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Die Strasse nach Andromeda

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Nr. 200Die Straße nach AndromedaSie verlassen die Galaxis - sechs flammende Sonnen weisen ihnen den Weg in dieUnendlichkeit...von K. H. Scheer

Mit dem vorangegangenen Band wurde der Zyklus DAS ZWEITE IMPERIUM abgeschlossen, der 4. Zyklusinnerhalb der Perry Rhodan-Serie, der die turbulenten und abenteuerlichen Geschehnisse der Jahre 2336 bis2339 beschrieb und mit dem Untergang von Arkon II endete.Der neue Zyklus - er trägt übrigens den Titel DIE MEISTER DER INSEL - ist vielleicht noch abenteuerlicherund grandioser als der vierte, auf jeden Fall aber weitgespannter. Er umfaßt die Bände 200 bis 299 und spieltin den Jahren 2400 bis 2408. Die Schauplätze der Handlung sind die heimatliche Milchstraße, der Leerraumund die Nachbargalaxis.Perry Rhodan und seine Getreuen beschreiten einen gefahrvollen und mühseligen Weg, den in ferner Vorzeitandere gebaut und begangen haben. Dieser Weg Ist DIE STRASSE NACH ANDROMEDA...

Die Hautpersonen des Romans:Icho Tolot - Ein „Monster“, das die Terraner aufsucht, um Abenteuer zu erleben.Orsen Coul und Heyn Borler - Die einzigen Überlebenden des Schweren Kreuzers OMARON.Perry Rhodan - Er sucht Kahalo - und entdeckt „die Straße nach Andromeda“.Atlan - Der Lordadmiral hat die Haluter in schlechter Erinnerung.Gucky - Der Mausbiber findet einen neuen Freund.Carl Rudo, Brent Huise, Jurv Sedenko. Kinser Wholey, Enrico Notami und Don Redhorse - Offiziere der CREST II.

1.

Sie schrien ununterbrochen. Sie beruhigten sichauch nicht, als Icho Tolot den Raum betrat und vorden beiden Krankenlagern stehenblieb.

Fancan Teik trug noch seinen Kampfanzug. Teikwar vor zwei Stunden von einer Drangwäschezurückgekommen. Er war müde.

Tolot sah zu dem heimgekehrten Kämpfer hinüber.Niemand würde jemals erfahren, welche AbenteuerFancan Teik gesucht und auch gefunden hatte. Übersolche Dinge schwieg man normalerweise!

Diesmal hatte sich jedoch etwas ereignet, das Teikverpflichtete, wenigstens einen Teil seiner Erlebnissezu offenbaren.

Klautos Mur verhielt sich abwartend. Nachdem erseine ärztlichen Pflichten nach bestem Wissen erfüllthatte, war er einige Schritte zurückgetreten.

Icho Tolots Haus war groß; eigentlich viel zu großfür einen jungen Mann, der im Rat der Alten zuschweigen hatte, bis man das Wort an ihn richtete.Dennoch besaß Tolot Qualitäten, über die man nichthinwegsehen konnte. Er war ein hervorragenderWissenschaftler.

Tolot beugte sich über die beiden Kranken, inderen Augen der Irrsinn flackerte. Der MedizinerKlautos Mur hatte sie in einen energetischenFesselschirm eingebettet, damit sich die Tobendennicht verletzen konnten.

Tolots tiefe Stimme klang überraschend weich.

Vorsichtig strich er dem jüngeren Mann über dieschweißverklebten Haare. Tolot versuchte durchseinen Gesang den Kranken zu beruhigen. Es gelangihm nicht.

„Eine sehr heftige Reaktion“, erklärte Mur. „Siewerden keinen Erfolg haben.“

Tolot richtete sich auf. Seine Hand glitt aus demKraftfeld zurück.

„Die körperlichen Schäden haben wir beseitigenkönnen“, fuhr der Mediziner fort. „Die Männer sindphysisch vollkommen in Ordnung. Gegen diegeistige Verwirrung bin ich machtlos. Was schlagenSie vor?“

Tolot fühlte den milden Vorwurf, der in dieserFrage lag. Er hatte darum gebeten, die Kranken inseinem Haus aufnehmen zu dürfen.

Er kontrollierte die Robotschaltung derKlimaanlage und nahm neben dem Mediziner Platz.Das Licht der roten Sonne fiel kraftlos durch dieDeckenfenster. Fancan Teik bemerkte Tolotsauffordernden Blick. Es wurde Zeit, die Hintergründeder Angelegenheit zu erläutern.

Teik griff in eine Außentasche seinesKampfanzuges und zog zwei Klarsichthüllen hervor.

„Das sind die Legitimationen der beiden Männer“,erklärte er übergangslos. „Es handelt sich umLeutnant Orsen Coul, Terraner, und um den KanonierHeyn Borler, ebenfalls Terraner. Beide gehörten zurBesatzung des - terranischen Schweren KreuzersOMARON.“

„Gehörten...?“ warf Tolot ein.

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„Das Schiff ist mit neunundneunzigprozentigerSicherheit vernichtet worden.“

„Durch eine Kampfhandlung?“„Nein. Meine Auswertung spricht dagegen. Es

scheint sich um einen Unfall gehandelt zu haben. Ichhabe die Kranken im Szonu-Sektor entdeckt. Siebefanden sich in einem Rettungsboot. Ich habe es anBord meines Schiffes geholt und mich anschließenddazu entschlossen, die Schiffbrüchigenhierherzubringen. Meine Aufgabe war ohnehinbeendet.“

Mehr zu sagen, gehörte nicht zu den Regeln. Esgenügte vollauf, wenn Fancan Teik versicherte, erhätte die beiden Terraner im Raum zwischen denSternen aufgefischt.

Tolot erhob sich und trat vor einen Bildschirmseiner Erfassungsanlage. Teiks Schiff ruhte auf demLandefeld vor Tolots Haus. Das terranischeRettungsboot war bereits ausgeschleust worden. Eindatenverarbeitender Roboter beschäftigte sich mit derAuswertung der Bordpositronik.

„Es ist unbeschädigt“, sann Icho Tolot laut. „Ichbedanke mich sehr herzlich für IhrEntgegenkommen, Fancan Teik. Sind Sie damiteinverstanden, daß ich die Geretteten zum nächstenterranischen Stützpunkt bringe?“

Teik lachte. Es war ein dumpfes, grollendesLachen.

„Sie werden wohl gehen müssen, Tolot. Ich bineinverstanden. Werden Sie sich in der Zentraleabmelden?“

Der Mediziner hielt den Atem an. Fasziniert sah erzu dem jungen Mann hinüber.

Icho Tolots Augen erglühten in einem innerenFeuer. Seine Gestalt verdeckte einen Teil desBildschirmes.

„Wahrscheinlich. Ich bin an Terra starkinteressiert.“

Fancan lachte erneut, diesmal aber leiser undherzlicher.

„Lassen Sie sich nur nicht dazu verleiten, diesensympathischsten Emporkömmlingen der galaktischenGeschichte zu hilfreich unter die Arme zu greifen.Sie müssen ihre Probleme allein meistern.“

Der Mediziner lachte ebenfalls. Er war alt undverbraucht. Trotzdem fühlte er in diesem Augenblickden Wunsch in sich aufsteigen, seine Heimatwelt zuverlassen, um in den unergründlichen Tiefen des Allsder charakteristischen Abenteuerlust seines Volkesnachzugehen.

Je intensiver er Icho Tolot betrachtete, seinengigantischen Körper mit sachverständigen Blickenmaß und die Chancen des jungen Wissenschaftlersabwog, um so mehr fühlte er sein Blut wallen.

Auf dem Planeten Halut, der einzigen Welt derschwachen, roten Sonne Haluta, sagte man zu

derartigen Gefühlswallungen „Drangwäsche“. Es warein Ausdruck, der für die Mentalität der Haluterbezeichnend war.

Sie, die ehemaligen Beherrscher der Galaxis,unschlagbar durch ihre Wissenschaft und ihreTitanenkörper, hatten schon vor fünfzigtausendJahren freiwillig auf alle Machtansprüche verzichtet.

Kein anderes Lebewesen der Milchstraße hattejemals erfahren, wo der Planet Halut zu suchen war.Niemand hatte Halut gesehen, und keine Intelligenzahnte, woher die gelegentlich auftauchendenFremden stammten, was sie bezweckten und warumsie immer wieder einmal mit ungeheurer Vitalität indie Geschicke einzelner Völker eingriffen.

Auf der großen und alten Sauerstoffwelt Halutlebten nur noch hunderttausend Wesen von TolotsArt. Man hatte sich zurückgezogen; man war reifgenug geworden um zu erkennen, daß der Drang derfrühen Vorfahren nach Ausdehnung und Eroberungunerwünschte Unruhe in das Dasein brachte.

Auf Halut war man zu der Auffassung gelangt,jeden Haluter nach eigenem Ermessen leben zulassen. Man war friedfertig geworden, weise undzurückhaltend - bis auf eine bestimmte Ausnahme!

Fancan Teik war ein Beispiel für die fastkrankhafte Lust eines Haluters, hier und da die stilleHeimatwelt zu verlassen, um draußen nach demVorbild der Ahnen zu leben. Nie hatte die Galaxisstärkere und machtvollere Intelligenzenhervorgebracht als die eingeschlechtlichen Wesenvon Halut.

Der biologische Metabolismus ihrer Körper - ihreFähigkeit, jede einzelne Zelle geistig zu beherrschen,sie zu verwandeln und somit aus dem pulsierendenOrganismus ein stählernes Geschoß zu machen -prädestinierte die Bewohner von Halut für denKampf.

Wo sie auftauchten, verbreiteten sie Panik undSchrecken - wenigstens so lange, bis andereLebewesen erkannten, daß ein monströses Äußeresnicht unbedingt auf ein Monster schließen läßt.

Der Mediziner erhob sich. Schwerfällig tappte erzu Tolot hinüber und legte ihm die Hand seinesrechten Greifarms auf die Schulter.

„Ich beneide Sie. Wann wollen Sie gehen? WürdenSie einem alten Mann erlauben, Ihnen bei derZusammenstellung Ihrer Ausrüstung behilflich zusein? Bitte - ich weiß, wie unbillig mein Verlangenist; aber wenn die Lebenszeit eines Kämpfers fastabgelaufen ist, dann...!“

„Ich verstehe Sie vollkommen“ unterbrach IchoTolot ihn. „Haben Sie meine letzte Erfahrungsstudieüber Terra gelesen?“

„Sogar studiert. Phänomenal, möchte ich sagen.Unsere Chronik berichtet vom dritten Planeten einerunbedeutenden Sonne. Wir entdeckten damals eine

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Urwelt.“„Heute finden Sie ein räumlich kleines, aber

machtvolles Sternenreich, das von den Bewohnerndieser dritten Welt beherrscht wird. Das wäre nichtaußergewöhnlich. Die Geschichte kennt vieleBeispiele vom Aufstieg und Untergang einesgalaktischen Volkes. Die Terraner unterscheiden sichvon dem Bekannten in einem wesentlichen Punkt. Siebesitzen persönlichen Mut, Opferbereitschaft undeinen unbezähmbaren Willen, das einmal Begonnenezu vollenden. Ihre kluge Politik führte zur Bildungdes sogenannten Solaren Imperiums im Zeitraum vonnur wenigen Jahrzehnten. Ich möchte mit ihnenKontakt aufnehmen. Sie reizen mich.“

„Ich bin mit einem terranischen Schlachtschiffzusammengetroffen“ warf Fancan Teik ein. Tolotdrehte sich überrascht um. Teik sah sinnend auf denKontrollschirm. Sein drittes Auge hatte er etwasausgefahren.

„Die Besatzung war auf einer Welt gelandet, fürdie ich mich ebenfalls interessierte. Ich riskierte einSpiel und ließ mich jagen. Sie wurden gefährlicher,als ich angenommen hatte. Parapsychische Waffensind ebenfalls eingesetzt worden. Sprachen Sie nichteinmal von einem Mutantenkorps?“

„In einer lange zurückliegenden Studie“, bestätigteIcho Tolot.

Fancan Teik bewegte bestätigend die Hände seinerSprungarme.

„Ganz recht. Ich habe versucht, dieAufstiegschancen der Menschen zu berechnen. AlsGrunddaten verwendete ich dieBeobachtungsergebnisse die ich während der Jagdsammeln konnte.“

„Und...?“„Erstaunlich, Icho Tolot! Dieses Volk erscheint

nur klein und schwach. Terraner besitzen natürlichnicht unsere körperlichen Fähigkeiten. Ihrephysischen Einsatzwaffen sind gering, aber imVerhältnis zu den Eigenschaften andererGalakto-Völker sind sie Giganten. Ich schätze, daßwir von dem Solaren Imperium noch allerlei hörenwerden. Das alte Arkonidenreich liegt am Boden. DieBluesfront ist in turbulenter Bewegung. SämtlicheArkonidenabkömmlinge haben einträchtig gegenTerra Stellung bezogen. DieserGroßadministrator...!“

„Perry Rhodan...?“„Richtig. Ich bin ihm begegnet. Er sucht eine Welt

namens Kahalo. Sie kennen denPyramidenplaneten?“

„Sehr gut sogar...“„Ich war dort. Zu meiner Überraschung - fast

möchte ich Bestürzung sagen - habe ich die Spurenvon ausgedehnten Kampfhandlungen entdeckt.Terraner waren vor mir gelandet, jedoch scheinen sie

die Koordinaten des Planeten wieder verloren zuhaben. Wenn Sie einen Begleiter benötigen, ich stehezu Ihrer Verfügung.“

Icho Tolot erhob seine beiden kurzen Sprungarme.Sie saßen in gleicher Höhe wie die wesentlichlängeren Handlungsarme, waren jedoch mehr zurMitte der gigantischen Brust angeordnet.

„Ich danke vielmals. Es wird genügen, wenn ichallein gehe. Meine letzten Ermittlungen beweisenebenfalls, daß die Terraner Kahalo suchen. Sie habeneine neue Stützpunktwelt im Zentrum der Galaxisausgebaut. Opposite ist der Name.“

„Haben Sie die Koordinaten?“ erkundigte sich derArzt erregt.

„Ja. Ich bin sehr neugierig, wie man meinErscheinen auffassen wird.“

*

Fancan Teik ging. Minuten später hob sein Schiffab. Es verschwand hinter den flachen, abgetragenenBergen des westlichen Horizontes.

Halut war alt - uralt. Dieser Planet hatte bereitsseine Entwicklungsepoche abgeschlossen, als dieersten halutischen Schlachtflotten in den Raum gerastwaren. Es war lange her Jetzt flogen nur noch diekleinen Spezialraumer jener Haluter ab, die im Banneihrer Drangwäsche die Heimat verlassen mußten, umdraußen für einige Zeit wie die Ahnen zu leben.

Icho Tolot begann mit seiner Rüstung. Der alteMediziner half. Die beiden geretteten Terranerschrien immer noch. Sie berichteten von flammendenLichtern und rätselhaften Gewalten, die über siehereingebrochen waren.

Tolot registrierte die Aussagen im Speichersektorseines Planhirns. Es lag in der oberen Hälfte seineshalbkugeligen Schädels und wurde durch eineKnochenplatte vom Ordinärgehirn getrennt, das fürdie motorischen Bewegungen und zur Verarbeitungder Sinneseindrücke zuständig war.

Ichos Planhirn rechnete exakter, schneller undschöpferischer als eine hochwertige Positronik.

Tolot verarbeitete die Daten, die er aus demGestammel der Kranken entnehmen konnte.Schließlich kam er zu dem gleichen Schluß wieFancan Teik. Der Schwere Kreuzer OMARONexistierte nicht mehr. Die beiden Terraner warendurch einen Zufall dem Unheil entgangen.

Tolot richtete sich zur vollen Größe auf. In dieserHaltung maß er 3,50 Meter. Seine Schulterbreitebetrug 2,50 Meter, sein Gewicht 39,8 Zentner untereiner Schwerkrafteinwirkung von einem Gravo.

Langsam, fast schwerfällig wirkend, schritt er aufseinen relativ kurzen Säulenbeinen dem Ausgang zu.Die schwarze, lederartige Haut seines Körpersabsorbierte das Licht der Sonne Haluta.

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Klautos Mur wartete vor der für der Rüstkammer.Tolot verneigte sich vor den verschlungenenSymbolen, die seine Vorfahren auf dem stählernenSchott hatten einprägen lassen.

Während er die uralten Worte der Zeremoniesprach, legte er seine Kleidungsstücke ab. Mur regtesich nicht. Es stand ihm nicht zu, die Zwiesprache zustören.

Er trat erst vor, als Tolot sagte:„Ich bin bereit, es sei. Ich gehe.“Das Schott schwang auf. Die Robot-Automatik

tastete die Individualschwingungen des Haluters ab.Das Freizeichen kam. Die eingebauten Waffenwurden in die Stollenwände eingefahren.

Tolot schritt in die Rüstkammer hinein. Er wählteeine Kampfkombination, die dreißigtausend Jahrezuvor hergestellt worden war. Es war eine guteKombination mit eingebautem Molekülwandler, derdas Material in eine stahlfeste Rüstung verwandelnkonnte.

Die Einkleidung dauerte drei Stunden. Draußenwurde es dunkel. Der flammend rote Ball Halutatauchte hinter den Bergen unter. Tolot achtete nichtdarauf.

Er schloß die Kombination und überprüfte denMikro-Materiewandler, der aus beliebigenGrundstoffen atembare Gasgemische oder trinkbareFlüssigkeiten aufbereiten konnte.

Klautos Mur streifte dem Kämpfer die breitenSchultergurte über, an denen der Waffen- undAllzweckgürtel hing.

Nur noch Ichos Kopf ragte aus dem dunkelgrünenMaterial des Kampfanzuges hervor. Es war einmächtiger, voluminöser Schädel, der anscheinendhalslos auf den ausladenden Schultern ruhte.

Er hatte die Form einer Halbkugel, war haarlosund enthielt drei Augen. Zwei davon befanden sichdort, wo man bei einem Menschen die Schläfengesucht hätte. Hinter ihnen waren die verschließbarenÖffnungen erkennbar.

Das dritte Auge saß in Stirnhöhe auf der Frontseitedes Schädels. Haluter waren ihren Feinden schondeshalb überlegen, weil sie über einen enormenBlickwinkel verfügten und außerdeminfrarotempfindlich waren.

Weder Klautos Mur noch Icho Tolot sprachen beider Zeremonie des Ankleidens. Alles geschah inbedrückender Stille. Nur die Roboter derRüstkammer verursachten gelegentlich ein Geräusch.

Abschließend wählte Tolot seine Waffe. Es warein Dreifach-Kombinationsstrahler, größer schwererund wirkungsvoller als eine terranischeRoboterkanone, wie sie nur von mächtigenKampfmaschinen gehandhabt werden konnte.

Icho brauchte dreißig Minuten, bis er die Waffeüberprüft hatte, der Schießstand lag nebenan.

Nacheinander erprobte er den thermischenImpulsstrahl, den materieauflösenden Desintegratorund schließlich den Kern-Fernzünder, mit dem jedeMaterie zum Atomzerfall gezwungen werden konnte.

Zahllose andere Ausrüstungsgegenstände folgten.Als Tolot fertig war und die Rüstkammer verließhätte er eine atomar bewaffnete Armee desterranischen zwanzigsten Jahrhunderts mühelosvernichten können.

Erst, als sie den Testraum erreicht hatten, richteteMur das Wort an den jungen Haluter.

„Erproben Sie bitte die Umschaltphase IhrerHerzen.“

Tolot befolgte den Rat. Er legte durch die Kraftseines Willens das linke Herz still, schloß dieorganischen Ventilgruppen und ließ das rechte Herzanlaufen.

„Reaktion gut, keine Flattererscheinungen“, sagteer.

„Vortrefflich! Strukturumwandlung?“Tolots hochelastische Haut begann zu schimmern.

Die Molekülgruppen ordneten sich um und wurdenkristallin. Sekunden später glich der Haluter einerStatue aus bestem Terkonitstahl. DieFacettenverschlüsse seiner drei Augen hatten sich soweit verengt, daß nur noch ein Bruchteil der zwanzigZentimeter durchmessenden Augen zu sehen war.

„Gehübung, bitte!“ forderte der Arzt.Icho Tolot begann zu laufen; bei der

durchgeführten Außenumwandlung waren dieOrgane nicht betroffen worden. Tolot konnte sichnoch gut bewegen. Die Gelenkverdichtung hob sichbeim Ausschreiten etwas auf.

„Ihre Kontrolle ist ausgezeichnet.Vollverwandlung, bitte!“

Der Haluter erstarrte. Atmung und Puls setztenaus. Der Arzt nahm eine mechanische Waffe undfeuerte eine Serie von hundert panzerbrechendenGeschossen auf den reglosen Körper.

Tolot reagierte nicht. In ihm gab es fast kein Lebenmehr. Nur eine Zellballung seines Ordinärgehirnsarbeitete noch.

Als die letzten Querschläger gegen die Wandungengeprallt und zu Boden gefallen waren, gab Tolotseinem Körper die normale Bio-Struktur zurück.Klautos Mur war auch diesmal zufrieden.

Die medizinischen Untersuchungen beanspruchtenden Rest der Nacht. Der Lauftest erfolgte kurz nachSonnenaufgang.

Icho Tolot ließ den Körper nach vorn absinken undberührte mit seinen beiden kurzen Sprungarmen denBoden. Die langen Greifarme waren griffbereitausgestreckt.

Auf Anordnung des Arztes verwandelte sich derzwei Tonnen schwere Titanenkörper in einedavonschießende Rakete. Haluter konnten auf allen

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vieren eine Geschwindigkeit von; 120 Kilometernpro Stunde erreichen. Dieses Tempo hielten siemühelos fünfzehn Stunden lang durch.

Icho Tolot kehrte nach einer Laufzeit von einerStunde zurück. Seine Kreislauffunktionen waren inOrdnung.

Um die Mittagszeit wurde er aus der Obhut desArztes entlassen. Die technischen Kontrollen wurdenvon Robotern vorgenommen.

Als Tolot endlich einsatzklar war, glich er einemvierarmigen, grüngekleideten Ungeheuer mitrotleuchtenden Augen, unter denen eine kaumerkennbare Nasenöffnung und ein breiter,rachenartiger Mund saßen.

Auch die Zähne unterstrichen den monströsenEindruck. Haluter waren Vielstoff-Verwerter. IhrMetabolismus war nicht nur auf die Zuführungtierischer oder pflanzlicher Nahrung angewiesen. DasKonvertersystem ihres Verdauungstraktes, ebenfallssteuerbar durch die Kraft des Willens, nahm mitjedem denkbaren Grundstoff vorlieb.

Den letzten Test unternahm Tolot nach eigenemErmessen. Er suchte seine Vakuumkammer auf,schaltete die Temperaturregelung auf Minus 185Grad Celsius und ließ den faltbaren Helm in dieHalskrause des Spezialanzuges zurückgleiten.

Fünf Stunden lang lebte Icho von dem Sauerstoff,der in seinem organischen Konvertersystem ausvorher aufgenommenem Felsgeröll erzeugt wurde.Eine Minimalverdichtung seiner Haut verhinderteeine Druckausdehnung seines Körpers. DieEigenwärme wurde hundertprozentig im Körpergespeichert.

Bei Anbruch der zweiten Nacht war Icho Tolotstartklar. Sein Raumschiff tauchte über den Bergenauf und landete auf dem weiten Gelände vor seinemHaus. Außer ihm war niemand da.

Haluter, die dem Ruf ihres wilden Blutes folgtenund zur Drangwäsche auszogen, wurden niemalsoffiziell verabschiedet.

Tolot nahm die beiden kranken Terraner auf seineTitanenarme und trug sie vorsichtig zu seinem Schiffhinüber. Es war ein kleines, diskusförmiges Fahrzeugmit Maschinen, wie sie noch keines Menschen Augeerblickt hatte.

Behutsam bettete er die Menschen auf einSchwebefeld und legte einen hochelastischenFesselschirm über sie. Sie konnten sich begrenztbewegen. Sie schrien immer noch. Klautos Mur hattees nicht gewagt, den Männern ein Beruhigungsmittelzu geben.

Tolot suchte die Zentrale auf. Von hier aus rief erdie Wesen seines Volkes an. Er wußte, daß sie alle anden Bildschirmen ihrer Geräte saßen und ihnbeobachteten. Der Aufbruch eines Kämpfers gehörtezu den erregendsten Ereignissen auf Halut.

„Ich gehe“, sprach Icho Tolot die vorgeschriebeneFormel. „Ich gehe um zu suchen. Ich werde finden.“

Die Antwort erfolgte in der Form einer atomarenLichterkette, die im Raum aufflammte und dasFunkeln der Sterne überstrahlte. Icho Tolot atmeterascher.

Sein Start erfolgte gegen Mitternacht. Als er denRaum erreicht hatte und die Automatik mit derZielberechnung begann, setzte der Haluter denvorbereiteten Funkspruch ab.

Die Sonne Haluta stand fast genau im Zentrum derMilchstraße, 51321 Lichtjahre von Terra entfernt.Zwischen Tolots Ziel, dem StützpunktplanetenOpposite, und Halut lagen jedoch nur 2414Lichtjahre.

Niemand bestätigte den Empfang des Funkspruchs.Tolot hatte es nicht anders erwartet.

Er lachte vor sich hin. Dabei öffnete sich seinrachenartiger Mund, und die Mahlzähne wurdenerkennbar. Er benötigte sie zum Zerkleinern seinerMaterienahrung.

Als das Schiff in den Zwischenraum vordrang undmit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit auf seinZiel zuraste, ging Icho Tolot zu den Gerettetenhinüber.

Sie waren etwas ruhiger geworden, jedoch erfaßtensie nicht, wo sie sich befanden.

„Eure Wissenschaftler werden euch helfen, meineKleinen“ flüsterte der Gigant. Behutsam wischte erden Schweiß von Leutnant Couls Stirn.

Tolot, eingeschlechtlich wie alle Haluter, fühlteMutterinstinkte in sich aufsteigen. Als er jedoch andie überraschende Kampfkraft der Terraner dachte,wandelte sich das Gefühl der Zärtlichkeit zum Stolzdes Vaters. Wieder lachte der Gigant diesmal aberlauter und kräftiger. Er fuhr in seinem Selbstgesprächfort:

„Deine Leute werden mich für ein Ungeheuerhalten, mein kleiner. Fancan Teik hat nicht direktgewarnt, aber seine Hinweise verrieten mir alles. WirHaluter schätzen persönlichen Mut, Opferbereitschaftund planvolles Denken. Aber noch mehr lieben wirden Scherz und das Spiel mit den Gewalten derNatur. Ihr Terraner habt Sinn für Humor oder es wäreeuch nicht gelungen, trotz eurer anfänglichenSchwäche die größten und mächtigsten Völker derGalaxis zu übertölpeln. Ihr habt viel gewagt, und ihrhabt gewonnen. Niemals zuvor ist auf Halut so vielund so herzlich gelacht worden, als während der Zeiteurer Expansion in die Tiefen der Milchstraße. Wirhaben euch beobachtet und gespannt auf eurennächsten Schachzug gewartet. Ihr habt Abwechslungin unsere Einsamkeit gebracht. Jetzt ist es an der Zeit,in das Spiel einzugreifen. Ihr habt Großes vor -Dinge, die selbst wir nicht gewagt haben. Wie langist die Straße nach Andromeda?“

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Leutnant Coul begann wieder zu schreien.Verzweifelt lehnte er sich gegen die energetischenFesseln auf. Icho Tolot beobachtete ihn besorgt.Dann ging er leise aus dem Raum.

Die Automatik würde in wenigen Minuten zumEintauchmanöver ansetzen.

2.

Man schrieb den 15. August 2400, Standardzeit.Der dritte Planet der grünen Sonne Whilor, 48333Lichtjahre von der Erde entfernt, schien unter demStartgetöse eines Schlachtschiffverbandes der USObersten zu wollen.

Die Giganten erhoben sich vom neuenGroßraumhafen nahe dem planetarischen Südpol, woerst wenige Jahre zuvor der wichtigste Stützpunkt desSolaren Imperiums entstanden war. Wichtig deshalb,weil die Whilorgruppe zu jenen Sonnensystemengehörte, die nahe genug am galaktischen Zentrumstanden, um den Kampf- und Forschungsverbändendes Imperiums als Basis dienen zu können.

Noch wichtiger als diese günstige Konstellationwar die Tatsache, daß der Großadministrator seineBesitzansprüche einwandfrei nachweisen konnte. Derdritte Whilorplanet hatte schon immer zum Imperiumgehört. Er war von Menschen entdeckt und besiedeltworden. Es spielte dabei keine Rolle, daß dieseMenschen Kolonialterraner vom Volke der Plophosergewesen waren. Noch weniger störte sich PerryRhodan an den Vorhaltungen anderer galaktischerMachtgruppen, der dritte Planet sei den Plophoserngewaltsam abgerungen worden.

