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Im Fokus: Prostatakarzinom Im Fokus: Prostatakarzinom Für die Behandlung des fortgeschrittenen Prosta- takarzinoms sind in den zwei Jahren seit unserer letz- ten Übersicht (SZO 2010; 4: 14–18) bedeutende Me- dikamente hinzugekommen, die sowohl die hormonellen als auch die zytostatischen und andere Wirkungsmechanismen betreffen. Eine erneute Dar- stellung dieser stark veränderten Situation drängt sich somit auf. Hormontherapie Die Grundlagen der hormonellen Therapie sind in den letzten Jahren unverändert geblieben. Das Prostatakarzinomgewebe ist in den weitaus meisten Fällen androgenabhängig, was bedeutet, dass die Karzinomzellen beim Wegfall von Testosteron nicht überlebensfähig sind. Eine hormonelle Massnahme bleibt die Erstlinientherapie des metastasierten Prostatakarzinoms. Die hormonelle Ablation erfolgt meistens durch LHRH-Agonisten wie Goserelin, Leuprolid oder Bu- serelin, deren Wirkung gleichwertig, aber nicht bes- ser oder nebenwirkungsärmer ist als eine Orchiekto- mie. Letztere belastet allerdings psychologisch stär- ker. Die verschiedenen Formulierungen besitzen jeweils eine unterschiedliche Wirkungsdauer – von einem Monat bis maximal einem Jahr – sowie eine unter- schiedliche Galenik; bezüglich Wirksamkeit zeigen sie aber keine eindeutigen Unterschiede. Nach Orchiektomie ist ein zusätzlicher Einsatz von LHRH- Agonisten nicht indiziert. Eine maximale Androgenblockade, also die Kombi- nation von LHRH-Agonisten mit einem Antiandro- gen, hat in einer grossen Metaanalyse keinen signifi- kanten Überlebensvorteil gezeigt und ist somit kein Standard (1). Bei Beginn der Behandlung mit einem LHRH-Agonisten hingegen ist eine Kombination mit einem Antiandrogen zu empfehlen, um den kurz dauernden passageren Testosteronanstieg und da- mit die möglicherweise einhergehende Krankheits- progression vermeiden zu können. LHRH-Agonisten sind einer Orchiektomie in Bezug auf Überleben gleichwertig, allein eingesetzte Antiandrogene je- doch bei diesem Vergleich unterlegen. Neue Erkenntnisse in der Standardtherapie In den letzten Jahren wurden zunehmend neben den sofort auftretenden bekannten Nebenwirkungen, wie Impotenz, Schwitzen und Hitzewallungen, die vielen, teilweise auch erst nach längerem Einsatz auf- tretenden medizinischen Folgen der Androgen- suppression bekannter: Hierzu gehören Osteopenie, metabolisches Syndrom (2), Anämie, Konzentrations- störungen und kognitive Beeinträchtigung, Rarifizie- rung der Körperbehaarung, Kleinerwerden von Ho- den und Penis und andere. Diese möglichen Die Systemtherapie des fortge- schrittenen Prostatakarzinoms Update 2012 Die Möglichkeiten der Systemtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms haben sich seit der letzten Übersicht in diesem Journal vor zwei Jahren beträchtlich erweitert. Mehrere neue Medikamente – Abira- teron, Cabacitaxel, Denusomab – sind zwischenzeitlich in der Schweiz registriert worden; für weitere wird die Zulassung demnächst erwartet. Die Aussichten für betroffene Patienten sollten sich damit weiter signi- fikant verbessern. RUDOLF MORANT 28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2012 Rudolf Morant ABSTRACT Medical treatment of advanced prostate cancer The paper reviews current trends and exciting new possibilities as new drugs are entering the clinical arena, instilling new hope and increasing survival of pa- tients with advanced prostate cancer. Possibilities for further clinical research expand by exploring a variety of new combinations and sequences. The intro- duction of abiraterone allowed further hormonal therapies in patients with CRPC as an alternative to the chemotherapeutic drug cabacitaxel in the second line treatment after docetaxel. New very potent antiandrogens (MDV3001 and others) will soon reach the clinic. The monoclonal antibody denosumab proved superior to bisphosphonates and the introduction of substances of other clas- ses, such as Radium-223 (Alpharadin), immunological approaches and novel small molecules, such as Cabozantinib, will further enrich the available medical options. Key words: Prostate cancer, hormonal therapy, drug therapy.

