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Zusammenfassung: 1 Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen Hani Buri Architekt EPFL FAS Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrstuhl für Holzkonstruktionen IBOIS ENAC, EPFL Lausanne Stichworte: Origami, falten, Faltwerke, Faltarchitek- tur, Holzwerkstoffplatten, geometrisch variable Verbindungen, Finite-Elemente-Berechnung, ge- ometrische Modellierung 1 Zusammenfassung: Ziel der Arbeit ist die Herstellung von Faltwerken aus Holzwerkstoffplatten. Eine be- liebige Anordnung der Platten im Raum soll durch geeignete Verbindungen ermöglicht wer- den. Origami, die Kunst des Papierfaltens, ist die Inspirationsquelle dieser Strukturen. Die Fal- tung verleiht dem Papier Steifigkeit und ermög- licht die Entwicklung neuer räumlicher Gebilde. Diese im Grunde sehr einfache Technik führt zu einer erstaunlichen Formenvielfalt und Komple- xität und die gestalterischen Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Auch die Natur bedient sich des Prinzips des Faltens um leichte Struktu- ren zu bilden: die Entfaltung von Pflanzenblät- tern und Insektenflügeln erzeugt große, stabile Flächen mit minimalem Materialaufwand. Ein- fachheit, Materialhomogenität, Biegsamkeit und Formenvielfalt sowie ökonomischer Material- aufwand sind die Charaktermerkmale von Origa- mi. Mittels einfacher Prinzipien können komplexe Geometrien erzeugt werden. Diese Arbeit will die genannten Eigenschaften auf die Konstruktion mit Holzwerkstoffen übertragen. Großformatige Holzplatten und computergesteu- erte Abbundanlagen ermöglichen den Bau von Faltwerken mit anspruchsvollen Formen. In in- terdisziplinärer Zusammenarbeit von Architek- ten, Informatikern und Ingenieuren entwickelt die Studie neue Strukturen, Modelle zu deren ge- ometrischen Beschreibung, konstruktive Verbin- dungen und Berechnungsmodelle. Dieses Projekt wird durch Holz 21, ein Förderprogramm des Bundesamts für Umwelt BAFU unterstützt

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Zusammenfassung: 1

Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen

Hani BuriArchitekt EPFL FASWissenschaftlicher MitarbeiterLehrstuhl für HolzkonstruktionenIBOIS ENAC, EPFL Lausanne

Stichworte:Origami, falten, Faltwerke, Faltarchitek-

tur, Holzwerkstoffplatten, geometrisch variableVerbindungen, Finite-Elemente-Berechnung, ge-ometrische Modellierung

1 Zusammenfassung:Ziel der Arbeit ist die Herstellung von

Faltwerken aus Holzwerkstoffplatten. Eine be-liebige Anordnung der Platten im Raum solldurch geeignete Verbindungen ermöglicht wer-den. Origami, die Kunst des Papierfaltens, ist dieInspirationsquelle dieser Strukturen. Die Fal-tung verleiht dem Papier Steifigkeit und ermög-licht die Entwicklung neuer räumlicher Gebilde.Diese im Grunde sehr einfache Technik führt zueiner erstaunlichen Formenvielfalt und Komple-xität und die gestalterischen Möglichkeitenscheinen unbegrenzt. Auch die Natur bedientsich des Prinzips des Faltens um leichte Struktu-ren zu bilden: die Entfaltung von Pflanzenblät-tern und Insektenflügeln erzeugt große, stabileFlächen mit minimalem Materialaufwand. Ein-fachheit, Materialhomogenität, Biegsamkeit undFormenvielfalt sowie ökonomischer Material-aufwand sind die Charaktermerkmale von Origa-mi. Mit tels einfacher Prinzipien könnenkomplexe Geometrien erzeugt werden. DieseArbeit will die genannten Eigenschaften auf die

Konstruktion mit Holzwerkstoffen übertragen.Großformatige Holzplatten und computergesteu-erte Abbundanlagen ermöglichen den Bau vonFaltwerken mit anspruchsvollen Formen. In in-terdisziplinärer Zusammenarbeit von Architek-ten, Informatikern und Ingenieuren entwickeltdie Studie neue Strukturen, Modelle zu deren ge-ometrischen Beschreibung, konstruktive Verbin-dungen und Berechnungsmodelle.

