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XVI. Die typische Ausr tumung der Leiste?) Yon Dr. Carl T,auenatein. (Mit 5 Abbildungen.) Die Bemerkungen~ die ieh Ihnen heute vortragen milehte, schlicssen sieh an 182 F~ille yon LeistcndrUsenvereiterung an, die ich w~ihrend eines Zeitraumes yon 12 Jahren im Seemannskranken- hause zu beobachten und behandeln Gelegenheit gehabt habe. Ich weiss wohl, dass ich Ihnen niehts direct Neues und ftir den Chirurgen nur Bekanntes bringe, aber es ist doch vielleieht nieht ganz ohne Interesse, wenn dies Thema hier berUhrt wird, zumal da in den Lehr- und Handbtiehern der Chirurgie wenig darUber zu finden ist, und da sieh nut bei sorgsamer Behandlung der Leistendrtisen- vereiterung sehwere Folgen vcrmeiden lassen. Im Ganzen habe ich in 12 Jahren im Seemannskrankenhause 191 Fi~ile yon Bubo ingui- nalis beobachtet. Von diesen sind 9 Fiille nieht operativ behandelt, sondern spontan zurtickgegangen. Hier hat es sich also um Eiterung wahrseheinlich nieht gehandelt. Unter den tibrigen 182 F~llen sind 53 mit ausgiebiger Spaltung und, woes nifthig war, mit Anwendung des scharfen L~iffels behandelt. In I29 Fiillen ist die typisehe Aus- riiumung der Leiste, auf die ieh hier niiher eingGhen m0ehte, ge- maeht worden. Von allen 182 operativ behandelten LeistendrUsenvereiterungen konnte in 38 Proe. der Fiille eia Zusammenhang mit Geschlechts- erkrankungen nieht nachgewiesen werden. Ich mliehte sie als ,,trau- matisehe" bezeichnen und ihre Entstehung zurUckftihren auf die viel- fachen mechanisehen Insulte der unteren Extremit~iten, denen die Seeleute in ihrem Berufe ausgesetzt sind. Aehnlieh haufige Gelegen- heiten zu allen m(iglichen Verletzungen der FUsse und Beine, sei es 1) Vortrag, gehalten im hrztlichen Verein zu Hamburg am 28. Juni 1892.

Die typische ausrÄumung der leiste

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XVI.

Die typische Ausr tumung der Leiste?) Yon

Dr. Carl T,auenatein.

(Mit 5 Abbildungen.)

Die Bemerkungen~ die ieh Ihnen heute vortragen milehte, schlicssen sieh an 182 F~ille yon LeistcndrUsenvereiterung an, die ich w~ihrend eines Zeitraumes yon 12 Jahren im Seemannskranken- hause zu beobachten und behandeln Gelegenheit gehabt habe.

Ich weiss wohl, dass ich Ihnen niehts direct Neues und ftir den Chirurgen nur Bekanntes bringe, aber es ist doch vielleieht nieht ganz ohne Interesse, wenn dies Thema hier berUhrt wird, zumal da in den Lehr- und Handbtiehern der Chirurgie wenig darUber zu finden ist, und da sieh nut bei sorgsamer Behandlung der Leistendrtisen- vereiterung sehwere Folgen vcrmeiden lassen. Im Ganzen habe ich in 12 Jahren im Seemannskrankenhause 191 Fi~ile yon Bubo ingui- nalis beobachtet. Von diesen sind 9 Fiille nieht operativ behandelt, sondern spontan zurtickgegangen. Hier hat es sich also um Eiterung wahrseheinlich nieht gehandelt. Unter den tibrigen 182 F~llen sind 53 mit ausgiebiger Spaltung und, woes nifthig war, mit Anwendung des scharfen L~iffels behandelt. In I29 Fiillen ist die typisehe Aus- riiumung der Leiste, auf die ieh hier niiher eingGhen m0ehte, ge- maeht worden.

Von allen 182 operativ behandelten LeistendrUsenvereiterungen konnte in 38 Proe. der Fiille eia Zusammenhang mit Geschlechts- erkrankungen nieht nachgewiesen werden. Ich mliehte sie als ,,trau- matisehe" bezeichnen und ihre Entstehung zurUckftihren auf die viel- fachen mechanisehen Insulte der unteren Extremit~iten, denen die Seeleute in ihrem Berufe ausgesetzt sind. Aehnlieh haufige Gelegen- heiten zu allen m(iglichen Verletzungen der FUsse und Beine, sei es

1) Vortrag, gehalten im hrztlichen Verein zu Hamburg am 28. Juni 1892.

