denen fertig werden.«

»Brauchen wir nicht. Die Bakterien besorgen dasfür uns. Nyssen berichtet, daß in den vergangenen

Tagen rege Besprechungen stattgefunden haben. DiePatriarchen besuchen die Kommandanten der neueingetroffenen Schiffe. Wir können also damitrechnen, daß bereits alle infiziert wurden. Noch einoder zwei Tage, dann ist der Teufel los bei denSpringern, darauf kannst du dich verlassen.«

Bully starrte erwartungsvoll auf die lange Reiheder dunklen Kontrolllampen. Er wußte, daß jede vonihnen den unsichtbaren Kontakt zu einem Schiff derSpringer herstellte. Die überlichtschnelleZielfixierung lief über die Strukturtaster und dasPositronengehirn. Sobald eines der Schiffe derSpringer eine Transition in den Raum vornahm,leuchtete eine der Lampen auf. Sofort automatischanlaufende Berechnungen ergaben bereits Sekundenspäter die genaue Richtung und Entfernung desSprunges. Ein System zeichnete alle Impulse auf.Später konnte man dann auf einer Karte genaufeststellen, wohin sich die einzelnen Sippen begebenhatten.

»Eigentlich müßte es ja jeden Augenblicklosgehen«, knurrte Bully. »Wenn sie bemerken, daßsie sich mit der Seuche infiziert haben, werden sieversuchen, den nächsten Arzt zu erreichen.«

Rhodan lächelte nachsichtig.»Ich weiß zwar nicht, wo ihr nächster Arzt wohnt,

aber ihre Sorge ist völlig unberechtigt. Glaubst du,ich würde die Galaxis mit einer teuflischen Seucheinfizieren? Keine Sorge, Bully. Die Springer werdenzwar farbig im Gesicht werden und für einigeWochen ihre Erinnerung verlieren, aber dann werdensich diese Symptome abschwächen und schließlichganz verschwinden. Auch verlieren die Bakteriennach sechs Tagen die Fähigkeit, die Krankheit zuübertragen. Es fehlt also die Voraussetzung dafür,andere Rassen zu verseuchen.«

Bully hatte mit Interesse zugehört.»Warum hast du dann John Marshall nicht

beruhigt, als er Bedenken äußerte, die Infizierungvorzunehmen?«

»Weil jeder - auch er - davon überzeugt seinmußte, es mit einer echten Krankheit zu tun zuhaben. Einer hätte sich verraten können, vielleichtsogar gegen seinen Willen. Du siehst, wir arbeitetenlediglich mit einem Bluff.«

»Und wie ist das mit der steigenden Intelligenz?«»Das stimmt ausnahmsweise. Die von der kurzen

Krankheit Genesenden sind in der Tat klüger alszuvor.«

»Auch die Springer?«»Hoffentlich! Denn wenn sie klüger geworden

sind, werden sie vielleicht darauf verzichten, die Erdeihrem Imperium einverleiben zu wollen.« Bullygrinste zufrieden.

»Na, dann bin ich ja moralisch beruhigt, undMarshall wird sich freuen, wenn er die Wahrheit

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erfährt.«»Dazu ist es noch zu früh«, sagte Rhodan und

schwieg plötzlich.Auf der Schaltreihe leuchtete ein rotes Lämpchen

auf. Fast gleichzeitig kam aus einem schmalen Spaltein Zettel auf den Tisch geflattert. Rhodan nahm ihnund las vor, was darauf stand:

»Transition Richtung Sektor XP-578-H.Entfernung 389,057 LJ.«

Bully hatte inzwischen eine Sternkarteherbeigezogen und konsultierte sie. Erstaunt sah erauf.

»Genau entgegengesetzt zur Erde!« Er grinstebreit. »Ob das bedeutet, daß sie es sich andersüberlegt haben und sie ...«

Eine zweite Lampe flammte auf, gleich danach diedritte.

Und dann begann ein Feuerwerk, wie es in derZentrale der STARDUST noch nie zuvorstattgefunden hatte. Lampe für Lampe leuchtete auf,und aus dem schmalen Schlitz, der mit demPositronengehirn in Verbindung stand, fiel Zettel aufZettel.