Dieses Projekt wird durch Holz 21, ein

Förderprogramm des Bundesamts für UmweltBAFU unterstützt

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2 Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen

2 Arbeitsmethode

2.1 FormenFalten von Papier verbindet auf einfache

und direkte Weise intuitive Wahrnehmung mitVerständnis von Geometrie und Festigkeit. Ge-falzt erhält das Papier eine neue Gestalt undSteifigkeit. Falten erfordert sowohl handwerkli-ches Geschick als auch geometrisches Vorstel-lungsvermögen. Das zweidimensionale Blattwird durch präzises Unterteilen zur räumlichenStruktur. Die gefaltete Form ist jedoch nichtstarr und kann sich je nach Öffnungswinkel derFaltungen stark verändern. Auch geometrischeVariationen innerhalb eines Faltmusters beein-flussen die gefaltete Form. Die Gestalt der Fal-tung lässt sich durch Modifikation einzelnerParameter des Grundmusters stark verändern.

Im spielerischen Umgang mit den genann-ten Prinzipien sollen die Möglichkeiten derFormgestaltung durch das Falten ausgelotet wer-den. Dies basiert auf einem intuitiven Ansatz,der auf unmittelbarer Erfahrung aufbaut. Zwi-schen Papier, Hand und Auge findet ein direkterDialog statt: Ertasten, Ausprobieren, Beobach-ten, Variieren, Verändern. Eine erste Phase er-fasst das Falten und gefaltete Formen empirisch,lässt aber die praktische Anwendbarkeit vorerstausser acht.

2.2 Einordnen und AuswählenDie Analyse der Faltungen nach geometri-

schen Grundmustern ist das Ziel der zweitenPhase. Zwei bis drei Faltmuster stehen zur Wahl,um sie genauer zu untersuchen und weiter zuentwickeln. Die Auswahl ist subjektiv; die per-sönliche Faszination für einige der Muster ist einwichtiges Auswahlkriterium. Entscheidend istzudem, ob sich das Faltwerk mit plattenförmigenHolzwerkstoffen ausführen lässt.

2.3 GeometrieEin wichtiger Schritt der Studie ist es, die

räumliche Geometrie der ausgewählten Falt-

werktypen zu erfassen. Zunächst bilden wir ein-fache Faltwerke in einem 3D CAD Programm abund überprüfen die Richtigkeit der Darstellungim Modell. Das Verständnis der Geometrie einesGrundmusters wird gemeinsam mit einem Ma-thematiker erarbeitet und soll zu einem dynami-schen Modell führen. Damit lässt sich die Formdirekt über die Steuerung der Einflussgrössenam Rechner generieren und verändern.

2.4 PrototypenEinige ausgewählte Faltwerke werden als

Prototypen realisiert, getestet und auf Machbar-keit überprüft. Dabei kommen Fragen auf, dieeine enge Zusammenarbeit mit einem Bauinge-nieur erfordern.

• Wie lässt sich die Materialstärke auf die aus zweidimensionalen Flächen beste-hende Geometrie übertragen?

• Welches sind Form und Art der Verbin-dungen zwischen den Platten?

• Wie lassen sich die Faltwerke einfach und rationell montieren?

• Wie lassen sich die Faltwerke statisch berechnen und modellieren?

• Wie verhält sich das Faltwerk unter Belas-tung und wie verhält sich die reale Belas-tung im Vergleich zur Berechnung?

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Arbeitsmethode 3

. Fig.1 Formen

. Fig.2 Geometrie

. Fig.3 Prototyp

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4 Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen

3 OrigamiOrigami ist heute ein sehr weit reichendes

Gebiet mit einer Vielzahl von Falttechniken undeiner schier unbegrenzten Anzahl von Faltmus-tern. Grundsätzlich sind drei Gattungen vonOrigami zu unterscheiden, nämlich klassisches,modulares und Mosaik-Origami.

Das klassische Origami beschäftigt sichhauptsächlich mit figürlichen Darstellungen vonTieren, Menschen, Pflanzen und Objekten. DieFiguren sind oft stark vereinfacht und fast immerzweidimensional. Ausgehend von einem quadra-tischen Blatt Papier werden sie ohne Schere undLeim allein durch Falten erzeugt. Es existierteine Auswahl von Grundmustern, auf denen dieverschiedenen Figuren aufbauen [2]. Die Kunst-fertigkeit liegt darin, mit wenigen Faltungen einevereinfachte und suggestive Form zu skizzieren.

