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Die Tapfere Catharina Regina von Greiffenberg Heimo Cerny

Die Tapfere - Catharina Regina von Greiffenberg

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Heimatkundliche Serie von Irene M. Weiß

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Page 1: Die Tapfere - Catharina Regina von Greiffenberg

Die TapfereCatharina Regina von Greiffenberg

Heimo Cerny

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Heimo Cerny

Die Tapfere

Catharina Regina von Greiffenberg

Limitierte Auflage

/ 60

Eigenverlag Irene M. Weiß

Band 4

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Cerny, Heimo:Die Tapfere

Catharina Regina von Greiffenberg1. Auflage – Wieselburg, 2005

ISBN 3-9501919-3-3

Eigentümer, Herausgeber und Verleger:Irene M. Weiß, A-3250 Wieselburg, Johann Wintergasse 9

Text:Dr. Heimo Cerny, A-3300 Amstetten, Gutenbergstraße 23

Gestaltung:Mag. (FH) Johanna Weiß, A-3250 Wieselburg, Johann Wintergasse 9

Druck:Fa. gröbner, A-3252 Petzenkirchen, Ötschergasse 3

Copyright © 2005 Irene M. Weiß, Wieselburg

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Zwar ist es nicht gemein / daß Weibes-Bilder schreiben.Doch / wann der Höchste selbst die Feder kommt zu treiben /wer kann sie halten still?

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Jugendbildnis von Catharina Regina von Greiffenberg, aufgefunden 1986 im Schloss Seisenegg.

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CR v. Greiffenberg ist die bedeutendste deutsch-sprachige Autorin des 17. Jahrhunderts und eine der größten österreichischen Schriftstellerinnen überhaupt. Umso befremdlicher ist die Tatsache, dass sie in ihrem Heimatland nahezu unbekannt geblieben ist und auch von der österreichischen Literaturwissenschaft bisher so gut wie völlig ignoriert wurde. Vermutlich war der Anreiz, sich in der katholischen Alpenrepublik mit einer protestantischen Autorin zu befassen, ein zu gerin- ger. Im Gegensatz dazu hat sich die germanistische Fachwelt in Deutschland, in der Schweiz, in den Niederlanden und zuletzt sogar in den USA und Kanada sehr eingehend mit dem umfangreichen Oeuvre der Baronin von Greiffenberg auseinander-gesetzt. Ein reprographischer Nachdruck ihres Ge-samtwerkes in zehn Bänden ist 1983 in New York (!) erschienen – im österreichischen Buchhandel jedoch nicht greifbar.

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Linsmayer-Epitaph im Innenhof des Marktschlosses Wieselburg.02

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Begibt man sich auf die Suche nach Herkunft und familiären Wurzeln dieser außergewöhnlichen Frau, so führen die Spuren hierher nach Wieselburg, wo Johann Baptist Linsmayer im Jahr 1587 für sich und seine Nachkommen in der Apsis der Pfarrkirche eine standesgemäße Erbgruft errichten ließ. Die marmorne Wappengrabplatte mit der Aufschrift

„Der Linzmair zu Weinzierl begrebnus 1587“

ist 1958 bei Renovierungsarbeiten aufgedeckt wor-den und ist jetzt im Innenhof des Marktschlosses angebracht.

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Stammbaum der Familie Linsmayer-Greiffenberg.03

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Johann B. Linsmayer war der noch bürgerliche Großvater Catharinas und Stammvater des kurz-lebigen, nur drei Generationen lang blühenden protestantischen Adelsgeschlechts der Greiffenberg. Linsmayer entstammte einer wohlhabenden Wiener Bürgerfamilie, studierte an italienischen Universitäten und wurde 1565 in Pavia zum Doktor beider Rechte promoviert. Zwei Jahre später wurde er in seiner Heimatstadt Wien zum Universitätsprofessor ernannt.

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Burgruine Karlsbach, 2005.05

Karlsbach nach Georg Matthäus Vischer (1672).04

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Sein ausgezeichneter Ruf als Jurist führte ihn 1571 an den landesfürstlichen Hof nach Graz, wo er rasch Karriere machte. Seine Stellung als kaiserlicher Rat und Finanzprokurator erwies sich als Quelle eminenter Reichtumsbildung. 1579 wurde Linsmayer in den rittermäßigen Adelsstand erhoben und erhielt die niederösterreichische Land-standschaft.

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Freyenstein nach Georg Matthäus Vischer (1672).06

Ruine Freyenstein, 2005.07

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In der Folge erwarb er reichen Grundbesitz im niederösterreichischen Alpenvorland: 1579 die Herrschaft Weinzierl1598 die Herrschaft Seisenegg1604 den Herrschaftskomplex Freienstein-Karlsbach- Waasen

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Schloss Greiffenberg bei Hieflau, um 1980.08

Fresko im Stift Seitenstetten: Schloss Greiffenberg am Fuße des Lugauers im Radmertal, im Hintergrund die Knappenhäuser.

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Als größter wirtschaftlicher Erfolg des cleveren Juristen und gewiegten Geschäftsmannes erwies sich der Erwerb der reichsten Kupfergrube der Steiermark in der Radmer bei Hieflau, wo er sich 1601 den Edelsitz Greiffenberg erbauen ließ. Der Gewinn am Bergwerk war so groß, dass er neben dem Ausbau seiner erworbenen Schlösser dem Kaiser eine Summe von 60.000 fl. vorstrecken konnte, die er allerdings nie mehr zurückbekommen hat. Dafür erhielt er 1602 die kaiserliche Erlaubnis sich hinfort Edler von Greiffenberg zu nennen und seinen bürgerlichen Namen abzulegen. Dies ist die Geburtsstunde des Geschlechts der Greiffenberg, welches freilich nach einem knappen Jahrhundert wieder erlöschen sollte.

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Inschrift an der Vorderseite des Pfarrhofes von Viehdorf.10

Linsmayer-Epitaph am Altar der Viehdorfer Pfarrkirche.11

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Die Krönung seiner Karriere erlebte Johann von Greiffenberg schließlich mit der Erhebung in den erblichen Freiherrenstand – nur wenige Monate vor seinem Tod – im April des Jahres 1608. Testamenta-risch verfügte er noch die Errichtung einer nunmehr Greiffenbergischen Erbgruft, und zwar im Pfarrort Viehdorf nahe Seisenegg, das er zuletzt zu seinem repräsentativen Hauptsitz erkoren hatte.