Bully hatte es längst aufgegeben, diePositionsangaben mit der Sternkarte zu vergleichen.Die Stichproben genügten ihm.

»Nicht eins der Schiffe hat in Richtung Erdetransistiert!«

In weniger als zwanzig Minuten brannten 69Lichter an der Schalttafel. Die gesamte Flotte derSpringer hatte in wahlloser und panischer Flucht dasSystem Goszuls verlassen und war in allenRichtungen davongeeilt.

Rhodan starrte auf die Reihe der roten Lampen undauf den Stapel der Meldezettel. Sein Gesicht wargestrafft und zeigte seine Genugtuung nicht. Inseinen Augen brannte ein kaltes Licht, aber ihnenfehlte die gewohnte Härte. Der Mund warzusammengekniffen.

»Ich bedauere nur einen einzigen Umstand«,murmelte er und sah Bully nicht an. »Aber man kannja nicht alles haben, nehme ich an.«

»Welchen Umstand?«»Daß wir mit den Springern nicht reden konnten.

Ich hätte gern, daß sie unsere Freunde werden.«

*

Nach den Funkanweisungen Rhodans begann JohnMarshall damit, das Heilserum in die verseuchtenKontinente zu schicken. Dort wurde es von RalvsLeuten in Empfang genommen und verteilt. Eshandelte sich um winzige mit dem Serum getränkteNadeln, die so in ein kleines Pflaster eingelassenwaren, daß man sie unwillkürlich beim Auflegendieses Pflasters injizierte. Schon zwei Tage später

verschwanden die Farbflecke von der Haut, und nachdem Schlaf der dritten Nacht kehrte auch dasGedächtnis zurück. Außerdem war derIntelligenzgrad des vormals Erkrankten um etwa 20Prozent angestiegen.

Am gleichen Tag, an dem die Flotte der Springerin panischer Flucht davon stob, verließen John undseine Mutanten den Segler, um in der Nähe desRaumflughafens ein neues Quartier zu beziehen. Eshandelte sich um den Amtssitz des »OberstenGouverneurs« der Springer, der augenblicklich imKrankenhaus lag und sich vergeblich zu erinnernversuchte, wer er eigentlich war.

Das nicht sehr große Gebäude war vonaußerordentlichen Sicherheitsvorrichtungenumgeben. Ein einziger Druck auf einen Alarmknopfgenügte, um einen Energievorhang um das ganzeHaus zu legen. Selbst die Kampfroboter konntendann nicht mehr eindringen.

Hier erst fühlte John sich sicher, denn seitdem fastdie Hälfte der Gouverneure ausgefallen war,begannen die Roboter unruhig zu werden. Es kamJohn zu Bewußtsein, daß die Schlacht noch nichtbeendet war.

Ralv traf zur Berichterstattung ein.Während Gucky auf dem flachen Dach des Hauses

hockte und nach allen Seiten sicherte, erwartetenJohn und die drei Japaner ihren Verbündeten. DerRebellenführer hatte sich in den vergangenen Tagenverändert. Aus dem anfänglichenWiderstandskämpfer, der stets im Verborgenen lebenmußte, war ein verantwortungsbewußter Staatsmanngeworden. Er trug ein selbstsicheres undzielbewußtes Wesen zur Schau, betrachtete seine voneiner anderen Welt stammenden Freunde alsgleichberechtigte Partner und vergaß doch niemals,ihnen seine Dankbarkeit zu beweisen.

»Es gelang uns in der vergangenen Nacht, eineNebenstelle der automatischen Steuerzentrale zubesetzen. Zehn Wachroboter, die von dieser Stelleaus geleitet wurden, zerstörten sich selbst.«

John horchte auf.»Zerstörten sich selbst?« Das war unmöglich, denn

die Wachroboter besaßen keinerlei Waffen. »Wiekonnte das geschehen?«

»Keine Ahnung. Wir besetzten die außerhalb derStadt gelegene Zentrale, nachdem wir dendazugehörigen Kampfroboter vernichteten. Ja, daswar gar nicht so schwer. Einer unserer Leute fuhr ihnmit einem Wagen nieder. Leider starb er an denFolgen des Unfalls, aber der Roboter wurde so hartgegen eine Wand geschleudert, daß nur Schrott vonihm übrig blieb. Als wir in der Zentrale waren unddie Art der Schaltungen begriffen - Enzally half unsdabei - gaben wir den zehn zugeteilten Wachroboternden Befehl, die dreizehn im Verwaltungsgebäude