Modulares Origami beschäftigt sich imGegensatz zum figürlichen Origami ausschliess-lich mit geometrischen Körpern; mit Polyedern,räumlichen Gitterstrukturen oder Darstellungenvon Molekülen. Die geometrischen Figuren set-zen sich aus einzelnen «Bausteinen», durch in-einander stecken oder leimen, zusammen.

Mosaik Origami ist ebenfalls rein geomet-risch. Ausgangspunkt sind zweidimensionale,geometrische Muster, so genannte Parkettierun-gen, welche auf das Papier aufgezeichnet sindund gefaltet werden. Das Muster verändert sichdurch diese Faltungen. Einige Parkettierungenbleiben auch nach dem Falten zweidimensional,andere werden räumlich und verleihen dem Pa-pierblatt Stabilität und erhöhte Festigkeit. DieFormenvielfalt ist sehr gross, doch sind einigeder Grundmuster in ihrer räumlichen Entfaltungbesonders interessant

.

. Fig.4 Klassisches Origami, Faltmuster und Figur [2]

. Fig.5 Modulares Origami [9]

. Fig.6 Mosaik Origami

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Faltwerke aus Holzwerkstoffplatten 5

4 Faltwerke aus Holzwerkstoffplat-ten

Für den Entwurf von Faltwerken ausHolzwerkstoffplatten sind nur Faltmuster inter-essant, welche eine räumliche und eine tragendeWirkung aufweisen. In der vorliegenden Arbeitkonzentrieren wir uns deshalb auf Faltmuster ausmodularen Origami und vor allem auf Mosaik-Origami. Viele dieser Faltungen haben wir intui-tiv durch ausprobieren gefunden und später fest-gestellt, dass sie bereits in ähnlicher Formexistieren. Insbesondere im Vorkurs am Bauhaus(Josef Albers) [1] wurden räumlich und formalinteressante Faltwerke aus Papier entwickelt.

Die ausgewählten Faltmuster werden ana-lysiert und beschrieben. Die Akkordeonfaltungund die Umkehrfaltung bilden das Grundvoka-bular, auf dem die anderen Faltungen aufbauen.Die Rautenfaltung, die Fischgrätfaltung und dieDiagonalfaltung sind drei Faltmuster die uns be-sonders interessant und für Faltwerke aus Holz-werkstoffplatten geeignet erscheinen.

4.1 AkkordeonfaltungDie einfachste räumliche Faltung ist die

Akkordeonfaltung. Sie wird oft zur Illustrationder Effizienz der Tragwirkung von Faltwerkenherangezogen [5] und besteht aus einer Reihevon parallelen Berg- und Talfalten. Bereits die-se einfache Faltung lässt sich durch Variierendes Grundmusters in ihrer Gestalt verändern; soetwa durch zickzackförmige, zwischen die paral-lelen Bergfalten gelegte Talfalten. Damit bildensich alternierende Wellenmuster. Weitere Verän-derungen lassen sich durch radiales Falten errei-chen, was zu einer fächerförmigen Faltung führt.

4.2 UmkehrfaltungDie Umkehrfaltung ist eine der Grund-

techniken im Origami Engel P, Folding the Uni-verse: Origami from Angelfish to Zen, VintageBooks, New York, 1989 . Eine einfache, geradeFaltung kann derart die Richtung wechseln. Aus-gehend von der Akkordeonfaltung wird ein Pa-p i e r s t r e i f e n d u r c h e i n e M i t t e l f a l t e i nLängsrichtung halbiert und in einem beliebigenspitzen Winkel quer zur Längsachse gefaltet.

Geöffnet zeigen sich zwei schräge Seitenschen-kel, welche die Mittelfalte an ihrem Scheitel-punkt zweiteilen. Die Mittelfalte wird nun sogefaltet, dass die eine Hälfte eine Bergfalte unddie andere Hälfte eine Talfalte bildet. Die Fal-trichtung der Mittelfalte dreht sich am Scheitel-punkt der Schenkel um und diese werden dabeizu Bergfalten. Der Papierstreifen bildet nun V-förmig ineinander geschobene Berg- und Talfal-ten.

Zwei interessante Faltmuster basieren aufdieser Umkehrfaltung: Die Rautenfaltung unddie Fischgrätenfaltung.