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nun dureh Stoss und Fall, durch Gegenschleudern yon Gegenstiinden, dureh Verbrennung, sind kaum in anderen Berufsarten vorhanden. In 33 Proc. der Fiille war die Verletzung ira Anschluss an Ulcus molle entstanden, in 10 Proe. im Zusammenhange mit Syphilis, in 8 Proe. mit Gonorrhoe.

Unter den 182 F~illen war die Erkrankung 29mal beiderseitig, so dass bier also im Ganzen 153 Patienten in Frage kommen.

Wenngleich ich bier auf die Ihnen allen geliiufige Symptomato- logie des Bubo inguinalis einzugehen verziehte, so miichte ieh doch erw~ihnen, dass es vor der Operation oft nieht anniihernd zu beur- theilen ist, wie weir der Eiterungsprocess nach Umfang und Tiefe sich ausdehnt. Da die Eiterung in der Regel punktfiJrmig innerhalb des Parenehyms der Drtisen beginnt, so fehlt in sehr vielen Fallen Fluctuation ganz, sehr oft auch R(ithung der Haut. Man kann abet meist sehon allein aus den subjeetiven Besehwerden und aus der Druekempfindlichkeit mit grosser Wahrseheinliehkeit auf eine vor- handene Eiterung sehliessen. Die Fiille, in denen ausgedehnte Peri- adenitis und reichliehe Eiterbildung zu Hautriithung und kugliger Vorwiilbung der Haut geflihrt hat, sind es, in denen man noch am ersten mit ausgedehnter Spaltung, eventuell unter Zuhtllfenahme des scharfen Liiffels ausreicht. Die derben Drtisenpaekete yon grosscm Umfange, mit mehr oder weniger vorgeschrittener Eiterung innerhalb der Drtisen, oft aueh mit Durchbruch der Eiterung tiber die Grenze der Drtisen hinaus sind es, die ebenso wie die fistuliJsen, theils vor- her unvollstiindig behandelten, theils vernaehliissigsten Bubonen yon uns typisch ausger~iumt worden sind.

Unter den yon uns operirten Patienten mit Genitalerkrankungen waren vor und naeh der Operation fieberfrei: 59. Nut naeh der Ope- ration Fieber hatten 28, und zwar 14 je 1 Tag, 8 je 2 Tage, 3 je 3 Tage, 3 je 4, 5 und 6 Tage. Vor und nach der Operation waren fieberhaft 8, und zwar je 2 1, 2, 3 und 4 Tage lang.

Unter den Patienten ohne Genitalerkrankung waren 33 vorund naeh der Operation fieberfrei, nur nach der Operation fieberhaft 14, und zwar 4 j e i Tag, 8 je 2 Tage, 2 je 3 Tage. Vor und naeh der Operation waren fieberhaft 10, und zwar je 4 1, resp. 2 Tage, je 1 4, resp. 5 Tage.

Das huftreten des Fiebers naeh der Operation in den Fiillen, wo vorher schon Fieber bestand, bedarf keiner besonderen Erkliirung. Das huftreten yon Fieber nach der Operation, wo vorher kein Fieber bestand, erkliirt sich ohne Weiteres dureh die Erilffnung neuer Lymph- bahnen bei der Operation und den Uebertritt yon Eiter in diese.

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Im Allgcmcinen zeigen diese Aufzeichnungen tiber die Fieber- verh~iltnissc unsercr 0perirten, wic wcnig das Symptom des Fiebers uns untersttitzt bei dcr Diagnose eiternder Processe im Bcreiche der Leistendrtisen.

Da es unumg~tnglich nt~thig ist, vor Schildcrung unscres 0pe- rationsverfahrcns auf die anatomischcn Verh~tltnisse einzugehen, und da ich mich nach BcrUcksichtigung der Anatomic in dcr Operations- beschreibung kUrzer fassen kann, so crlaubc ich mir, an einigen Skizzen die wesentlichen anatomischen Punkte zu berUhren.