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versammelten Gouverneure anzugreifen und sie zutöten.«

»Eine verrückte Idee!« tadelte John und begann zuahnen, was geschehen war. Ralv ließ sich nichtunterbrechen, sondern fuhr fort:

»Die zehn Roboter blieben stehen und rührten sichnicht. Dann begannen sie plötzlich von innen herauszu glühen - und schmolzen. Von ihnen blieb nichtsals einige Klumpen unförmigen Metalls.«

»Kurzschluß!« nickte John. »Der eingebauteSicherheitsfaktor. Sie können niemals einen Springerangreifen, wenn sie nicht vorher umprogrammiertwerden. Das aber kann nur durch die zentraleBefehlsstelle geschehen, die fest in der Hand derKampfroboter und der restlichen Gouverneure ist.Was werden diese letzten Springer tun, Ralv? DieFlotte ist geflüchtet, und Goszuls Planet steht unterQuarantäne, mit anderen Worten: Niemand darf mehrlanden.«

»Auch da arbeiten unsere Leute gut«, sagte Ralvstolz. »Enzally belauschte eine der ersten Sitzungen.Die Gouverneure wissen, daß sie auf einemverseuchten Planeten sitzen, von dem sie niemandabholen wird, um nicht selbst zu erkranken. Nunhaben die Gouverneure natürlich keine Lust, den Restihres Lebens hier isoliert zu verbringen. Siebenötigen also ein Raumschiff, um dieser Welt unddamit der Seuche des Vergessens zu entfliehen -bevor sie vergessen.«

»Sehr einleuchtend. Fragt sich nur, woher sie einSchiff erhalten wollen. Soweit mir bekannt ist, stehenihnen keine intergalaktischen Schiffe zur Verfügung,nur kleine Boote, mit denen sie zur Not denbenachbarten Planeten erreichen können. Damit istihnen aber auch nicht geholfen.«

»Irgendwo müssen sie ein Schiff haben, ein sehrgroßes Schiff. Sie sprachen wenigstens davon. Leiderkonnte Enzally nicht mehr erfahren, da sie nichtweiter darüber sprachen.«

»Ein großes Schiff der Springer ...?« dehnte Johnund dachte fieberhaft nach. Hatte Rhodan nichteinmal den Wunsch geäußert, die technischenEinzelheiten eines Springer-Schiffes in aller Ruhestudieren zu können? Bot sich hier vielleicht eineGelegenheit dazu? »Wir müssen erfahren, was dieGouverneure planen.«

Ralv winkte ab.»Die Roboter bereiten mir mehr Sorgen. Wie

sollen wir Herren unseres eigenen Planeten werden,wenn die Roboter uns daran hindern? Schon habenwir eine provisorische Regierung zusammengestelltund, sind bereit, mit der Aufbauarbeit zu beginnen,da treten neue Schwierigkeiten auf. Die Robotermüssen den Befehl erhalten haben, uns zu verjagen,wo immer sie uns sehen.«

»Wie meinst du das?« fragte John neugierig.

»Früher waren wir die Diener der Götter. Wirarbeiteten mit den Robotern zusammen und nahmenBefehle von ihnen entgegen. Heute können wir unsihnen nicht einmal mehr nähern, ohne von ihnenangegriffen zu werden. Auch dann, wenn wir keinefeindlichen Absichten haben.«

»Das müssen die Gouverneure gewesen sein. Umeine weitere Ansteckung zu vermeiden, haben sie denRobotern die Anweisung gegeben, mit denEingeborenen nicht in Berührung zu kommen. Sehrverständlich. Du siehst, Ralv, es hat alles seinenatürliche Erklärung.«

Der Rebell wollte gerade etwas entgegnen, als erunterbrochen wurde.

Auf dem einzigen Tisch des Raumes stand einkleiner Metallkasten, der plötzlich zu summenbegann. Eine rote Lampe glühte gleichzeitig auf.