Die Systemtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms

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Page 1: Die Systemtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms

Im Fo k u s : P r o s t a t a k a r z i n omIm Fo k u s : P r o s t a t a k a r z i n om

Für die Behandlung des fortgeschrittenen Prosta-takarzinoms sind in den zwei Jahren seit unserer letz-ten Übersicht (SZO 2010; 4: 14–18) bedeutende Me-dikamente hinzugekommen, die sowohl diehormonellen als auch die zytostatischen und andereWirkungsmechanismen betreffen. Eine erneute Dar-stellung dieser stark veränderten Situation drängtsich somit auf.

HormontherapieDie Grundlagen der hormonellen Therapie sind inden letzten Jahren unverändert geblieben. DasProstatakarzinomgewebe ist in den weitaus meistenFällen androgenabhängig, was bedeutet, dass dieKarzinomzellen beim Wegfall von Testosteron nichtüberlebensfähig sind. Eine hormonelle Massnahmebleibt die Erstlinientherapie des metastasiertenProstatakarzinoms. Die hormonelle Ablation erfolgt meistens durchLHRH-Agonisten wie Goserelin, Leuprolid oder Bu-

serelin, deren Wirkung gleichwertig, aber nicht bes-ser oder nebenwirkungsärmer ist als eine Orchiekto-mie. Letztere belastet allerdings psychologisch stär-ker. Die verschiedenen Formulierungen besitzen jeweilseine unterschiedliche Wirkungsdauer – von einemMonat bis maximal einem Jahr – sowie eine unter-schiedliche Galenik; bezüglich Wirksamkeit zeigensie aber keine eindeutigen Unterschiede. NachOrchiektomie ist ein zusätzlicher Einsatz von LHRH-Agonisten nicht indiziert. Eine maximale Androgenblockade, also die Kombi-nation von LHRH-Agonisten mit einem Antiandro-gen, hat in einer grossen Metaanalyse keinen signifi-kanten Überlebensvorteil gezeigt und ist somit keinStandard (1). Bei Beginn der Behandlung mit einemLHRH-Agonisten hingegen ist eine Kombination miteinem Antiandrogen zu empfehlen, um den kurzdauernden passageren Testosteronanstieg und da-mit die möglicherweise einhergehende Krankheits-progression vermeiden zu können. LHRH-Agonistensind einer Orchiektomie in Bezug auf Überlebengleichwertig, allein eingesetzte Antiandrogene je-doch bei diesem Vergleich unterlegen.

Neue Erkenntnisse in der Standardtherapie In den letzten Jahren wurden zunehmend neben densofort auftretenden bekannten Nebenwirkungen,wie Impotenz, Schwitzen und Hitzewallungen, dievielen, teilweise auch erst nach längerem Einsatz auf-tretenden medizinischen Folgen der Androgen-suppression bekannter: Hierzu gehören Osteopenie,metabolisches Syndrom (2), Anämie, Konzentrations-störungen und kognitive Beeinträchtigung, Rarifizie-rung der Körperbehaarung, Kleinerwerden von Ho-den und Penis und andere. Diese möglichen

Die Systemtherapie des fortge-schrittenen ProstatakarzinomsUpdate 2012

Die Möglichkeiten der Systemtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms haben sich seit der letztenÜbersicht in diesem Journal vor zwei Jahren beträchtlich erweitert. Mehrere neue Medikamente – Abira-teron, Cabacitaxel, Denusomab – sind zwischenzeitlich in der Schweiz registriert worden; für weitere wirddie Zulassung demnächst erwartet. Die Aussichten für betroffene Patienten sollten sich damit weiter signi-fikant verbessern.

RUDOLF MORANT

28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2012

Rudolf Morant

ABSTRACT

Medical treatment of advanced prostate cancer

The paper reviews current trends and exciting new possibilities as new drugsare entering the clinical arena, instilling new hope and increasing survival of pa-tients with advanced prostate cancer. Possibilities for further clinical researchexpand by exploring a variety of new combinations and sequences. The intro-duction of abiraterone allowed further hormonal therapies in patients withCRPC as an alternative to the chemotherapeutic drug cabacitaxel in the secondline treatment after docetaxel. New very potent antiandrogens (MDV3001 andothers) will soon reach the clinic. The monoclonal antibody denosumab provedsuperior to bisphosphonates and the introduction of substances of other clas-ses, such as Radium-223 (Alpharadin), immunological approaches and novelsmall molecules, such as Cabozantinib, will further enrich the available medicaloptions.