Vor einundsiebzig Jahren hatte auf Opposite, wieman diese Welt genannt hatte, lediglich eine geheimeForschungsstation des Obmanns Iratio Hondroexistiert.

Beim Freiheitskampf des plophosischen Volkesgegen den verhaßten Diktator war ein terranischerFlottenverband unter Rhodans und Atlans Führungauf Opposite gelandet. Iratio Hondro war auf derfremden Welt gefallen.

Zu dieser Zeit hatten die Besitzansprüche desSolaren Imperiums aber schon festgelegen. MoryAbro hatte vor einundsiebzig Jahren dieStaatsgeschäfte auf Plophos übernommen.Anschließend war sie Rhodans Gattin geworden. Eswar daher nicht verwunderlich, daß Rhodan und dieGalaktische Abwehr unter keinen Umständen bereitwaren, diesen so günstig gelegenen Stützpunktaufzugeben.

Rhodans Ziel, die terranische Einheit zustabilisieren und die Menschheit zu stärken, hatte nurdurch eine Konzentration aller Kräfte auf die eigenenInteressengebiete verwirklicht werden können.

Schon wenige Jahre nach dem Sturz des Obmanns

von Plophos war es zu der erwünschten Einheitgekommen. Neue Systeme waren besiedelt worden.Die Sternhaufen der Plejaden und Praesepe, beide nurfünfhundert Lichtjahre von Terra entfernt, hatten sichdazu angeboten.

Es war Rhodans Plan gewesen, ein konzentrischesBallungsgebiet aufzubauen, in dem kein Stern weiterals dreitausend Lichtjahre von der Heimatweltentfernt stehen sollte.

Planeten dieser „Außenringgattung“ dientenohnehin nur als dünnbesiedelte Stützpunkte für Flotteund Handel. Die eigentlichen Auswanderungswelten,die von Menschen voll in Besitz genommen wordenwaren, waren durchschnittlich nur bis zu achthundertLichtjahre von Terra getrennt.

Durch diese Taktik war ein Imperium entstanden,das trotz seiner geringen räumlichen Ausdehnungeine schlagkräftige Packungsdichte an Menschen,Großindustrie, Flottenhäfen und Handelszentrenbesaß.

An diesem 15. August 2400, nur einundsiebzigJahre nach dem Zerfall des ehemaligen VereintenImperiums und der Galaktischen Allianz, verfügteTerra über 1112 voll übernommene Planeten ininsgesamt 1017 Sonnensystemen.

Dazu zählten noch weitere 1220 Welten derAußenringgattung. Sie wurden ausschließlich alszumeist geheime Abwehrstationen undNachschubbasen verwendet.

Die Heimatwelt Terra, Sitz der Solaren Regierungund Lebenskeim des Sternenreiches, besaß eineBevölkerung von sieben Milliarden Einwohnern. DieAuswanderung zu neuentdeckten oder noch nicht vollerschlossenen Planeten wurde vom Staat mit allenMitteln gefördert.

Nachdem der Großadministrator den Entschlußgefaßt hatte, die Eroberung der Galaxis mit Hilfezahlreicher Fremdvölker, unter ihnen vordringlich dieArkoniden, aufzugeben und nur noch die eigenenBelange vorrangig zu behandeln, war das SolareImperium aufgeblüht.

Die internen Eifersüchteleien und Machtkämpfeunter den terranischen Kolonialadministratorenwaren beigelegt worden. Bei Anbruch des Jahres2400 konnte niemand mehr daran zweifeln, daß Terrazu einem gigantischen Machtblock geworden war,mit dem die Völker der Galaxis zu rechnen hatten.

Nach der Vernichtung von Arkon III hatte sich dasalte Arkonidenreich im Verlauf der letzten siebzigJahre in mehr als tausend Interessenverbändeaufgesplittert. Ehemalige Gouverneure hatten ihreBesitzansprüche geltend gemacht.

Die Akonen, fraglos die Stammväter derArkoniden, bemühten sich mit allen Mitteln, dieArkonidenkolonien zu übernehmen.

Springer, Aras, Antis und etwa zweitausend andere

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Völker, die aus dem Arkonidenstammhervorgegangen, im Verlauf der Jahrtausende jedochmutiert waren, versuchten zu retten, was noch zuretten war.

Östlich des galaktischen Zentrums derberüchtigten „Eastside“, tobten die Schlachtenzwischen den Völkerfamilien der Blues mitunverminderter Härte.

Die Lebewesen waren erwacht, nachdem Rhodandie Vorherrschaft der Gataser zerschlagen und diefliegenden Molkexfestungen vernichtet hatte.

Das Großraumgebiet der Milchstraße war zu einemgefährlichen Dschungel zwischen den Sternengeworden. Es war eine Kunst für sich, die zahllosenHilferufe Bedrängter und die ebenso zahllosenDrohungen angeblich Mächtiger miteinander zukoordinieren, dabei keinen Fußbreit an eigenemBoden aufzugeben und die Interessen der Menschheitzu wahren.

Seit siebzig Jahren hatten terranische Kreuzer undschwere Verbände nicht mehr in die Ereignisseeingegriffen. Das Solare Imperium hatte in aller Ruheweiterhin aufbauen können.

Wenn es jedoch erforderlich gewesen war, bereitsgeplante Anschläge auf terranische Kolonialwelten,Stützpunkte und befreundete Handelsplaneten zuverhindern, hatte Terra hart zugeschlagen.

Die Giganten der Imperiumsklasse, flankiert undgeschützt von schnellen Kreuzern- undSchlachtkreuzerverbänden, waren überraschendaufgetaucht. Sie hatten bewiesen, daß es unklug war,das Solare Imperium zu unterschätzen.

Mehr als ein atomarer Glutorkan war aus denüberschweren Impulskanonen der Schlachtriesenhervorgebrochen. Die Fragmentraumschiffe derPosbis, die kompromißlos als wirkliche Freunde zuTerra standen, hatten noch verheerender eingegriffen.Die Gigasalven aus ihren Transformgeschützenhatten akonische Angriffsverbände aufgerieben.

Trotz dieser Erfolge stand es für Perry Rhodanfest, daß es an der Zeit war, die Bewaffnung dersolaren Schiffe zu verbessern.

Besonders die technisch befähigten Blues hattenneuerdings Konstruktionen vorgeführt, die denterranischen Schiffen nur noch hinsichtlich derTransformbewaffnung und der schiffsbautechnischenQualität unterlegen waren. Die Menschheit war vorneunzehn Jahren auf die Suche nach dem sagenhaftenPlaneten Kahalo gegangen, auf dem Rhodan, Atlan,Mory Abro und einige andere Personen die Überresteeiner unglaublichen Kultur entdeckt hatten.

Kahalos Wissenschaft konnte ausschlaggebend fürdie weitere Entwicklung der Menschheit sein.

Seit zehn Jahren existierte der neue Stützpunkt aufOpposite. Wenn Kahalo irgendwo zu finden wardann nur im Zentrum der Galaxis. Mit dieser

Erkenntnis hatte die Suche im Sternenmeerbegonnen. Bisher war sie erfolglos verlaufen, obwohlsich Rhodan nicht gescheut hatte, etwa zehntausendRaumschiffe aller Klassen einzusetzen.

Dann war vor acht Wochen das erste Schiffverschollen; wenig später das zweite und dritte.

Vor vier Tagen hatte man einen verzweifeltenNotruf des Schweren Kreuzers OMARON auffangenkönnen. Die Ermittlungen wiesen auf, daß alle vierSchiffe im gleichen Sektor der Zentrumsballungverschwunden waren.

Solarmarschall Allan D. Mercant, Aktivatorträgerund Chef der Galaktischen Abwehr, rechnete miteinem Großangriff auf Opposite.

Atlan, Regierender Lordadmiral undOberbefehlshaber der USO, glaubte eher an eineSerie von Attentaten, die von Unbekannten sogeschickt arrangiert wurden, daß sie wie Unfälleaussahen.

Perry Rhodan, Begründer der terranischen Macht,ehemaliger Risikopilot der US-Space-Force underster Bezwinger des Mondes, hielt mit seinerMeinung zurück. Dennoch hatte er elf Flotten nachOpposite verlegt. Atlan hatte die Machtkonzentrationdurch drei überlichtschnelle Trägergeschwader nochverstärkt.

Eine Posbiflotte stand feuerklar tief im Raum. Eswürde nicht einfach sein, die terranischenBesitzansprüche auf Opposite durch Waffengewaltzu beseitigen, zumal die solaren Einsatzverbändeunter Staatsmarschall Reginald Bull an den Grenzendes Imperiums stationiert waren und auf denAlarmruf warteten.

Die Menschheit war bereit, einen Friedensbruchmit dem härtesten Feuerschlag zu beantworten, dendie galaktischen Völker seit mindestenszwanzigtausend Jahren erlebt hatten.

Was vorher geschehen war, konnte aus keinerChronik ermittelt werden. Unter Umständen hatte esschon lange vor der arkonidischen EroberungszeitVölker gegeben, gegen deren Macht das Aufgebotder Menschheit gering war.

Zur Zeit schien es aber, als hätten die Gegner desImperiums nicht sehr viel aufzubieten. Wenn es denAkonen, die maßgeblich an den Unruhen beteiligtwaren, gelungen wäre, die zahllosen streitendenParteien auszurichten und eine gemeinsame Front zubilden, wäre Terra rettungslos verloren gewesen.

Es war daher Allan D. Mercants Aufgabe, mitHilfe seines galaktischen Geheimdienstes und dessagenhaften Mutantenkorps dafür zu sorgen, daßdiese Einheit nicht zustande kam.

Bisher war es gelungen. Der Mensch hatte nureinen ernst zu nehmenden Gegner - den Menschenselbst! Dies ging aus der neueren Geschichte hervor.Die Revolte von Plophos war noch nicht vergessen.

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Zu diesem Zeitpunkt empfing die galaktischeGroßfunkstation von Opposite eine Nachricht, derenInhalt so seltsam war, daß der Diensthabendeaugenblicklich Vollalarm gegeben hatte.

Als Folge davon war ein Abfang-Verband derUSO in den grünen Himmel des Wüstenplanetengerast. Weitere zweitausend Schiffe standen mitlaufenden Triebwerken auf den Pisten desHafengeländes.

Die Abwehrforts hatten ihre Geschützeausgefahren. Niemand wußte genau, was zwischenden Sternen geschah.

*

„Kennen Sie jemand namens Icho Tolot?“erkundigte sich Rhodan.

Allan D. Mercant schüttelte den Kopf. DerKunststoffstreifen mit dem Wortlaut des Funkspruchslag auf dem Tisch des Konferenzzimmers.

Außer Rhodan und dem Abwehrchef waren nochMory Rhodan-Abro, Lordadmiral Atlan, derMausbiber Gucky und der Mutant Ralf Martenzugegen.

Die Befehlshaber der Flottenverbände hattenbereits ihre Flaggschiffe aufgesucht.

„Eingegangen im Klartext - seltsam!“ sprach Perrysinnend vor sich hin. „Hat man den Senderannähernd einpeilen können?“

Mercant verneinte erneut. Mory griff nach demStreifen und las den Wortlaut nochmals durch.

„Leutnant Orsen Coul und Kanonier Heyn Borleraufgenommen. Zustand besorgniserregend. BereitenSie klinische Hilfe vor. Erbitte Landeerlaubnis.Eintreffen über Opposite eine Stunde Terrazeit nachAbgang Spruch. Achten Sie auf Diskusboot. gez.Icho Tolot.“

Rhodan sah zu seiner Frau hinüber. Ein Lächelnstahl sich auf seine Lippen, als er ihre gerunzelteStirn bemerkte. Mory war immer noch die stolze,kühle Schönheit wie vor einundsiebzig Jahren. DasErbe des Obmanns, ein Zellaktivator, hatte MorysAlterungsprozeß aufgehalten.

Nachdenklich legte sie den Streifen zurück.„Das klingt aber gerade nicht nach einer Offensive

Allan. Sie hören wieder einmal die Fliegen husten.“Gucky kicherte. Für den Bruchteil einer Sekunde

wagte er es, mit seinen telepathischen Gaben nachMorys Bewußtseinsinhalt zu tasten. Tatsächlich - siestellte sich hustende Fliegen vor! Gucky kichertestärker.

„Ruhe!“ knurrte Ralf Marten, der Teleoptiker desKorps.

Atlan packte den nur einen Meter großenMausbiber und zog ihn auf seinen Schoß. Dabeiflüsterte er Gucky zu:

„Man spioniert nicht im Gehirn einer Dame herum,klar?“

„Hast du etwas gemerkt?“ erkundigte sich derKleine erschreckt.

Der ehemalige Arkonidenimperator hüstelte.Rhodan wartete beunruhigt auf MercantsEntgegnung.

Der kleine, unscheinbar wirkende Mann, dessenwahre Größe nur wenige Menschen: kannten, machteeine abwehrende Handbewegung.

„Madam - harmlos klingende Nachrichtenerzeugen in mir seit etwa dreihundert Jahrenunangenehme Vorstellungen, Wer ist Icho Tolot?Wer garantiert mir dafür, daß dieses Diskusboot nichteine fliegende Bombe ist? Ich bitte dringend darum,das Schiff noch im Raum anzuhalten unduntersuchen zu dürfen.“

„Abgelehnt“, erklärte Rhodan.Mercant war fassungslos.„Aber Sir, Sie kennen doch die Schliche der

Akonen. Wenn Sie der Auffassung sind, dienamentliche Erwähnung von zwei,Besatzungsmitgliedern der OMARON wäre einBeweis für die Aufrichtigkeit dieses Icho Tolot, somuß ich doch zu bedenken geben, wiedurchsichtig...!“

„Eben, Allan, eben.“„Wie bitte?“„Ich sagte eben! Kein Akone käme auf die Idee, so

durchsichtig zu handeln. Ein wesentlichesMentalitätsmerkmal dieser Leute besteht darin, allesso kompliziert wie möglich zu machen. Das Einfacheschätzt man nicht. Da niemand aus seiner Hautschlüpfen kann, wie man auf Terra so treffend sagt,halte ich den Funkspruch für harmlos. Jemand, dersich Icho Tolot nennt, hat zwei Männer derverschollenen OMARON aufgenommen. Wir solltendem Mann die Hand drücken.“

„Wenn er eine hat“, piepste der Mausbiber.Atlan lachte.„Sehr richtig. Unser kleiner Freund hat ein wahres

Wort gesprochen. Wenn er eine hat! Nach einersiebzigjährigen Erfolgsserie im galaktischen Spielfällst du in deinen alten Fehler zurück, Terraner! Duglaubst den Leuten zuviel.“

„Ich bemühe mich um Toleranz undAufrichtigkeit. Ich schätze es nicht, bei jederGelegenheit auf die Feuerorgel einesSuperschlachtschiffes zu drücken. Mory - was hältstdu von der Sache?“

Die Plophoserin schüttelte mit einer typischenKopfbewegung ihre rotblonde Haarmähne zurück.

„Laßt ihn landen. Ich möchte wissen, woher er dieNamen der beiden Besatzungsmitglieder kennt.“

„Erkennungsmarken oder Legitimationen,Madam“, entgegnete Mercant trocken.

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„Sie sind heute ausgesprochen widerlich, Allan.“Ehe der Abwehrchef etwas entgegnen konnte,

betrat Admiral Hagehet den Raum. Onton Hagehetwar Plophoser und seit mehreren Jahren militärischerChef des vorgeschobenen Stützpunktes Opposite.

Er grüßte und nahm die Mütze ab.„Ortung, Sir“, erklärte er in seiner

kurzangebundenen Art. Sein Kahlkopf schimmerteim einfallenden Sonnenlicht. „Das Fahrzeug, das indem Spruch als Boot bezeichnet wird, ist für meineBegriffe ein Leichter Kreuzer. Diskusform, Polachseetwa fünfzig Meter. Der Kahn kann schätzungsweiseeintausend Bomben pro fünfhundert Gigatonnen anBord haben, genug, um Opposite in Stücke zu reißen.Lassen Sie es darauf ankommen?“

„Holen Sie das Schiff herunter“, forderte Mercantbeschwörend.

Rhodan stand auf. Er antwortete erst, als er fast dieTür erreicht hatte.

„Gucky, du solltest zur Ortungszentralehinaufgehen und versuchen, die Individualimpulseder Besatzung festzustellen. Atlan, kommst du mitzum Landefeld?“

Der Arkonide erhob sich. Er trug die Uniform derUSO.

„Worauf du dich verlassen kannst.“Der Mausbiber seufzte, konzentrierte sich und

verschwand in einer flimmerndenLeuchterscheinung. Atlan zuckte zusammen. Erwürde sich nie an die unbegreiflicheTeleportationsgabe des Mausbibers gewöhnenkönnen.

Vor dem Verwaltungsgebäude war eine FormationKampfroboter aufgezogen. Der kommandierendeOffizier grüßte.

„Begleitschutz, Sir“, erklärte er.„Wer hat das angeordnet?“„Die Abwehr, Sir.“„Mißtrauischer Haufen“, murmelte Rhodan vor

sich hin. Zusammen mit Atlan bestieg er denPrallfeldschweber. Mory Rhodan-Abro startete aufdem Landedach mit ihrem Luftgleiter. Rhodan warfder davonhuschenden Maschine einen Blick nach.Atlan grinste.

„Sieh da, alter Freund! Deine liebe Frau hatstillschweigend darüber hinweggesehen, daß du sienicht zum Mitkommen aufgefordert hast. Was denkstdu wohl, wer von uns zuerst an der Landestelle ist?“

Rhodan fuhr sich mit dem Handrücken über dieLippen. Der Fahrer, ein Plophoser aus der Elitetruppeder Blauen Garde, gab sich alle Mühe, seinezuckenden Wangenmuskeln zu beruhigen.

Perry lehnte sich in den Polster zurück. Von derWüste her strich ein heißer Wind über das Land.Weiter östlich ragten die Turmbauten der GroßstadtHondro in den Himmel.

„Niemand, selbst unser ertrusischer Gigant MelbarKasom nicht, kann ihrem Tatendurst widerstehen. Ichbin nur ein schwacher Mann.“

Atlan lachte dröhnend. Er lachte auch noch, als derGleiter mit hoher Geschwindigkeit zwischen denstartklaren Raumschiffen der Achten Flottehindurchjagte.

Mercant hatte sich zur Funkzentrale begeben.Argwöhnisch beobachtete er die Bildschirme, aufdenen jedoch niemand sichtbar wurde. DerSprechkontakt war dagegen einwandfrei.

„Warum zeigte er sich nicht?“ erkundigte sichMercant.

Der angesprochene Funker schwieg, bis dienächste Durchsage erfolgte. Zur gleichen Zeitmeldete der plophosische Wachkreuzer SUGARAden Einflug eines fremden Raumschiffes ins Systemder Sonne Whilor.

„Icho Tolot an Opposite“, klang es aus denLautsprechern. „Welches Landefeld soll ichbenutzen? Lotsen Sie mich ein?“

„Sie werden per Traktorstrahl eingeholt“, gabMercant scharf durch.

„Einverstanden“, entgegnete der Fremde in einemgutverständlichen Interkosmo. „Ich danke für IhrEntgegenkommen.“

Mercant drehte sich zu Ralf Marten um.„War das nun eine spitzfindige Frechheit, oder

eine wirkliche Dankbarkeitsbezeugung? Dieser Kerlscheint es faustdick hinter den Ohren zu haben. Wasist? Können Sie ihn nicht übernehmen?“

Der Teleoptiker, begabt mit der Fähigkeit, seinpersönliches Ich vorübergehend auszuschalten unddurch die Augen und Ohren anderer Wesen zu sehenund zu hören, erwachte aus seiner Konzentration. Derschlanke, dunkelhaarige Mann war verwirrt.

„Nein, Sir, unmöglich.“„Was?“ sagte Mercant lauter. „Wollen Sie damit

andeuten, er besäße parapsychische Fähigkeiten? Dashätte mir noch gefehlt.“

„Auf keinen Fall, Sir. Der Fremde ist lediglichfähig, einen Abwehrblock zu errichten. Ich orte keineFremdinitiative. Gucky wird auch keinen Erfolghaben.“

„Stimmt“, piepste der Mausbiber, der unvermitteltim Funkraum erschien. „Er schirmt sich einwandfreiab - beinahe zu einwandfrei. Der Kerl ist gefährlich,Allan. Ich gehe zu Perry.“

Ehe Mercant eine andere Entscheidung treffenkonnte, entmaterialisierte der beste „Mann“ desterranischen Mutantenkorps. Im gleichenSekundenbruchteil tauchte er neben Rhodan undAtlan auf. Die Freunde verließen soeben den Wagenund schritten zum Absorberkraftfeld von Piste 365-Ahinüber.

Weiter rechts begannen die spiraligen Mündungen

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der Traktorstrahler zu flammen. Die Energiebahnenrasten in den Raum empor und fingen dasRaumschiff ein, von dem Admiral Hagehet behauptethatte, für seine Begriffe hätte es die Abmessungeneines Leichten Kreuzers.

Mory war schon vor den Männern eingetroffen.Sie saß in ihrem Luftgleiter und verfolgte denSprechfunkverkehr zwischen der Oppositestation unddem Fremdraumschiff.

Atlan fuhr sich mit beiden Händen über seineweißblonden Haare, um sein Schmunzeln zuverbergen.

Perry Rhodan, der bedeutendste Mann desImperiums, schaute so unruhig zu seiner Frauhinüber, daß Atlan schließlich meinte:

„Kleiner Barbar - es wird wieder einmal Zeit füreine Extratour unter Männern. Einverstanden?“

„Und wie!“ seufzte der hochgewachsene Terraner.„Früher hatte ich Angst um sie, jetzt hält sie mich fürein Kleinkind, das man behüten muß. Hüte dich aber,diese streng geheime Verlautbarung zuveröffentlichen.“

Er schritt auf die Maschine zu, ignorierte denironischen Blick seiner Gattin und lauschte ebenfallsauf den Nachrichtenaustausch.

Der Kommandant eines terranischenSchlachtkreuzers berichtete über die Manöver desFremden. Sie waren einwandfrei. Er hielt sich genauan die vorgezeichnete Einflugschneise undverzichtete darauf, die saugende Kraft derTraktorstrahler mit seinen Triebwerken aufheben zuwollen.

„Das ist keine fliegende Bombe“, behauptete Moryangriffslustig. „Du bist doch meiner Meinung, oder?“

Rhodan nickte.„Sicher, Liebes, sicher.“„Degradieren Sie ihn gefälligst nicht vor allen

Leuten zu einem Pantoffelhelden“, flüsterte Atlan derschönen Frau zu.

Mory lachte unterdrückt.„Arkonide - davon verstehen Sie nichts. Mein

hoher Gebieter handelt nach dem Grundsatz ‚du hastrecht, und ich habe meine Ruhe‘. Wenn Sie jedochwußten, wie energisch meine Gleichberechtigung alsEhepartner und amtierende Regierungschefinunterdrückt wird, würden Sie sich keine Sorgenmachen.“

„Wecken Sie nicht den schlafenden Tiger“, warnteAtlan. „Es wäre für Sie peinlich, wenn sich Perry ausPrestigegründen gezwungen sähe, Ihnen einenöffentlichen Verweis zu erteilen.“

Der Arkonide blickte zum grünflimmerndenHimmel hinauf. Aus dem Dunst schälte sich eintiefschwarzer Körper hervor. Atlans Augenverkniffen sich.

Fast alle galaktischen Intelligenzen, die Springer

ausgenommen; waren aus konstruktiven undstatischen Gründen dazu übergegangen, ihrenRaumfahrzeugen die Form einer Kugel zu verleihen.

Hier und da wurde ein ellipsoider Querschnittbevorzugt. Das ankommende Fahrzeug glich mehrzwei aufeinandergesetzten Schalen mit scharfauslaufenden Berührungsrändern.

Die Triebwerke schienen jedoch nicht imWulstrand untergebracht zu sein, obwohl terranischeIngenieure behaupteten, es gäbe keine günstigereAnordnung.

Die untere Polzone stand beim Wulsteinbau fürzahlreiche Einrichtungen frei zur Verfügung.Luftschleusen, Laderäume, Beiboothangars undBergungsgeräte konnten ungehindert betreten undeingesetzt werden. Gefährliche Reststrahlungenwurden bereits von den hochliegendenDüsenschirmen aufgefangen und absorbiert.Bruchlandungen wirkten sich selten katastrophal aus,da die in der äquatorialen Ringzone liegendenTriebwerke nur unter extremen Umständen mit demGelände in Berührung kamen.

Bei dem anfliegenden Raumschiff hatte mandagegen das Haupttriebwerk genau dort installiert,wo terranische, arkonidische und auch akonischeRaumer gewöhnlich die untere Polschleuseaufweisen konnten.

„Hmm...! Ungewöhnlich“, murmelte der Arkonidevor sich hin. „Warum diese Umstände? Legt manWert auf eine Punktkonzentration der Schubkräfte?Das mag seine Vorteile haben. Die Wulstzone wirddurch Nebenaggregate abgestützt. Bringt das einebessere Manövrierfähigkeit ein?“

Rhodan hatte die Worte gehört. Das fremde Schiffschwebte nur noch fünfzig Meter über demLandekreis von Piste 365-A. Sie wurde von schwerenEinheiten der Flotte umgeben. MehrereRoboterkommandos marschierten in dieKraftfeldzone ein. Kommandos klangen auf.

Die Panzer der Bodenverteidigung hatten bereitsStellung bezogen. Rhodan sah sich nochmals um.Seine grauen Augen funkelten ironisch. Mercantlandete mit einem bewaffneten Luftgleiter derplophosischen Abwehr. Man hatte viel aufgeboten,um einen Fremden namens Icho Tolot zuempfangen..

Perry nahm Atlans Überlegungen zur Kenntnis,aber er entgegnete nichts darauf. Es war klar, daßman eine solche Konstruktion noch nie gesehen hatte.Er änderte seine Ansicht, als der Lordadmiral auf ihnzutrat und schmerzhaft seinen Oberarm umspannte.Atlan war erregt.

„Mein Extrahirn hat sich gemeldet“, erklärte ernervös. „Ich habe ein solches Schiff bereits einmalgesehen. Es ist lange her - etwa zehntausend Jahre.Erinnerst du dich an meine Berichte über den großen

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Krieg zwischen meinem Volk und dennichthumanoiden Methanatmern?“

Rhodans Gesicht spannte sich. Weiter links glittder Diskusraumer auf den Boden. Schwächlichaussehende Landebeine stützten ihn ab.

Ein energetischer Prallschirm genau unterhalb dermächtigen Hauptdüse schien das Gewicht desKörpers hauptsächlich aufzunehmen.

„Willst du damit sagen, daß du damals mit solchenRaumfahrzeugen im Gefecht zusammengetroffenbist?“

„Nein, eben nicht. Ich habe nur eine schwacheErinnerung.“

„Verwunderlich bei deinem vielgerühmtenfotografischen Gedächtnis.“

„Spotte nicht. Ich kann einem Raumer dieser Artnur ganz flüchtig begegnet sein. Ich habe einenschattenhaften Eindruck, nicht mehr.“

„Und das beunruhigt dich so?“Atlan sah zu dem Diskus hinüber. An Bord regte

sich nichts. Die Traktorprojektoren liefen aus. DasFlimmern über den Kuppeln erlosch.

„Es beunruhigt mich mehr, als wenn ich auf einenalten Feind getroffen wäre. Das ist ohnehin nichtmehr aktuell. Die Methan-Welten wurden vonmeinen Vorfahren vernichtet.“

„Darauf haben sie sich erstklassig verstanden.“„Preise dich glücklich, wenn du eines Tages nicht

ebenfalls gezwungen wirst, ganze Sonnensysteme inlodernde Gasbälle zu verwandeln. Ich möchte nichtin deiner Haut stecken, wenn dich das Schicksal vordie Entscheidung stellen sollte, entweder diemenschliche Rasse zu opfern, oder einen Eroberer zuvernichten. Das klingt wohl sehr hart, nicht wahr? IhrTerraner seid dafür prädestiniert, gewisseNotwendigkeiten etwas zu spät zu akzeptieren.“

„Lassen wir das“, wehrte Perry an. „DieseDiskussionen führen zu nichts. Kennst du denFremden nun, oder kennst du ihn nicht?“

„Das wird sich herausstellen, wenn er den Kopfaus dem Schott steckt.“

„Wenn er einen hat“, meldete sich Gucky.Atlan sah ärgerlich auf den Mausbiber hinab, der

ihn vergnügt anlachte.„Ich glaube, diese Worte habe ich heute schon

einmal gehört. Warum springst du nicht in das Schiffund siehst dich um?“

Guckys Nagezahn verschwand in dem spitzenMund. Die braunen Augen des kleinen Burschenverschleierten sich.