John sprang auf und eilte zum Tisch. Er drückteeinige Knöpfe und sagte dann:

»Einsatzkommando Marshall.«»Rhodan hier«, kam die prompte Antwort. »Wir

landen in zehn Minuten.«Für zwei Sekunden verschlug es John die Sprache,

dann erwiderte er hastig:»Der Planet steht noch unter Kontrolle der

Springer, Sir. Die Roboterzentrale ist im Besitz derGouverneure, die ihre Kampfroboter angewiesenhaben ...«

»Wir landen, um die Kontrollzentrale lahm zulegen«, gab Rhodans ruhige Stimme zurück. »Wosind Sie mit Ihren Leuten?«

»Beim Raumhafen, am Westrand. Sie erkennendas einzelne Gebäude sehr leicht an seinem flachenDach ...«

»Schalten Sie Ihren Apparat nicht aus, dann kannich Sie nach der Landung anpeilen. Was wollen dieRoboter gegen unsere vier Schiffe unternehmen?«

»Ich wüßte nicht, was«, gab John zu und wußtezugleich, daß Rhodan niemals unnötige Risikeneinging. Sein Leben war ihm genauso lieb wie jedemanderen - vielleicht noch mehr, weil er in gewissemSinn unsterblich war. Doch schon ein Messerstichkonnte ihn töten.

»Erwarten Sie uns also«, endete RhodansBotschaft.

Ralv hatte interessiert zugehört. Er verstand die inder Sprache der ehemaligen »Götter« geführteUnterhaltung, die im Klartext aus dem Gerätgekommen war. John sah sich zu einer Erklärungveranlaßt.

»Das sind meine Freunde, wir stammen von dergleichen Welt. Sie sind gekommen, um deinenPlaneten endgültig zu befreien.«

Ralv verlor ein wenig seine Sicherheit.»Befreien? Warum sollte uns jemand ohne

selbstlose Ziele befreien? Warum habt ihr es getan?

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Ich fragte noch niemals danach.«»Rhodan wird es dir erklären«, vertröstete John

ihn. »Doch jetzt bleibt uns keine Zeit fürZukunftspläne, wir müssen handeln. In wenigenMinuten werden die restlichen Springer zu ahnenbeginnen, mit wem sie es zu tun haben - wenn siejemals von der Erde hörten.«

Acht Minuten später verdunkelte sich über demRaumhafen der Himmel, als die gigantische Kugelder STARDUST sich langsam herabsenkte und zumerstenmal den Boden von Goszuls Planet berührte.Die drei Kreuzer TERRA, SOLAR SYSTEM undCENTURIO landeten so, daß die STARDUSTzwischen ihnen lag und abgedeckt wurde.

Ein Prallfeldgleiter brachte Rhodan und Bully zudem Haus, in dem John sie erwartete. DerEnergievorhang war ausgeschaltet worden. Daskleine Gefährt landete auf dem Dach, wo Gucky sieerwartete.

»Wie geht's, Gucky?« fragte Rhodan und bücktesich, um dem Mausbiber über das Fell zu streichen.»Schwere Zeiten, was?«

»Es war wundervoll«, schüttelte Gucky zuRhodans Erstaunen den Kopf. »Wenigstens habe ichein paar Wochen lang dieses Monstrum nicht sehenbrauchen.«

Das »Monstrum« stieg gerade aus dem Boot undhörte die letzten Worte. Die roten Haarborstenrichteten sich auf, aber der Mund Bullys blieb zualler Erstaunen stumm. Gravitätisch stolzierte er anGucky vorbei, als handele es sich nicht um Gucky,sondern um irgendeinen Dorfhund, der keinerBeachtung wert war. Mit schlafwandlerischerSicherheit fand Bully auch den Abstieg zumHausinnern und war Sekunden später verschwunden.

Gucky sah maßlos enttäuscht hinter ihm her.Rhodan lachte leise und tröstete ihn:

»Nichts draus machen, Gucky. Im Grunde seinesHerzens hat er sich über deine Bemerkung geärgert,er wollte es nur nicht zugeben. Du bist ja Telepathund solltest wissen ...«

»Das ist es ja eben!« beklagte sich Gucky, immernoch fassungslos. »Er hat überhaupt nicht an michgedacht oder mich im Geiste beschimpft. Ich wareinfach nicht für ihn da!«

»Irgend etwas muß er doch gedacht haben!«vermutete Rhodan.