Key words: Prostate cancer, hormonal therapy, drug therapy.

Page 2: Die Systemtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms

Nebenwirkungen werden heute regelmässiger kon-trolliert und auch behandelt als früher. In diesem Zu-sammenhang spielt der internistisch ausgebildeteArzt eine wichtige Rolle im Behandlungsteam.Während Jahren wurden Anhaltspunkte diskutiert,dass eine intermittierende hormonelle Therapie ne-ben besserer Lebensqualität in den Therapiepausenweniger Nebenwirkungen bei erhoffter gleicherWirksamkeit und möglicherweise sogar eine Verzö-gerung einer Resistenzentwicklung bewirken könnte.In einer internationalen Phase-III-Studie hat sich je-doch kürzlich gezeigt, dass das Überleben von Pati-enten mit metastasiertem Prostatakarzinom – speziellin noch frühen Stadien – bei intermittierender Hor-montherapie sich sogar verschlechtert (3). Standardbleibt somit beim fortgeschrittenen Prostatakarzi-nom klar die kontinuierliche antiandrogene Therapiemit einem LHRH-Agonisten.

CRPC: Abirateron, Ketokonazol, MDV3001:aktuelle ResultateIst das Prostatakarzinom – klinisch oder durch PSA-Anstieg dokumentiert – trotz fortgesetzter Andro-genblockade progredient, wird dies als kastrationsre-fraktäres Prostatakarzinom (CRPC) bezeichnet. DieseResistenz erfolgt nach individuell stark unterschied-lich langer Therapiedauer und kann über unter-schiedliche Mechanismen, meistens durch eine ver-mehrte Androgenrezeptordichte auf den Krebszellen,aber auch durch andere Mechanismen wie Rezeptor-mutationen erfolgen. Die Prostatakarzinomzellenbleiben jedoch androgenabhängig, was die Basis fürhormonelle Zweittherapien bildet, selbst bei sehrniedrigen Testosteronspiegeln im Kastrationsbereich.Auch eine Androgensynthese im Tumorgewebeselbst ist involviert. Eine wichtige neue hormonelle Behandlung eröffnetesich mit der Entwicklung von Abirateron (Zytiga®), dasletztes Jahr in der Schweiz zugelassen wurde und be-reits breit eingesetzt wird. Ein eindrückliches Anspre-chen bei wenig Nebenwirkungen ist hier frappant.Abirateron hemmt die Synthese von Androgenendurch Hemmung des Syntheseschritts von Choleste-rin zu Dihydrotestosteron (Cytochrom-P450-CYP-17-Hemmer). Diese Blockade erfolgt in den Neben-nieren, aber auch im Tumorgewebe. Es wird zusam-men mit 10 mg Prednison gegeben, um eine Wir-kungsoptimierung und Minimierung von Nebenwir-kungen zu erreichen. Es konnte gezeigt werden, dass Abirateron das Über-leben von Patienten in der Zweitlinientherapie nachder Standardchemotherapie mit Docetaxel (Taxo-tere®) signifikant um durchschnittlich 4 Monate(14,8 Monate vs. 10,9) verlängert (4). Das Medikamentwirkt auch bei Patienten, die noch nicht mit Doceta-xel behandelt worden waren, wie in einer Phase-III-Studie im Vergleich zu Plazebo gezeigt werden

konnte (5). Diese Strategie stellt jedoch zurzeit nochkeine kassenpflichtige Indikation dar. Die gleichen Syntheseschritte hemmt auch das Pilz-mittel Ketokonazol (Nizoral®), das vor der Einführungvon Abirateron in einer Off-label-Indikation auch zurhormonellen Beeinflussung des Prostatakarzinomsgenutzt wurde. Weitere Substanzen (z.B. TAK-700)sind in der Entwicklung. Die Wirkung des sehr potenten AntiandrogensMDV3001 beruht auf der Bindung von Androgenenan ihren Rezeptor auf den Tumorzellen; die Substanzblockiert dessen Verlagerung in den Zellkern und dieBindung an die DNS. Eine grosse Studie zeigte, dassder Einsatz von MDV3001 nach Chemotherapie imVergleich zu keiner weiteren antitumorösen Mass-nahme das Überleben signifikant um eindrückliche5 Monate verlängerte, von 13,6 auf 18,4 Monate (6).Das Medikament ist in der Schweiz zurzeit noch nichterhältlich.Für die nächsten Jahre ist zu erwarten, dass der Ein-satz dieser Medikamente durch mögliche Kombina-tionen oder unterschiedliche Sequenzen sowie durchdie Bestimmung des besten Anwendungszeitpunk-tes sich weiter deutlich optimieren lässt.