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Schloss Weinzierl nach Georg Matthäus Vischer (1672).12

Schloss Weinzierl, 2005.13

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Was erinnert in Wieselburg heute noch an diesen Mann? Außer der bereits erwähnten marmornen Lins-mayer'schen Grabplatte ist hier das Schloss Weinzierl zu nennen. Johann Linsmayer-Greiffenberg hat das Gebäude als mittelalterliche „Veste“ (= kleine, wehrhafte Burg) von der Familie Concin 1579 erworben und zu einem ansehnlichen Wohnschloss mit Arkadenhof und vier Eckrundtürmen im Stil der italienischen Renaissance ausgebaut. Die alte Schlosskapelle wurde 1584 als evangelisches Gotteshaus völlig neu errichtet. Schloss Weinzierl befand sich insgesamt 7 Jahrzehnte (1579-1650) in Greiffenbergischem Besitz.

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Wappen der Greiffenberg nach Siebmacher.14

Schriftzug Hans Gottfrieds von Greiffenberg, des Vaters der Dichterin.

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Aus drei Ehen Johann v. Greiffenbergs überlebten – mit großem Altersunterschied – zwei Söhne:Hans Gottfried (1577-1641), der Vater der Dichterin, und Hans Rudolf (1607-1677), der Stiefonkel und spätere Gatte Catharinas. Hans Gottfried, der älteste Sohn und Haupterbe, konnte zwar reichen väterlichen Besitz übernehmen (3 Schlösser u. Herrschaften), doch sah er sich bald außerstande, ihn zu halten.

Was waren die Ursachen?Hans Gottfried hatte vom Vater auch eine ungeheure Schuldenlast von 400.00 fl. und uneinbringbare Außenstände zu übernehmen. Der alte Linsmayer hatte alle seine Schlösser in aufwändigster Weise ausbauen und einrichten lassen und sich dabei weit über seine Verhältnisse hinaus verausgabt. Vor allem aber hat er die dem Kaiserhof gewährten großzügigen Darlehen niemals zurückbekommen. Zudem hatte sich der ursprünglich gewinnbringende Zustand des Kupferbergwerks (wo an die 200 Bergmänner beschäftigt waren) durch eingedrungenes Wasser zusehends verschlechtert. Schließlich kam auch noch der Umstand zum Tragen, dass der protestantische Landadel seit 1620 in zunehmender Weise den Repessalien der habsburgischen Gegenreformation ausgesetzt waren. Im Hintergrund tobte der Dreißig-jährige Krieg.

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Schloss Seisenegg nach Georg Matthäus Vischer (1672).16

Schloss Seisenegg, 2005.17

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Einziger Ausweg aus der wirtschaftlichen Misere war der Verkauf eines Teils der Greiffenbergschen Güter: Das betraf zunächst die Hälfte der Herrschaft Weinzierl mit 86 Untertanen sowie den gesamten Herrschaftskomplex Freienstein-Karlsbach-Waasen, ohne dass damit eine dauerhafte Sanierung des verbliebenen Restes erreicht wurde.Mitten in diese unerquicklichen Zeitläufe hinein wurde am 7. September 1633 auf dem väterlichen Schloss Seisenegg CATHARINA REGINA geboren. Ihre Mutter Eva Maria aus dem steirischen Adelsgeschlecht der Pranckh hatte vor der Geburt in schweren Krank-heitsnöten gelobt, das zu erwartende Kind einzig dem Dienste an Christus zu weihen. So lässt sich die spätere religiöse Sensibilität der Dichterin unschwer als mütterliches Erbgut erklären. Bereits als Siebenjährige verliert sie unter tragischen Umständen ihren Vater, als dieser, von einer erfolglosen Geschäftsreise heim-kehrend, im Schlosshof – vom Schlagfluss getroffen – tot zusammensank.

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Hans Rudolf von Greiffenberg (Vormund, Stiefonkel und Gemahl der Dichterin.18

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Nun übernahm der Halbbruder des verstorbenen Vaters, Hans Rudolf, die vormundschaftliche Erzie-hung des geistig regsamen Mädchens. Er dürfte bald die früh ausgeprägte intellektuelle Veranlagung seines Mündels erkannt haben und begann sie behutsam in die Bildungswelt ihres Standes einzuführen: Latein, Französisch, Spanisch, Italienisch, Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaften gehörten ebenso zum häuslichen Studienprogramm wie Singen, Tanzen, Malen, Reiten und Jagen.

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Winkelmühle nach Georg Matthäus Vischer (1672).19

Winkelmühle, heute im Gelände der Firma Zizala; im Vordergrund der Weinzierler Heimatforscher Karl Kraushofer.

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Neben diesen pädagogischen Verpflichtungen hatte sich Hans Rudolf weiterhin mit ungelösten wirtschaft-lichen Problemen herumzuschlagen: Er musste das geschmälerte und noch immer belastete Erbe seines Bruders Hans Gottfried antreten und wurde von den zahlreichen Gläubigern hart bedrängt. Um deren Forderungen befriedigen zu können, musste nun die gesamte Herrschaft Weinzierl (147 Häuser) – mit Ausnahme der Winkelmühle an der Erlauf – aufgegeben werden. Diese ursprüngliche Bauernmühle (auch Weinzierl- bzw. Hofmühle genannt) hat Hans Rudolf dann – gewissermaßen als Ersatz für das verlorene Weinzierler Schloss – zu einem hübschen Ansitz aus-gebaut. Zugleich diente sie als Provianthaus für das steirische Bergwerk, das man von hier aus mit den notwendigen Lebensmitteln versorgte. Der Dichterin sollte es in späteren Jahren zu einem oft aufgesuchten, erholsamen Refugium („Lusthaus“) werden.