»Ja - immer dasselbe. Völligen Unsinn dazu.Pfannkuchen ... Schokoladenpudding ... Khraakarmein Gelee ... Hustenbonbons ...! Wer soll daraus nurschlau werden! Kein vernünftiger Mensch denkt soetwas!«

»Doch!« nickte Rhodan und schüttelte immer nochgrinsend den Kopf. »So ein Schlauberger! Er dachtediesen Unsinn, damit du nicht erfährst, was erwirklich denkt Übrigens ... was gibt's Neues?«

Gucky schaltete verblüffend schnell.»Die Kontrollzentrale für die Kampfroboter - sie

ist zwei Kilometer von hier entfernt. Wir müssen sieentweder besetzen - oder alle Roboter vernichten.Wäre schade um sie.«

»Genau meine Meinung«, stimmte Rhodan zu.»Ich erwarte dich in zehn Minuten unten beiMarshall. Bis dahin passe hier auf und haltetelepathischen Kontakt mit den Springern. Melde mirjede Veränderung der Lage.«

Er ging hinter Bully her, den er in Johns Zimmerwiedertraf. Er begrüßte die Mutanten und wurde dannRalv vorgestellt, der trotz seiner neuen Würde alskünftiges Regierungsoberhaupt plötzlich eineunerklärliche Scheu verspürte, als er in RhodansAugen blickte. Aber dann wußte er, daß er keinemEroberer, sondern einem Freund gegenüberstand.Impulsiv nahm er Rhodans Hand und drückte sie fest.

Sie hatten kaum Zeit, einige Worte zu wechseln,als Gucky mitten zwischen ihnen materialisierte.

»Die Roboter - sie marschieren!« schrillte eratemlos. »Sie werden in fünfzehn Minuten hier sein.Zweihundert Stück!«

Rhodan wurde eine Nuance blasser. Er wußte, daßallein die STARDUST diese zweihundert Roboter inwertlose Schrotthäufen verwandeln konnte, aberdiese Tatsache konnte ihn nicht beruhigen. DieGoszuls würden diese Roboter benötigen, ihre Weltaufzubauen - oder sie mußten auf die einmaligeGelegenheit verzichten, bereits vorhandenetechnische Errungenschaften in Anspruch zu nehmen.

»Die Gouverneure!« sagte John, der RhodansErschrecken falsch deutete. »Sie sind verantwortlich.Eine einzige Bombe würde genügen ...«

»Nein!« widersprach Rhodan. »Ich möchte mit denSpringern verhandeln. Aber vorher erledigen wir dieRoboter. Gucky, Tako! Ihr seid Teleporter. Springt indie Kontrollzentrale und schaltet dieImpulszentralisierungsgeräte aus. Gucky, lies meineGedanken, dann weißt du, was ich meine. Ich will dieRoboter retten. Wenn sie passiviert werden, sind sieharmlos und können später beliebig neuprogrammiert werden. Kapiert, Gucky?«

Der Mausbiber nickte.»Wir sind gleich zurück - komm, Tako! Deine

Hand!«Unentwegt an Pfannkuchen und Pudding denkend

starrte Bully Sekunden später auf die Stelle, an dereben noch Gucky gewesen war. Diesem verflixtenMausevieh wollte er doch mal zeigen, was einTelepath wert war, wenn der andere nicht wollte, daßman seine Gedanken las.