. Fig.7 Akkordeonfaltung [5]

. Fig.8 Umkehrfalte: Knicken der Mittelfalte [2]

. Fig.9 Umkehrfalte

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6 Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen

4.3 RautenfaltungGrundlage dieses Faltmusters ist die in der

Diagonale gefaltete Raute. In einem gleichmäs-sigen Rautenmuster bilden die Diagonalen paral-lele Linien. Faltet man diese zu Talfalten und dieSeiten der Rauten zu Bergfalten so erhält dasBlatt eine regelmässige zylindrische Krümmung.Die Rautenfaltung lässt sich aus der Umkehrfalteableiten. Wird eine Umkehrfalte an der Basis derbeiden Seitenschenkel gespiegelt, entsteht eineRautenfalte.

Die Biegung der Faltung hängt von derGeometrie der Rauten ab: Je spitzer die Rautendesto schwächer ist die Krümmung des gefalte-ten Papierstreifens. Gleichförmige Rauten erzeu-gen eine Annäherung an ein Kreissegment. Sinddie Rauten zu unterschiedlich grossen Drachen-vierecken verzogen, ändert sich der Kurvenradi-us, was Annäherungen an eine beliebige stetigeKurve möglich macht. Werden die Papirestreifenaneinandergereiht entsteht eine einfach ge-krümmte Schale, welche im Querschnitt ver-schiedene Formen annimmt: Kreissegment,Katenoide, Zykloide, usw.

Die Rautenfaltung besteht nur aus dreie-ckigen und damit ebenen Flächen. Dies ist eingrosser Vorteil in Bezug auf die Konstruktionmit Holzwerkstoffplatten. Das Rautenmusterscheint nicht allein aufgrund der grossen For-menvielfalt und Flexibilität interessant, sondernauch aus Sicht der Statik [6].

. Fig.10 Regelmässige Rautenfaltung, verzogen

. Fig.11 Unregelmässige Rautenfaltung

. Fig.12 Radiale Rautenfaltung

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Faltwerke aus Holzwerkstoffplatten 7

4.4 FischgrätmusterAuch dieses Muster geht von der Umkehr-

faltung aus, diesmal nicht gespiegelt sondern ver-setzt kopiert, wobei die Mittelfalte parallel zurursprünglichen Richtung zurück geknickt wird. Siebeschreibt so eine zweifach geknickte Zickzackli-nie. Das erste und das dritte Segment der Mittelfal-t e l i egen para l le l und schräg verschoben(Bergfalten). Das mittlere Segment (Talfalte) ver-bindet die beiden äusseren Segmente. Entsprechendzur Mittelfalte wechseln die Schenkel der zweitenUmkehrfalte ihre Faltrichtung von der Berg- zurTalfalte. In der Wiederholung ergibt sich in derAufsicht ein Fischgrätenmuster aus zwei Reihengespiegelter Trapeze. In der seitlichen Ansicht ent-steht ein schräges Treppenmuster. Seitlich aneinan-d e r g e r e i h t e n t s t e h t e i n e F a l t u n g m i tzickzackförmiger Riffelung. Da diese Faltung so-wohl in der Längsrichtung als auch in der Quer-richtung zickzackförmig ist, zieht sie sich beimSchliessen der Falten in beide Richtungen zusam-men und wird dadurch sehr kompakt.

Das Fischgrätenmuster wird auch Muira-Origenannt [4], nach dem japanischen Forscher Muira,der diese Faltung erstmals wissenschaftlich be-schrieben hat. Ihn interessierte vor allem, dass sichdie Faltung aus einem sehr kompakten Zustand ineine grosse Fläche verwandeln kann. Er entwickel-te ausklappbare Sonnensegel für Satelliten die aufdiesem Prinzip beruhen. Muira faltete auf dieseWeise auch Landkarten, die sich sich in einer Be-wegung ganz auseinander ziehen lassen. Auch dieBlätter der Buche entfalten sich nach dem selbenPrinzip aus der kompakten Knospe zur Fläche [7].

4.5 DiagonalfaltungBasis dieser Faltung ist ein in der Diago-

nale gefaltetes Rechteck, Parallelogramm oderTrapez. Dabei werden die Aussenkanten aus ei-ner parallelen Position diagonal nach oben ge-dreht. Mehrere derart gefaltete Rechteckeaneinandergehängt verwinden sich schrauben-förmig [3][9]. Diese Faltung ist deshalb interes-sant , wei l s ich auf einfache Art doppel tgekrümmte Flächen ergeben. Weitere Studiensollen zeigen wie sich die Diagonalfaltung archi-tektonisch und konstruktiv nutzen lässt.