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Winkelmühle nach Josef Pfeiffer (1785-1866), Benefiziat in Weinzierl.21

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Nun war der Greiffenberg-Besitz endgültig zusammen-geschrumpft auf den Hauptsitz Seisenegg, das Proviant- bzw. Lusthaus Winkelmühle und das noch immer schwer verschuldete Kupferbergwerk in der Steiermark. Catharina v. Greiffenberg hatte sich bereits als junges Mädchen nicht nur des mütterlichen Gelübdes wegen, sondern wohl auch aus eigener Neigung, für ein allein Gott geweihtes Leben entschieden, was den Willen zur Ehelosigkeit miteinschloss. Für den protestantischen Adel war es damals bereits sehr schwierig geworden, seine religiöse Überzeugung zu praktizieren. Die lutherischen Predikanten und Schulmeister waren längst ausgewiesen, protestan-tische Gottesdienste im katholischen Österreich waren verboten. Den protestantischen Adeligen war es ab 1648 (Westfälischer Friede) nur mehr erlaubt, im benachbarten Ausland ihr Religionsexercitium auszuüben. Zum Abendmahlsempfang mussten die niederösterreichischen Edelleute in die nächstgelegenen ungarischen Städte Pressburg oder Ödenburg reisen, was meistens zu Ostern und zu Pfingsten geschah. Auf einer solchen Andachtsreise nach Pressburg ist der 18-jährigen Catharina in der Kirche laut eigener Beschreibung „ein Himmelslicht aufgegangen“, das sie hinfort als „Deoglori-licht“ bezeichnet.Dieser Deoglori-Gedanke wird bestimmend für ihr ganzes künftiges Leben und Schaffen. In diesem religiösen Erweckungserlebnis liegt die Geburtsstunde der geistlichen Dichterin Catharina v. Greiffenberg.

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Kaiser Leopold I. als 18-Jähriger beim Regierungsantritt 1658.22

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Sie hat damals allen Ernstes und aus tiefster Über-zeugung heraus den kühnen Entschluss gefasst, den im „katholisch-papistischen Irrglauben“ befindlichen habsburgischen Kaiserhof zum wahren christlichen Bekenntnis – dem lutherischen – zu bekehren. Durch unablässiges Gebet und die magische Kraft ihres dichterischen Wortes hoffte sie, die endgültige Glaubensspaltung im deutschen Reich und dessen Bedrohung durch die Türken abwenden zu können! Hier vereinigt sich das enorme Selbstbewusstsein einer mutigen Frau mit einem geradezu utopisch anmutenden Sendungsbewusstsein! Dichten und Schreiben betrachtete sie als Gottesdienst:

„Zwar ist es nicht gemein / daß Weibes-Bilder schreiben.Doch / wann der Höchste selbst die Feder kommt zu treiben /wer kann sie halten still? Wann er mit Einfluß netzt /wer ist / der seinem Trieb sich gerne widersetzt? O Höchster Herr der Herren!Dir / dir / dir / dir allein / zu deinen höchsten Ehren!Verricht' und dicht' ich dies.“

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Johann Wilhelm von Stubenberg, Catharinas wichtigster Lehrmeister in der Dichtkunst.

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Man muss sich natürlich fragen, von woher eine kaum 20-jährige Landadelige mitten im niederösterrichischen Mostviertel ihre geistige Nahrung und ihre Informationen bezog? Sie lebte in Seisenegg zunächst keineswegs isoliert. Als CR aufwuchs, existierte im westlichen Niederösterreich noch ein beachtlicher Kreis literarisch tätiger Edelleute, die sich überwiegend zum Luthertum bekannten, ein Kreis, der allerdings bereits vom Zerbrechen bedroht war. Von dieser Spätphase einer hochstehenden protestantischen Adelskultur ist CR angeregt und geprägt worden. Ihr Lehrmeister in der Dichtkunst war der berühmte Übersetzer spanischer und französischer Schäferromane Johann Wilhelm von Stubenberg auf der Schallaburg. „Er gab und pflag zu lesen, was lesenswürdig ist. Kurz: Weißheit war sein Punkt, durch 1000 Witzesblitz hellstrahlend aus ihm funkt“. Mit diesen Worten gedenkt die Dichterin später voll Dankbarkeit ihres Mentors.

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Catharina Regina von Greiffenberg in jungen Jahren.24

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Durch Stubenbergs Vermittlung kam CR bald in Kontakt mit der sogenannten „Ister-Gesellschaft“, einem ästhetisch-religiösen Zirkel kunstsinniger Adeliger im niederösterreichischen Donauraum [„Ister“ war der antike Name für die Donau]. Bald spielte sie im engeren Kreise der „Ister-Nymphen“ eine dominierende Rolle und erhielt wegen ihrer Gelehrsamkeit den Ehrennamen „Teutsche Uranie“. Die ursprünglich weitverzweigte Istergesellschaft schmolz allerdings durch zunehmende Emigration ihrer protestantischen Mitglieder auf einen rudimentären Rest zusammen, der sich regelmäßig auf Seisenegg traf, bis zuletzt nur mehr CR übrigblieb und in gänzliche Isolation geriet. Die meisten ihrer Freunde und vertrauten Gesinnungsgenossen waren nach und nach in die freien Reichsstädte Regensburg oder Nürnberg ausgewandert. CR sollte ihnen erst als knapp Fünfzigjährige nachfolgen.

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Emblem des Pegnesischen Blumenordens mit den Sinnbildern Passionsblume und siebenfacher Pansflöte.Die 1644 gegründete Nürnberger Sprachgesellschaft und Dichtervereinigung existiert heute noch.

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Nürnberg – das war jener Ort, wohin sich die Litera-tur des protestantischen Adels ins Weite zu öffnen versuchte. Nach Wien, der Residenz des katholischen Kaisers, war der Weg versperrt. Die deutsche Dichter-sprache als das Idiom Luthers und der Reformation war der Diskriminierung unterworfen. Kaiser Leopold I. unterhielt bezeichnenderweise eine iatlienische Dich-terakademie. Der Kunstgeschmack im barocken Wien war zur Gänze nach Italien hin orientiert: Ob Theater, Oper, Musik, Architektur, Gartenkunst – was auch immer – alles stand unter dem Diktat der „wälschen“ Mode. Der Italiener Antonio Salieri wurde am Kaiserhof bekanntlich mehr geschätzt als das Genie Mozart.