John Marshall betrachtete Bully mitschiefgehaltenem Kopf, sah Rhodan fragend an undmeinte schließlich:

»Fühlen Sie sich nicht wohl, Bully?«

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»Hä - wieso?«»Weil Sie dauernd ...«Bully verwünschte alle lebenden und noch

ungeborenen Telepathen in die Hölle. Was ging esdiesen Marshall an, woran er dachte? Er wollte eineheftige Antwort geben, als Tako materialisierte. Derschmächtige Teleporter atmete einige mal heftig ausund ein, ehe er hervorstieß:

»Kampfroboter in der Station! Sie griffen uns an.So einfach ist es doch nicht, wie wir gehofft hatten.«

»Was ist mit Gucky?«Das war Bully.»Hält die Stellung schon. Ich soll euch sagen, es

dauert mindestens drei Minuten - wenn er es schafft.«Rhodan schaltete seinen Armbandsender ein und

stellte die Verbindung mit der STARDUST her.»Fisher! Schutzschirm errichten. Wenn

Kampfroboter angreifen, nicht das Feuer eröffnen.Geben Sie identische Anweisungen an die dreiKreuzer. Ende.« Zu Tako gewandt fuhr er fort:»Helfen Sie Gucky. Hier, nehmen Sie meinenStrahler mit. Auf einen der Roboter soll es nichtankommen.«

Der Japaner nahm den Strahler und verschwand.Rhodan eilte mit den anderen auf das Dach des

Gebäudes. Von hier aus hatten sie eine vorzüglicheÜbersicht und konnten das ganze Feld übersehen, bishinüber zu dem Verwaltungsgebäude, wo sich dieGouverneure aufhielten. Etwas isoliert davon undabseits der Häuser stand die Kontrollzentrale für dieRoboter. Eine Kugelantenne sandte dieBefehlsimpulse in alle Richtungen.

In breiter Front näherten sich die Kampfrobotermit gesenkten Strahlern. Sie stellten eine fastunvorstellbare Streitmacht dar, besonders aber dann,wenn sie Amok zu laufen begännen und über dienahe Stadt herfielen. Es konnte sein, daß die Springerihnen einen entsprechenden Befehl gaben, wenn sieeinsehen mußten, daß sie gegen die vier Raumschiffemachtlos waren.

»Hoffentlich schafft Gucky es«, flüsterte Bullyneben Rhodan. Man konnte spüren, daß seine ernsteSorge nicht nur den angreifenden Robotern, sondernin erster Linie seinem Freund, dem Mausbiber galt.»Wir sollten ihm helfen.«

»Dazu ist es zu spät, Bully. Gucky muß alleinsehen, wie er mit den Maschinen fertig wird.«

Die ersten Roboter erreichten die unsichtbareGrenze der Energieglocke, die sich um die vierSchiffe gelegt hatte. Sie blieben mit einem Ruckstehen und begannen fast augenblicklich aus allenverfügbaren Waffen zu feuern. FarbigeStrahlenbündel prallten gegen die unsichtbare Mauer,flossen nach allen Seiten auseinander und glittenwirkungslos ab. Einige der Roboter wurden von ihreneigenen Energiebündeln getroffen und schalteten ihre

Schutzschirme ein.Und dann, als die Roboter begannen, die vier

Schiffe systematisch einzukreisen, um siekonzentrisch unter Beschuß zu nehmen, erstarrte dieArmee plötzlich zur Bewegungslosigkeit. Es war, alssei die Zeit einfach stehen geblieben.

Fast in der gleichen Sekunde materialisierten Takound Gucky am Rande des Daches, starrten einigeSekunden auf die unbeweglichen Kampfmaschinenund kamen dann zu der wartenden Gruppe. DerMausbiber warf Bully einen triumphierenden Blickzu und sagte zu Rhodan:

»Ich mußte die Sammelleitung zur Antennezerstören, anders war es nicht zu machen. Sie läßtsich leicht reparieren. Die Robots stehen nun ohneImpulse da und wissen nicht, was sie tun sollen. Ichnehme an, sie werden bald zu ihren Quartierenzurückkehren, um neue Anordnungen abzuwarten.Sobald die Antenne wieder klar ist, können wir sieumprogrammieren.«

»Gut gemacht, Gucky«, lobte Rhodan und legteseine Hand auf den pelzigen Kopf seine: kleinenFreundes. »Sie ebenfalls, Tako. Überhaupt darf ichdem Kommando John Marshall meinen Dank undmeine Anerkennung aussprechen. Ohne Sie hättealles länger gedauert, und wäre nicht so harmlosabgegangen.«

»Aber die Seuche ...«, begann John, wurde jedochdurch Rhodan lächelnd unterbrochen.