„Ich habe es vor fünf Minuten versucht. Etwas hatmich zurückgeschleudert. Soll ich dir etwas sagen,Arkonide?“

„Schweige besser.“„In diesem Falle nicht. Ich habe Angst, verstehst

du? Kannst du dir vorstellen, daß der Chef aller

Mausbiber Angst hat? Wenn ich gewollt hätte,könnte ich längst Lordadmiral sein. Aber auch dannhätte ich Angst. Denke darüber nach.“

Atlan sah dem auf kurzen Beinchendavonhüpfenden Mausbiber nach. Dann ließ derArkonide die Hand sinken und umschloß den Griffseines Thermostrahlers.

Langsam ging er hinter Rhodan her. EinErinnerungsfetzen quälte den Arkoniden. Er, derniemals etwas vergaß, sann vergeblich darüber nach,wieso ihm die Konstruktion dieses Raumschiffesbekannt vorkam.

*

Rhodans erste Reaktion war so ungewöhnlich, wieman es von diesem Mann gewohnt war. Früher hatteman ihn einen „Sofortumschalter“ genannt. SeineFähigkeit, überraschend eintretende Situationenschneller auszuwerten als andere Menschen, hattenihn zum Kommandanten der ersten bemanntenMondexpedition werden lassen.

Jetzt, etwa vierhundertdreißig Jahre nach der mitprimitiven Mitteln durchgeführten Monderoberung,war Perrys Gabe noch ausgereifter.

Es sprach für ihn, daß er sich keine Sekunde langvon dem monströsen Anblick überwältigen ließ.Jeder terranische Raumfahrer war schon fremdartigenLebewesen begegnet. Dieses jedoch schien dieKrönung des Ungewöhnlichen zu sein.

Jedermann starrte teils verblüfft, teils entsetzt zudem rechteckigen Schleusenschott empor, das sich inder Rundung des Schalenwulstes geöffnet hatte.

Jedermann bemerkte auch das leuchtendeAntigravfeld, das die Schleuse mit dem Bodenverband. Gucky registrierte einen parapsychischenAnsturm instinktiver Abwehr und hier und da sogarImpulse unkontrollierbaren Vernichtungswillens, wieer bei humanoiden Lebewesen niemals ganz zubeseitigen war, wenn man unverhofft vor einemMonster stand.

Rhodan reagierte ganz anders. Er stellte nüchternfest, daß dieser Gigant, der offenbar mit Icho Tolotidentisch war, guten Grund gehabt hatte, seinbeachtlich großes Schiff „Boot“ zu nennen! für ihnwar es ein Boot! Admiral Hagehet, der dem Riesenwohl kaum bis zur Gürtellinie reichte, hatte es füreinen Kreuzer gehalten.

Allan D. Mercants Angriffstheorie brach in sichzusammen. Er erkannte schlagartig, daß dieses Schiffkein ferngesteuerter Bombenträger war. Er wußteauch plötzlich, warum der Pilot darauf verzichtethatte, sich auf den Fernbildschirmen zu zeigen.

„Robotkommandos zurücktreten“, gab Mercant invölliger Ruhe durch. Er benutzte sein tragbaresBildsprechgerät. „Oberst Peacher - ziehen Sie Ihre

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Panzer ab. Achtung, an alleRaumschiffkommandanten Geschütze einfahren.Alarmzustand ist beendet. Bestätigen Sie.“

Der Chef der Galaktischen Abwehr hatte wiedereinmal bewiesen, daß er kaum weniger schnellhandeln konnte als Perry Rhodan. Mory Abro hattesich von dem ungeheuerlichen Anblick noch wenigerstören lassen. Es gelang ihr, ihre aufbrandende Furchtniederzuringen. Ehe man sie zurückhalten konnte,schritt sie auf das Antigravfeld zu. Das vierarmigeUngeheuer stand etwa fünfundzwanzig Meter überihr in der Luftschleuse. Tolots Augen leuchteten ineinem tiefen Rot. Er glich einem der sagenhaftenNordlandbären der Erde. Dieser Eindruck wurde nurdurch den halbkugeligen Riesenschädel, die dreiAugen und den breiten, schlitzartigen Rachenbeeinträchtigt.

Die schwarze Lederhaut störte weniger. Sie wurdegrößtenteils von der Kombination verdeckt.

Niemand achtete auf Atlan, der bebend und mitschußbereiter Waffe seitlich hinter Rhodan stand undzu dem Fremden hinaufstarrte. Der Arkonide wußteplötzlich, weshalb ihm dieses. Raumschiff bekanntvorgekommen war.

Einmal, bei einer Entscheidungsschlacht imNebelsektor der Holpolis-Ballung, waren vier oderfünf dieser Wesen aufgetaucht. Man hatte sie erstnicht beachtet. Ihr Fahrzeug war nur ganz flüchtigvon einer Ortungsstation des damaligen FlaggschiffsTOSOMA ausgemacht worden. Daher stammteAtlans nebelhafte Erinnerung.

Dann waren die Giganten auf einer Methanwelterschienen, auf der ein arkonidischesLandungsmanöver lief.

Sie hatten eine Elitetruppe zurückgeschlagen undsie bis auf acht Männer aufgerieben. Niemals zuvorhatte der damalige Admiral Atlan solche Kämpfergesehen.

Nunmehr, etwa zehntausend Jahre später, stand erwieder vor einem Monsterwesen dieser Gattung.Atlan hatte, ohne zu denken, zur Waffe gegriffen.

Mory rief etwas zu der Schleuse hinauf, aber ihreWorte wurden von dem Grollen übertönt, das ausTolots Mund hervorbrach.

„Friede, Arkonide! Die Zeiten sind vorbei.“Rhodan sprang zur Seite. Mit einem Blick erfaßte

er die Sachlage. Er bemerkte die erhobenen Arme desUnbekannten, die angeschlagene Strahlwaffe undAtlans verzerrtes Gesicht, in dem sichwiderstreitende Gefühle spiegelten.

„Weg damit“ forderte Perry scharf. „Was soll das?Zehntausend Jahre sind eine lange Zeit, oder?“

Der Lordadmiral ließ den Impulsstrahler sinken.Schwer atmend richtete er sich aus seinerangespannten Haltung auf.

„Diese Monster“, sagte er, „diese ungeheuerlichen

Monster! Nun sind sie wieder aufgetaucht. Vorsicht,es sind Strukturumwandler. Ich habe sie erlebt. Siewiderstanden den Salven aus unserenThermogeschützen, als hätte sie ein Frühlingswindgetroffen. Darüber hinaus sind sie schneller undflinker als eine terranische Antilope. Wenn sie ihreKörpermasse in Bewegung setzen, dann ist es, alsrase ein Atompanzer heran. Ich habe gesehen, daßeiner dieser Burschen mit wenigstens hundertKilometern pro Stunde auf eine Felsbarriere zuschoß,hinter der mein Kommando in Deckung gegangenwar. Er durchschlug den Wall wie ein Geschoß. Esgab keine Rettung mehr. Vorsicht!“

Rhodan war die Ruhe selbst. Als er wieder nachoben schaute, bückte sich das Monstrum und hobzwei menschliche Körper auf. Mory stieß einenSchrei aus. Die Uniformen terranischer Raumfahrerwaren nicht zu verkennen.

Tolot legte die Männer quer über seine kurzenSprungarme und winkte mit den sechsfingrigenHänden der Handlungsarme. Er brauchte keineVerstärkeranlage, um sich verständlich zu machen.Man hörte ihn weit genug.

„Würden Sie mir erlauben, das Landefeld zubetreten? Die Kranken müssen versorgt werden. Eshandelt sich um einen geistigen Schaden, den wirleider nicht beheben konnten.“

„Bitte, treten Sie näher“, rief Perry.Tolot betrachtete die Gestalt des Terraners. Er

erkannte den Großadministrator. Ein fieberhafterTatendrang erfüllte ihn. Als er in sein Antigravfeldsprang und zu Boden schwebte, hatte er die Situationbereits ausgewertet. Das Planhirn bestimmte dasVorgehen des Haluters.

Es entging ihm nicht, daß er von den meistenAnwesenden als Ungeheuer eingestuft wurde.

Atlans drohende Haltung war verständlich. Erhatte vor langer Zeit mit einer halutischen Einheittrübe Erfahrungen gesammelt. Damals hatten sichfünf Haluter zu einer sogenannten „Waschgruppe“zusammengefunden, um ein arkonidischesLandungsmanöver zu stoppen. Es war auf einer Weltgeschehen, deren Bewohner im Verlauf derturbulenten Kriegshandlungen versehentlich in dieStrategie der Alt-Arkoniden einbezogen wordenwaren. Die Vernichtung dieses Planeten warverhindert worden.

Noch ehe Icho Tolot den Boden berührte, hatte ersein Verhalten nach mathematischen Richtlinienfestgelegt. Er mußte versuchen, Vertrauen zugewinnen. Atlan war ein mächtiger Mann imImperium. Seine angriffslustige Haltung stufte Tolotals unbewußte Reflexhandlung ein. Atlan hatte einepsychologische Schwelle zu überwinden, die seineErinnerung in ihm aufgerichtet hatte.

Rhodan war tolerant, gelassen und offensichtlich

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auf alles gefaßt. Natürlich hatte er die von demHaluter drohende Gefahr längst erkannt. Tolot wollteunbedingt erfahren, wie sich dieser große Terranerweiterhin verhalten würde.

Allan D. Mercant war für Icho ein Begriff. Diewagemutigen Einsätze im Verlauf der letztenvierhundert Jahre waren zum großen Teil von dieserunscheinbaren Person gesteuert worden. Tolot fühltesich ihm freundschaftlich verbunden.

Mory Rhodan-Abro kämpfte noch mit ihremGefühlssturm. Sie bemühte sich aufrichtig, Tolotsäußeres Erscheinungsbild zu übersehen und nachseinen geistigen und charakterlichen Qualitäten zusuchen.

Die Mutanten erkannte Tolot augenblicklich. Erwußte aus einen hundertjährigen Erfahrungsstudien,wie er sie einzustufen hatte. Wilde Freude erfüllteihn. Seine natürlichen Triebe drängten nach einerEntladung der seit Jahren aufgespeicherten Energien.Es war lange her, daß Tolot einer Drangwäschegefolgt war. Es war sein Ziel gewesen, sich vor einerdirekten Begegnung mit den Terranern gründlichstauf ihre Eigenarten vorzubereiten.

Der Gigant trat aus dem Antischwerefeld hervor.Mory wich um keinen Schritt zurück. Je näher derHaluter kam, um so mehr mußte sie den Kopf in denNacken legen, um sein monströses Gesicht erblickenzu können. Sie reichte ihm knapp bis zur Gürtellinie.

„Die Galaxis spricht von Ihrer Schönheit,Madam“, erklärte Icho Tolot mit so weicher Stimme,wie es ihm möglich war. „Darf ich mir erlauben,Ihnen die ehrerbietigen Grüße meines Volkes zuübermitteln?“

Mory stockte der Atem. Fassungslos schaute sie zuPerry hinüber, der in diesem Augenblick wußte, waser von dem Fremden zu halten hatte.

Diese. Wesen waren nicht nur großartige Taktiker,die sich wahrscheinlich darum bemühten, mit allenIntelligenzen in einen freundschaftlichen Kontakt zutreten.

Perry fühlte mehr, als daß er es klar erkannte, daßTolot einer uralten Kultur entstammte. Er konnte essich erlauben, großzügig und duldsam zu sein. Er warauf alle Fälle der Stärkere.

„Danke, vielen Dank“, meinte Mory verwirrt.„Würden Sie die beiden Männer auf die Bahrenlegen?“

Der mit der Ambulanz angekommene Medizinertrat zurück. Tolot bückte sich und bettete dieschreienden Soldaten auf die Schaumstoffpolster.Sinnend schaute er dem davonrasenden Wagen nach.

„Hoffentlich haben Ihre Wissenschaftler Erfolg,Sir“, wandte er sich an Rhodan, der sich neben seineFrau gestellt hatte. „Ich werde versuchen, Ihnen soweitgehend wie möglich Bericht zu erstatten. IhreSoldaten wurden von einem meiner Freunde

gefunden. Sie befanden sich in Raumnot. UnsereAuswertung stellte fest, daß Ihr Schwerer KreuzerOMARON wahrscheinlich durch einen Unfallzerstört wurde.“

Die Situation änderte sich von Augenblick zuAugenblick. Rhodan hatte sich bereits an denFremden gewöhnt. Ernst schaute er zu den großenAugen hinauf, deren rotes Leuchten undeutbar war.

„Dürfen wir auf Ihre Unterstützung hoffen, Mr.Tolot? Ich nehme an, Sie sind Icho Tolot.“

Der Gigant neigte den Oberkörper.„Deshalb bin ich gekommen, Sir. Ich kenne die

Geschichte der Menschheit. Ich habe sie alswissenschaftliches Nebengebiet ausgewählt. Siewürden dazu Hobby sagen.“

„Sie sind erstaunlich gut informiert“, warf Atlanein. Seine Rechte befand sich immer noch inGriffnähe der Waffe.

Tolot lachte leise.„Allerdings, Arkonide. Es gibt nichts, was wir

Haluter nicht wüßten.“„Haluter?“ rief Mory erregt aus.„So nennen wir uns. Ich komme von einem

Planeten, den noch niemand außer uns gesehen hat.So soll es auch bleiben. Hatten Sie die OMARONausgeschickt, um die Welt Kahalo zu suchen?“

Rhodan erblaßte. Was wollte der Fremde? Waswußte er von Kahalo, jener Welt, auf der man voretwa siebzig Jahren die sechs Pyramiden und eineüberwältigende Technik entdeckt hatte?

Allan D. Mercant hielt sich im Hintergrund. Erbeobachtete nur. Die letzten Robotgruppen zogen ab.Tolot registrierte es mit Befriedigung.

„Darf ich Sie bitten, Gast des Solaren Imperiumszu sein? Seien Sie mir willkommen, Icho Tolot“,sagte Rhodan förmlich.

„Die Menschheit ist erwachsen geworden, Sir.Wenn ich vor vierhundertdreißig Jahren auf der Erdeerschienen wäre, hätte man versucht mich zu töten.Darf ich Ihnen versichern, daß die Vertreter meinesVolkes bereits vor fünfzigtausend Jahren daraufverzichtet haben, ihr damaliges galaktisches Reichnoch weiter auszubauen? Meine Vorfahren habensich zurückgezogen. Wir sind nur noch stilleBeobachter, die allerdings seit mehr als vierhundertJahren Standardzeit das große Vergnügen genießendurften, die verwegenen, listenreichen und überausklugen Vorstöße der Terraner zu verfolgen. Ich habebereits vergeblich versucht, den beiden Geretteten zuerklären, daß auf Halut noch niemals so viel gelachtworden ist. Als Sie sich kurz nach Ihrem erstenAuftauchen in der galaktischen Geschichteentschlossen, den toten Mann zu spielen und Terraals vernichtet hinzustellen, und als man Ihnenaußerdem noch glaubte, erkrankten auf Halut zweialte Männer infolge eines unstillbaren Lachdranges.

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Ich bin sehr froh, Sir, daß Sie es über sich bringenkönnen, meine äußere Erscheinung zu ignorieren. EinIntelligenzwesen kann erst dann als gereiftbezeichnet werden wenn es in der Lage ist, andereGeschöpfe nur nach geistigen und moralischenGesichtspunkten zu beurteilen. “

Tolot fühlte, daß er den Bann gebrochen hatte.Hier und da lächelte schon jemand. Rhodan stellteseine Begleiter vor.

„Hei, Großer, wie ist die Luft da oben?“ schrieGucky, der plötzlich zwischen den Beinen desHaluters aufgetaucht war.

Der Mausbiber hatte die Arme in die Hüftengestützt und den Kopf weit in den Nacken gelegt.

„He, hier bin ich, Großer. Ich habe mich dazuentschlossen, dir nichts zu tun. Du darfst mich aufden Arm nehmen.“

Tolot hatte den kleinen Mausbiber längst bemerkt.Er trat vorsichtig zurück, umfaßte Gucky mit einerseiner Titanenhände und hob ihn zu seinen Schulternempor. Wieder hatte Tolot gegen seineMutterinstinkte anzukämpfen, die ihn dazu zwingenwollten, das zarte Pelzgeschöpf fest an sich zuziehen. Tolot lachte leise.

„Ist es gut so, Trampbewohner? Du bist Gucky,nicht wahr? Du gestattest doch, daß ich dich duze,obwohl dies auf meiner Heimatwelt nicht üblich ist.Nur an die Namen der besten Freunde hängt man dieSilbe “tos„ an. Ich hieße demnach “Tolotos„.“

Guckys Kopf war nur wenig größer als ein Augedes Haluters.

„Dann bin ich für dich Guckytos“, lachte er. „He,ihr da unten - jetzt habt ihr Gelegenheit, einenhöflichen Mann kennenzulernen. Wer von euchRüpeln hat mich schon einmal gefragt, ob er michduzen darf? Gehen wir, Großer. Hast du Hunger?“

Eine seltsame Gruppe von verschiedenartigenLebewesen bewegte sich auf die wartenden Wagenzu. Tolot lehnte es ab, in einem der Fahrzeuge Platzzu nehmen. Er wies auf sein Gewicht hin.

Atlan hatte bisher noch kein Wort gesprochen. Alsder Gleiter anfuhr, Tolot jedoch auf alle viereniederging und mit Gucky auf dem Rückendavonraste, erklärte der Lordadmiral gepreßt:

„Mory - Perry - haltet mich bitte nicht für einrachsüchtiges, oder gar unbelehrbares Exemplarmeiner Gattung. Selbstverständlich lasse ich michvon der Erscheinung des Haluters nicht beeinflussen.Das sollte eigentlich klar sein.“

„Natürlich“, nickte Rhodan. „EinZellaktivatorträger, der bereits zehn Jahrtausendeerleben durfte, müßte darüber erhaben sein. Dichbedrückt die Erinnerung, nicht wahr? Du siehstimmer noch jene rasenden Giganten vor dir, diewahrscheinlich dein Feuer ignorierten und deineMänner töteten. Icho Tolot dürfte jedoch nicht

dabeigewesen sein.“Atlan versuchte, die angespannte Muskulatur

seines Körpers zu lockern. Tief aufatmend lehnte ersich in die Polster zurück.

„Sie wüteten schlimmer als Bestien aus demDschungel einer Urwelt. Sieh dir den springendenGiganten an, und du wirst eine Vorstellung davonerhalten, wie diese Wesen kämpfen können. Siemüssen über eine überragende Technik verfügen.“

„Sie waren einmal die Beherrscher der Galaxis“,erklärte Mory. „Ihr werdet mich wahrscheinlich fürnärrisch halten - aber ich nehme seine beiläufigeBemerkung für bare Münze.“

„Ich auch“, meldete sich Mercant. Er saß nebendem Fahrer. „Ich bin bei verschiedenartigenGeheimdienstermittlungen immer wieder aufsagenhafte Berichte über das Auftauchen vonunschlagbaren Ungeheuern gestoßen. Sie habenniemals einen Krieg im Sinne des Wortes geführt,sondern nur hier und da einmal für bestimmteLebewesen Partei ergriffen. Ich glaube, Atlan, daßHaluter einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeithaben. Wesen, die es sich auf Grund ihrerkörperlichen Stärke und ihrer wissenschaftlichenErrungenschaften erlauben können, eine einmalerrungene Machtposition aufzugeben, um nur nochihren Liebhabereien zu leben, müssen gerecht sein.Vielleicht sollte ich besser sagen, sie müssen gerechtgeworden sein. Zur Zeit ihrer Eroberungspolitik, alsovor zirka achtzig- bis hunderttausend Jahren, möchteich ihnen nicht begegnet sein. Haben Sie schoneinmal darüber nachgedacht, daß die VernichtungIhrer Raumlandetruppe erst vor zehntausend Jahrengeschah?“

„Ich denke laufend daran.“„Dann sollten Sie logischerweise einsehen, daß zu

dieser Zeit auf Halut längst keine galaktische Politikmehr gemacht wurde. Damals waren die Halutergeistig schon so ausgerichtet, wie wir es bei Toloterlebt haben. Ich nehme stark an, daß IhrLandemanöver eine arkonidische Fehlplanung war,die unter Umständen ein an den Geschehnissenunschuldiges Volk betroffen hätte. Eine halutischeKampfgruppe hat daher eingegriffen. Was halten Sievon der Theorie?“

„Ich werde Tolot eines Tages fragen“, lehnte Atlanweitere Diskussionen ab. „Zur Zeit zwingt mich meinGefühl, ein wachsames Auge auf den Haluter zuwerfen. Seine Ziele sind noch unklar oder sind Siegar der Auffassung, er wäre nach Oppositegekommen, um diesmal uns zu helfen?“

Rhodan hörte die Jubelrufe des Mausbibers. Erklammerte sich auf Tolots Rücken fest, der dieGeschwindigkeit des Gleiters mühelos hielt.

„Genau das, Atlan. Wesen dieser Art haben esnicht nötig, unlautere Mittel anzuwenden. Mir

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scheint, als würde Tolot vor Tatendurst glühen. Erspielt mit seinen Kräften. Ich bin davon überzeugt,daß er uns allerlei offenbaren kann. Ich bitte darum,den Haluter nicht zu irgendwelchen Aussagen zudrängen. Das gilt besonders für Ihre ewigargwöhnischen Abwehrleute, Mercant. Lassen Sieihn von selbst beginnen. Er kennt Kahalo. Atlan, duwirst deine Gefühle zügeln müssen.“

„Gib mir etwas Zeit. Ich bemühe mich ja schon.Im Moment teilt mir mein Logiksektorausgesprochen spöttisch mit, mein unterbewußtesGefühlsleben begänne schon mit der Bewunderungdes Giganten. Peinlich, wenn man Minuten zuvorglaubte, ihn wegen einer alten Geschichte hassen zumüssen.“

Perry lächelte den Freund an. Die beidenbiologisch Unsterblichen verstanden sich. Je älter siewurden, und je länger sie Freude und Leid teilten, umso ähnlicher wurden sie einander. Sie waren ein gutesTeam.

Mercant bemerkte den Stimmungsumschwung.Damit das Wesentliche nicht ganz übersehen wurde,meinte er etwas ironisch:

„Sie werden mir doch sicherlich gestatten, diesenWunderknaben in höflicher Form zu befragen, ob eretwas über OMARON weiß. Bisher wurde mir nurklar, daß es einem seiner Freunde gelang, zweiBesatzungsmitglieder im Raum aufzufischen. Ichmöchte wissen, wo der Schwere Kreuzer verschollenist.“

Mercant ahnte in diesem Augenblick noch nicht,daß er mit der beabsichtigten Befragung TolotsWünschen entgegenkam. Der Haluter war nichtgekommen, um auf Opposite die Gastfreundschaftder Terraner zu genießen.

Er wollte etwas erleben; seinem charakteristischenDrang nach Kampf, Gefahr und Abenteuernnachgehen. Tolot wußte sehr genau, wo dieOMARON verschollen war. Er kannte auch dasgrößte Rätsel der Milchstraße.

Als er neben dem Gleiter herjagte, entschloß ersich dazu, einen Hinweis zu geben. Mehr durfte ernach den strengen Gesetzen seines Volkes nicht tun.

Rhodan würde wunschgemäß reagieren und beidieser Gelegenheit etwas entdecken, was dieMenschheit zu Titanen modernster Wissenschaftmachen konnte - wenn sie das verstanden, was siesicherlich finden würden.

Diese Frage ließ der Haluter offen. Sein Planhirnlegte ihm eine neue Auswertung vor. Alle bekanntenWesensmerkmale Rhodans, Atlans und Mercantswaren darin berücksichtigt worden.

Außerdem hatte die biologischeGroßrechenmaschine die ständige Suche derMenschheit nach neuen Waffen und technischenHerstellungsverfahren einkalkuliert.

Daraus war zu folgern, daß Rhodan keine Minutezögern würde, um jene Stelle anzufliegen, wo dieOMARON zuletzt geortet worden war. Fancan Teikhatte genaue Diagramme ausgearbeitet.

Sie wären nicht einmal erforderlich gewesen. Tolotahnte auch ohne diese Unterlagen, weshalb vierSchiffe der terranischen Forschungsflotte nicht mehrheimgekehrt waren.

Weshalb sie aber keine ausführlichenNotmeldungen abgestrahlt hatten, und weshalb esden Kommandanten nicht mehr gelungen war, ausder Gefahrenzone zu entfliehen, auf diese Fragekonnte auch Icho Tolot keine Antwort geben! Wenner sie gewußt hätte, wäre es für ihn selbstverständlichgewesen, Rhodan zu warnen.

3.

Das Superschlachtschiff CREST II Flaggschiff undgleichzeitig modernster Neubau der Solaren Flotte,beendete das Eintauchmanöver. Die konturlosenSchatten der Librationszone, einem instabilenBindeglied zwischen dem vier- undfünfdimensionalen Universum, verschwanden vonden Bildschirmen.

Statt dessen wurden auf den Flächen derPanoramagalerie Milliarden verschiedenfarbigeSterne des Milchstraßenzentrums erkennbar.

Die CREST II, ein fünfzehnhundert Meterdurchmessender Kugelriese der Imperiumsklasse,ausgerüstet mit den modernsten Triebwerkenterranischer Wissenschaft und den fürchterlichstenVernichtungswaffen der Gegenwart, befand sich iminneren Ballungssektor, in dem die Sonnen teilweisenur noch wenige Lichtmonate voneinander entferntstanden.

Hier wurde der Raumflug problematisch. Selbsteinfache Lichtgeschwindigkeiten im Bereich desEinsteinschen Normaluniversums brachten Gefahrenmit sich, die nur noch von exakt arbeitendenPositronik-Gehirnen gemeistert werden konnten.

Überlichtflüge waren nur auf kurze Distanzenmöglich. Flammende Gasnebel, physikalischseltsame Erscheinungen in diesem hochverdichtetenMateriekern aus hundert Milliarden Sternen undzahllosen Planeten mit extremen Umlaufbahnen,behinderten den Flug noch stärker.

Eine Reise durch den Innenkern wurdegrundsätzlich zu einem Hindurchwinden ohneAussichten auf weitreichendeDistanzüberbrückungen.

Die Besatzung des Imperiumsraumers war darangewöhnt. An Bord war die Elite der raumfahrendenMenschheit. Kommandant war der Epsaler OberstCart Rudo.

Die bestürzenden Ereignisse der letzten Tage

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hatten die Handlungen der Männer bestimmt. Manwußte plötzlich, wo die vier Raumschiffeverschwunden waren. Trotzdem schien die Suche indiesem Sternenmeer so gut wie aussichtslos zu sein.Es gab keine besonderen Anhaltspunkte, keineeindeutig erkennbaren Zielsterne und keineVergleichsmöglichkeiten für die positronischenBerechnungen.

Man flog in erster Linie nach der sogenannten„kosmonautischen Giß“; einem äußerst zwielichtigenSystem, das auf Erfahrungswerten basierte.

Nirgends in der Galaxis sahen sich die Sterne soähnlich wie im inneren Ballungsgebiet. Nirgendswaren ihre physikalischen Eigenschaften soartverwandt. Irrtümer in den Ortsbestimmungenwaren an der Tages Ordnung gewesen, bis man dasindirekte Gißverfahren eingeführt hatte.

Bei dieser Methode wurden die Positionen nachFlugzeit, zurückgelegterWahrscheinlichkeitsentfernung und annäherndberechenbaren Abdriften durch kosmischeMagnetstürme und anderweitige Energiegattungenermittelt.

Alle Werte waren und blieben jedoch „Gißwerte“.Unter den Besatzungen jener Schiffe, die in dieseTodeszone vordringen mußten, sagte man schlicht„Daumenpeilverfahren“.

Funkfeuer, sogar solche auf hyperenergetischerÜberlagerungsbasis, waren hier unzuverlässig. Eshatte sich als unzweckmäßig erwiesen, auf Planetenmit bekannten kosmischen Positionen Peilsender zuerrichten, nach deren Impulsen man sichnormalerweise exakt richten konnte. DieHyperwellen wurden durch Überlagerungs- undZerreinflüsse so gestört, daß ein Kreuzpeilverfahrennicht mehr anwendbar war.

Die letzte Möglichkeit bot sich mit der Gißpeilungan. Sie hatte ebenfalls ihre Tücken, aber man konntewenigstens einigermaßen genau sagen, wo man sichgerade befand.