Supportive TherapieDas Bisphosphonat Zoledronat (Zometa®) hat sichseit über 10 Jahren zur Vermeidung eines durch An-drogenentzug geförderten Verlusts von Knochen-dichte bewährt, ebenso zur Verminderung ossärerKomplikationen (Frakturen, Notwendigkeit von Chir-urgie oder Strahlentherapie) bei Prostatakarzinom-patienten mit Knochenmetastasen. Ende letzten Jahres ist in der Schweiz Denosumab(XGEVA®) bei Vorliegen von Skelettmetastasen zuge-lassen worden. Der monoklonale Antikörper besitzteinen neuartigen Wirkungsmechanismus, welcherdas Protein RANKL und damit die Aktivität vonOsteoklasten blockiert. Der Antikörper, welcher ein-mal monatlich subkutan in der Dosis von 120 mg ver-abreicht wird, ist gut verträglich und übertrifft dieWirksamkeit von Zoledronat (7) in Bezug auf die Ver-hinderung von ossären Komplikationen beim Prosta-takarzinom. Denosumab kann zudem – ähnlich wieZoledronat – die Knochendichte bei Patienten unterAndrogendeprivation wieder anheben sowie eineHyperkalzämie korrigieren. Bei früher Anwendungkann es ferner das Auftreten von Knochenmetasta-sen verzögern, allerdings ist es für diese Indikationnicht registriert. Allerdings kann auch unter Denosumab, ähnlich wiebei Bisphosphonaten, eine Kieferosteonekrose auf-treten. Diese Komplikationen sind seltener gewor-den, seitdem sie bei Onkologen und Zahnärzten be-kannt sind: Heute stehen Patienten unter diesenTherapien unter enger Überwachung; gehäuft habensich invasive zahnärztlich/kieferchirurgische Eingriffe

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SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2012 29

Page 3: Die Systemtherapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms

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mit den vorbereitenden Massnahmen (v.a. zahnärztli-che Untersuchungen bei Therapiebeginn).Zu beachten sind anderseits mögliche Hypokalz-ämien unter einer Denosumabtherapie, sodass eineentsprechende prophylaktische Substitution mit Kal-zium und Vitamin D zu empfehlen ist. Eine nuklearmedizinische Behandlung, vor allem beiPatienten mit fortgeschrittenen schmerzhaften Kno-chenmetastasen, wurde seit vielen Jahren gelegent-lich eingesetzt. Problematisch war die oft hohe My-elotoxizität. Mit der Einführung von Radium-223(Alpharadin®) gibt es jetzt eine neue nuklearmedizini-sche Substanz, die deutlich weniger Hämatotoxizitätals Folge hat, PSA-Antworten bewirkt, eine Schmerz-reduktion bringt und mit der auch eine Verlängerungdes Überlebens gezeigt wurde (8). Radium-223 ist einAlphastrahler, der nur wenige Millimeter strahlt, wo-mit dieses veränderte Toxizitätsprofil erklärt werdenkann. Das Medikament wird bald auch in der Schweizan ausgewählten Zentren verfügbar werden.