»Ist wie eine kleine Grippe oder die Masern. Wirhaben das Gegenserum, doch selbst dann, wenn wires nicht hätten, wäre nichts zu befürchten. Diegeflohenen Springer werden in spätestens zweiMonaten wissen, daß sie umsonst einen Planetenverschenkt haben. Aber dann wird es für sie zu spätsein, ihn zurückzuerobern. Wir treffen unsereVorbereitungen.«

»Und was ist mit den dreizehn Springern, diedrüben in ihrer Befehlszentrale sitzen und böse Pläneschmieden?« fragte Bully.

»Mit ihnen werden wir verhandeln. Es war schonlange mein Wunsch, mit den Vertretern diesesmächtigen Volkes zu reden - mir scheint, diesmalkann eine solche Unterredung unter den richtigenVorzeichen stattfinden. Ihnen fehlt der gewohnteRückhalt, den wir nun besitzen - und glaube mir,Bully, die Ergebnisse der Aussprache werdenentsprechend aussehen. Die Ausgangsposition vonVerhandlungen ist stets wichtiger, als dieVerhandlungen selbst es sind.«

Gucky schlüpfte plötzlich unter Rhodanskraulender Hand hinweg und ging zu Bully. Mit einerfast seltsam anmutenden Zärtlichkeit nahm er dieHand des völlig Überraschten in die seine und zirpte:

»Verzeih, Bully, wenn ich dich vorhin kränkte. Ichmeinte es nicht so. Und vielen Dank dafür, daß du

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jetzt nicht mehr so krampfhaft an Pfannkuchen undPudding denkst. So weiß ich wenigstens, was duwirklich denkst.«»Schon gut«, knurrte Bully gerührt und sah hinauf inden Himmel, als ob es dort etwas zu sehen gäbe.»Schon gut, alter Knabe. Wir wissen ja, was wirvoneinander zu halten haben.«»Alter Knabe?« horchte Gucky auf. »Wenn du michdamit meinst, irrst du dich aber gewaltig. Wenn ichalt bin, dann bist du ein Säugling, der noch in dieWindeln ...«Bully warf Rhodan einen flehenden Blick zu undholte tief Luft, aber Gucky ließ ihn nicht zu Wortkommen.»Ich bin nämlich erst hundertfünfzig Jahre alt, damitdu es nur weißt, du Kleinkind. Das ist aber für michkein Alter! Ich werde - Unsinn! Niemand weiß, wiealt ich wirklich werde! Du aber mit deinen vierzig.Jahren gehörst noch in den Kindergarten, besonderswenn man bedenkt, daß dein Verstand sich geradeerst zu entwickeln beginnt. Außerdem sollte dir malendlich jemand sagen, daß du ...«»Gucky!« unterbrach Rhodan sehr ruhig. »Wolltestdu nicht zu den Springern gehen und sie um eineUnterredung bitten?«Der Mausbiber nickte langsam und warf Bully einenkurzen Blick aus seinen braunen, sanften Augen zu.»Ja, das wollte ich. Aber wenn ich zurückkomme,dann werde ich diesem ... diesem ... diesem ...«

Er fand nicht das richtige Wort - und sprang.Bully starrte verträumt auf die plötzlich leere Stelle.»Er ist ja doch ein liebes Kerlchen«, murmelte erversonnen, schob die Hände in die Taschen undschlenderte zum anderen Teil des Daches, wo erangelegentlich die bewegungslose Armee derRoboter studierte.Rhodan stand neben John. Die beiden Männer sahenBully nach.»So etwas nennt man einen klugen Rückzug«, sagteder Telepath.Rhodan nickte.»Hoffen wir, daß die Springer genauso klug sind«,bemerkte er und legte die Hand vor die Augen, um zudem zwei Kilometer entfernten Gebäudehinüberzublicken, wo die dreizehn Gouverneure jetztin dieser Sekunde sicherlich vor der größtenÜberraschung ihres Lebens standen.Es ist nicht jedermanns Sache, mit einer aus demNichts entstehenden Riesenmaus konfrontiert zuwerden. Besonders dann nicht, wenn man nicht anGespenster glaubt.Und das taten die Springer keineswegs.

E N D E

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