Die unbekannten Faktoren, die sich aus denenergetischen Wechselfeldern zwischen den Sternenund den damit verbundenenGeschwindigkeitsdifferenzen und Abdriften ergaben,beschäftigten einige positronische Robotgehirnewährend der gesamten Reise. Es war und blieb einhindurchschlängeln.

Vor zwei Tagen, am 17. August 2400, war Rhodanmit einem gemischten Verband von vierundfünfzigSchiffen gestartet. Atlan hatte elf schnelleSchlachtkreuzer der USO abgestellt. Die restlichendreiundvierzig Einheiten setzten sich ausplophosischen Aufklärungskreuzern und schwerenSchlachtriesen der Erde zusammen.

Von Nathan, dem gigantischen biopositronischenRechengehirn auf dem irdischen Mond, war eine

Auswertung eingetroffen. Das Gehirn glaubte nichtan vier gleichartige Unfälle! Nathan hatte festgestellt,das Verschwinden der vier Forschungsschiffe könnenur mit einer gesteuerten Sabotage- oderAngriffshandlung identisch sein.

Sogar Icho Tolot hatte sich den Ergebnissen nichtverschließen können. Es war in der Tatunwahrscheinlich, daß vier erfahrene Kommandantenmit vier verschiedenartigen Typschiffen, die alle übereine andere Bewaffnung und über wesentlichvoneinander abweichende Triebwerke undKraftstationen verfügten, den gleichen Naturgewaltenzum Opfer gefallen sein sollten.

Rhodan hatte sich entschlossen der Sache auf denGrund zu gehen. Atlan war ebenfalls an Bord derCREST II eingestiegen, obwohl sein Platz auf demFlaggschiff des USO-Verbandes, demSchlachtkreuzer DAUNTU gewesen wäre.

Der Lordadmiral hatte sich jedoch nicht dazuüberwinden können, den Haluter unbeobachtet zulassen. Er hielt sich ständig in seiner Nähe auf undversuchte, die Handlungen des Giganten zudurchleuchten.

Mory Rhodan-Abro, die eigentlich nur kurzfristigauf Opposite hatte weilen wollen, hatte sich ebenfallsnicht zurückhalten lassen. Weder Perrys noch AtlansVorhaltungen waren von ihr gewürdigt worden. Siebefand sich an Bord des Flaggschiffes.

Sie gab zu, wie unklug es war wenn die dreiführenden Persönlichkeiten des Solaren Imperiumszusammen auf dem gleichen Schiff weilten. EinUnfall konnte die Elite des Sternenreichesvernichten.

Schließlich hatte Rhodan doch nachgegeben. Erwußte, daß sich Staatsmarschall Reginald Bull aufder Erde aufhielt und die Fäden der Macht fest in denHänden hatte.

Allan D. Mercant war auf Oppositezurückgeblieben, um zusammen mit AdmiralHagehet weitere Recherchen durchzufahren.

Nur zwei Tage nach Tolots Ankunft war dieCREST II als Spitzenschiff des Verbandes in jenenKernsektor vorgestoßen, der aus TolotsPositionsdaten ersichtlich geworden war. Man hattenichts gefunden!

Es war weder ein Geschwader der Blues geortetworden, noch hatte man einige Experimentierschiffeder Akonen oder Antis entdeckt, die von Nathan mitfünfzigprozentiger Bestimmtheit als Urheber dersogenannten Unfälle bezeichnet worden waren.

Planetarische Geheimstützpunkte waren in derZielzone auch nicht gefunden worden.

Icho Tolot hatte sich unvermittelt in einerschwierigen Lage gesehen. Selbst er konnte nichtgenau sagen was hinter der nächsten Sonnengruppeverborgen lag. Das undurchsichtige Leuchten und

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Flimmern kosmischer Himmelskörper unterband jedeMaterieortung. Die Massetaster versagten kläglich.Die Störeinflüsse waren ungeheuer.

Trotzdem hatte Tolot behauptet, seinePositionsangaben würden stimmen. Er hatteKurskorrekturen empfohlen, aber das hatte auchnichts genützt.

Schließlich hatte sich Rhodan dazu entschlossen,den Verband aufzulösen, um ein größeres Gebietabsuchen zu können. Die Kommandanten hatten denBefehl erhalten, die zumeist lebensfeindlichenInnenwelten genau zu untersuchen.

Rhodan hoffte darauf, vielleicht durch einen Zufalldie Welt Kahalo zu entdecken. Tolot hatte ihmverschwiegen, daß dieser Planet wenigstenszweitausend Lichtjahre vom tatsächlichenMilchstraßenkern entfernt lag. Er durfte darüberkeine Auskünfte erteilen.

Die CREST II und der USO-SchlachtkreuzerDAUNTU waren allein weitergeflogen. DieDAUNTU hielt den angeordneten Abstand von zehnMilliarden Kilometern ein. Diese Entfernung erlaubtegerade noch eine einwandfreieHyperkom-Bildverbindung.

Die CREST II, benannt nach dem arkonidischenWissenschaftler Crest, der Rhodan vor fastvierhundertdreißig Jahren das Erbe, der Arkonidenüberreicht hatte, schoß mit einhundertfacherLichtgeschwindigkeit auf eine violette Sonne zu. Siesah wie hunderttausend andere Sterne ihrer Art aus.

*

Icho Tolot betrat die Zentrale des terranischenFlaggschiffes. Auf Halut wurden schon lange nichtmehr Schlachtriesen dieser Größenordnung gebaut.Man benötigte sie auch nicht. Die überragendeWissenschaft der hunderttausend überlebendenHaluter genügte, um jeden Angriff abwehren zukönnen - sogar einen Angriff des Solaren Imperiums,der allerdings nur theoretisch denkbar war.

Tolot ließ sich auf seine Sprungarme niedersinkenund zwängte sich in dieser Haltung durch einZentraleschott.

Rhodan, Atlan und Mory befanden sich in derOrtungsstation. Sie wurde durch einePanzerplastwand von dem übrigen Raum getrennt.

Oberst Cart Rudo diskutierte mit dem Ersten undZweiten kosmonautischen Offizier. Es handelte sichum den Oberstleutnant Brent Huise, einen cholerischerscheinenden, tatsächlich aber sehr überlegendenMann von herkulischer Gestalt und Major JurySedenko, dessen sprichwörtliche Ruhe undAusgeglichenheit im Gegensatz zu HuisesTemperament stand.

Der epsalische Kommandant, ebenso hoch wie

breit von Gestalt, warf dem Haluter einenundeutbaren Blick zu.

Rudo war auf einer „schweren“ Welt geborenworden. Er trug ebenso wie Tolot einenMikrogravitator, der ihm die gewohnte Gravitationder Heimat vortäuschte. Tolots Gerät war lediglichwesentlich stärker und trotzdem kleiner. Es formtedie künstliche Schiffsschwerkraft von einem Gravoauf 3,6 Gravos um. Das war der halutische Wert.

Der Epsaler konnte damit nicht konkurrieren. SeinHeimatplanet konnte nur wenig mehr als zweiGravos aufbieten. Für normalmenschliche Begriffewar das bereits sehr viel.

Tolot fühlte die nervöse Spannung der Männer.Die Zentralebesatzung stand ununterbrochen auf denManöverstationen. Die Freiwache wurde alleAugenblicke alarmiert. Die CREST glich einemAmeisenhaufen in dem zweitausend Menschen undeinige Nichtirdische versuchten, ein unbekanntes Zielzu entdecken.

Rhodan kam durch das Druckschott der Ortung.Icho Tolot sah, daß ihm Major Enrico Notami, derChef dieser Station, etwas nachrief. Rhodan winkteab.

Atlan und Mory folgten ihm auf dem Fuße. Aufden Riesenbildschirmen der Panoramagalerieleuchtete die nächste Zielsonne.

Tolot bemerkte erst Minuten später, daß derviolette Stern in Wirklichkeit aus einer Gruppe vongleichfarbigen Sonnen bestand. Sie hatten mitten imZentrum einen Kugelhaufen von solcher Dichtegebildet, daß man die einzelnen Himmelskörper erstbei geringwerdender Distanz voneinander trennenkonnte.

Tolots Planhirn begann zu rechnen. Erregungdurchflutete ihn. Diese Konstellation war selten -sogar im Milchstraßenzentrum. Er hatte dieAutomatik der CREST richtig programmiert. Manbefand sich unmittelbar vor dem Zielgebiet, dasFancan Teik angegeben hatte.

Tolot fühlte Atlans argwöhnischen Blick auf sichruhen. Wenn der Haluter hätte lächeln können, sohätte er es jetzt getan. Da er aber wußte, daß einVerziehen seiner hornartigen Lippen niemals einmenschliches Lächeln andeuten konnte, unterließ eres.

Es gelang ihm auch nicht, einen gefühlvollen oderhinweisenden Ausdruck in seine großen Augen zulegen. Sie waren zweckbestimmt; hervorragend inihrer biologischen Funktionstüchtigkeit, aber nichtdazu geeignet, terranische Dichterworte in die Tatumzusetzen.

Tolot hatte für einen Augenblick seinenparapsychischen Abwehrblock vernachlässigt. Guckyhatte das sofort erkannt und den Gedankeninhalt desHaluters belauscht. Es geschah bereits zum dritten

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Male. Gucky wußte daher, daß Icho Tolot über zweiGehirne mit völlig verschiedenartigen Funktionenverfügte.

„Man hat es schwer, Großer, nicht wahr?“ rief ermit seiner hellen Stimme. „Wenn du lachen willst,sieht es aus, als wolltest du die Leute auffressen.Wenn du einen freundlichen Blick verschenkst, hatman das Gefühl, als spien deine Augen rotes Feuer.Wie glühende Kohlen, Großer! Du warst ebenunvorsichtig. Ich habe geschnüffelt.“

Gucky lachte triumphierend. Die Töne piepstenaus seiner Kehle hervor.

„Bist du mir böse, Großer?“Nein, Icho Tolot war dem braunpelzigen Geschöpf

nicht böse. Er hatte es längst in sein Herz oder inseine Herzen geschlossen. Gucky hatte es mit feinemInstinkt erkannt.

Er streckte die Arme aus, und Tolot setzte ihn aufseine linke Schulter. Gucky hielt sich am Faltkragendes Kampfanzuges fest.

„Na, endlich bin ich einmal größer als ihr“, rief erPerry zu. „Was ist? Du machst ein Gesicht, als hättedeine Frau die Regierungsgewalt übernommen.“

„Ah, eine gute Idee!“ meinte Mory stirnrunzelnd.Perry winkte ärgerlich ab.„Unterlasse den Unfug Gucky! Tolot, wir müssen

die Sachlage besprechen. Ich bin nicht daraninteressiert, noch länger in dieser gefährlichen Zonezu kreuzen. Die Ortung meldete schwereHyperstürme aus dem Kerngebiet. Die CREST ist eineinzigartiges Schiff, aber ich möchte sie nicht bis zurletzten Schweißnaht belasten. Sind Sie sicher, daßIhre Koordinaten stimmen? Die Verbindung mit denanderen Einheiten des Suchverbandes ist abgerissen.Je tiefer wir in den Kern vordringen, um soschwieriger wird die Situation. Wo hat Ihr Freund diebeiden Raumfahrer aufgefischt?“

Tolot deutete mit zwei Armen auf dasklarwerdende Fernbild des konzentrischenKugelhaufens.

„Hier, ganz in der Nähe dieser violetten Gruppe.Ich irre mich nicht, Sir. Warum wollen Sie aufgeben?Das ist Ihrer unwürdig.“

„Verzichten Sie bitte auf psychologische Tricks“,fiel Atlan scharf ein. „So reizt man ein Kind, nichtaber einen Perry Rhodan.“

„Das sind keine Tricks, Arkonide.“„Ihre Meinung - meine Meinung! Der

Kommandant der DAUNTU hat Schwierigkeiten mitseinem Kalup-Konverter. Das Aggregat setzte beieinem Probelauf aus. Diese Zone ist eine Todesfalle.“

„Eben, Arkonide! Deshalb sind wir hier. Siewollten doch wissen, wie die Gefahr aussieht, diebereits vier Terraschiffe verschlungen hat. UmfliegenSie die violette Gruppe, und Sie werden ein Wundersehen. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Ich habe

schon zuviel verraten.“„Ein Wunder?“ wiederholte Rhodan gedehnt.„Ja. Wir Haluter kennen es seit vielen

Jahrtausenden, aber wir haben darauf verzichtet, unsnäher darum zu kümmern.“

„Erstaunlich für Überwesen Ihrer Art“, spöttelteAtlan. Er war in gereizter Stimmung.

„Sie kennen unsere Mentalität nicht, Arkonide. Esgibt gewisse Gesetze, die es uns verboten und auchnoch verbieten uns mit Dingen zu beschäftigen, diewir nicht einwandfrei ergründen können. Dieses aberkonnten wir nicht ergründen.“

Tolot sprach die Wahrheit. Das Rätsel desMilchstraßenzentrums war für die Haluter immer einRätsel geblieben. Sie, die Mächtigen, waren, demUndeutbaren ausgewichen.

„Beenden wir die Diskussion“, bat Rhodan. „Wirsind nicht argwöhnisch, Icho Tolot, aber wir zweifelnan der Richtigkeit Ihrer Daten. Oberst Rudo -bereiten Sie ein Linearflugmanöver vor. Die violetteBallung dürfte noch knapp einen Lichtmonat entferntsein. Passen Sie auf, daß Sie nicht in den rotenRiesen hineinfliegen. Er steht ziemlich nahe unsererFlugbahn.“

Tolot sah dem davonschreitenden Terraner nach.Dann beobachtete er den Doppelkopfmutanten IwanIwanowitsch Goratschin, der kurz vor dem Start nocheingestiegen war.

Iwans Gestalt, sonst beeindruckend durch ihreKlobigkeit, kam neben dem Haluter nicht mehr vollzur Geltung. Tolot war noch um einen Meter größerund wesentlich breiter. Der linke Kopf, Iwan derÄltere meinte barsch:

„Brüderchen, wenn du eine Heimtücke im Sinnhast, werden wir dich in eine explodierende Bombeverwandeln. Du weißt doch wohl, daß wir in derLage sind, Kohlenstoff- und Kalziumverbindungendurch einen paraphysikalischen Impulsstrom zurKernreaktion zu zwingen.“

„Versuche es“, lachte Tolot.„Laß den Unsinn“, schalt der linke Kopf,

Iwanowitsch der Jüngere. „Ich traue ihm. Er hat guteAugen.“

Gucky beugte sich nach vorn und tippte mit demFinger an das rechte Schläfenorgan des Haluters. Eswurde sofort von dem stufenlos bewegbarenFacettenlid verschlossen.

„Gute Augen - hast du es gehört, Großer?“kicherte der Mausbiber. „Soll ich den beidenDummköpfen verraten, was du alles kannst? In eineBombe wollen sie dich verwandeln, eh...? Freunde,dann bekommt ihr es mit mir zu tun.“

Tolot schritt zu seinem Spezialsitz hinüber. Er warauf Opposite angefertigt worden und glich einemüberdimensionalen Konturlager. Fünf Minuten späterbegann der Kalupsche Konverter zu dröhnen. Das

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entstehende Halbraumfeld schirmte die energetischenEinflüsse des Einstein-Universums und jene, desfünfdimensionalen Hyperraumes ab.

Die CREST II verschwand in einer irrlichterndenLeuchterscheinung. Der USO-SchlachtkreuzerDAUNTU folgte unverzüglich.

Das Manöver dauerte nur wenige Augenblicke.Als die Positronik das Eintauchmanöver beendethatte und die Bildschirme der Normalortungaufleuchteten, stand die CREST II nur vierMilliarden Kilometer querab von dem violettenKugelhaufen.

Mächtige Energiestürme griffen die Schutzschirmedes Giganten an. Die CREST begann zu vibrieren.Die Schwingungserscheinungen ließen erst einehalbe Stunde später nach. Die Sonnen wandertennach dem Grünsektor aus.

Andere Sterne, unübersehbar in ihrerverschiedenfarbigen Vielfalt, stellten sich dem mitnur halber Lichtgeschwindigkeit fliegenden Schiff inden Weg.

Die Bordpositronik warnte vor den stärkerwerdenden Erscheinungen der Zeitdilatation. AlsRhodan den Befehl geben wollte, die Fahrt nochmehr zu verringern, meldete sich die Ortungszentrale.Major Enrico Notami erschien auf denVerbindungsbildschirmen.

„Entweder bin ich wahnsinnig geworden, oder diehalbe Galaxis steht auf dem Kopf, Sir.“

„Darf ich fragen, ob Sie das für eine Meldunghalten?“ schrie Oberst Rudo wütend.

„Verzeihung, Sir. Energieortung Sektor Rot,28,34628 Grad Überhöhung. Schwerer Magnetsturm,konstanter Wert, Gravoschauer mit Stärke siebenTorst. Vor uns stehen sechs blaue Riesen. Sieverursachen die Störungen.“

„Na und was ist daran so ungewöhnlich? Hier gibtes zahllose blaue Riesen. Eine Extremballung ausvioletten Sternen haben wir soeben erst passiert.Verlieren Sie nicht die Nerven, Notami.“

Die farbige Bildübertragung verriet, daß der Majorerblaßte. Stockend entgegnete er:

„Jawohl, Sir, das stimmt schon. Diese sechs Sternesind aber keine Ballung; weder ein offener noch eingeschlossener Haufen. Die blauen Riesen stehen inder Form eines genauen geometrischen Sechsecks imRaum. Haargenau, Sir! Abstand zwischen deneinzelnen Sternen etwa 5,4 Milliarden Kilometer.Das von Ihnen gebildete Sechseck könnte nichtvollendeter sein. Das sieht aus, wie eine mit bestenGeräten gezeichnete Graphik!“

„Sind Sie übergeschnappt?“ fiel OberstleutnantBrent Huise ein. die für einen Normalterranermächtige Gestalt des Ersten Offiziers füllte NotamisBildschirm aus.

„Aber es ist ein geometrisch einwandfreies

Sechseck“, behauptete der Ortungschef weiterhin.„Sehen Sie es nicht? Wir haben es auf dieFrontschirme eingeblendet. Rechts über uns.“

Brent Huise lief rot an. Er wollte in seiner lautenArt lospoltern, schwieg aber, als er Rhodansbefehlende Handbewegung bemerkte.

Der Großadministrator beugte sich nach vorn.Angestrengt versuchte er, das Sterngewimmel mitden Blicken zu durchdringen. Es war so dicht undkompakt, daß es einer Wand aus ineinanderverschmelzenden Funken glich. Es war nur durcheinen Zufall möglich, mit bloßem Auge einebestimmte Konstellation zu erkennen. Wenn man dieLeuchtwand auflösen wollte, brauchte man starkeTeleskope oder erstklassige Masse- und Energietastermit Bildumwandlungs-Schaltungen.

„Ich kann nichts entdecken, Notami“, sprachRhodan in die Mikrophone. „Ruhe in der Zentrale,wenn ich bitten darf! Eine Elitebesatzung hat auchdann nicht den Kopf zu verlieren, wennaußergewöhnliche Dinge geschehen. Notami -können Sie ein klares Echobild herbeizaubern?“

Die dreißig Männer der Ortungsbesatzungarbeiteten fieberhaft. In der gewaltigen CREST IIwar es plötzlich still geworden. Die unwahrscheinlichklingende Nachricht war auf allen Stationen desSuperschlachtschiffes gehört worden.

Eine genaue geometrische Figur, gebildet aussechs Sonnen mitten im Ballungskern mit seinenextremen Verhältnissen...? Lächerlich! Notami mußtesich irren.

Der Ortungschef gab gleich darauf ein neuesMeßergebnis durch. Es klang nochunwahrscheinlicher, Notami bebte am ganzen Leib.

„Ortung an Chef. Sir, selbst wenn Sie michebenfalls für übergeschnappt halten - die sechsblauen Riesensonnen gleichen einander wie - wieKugellager aus derselben Präzisionsserie. VerzeihenSie den Vergleich. Es ist mir nichts Gescheitereseingefallen.“

„Unwichtig“, lenkte Rhodan ab. „Was können Siesonst noch feststellen?“

„Eine verblüffende Übereinstimmung insämtlichen astrophysikalischen Werten. Das sindeineiige Sechslinge, wenn ich so sagen darf!“

„Gibt es nicht“, meldete sich der Chefphysiker desSchiffes aus seiner Zentrale. Es war Dr. SpencerHolfing, ein korpulenter, cholerisch veranlagterMann, der zu den besten Wissenschaftlern desImperiums zählte. Holfing war ein Kalup-Schülerund neununddreißig Jahre alt.

Notami begann zu schwitzen. Holfings Bemerkung„gibt es nicht“ bedeutete für ihn einen moralischenNackenschlag.

„Ich bin doch nicht verrückt“ schrie der Orteraußer sich. „Meine Geräte arbeiten einwandfrei. Die

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geringen Störungen werden rechnerisch beseitigt.Hier laufen drei Spezial-Positroniken, Doktor.Kommen Sie doch nach oben und schauen Sie sichdie Sache an.“

„Worauf Sie sich verlassen können“, brüllteHolfing zurück. Sein Gesicht unter den frühzeitigweißgewordenen Haaren wurde krebsrot.

„Geben Sie mir die Meßwerte durch, Notami“,mischte sich der Chefmathematiker ein. Es war Dr.Hong Kao, ein kleiner, stiller Mann, der durch seineverwegenen Theorien bekannt geworden war. Erhatte meistens recht.

„Danke, Doktor“, sagte, der Orter erleichtert.„Achtung, ich leite die Impulswerte auf IhreGroßpositronik. Ich sage Ihnen nochmals, daß sichdiese Sonnen so gleichen, daß man sie nichtunterscheiden kann. Das Sechseck mit einer Neigungvon 22,758462 Grad im Rotsektor zu unsererFlugbahn.“

„Wie sind die Sterne angeordnet?“ fragte HongKao zurück.

„Das klingt noch verrückter. Sie stehen genau aufder gleichen Ebene, keinen Kilometer nach oben oderunten versetzt. Stellen Sie sich ein Rad mit sechsSpeichen vor, das an den Speichenenden sechsKugeln hat. Denken Sie sich jetzt die Speichen unddie Radnabe weg, und Sie haben genau dieKonstellation der Sechslinge.“

Major Jury Sedenko, der Zweite Offizier, tatetwas, was ihm niemand befohlen hatte. Er drückteauf den roten Knopf des Katastrophenalarms. DasHeulen der Sirenen peitschte die Männer aus ihrerErstarrung auf. Rennen und Hasten ihnFlottenflaggschiff des Solaren Imperiums.

Etwa viertausend druckfeste Schotts knallten zu.Die CREST II verwandelte sich in einvieltausendfältiges verschachteltes Wabengebilde. Injeder Abteilung gab es nochmalsSicherungsmaßnahmen gegen plötzlicheDruckverluste, Feuerherde und andereGegebenheiten, die bei schweren Treffern undnatürlichen Katastrophen vorkamen.

Rhodan griff automatisch nach seinemRaumanzug. In diesem Augenblick drehte sich Atlanmit seinem schwenkbaren Kontursitz um. Nur zehnMeter entfernt erblickte er einen riesigen Sessel vongleichen Konstruktionsprinzipien. In ihm ruhte IchoTolot.

„Wollten Sie uns das zeigen, Haluter?“ rief Atlanaus. „Nun reden Sie doch schon. Ich bitte darum.“

„Das ist sehr nett von Ihnen.“Tolot erhob sich. In seinem eigenartig wiegenden

Gang schritt er auf die Hauptkontrollen zu und bliebvor den Sitzen von Atlan und Rhodan stehen. Guckyund die beiden anderen Mutanten standen imHintergrund, dicht neben dem Auswertungsgehirn.

Tolots linkes Herz pochte hart und laut. SeineAugen schienen sich an den Bildschirmen derKonverspeicher festsaugen zu wollen. DieHyperimpulse der Masse- und Energietaster wurdenin Bildsymbole umgewandelt.

Wilde, jubelnde Freude erfüllte den Haluter. Dasgrößte Rätsel der bekannten Milchstraße lag vorihnen; ein Rätsel, dem man nach einem uraltenhalutischen Beschluß immer ausgewichen war. Eswar zu groß, zu gewaltig und zu undurchschaubar.

Es lag in Tolots Erziehung und Mentalitätbegründet, daß er in erster Linie an die Gesetzeseines Volkes dachte. Hatte er sie bereits gebrochen,als er die Koordinatengruppe bekanntgegeben hatte?

„Nein!“ sagte sein Planhirn aus, das dieGegebenheiten durchgerechnet hatte. Trotzdem, daswußte Tolot, war noch etwas zu tun.

Er fand die eigenartigste Konstellation der Galaxis.Was andere Augen nicht erblicken konnten, dasnahm er wahr.

„Tolot...!“ mahnte Atlan. „Wollten Sie nicht etwassagen?“

„Bitte, bestätigen Sie mir in aller Form, daß Siedas Sonnensechseck ohne mein Zutun entdeckthaben. Bitte, es ist für mich wichtig.“

„Ich verstehe“, fiel Rhodan ein. Ein sinnenderBlick streifte den Giganten. „Ich bestätige also, daßunsere Ortung etwas gefunden hat, was wir jetzt nochfür unwahrscheinlich halten. Sie haben keineHinweise gegeben, sondern uns nur darüberaufgeklärt, wo mit großer Wahrscheinlichkeit derSchwere Kreuzer OMARON verschollen ist. GenügtIhnen das?“

„Vollkommen. Ich bedanke mich. Verzichten Sieauf weitere Zweifel. Das, was Major Notami geortethat, existiert wirklich. Ich beglückwünsche Sie zuIhrer Entdeckung, Jedoch möchte ich Sie gleichzeitigwarnen.“

„Wovor?“ fragte Mory rasch. Ihre Wangen hattensich vor Erregung gerötet. Dr. Spencer Holfing kamaus seinem Antigravlift und rannte durch dieZentrale.

Captain Don Redhorse, ein Terraner aus demVolke der Cheyenne-Indianer, ging ihm aus demWege. Kopfschüttelnd blickte er dem weißhaarigenMann nach, der wie eine lebendig gewordene Raketedurch das Schott der Ortung glitt.

„Verrückt“, murmelte Redhorse vor sich hin.Leutnant Orsy Orsen grinste versteckt und schaute

zu seinem Freund Finch Eyseman hinüber, dessenverträumte Braunaugen in einem inneren Feuer zulodern schienen.

Eyseman war der größte Idealist an Bord derCREST II. Die Begriffe „Raumfahrt“ und„Völkerfreundschaft“ bedeuteten für ihn eine Einheit.Er bewunderte den Haluter, der soeben mit seiner

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dröhnenden Stimme erklärte:„Wovor, Madam? Das kann ich Ihnen auch nicht

sagen. Kein Haluter ist jemals so nahe an die sechsSonnen herangeflogen, um genau sagen zu können,was sie darstellen.“

„Darstellen?“ griff Rhodan die Erklärung auf.„Tolot - Sie verbergen uns etwas. Wieso benutzenSie ausgerechnet den Begriff ‚darstellen‘? Imgebräuchlichen Interkosmo ist er mit einerbestimmten Handlung, oder auch mit einemkünstlerischen oder technischen Produkt verbunden.Diese sechs Sonnen können demnach nur dann etwasdarstellen, wenn sie...!“

Rhodan unterbrach sich. Er bemerkte Atlansangespanntes Gesicht und Morys plötzliche Blässe.Die CREST II raste immer noch mit halberLichtgeschwindigkeit auf etwas zu, was man mitbloßem Auge noch nicht sehen konnte.

„Ja, Sir, was wollten Sie sagen?“ fragte Icho Tolot.Er war jetzt ganz ruhig. Er hatte die Gesetze seinesVolkes nicht gebrochen. Sein Hinweis auf diegalaktische Position, wo man die beiden terranischenSchiffbrüchigen gefunden hatte, war kein Hinweisauf die sechs Sonnen gewesen.

Rhodan suchte nach Worten. Er wurde von einerLautsprecherstimme unterbrochen. Dr. Hong Kaowar am Gerät.