. Fig.13 Regelmässige Rautenfaltung

. Fig.14 Regelmässige Rautenfaltung, gerippt

. Fig.15 Regelmässige Rautenfaltung, gerippt

. Fig.16 Unregelmässige Rautenfaltung

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8 Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen

. Fig.17 Doppelte Umkehrfaltung mit paraller

Mittelfalte

. Fig.18 Fischgrätenfaltung, leicht gebogen

. Fig.19 Einfach gekrümmte Fischgrätenfaltung

. Fig.20 Halbkugelförmige Fischgrätenfaltung durch

verziehen der Ränder

. Fig.21 Unregelmässige Biegung

. Fig.22 Kreisförmige Fischgrätenfaltung, Rapid

prototyping Modell

. Fig.23 Radiale Fischgrätenfaltung mit

Dreiecksegmenten

. Fig.24 Diagonalfaltung

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Prototyp 9

5 PrototypDer Bau eines ersten Prototyps verfolgte

drei Ziele. Erstens war die Geometrie einer Fal-tung mittels einem Zeichenprogramm darzustel-len und deren Richtigkeit anhand eines Modellszu überprüfen. Zweitens war die Verformungdes Prototypen unter Belastung mit Modellierun-gen aus verschiedenen Finite-Elemente-Pro-grammen zu vergleichen. Drittens sollten ersteErfahrungen mit einer Verbindungstechnik undder Montage der Elemente gesammelt werden.

5.1 Konstruktion Die als Prototyp gewählte Faltstruktur ba-

siert auf einem Fischgrätenmuster und hat eineregelmässige Krümmung. Die Paneele sind aufeiner Kreissäge zugeschnitten, die Form mussmöglichst einfach sein: Ein Trapez und dessenSpiegelung. Die Trapeze sind 130cm lang und28cm breit, wobei die parallelen Seiten 96 re-spektive 53cm lang sind. Die Schenkelwinkelbetragen 20° und 40°. Die Spannweite des Falt-werks beträgt 6,7m, dies bei einer lichten Weitevon 2,6m und einer Breite von 2,8m. Die Kon-struktion besteht aus sechs parallelen, gefaltetenBögen mit insgesamt 144 Trapezen. Als Materi-al wird 21mm starkes Fichtensperrholz gewählt.

Die Trapeze lassen sich in wenigenSchnitten ohne Restabschnitte zuschneiden. EinGehrungsschnitt erzeugt automatisch das je-weils gespiegelte Gegenstück. Zwei symmetri-sche Trapeze fügen sich entlang der parallelenSeiten zu einem V-förmigen Teil zusammen.Diese Verbindung ergibt an der langen Seite ver-bunden ein spitzes Teil mit einem stumpfenSchwalbenschwanz, an der kurzen Seite verbun-den wird die Spitze stumpf und der Schwalben-schwanz ist tief eingeschnittenen. Zwölf dieserBasisteile lassen sich so ineinander stecken, dasssie einen Bogen formen. Unsicherheitsfaktorenbeim Bau des Faltwerks waren die Genauigkeitdes Zuschnitts und der Montage. Doch die Ele-mente sind präzise genug und zudem verhältnis-mässig weich, so dass die Montage ohneProbleme möglich ist.

Die Paneele sind in versetzter Anordnungalle 50mm mit 5,0/80mm Schrauben (Assy Ze-

bra, Würth) verschraubt. Eine solche Verbin-dung ist nicht normgerecht, schien aber fürdiesen Versuch geeignet, da dank der selbstboh-renden Spitze keine Risse zwischen den Hohl-schichten entstehen und die Montage sehreinfach ist. Vier Vorversuche zeigten die relativeSteifigkeit einer solchen Verbindung.