Chemotherapie Erst mit der Einführung von Docetaxel und den kla-ren Studienresultaten, die einen Überlebensvorteilgezeigt hatten, setzte sich die vorher umstrittene zy-tostatische Behandlung beim kastrationsrefraktärenProstatakarzinom im Jahre 2004 durch. Derzeit be-steht die Tendenz, Docetaxel früher im Krankheits-verlauf einzusetzen, nicht erst bei fortgeschrittener,stark symptomatischer Metastasierung. Im Jahr 2011 wurde Cabacitaxel (Jevtana®) registriert,das in der Zweitlinientherapie das erste Medikamentwar, das einen Überlebensvorteil in einer Studie zei-gen konnte mit einem mittleren Überleben von 15 imVergleich zu 12 Monaten ohne weitere Therapie.Cabacitaxel ist ein Taxanderivat mit noch erhaltenerWirksamkeit nach Docetaxelresistenz (9). Das Medi-kament wird in dreiwöchentlichen Abständen appli-ziert und ist im Allgemeinen gut verträglich, wobeidie hauptsächliche Nebenwirkung die Hämatotoxi-zität ist. Es wird gegenwärtig auch studiert, ob Caba-citaxel im direkten Vergleich zu Docetaxel möglicher-weise Vorteile aufweist.Viele Fragen zu Sequenz oder Kombination lassensich zurzeit noch nicht beantworten. Aus Toxizitätsgründen wählen manche Kliniker alsZweitlinientherapie nach Docetaxel Abirateron undnicht Cabacitaxel, um so dem Patienten eine Zeitohne Chemotherapie zu ermöglichen. Diese Wahlberuht jedoch nicht auf klinischen Studien. Vielleichtkönnen in Zukunft auch individuelle molekularbiolo-gische Studien Hinweise auf das am meisten Erfolgversprechende Vorgehen bieten (10).

Neueste AnsätzeSeit einigen Jahren sind Immuntherapien mit unter-schiedlichen Ansatzpunkten in der klinischen Ent-

wicklung. In den USA, nicht jedoch in Europa, wurdebereits 2010 Sipuleucel-T (Provenge®) registriert: DieBehandlung auf der Basis von patienteneigenen mo-nonukleären Zellen erweist sich allerdings als auf-wendige und entsprechend teure Methode. Beiasymptomatischen oder nur wenig symptomatischenPatienten mit CRPC konnte in einer randomisiertenStudie eine Überlebensverlängerung nachgewiesenwerden (11), ohne dass ein verbessertes Ansprechenoder bessere PSA-Antworten festgestellt wurden.Der Wirkungsnachweis solcher Medikamente ver-langt ein neues Studiendesign mit zum Teil anderenEndpunkten als denen, welche in Studien mit kon-ventionellen Zytostatika und gewohnten Ansprechra-ten verwendet werden. Die Blockade unterschiedlicher Signalwege wird zur-zeit im Hinblick auf therapeutische Möglichkeitenuntersucht: Zu den Substanzklassen gehören dieHemmer der Angiogenese, mTOR-Inhibitoren, Endo-thelinrezeptorantagonisten und Tyrosinkinasehem-mer. Eine sehr Erfolg versprechende Substanzscheint Cabozantinib (MET- und VEGFR2-Hemmer)zu sein, welche eindrückliche Remissionen, speziellvon Knochenmetastasen, assoziiert mit Schmerzkon-trolle bereits gezeigt hat (12).

SchlussbemerkungenMit den neuen Substanzen eröffnen sich in unter-schiedlichen Kombinationsmöglichkeiten und Se-quenzen viele neue Behandlungsoptionen, sodass inden nächsten Jahren weitere Behandlungsverbesse-rungen und viele klinische Studien zu erwarten sind.Studientätigkeit hilft nicht nur zukünftigen Patienten,

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M e r k p u n k t e▲ Eine kontinuierliche Hormontherapie mit einem

LHRH-Agonisten bleibt die erste Systemtherapie

beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom.

▲ Beim kastrationsrefraktären Prostatakarzinom

gibt es wirksame endokrine Zweitlinientherapien (z.B.

mit Abirateron, MDV3001).

▲ Die als Standard geltende Chemotherapie mit Do-

cetaxel beim fortgeschrittenen CRPC kann bei Bedarf

wiederholt gegeben werden.

▲ Als evidenzbasierte Zweitlinientherapien mit nach-

gewiesener Verlängerung des Überlebens stehen

Abirateron oder Cabazitaxel zur Verfügung.

▲ Mit Radium-223 (Alpharadin) ist eine weitere Thera-

piemöglichkeit mit nachgewiesenem Überlebensvor-

teil bald verfügbar.

▲ Supportive Therapien mit Zoledronat und Denosu-

mab sind ein wichtiger Pfeiler der Systemtherapie

beim ossär metastasierten Prostatakarzinom.

▲ Der frühzeitige Einbezug eines medizinischen On-

kologen wird mit den zunehmenden Therapiemög-

lichkeiten immer wichtiger.