„Mathematische Zentrale, Auswertung.Ortungsergebnisse sind richtig. Es handelt sich umein Sonnensechseck. Alle Sterne gleichen sich aufsHaar. Die Positronik zieht Parallelen zu demPyramidensechseck, das vor einundsiebzig Jahren aufdem Planeten Kahalo gefunden wurde. DieVergleichswerte sind eindeutig. DieDatenverarbeitung ergibt, daß diese Sonnen künstlichin die Sechseckposition gebracht wurden.“

„Nein!“ stöhnte Rhodan. „Das ist dochWahnsinn!“

„Tatsache, Sir“, fuhr der Chefmathematiker fort.„Dagegen steht es fest, daß die Sterne nicht ebenfallswillkürlich erzeugt wurden. Es handelt sich fraglosum echte Sonnen, die jedoch von unbekanntenMächten nach einem Auswahlprinzip im galaktischenKern zusammengebracht und anschließend zu diesemSechseck gefügt wurden.“

„Hören Sie auf“, bat Mory bebend. „Sie - Siewissen nicht, was Sie sagen.“

„Leider doch, Madam. Ich beziehe mich auf diepositronische Auswertung. Es kann keine natürlicheKonstellation in dieser Form geben. Das istphysikalisch unmöglich. Jemand, gegen den wir imVerhältnis Steinzeitwilde sind, hat sechs Sterne vongenau gleicher Größe, Masse undOberflächentemperatur gesucht, gefunden, sie ausden alten Umlaufbahnen um das galaktische Zentrumherausgezerrt und sie an der Stelle, die wir jetzt

entdeckt haben, zu einer geometrischen Figur vereint.Die Positronik geht sogar noch weiter. Sie stellt fest,daß die astrophysikalische Gleichheit der Sonnenauch nicht natürlich sein kann. Eben erhalte ich dieletzten Daten. Ja, hier, sehen Sie selbst...!“

Zwei Diagrammstreifen wurden auf demBildschirm erkennbar.

„Sehen Sie? Die Auswertung zieht den logischenSchluß, daß die absolute Übereinstimmung nur durcheine physikalische Korrektur, durch einKoordinierungs- oder Synchronisationsverfahrenhergestellt worden sein kann. Anders läßt sich dieSechsling-Verwandtschaft nicht erklären. Sir - wirstehen vor dem größten Phänomen der Milchstraße.“

„Ich habe es geahnt“, sagte Rhodan leise. SeineHände hatten sich um die Sessellehnen gekrallt. „Ichhabe es geahnt, als der Haluter den Begriff‚darstellen‘ gebrauchte Oberstleutnant Huise - holenSie Dr. Holfing aus der Ortung. Der Mann soll sichbeherrschen. Ich brauche meine Funker nochdringend. Atlan - du warst zusammen mit mir aufKahalo. Weckt die Sechseckkonstellation auch in dirgewisse Erinnerungen?“

„Sogar ganz bestimmte“, bestätigte der Arkonidemit wiederkehrender Ruhe. Er hatte jetzt ebenfallsdie sechs leuchtenden Punkte aus der Masse deranderen Sterne herausgefunden. Es gab keinenZweifel mehr - das war ein seitlich geneigtesSechseck.

„Mir scheint, Perry, als hätten wir es nicht mehrnötig, die Welt der Bigheads zu suchen! Hier ist dieEndlösung. Erinnerst du dich daran, daß ich damalsdie Theorie aufstellte, die sechs Pyramiden könnteneine Art von Transmitterstation sein? Alles was inden strahlenden Kern geriet verschwand. DieseSonnen...!“

„Jetzt behaupten Sie nur nicht, wir hätten einenGigant-Transmitter entdeckt, den ein unbekanntesVolk erbaut hat“, brüllte Dr. Spencer Holfing, dervon Huise mit sanfter Gewalt aus der Ortungszentralegeschoben wurde.

„Hören Sie, Sir - ich bin an allerlei gewöhnt,seitdem ich mich an Bord dieses Schiffes befinde.Die jetzt aufbrandenden Theorien schlagen aber demFaß den Boden aus. Wenn Sie ernsthaft behauptenwollen, die sechs Sonnen wären ein halb künstlichund halb natürlich aufgebauter Transmitter, der seineEnergie direkt von ihnen erhält, dann, dann...!“

„Was dann?“ unterbrach Atlan gelassen. „DenkenSie an Ihren Blutdruck, Doktor. Ihr Terraner lernt esnie. Beherrschung, mein Guter, Beherrschung.“

Holfing drohte zu explodieren. Er kämpfte umLuft. Dann trat er dem Ersten Offizier gegen dasSchienbein, schlüpfte an dem fluchenden Mannvorbei und verschwand wieder in der Ortungsstation.

Tolot schlug seine vier Hände zusammen und

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wiegte den Titanenkörper auf den kurzenSäulenbeinen.

Dabei lachte der Haluter so dröhnend, daß denMännern die Ohren schmerzten.

„Jetzt kann ich mir ungefähr vorstellen, was aufseiner Welt losgewesen ist, als wir unsere erstenStreiche um die galaktische Machtpositiondurchgeführt haben“, murrte Oberst Rudo. „Wenn dieBurschen immer so brüllen, braucht man sich nichtzu wundern, daß sie kleine Ohren haben. Dieschirmen sie einfach ab. He, aufhören! Auf meinemSchiff herrscht Disziplin. Sie sollen aufhören!“

Icho Tolot lachte weiter. Die Reaktion derTerraner auf das galaktische Wunder war so, wie eres sich ausgemalt hatte. Für Tolot gab es keinenZweifel mehr daran, daß die Vertreter dieses jungengalaktischen Intelligenzvolkes etwas wagen würdenwas selbst halutische Schlachtflotten nicht riskierthatten. Tolot wußte jetzt, wie richtig er die Menscheneingeschätzt hatte. Sie verdienten es vor Problemegestellt zu werden. Sie würden auch mit demSonnensechseck fertig - so oder so.

Auswertung über Auswertung lief in der Zentraledes Superschlachtschiffes ein. Die Theorien häuftensich. Die wissenschaftliche Besatzung stritt erregt,die Soldaten diskutierten im Rahmen ihresAusbildungsstandes.

Die tollsten Hypothesen wurden laut.Die Galaktonauten, unter ihnen vordringlich die

hyperphysikalisch geschulten Fachoffiziere, tipptenauf einen Stoßfrontgenerator zur Erzeugungverschiedener Gravitationsstürme. Sie gaben an,irgendwo müßte es einen Planeten mitMaschinenanlagen geben, von denen die abgezapfteEnergie der blauen Sonnen verwertet werden könnte.

Das war nur eine Mutmaßung von vielen. AtlansTransmittertheorie war abwegig. Es ließen sich keinewissenschaftlichen Beziehungen dazu finden.

Rhodan schloß sich den Mathematikern an, diebehaupteten, das Gebilde aus sechs künstlichzusammengefügten Sonnen können nur alsVersorgungsanlage für irgendeine Waffe oderKraftstation dienen. Das Auftauchen eines bisherunbekannten Zentrums-Volkes wurde vorausgesagt.Dahingehend lautete auch die Auswertung derBordpositronik.

Icho Tolot hielt sich zurück. Er hatte keinebestimmte Meinung. Das Sonnensechseck war auchnoch zu weit entfernt, als daß man nähereUntersuchungen hätte durchführen können.

Eine Stunde nach der ersten Energieortung erklangdie Stimme des Kommandanten aus allenLautsprechern.

„Klar zum Manöver, Freiwache auf Stationen.Major Wholey - Nachricht an KommandantDAUNTU Der Schlachtkreuzer soll uns folgen

Abstand von zehn Milliarden Kilometern einhalten,volle Gefechtsbereitschaft herstellen.“

Major Kinser Wholey, ein Terraner mitebenholzschwarzer Haut, bestätigte. Seine Zähneleuchteten auf dem Bildschirm derBefehlsverbindung. Der Chef der Funkzentrale lachtegern und viel.

Sekunden später wurde die DAUNTU angerufen.Der USO-Kommandant leitete dieManöverkoordinaten in seine Linearpositronikweiter.

Der Kalup der CREST II begann zu dröhnen.Wieder verschwand die gigantische Kugel in derlinearen Zwischenzone, um die wenigen Lichtmonaterasch überwinden zu können.

Der USO-Schlachtkreuzer folgte auf gleichemKurs. Auf dem Spezialbildschirm leuchteten einigekaum erkennbare Punkte, um die sich zur Zeit allesdrehte.

Icho Tolot sang vor sich hin. Es war ein Kampfliedseines Volkes. Gucky hatte sich im Schoß des Riesenzusammengerollt. Bebend lauschte er auf die Töne,die über Tolots monströse Lippen kamen.

Die Menschheit schickte sich an, ein Rätsel zulösen, dem das ehemals mächtigste Volk der Galaxisaus dem Weg gegangen war. Icho Tolot bewundertedie Männer vom dritten Planeten der Sonne Sol.

4.

Flammenspeere durchzuckten den Raum zwischenden Zentrumssternen. Die energetischen Entladungenwurden von der Außenbordoptik wahrgenommen undauf die Bildschirme übertragen. Im absolutenVakuum wären die Lichtblitze infolge einesfehlenden Leiters unsichtbar geblieben. Hier konnteman sie sehen; ein Zeichen dafür, daß der Raumzwischen den Sonnen nicht wirklich leer war.

Die CREST II bremste mit vollsterGegenbeschleunigung von 620 km/sec2. Unter derhermetisch abgeriegelten Zentrale, einer Kugel imMittelpunkt der Schiffszelle, tosten die gigantischenFusionsmeiler der Kraftwerke. Seit drei Sekundenwurde jedes Watt benötigt, um die plötzlich unterVollast laufenden Schutzschirmprojektoren mitArbeitsstrom versorgen zu können.

Es war, als wäre man in eine Hölle eingetaucht.Die gasförmige Materie so fein verteilt, daß sie mitden empfindlichsten Meßgeräten kaum nachweisbarwar, wurde schon bei halber Lichtgeschwindigkeit zueiner Wand aus Schmirgelpapier.

Die Partikel peitschten in die Schutzschirmehinein, versuchten sie zu durchdringen und denstählernen Körper des Superschlachtschiffes in einenaufglühenden Glutball zu verwandeln.

Der Kommandant der DAUNTU war im

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Schwerefeld eines roten Riesensterns aus demLinearraum herausgekommen. Die Besatzung deswesentlich kleineren Schiffes kämpfte um ihr Leben.Die Hyperkomverbindung war abgerissen. DieOrtung der CREST konnte lediglich feststellen, daßdie Eintauchfahrt des USO-Schlachtkreuzers nur fünfProzent einfach Licht betrug. Wieso es zu einersolchen Geschwindigkeitsverringerung gekommenwar, konnte niemand erklären. Fest stand nur, daß dieDAUNTU ebenfalls mit halber Lichtgeschwindigkeitzum Linearflug angesetzt hatte. Unter normalenUmständen hätte sie damit auch wieder in denEinstein-Raum zurückkehren müssen.

Der Alarm gellte durch die Stationen der CREST.Diesmal zeichnete sich tatsächlich eine Katastropheab. Major Jury Sedenko hatte nicht lange zu fragenbrauchen, ob er die Sirenen einschalten sollte odernicht. Jedermann sah, daß die CREST ins Unheilhineinraste.

Die typischen Fehlberechnungen im Bereich derZentrumsballung hatten bisher immer wiederausgeglichen werden können. Wilde Manöver,materialzerreißend und maschinenzermürbend, warenzwei Tage lang geflogen worden. Die ungenauenkosmonautischen Unterlagen hatten auch bei diesemLinearflug zur Anwendung des Gißverfahrensgezwungen. Als Folge davon war dasFlottenflaggschiff nur knapp fünfzig MillionenKilometer vom untersten Eckstern desSechsersystems herausgekommen.

Ungeheure Gravitations- und Magnetstürmegriffen die überlasteten Abwehrschirme an. Infolgeder Notbremsung benötigten dieAndruckneutralisatoren ebenfalls größereEnergiemengen. Der Arbeitsstrom konnte jedochnicht voll zur Verfügung gestellt werden, da dieSchirmprojektoren hundertprozentig die Kapazitätder Kraftwerke beanspruchten.

Chefingenieur Major Bert Hefrich hatte in einermanuellen Blitzschaltung die Reservestationenanlaufen lassen. Zur Zeit fuhr er die Meiler mitKatastrophenwerten hoch. Er konnte nochmalstausend Megawatt zur Verfügung stellen. Davonwurden jedoch fünfhundert MW auf dieSchirmprojektoren geleitet. Den verfügbaren Resterhielten die Andruckneutralisatoren.

Die Impulstriebwerke der CREST warenSelbstversorger. Die zum gefahrlosen Betrieberforderlichen Reaktionskammer- undDüsenabstrahlungsfelder wurden von den synchronlaufenden Hochleistungskonvertern der Triebwerkeaufgebaut.

Die Einrichtung hatte sich bereits tausendfach inGefechten bewährt. Jetzt hatte sie für die Erhaltungdes Schiffes gesorgt. Hefrich nahm sogar das Risikoauf sich, die Sicherheitsüberschußleistung der

Triebwerksaggregate auch noch auf dieSchutzschirme zu schalten.

Die bewußt primitiv gehaltenen Preßluftschalter,zuverlässig bis ins Extrem und unabhängig vonFremdversorgern, schlugen die Polplatten imBruchteil einer Millisekunde zusammen. DieTriebwerksumformer lieferten eineAusgangsspannung von fünfhunderttausend Volt. DieÜberschußleistung lag bei zweihundert Megawatt.

Rüttelnd und schüttelnd, mehr einemaltertümlichen Radfahrzeug auf schlechten Straßenals dem modernsten Superriesen der Solaren Flottegleichend, jagte die CREST II auf die deutlicherkennbaren Sonnen zu.

Sie standen tatsächlich nur knapp fünfLichtstunden voneinander entfernt. Nicht die kleinsteUnregelmäßigkeit im geometrischen Gefüge deutetedarauf hin, daß es sich doch um eineunwahrscheinliche Zufallskonstellation handelnkönnte. Dieses Gebilde war künstlich aufgebautworden.

Wer war wissenschaftlich und technisch in derLage, blaue Riesensterne, die pro Einheit wenigstensfünfhundertmal größer waren als die irdische Sonne,aufzuspüren, sie aus den ursprünglichenUmlaufbahnen zu zerren und sie anschließend zueinem Sechseck zu ordnen?

Das Aufspüren war dabei noch die geringfügigsteSchwierigkeit. Die von der Positronik erwähnteAnpassung war dagegen überhaupt nicht zubegreifen. Der menschliche Verstand weigerte sich,das Ungeheuerliche als Tatsache zu akzeptieren.

In diesen Sekunden gab es an Bord der CRESTaber niemand, der sich darüber Gedanken gemachthätte. Jetzt ging es ums Leben.

Die Gravitationskräfte der sechs blauen Riesenzerrten das Schiff näher und näher heran. TolotsPlanhirn rechnete mit gewohnter Schnelligkeit.

Schon zwei Sekunden später hatte der Haluterfestgestellt, daß die zur Verfügung stehendenSchubkräfte im Einklang mit den aufgebautenAntigravitationsfeldern ausreichen mußten, um dasFlottenflaggschiff aus dem Bann der Sechsergruppeherauszureißen - vorausgesetzt, man stieß nicht aufweitere Abnormalitäten!

Anschließend begann Tolot mit der Berechnungder Parabel, die bei dem bereits eingeleitetenAusweichmanöver nach Rot entstehen würde. DieWerte veränderten sich durch die Fahrtverzögerungsehr rasch.

Rhodan hatte keinen Augenblick lang die Ruheverloren. Der epsalische Kommandant ebenfallsnicht. Er, der für die Schiffsführung tatsächlich dieVerantwortung trug, hatte ohne zeitraubendeRückfragen seine Befehle erteilt.

Rhodan hielt sich zurück. Er beobachtete nur. Es

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oblag dem Schiffskommandanten, Manöver aller Artdurchzufahren. Rhodan, Atlan und Mory fungiertenals übergeordnete Befehlsgeber für strategische undtaktische Aufgaben. Die Ausführung war eine Sachevon Oberst Cart Rudo.

Die Besatzung hatte die Druckhelme derRaumanzüge geschlossen. Bei dem Heulen undTosen der unter Vollast laufenden Kraftwerke,Projektoren und Triebwerke war eine akustischeNormalverständigung nicht mehr möglich. Diegewaltige Kugelzelle der CREST glich einerschwingenden Glocke.

„Manöver läuft, Sir“, gab der Erste Offizier überHelmfunk durch. „Das sind aber sechs prächtigeBurschen. Die wollen uns kurzfristig verdauen,was?“

Brent Huise lachte. Er war Galaktonaut ausLeidenschaft.

„Denen werden wir es zeigen“, fügte er seinenWorten hinzu. Mit „denen“ waren die blauen Sonnengemeint. Der untere Eckstern flammte auf denBildschirmen der Näherfassung in voller Größe. Diefünf anderen Sterne erschienen auf den Flächen derWeitwinkelaufnahme.

Weitere Bildschirme zeigten die Schutzschirme.Im materieabstoßenden Außenfeld tobtenirrlichternde Energieorkane. Dort wurden dieeinschlagenden Partikel der kosmischen Gase atomaraufgelöst und abgestrahlt.

Der hyperenergetische Absorptionsschirm nahmdie fünfdimensionalen Kräfte auf. Die oberenPolgeschütze, schwerste Desintegratoren der Flotte,hatten das Feuer auf erkannte Gasballungen eröffnet.Die Kanonen gehörten ebenfalls zu denStrom-Selbstversorgern.

Nochmals drei Sekunden später kamen die erstenGravos durch. Die Neutralisatoren konnten dieentstehenden Beharrungskräfte nicht mehr in vollemUmfange aufnehmen Die Kontursessel derBesatzungsmitglieder klappten mit steigenderBelastung nach hinten zurück. Die Lager wurdenimmer flacher, bis die Männer mit leichtangewinkelten Beinen in den hydropneumatischenPolstern lagen und um Atemluft kämpften.

Icho Tolot rechnete fieberhaft. Moderne Schiffevom Range der CREST waren auf solche Extremfällevorbereitet. Wieso wurde die Ausweichkurve immerflacher, weshalb stimmten die vorher ermitteltenWerte nicht?

Die Meßgeräte zeigten bereits 3,023 Gravos an.Tolot schaltete seinen Mikrogravitator ab, der ihmnormalerweise die hohe Schwerkraft seinerHeimatwelt ersetzte.

Als er sich erhob, fühlte er sich trotz dersteigenden Andruckbelastung noch immer leichter alsauf Halut.

Mühelos, vorsichtig die Füße auf den Bodensetzend, schritt er zu Rhodan und Atlan hinüber, diebereits in erheblichem Umfang mit dendurchkommenden Andruckkräften zu kämpfenhatten.

Rhodans Gesicht war verzerrt. Er drehte mühevollden Kopf und lallte etwas, was Tolot zuerst nichtverstehen konnte. Dann klangen einige Wortfetzenauf.

„Tolot - anomal, physikalisch unmöglich. Etwastun - Notschaltung bei vier Gravos auf Absorber -Reibungshitze durch Schirmschwächung in Kaufnehmen - verstanden...?“

„Verstanden. Ich tue, was ich kann. Atmen Sieruhiger. Nicht sprechen!“

Oberst Cart Rudo, der an hoheSchwerkrafteinflüsse gewöhnte Epsaler, warebenfalls noch handlungsaktiv. Auch er hatte seinenGravitator abgeschaltet.

In diesen Sekunden stellte die Ortung fest, warumdie CREST II trotz der hohen Bremsschubleistungnicht langsamer wurde. Mit einer Fahrtverringerungwären alle Probleme beseitigt gewesen.

Die Materiewolke aus schmirgelnden Gaspartikelnhätte ihre Schrecken verloren. Die stromfressendenSchutzschirme hätten heruntergeschaltet und dieAndruckabsorber hochgeschaltet werden können.Durch die unverminderte Geschwindigkeit war einesolche Maßnahme jedoch unmöglich, oder das Schiffwäre verglüht. Die Fahrt lag immer noch knappunterhalb fünfzig Prozent einfach Licht.

In diesem Augenblick schlugen sämtlicheStrukturtaster des Superschlachtschiffes durch. Nachdem Bersten und Krachen wälzten sichQualmschwaden durch die Zentrale. Gleichzeitigentstand im Schnittlinienzentrum zwischen den sechsSonnen eine flammende Energieballung, aus der einorangeroter Strahl hervorzuckte.

Cart Rudo schrie. Die Normaloptik zeigte dieLeuchterscheinung nicht an. Sie mußte lichtschnell,oder noch schneller als der Lichtstrahl sein.

Lediglich die Hyper-Energieortung registrierte dentitanischen Ausbruch und machte ihn auf denReflexschirmen sichtbar.

Dann war der Strahl schon da. Er fing das Schiffein, ließ es bis zu den letzten Verbänden erbeben undumhüllte es.

„Tolot, Linearmanöver, schnell“, schrie Cart Rudo.Icho schaltete die Überlichtflugautomatik auf

Manuellbetrieb um. Sein Daumen zertrümmerte dieSchutzkappe über dem roten Katastrophenknopf, dergleichzeitig in Kontaktstellung gedrückt wurde.

Es geschah nichts! Der Kalup des Schiffes sprangnicht an. Dafür kam es aber zu einem anderenPhänomen!

Die Beharrungskräfte, die in den letzten Sekunden

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auf acht Gravos angestiegen waren, verschwandenunvermittelt. Die Schutzschirme hörten auf zuflammen. Die Zentraleautomatik schaltete diefreiwerdenden Leistungsmeiler sofort auf dieAndruckabsorber um.

Tolot erkannte jedoch, daß die plötzlicheEntlastung keineswegs den nunmehr vollversorgtenNeutralisatoren zuzuschreiben war.

Auf den Bildschirmen der CREST loderten diesechs Sonnen. Es war eindeutig, daß man mit einerunwahrscheinlichen Fahrtbeschleunigung angezogenund in das turbulente, violett und orangerotleuchtende Konzentrationsgebiet zwischen denSternen hineingerissen wurde.

Da ahnte Icho Tolot, warum seine Vorfahrendarauf verzichtet hatten, die rätselhaftesteKonstellation der Milchstraße zu erforschen! Siemußten gewußt haben, wie gefährlich die blauenSechslinge waren..

Die CREST II war nicht mehr aufzuhalten. Siewurde von unvorstellbaren Gewalten angezogen; vonKräften, deren Energiequelle die sechs Riesensternewaren. Dagegen waren die Kraftwerke desSuperschlachtschiffes trübe Talglichter. Hier war dieNatur selbst technisch nutzbar gemacht worden.

Selbst der reaktionsschnelle Haluter begriff nochnicht die wahre Sachlage. Als er sich einigermaßenerleichtert nach Rhodan umdrehen wollte, sprang derGroßadministrator aus seinem Sessel, schleuderte dieArme in der Luft umher und begann wie einWahnsinniger zu schreien.

Auch Atlan, Mory, Cart Rudo und die anderenBesatzungsmitglieder wurden übergangslos voneinem Psychoschock betroffen, der eindeutigeSymptome des beginnenden Irrsinns zeigte.

Nochmals eine Sekunde später wurden die jählingsErkrankten von einer Welle des Verfolgungswahnsübermannt. Rhodan tobte wie die beiden Raumfahrer,die Fancan Teik in diesem Gebiet aufgefischt hatte.

Atlan schrie etwas von einem hellen Licht. Es wardie gleiche Aussage, die auch die anderen Krankengemacht hatten. Da wußte der Haluter, wodurch sieden Verstand verloren hatten.

Das helle Licht - das konnte nur der orangeroteEnergiestrahl sein. Vielleicht war auch das Gluten imgenauen Schnittlinienpunkt des Sechsecks gemeint.

Tolot wartete nicht mehr länger. Mühelos wehrteer die Rasenden ab sprang zu seinem Sessel hinüberund ließ sich hineinfallen.

Auf den Bildschirmen loderte die energetischeZentrumsballung. Icho Tolot begann mit derTotalumstellung seiner Zellstruktur. Sein Körperverwandelte sich in einen kristallin hochverdichtetenMetallblock, in dem nur noch wenigelebensnotwendige Zellgruppen organisch blieben.

Es war in letzter Sekunde geschehen. Tolot

bemerkte noch das blendende Aufleuchten derSchutzschirme. Ein Entmaterialisierungsschockpeinigte die wenigen Nervenzellen, die er nicht derStrukturumwandlung unterzogen hatte.

Die Körper der schreienden Terraner wurden zunebelhaften Materiewolken. Die Zentrale wurdedurchsichtig, löste sich schließlich ganz auf undverschwand aus dem Gefüge des vierdimensionalenRaumes. Das Dröhnen verebbte.

Dann war nichts mehr.

*

Die Triebwerke der DAUNTU liefen mit vollerSchubleistung. Langsam schob sich der fünfhundertMeter durchmessende Schlachtkreuzer aus demGravitationsfeld der roten Riesensonne heraus undnahm wieder Fahrt auf.

USO-Kapitän Rono Batlos versuchte vergeblich,den abgerissenen Funkkontakt mit der CRESTherzustellen.

Während der moderne Schlachtkreuzer unterEinsatz aller verfügbaren Kräfte eine in den Raumschießende Protuberanz durchstieß und auch nochdieses atomare Inferno abwehrte, blähten sichzwanzig Milliarden Kilometer entfernt die sechsSonnen auf.

Kaum dem Unheil entronnen wurde die DAUNTUschon wieder bis zur Festigkeitsgrenze belastet.

Batlos, der sich aus seinem Sessel erhoben hatte,um die Funkzentrale aufzusuchen, wurde durch dieAufprallwucht eines magnetischen Orkans so hart zuBoden geschleudert daß er fast das Bewußtseinverlor. Ein Roboter half ihm auf die Beine und führteihn zu seinem Konturlager zurück.

Die Anschnallgurte schnappten aus den Lehnenund fesselten den Kapitän an den Sitz.

Zu dieser Zeit gewann die DAUNTU schnell anFahrt. Die rote Sonne konnte nicht mehr gefährlichwerden. Mit knapp 600 km/sec2 Beschleunigungraste der Kreuzer in die freie Zone zwischen denSternen hinaus. Schon nach zwanzig Sekunden wardie Entfernung zu dem roten Stern so angewachsen,daß die Hyperortung wieder zu funktionieren begann.

Das Flottenflaggschiff erschien auf denEchoschirmen. Die Meßwerte wurden ausgewertetund als optische Signale auf die Kontrollschirmeeingeblendet.

„Sir...!“ schrie der Erste Offizier der DAUNTU.Entsetzt deutete er auf den dreidimensionalenPositionsgeber, auf dem der Leuchtpunkt der CRESTmit irrsinniger Geschwindigkeit auf die sechs Sonnenzuglitt.

Mitlaufende Leuchtskalen gaben die Daten an. DieCREST beschleunigte mit wenigstens zehntausendKilometer pro Sekundenquadrat. Das war ein Wert,

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den kein Triebwerk erreichen und den keinAndruckneutralisator absorbieren konnte.

Kapitän Batlos wischte sich das Blut von der Stirnund starrte leichenblaß auf den Positionsgeber.

Ehe der Kommandant einen Entschluß fassenkonnte, verschwand die CREST II im Zentrumzwischen den sechs Sonnen. Eine ungeheureKugelblitz-Entladung blendete auf.Hyperenergetische Stoßfronten ließen die beidenAußenschutzschirme des Schlachtkreuzerszusammenbrechen. In sämtlichen Abteilungen gingenGeräte zu Bruch. Maschinen wurden von denFundamentsockeln gerissen.

Gleichzeitig erfolgte ein Strukturschock vonsolcher Stärke, daß auch auf der DAUNTU die Tasterdurchbrannten.

Ein fast raumuntüchtig gewordenes Schiff rollteund schlingerte durch die Gefahrenzone zwischenden Ballungswelten.

Die Besatzung brauchte lange, ehe sie die Sachlageerfaßt hatte. Die gewaltige CREST warverschwunden. Sie war im Feuerorkan zwischen denSonnen vergangen, als hätte es sie niemals gegeben.

„Jetzt wissen wir, wo die vier Forschungskreuzerverschollen sind“ sagte der Erste Offizier tonlos.„Sir, die CREST kann nicht mehr ausgemachtwerden.“

Kapitän Batlos wagte es, bis auf zehn MilliardenKilometer an die Sechsergruppe heranzufliegen. Alssich erste Anzeichen für ein erneutes Aufblähen derblauen Riesen ergaben, stieß Batlos, ohne eineSekunde zu zögern, in den Linearraum vor.

Es war ein Blindmanöver, wie man es nur inAugenblicken höchster Gefahr wagen konnte. Indieser Zone konnte es die Vernichtung bedeuten.

Batlos blieb nur fünf Sekunden lang in derZwischenzone. Als er in den Normalraumzurückkehrte, waren die sechs Sterne so weit entferntdaß man sie im Gewimmel der anderen Sonnen mitbloßem Auge nicht mehr ausmachen konnte.