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Sigmund von Birken (1626-1681), Präses des Pegnesischen Blumenordens, Briefpartner und „Innigfreund“ Catharinas.

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Protestantische Autoren fanden in Wien keinen Verleger. Das ist auch der Grund, warum Catharinas sämtliche Werke in Nürnberg gedruckt und verlegt worden sind. Ihre ersten Gedichte erregten die Auf- merksamkeit des einflussreichen Nürnberger Litera-turpapstes Sigmund von Birken, Oberhaupt des Pegnesischen Blumenordens (auch „Pegnitz-Schäfer“ – ein elitärer Autoren-Club). Er wurde schließlich nicht nur Catharinas fürsorglicher Helfer, Berater und Lektor, sondern auch zum lebenslang vertrauten „Innigfreund“. Glücklicherweise ist ihr Briefwechsel fast lückenlos erhalten und gewährt uns Einblick in eine intime Seelenverwandtschaft. Die insgesamt 150 Briefe, die CR von Seisenegg und zum Teil von der Winkelmühle an ihren Nürnberger Dichterfreund adressiert hat, sind naturgemäß die wichtigste Quelle zur Greiffenberg-Biographie.

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Die Bilder von Catharina und Hans Rudolf von Greiffenberg sind vermutlich anlässlich ihrer Hochzeit 1664 entstanden.

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Der ursprüngliche Lebensplan der Dichterin wurde schon früh auf eine harte Probe gestellt: Der vormundschaftliche Oheim verliebte sich in seine um fast 30 Jahre jüngere Nichte und bekundete später die Absicht, sie zu heiraten! Die Umworbene wies das Ansinnen zunächst mit Heftigkeit zurück, der nahen Verwandtschaft wegen sowie aus ihrer grundsätzlich asketischen Haltung heraus – sie wollte ja ehelos bleiben. Auf ihre Weigerung hin verfiel Hans Rudolf in schwere Depressionen, die immer gefährlichere Ausmaße annahmen. Um den Verliebten vor einer sich abzeichnenden Verzweiflungstat zu retten, betrachtete sie schlussendlich die Liebe des Oheims als „göttliche Schickung“ und willigte in die Eheschließung ein, sofern sie in Übereinstimmung mit den kirchlichen Geboten durchzuführen sei. In Erzherzogtum Österreich wäre eine Dispens für eine derartige Verwandtenehe nur in Verbindung mit einem Übertritt zum Katholizismus möglich gewesen, was für CR keineswegs in Frage kam. Schließlich wurde die Trauung über Intervention des Nürnberger Freundes Sigmund v. Birken auf protestantischem Territorium in der Markgrafschaft Bayreuth im Jahr 1664 vollzogen. CR befand sich im 31. Lebensjahr.

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Matthäus von Risenfels, Geschäftspartner, Hauptgläubiger und Widersacher Hans Rudolfs von Greiffenberg. Die aus Tirol stammende Familie Risenfels erwarb 1670 den gesamten Greiffenberg-Besitz.

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Die bayreuthische Heiratserlaubnis war allerdings an die Bedingung geknüpft, dass sich das Greiffenbergsche Paar fortan in diesem protestantischen Fürstentum niederlassen sollte. Dafür war es aber notwendig, die österreichischen Güter zu verkaufen. Schon ein Jahr vor der Eheschließung hat sich ein Kaufinteressent gefunden, Matthäus von Risenfels, ein reicher katholi-scher Handelsherr aus Steyr, ein alter Geschäftspartner im Kupferhandel, bei welchem Hans Rudolf schon mehrere Darlehen aufgenommen hatte. Dieser sicherte sich vertraglich den Greiffenbergschen Besitz samt Bergwerk und räumte dem Brautpaar sogar noch für ein Jahr das Wohn- und Nutzungsrecht bis zur vollzogenen Emigration ein. Als die Frischvermählten nach den Hochzeitsfeierlichkeiten wieder in Österreich eintrafen, um den Verkauf endgültig abzuschließen, kam es zu bösen Überraschungen: Unter dem Vorwand, das Kupferbergwerk arbeite völlig unrentabel, machte Risenfels den Kauf wieder rückgängig und verlangte günstigere Bedingungen. Gleichzeitig wurde Hans Rudolf auf kaiserlichen Befehl wegen „blutschänderischen Konkubinates“ verhaftet und drei Monate lang in Wien unter Hausarrest gestellt. Ein peinliche und schmachvolle Situation! Wiederum sprang Sigmund Birken als einflussreicher Helfer ein. Aufgrund seiner Beziehungen intervenierte der sächsische Kurfürst am Kaiserhof und die Greiffenberg-Ehe wurde nun auch in Österreich anerkannt.

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Schloss Weinzierl nach Josef Pfeiffer.29

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Zu der vor der Eheschließung ins Auge gefassten Emigration kam es freilich nicht, und dies aus folgenden Gründen: Zum ersten hatte sich bald herausgestellt, dass Risenfels alles andere als ein sauberer Geschäftspartner war. Er verstand es mit immer neuen Vertragsabänderungen den ungschickt agierenden Hans Rudolf zu irritieren und in prozessliche Verwicklungen zu verstricken, die sich schließlich über eineinhalb Jahrzehnte hinziehen sollten. Zum zweiten verfolgte Catharina ungeachtet aller privaten Widerwärtigkeiten mit inbrünstiger Hingabe ihr aussichtsloses und nicht ungefährliches „Deoglori-Projekt“, die Bekehrung des Kaisers zum Luthertum. Um dieses geheime Vorhaben zielführend betreiben zu können, wollte sie dem Kaiser möglichst nahe sein. Mehrmals im Jahr begab sie sich auf „Missionsreise“ nach Wien, um dem Kaiser über seine Beichtväter, Bibliothekare oder Hofmeister ihre verschlüsselten Bekehrungsschriften zuzuspielen, die den Adressaten wahrscheinlich ohnedies nie erreicht haben.Neben dem hohen ethischen Ziel ihres Deoglori-Werks mussten die Anforderungen des Alltags bewältigt werden. Ihre geistige Tätigkeit wurde durch die Besorgung notwendiger „Hausgeschäfte“ stets unliebsam unterbrochen und behindert: „Es ist ja beschwerlich, wann die Flügel der Sinnen mit dem Leym leiblicher Geschäfte und Verrichtungen verkleistert werden...“ (an Birken, 18. 8. 1668). Als Gutsherrin hatte sie sich um die wirtschaftlichen Belange selbst zu kümmern. Einen Verwalter konnte man sich nicht leisten, und ihr Gatte war die meiste Zeit als „Principal“ seines Bergwerks auf Geschäftsreisen unterwegs. Die Risenfels'schen Vertagsbestimmungen zwangen ihn nämlich, seine Schulden mit Rohkupfer abzugelten.