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sondern kann auch für die dabei beteiligten Patien-ten ein Vorteil sein. So zeigte eine kürzliche retro-spektive Arbeit erneut , dass das Überleben von Stu-dienpatienten länger war (13). Die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb vonInstitutionen und in Netzwerken wird immer wichti-ger, da die verschiedenen antitumorösen Behandlun-gen, die Strahlentherapie, die supportiven Therapienoder die Behandlung von therapieassoziierten Ne-benwirkungen oft von verschiedenen beteiligten Ärz-ten vorgenommen werden. Die Vorstellung in Tu-morboards und ein frühzeitiger Einbezug desOnkologen in die Behandlungsplanung und Betreu-ung ist dabei essenziell. ▲

Dr. med. Rudolf MorantÄrztlicher LeiterTumor- und Brustzentrum ZeTuP AG9006 St. Gallen

Leiter Niederlassung Tumorzentrum ZeTuP Rapperswil-Jona8640 RapperswilE-Mail: [email protected]: www.zetup.ch

Interessenkonflikte: keine deklariert

Quellen:

1. Prostate Cancer Trialists’ Collaborative Group: Maximum and-rogen blockade in advanced prostate cancer: an overview of therandomised trials. Lancet 2000; 355 (9214): 1491–98.

2. Saylor PJ, Smith MR: Metabolic complications of androgen de-privation therapy for prostate cancer. J Urol. 2009; 181(5): 1998–2006.

3. Hussain M, Tangen C et al.: Intermittent (IAD) versus conti-nuous androgen deprivation (CAD) in hormone sensitive metasta-tic prostate cancer (HSM1PC) patients (pts): Results of S9346 (INT-0162), an international phase III trial. J Clin Oncol 2012, 30 (suppl,abstract #4).

4. Scher H, Fizazi K, Saad F et al.: Effect of MDV3100, an andro-gen receptor signaling inhibitor (ARSI), on overall survival in pati-

ents with prostate cancer postdocetaxel: Results from the phase IIIAFFIRM study. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl 5; abstr #LBA1).

5. Ryan CJ et al.: Interim analysis (IA) results of COU-AA-302, arandomized, phase III study of abiraterone acetate (AA) in chemo-therapy-naive patients (pts) with metastatic castration-resistantprostate cancer (mCRPC). J Clin Oncol 2012; 3 (suppl: abstract LBA#4518).

6. De Bono JS et al.: Primary, secondary, and quality-of-life end-point results from the phase III AFFIRM study of MDV3100, an and-rogen receptor signaling inhibitor. J Clin Oncol 2012; 3, abstract#4519.

7. Fizazi K, Carducci M, Smith M et al.: Denosumab versus zole-dronic acid for treatment of bone metastases in men with castra-tion-resistant prostate cancer: a randomised, double-blind study.The Lancet 2011; 377, 813–22.

8. Parker Ch, Nilsson S et al.: Final overall survival analysis resultsfrom the phase III, double-blind, randomized, multinational studyof radium-223 chloride in the treatment of patients with castration-resistant prostate cancer (CRPC) with bone metastases (ALSYM-PCA). J Clin Oncol 2012:30, LBA#4512.

9. De Bono JS, Oudard S, Ozguroglu M et al.: Prednisone pluscabazitaxel or mitoxantrone for metastatic castration-resistantprostate cancer progressing after docetaxel treatment: A rando-mised open-label trial. Lancet 2010; 376: 1147–54.

10. Myers E, Basu G et al.: Successful Treatment of AdvancedMetastatic Prostate Cancer following Chemotherapy Based onMolecular Profiling. Case Rep Oncol 2012; 5(1): 154–58.

11. Kantoff PW, Higano CS, Shore ND et al.: Sipuleucel-T immuno-therapy for castration-resistant prostate cancer. N Engl J Med2010; 363: 411–22.

12. Smith M, Sweeney Ch: Cabozantinib (XL184) in chemo-therapy-pretreated metastatic castration resistant prostate cancer(mCRPC): Results from a phase II nonrandomized expansion co-hort (NRE). J Clin Oncol 30, 2012 (suppl; abstr #4513).

13. Goyal J, Nuhn P, Nuhm H et al.: The effect of clinical trial par-ticipation versus non-participation on overall survival in men recei-ving first-line docetaxel-containing chemotherapy for metastaticcastration-resistant prostate cancer. BJUI 2012; first published on-line: 15 June 2012.

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