Die am dringendsten erforderlichen Reparaturendauerten acht Stunden. Während dieser Zeitversuchten die Funker der DAUNTU, mit einemanderen Suchschiff des aufgelösten VerbandesVerbindung aufzunehmen.

Erst nach neun Stunden meldete sich dasterranische Schlachtschiff HELOS unter dem Befehlvon Kommodore Abd el Karit. Die HELOS stand nurzwanzig Lichtstunden entfernt. Kommodore Abd elKarit war der Chef der dritten Schlachtschiffgruppeaus der neunten Gegenschlagsflotte. Ihmunterstanden außerdem zwei Aufklärungsverbände.

Die Bildverbindung war schlecht. Der Ton kambesser durch. Kapitän Batlos erstattete Bericht.

Der terranische Kommodore zögerte nicht lange.Er unterbrach die Durchsage, ließ sich die

annähernde Position geben, forderte Peilsignale anund stieß zusammen mit zwei Leichten Kreuzern derStädteklasse in den Linearraum vor.

Zwei Stunden später wurde die DAUNTU von denTraktorstrahlern desAchthundert-Meter-Schlachtschiffes eingefangen undlängsseits bugsiert.

Batlos und einige Offiziere stiegen auf die HELOSum. Sie hatten alle Unterlagen mitgenommen, diewährend der Suchaktion angefertigt worden waren.

Die letzten Ergebnisse wiesen aus, daß die CRESTII in der Energieballung zwischen den sechs Sonnenverschwunden war.

Drei weitere Schiffe des Suchverbandes trafen ein.Darunter befand sich ein Kreuzer desExperimentalkommandos mit einer wissenschaftlichgeschulten Besatzung.

Zusammen mit diesem Kreuzer stieß Abd el Karitim direkten Linearflug bis zu den sechs Sonnen vor.Die Messungen wurden mit größter Vorsichtvorgenommen. Die Theorien, die bereits an Bord derCREST aufgestellt worden waren, beschäftigten nundie Männer der beiden Raumschiffe.

Die CREST meldete sich nicht mehr. KommodoreAbd el Karit ermittelte endgültig die galaktischePosition des Sonnensechsecks. Es stand 50816Lichtjahre von der Erde entfernt und befand sichnahe dem absoluten Zentrum.

Zwei schnelle Kreuzer wurden nach Oppositezurückgeschickt. Der Großalarm für die Menschheiterfolgte etwa vierundzwanzig Stunden später. Alsdrei Tage danach ein Spezialverband desExperimentalkommandos unter Mercants Führungeintraf, hatte man von der CREST noch immer nichtsgehört.

„Mit der Vernichtung des Schiffes muß unterUmständen gerechnet werden, Sir“, erklärte derHyperphysiker Kalup, der bedeutendsteWissenschaftler der Erde.

Allan D. Mercant war blaß aber beherrscht. Erstand vor den großen Bildschirmen einesForschungsschiffes.

„Sind Sie davon wirklich überzeugt?“Professor Kalup, Aktivatorträger und Entdecker

des nach ihm benannten Feldschirmkonverters,überlegte.

„Geben Sie mir einige Tage Zeit. Ich kenne AtlansTransmittertheorie. Diese Sechseckkonstellation istso atemberaubend phantastisch und deutet auf dasWirken eines so hochstehenden Volkes hin, daß ichdie Möglichkeit einer Supertransmitterschaltungnicht ausschließen möchte. Intelligenzwesen, inderen Macht es liegt, große Sterne zu einergeometrischen Figur zu ordnen, könnten es auchschaffen, die unvorstellbaren Energien diesernatürlichen Atommeiler technisch nutzbar zu

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machen. Ich kann Ihnen jetzt schon mit vollerGewißheit sagen, daß die sechs Sonnen keine Waffesind! Sie haben eine ganz andere Aufgabe. Ichbrauche eine Blitzverbindung zum irdischen Mond.Nathan muß sofort von allen anderen Aufgabenfreigestellt werden. Ich benötige das Gehirn fürmeine Ermittlungen.“

„Genehmigt, Professor. Also keine Waffe?“„Unter keinen Umständen.“„Könnte es sein, daß der Haluter einen

ungewöhnlichen Anschlag auf die...!“„Unsinn“, unterbrach Arno Kalup ärgerlich.

„Lassen Sie den Haluter aus dem Spiel. Der wußteselbst nicht, in was er hineinflog. Die maßloseStrukturerschütterung in diesem Teil der Milchstraßedeutet auf einen äußerst energiereichenKrümmungsriß im Normalraum hin. Die Datenmüssen durchgerechnet und Experimente vorbereitetwerden. Verfangen Sie sich nicht inabwehrstrategischen Mutmaßungen. Hier kann nurnoch die Wissenschaft helfen. Ich gebe Ihnen eineListe von Frauen und Männern, die ich dringendbrauche. Mercant - wir sind dem größten Geheimnisder Galaxis auf der Spur. Wenn ich das wüßte, wasdie Besatzung der CREST noch im letztenAugenblick erkannt hat könnten wir sofort etwasunternehmen.“

„Leben sie noch?“ fragte Mercant tonlos. „Könnensie noch leben? Besteht noch eine Chance?“

Kalup antwortete nicht mehr. Asthmatischkeuchend zwängte er seinen schweren Körper durchdas Luk der Auswertung.

Mercant sah dem großen Hyperphysiker nach.Kalup hatte schon die unmöglichsten Dinge gelöst.

5.

Ein zweiter Schock, noch stärker fühlbar als dieEntmaterialisierungswelle, peinigte Icho Tolotsunbeeinflußt gebliebenen Nervenzellen.

Er sah nichts, und er hörte nichts.Lediglich an dem brennenden Schmerz konnte er

wahrnehmen, daß etwas eingetreten war, womit erschon kurz vor dem Unheil gerechnet hatte.

Es war eine rein logische Überlegung gewesen!Tolots Planhirn hatte ermittelt, daß die sechs Sonnennicht deshalb unter wahrscheinlich unglaublichenMühen zusammengefügt worden waren, umungebetene Gäste in Atome zu verwandeln. Dieaufwendige kosmische Einrichtung mußte einenanderen Sinn haben einen realen wirtschaftlichenoder auch militärischen Sinn! Darum hatte Tolot kurzvor dem Auflodern der blauen Riesen eineStrukturumwandlung vorgenommen. Wahrscheinlichhätte er es auch getan, wenn er genau gewußt hätte,daß der Tod wartete.

In seiner derzeitigen Zustandsform konnte er sichnicht bewegen. Die Sinne seines Ordinärgehirnswaren fast alle ausgeschaltet. Das Planhirn, derempfindlichste Teil seines Organismus, glich ohnehineinem Stahlblock.

Der Haluter versuchte, einige Überlegungenanzustellen. Es gelang ihm nicht ganz. In dieserErstarrungsform waren gerade noch so viele Zellenwach, damit er durch einen Kurzimpuls dieRückverwandlung einleiten und gefühlsmäßig diewichtigsten Primitivbegriffe erfassen konnte.

Er wagte es! Die Situation war eindeutig.Sämtliche Symptome wiesen auf eine Transition vonungeheuerlichen Ausmaßen hin. Die zweiteSchmerzempfindung, die so kurz nach der erstenaufgeklungen war, konnte nur mit einerRematerialisierung identisch sein.

Tolot brauchte zehn Sekunden, um dieVollkristallisierung der Molekülketten aufzuheben.Eine leichte Übelkeit überflutete ihn. Dann sprangder Gigant auf, als wäre nichts geschehen.

Sein rachenartiger Mund öffnete sich zu einemSchrei der Überraschung. Das hatte vor ihm nochkein anderer Haluter gesehen!

Die Besatzung der CREST II lag in todesähnlicherBewußtlosigkeit. Die beiden Schocks und dervorangegangene Irrsinnsanfall mußten dieempfindlichen Hirnzellen der Menschen schwerangegriffen haben.

Tolot verzichtete vorerst aufWiederbelebungsversuche. Dazu war jetzt keine Zeit.Die Bildschirme der optischen Ortung arbeiteteneinwandfrei. Die Maschinen liefen, und dieKraftwerke schickten ihren Arbeitsstrom in diedrahtlosen Verbindungen.

Das war es aber nicht, was den Haluter verblüffte.Dicht hinter dem Superschlachtschiff, erst wenige

Millionen Kilometer entfernt, leuchteten zwei gelbeNormalsonnen vom G-Typ, die aber so dichtbeisammen standen, daß sie schon aus geringerDistanz betrachtet einem Stern glichen. Zwischenihnen loderte eine orangerote Energieballung. Es sahaus, als würden sich die Energieströme der gelbenSonnen auf halbem Wege treffen und dort einkugelförmiges Glutmeer erzeugen.

Tolot ahnte, daß die CREST aus dieserEnergieballung hervorgekommen war! Dort war siewiederverstofflicht und nach der Art eines jedenTransmitters ausgespien worden.

Also stellten auch die sechs blauen Riesen nichtsanderes dar, als eine Transmitterstation vonunvorstellbaren Ausmaßen. Atlans verwegeneTheorie hatte sich bewahrheitet.

Tolot schaltete die Weitwinkelerfassung ein - understarrte!

Trostlose Schwärze, die nur vom Schimmer

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fernster Galaxien unterbrochen wurde, überzog dieBildschirme wie dunkle Watte. DasSonnengewimmel des Milchstraßenzentrums warverschwunden.

Außer den beiden gelben Sternen, derenunwahrscheinliche Stellung ebenfalls auf einekünstliche Anordnung hinwies, war nichts zuentdecken.

„Nein...!“ sagte Tolot laut. „Nein, das kann nichtmöglich sein.“

Wieder begann er zu schalten. Die Masse, Materie-und Energietaster unterstützten die optischeBeobachtung.

Acht Himmelskörper wurden gleichzeitig geortet,angemessen und sichtbar gemacht. In derastrophysikalischen Abteilung liefen dieRechenmaschinen an.

Zwei Minuten später lagen die ersten Ergebnissevor.

Die Twin-Sonne, wie Tolot die beidenHimmelskörper nannte, besaß acht Planeten. Sieumliefen den physikalisch unmöglichen Doppelsternin einer noch unmöglicheren Bahn. Die mittlereEntfernung zu der Zwillingssonne betrug achtzigMillionen Kilometer.

Das wäre nicht besonders aufregend gewesen,wenn die acht Planeten nicht einem Materieringgeglichen hätten, wie ihn auch der solare Saturnbesaß!

Alle acht Welten umliefen ihr Gestirn im genaugleichen Abstand und auf einer genau gleichartigenKreisbahn.

Ein solches System konnte es in der Natur nichtgeben. Trotzdem war es vorhanden. Es glich einemRing aus acht Körpern, in dessen Mittelpunkt dieZwillingssonne stand.

Damit waren aber die Überraschungen noch nichterschöpft. Neue Meßdaten wurden von derAutomatik geliefert.

Alle Planeten standen mit ihren Polachsensenkrecht zur Umlaufbahn. Das bedeutete, daß es aufdiesen Welten keine Jahreszeiten gab. Alle hatten siedie gleiche Temperatur.

Als Tolot wieder auf die Heckbildschirme sah,waren die Sonnen schon weit entfernt. Die CREST IIraste mit ansteigender Fahrt auf den kleinen der achtHimmelskörper zu. Die Twin-Sonne glich jetzt einemovalen Glutball, aus dem letzte Gaszungen in dieSchwärze des Leerraumes hinauszuckten.

Auf allen anderen Bildschirmen war nach wie vornichts zu sehen. Tolot sträubte sich gegen dieRechenergebnisse seines Planhirns, bis ihm keineandere Wahl mehr blieb als einzusehen, daß dieCREST von dem Sechsecktransmitter in diekosmische Einöde zwischen den Galaxienhinausgeschleudert worden war.

Weit entfernt glänzte eine Nebelballung vonPostkartengröße. Es mußte die Milchstraße sein.

Etwas näher, aber auch noch wenigstens eine halbeMillion Lichtjahre entfernt, zeichneten sich dieUmrisse eines Spiralnebels ab, den Tolot sehr genaukannte. Es war der Andromedanebel. Er wardeutlicher zu sehen als die heimatliche Galaxis Alsobefand sich das solare Flottenflaggschiffunwiderlegbar im Abgrund zwischen denSterneninseln. Es lag nicht in der Mentalität einesHaluters, wegen solcher Erkenntnisse zu verzweifeln,oder in Panik auszubrechen.

Icho Tolot registrierte zuerst, daß er und dieMänner des Schiffes noch lebten. Nur das war vorerstwichtig Ebenso gefaßt stellte er fest, daß man sichvon der Milchstraße so weit entfernt befand, daß eseine Rückkehr aus eigenen Kräften nicht mehr gebenkonnte. Die Entfernung mußte noch berechnetwerden; aber es stand jetzt schon fest, daß dieCREST etwa acht- bis neunhunderttausendLichtjahre jenseits der Milchstraßengrenzenangekommen war Der Haluter achtete nicht mehr aufdie eingehenden Daten der vollautomatischenErfassung. Das Aufspuren von fremden Welten unddie Auswertung der physikalischen Bedingungenwaren eine Routineangelegenheit.

Als sich der Haluter etwas zu hastig umdrehte,sprang er bis zur gewölbten Decke empor. Er fingsich ab und schaltete wieder seinen Mikrogravitatorein.

Die medizinische Robotstation des Schiffes gabAlarm. Tolot hatte nur wenige Augenblicke benötigt,um die Situation zu begreifen.

Nachdem die ersten Medorobots in die Zentralegekommen waren, entdeckte Tolot den mächtigenEnergiestrahl, der die CREST II anscheinend schonbei ihrem Rematerialisierungsmanöver eingefangenhatte.

Er umhüllte die gewaltige Kugelzelle, ignoriertedie Schubleistung der laufenden Triebwerke und zogdas Schiff auf die kleinste der acht Welten zu.

Die Beschleunigung mußte sehr hoch sein.Trotzdem gelang es der automatischenAndruckneutralisation, die entstehendenBeharrungskräfte zu absorbieren.

Das Superschlachtschiff wurde immer schneller.Der Traktorstrahl ließ sich auch nicht abwehren, alsTolot die Schutzschirme aufbauen wollte. DieKraftwerke brüllten kurz auf und schalteten sich dannwieder ab, da die Schirmprojektoren keine Energieaufnahmen.

Erneut begann das Planhirn des Haluters zurechnen. Es gab zwei Möglichkeiten!

Wenn unbekannte Mächte mit Hilfe von nochunbekannteren Maschinen planten, den ungebetenenAnkömmling auf der Oberfläche der achten Welt

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zerschellen zu lassen, so gab es keine Rettung mehr.Die Impulstriebwerke liefen nach Tolots

Notschaltung mit voller Gegenschubleistung.Trotzdem wurde der stählerne Körper nichtlangsamer. Der energetische Aufwand des achtenPlaneten war wesentlich stärker. Tolot nannte ihnPower.

Die zweite Möglichkeit, die Tolot alswahrscheinlicher einstufte, bestand in dem Versuch,die CREST II mit hoher Fahrt heranzuholen, sie imletzten Moment zu stoppen und sie zur weichenLandung zu zwingen.

Darin erblickte der Haluter die einzige Chance. Ergab es auf, weitere Recherchen anzustellen. Wenndie Zugkräfte nicht von selbst nachließen, mußte inspätestens einer halben Stunde der vernichtendeAufprall kommen.

Nur für einen Augenblick spielte der Haluter mitdem Gedanken, mit einem Beiboot aus dem Schiff zufliehen. Er verwarf ihn wieder. Er konnte diezweitausend besinnungslosen Männer nicht ihremSchicksal überlassen.

Tolot nahm die letzten Schaltungen vor und schrittzum Medikamentenautomaten hinüber. Er wählte diestärksten wiederbelebenden und kreislaufförderndenMittel, über die Terra verfügte.

Die Hochdruckspritzen glitten aus denZuführungsöffnungen. In der tieferliegendenSchiffsapotheke arbeiteten die Roboteinrichtungen.

Tolot versorgte zuerst den Kommandanten. Derkräftige Epsaler würde wahrscheinlich der ersteMensch sein, der aus der Betäubung erwachte.

Anschließend betreute der Haluter Rhodan, Atlan,Mory und die wichtigsten Offiziere des Schiffes. DasZischen der Hochdruckspritzen verklang. DieTerraner regten sich nicht. Auch der Arkonide lagblaß und wie leblos neben seinem Konturlager.

Als getan war, was in dieser Situation getanwerden konnte, zwängte sich Tolot durch einSicherheitsschott und ließ sich im Antigravfeld desSchachtes nach unten gleiten.

Die Feuerleitzentrale des Schiffes empfing ihn mitschrillen Klingelzeichen. Die Automatik hatte längstAlarm gegeben.

Auch hier entdeckte der Haluter nurbesinnungslose Menschen. Major Cero Wiffert, derErste Feuerleitoffizier des Schiffes, saß angeschnalltin seinem Spezialsitz. Er hatte bei dem Irrsinnsanfallanscheinend nicht die Gurte lösen können.

Sämtliche Waffenkuppeln des Schiffes warenausgefahren. Die grünen Lampen leuchteten auf demabgeschrägten Hufeisenpult der sogenanntenFeuerorgel. Dieser Begriff war auf terranischenKampfschiffen schon vor einigen hundert Jahrengeprägt worden.

Tolot zog Wiffert aus dem Sessel. Anschließend

drückte er auf die Einfahrschalter derTransformkanonen. Das Dröhnen der Triebwerkewurde von dem polternden Geräusch zuschlagenderStahlklappen übertönt.

Die Impulskanonen, die Desintegratoren und dieVibrationsgeschütze ließ Tolot in Feuerstellung.Dann wartete er. Er konnte nicht mehr tun.

Wenn der Zugstrahl von Power schwächer werdensollte, würde die vor justierte Katastrophenautomatikdas Schiff ohnehin aus dem gefährlichenKollisionskurs reißen. Tolot brauchte sich deswegenkeine Sorgen zu machen.

Wurde der Zugstrahl nicht abgeschaltet, konnte esohnehin keine Rettung mehr geben.

Tolots ursprünglicher Plan, den achten Planetenmit Gigabomben aus den Transformkanonen zuvernichten und damit auch die Kraftstation zuzerstören, war nicht mehr durchführbar. Die CRESTII stand schon zu nahe bei Power. Da sich dieAbwehrschirme nicht aufbauen ließen, hätte es dieSelbstvernichtung bedeutet.

Auf den Bildschirmen der Zielerfassung leuchtetendie acht Himmelskörper. Fast alle Kanonen warenaber auf Power eingerichtet.

Icho Tolot dachte an seine Heimat und an dieTerraner, die er indirekt zu diesem Abenteuerverführt hatte. Er war bereit, alles für die Rettung zutun, was in seiner Macht lag.

Das vor drei Minuten begonnene Bremsmanöverbewies eindeutig, daß man nicht daran dachte, dieBesatzung der CREST zu schonen. Trotz der mithöchster Leistung laufenden Andruckabsorber kamennoch achtzehn Gravos durch. Die Fahrtverminderunggeschah ungeheuer schnell.

Der Haluter lag auf dem Boden neben derFeuerorgel. Als er die ersten Anzeichen einerGewaltbremsung bemerkt hatte, hatte er sechsKonturlager aus den Verankerungen gerissen, sienebeneinander gelegt und seinen Titanenkörperdarauf gebettet.

Die weiche Unterlage war ihm zustattengekommen. Achtzehn Gravos bedeuteten für einenHaluter nicht viel. Icho Tolot konnte sich sogar nochbewegen, obwohl er darauf verzichtet hatte, dieBeharrungskräfte durch eine Teilverwandlung seinermetabolischen Körperzellen aufzufangen.

Seine drei Augen schauten unverwandt auf dieBildschirme und Datenmarken. Die Feuerleitzentralewar mit dem Kommandoraum synchron geschaltet.Die wichtigsten Meßwerte waren auch hier unten zusehen.

Die CREST II war immer langsamer geworden.Dann, vor einer Zehntelsekunde, hatte der Andruckplötzlich nachgelassen. Tolot sprang auf.

Auf den Bildschirmen leuchtete die wüstenhafteOberfläche eines Trockenplaneten. Tolot erkannte

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schlagartig, daß er hier nicht auf andere Lebewesentreffen würde. Dies war eine tote Welt, auf derlediglich vollendete Maschinen regierten.

Das Superschlachtschiff hing immer noch im Banndes gigantischen Traktorstrahls, dessenEnergiekapazität aber erheblich nachgelassen hatte.Er schien außerdem seine Struktur geändert zu haben.Tolot erkannte seine Chance.

Er griff mit allen vier Armen, die zusammen übervierundzwanzig Finger verfügten, nach denSchaltknöpfen der Feuerorgel. Dann zögerte er aberdoch.

Das, was er tief unter sich erblickte, warbestürzend!

Die CREST II schwebte in einer Höhe von nurzweieinhalbtausend Kilometern über dem nördlichenPol des achten und kleinsten Planeten. Genau aufdem Pol, der von einer flachen Geröllwüste bedecktwurde, standen drei gewaltige Pyramiden, in derenSchnittlinien ein Ballungsfeld loderte. Dort wurdeder Fesselstrahl erzeugt; und von dort aus wurde erauch in den Raum geschickt.

Tolot registrierte die Parallelen zu der WeltKahalo, die er mehr als einmal aufgesucht hatte. Dorthatte jemand sechs Pyramiden erbaut. Hier, aufPower, waren es nur drei Stück. Das schien aber fürdie systemgebundenen Zwecke auszureichen.

Etwa vierhundert Kilometer südlich der Polebenehatte die Ortung vier metallische Körper aufgespürt.Nach der durchgeführten Vergrößerungsschaltungerkannte Tolot einwandfrei vier Raumschiffeterranischer Bauart.

Erregung überflutete ihn. Hier also waren die vierverschollenen Raumer angekommen. Was war ausden Besatzungen geworden? DerTransmittercharakter des Sonnensechsecks war nunganz klar. Das Twin-System schien eineZwischenstation auf der Straße nach Andromeda zusein - höchstwahrscheinlich sogar eine Kontroll- oderAuffangstation, auf der alle Ankömmlinge getestetoder vernichtet wurden.

Tolot wartete so lange, bis er plötzlich dasVibrieren wahrnahm. Die CREST II wurde mitHochleistungspulsatoren beschossen. Offenbar zudem Zweck, eventuell handlungsaktiv gebliebeneBesatzungsmitglieder auch noch auszuschalten.

In diesem Augenblick drückte der Haluter auf alleFeuerknöpfe, die er gleichzeitig erfassen konnte. DerZielstachel der Zentraleautomatik war auf diePolpyramiden eingeschwenkt.

Ein ungeheures Tosen erschütterte dasRiesenschlachtschiff. Tolot hatte eine volle Breitseiteaus drei verschiedenartigen Energiewaffen ausgelöst.Das Dröhnen hielt an. Zehn Meter durchmessendeThermobahnen peitschten mit annähernderLichtgeschwindigkeit auf das Zielgebiet hinab. Die

flimmernden Strahlungen der materieauflösendenDesintegratoren waren kaum zu sehen. DieWellenfronten der Schwingungskanonen konntenüberhaupt nicht wahrgenommen werden.

Um den Bruchteil einer Sekunde später schlug esunten ein. Das Land wölbte sich auf. KünstlicheSonnen entstanden dort, wo die Impulsbahnenauftrafen.

Zerschmelzende Gesteinsmassen bildeten riesigeBlasen, die unter dem Gasüberdruck zerbarsten undfeuerflüssige Materie in den Himmel schleuderten.

Das Polgebiet verwandelte sich sofort in einenkochenden Ozean, aus dem unvorstellbareExplosionssäulen hervorbrachen.

Tolot löste Salve auf Salve aus, bis dieSicherheitsautomatik die heißgeschossenen Waffenkurzfristig abschaltete.

Weit unter dem Superschlachtschiff war die Hölleausgebrochen. Tolot nickte anerkennend. DieTerraner verstanden es, kampfkräftige Schiffe zubauen.

Der orangerote Fesselstrahl war verschwunden.Die vorjustierte Automatik wollte das Schiff in Fahrtbringen, als es von einer anderen Energiefrontgetroffen wurde. Es handelte sich ebenfalls um einenTraktorstrahl, der von einer unversehrt gebliebenenFeuerstellung an den Rändern der zerstörten Zoneausging.

Die CREST raste plötzlich erneut auf den Planetenzu. Tolot drückte nochmals auf die Waffenknöpfe,aber da war es beinahe zu spät.

Als unten auch das letzte Fort explodierte, beganndie CREST II abzustürzen. Der Gigant von Halutraste durch die Feuerleitzentrale sprang in denAntigravlift und stieß sich ab. Sekunden spätererreichte er den Kommandoraum. Die Männer warenimmer noch bewußtlos.

Tolot bediente die Notsteuerschaltung in stehenderHaltung. Die Sessel waren für ihn viel zu klein.

Die Antigravitationsfelder wurden aufgebaut. DieRingwulsttriebwerke brüllten in höchsterKraftentfaltung. Dann war der Wüstenboden greifbarnahe. Tolot konnte eben noch die Landebeineausfahren, doch da schlug das Schiff bereits auf.

Der Haluter wurde zu Boden gewirbelt. Erklammerte sich am Sockelfuß des Zentralegehirnsfest und wartete, bis die Stöße nachließen. DieCREST war schwer aufgeschlagen - fast zu schwer.Sie hatte sich etwas nach links geneigt und denletzten Aufprall mit dem Triebwerks-Ringwulstabgefangen. Die linksseitigen Landebeine warenentweder zerbrochen, oder diese hatten sich dreißigMeter tief in das Gelände gebohrt.

Es wurde still. Die Triebwerke und Strommeilerliefen aus. Die Sicherheitsautomatik funktioniertealso noch.

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Aus der Ferne klang ein Tosen auf. Es schien, alstobten dort mehrere tausend Gewitter zur gleichenZeit.

Tolot erhob sich. Sein Körper hatte den Aufprallschadlos überstanden. Die Terraner waren auchunversehrt, da sie von den Medorobots vorher aufihre Konturlager gebettet und festgeschnallt wordenwaren. Bei dem Irrsinnsanfall hatten sie fast alle ihreSessel verlassen.

Tolot erfuhr durch sein Planhirn, daß die Rettungvorerst gelungen war. Die Nordpolstation warvernichtet worden. Anscheinend hatte niemand,selbst die wahrscheinlich vorhandenenRobotkontrollen, nicht damit gerechnet, daß ein ausdem Twin-Transmitter herauskommendes Schiffnoch Widerstand leisten könnte.

Sicherlich war es zum erstenmal in der Geschichtedieser Abfangstation geschehen, daß ein Haluter imentscheidenden Augenblick nicht nur die Sachlageerfaßt, sondern auch schnell genug gehandelt hatte.

Icho Tolot lachte. Sein Kämpferblut wallte.Angriffslustig schritt er zu den Bildschirmen hinüber.

Draußen war alles still. Nirgends war einLebewesen zu sehen. Weit über dem nördlichenHorizont lohten ultrahelle Flammenzungen in denHimmel des Planeten. Die Twin-Sonne stand einsamin der Schwärze des Leerraumes.

6.

Atlan war wahrscheinlich das ältesteIntelligenzwesen der Galaxis. Zehntausend Jahre langhatte ihm sein Zellaktivator Jugend und Gesundheiterhalten, aber die Reife des Geistes hatte er nichtbeeinflussen können.

Der Arkonide, der sich von den Terranernbiologisch unterschied und der außerdem schonwesentlich länger an die belebenden Impulse desAktivators gewöhnt war als die menschlichenGeneratorträger, war nur wenige Minuten nach CartRudo erwacht.

Der Epsaler stand fassungslos vor denBildschirmen der Hyperortung. Er, der zehn Zentnerschwere umweltangepaßte Terraner, glaubte nochimmer nicht daran, daß man zwischen derMilchstraße und dem Andromedanebelherausgekommen war.

Andromeda stand nach neuesten Erkenntnissen1,45 Millionen Lichtjahre von der Milchstraßeentfernt. Dazwischen lag die Einöde desinterkosmischen Leerraumes - der Abgrund zwischenden Sterneninseln.

Niemals zuvor war ein terranisches Raumschiff soweit vorgestoßen. Der Aktionsradius der modernstenSpezialraumer lag bei sechshunderttausendLichtjahren. Da man schließlich auch wieder

heimkehren mußte, hatte man niemals tiefer alsdreihunderttausend Lichtjahre in die sternenleereWüste eindringen können. Wenn Schiffe nach einersolchen Gewaltfahrt ihre Ausgangshäfen erreichthatten, waren ihre Maschinen schrottreif gewesen.