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Schloss Seisenegg, 2005.30

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Das Gesinde begegnete der bücherschreibenden und in Blutschande lebenden lutherischen Baronin oft mit Aufsässigkeit und Provokationen, und mehrmals beschwert sie sich „unter lautter boshafften Bauers- leuthen“ leben zu müssen. Zudem war ihr Gesund-heitszustand sehr labil, oft klagt sie über eine schmerz-hafte Erkrankung der Augen sowie über „Cathar, Herz- und Hauptweh“. Bei den herbstlichen Jagden scheint sich ihr Wohlbefinden stets gebessert zu haben: „Wahrhafftig, die Bewegung ist halbes Leben und die beste Freundin der Gesundheit. Fischen und Jagen ist meine höchste Lust auf dem Lande, das Jagen sonderlich!“ (an Birken, 20. 11. 1676). Allen persönlichen Angriffen und Widrigkeiten setzt sie ihr entschlossenes und mutiges Motto entgegen: „Leid ich von der Tugend wegen, so wird mir ihr Fluch zum Segen.Trotzt die Welt, ich trotze wider.Dicht' aufs Neu, sing frische Lieder!“ (an Birken, 2. 7. 1675)

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Winkelmühle an der Erlauf, nach Josef Pfeiffer.31

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Ein regelmäßig aufgesuchtes Refugium war die Winkelmühle, ihr „Lusthaus“ im Erlauftal, wohin sie sich ungestört zum Dichten, Lesen und Briefschreiben zurückziehen konnte. So schreibt sie zwei Jahre vor ihrer Übersiedlung nach Nürnberg an ihren Freund Birken: „Ich gehe wieder in meine angenehme Winkelmühl am klaren Erlauf-Fluß, wo ich viel gesünder und ruhiger bin, wo ich den wehrten Silvano [Birkens Dichter-Pseudonym] mit Lust hin wünschen möchte, einen neuen Parnaß hinzubauen. Es scheint mir also selbiges Ort und ganze Gegend zur Musenlust bestimmet, so anmuthig ist es. Ich werde auch einen Kayser-Thron daraus machen, und so dann meine Erlauf in den Tyber verwandeln“ (22. 9. 1678). In einem ihrer früheren Briefe erwähnt sie ein außergewöhnlich ergiebiges „Eisfischen“ in der Erlauf, wobei „200 gemeine Fische“ und „21 große Huchen, darunter einer zu 24 Pfund“ gefangen worden sind (7. 2. 1669).

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Pfarrkirche von Wieselburg.32

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Die Winkelmühle war auch der bevorzugte Wohnort von Catharinas Mutter, welche hier im Herbst des Jahres 1675 hochbetagt verstarb und in der alten Linsmayer-Erbgruft in der Wieselburger Kirche begraben wurde. Der schwerste Schicksalsschlag traf Catharina, als zwei Jahre später, im Mai 1677, ihr Gatte Hans Rudolf siebzigjährig verschied. Die Dichterin stand damals im 44. Lebensjahr und sah sich von nun an völlig schutz- los ihren Widersachern ausgeliefert. Obwohl Hans Rudolf noch am Strebebett alle erdenkliche Vorsorge für seine Gattin getroffen hatte, ging die Familie Risenfels mit schamloser Intriganz gegen die hilflose Witwe vor: Um ihr sämtliche Erbansprüche streitig zu machen, wurde abermals die Legitimation ihrer Ehe angefochten! Als man ihr sogar das bisherige Wohnrecht auf Seisenegg und der Winkelmühle entzog, verlegte sie ihren Wohnsitz nach Wien, von wo aus die tapfere Frau mit Hilfe wohlgesinnter Für- sprecher ein Gerichtsverfahren gegen Risenfels ein-leitete. Aber alles schlägt zu ihren Ungunsten aus, denn Protestanten hatten zu dieser Zeit offenbar keinen Rechtsanspruch mehr. Die Gerichte standen auf Seiten des vermögenden, katholischen Risenfels, der sich sein Recht bei Hof mit Schmiergeldern erkaufte.

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Die freie Reichsstadt Nürnberg, Emigrationsziel der protestantischen Glaubensflüchtlinge im 17. Jahrhundert.

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Zu Pfingsten 1679 verlässt sie resignierend Wien und reist nach Nürnberg, wo sie sich nichts anderes mehr, als „ein ruhig Schäferhüttlein an der Pegnitz“ wünscht. Freund Birken war der Exulantin behilflich, einen geeigneten Witwensitz ausfindig zu machen „um Ruh' und Andacht zu genüssen“. Catharina stand nun im 47. Lebensjahr, und die 14 Jahre, die ihr noch in Freiheit zu leben gegönnt waren, wird man wohl als ihre glücklichsten bezeichnen können.Die alternde Dichterin wurde zu einer weit über Nürnberg hinaus geachteten Persönlichkeit. Der pro- minente Hamburger Dichterfürst Philipp von Zesen ehrte CR v. Greiffenberg, indem er sie als erstes weibliches Mitglied in die von ihm begründete „Teutschgesinnte Genossenschaft“ mit dem Ordens-namen „Die Tapfere“ aufnahm. Sie erlebte mit Genug-tuung, wie ihr Schaffen Anerkennung fand und sie vielen Menschen das schenken konnte, wonach sie zeitlebens strebte: Stärkung des Glaubens, Vertiefung der Andacht und Lob des Höchsten.

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Marmorne Gedenktafel im Hof von Schloss Seisenegg, anlässlich des 300. Todes-tags der Dichterin angebracht.