. Fig.25 Das Grundelement

. Fig.26 V-förmiges Element

. Fig.27 Zusammensetzen zweier V-Elemente

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10 Die Technik des Origami im Holzbau - Faltwerke aus BSP-Elementen

5.2 Berechnungen Parallel zum Bau des Faltwerks wurde die

Struktur auf drei verschiedenen Finite-Elemente-Programmen berechnet (SAP, RFEM, ANSYS)[8]. Beim Vergleich der Berechnungen dieserverschiedenen Programme zeigen sich sehr un-terschiedlich Resultate. Die Modellierung derRotationsfreiheit der Verbindungen beeinflusstdie Resultate erheblich. Bleiben die Rotationsbe-wegungen zwischen den Platten blockiert, be-r e c hn e n SAP u nd R F E M ä hn l i c heVerformungen. Sind Rotationen erlaubt, wei-chen die Resultate stark voneinander ab. Für diegeplanten Faltwerke können wir aber nicht voneiner steifen Verbindung ausgehen und eine ge-wisse Rotationsfreiheit muss in die Berechnungeinfliessen. Nicht alle Programme erlauben eineRotationsfreiheit um die Achse der Verbindung.

Auch der Vergleich der Berechnungen mitden realen Verformungen der Faltstruktur imVersuch zeigt grosse Unterschiede. Selbst wenndie experimentell ermittelte Steifigkeit der Ver-bindung berücksichtigt bleibt, sind die Verfor-mungen des gebauten Faltwerks wesentlichgrösser als die berechneten. Ziel weiterer Unter-suchungen ist nun die Berechnung von Faltstruk-turen mit Finiten Elementen besser zu verstehenund sie den speziellen geometrischen Bedingun-gen anzupassen.

5.3 BelastungstestEine erste Testserie mass die Verformun-

gen der Faltstruktur bei drei verschiedenen Last-fällen um sie mit den berechneten Verformungenzu vergleichen. Die Verformungen des Prototypssind grösser als die berechneten. Ein Bruchtestmit einer symmetrischen Belastung in zweiPunkten zeigt, dass die Faltstruktur eine maxi-male Last von 27 kN trägt. Höhere Lasten lassendie Verbindungen aufreissen. Der Schwachpunktdieser Verbindung ist der ungenügende Randab-stand der Schraube zur Faltkante. Die Entwick-lung einer effizienten Verbindung, welchegleichzeitig eine einfache Montage erlaubt, istZiel weiterer Arbeiten.

. Fig.28 Prototyp: Drei Basiselmente

. Fig.29 Prototyp: Montage

. Fig.30 Prototyp: Versuchsanordung

. Fig.31 Prototyp: Aufreissen der Verbindung

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Fazit 11

6 FazitMit den bisherigen Untersuchungen sind

drei Faltmuster identifiziert, welche vielverspre-chende Formen erzeugen und grundsätzlich fürden Bau von Faltwerken mit Holzwerkstoffplat-ten geeignet sind. Weitere Analysen sollen dasVerständnis dieser Geometrien vertiefen, damitsie in einem CAD Programm generiert und para-metrisch gesteuert werden können.

Der konstruierte Prototyp zeigt, dass aufden entwickelten Geometrien beruhende Falt-werke realisierbar sind und interessante Festig-keitswerte aufweisen.

Weitere Forschungsschwerpunkte bildendie Entwicklung geeigneter Verbindungen unddie Berechnung mit Finite-Elemente-Modellen.

Komplexe Faltwerke mit Holzwerkstoff-platten sind machbar und für Architekten sowiefür Tragwerksplaner gleichermassen attraktiv.

7 Literatur[1] Albers J, Concernig fundamental

design, in Bauhaus 1919-1928 / ed. by Bayer H, Gropius W, Gropius I, Boston: Branford, 1952, pp 114-121

[2] Engel P, Folding the Universe: Origami from Angelfish to Zen, Vintage Books, New York, 1989

[3] Hunt GW, Airo I, Twist buckling and the foldable cylinder: an exercise in ori-gami, International Journal of Non-Linear Mechanics, 2005, vol 40, pp 833-843

[4] Muira K, Proposition of Pseudo-Cylin-drical concave polyhedral shells, Iass symposium of folded plate and prisma-tic structures, 1970

[5] Siegel, C, Strukturformen der moder-nen Architektur, Calwey, München, 1960

[6] Stewart, I, Origami tessellations, Scien-tific American1999, fev, v 280, pp100-101

[7] Vincent JFV, Deployable structures in nature: potential for biomimicking, Proceedings of the institution of mecha-nical engineers part c-journal, 2000, v 214, pp 1-10

[8] Wienand Y., Natterer J., Pirazzi C. Ana-lyse comparative d’une structure Ori-gami, IBOIS EPFL, Mai 2006.

[9] Zeier F, Papier, Versuche zwischen Geometrie und Spiel, Haupt, Bern 1993