Nun befand sich die CREST II, deren Triebwerkefür solche Distanzüberbrückungen keineswegsvorgesehen waren, neunhunderttausend Lichtjahrevon der Heimatgalaxis entfernt. Um denAndromedanebel erreichen zu können, wäre dieÜberwindung von etwa fünfhundertfünfzigtausendLichtjahren erforderlich gewesen. Auch das warunmöglich.

Atlan hatte nur wenige Minuten gebraucht, bis erdie verzweifelte Lage erkannt hatte.

Icho Tolot beobachtete den großen Arkoniden,dein die Menschheit sehr viel zu verdanken hatte.Oberst Cart Rudo nahm seine Zuflucht zu einigenhandfesten Raumfahrerverwünschungen. Es schienihn zu erleichtern.

„Wir haben uns bei Ihnen zu bedanken Tolot“,unterbrach Atlan die Stille. „Wenn Sie nicht sofortnach der Wiederverstofflichung erwacht wären unddie richtigen Maßnahmen eingeleitet hätten, würdedie CREST nun neben den vier verschollenenRaumschiffen liegen. Dieser Planet ist eineVernichtungsstation ersten Ranges. Starren Sie michnicht so an, Rudo! Ich verfüge bekanntlich über einExtrahirn, dessen Logik nicht zu übertreffen ist.“

Tolot lachte in sich hinein. Und ob es zuübertreffen war! Atlan wußte noch nichts vomPlanhirn des Haluters. Gucky hatte geschwiegen.

„Vergessen Sie es“, bat der Gigant. „Ich habegetan, was zu tun war. Meinen Sie, die Besatzungender vier Raumer wären nicht mehr am Leben?“

„Bestimmt nicht“, behauptete der Lordadmiralgedrückt. „Dieser Hölle können sie nicht entronnensein. Sie hatten schließlich keine halutischeKampfmaschine an Bord.“

Tolot neigte seinen Oberkörper. Atlan ahnte nicht,welche ehrenden Worte er soeben ausgesprochenhatte.

„Wäre ich doch nur nicht an das Sonnensechseckherangeflogen“, grollte der Epsaler. „Ich hätte denBefehl verweigern müssen! Ich hatte gleich einungutes Gefühl. Es fällt mir nicht leicht, Tolot - aberich möchte mich ebenfalls bei Ihnen bedanken.Nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel. Ichbrauche etwas Zeit, um mich an Ihre Aufrichtigkeitzu gewöhnen. Ich hatte Sie für eine zwielichtigeExistenz gehalten.“

„Das bin ich leider auch. Ich habe Sie indirekt indieses Abenteuer hineingehetzt. Ich war zu neugierig.Ich hätte Sie noch viel intensiver warnen sollen.Meine Vorfahren haben stets vor einer Annäherungan die sechs Sonnen gewarnt.“

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„Unsinn“, wehrte der Kommandant dieSelbstanklage ab. Ein freundlicher Blick traf denHünen. „Sie kennen doch die Terraner, oder? MeinenSie wirklich, es wäre Ihnen noch gelungen, den Chefvon dem Erkundungsflug zurückzuhalten? Da hättenSie schon ihn und zweitausend erstklassige Soldatenerschießen müssen. Dann hätten sie es vielleichtaufgegeben. Behalten Sie die Nerven. Ich braucheSie dringend. Darf ich auf Ihre uneingeschränkteHilfe rechnen? Das ist mein Schiff! Ich bin dafürverantwortlich.“

Tolot fühlte sich erleichtert. Er hatte geglaubt, dieMenschen sehr gut studiert zu haben. Nun bemerkteer, daß er ihre charakterlichen Qualitäten unterschätzthatte. Sie waren es wert, Freunde genannt zu werden.

„Ich unterstelle mich Ihrem Befehl, bis derGroßadministrator erwacht.“

„Natürlich. Danke sehr. Augenblicklich bin ichnoch ziemlich hilflos. Ich brauche wenigstenshundert Mann, um hier einigermaßen Ordnungschaffen zu können. Das sieht ja wüst aus. Na ja,lassen wir das. Tolot - ich müßte schleunigst wissen,was draußen los ist. Was wird hier gespielt? Gibt esLebewesen? Wenn ja, wie sehen sie aus, und waswollen sie von uns? Können Sie eine Erkundungdurchführen?“

„Das war mein Plan. Ich wollte nur Ihr Erwachenabwarten.“

Cart Rudo atmete auf. In diesem Augenblickwurde das Schiff von einem schweren Bebenerschüttert. Auf den Bildschirmen war zu sehen, daßsich draußen der Boden aufwölbte.

Tolot fing Atlan auf. Der Arkonide war nochgeschwächt. Es war das fünfte Beben seit dreißigMinuten.

„Schon wieder“, sagte der Epsaler leise. SeineAugen verengten sich. „Verdammt, hier stimmt dochetwas nicht! Sehen Sie das Glühen am nördlichenHorizont? Worauf haben Sie geschossen? Nur auf diedrei Pyramiden? Oder haben Sie auch eineArkon-Bombe zur Erzeugung eines Atombrandesabgestrahlt?“

„Nichts dergleichen“, wehrte sich der Haluter. „Ichkann mir auch nicht erklären, wodurch dieBodenbewegungen hervorgerufen werden. Ich gehesofort. Nein, bieten Sie mir nur keinen Gelände- oderFlugwagen an. Wir wissen über die hiesigenBedingungen so gut wie nichts. Ich verlasse michlieber auf meinen Körper.“

„Was - Sie wollen laufen?“ staunte derKommandant. „Wir sind schätzungsweisesechshundert Kilometer vom Pol entfernt.“

„Eine Sache von sechs Stunden“, erklärte derGigant lässig.

„Respekt, Respekt“, klang eine Stimme auf. Atlanfuhr herum.

Rhodan schien schon einige Minuten wach zu sein.Er war der erste Normalterraner, der aus der tiefenBesinnungslosigkeit zurückfand.

Rhodan richtete sich ächzend von seinemKonturlager auf. Sein erster Blick galt denBildschirmen.

„Lassen Sie nur“, wehrte er Rudos Erklärungen ab.„Ich habe fast alles gehört. Da wären wir also, was?So weit hatte ich schon immer in den Leerraumvorstoßen wollen. Leider reicht es noch nicht ganzbis zum Andromedanebel.“

„Deine Nerven möchte ich haben“ begehrte derArkonide auf. „Willst du nicht gleich weiterfliegen?Vielleicht mit gebrochenen Landebeinen,auslaufender Hydraulikflüssigkeit und startunklarenMaschinen? Freund - uns geht es offensichtlich anden Kragen. Diese Beben sprechen eine deutlicheSprache.“

Rhodan stand auf. Er spreizte die Beine, neigte denOberkörper nach vorn und kämpfte dasSchwindelgefühl nieder. Oberst Rudo gab ihm nocheine Stabilisierungsspritze.

Rhodan fragte nach verschiedenen Dingen, überdie er noch nicht informiert war. Dann sah er nachMory. Ihr Puls ging noch flach. Vor einer Stundekonnte sie nicht erwachen.

„Die alten Aktivatorträger sind wieder einmalbesser dran wie?“ spöttelte Perry bitter. „Schönfinden wir uns mit der Lage ab. Oberst Rudo,versuchen Sie mit allen Mitteln, wenigstens einenArzt vorzeitig aufzuwecken. Machen Sie einePferdekur. Die Männer müssen schleunigst wiederauf die Beine kommen. Tolot - können Sie Atlan undmich mitnehmen? Auf Ihrem Rücken meine ich.Rudo hält hier die Stellung oder willst du auch imSchiff bleiben, Arkonide?“

Atlan lief rot an. Der hagere Terraner grinste.„Du warst wohl lange nicht mehr besinnungslos,

was?“ erkundigte sich der Lordadmiral mit gefährlichklingender Sanftmut.

Tolot lachte dröhnend. Rhodan hielt sich die Ohrenzu.

„Ich habe es gewußt“, seufzte er „Dieser uralteMann hält sich für einen Jüngling, weil er wie eineraussieht. Nun gut, ich zähle auch nicht mehr zu denJüngsten. Wie ist das Tolot? Können Sie zweiausgewachsene Männer mitschleppen? oder sollenwir doch besser einen Shift nehmen? Kennen Sie dieAllzweckfahrzeuge?“

Der Haluter winkte ab.„Ich habe sie mehr als einmal im Einsatz gesehen.

Nein, ich kann Sie mühelos tragen. Es wird mir eineEhre sein. Sind Sie denn schon wieder kräftig genug,um die Strapazen überstehen zu können?“

„Solange wir nicht neben Ihnen herlaufen müssen,werden wir es wohl schaffen. Die Medikamente

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wirken schnell“, erklärte Atlan. „In einer halbenStunde sind wir hundertprozentig fit. Ich möchte mirzuerst die vier Raumschiffe ansehen.“

Rhodan nickte. Nur Atlan, der die Psychotarnungdes Freundes am besten durchschauen konnte,erkannte seine bohrende Unruhe. Rhodan gab sichwieder einmal betont zuversichtlich.

„Die Mutanten sind wohl restlos ausgefallen,wie?“ erkundigte er sich.

„Ja. Ihre besonders empfindlichen Gehirne undNervenleiter sind sehr stark angegriffen, Sir“,bestätigte Rudo.

„Schade. Ich hätte besonders Gucky gebrauchenkönnen. Kümmern wir uns um Chefarzt Dr. Artur.Ehe ich nicht die Gewißheit habe, daß er wiedermunter ist und meinen Männern helfen kann, bringtmich keine Macht der Galaxis aus dem Schiff. Rudo,Sie sind augenblicklich doch zur Tatenlosigkeitverdammt oder glauben Sie etwa, Sie können dieSchäden allein beheben?“

Der Epsaler verzog das Gesicht. Es sah aus, alswollte er weinen.

„Na also. Stellen Sie für Atlan und mich eineAusrüstung zusammen. Schwerer Kampfanzug,Klapphelm. Für alle Falle, Klimaanlage, druckfesteHochisolator-Ausführung, Aggregattornister,Thermowaffen.“

„Fluggerät?“Rhodan zögerte. Tolot fiel rasch ein:„Das ist nicht empfehlenswert, Sir. Ich habe mir

eine bestimmte Theorie über den Lichtschein amHorizont gebildet. Ihre Fluganzüge sind doch wohlvon einem Mikro-Antigrav abhängig, nicht wahr?“

Rhodan nickte.„Dann verzichten Sie bitte auf die leicht

einpeilbaren und außerdem störanfälligen Apparate.Das ist auch der Grund, warum ich keinen Shiftbenutzen möchte. Wenn wir wissen, was am Polgeschieht, können wir immer noch fliegen. Ich binwesentlich unauffälliger, viel schwerer zu orten undaußerdem schnell genug, um jeder Gefahrausweichen zu können. Verlassen Sie sich aufmeinen Körper.“

„Er verspricht nicht zuviel“, meinte Atlan ironisch.„Befolgen wir seinen Rat.“

Cart Rudo legte die automatischen Analysen überdie Oberflächenbedingungen des Planeten vor.

Daraus ging hervor, daß er eine dünne, geradenoch atembare Sauerstoffatmosphäre besaß. SeineSchwerkraft betrug 0,76 Gravos; das Land wardurchweg wüstenartig. Wasser war nirgends entdecktworden. Die Rotation betrug genau dreißig Stunden.Jahreszeiten gab es nicht.

Atlan lachte ärgerlich auf.„Eine Höllenwelt, ich sagte es schon. Es sollte

mich wundern, wenn in diesem künstlich installierten

Sonnensystem nicht jeder der acht Planeten genau diegleichen Bedingungen aufwiese.“

„Installiert ist gut gesagt“, überlegte Rhodan. „Wosind aber die Installateure? Kannst du dir vorstellen,was diese Leute können? Dagegen sind wir Stümper.Ihr Volk ebenfalls, Mr. Tolot.“

Der Haluter neigte den Kopf. Dabei bemerkteRhodan zum erstenmal, daß dieser anscheinendfugenlos mit den Riesenschultern verbundeneSchädel auf einem beweglichen Hals ruhte. Das wieein Ungeheuer aussehende Intelligenzwesen war vonder Natur verschwenderisch ausgestattet worden.Alles war zweckbestimmt, enorm praktisch,fehlerfrei und in der Gesamtheit ausgereift.Wahrscheinlich mußte ein Volk viele hunderttausendJahre der Entwicklung durchlaufen, bis es sovollendet war wie die Haluter. Die große Kunstbestand für jedes Volk aber darin, so lange zuüberleben, bis das natürliche Maximum erreicht war.Der Mensch beispielsweise hätte sich beinahe ineinem Atomkrieg ausgerottet, als er noch wesentlichprimitiver war als im Jahre 2400.

Die mit ansteigender Intelligenz perfekterwerdende Technologie schien nach dem Willen desSchöpfers ein nur schwer zu überwindender Prüfsteinauf dem Weg zur höheren Reife zu sein.

Rhodan mußte um seine Beherrschung kämpfen,als er wieder auf die Bildschirme blickte. DieFernortung zeigte nur den leeren Raum. Er warbedrückend, achtungheischend und von einemallgegenwärtigen Fluidum durchströmt, das demMenschen klarmachte, wie klein und nichtig er war -trotz seiner Überlichtflugtechnik!

„Fertigmachen“, ordnete Rhodan mit belegterStimme an. Er räusperte sich. „Tolot - irre ich michin der Annahme, daß Sie bereits für alleEventualitäten ausgerüstet sind? Ihre schwereKombination scheint ein Allzweckanzug zu sein.“

„Er ist vollkommen, Sir. Gehen wir?“

7.

Ein Ungeheuer raste durch die Wüste. Aus demHalsteil der dunkelgrünen Kombination schaute eintiefschwarzer Halbkugelkopf hervor. Die an kurzenSäulenbeinen angeordneten Füße wurden vonSpezialschuhen mit hohem Haftvermögen verhüllt.Lediglich die Hände der vier Arme waren unbedeckt.

Die Pranken der beiden kürzeren Laufarme, durchdie Tolot in seiner Sprungstellung zu einemVierbeiner wurde, peitschten Sand und Geröll zurSeite. Unermüdlich hieben die strukturverdichtetenund daher diamanthart gewordenen Finger in denBoden.

Die beiden Greif- und Handlungsarme, so lang undso dick wie der Körper eines kräftigen Terraners,

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berührten mit ihren Händen nur selten den Boden.Wenn es jedoch darauf ankam, fünfzig Meter breiteSchluchten zu überspringen, so unterstützten sie nochden Anlaufschwung des Titanenkörpers.

Rhodan und Atlan saßen rechts und links auf denSchultern des Haluters. Sie klammerten sich an denVerschweißungswulsten des Kampfanzuges fest. Jeein Bein hatten sie um den Hals des Titanengeschlungen, um besseren Halt zu gewinnen.

Vor zwei Stunden war das stählerne Gebirge derCREST am Horizont verschwunden. DieFunkverbindung war abgerissen. Die kleinenArmbandgeräte konnten die von dem Nordpolausstrahlenden energetischen Streufronten nicht mehrdurchdringen.

Oberst Rudo verzichtete dagegen weisungsgemäßauf Anrufe mit den starken Schiffssendern. Rhodanwollte eine Einpeilung so lange wie möglichverhindern.

Icho Tolot hielt eine Dauergeschwindigkeit vonhundert Kilometern pro Stunde ein. Keinbodengebundenes Fahrzeug, selbst modernePrallfeldgleiter nicht, hätten die oftmals schroffaufragenden Bodenhindernisse so schnell und sicherüberwinden können wie der halutische Riese.

Er jagte durch die öde Landschaft als gälte es,sämtliche Rekorde der galaktischen Völker zubrechen Wahrscheinlich brach er sie auch!

Eine Stunde nach dem Aufbruch waren die vorherschon beobachteten Beben immer häufiger und auchstärker geworden. Über dem fernen Pol war eineorangerote Energiesäule erschienen und mitannähernder Lichtgeschwindigkeit in die Schwärzedes interkosmischen Raumes gezuckt.

Eine Kurzdurchsage von Rudo hatte die drei soverschiedenartigen Verbündeten darüber aufgeklärtdaß der Strahl zwischen den beiden gelben Sonnenankam und in der dort entstehenden Feldballungverschwand.

Der Doppelstern hatte sich aufgebläht. Es sah aus,als wollte er sich in eine Nova verwandeln und mitalles vernichtender Wucht explodieren.

Nach dem anfänglichen Flattern hatte sich dieEnergiesäule stabilisiert. Seit einer Stunde schoß siein den Raum hinaus. Mit ihrem Erscheinen waren dieBodenbewegungen heftiger geworden. Über demfernen Pol schien ein Orkan zu toben. Die Sicht warverschleiert.

Hier und da bildeten sich unvermittelt breiteBodenrisse, aus denen zähflüssige Magmamassenhervordrangen und das Land überschwemmten.

Auf Power gab es nur wenige Gebirge. Die vielenHügelgruppen waren schroff, jedoch nicht besondershoch. Es schien sich um eine sehr alte Welt zuhandeln, deren geologischeFormations-Aufwerfungen im Verlauf der

Jahrmillionen abgetragen worden waren.Icho Tolot kannte solche Erscheinungen. Auf

seiner Heimatwelt Halut vollzog sich der gleicheVorgang. Verbrauchte Planeten sahen immer so aus.

Das Fehlen von Wasser deutete ebenfalls daraufhin, daß auf Power das letzte Stadium angebrochenwar. Es war verwunderlich, daß er Reste seinerehemaligen Atmosphäre hatte festhalten können.

Die Position der vier gesichteten Raumschiffe warbekannt. Sie waren außerdem von einerausgeschickten Meßsonde registriert worden. TolotsKurs führte schräg am Pol vorbei. Er hieltnordwestliche Richtung ein.

Atlan und Perry kamen kaum dazu, einige Wortezu wechseln. Ihnen war, als säßen sie in einemoffenen Wagen, dessen hohe Geschwindigkeit einenso starken Fahrtwind erzeugte, daß eine Unterhaltungnicht mehr möglich war.

Der Haluter rannte unermüdlich. Er schien keineErschöpfung zu kennen. Rhodan wurde allmählichklar wieso es fünf Wesen von dieser Art hattegelingen können, ein arkonidischesLandungskommando aufzureiben.

Nach fast drei Stunden pausenlosen Rasens hieltder Haluter auf einem Hügelkamm an. Sein Atemging so gleichmäßig wie zuvor. Tolot hatte es nochnicht nötig, sein zweites Herz zur Verstärkungeinzuschalten.

Er griff mit seinen langen Handlungsarmen nachhinten, umfaßte die beiden Männer vorsichtig an denHüften und stellte sie auf den Boden. Danach richtetesich der Gigant auf seinen kurzen Beinen auf, derenungeheure Sprungkraft nur dann richtig zu erkennenwar, wenn man sie in Tätigkeit sah.

Plötzlich wirkte das elegante, lebende Geschoßwieder plump und monströs. Tolot deutete nach vorn.„Die Schiffe liegen hinter der nächsten Bergkette.Wir können den Paßeinschnitt benutzen.“

„Sind Sie sicher?“ zweifelte Atlan. Er wich etwaszurück, als sich die drei Augen des Fremden auf ihnrichteten. In ihnen war keine Gefühlsregung ablesbar.

„Ganz sicher. Ich habe die Luftaufnahmen imKopf. Mein Kurs war richtig. Darf ich Sie darüberaufklären, daß ich ebenfalls eine Art Extrahirnbesitze?“

Atlan verfärbte sich. Rhodan fuhr sich mit demHandrücken über die spröden Lippen. Dann grinsteer.

„Das dachte ich mir beinahe. Sie sind einmathematisches Genie, Tolot. Für unserenarkonidischen Freund ist doch hoffentlich keine Weltzusammengebrochen?“

Atlan ballte die Fäuste.„Wenn du damit eine Welt der überheblichen

Selbsteinschätzung meinen solltest, so kannst du mirglauben, daß es nichts einzustürzen gibt. Mir wurde

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soeben klar, warum wir von fünf Halutern geschlagenwurden. In Ordnung, worauf warten wir noch? Oderrechnen Sie mit Widerstand?“

Tolot wiegte in der Art eines Bären seinen Körper.„Nein“, bekannte er zögernd. „Wenn man bis jetzt

nichts unternommen hat, wird niemand etwasunternehmen.“

Der Terraner und der Arkonide stiegen wieder aufihr seltsames Transportmittel. Tolot raste weiter.

Er durchquerte den Paß und blieb auch nichtstehen, als sich die Umrisse der vier Raumschiffeplötzlich aus der Ebene hervorschälten.

Die OMARON war einwandfrei zu erkennen. Siewar das größte der verschollenen Raumfahrzeugegewesen.

Tolot achtete nicht auf Rhodans gebrüllten Ruf. Erhielt es ebenfalls für selbstverständlich, dieses erstkürzlich auf Power angekommene Schiff zuerst zuuntersuchen.

Kurz vor dem zweihundert Meter durchmessendenKugelriesen ging der Haluter in Deckung.Aufmerksam spähte er zu dem Schweren Kreuzerhinüber.

Die OMARON war ein Wrack! In ihrenAußenwandungen klafften breite Risse. DieLandebeine waren bei dem harten Aufschlagzerbrochen. Ihre Trümmer lagen weit verstreut in derGeröllwüste.

Der Triebwerkswulst war auf der Steuerbordseitezusammengedrückt worden. Die OMARON bot denkläglichen Anblick eines vernichteten Wunderwerksder Technik.

„Sie - sie haben unter Umständen den Absturzüberleben können“, sagte Rhodan mit plötzlich heiserklingender Stimme. „Wenn dieAndruckneutralisatoren und die Auffangfelder nochfunktioniert haben, kann der Aufprall nicht soschlimm gewesen sein, auch wenn es von außenbetrachtet so aussieht, als müßte ihnen alles zerstörtsein.“

Atlan schwieg. Er schaute zu den drei anderenFahrzeugen hinüber. Es waren schnelleAufklärungskreuzer der Städteklasse, darunter einUSO-Schiff. Sie sahen nicht besser aus. Auch ihreWandungen hatten sich aufgewölbt. GähnendeÖffnungen erlaubten den Blick ins Innere.

Tolot ergriff die beiden Männer und setzte siewieder auf seine Schultern. Er fragte nicht lange nacheiner Erlaubnis.

Mit wenigen Riesensprüngen hatte er dieOMARON erreicht. Sie lag nach Steuerbord geneigtauf dem Boden. Die untere Polschleuse warverschlossen. Niemand schien den Schweren Kreuzerverlassen zu haben - bis auf jene zwei Männer, dieder Haluter Fancan Teik nahe dem Sonnensechseckaufgefischt hatte.

Wahrscheinlich würde man nie rekonstruierenkönnen, wieso sich die Soldaten mit einem Beiboothatten absetzen können. Es war jetzt klar, daß dieOMARON von dem gigantischen Zugstrahl erfaßtund in das Transmitterzentrum gezerrt worden war.Vielleicht hatten Leutnant Coul und Kanonier Borlervorher schon wegen der abgebrochenenFunkverbindung den Befehl erhalten, mit einerüberlichtschnellen Space-Jet zurückzufliegen und denKontakt mit Opposite wiederherzustellen. Das wardie wahrscheinlichste Theorie.

Rhodan sprang auf die schräge Fläche desäquatorialen Ringwulstes. Hinter den Rissen warendie Maschinen des Kreuzers zu erkennen. Nirgendswar ein Lebewesen zu sehen, vor allem aber keinMensch.

Rhodan versuchte, mit seinen geringentelepathischen Gaben, einem Ergebnis intensiverParapsy-Schulung, ein Individualmuster aufzuspüren.Es gelang ihm nicht.

Sie drangen über die geneigten Stahlplatten vorund stiegen durch einen Spalt in Höhe desHauptdecks ins Schiff ein.

Tolot brauchte keine Lampe. Seinenachtempfindlichen Augen sahen genug. Man fandzuerst die Besatzung der Nebenschaltzentrale III.Von hier aus wurden die Stromwandler derTriebwerke I und II überwacht.

Rhodan blieb erschüttert stehen. Sie standen undlagen noch so, wie sie im Augenblick derEntmaterialisierung überrascht worden waren. VieleMänner hatten sich beim Einflug in denSechsecktransmitter von ihren Kontursesselnerhoben. Dann waren sie zu Boden gestürzt. Offenbarwaren sie ebenfalls von einem Irrsinnsanfallübermannt worden.

Nach der Wiederverstofflichung imDoppelsonnentransmitter von Twin waren sieanscheinend nicht mehr zu sich gekommen. Siemußten aber trotzdem noch gelebt haben, ebenso wiedie Besatzung der CREST.

Die Soldaten der OMARON waren inbesinnungslosem Zustand von dem Power-Strahlherangeholt und anschließend sehr hart gelandetworden. Aber auch zu diesem Zeitpunkt, also nachdem Aufschlag, mußten wenigstens noch jeneMänner gelebt haben, die sich bei demvorangegangenen Anfall nicht von ihren Lagernentfernt hatten.

Die hochwertige Vollautomatik der OMARONhatte den Sturz fraglos noch erheblich mildernkönnen. Die Kontrollmarken der Triebwerke standenjetzt noch auf Vollast. Sie hatten mit Gegenschubgearbeitet.

Tolot beugte sich über einen Toten. Er sah in dasGesicht einer Mumie. Der Körper war völlig

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ausgetrocknet; so, als wäre ihm jeder TropfenFlüssigkeit entzogen worden.

Atlan beteiligte sich an der Untersuchung.Niemand sprach etwas. Rhodan stand an der Wandund ließ seine Blicke durch die Nebenschaltstationschweifen. Er fühlte, daß es in den anderenAbteilungen des Schweren Kreuzers nicht besser ausWieder wurde das weite Land von einem schwerenBeben erschüttert. De Wracks waren nur vierhundertKlometer vom Nordpol entfernt. Dort entstanden dieBeben.

Atlan erhob sich. Seine Stimme klang gepreßt.„Mumifiziert - ausnahmslos! Die staubtrockene

Luft dieses Planeten ist ohne weiteres dazu geeignet,Tote auszudörren - aber nicht in wenigen Tagen! DieOMARON ist erst kurz vor uns angekommen.Außerdem steht es fest, daß die Männer zumZeitpunkt der Bruchlandung noch gelebt haben. Siewaren nur bewußtlos gewesen. Was, oder wer hat sieausgetrocknet?“

„Das ist Wahnsinn!“ sagte Rhodan rauh. „Siewerden bei der harten Landung innere Verletzungenerlitten haben, die schließlich zum Tode führten.“

„Nein, Sir“, meldete sich Tolot. „Sie haben nochgelebt. Etwas hat sie umgebracht. Wir solltenwenigstens einen Toten zur CREST mitnehmen EineObduktion ist dringend erforderlich.“

Rhodan winkte ab.„Laßt sie vorerst, wo sie sind. Ich werde später ein

Bestattungskommando schicken. Ich weiß in dieserSekunde nur, daß wir ohne Ihr blitzschnellesEingreifen nun ebenfalls mumifiziert wären. DieserPlanet ist eine Todesfalle; höchstwahrscheinlich eineAuffangstation die jedermann gnadenlos vernichtet,der nicht berechtigt ist, den Sechsecktransmitter zubenutzen. Tolot, wir haben Ihnen unser Leben zuverdanken.“

Der Haluter schwieg. Mitleidig blickte er auf denhageren Terraner nieder, der anscheinend um seineFassung kämpfte. Perry Rhodan hatte noch nie zujenen Staatsmännern gehört, die bereit waren, infolgepolitischer oder strategischer Erfordernisse Menschenzu opfern Sie drangen weiter ins Schiff vor. Je tiefersie kamen, um so geringfügiger wurden die Schäden.Die innere Kugelzentrale war vollkommen erhalten.Hier waren nur die empfindlichsten Meßgerätezersprungen. Aber auch dort entdeckte man nurmumifizierte Körper.

Nach zwei Stunden verließen sie die OMARON.Es geschah, als draußen die Doppelsonne hinter demHorizont verschwand und die Landschaft mitblutrotem Licht überschüttete.

Man war sehr weit nördlich gelandet. Infolge derPolachsenstellung wurde es nicht ganz dunkel. DieKorona der gelben Twin-Sonne lohte noch über denHorizont empor. Es entstand eine Zwielichtsonne.

Atlan stieß einen Alarmruf aus. Entsetzt deutete ernach Norden.

Über dem nicht mehr fernen Pol stand nach wievor der orangefarbene Energiestrahl. Er hatte sichjedoch so erheblich verstärkt, daß er einergigantischen Atomsäule glich, in der schattenhafterkennbare Materieteile mitgerissen wurden.