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Die Verkündigung des Gotteslobes betrachtete sie zu jeder Stunde als ihre Aufgabe und Verpflichtung:

„Ach lobe/ lobe / lob' / ohn Unterlaß und Ziel/den / den zu loben du / O meine Seel / gebohren!Zu diesem Engel-werk bist du von Gott erkohren /daß du ihm dienen sollst im Wunderpreisungsspiel.“

Wenige Tage vor dem Osterfest des Jahres 1694 erkrankte sie schwer und wurde am 8. April, dem Ostersonntag, von ihrem schweren, doch geduldig durchstandenen Leben durch einen sanften Tod erlöst. Nach damaligem Brauch bei Nacht fand Catharina Regina von Greiffenberg, „die Tapfere“, am Nürnberger St. Johannisfriedhof ihre letzte Ruhestätte.

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Altersbildnis der Dichterin aus dem Nekrolog (Leichenpredigt) 1694.35

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Das literarische Werk

Geistliche Sonette, Lieder und Gedichte zu Gottseeligem Zeitvertreib (Nürnberg 1662)Sammlung von 250 Sonetten und 52 Liedern

Sieges-Säule der Buße und des Glaubens wider den Erbfeind Christlichen Namens (1675)Heldenepos in 7000 Versen; Auseiandersetzung des Islams mit dem Christentum.

Adler-Grotta (1673)Verschollene allegorische Schrift, die Kaiser Leopold zum Protestantismus bewegen und bekehren sollte.

Andächtige Betrachtungen zum Leben Jesu: Passionsbetrachtungen (1672)Geburtsbetrachtungen (1678)Lebensbetrachtungen (1693)

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Autograf des einzigen überlieferten Figurengedichts (Kreuzgedicht). Faksimile in Originalgröße aus dem Nürnberger Pegnesen-Archiv (C.404.2.12.).

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Transkription der Handschrift

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Catharina Regina an Sigmund von Birken. Faksimile des Briefbeginns vom 20. November 1676 (PBlo.C.114.92), in dem sie ihrem Brieffreund Maßregeln für ein gesünderes Leben erteilt.

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Seysenegg, den 20. Novembris 1676

Wohledler gestränger HerrWehrtester Freünd!

Des wehrten Silvano [= Birken] Zeilen seyn Mir auf der Jagd, als Ich gleich am besten Hetzen gewesen, überreicht worden. Habe aber darinnen nicht, wie ich verhofft, die Bestättigung Seiner wehrtesten Gesundheit, sondern leider! das Gegenspiel erjaget, daß er sich abermahl übel befindet. Ach! Muß Ich denn Meinen innigsten Freünd immer beschmerzet wissen? Wie inniglich leid ist Mir! Ich glaube selbst, daß das zuviel füllend und stükkende Biergetränke dem Magen, und der starke Hopfengeruch davon, dem Haubt schädlich ist. Er soll nur lauter ganz reine, fertige, abgezogene Weine trinken, auch ohne starken Schweffeleinschlag. Mein Gemahl und Ich habens offt gesagt, daß das zu viele Bier und die zu wenige Bewegung Seine und vieler gutten Leüthe droben [= Nürnberg] Zustände verursache. Waarhafftig die Bewegung ist halbes Leben, und die beste Freündin der Gesundheit. Ich befinde es bey Mir selbst. Habe Mich ettliche Wochen, und zwar so lang Ich Mich innen gehalten, recht übel befunden, wie auch Meine Fräulein, die gar das Fieber gehabt. Jetzt, da wir auf der Jagd alle Berg und Büsche durch den Füchsen und Hasen wakker nachsetzen und hetzen, ist ihr Magen, und Mein Kopf wieder eingericht und schmekket uns Essen und Schlaffen wohl, wann gar jenes in der Kälte, unter freyem Himmel geschiht. Fischen und Jagen ist Meine gröste Lust auf dem Land, weil beedes ein Vorbild der Deogloria ist. Das Jagen sonderlich, weil es noch dazu ein munteres wakkers Beginnen, und die eygendliche Übung der Göttin der Keüschheit ist ...

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Das ottonische Oktogon in Wieselburg, der Begräbnisort von Catharinas Mutter.Rechts: Briefbericht Catharinas über den Tod und das Begräbnis ihrer Mutter zu Wieselburg (PBlo.C.114.80).

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Seisenegg den 15. Okt. 1675

Wohledler gestränger hochgeehrter Herr.

Ich kann nicht unterlassen demjenigen Mein Leid zu klagen, bey dem Ich allzeit inniges Mitleiden gefunden, klage derwegen, Ach! Sie ist Todt! Die mir nächst Gott das Leben gegeben. Was das einem ohnedas empfindlichen und weichmühtigen Herzen vor ein Schmerzen ist, läst sich nicht beschreiben, sondern muß mit jenem klugen Mahler mit der Stillschweigens-Deke verhühlet werden. Ich kann Mein Leid weder mit Trähnen noch Dinte abmahlen, denn es ist aller Herz- und Hirne Safft in Mir vertroknet und erstarret! Meine Todenbleicheit ist die lebhaffste Farb, die es abbildet? Ach! Es ist erbärmlich, diejenige verwesen wissen, von der mann nach Gott das Wesen empfangen, dieselbe vor seinen Augen den Geist aufgeben sehen, in deren Leib mann den seinigen bekommen? Das treueste Mutterherz brechen höhren! unter welchen mann so viele Täge und Stunden gelegen ist. O Herzenleid! Die sorgfälttigen Augen zudrüken sehen, die auf Meine Kindheit und Jugend so treulich aufgesehen! Den Gottseeligen Mund, der Mich so früh und eyferig betten belehret, die Sterb-Gebett betten höhren! Ach! Gott: Ich wollte ihr vorlesen, konnte aber nicht vor Thränen und Herzwehe, mußte also diesen traurig-letzten Dihnst einem anderen überlassen. Befunde Mich auch ohnedis an einem Kopfzustand ser übel, ware ganz auch im Gesicht biß auf die Augen verschwollen, (Die doch Gott auf mein Bitten, wie jene 3 Männer, mitten im Feuer, erhielte), verwüste Mich offt schier nicht vor Hitz und Mattigkeit, bliebe doch auf, und muste das Herzleid ansehen, daß die fleißigen Hände und emsigen Füße erstarrten, die

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sich so ser bemühet, mir auch nach dem Tod durch ihre Treue zu dihnen, und die Früchte ihres Fleißes zu hinterlassen. Ach! mit was Herzen und Schmerzen sahe Ich dieses Lebens Licht außleschen, vonn welchem Gott das Meine durch die Natur angezündet. Mein einiger Trost, in dieser eüssersten Noht, war und ist dieser, daß Ich bald nachfolgen werde. Wie auch der Doctor so zu Meiner Frau Mutter gehohlt wurde, Meinen Zustand sehende, sagte: Sie derffe Ihr eygnes Übel so gering nicht schätzen, Sie seye in nicht viel geringerer Gefahr alß Ihre Frau Mutter? Dieses stellte Mich ein wenig zufrieden, sonderlich weil Ich das schöne Christsanfft und seelige Ende sahe, mit welchem Gott Meine liebste Frau Mutter begnadete, dadurch Ich mir durch Seine Gnade gleichsam ein gleiches versprache. Es waren biß auf 2 Stunden vor ihrem Ende große Schmerzen da, aber keine einige Ungelduld, Anfechtung, Forcht oder Grauen vor dem Tod, sondern herzliche Andachtgebett, Sehnen und Seüfzen zu Gott! Uns nicht zubetrüben machte sie nicht viel Wesen mit Abschiednehmen und traurigen Worten. Doch hatte sie die völlige Vernunfft und Erkänntnus, auch die Rede, Gesicht und Gehöhr, biß

Die Kirche von Wieselburg vor dem Brand von 1952.37

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inn ihr seeliges Ende. So ist sie auch ohne Schlag, Freyß, oder einige Bewegung auch nur der Augen, ganz sanfft, sacht und süß eingeschlafen, im letzten Schöpfer noch mit Augenwinken zeigende, daß sie das Betten verstunde und beliebete. Sie lage auch todte so schön da, alß ob sie lebte und bliebe biß am neunten Tage ohne daß sie im geringsten übel roche. Wir mußten sie wider unßern, aber nach ihrem Willen gleich in selber Pfarr zu Wiselburg bestätten lassen, und erst deßwägen um Erlaubnis nach Wien schikken. Die kam, und wundschet daß mann sie keineswegs im geweyhten Freythof, sondern in unßerer Erbgrufft in die Kirchen, und nicht andertwo begraben sollte. Weiß nicht, was sie damit sagen wollen, vielleücht daß sie ihr den Freythof nicht gönnen, darein sie doch und wir auf ihr Bitten begehret haben. Den Himmel können sie doch nicht, ob sie Uns schon die Erde versagen, auch dem Adel die Erbgrüffte nicht, vermög des Münsterischen Friedens. Ist sie also gestern ehrlich und mit Betraurung jedermänniglichs, doch ohne Pracht, eingesetzt worden. Der allmächtige Gott verleihe ihre eine fröhliche Auferstehung und Uns (ihr und Mir) noch vor derselben eine seelige Seelenzusammenkonfft im Himmel. Unterdeßen ist jetzo Mein einiges Mitel, Meine frisch blutende Herzwunde ein wenig zu lindern, daß Ich in all Meinen Büchern die Betrachtungen von Tod und ewigem Leben lise, mich zu jenem gefaßt machen, um dieses teylhafft zu werden. [...]Bitt um Verzeihen, daß Ich nicht ehr geantwortet. An treuem Andenken hats nie ermangelt. Alß die Ich (neben schönstem Gruß von Meinem Herrn und mir an Ihm und Seine Liebste, sie zu besserm Glükke Gott befehlende) in Lieb und Leid verbleibe Meinen Innigfreünden, sonderlich meinem geehrten Herrn Sein in Gebühr treue Freündin Coris.

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38 Perzelhof nach Josef Pfeiffer.

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Auswahl aus „Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichtezu Gottseeligem Zeitvertreib“ (Nürnberg 1662)

Gott-lobende Frühlings-Lust

Jauchzet, Bäume! Vögel, singet! tanzet, Blumen! Felder, lacht!Springt, ihr Brünnlein! Bächlein, rauscht! spielet, ihr gelinden Winde!Walle, lust-bewegtes Traid! süße Flüsse, fließt geschwinde!Opfert Lob-Geruch dem Schöpfer, der euch frisch und neu gemacht!

Jedes Blühlein sei ein Schale, drauf Lob-Opfer ihm gebracht, Jedes Gräslein eine Säul, da sein Namens-Ehr man finde.An die neu-belaubten Ästlein Gottes Gnaden-Ruhm man binde!Daß, so weit sein Güt sich strecket, werd auch seiner Ehr gedacht.

Du vor alles, Menschen-Volk, seiner Güte Einfluß-Ziele,Aller Lieblichkeit Genießer, Abgrund, wo der WunderflußEndet und zu Gut' verwendet seinen lieb-vergüldten Guß,

Gott mit Herz, Hand, Sinn und Stimm lobe, preise, dicht und spiele!Laß vor Lieb- und Lobes-Gier Mut und Blut zu Kohlen werdenLege Lob und Dank darauf: Gott zum süßen Rauch auf Erden.

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39 Catharina schätzte die idyllische Stille am Erlauffluss; Skizze nach Josef Pfeiffer.

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Spazier- oder Schäfer-Liedlein

In den angenehmen AuenKomm ich, Gottes Güt zu schauen,Wenn der Abend einherbricht.Wenn die Schäflein bei der Tränke, Seinen Wundern ich nachdenke,Meine Lobes-Pflicht verricht.

Setz mich bei dem Bächlein niederUnd betrachte hin und wiederMeines Schöpfers Schaffungs-KunstIn der Erden Blumen-Bringen,Die will mit dem Himmel ringenOb erteilter Gnaden-Gunst.

[...]

Lebe von der Schäflein Wolle,Wünsche nichts, als was ich solle;Bin in meiner Armut reichUnd ein Königin bei Schafen;Kann ohn Angst und Sorgen schlafen,Werd ob keinem Stürmen bleich.

Gottes Lob ist all mein Dichten;Alls pfleg ich dahin zu richten,Daß sein Name werd gepreist.In Betrachtung seiner WunderLeg ich mich – und werde munter,Daß er der noch mehr mir weist.