Rhodan sah auf die Uhr. Man war erst seit fünfStunden unterwegs. Die Besatzung der CRESTmußte längst wieder auf den Beinen sein.Wahrscheinlich glich das Schiff einer Festung.

Perry verzichtete auf einen Funkanruf. Er wärewahrscheinlich auch nicht durchgekommen.Hyperkurze Wellen sollten nicht verwendet werden.

„Tolot - fühlen Sie sich in der Lage, uns bis zumPol zu tragen und anschließend zum Schiffzurückzukehren? Sie hätten dabei etwa neunhundertKilometer zu laufen.“

„Verlassen Sie sich auf mich. Entschuldigen Siemich vorher für einige Minuten. Ich muß meinenEnergiehaushalt auffrischen.“

Sie bemerkten, daß der Haluter Felsgeröll in seinenRachen steckte und mit seinem Mahlgebiß zuarbeiten begann. Rhodan wandte sich schaudernd ab.

„Grauenhaft“, flüsterte Atlan.„Sieh dir das an! Sie müssen Stoffverwandler sein.

Ich bin davon überzeugt, daß er aus dem Gesteinalles herstellt, was er für seinen Metabolismusbenötigt.“

„Warum ist er nicht in die vollenVerpflegungsdepots der OMARON gegangen?“

Atlan zuckte mit den Schultern.„Er wird nicht auf tierische oder pflanzliche

Verbindungen, angewiesen sein. Er ist ein lebenderMateriekonverter. Auch wir erzeugen mit unserenmodernen Maschinen aus gewöhnlichem Erdreich diehochwertigsten Grundstoffe. Das ist eine Sache derkontrollierten Atomumwandlung. Frage ihn nichtdanach, hörst du? Diese Haluter scheineneigentümliche Ehrbegriffe zu besitzen.“

Das Krachen und Bersten verstummte. Tolot hattegegessen. Neue Energien durchströmten ihn. Seinorganischer Materiekonverter begann sofort mit derArbeit. Die in dem Gestein vorhandenen Mineralienund Spurenelemente wurden von den wenigerwertvollen Bestandteilen getrennt.

Icho Tolot erkannte die peinliche Verlegenheit derMänner. Sachlich und ohne Pathos erklärte er:

„Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe auf siewiderlich gewirkt. Diese Nahrungsaufnahme dientjedoch nur als Notbehelf. Auch wir lieben dieorganischen Grundstoffe, jedoch können wir sehrlange ohne sie auskommen. Glauben Sie nur nicht,auf Halut würde man nur Felsgeröll verspeisen. Wirbesitzen vitaminreiche Gewächse aller Art und daswahrscheinlich beste Mastvieh der Galaxis.“

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Tolot lachte. Er amüsierte sich über denGesichtsausdruck der Freunde.

Dann rannte der Haluter weiter. Auf seinemRücken saßen zwei Männer, die unverwandt zu derblendenden Energiesäule hinüberstarrten. DieBodenerschütterungen wurden immer stärker. Eswar, als wollte der Planet Power zerbersten.

*

Icho Tolot hatte keine vierhundert Kilometer zulaufen brauchen, um den Pol zu erreichen.

Nach etwa dreihundert Kilometern hatte dieEntstofflichungszone begonnen. Niemand hatte sichbis dahin vorstellen können, was auf Power geschah.Jetzt sahen es die drei Intelligenzwesen, von deneneins auf Terra geboren war. Alle aber waren sieKinder der gleichen Milchstraße. Das verband siemiteinander.

Die Polwüste hatte sich in einen zweihundertKilometer durchmessenden Riesenkrater verwandeltaus dem die ungeheure Energiesäule hervorbrach undim Raum verschwand. Der achte und kleinste Planetder Twin-Sonne löste sich auf! Es war derunglaublichste Vorgang, den sogar der an viele Dingegewohnte Haluter jemals erlebt hatte.

Die orangerote Säule war ein Transportstrahl, indem Milliarden Tonnen planetarischer Materiezerpulvert und in den Raum gerissen wurde. DieTwin-Sonne glich einer Nova. Die ankommendeMaterie wurde zweifellos in ihremEntstofflichungstransmitter aufgelöst und inunbekannte Tiefen des Universums verschickt.Vielleicht entstand anderswo ein neuer Planet, dergenau der Welt Power glich.

Je näher sie dem Pol gekommen waren, um soheftiger war der Sturm geworden. Jetzt hatte er sichzu einem Orkan gesteigert.

Am Rande des Entstofflichungstrichters bröckelteder Boden ab. Unvorstellbare Mengen Materierutschten nach unten, verschwanden in dem bereitskilometertiefen Schlund und wurden dort aufgelöst.Es schien sich um eine atomare, oder halbatomareVergasung zu handeln, die aber in ihremenergetischen Charakter noch einemvierdimensionalen Vorgang glich. Diefünfdimensionale Entstofflichung geschah erst imBallungszentrum des Sonnentransmitters.

Icho Tolot hielt die beiden Männer fest. Der Orkanwurde immer stärker. Nur Tolot konnte sich nochverständlich machen. Die Stimmen von Atlan undPerry kamen gegen das Heulen des Sturmes und dasTosen im Auflösungstrichter nicht mehr an.

Tolots Planhirn rechnete fieberhaft. Was wargeschehen? Er wußte sicher, daß er keinenkünstlichen Atombrand erzeugt hatte. Die

Impulskanonen und die Desintegratoren warentechnisch nicht in der Lage, eine Welt in dieser Formzu vernichten.

Hier mußte sich ein Prozeß entwickelt haben, dermit der Explosion der Pyramiden zusammenhing.Tolots Planhirn ermittelte mit hundertprozentigerGewißheit, daß diese Bauwerke nichts anderesgewesen waren als Materietransmitter zumüberlichtschnellen Transport von Gütern aller Art.Wahrscheinlich waren sie die Relaisstationenzwischen der gigantischen Sonnenschaltung und denStationen auf den sieben übrigen Planeten gewesen.

In erster Linie hatten die drei Pyramiden aber alsWaffe gedient. Es war ihre Aufgabe gewesen,unangemeldete Fremdschiffe oder sonstige Körperanzusaugen, sie auf Power zu landen und nach einemnochmaligen Test die Zerstörung einzuleiten.

Das System war tatsächlich eine Todesfalle! Esschien der erste Hemmschuh auf der langen Straßenach Andromeda zu sein.

Dann waren die Pyramiden durch Waffengewaltzerstört worden. Der Pol war in eine kochendeGlutwüste verwandelt worden, in dem mehrereMillionen Hitzegrade geherrscht hatten.

Diese thermischen Energien mußten die unter denPyramiden liegenden Maschinen und Vorratslager anhochenergetischen Reaktionsstoffen angegriffenhaben. Es war eine künstliche Sonne entstanden, dienach den Eigenarten der gestapelten Kernbrennstoffeeinen instabilen energetischen Austauschzyklusentwickelt hatte. Nur so hatte es zu derSelbstvernichtung kommen können.

Tolot sah einigermaßen klar. Rhodan und derLordadmiral rätselten noch an den Dingen herum.

Als sich Perry aufrichtete, um noch etwas näher anden Rand des Kraters heranzukriechen, riß derHaluter plötzlich seine überschwere Kombiwaffehoch.

Rhodan ging in Deckung. Ein armdickerThermostrahl röhrte an ihm vorbei, durchbrach dievom Sturm aufgepeitschte Mauer aus Sand undkleineren Gesteinsbrocken, um etwa hundert Meterentfernt in die Breitseite einer Maschineeinzuschlagen.

Tolot schrie eine Warnung. Da griffen auch Atlanund Rhodan zu den Waffen.

Drüben explodierte das flache, schildkrötenartigeGebilde, dessen Oberfläche nur von einigen Höckernverziert wurde. Es war einwandfrei eine Maschinegewesen!

Plötzlich waren diese Konstruktionen überall zusehen. Sie besaßen die verschiedenartigsten Formen.Manche rollten auf Ketten, andere auf breitenWalzen, mit denen sie jedes Hindernis überwindenkonnten. Fast alle waren sie aber flach, langgestreckt,manchmal ellipsenförmig und dann wieder tellerrund.

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Sie schossen aus den Sandwolken hervor, fuhrenoder schwebten gleich Prallgleitern bis zumTrichterrand und begannen dort mit einer seltsamenTätigkeit.

Atlan eröffnete ebenfalls das Feuer. Das Geräuschseines Energiestrahlers wurde von dem Orkanübertönt. Tolot riß die Freunde um etwa fünfzigMeter zurück. Der Boden gab plötzlich nach. Eineriesige Lawine aus Sand und Gestein stürzte in denTrichter hinunter, wo sie vom Sockel des orangerotenEnergiestrahls sofort erfaßt und zerpulvert in denWeltraum gerissen wurde.

Mehrere Maschinen waren ebenfalls abgestürzt.Sie explodierten unten in blendenden Stichflammen.

Andere Roboter waren rechtzeitigzurückgewichen. Aus ihren Körpern schossenblaßblaue Strahlungsbahnen hervor. Sie waren breitgefächert und glichen dem perlenden Wassergußeiner Sprühdüse.

Rhodan und Atlan begriffen plötzlich, was dieseunermüdlichen Maschinen vorhatten. Tolot hatte esbereits logisch ausgewertet.

„Atomare Feuerwehr“, brüllte der Gigant. „Siereagieren auf die starke Hyperstrahlung derFeuersäule. Sie wollen den Brand löschen.Wenigstens halten sie den Vorgang für einen Brand.Vorsicht, gleich stürzt der Trichterrand wieder ein.Das Gelände wird von unten her ausgehöhlt. Gehenwir.“

Sie gaben noch einige Schüsse ab vernichteten dieRobots, die hinter ihnen aus dem Dunst auftauchtenund den Weg versperrten und ergriffen die Flucht.

Tiefste Sorge erfüllte Rhodan. Wie lange würde esdauern, bis der eigentümliche Brand die CRESTerreicht hatte? Das Schiff lag nach wie vorstartunklar in der Wüste - knapp sechshundertKilometer von dem Ort des Unheils entfernt. Neindurch die rasche Ausdehnung des Trichters waren esnur noch fünfhundert Kilometer. Vielleicht sogarschon weniger.

„Schneller“, schrie Perry dem davonrasendenHaluter zu. „Tolot schneller! Schneller, oder wir sinddoch noch verloren.“

8.

Major Kinser Wholey, der Mann, der so gernlachte, fluchte jetzt. Er drehte die Lautstärkereglervoll auf und versuchte, aus dem Pfeifen und Heulender Empfänger eine menschliche Stimmeherauszuhören.

Wholeys dunkles Gesicht hatte die Grautönungnoch nicht verloren. Er war mit heftig wirkendenMitteln aus der Schockbetäubung erweckt worden.

Dicht über seiner Funkzentrale feuerte eineschwere Thermobatterie des Grünsektors im

Salventakt. Die ausgeschickten Glutbahnen hättengenügt, um einen kleineren Mond in Gase zuverwandeln. Es war nicht verwunderlich, daß Wholeyauf die Schiffsführung und den Ersten Gunneroffizierschimpfte.

Die CREST II glich einem feuerspeienden Gebirgeaus Stahl. Die pausenlos anrennendenRobotmaschinen, manche größer als ein terranischesEinfamilienhaus, waren vor etwa vier Stundenerstmals erschienen. Jetzt wurden sie bereitsgefährlich.

Ihre Strahlungsfächer durchdrangenseltsamerweise die Energieschirme der CREST undwirkten sich schädlich auf die ohnehin starkangegriffenen Nervenzellen der Männer aus.

Mory Rhodan-Abro, die den Oberbefehlübernommen hatte, ließ auf alles schießen, wasmetallisch glänzte.

Weit vor dem Schiff, dort, wo die Geröllwüsteblasenwerfend kochte war ein Trümmerhaufen vonringförmiger Gestalt entstanden. Dieser Planet schienunerschöpfliche Reserven von Robotern aller Artaufbieten zu können.

Außer den blauen Streustrahlungen wurden vonden Maschinen keine anderen Waffen eingesetzt. DasFlimmern genügte aber schon, um die erschöpftenBesatzungsmitglieder des Superschlachtschiffesallmählich zu zermürben.

Wholey hatte rasende Kopfschmerzen, die sichdurch kein Mittel beseitigen ließen. Chefarzt Dr.Artur hatte zur Beruhigung bekanntgegeben, dieStrahlung würde nur bestimmte Mineralspuren in denZellverbindungen angreifen. Eine tatsächlichorganische Schädigung läge nicht vor. Als wäre dieseAuskunft beruhigend gewesen!

„Fedderer - übernehmen Sie die Station“, schrieWholey einem Leutnant zu. „Ich gehe in dieZentrale.“

Der dunkelhäutige Funkchef, ein Terraner aus demBundesstaat Afrika, erhob sich und rannte auf dasoffenstehende Schott der Antigravdirektverbindungzu. In dem Augenblick dröhnten die Lautsprecher derBB-Verbindung auf. Oberst Cart Rudo war amApparat.

„Wholey - wo zur Hölle stecken Sie?“Kinser sprang zu seinem Platz zurück und stellte

sich vor die Aufnahme.„Ich wollte gerade zu Ihnen kommen, Sir. Kann

man das Feuer nicht mildern? Wenigstens die vierteGrünsektorbatterie? Die machen uns hier unten nochwahnsinnig.“

Rudo lachte humorlos.„Was Sie nicht sagen. Was denken Sie wohl, wie

es uns ergeht? Wenn wir nicht bald einen guten Raterhalten, dann sind wir wahnsinnig. Rufen Sie denChef an. Hypersender verwenden. Das Funkverbot

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wird ab sofort aufgehoben. Teilen Sie ihm mit, washier los ist und erbitten Sie Anweisungen!“

Zwei Funker schalteten bereits Als Wholey dasMikrophon vor den Mund zog, tauchten neue Wellenvon Robotmaschinen auf. Die Schutzschirme derCREST flackerten kurz auf. Das war alles, was voneiner Abwehr zu bemerken war. Wieder wurde dasSchiff von Strahlungsschauern eingehüllt. Kinserglaubte, sein Kopf müsse bersten.

An eine Flucht war nicht zu denken. Die CRESTwar fluguntauglich.

Neunzig Prozent der Männer waren mit denReparaturen beschäftigt. Vor achtundvierzig Stundenkonnte die Klarmeldung der Techniker nicht erwartetwerden.

Major Wholey schickte den ersten Hilferuf aus.Ihm war es jetzt gleichgültig, ob die CRESTeingepeilt wurde oder nicht. Rhodan und Atlanmußten schleunigst an Bord zurückkehren. DerHaluter natürlich ebenfalls.

„CREST an Stoßtrupp - CREST an Stoßtrupp.Chef bitte melden“, gab er unablässig durch.„Verwenden Sie Ihren Hypersender. Das Schiff istentdeckt worden und wird angegriffen. Ichwiederhole...!“

Nach der vierten Durchsage brüllten dieLautsprecher auf. Leutnant Fedderer sprang fluchendzu den Lautstärkereglern hinüber. Perry Rhodan waram: Apparat. Wholey atmete auf.

„Rhodan an CREST - ich verstehe Sie schlecht.Die Hyperwellen werden gestört. Wir treffen in etwaeiner Stunde ein. Was ist geschehen? Berichten Sie.“

Wholey schilderte den Angriff der Roboter.Rhodan fragte nur einmal zurück. Er sah klar. Daswaren die gleichen Maschinen, die auch am Polerschienen waren. Ihre Vernichtung wäre nichtschwierig gewesen, wenn nicht ständig neueaufgetaucht wären.

„Und Sie leiden unter zunehmendenKopfschmerzen?“

„Kaum noch auszuhalten, Sir“, stöhnte derFunkchef. „Wir haben versucht, die CREST mit dennoch intakten Triebwerken in die Luft zu bringen, Esgelang nicht. Die Schubleistung ist zwar ausreichend,aber wir können das Schiff nicht stabilisieren.Außerdem setzen die Schwerkraftneutralisatoren aus.Sie laufen kurz an, stottern und vorbei ist es wieder.Es gelingt uns nicht, die Masse des Schiffes von derplanetarischen Gravitation abzuschirmen. Sonstkämen wir wohl mit den restlichen Triebwerkenhoch.“

„Das würde auch nicht viel nützen. Bauen Sie mirnur keine zweite Bruchlandung. Richten Sie Rudoaus, er soll mit der Abwehr fortfahren. Wir kommen.Noch etwas - der Pol gleicht einem Riesenkrater.Power löst sich auf. Die Materie wird in den Raum

gerissen und zwischen den beiden Sonnenentstofflicht.“

„Auch das noch“, ächzte Wholey. „Ihrer Frau gehtes übrigens gut, Sir. Nur Gucky und die Mutantensind noch besinnungslos.“

„Danke. Sonst noch etwas?“Wholey schaltete ab. Er war ruhiger geworden. Ein

verzerrtes Grinsen überzog sein Gesicht.„Habt ihr schon einmal einen neugierigen Mann

gesehen? Nein...? Dann schaut mich an. Ich binverteufelt neugierig, wie Rhodan aus dieser Falleherauskommen will.“

*

Icho Tolot hatte die fünfhundert Kilometer vompolaren Trichterrand bis zur CREST in zirka fünfStunden bewältigt. Rhodan bemerkte jedoch besorgt,daß der Gigant zu ermüden begann. Zu diesemZeitpunkt tauchte aber schon die gewaltige Silhouettedes Flottenflaggschiffes über dem Horizont auf. Eswar immer heller geworden.

Vom Pol her lohte die Energiesäule in densternlosen Himmel der Wüstenwelt. Die beidengelben Sonnen schienen sich mehr und mehraufzublähen. Obwohl sie jenseits derPlanetenrundung standen und es eigentlich hätteNacht sein müssen, leckten die flammenden Zungenvon unvorstellbaren Gasausbrüchen über die Kimmempor und überschütteten das bebende Land mitblutroten Lichtfluten.

Dann, kurz bevor die CREST sichtbar wurde, hatteTolot eine zweite Leuchtquelle ausgemacht. Sieentstand dort, wo das Schlachtschiff gelandet war.Erst nach dem Hyperanruf hatte man erfahren, daßdieses Leuchten von den verglühendenRobotmaschinen erzeugt wurde.

Tolot hatte zehn Minuten geruht seinenEnergiehaushalt aufgefrischt und war weitergerannt.Jetzt hielt er nur noch ein Tempo von neunzigKilometern pro Stunde ein, nachdem er vorher mithundertzehn Kilometern durch die Wüste gerast war.

Der Haluter hielt erneut an. Sein zweites Herzunterstützte die metabolischen Funktionen seinesKörpers. Allmählich begann er das Gewicht vonRhodan und Atlan zu spüren.

Perry richtete sich auf dem Rücken des Halutersauf und sah zu dem glutflüssigen Kreis auszerschmelzender Materie hinüber. Das Dröhnen derGeschütze war trotz des stärker gewordenen Windeszu hören.

Die CREST glich einem flammenspeiendenUngeheuer, das sich erbittert gegen zahlloseAngreifer verteidigte.

„Ein prächtiges Feuerwerk“, meinte Atlan mitGalgenhumor. „Woher kommen die vielen

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Maschinen? Der Glutring ist wenigstens vierKilometer breit. Kommen Sie da durch, Tolot?“

„Selbstverständlich. Sie würden aber dabeiverkohlen.“

Atlan schluckte kräftig. Er glaubte, in den rotenAugen des Giganten ein ironisches Funkeln zubemerken.

„Rudo soll uns einen Shift schicken“, lenkte Perryein.

Der Haluter dachte schneller und logischer.„Haben Sie vergessen, daß Wholey sagte, die

Antigravmaschinen würden nicht anspringen?Verzichten Sie lieber auf den Flugwagen.“

„Verd...!“Perry biß sich auf die Lippen.„Ich glaube, ich habe die Lösung“ sprach Tolot

gelassen weiter. „Es scheint, als würden dieRobotmaschinen auf starke Hyperfelder ansprechen.Ihre verzweifelten Löschversuche am Pol wärendamit erklärt. Rudo soll versuchsweise seine mithyperenergetischen Krafteinheiten laufendenMaschinen und Schutzschirme abschalten. Wenn dieRobots dann immer noch angreifen haben wirverspielt. Sie sollten in diesem Falle Ihre Beibooteausschleusen und einen Weg finden, sie ohneabstützende Antigravfelder und allein durchMaschinenkraft zu starten.“

Rhodan sprang vom Rücken des Haluters hinab.Atlan folgte ihm Tolot richtete sich langsam auf undbegann mit einer Konzentrationsübung, von der dieMänner nichts bemerkten.

„Sind Sie etwa der Meinung, die Robots würdendie CREST als zweiten Brandherd einstufen, nur weilin ihr Hyperkraftmaschinen laufen?“ fragte Rhodan.

„So ist es, Sir. Ich kann mich natürlich irren.Meine Auswertung behauptet aber, das wäre dieLösung.“

Der Großadministrator zog sein Minikom an dieLippen. Rudo meldete sich sofort. Trotz der geringenEntfernung wurde der Funkverkehr erheblich gestört.

„Was?“ schrie der Epsaler entsetzt „Ich soll meineSchirme abschalten. Das ist Selbstmord, Sir.“

„Tun Sie, was ich Ihnen befohlen habe. Oderhaben Sie nicht ebenfalls Kopfschmerzen?“

„Auf Ihre Verantwortung, Sir.“„Natürlich auf meine.“„Ihre Gattin ist dagegen“, erklärte Rudo in einem

letzten Versuch, Rhodan umzustimmen.„Ach, Tatsächlich? Ich bin aber dafür! Los,

abschalten. Alles, was etwas mit Hyperkraft zu tunhat.“

Eine Minute später fielen die leuchtendenSchutzschirme der CREST in sich zusammen. Dasschwere Abwehrfeuer verstummte. Es wurdeplötzlich ruhig. Nur der leuchtende Kreis ausverflüssigtem Gestein brodelte noch. Blutrote

Gasschwaden stiegen empor, wurden von dem Sturmerfaßt und davongewirbelt.

„Na also!“ sagte Icho Tolot nach weiteren zweiMinuten. Rhodan starrte gebannt nach vorn.

Mehrere tausend Robotmaschinen standen reglosvor dem Todeskreis. Die letzten blauenStrahlungsschauer erloschen. Schließlich nahmen dieMaschinen Fahrt auf und verschwanden mit hoherGeschwindigkeit im Dämmerlicht. Ihr Kurs führte siezum Pol.

Atlan war etwas fassungslos. Er blickte denHaluter an, als sähe er ihn zum ersten Male.

Rudo meldete sich wieder. Er war die Verblüffungin Person.

„Die - die Biester sind verschwunden, Sir“,stotterte er. „Die sind wohl von unseren Feldernangelockt worden, wie?“

„Wie schön, daß Sie es auch bemerken, meinFreund“, entgegnete Rhodan. „Würden Sie dieLiebenswürdigkeit haben, drei müden Männern einenShift zu schicken? Ja...? Das ist aber nett. Vielenherzlichen Dank, Herr Oberst.“

Atlan grinste. Wenn Rhodan ihn dieser Art zusprechen begann, war er entweder mit seinen Kräftenam Ende angekommen, oder er fing erst an. Das hingganz von den jeweiligen Umständen ab.

Der Flugwagen landete. Tolot legte sich auf dieLadepritsche; Atlan und Perry stiegen ein. Wenigspäter wurden sie eingeschleust.

Die führenden Offiziere und Wissenschaftler derCREST II hatten sich im Hangar eingefunden.Rhodan blickte in Gesichter, die von denAnstrengungen der letzten Stunden gezeichnet waren.Nur Mory sah so frisch aus, als wäre überhaupt nichtsgeschehen.

Perry umarmte sie kurz. Zwischen diesen beidenMenschen genügte ein Blick zur Verständigung.

„Also noch achtundvierzig Stunden bis zurStartbereitschaft?“ wendete er sich an ChefingenieurDr. Bert Hefrich. „Geht es nicht schneller?“

„Der Tag auf Power hat dreißig Stunden, Sir.Wenn die nicht reichen, nehmen wir noch die Nachtund die Mittagspause hinzu“, erklärte der „Leitende“spitzfindig.

Rhodan nickte ernsthaft.„Vergessen Sie nicht die Frühstückspause. Aber

im Ernst - können wir die Reparaturen nichtforcieren?“

„Wir haben bereits alles aufgeboten, wasaufgeboten werden kann“, lehnte Dr. Hefrich ab.„Außerdem sind wir nach achtundvierzig Stundenbestenfalls bedingt flugtüchtig! Es tut mir leid, Sir.“

Rhodan wußte, daß dieser tüchtige Mann schonalles veranlaßt hatte. Es war zwecklos, noch weiterzu reden.

„Schön, finden wir uns damit ab. Oberst Rudo -

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Page 42: Die Strasse nach Andromeda

lassen Sie die Beiboote startklar machen. Stellen SieRobotkommandos ab. Wenn uns die Auflösungsfronterreicht, ehe wir uns mit der CREST nach Südenabsetzen können, müssen wir in den sauren Apfelbeißen. Hauptzahlmeister...!“Major Curt Bernard trat vor. Sein schütteresBlondhaar war zerzaust. Kurzsichtig blinzelnd, bauteer seinen stämmigen Körper vor demGroßadministrator auf. Bernards rotgeränderteWangen zuckten. Wenn er eine militärische Haltungannehmen mußte, glich er stets einem verlegenenPinguin. Er war ein unverbesserlicher Zivilist mitzwei linken Händen, wie sich der cholerische ErsteOffizier einmal ausgedrückt hatte.Zu Bernards Eigenarten zählte überdies noch eineaufregende Belehrungssucht, die schon manchenastronautischen Offizier an den Rand derVerzweiflung gebracht hatte. Bernard versuchte stetsbei Zornausbrüchen seiner Kollegen, ihr Verhaltenpsychologisch zu erklären. Er hatte an Bord denSpitznamen „der Spätzünder“, weil er dazu neigte,charakterlich nicht ganz einwandfreie Eigenartenanderer Leute mit einer zu spät eingetretenenPubertät zu begründen.„Sir...?“ sagte der Hauptzahlmeister schwitzend.„Räumen Sie Ihre Lager aus. Nahrungsmittel allerArt, Medikamente Kleidungsstücke und was sonstnoch alles zu Ihrem Versorgungsplan gehört. StopfenSie die Beiboote voll bis zum Rande. Wenn wirfliehen müssen, wollen wir wenigstens nicht auf allesverzichten.“Bernard blinzelte heftiger.„Sir!“ beschwor er Rhodan. „Sir, wenn das dieMänner bemerken, kommt es zu einer Katastrophe.Ich denke an Meuterei. Es wäre psychologisch

geschickter, die Verladung erst im letztenAugenblick durchzuführen. Verstehen Sie bitte - ichdenke an eine Aufpeitschung desSelbsterhaltungstriebes; an eine Aktivierung desWillens zum Durchhalten einfach dadurch, indem wirso tun, als dächten wir nicht an die Aufgabe derCREST.“Der unmilitärische Major ballte die Fäuste, schütteltesie voll Überzeugungskraft und sah sich lebhaft um.„Spätzünder, wenn Sie nicht in einer Sekundeverschwunden sind, dann stelle ich Sie zumGeschützreinigen ab“, brüllte der Erste Offizier.Major Curt Bernard ging. Rhodan lachte Tränen. Eswar seit der Bruchlandung das erste herzhafteGelächter, das an Bord der CREST aufklang.Der „Spätzünder“ flüchtete durch den nächstenVerbindungsgang, hielt vorsichtig einen Fuß in dasAntigravfeld eines Lifts, holte tief Luft und sprangschaudernd in die Leere des Schachtes.Er war - wie immer - zutiefst erleichtert, daß diesetechnische Einrichtung noch funktionierte.„Eines Tages wird der Aufzug versagen“, überlegteBernard. „Was dann? Ich werde abstürzen. Nur dasnicht! Lieber die Kaulquappen ausrüsten.“Achtzehnhundert Männer, die besten Spezialisten derSolaren Flotte, ließen sich durch dieseVorkommnisse nicht stören. Sie arbeiteten weiter anden Triebwerken.Nur noch wenige hundert Kilometer entfernt lohtedie gelbrote Flammensäule. Der Planet Power lag imTodeskampf.

E N D E

Sie sind im Abgrund zwischen den Welteninseln gestrandet - 900 000 Lichtjahre von Terra entfernt! EineRückkehr zur Milchstraße mit eigener Maschinenkraft ist völlig ausgeschlossen - einen solchen Aktionsradiusbesitzt das Lineartriebwerk der CREST II nicht.Also müssen die 2000 Männer des Solaren Flaggschiffs alles daransetzen, eine andere Möglichkeit derRückkehr zufinden...

STERNSTATION IM NICHTS.

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