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Auch der Perzelhof gehörte zu den Greiffenberg‘schen Gütern. Noch heute ziert das barocke Balkongitter den Innenhof.

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Auf den Gottlob! vergehenden Winter

Der Winter ist schon tot und allbereits begraben.Der Himmel gab ihm noch zum Übertau den Schnee,Den nahm er in die Erd. Sein Grab-Schrift heißt: Vergeh!Sein Glück ist, daß ihn nicht verzehren Schab noch Raben.

Sein Grabstein von Kristall ist noch ein Weil erhaben.Doch, daß der Bösen ihr Gedachnis nicht besteh,Will Wahrheit, daß man hier ein klares Beispiel seh;Daher verzehrt die Sonn den Stein und die Buchstaben.

Die Erde klagt ihn zwar in dunkelbrauner Farb;Doch wird sie wieder bald zur Frühlings-Hochzeit schreiten.Gar billig ists, daß der Verderber selbst verdarb.

Man wird ihn kürzlich aus mit Donner-Glocken läuten.Mein und der ganzen Erd erz-ärgster Feind! wollt Gott,Daß du hinführ müßt sein auf ewig-ewig tot!

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41 Die Winkelmühle vor der Renovierung mit noch erkennbarem Ecktürmchen („Pfeffermühle“).

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Auf die fruchtbringende Herbst-Zeit

Freud-erfüllter, Früchte-bringer, vielbeglückter Jahres-Koch,Grünung-, Blüh- und Zeitung-Ziel, werkbesseeltes Lustverlangen!Lange Hoffnung ist in dir in die Tat-Erweisung gangen.Ohne dich wird nur beschauet, aber nichts genossen noch.

Du Vollkommenheit der Zeiten! mache bald vollkommen doch,Was von Blüh und Wachstums-Kraft halbes Leben schon empfangen.Deine Wirkung kann allein mit der Werk-Vollziehung prangen.Werter Zeiten-Schatz! ach! bringe jenes Blühen auch so hoch,

Schütt aus deinem reichen Horn hochverhoffte Freuden-Früchte.Lieblich süßer Mund-Ergötzer! lab auch unsern Geist zugleich,So erhebt mit jenen er deiner Früchte Ruhm-Gerüchte.

Zeitig die verlangten Zeiten in dem Oberherrschungs-Reich.Laß die Anlaß-Kerne schwarz, Schickungs-Äpfel saftig werden,Daß man Gottes Gnaden-Frücht froh genießt und ißt auf Erden.

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42 Altar der Viehdorfer Pfarrkirche mit dem Greiffenberg-Epidaph unter dem Altarbild.

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Christlicher Vorhabens-Zweck

Ach! Allheit, der ich mich in allem hab ergebenMit allem, was ich bin, beginne, denk und dicht!Zu deiner hohen Ehr mein Spiel und Ziel ich richt;Ach! laß den Engel-Zweck, dein Lob laß mich erstreben.

Laß nichts, als was dich liebt und lobet, an mir leben.Ach! gib mir Hitz und Witz, zu richten meine Pflicht;Versag den Geistes-Strom, die Flügelflamm, mir nicht,Ja, mach den Mut zu Glut, dich brünstig zu erheben!

Ich such kein eigne Ehr, verdiene sie auch nie.Sieht aber jemand was Geist-Nützliches allhie,So bitt ich ihn durch Gott, er woll mir nicht zuschreiben

Das Gut in meiner Schrift; der Ewig ists allein, Der mir das Gute flößt in Geist und Feder ein.Nur sein soll alles Lob, von mir und allen, bleiben.

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43 Greiffenberg-Wappen über dem Hintereingang des Viehdorfer Pfarrhofes.

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Literaturhinweise:

Das literarische Gesamtwerk ist in einer Reprint-Ausgabe zugänglich:Catharina Regina von Greiffenberg: Sämtliche Werke in 10 Bänden. Hrsg. von Martin Bircher und Friedhelm Kemp. Millwood, New York 1983.

Hartmut Laufhütte (Hrsg): Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Catharina Regina von Greiffenberg. Teil I (Die Texte), Teil II (Apparate und Kommentare), Tübingen 2005.

Heimo Cerny: Catharina Regina von Greiffenberg. Herkunft, Leben und Werk der größten deutschen Barockdicterin. Amstettner Beiträge 1983.

Heimo Cerny: Neues zur Biographie der Catharina Regina von Greiffenberg. In: Jahrbuch des Wiener Goehte-Vereins, Bd.100/101 (1996/97), S. 111-130.

Gersch, Hubert: Catharina Regina von Greiffenberg, Gedichte. Karl H. Henssel Verlag, Berlin 1982.

Evelyn Schlag: Die lustwählende Schäferin, in: Unsichtbare Frauen. Drei Erzählungen. Residenzverlag 1995, S. 137-197.

Bildnachweis:

Cerny, Heimo: 01, 03, 08, 09, 14, 15, 18, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 34, 35, 41

Weiß, Irene: 02, 05, 07, 10, 11, 13, 17, 30, 33, 40, 42, 43, 44

Stadtarchiv Wieselburg: 32, 36, 37

Hottenroth, Hans Hagen: Der Bezirk Scheibbs, Ansichten aus vier Jahrhunderten, Scheibbs 1977: 21, 29, 31, 43, 38, 39

Schuller, Anton Leopold (Hrsg): Vischer, Georg Matthaeus – Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae. Nachdruck, Graz 1976: 04, 06, 12, 16, 19

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Band 1: „Brücken und Stege über die Große Erlauf“ von Irene M. Weiß, 2003

Band 2: „Gemeindewappen im Bezirk Scheibbs“ von Irene M. Weiß, 2004

Band 3: „Lebensspuren - Franz Knapp zum 88. Geburtstag“ von Irene M. Weiß, 2004

Band 4: „Die Tapfere - Catharina Regina vonGreiffenberg“ von Heimo Cerny, 2005

In dieser Serie erschienen bis dato:

44 Die Stadtgemeinde Wieselburg widmete Catharina Regina von Greiffenberg eine Straße in der neuen Siedlung auf der Sonnleiten.

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