Das 0perationsgcbiet f~tllt im Wesentlichen in das S c a r p a'sche Dreieck (Fig. 1), dicjenige anatomischc 0ertlichkeit, die nach obcn

Fig. i. Fig. 2. a Ligam. Poup. b Samenstrang. c Muse. ad- d die oberfliiohliehen Leisten- ductor long. d Muse. sartorius, e Arteria drttsen, v Stamm der Vena sa- eruralis, f Vena erur. g Nerv. erur. h Epl- phena. gastr, superf, i Cireumfi. il. superf, k Pu-

denda ext.

begrenzt wird yore Ligam. Pouparti, resp. dcr Aponeurosc des Mus- culus obliquus abdominis externus, nach untcn und aussen vom Mus- culus sartoriu% bach untcn und innen yore Adductor longus und nach obcn und innen yore Samenstrange. In dicsem Raume lieffen, be- deckt yon Haut, subcutanem Fctt und allgemciner Fascia superficialis, auf dem oberfllichlichen Blatt der Fascia lata die obcrfliichlichcn In- guinaldrliscn (Fig. 2), yon dcnen die nach der Spitze des S c a r p a - schcn Dreiccks zu licgcnden in der praktischen Chirurgie als Schen- kcldrtiscn bezeichnct zu werdcn pflegen.

Ausserdem liegt vor dcm oberfliichlichcn Blatt der Schcnkclfascie

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die Vena saphena, deren Stature in seinem oberen Ende yon den un- teren Inguinaldrtisen oft dicht umlagert ist, und die durch die yon dcr Incisura falciformis gebiIdete Lticke des oberfiachlichen Fascien- blattcs in die Vena cruralis einmtindet. Das Verhaltniss des ober- flachlichcn and tiefen Blattes der Fascia lata erkennt man am besten an einem dicht unter dcm Lig. Poup. gcdaehten Horizontalschnitt des Oberschenkcls (Fig. 3). Die beiden B1Rtter sehliessen den Sehenkelkanal

ein. Dies ist der anatomische Raum 7 in den die Sehenkelhernie sieh senkt, und in dem die grossen Ge- fasse - - die Arterie lateral, dieVene medial - - aus dem Becken naeh abwiirts ziehen. Begleitet werden diese yon den an der Innenseite der Vene liegenden Lymphgefiis- sen der unteren Extremitiit, die durch das zwischen Ligam. Gim- bernati und Vena cruralis gelegene

rig. 3. Septum crurale in das Becken tre- a tlefes Blatt. b oberflitehliehes Blatt der ten, sowie yon den tiefen Inguinal- Fascia lata. c Arteria. d Vena r e Mus- drtisen~ deren eine, die sogenannte culus sartorius, f RosenmUller'sche Drtlse.

g Nervus cruralis. Rosenmtiller'sche Drtise, durch ihre constante Lage vor der La-

mina eribrosa wegen ihrer Beziehungen zu der Schenkelhernic histo- risehe Bedeutung erlangt hat.

Das tiefe Blatt der Sehenkelfascie deckt den Museulus pectineus und den Ileopsoas mit dem Nervus cruralis, beide nach abwRrts gegen einander convergirend.

Die oberfli~ehliehen Leistendrtisen, deren Zahl naeh t t e n 1 e 6--13 betriigt, und die sich bis zur Spitze des Trigonum Scarpae herab er- strecken, nehmen die yon unten kommenden oberfiachliehen Lymph- gefiisse der unteren Extremitlit auf, yon oben die der unteren Partir der Bauchwand, yore lateralen Rande die Lymphgef•sse der Ge- fassgegend, vom medialen die der Dammffegend und der ausseren Genitalien, mit Ausnahme der tIoden, deren Lymphgefiisse zu den rctroperitonealen DrUsen fUhren. Die Zahl der tiefen Inguinaldrtl- sen, die unter dem oberfiiiehliehen Blatt der Schenkelfascie~ um die Schenkelgefiisse nahe dem inneren Sehenkelringe (H enl e) liegen~ betriigt in der Regcl nur 3--4 und stcigt in AusnahmefRllen bis auf 7. Sic nchmen die tiefen Lymphgefasse der unteren Extrcmit~it, einige der die Arteria und Yena epigastriea und Circumfiexa ilium begleitenden

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Stiimmehen und die Vasa efferentia der oberfiaehliehen Inguinal- drtisen auf.

Die bei der AusrRumung der Leiste in Betraeht kommenden Arte- rien sind, abftesehen yon der Cruralis, die Cireumfiexa ilium super- fieialis~ die Epigastriea superfieialis und die Pudenda externa.

An Nervenverzweigungen, die tibrigens ein lediftlieh anato- miseh-physioloftisches Interesse beanspruehen, vertheilen sieh im Operationsftebiete: an der Basis des Searpa'sehen Dreieeks, vor der oberfliiehliehen Faseie die Endigungen des Lumbo-inguinali% ilio- inftuinalis und abwiirtssteiftende Zweige des Ilio-hypogastrieus, naeh der Spitze zu mediale Aeste des Nervus eutaneus femoris medialis.

Wir beftinnen die typische AusrRumunft der Leiste mit einem Sehnitt parallel dem Ligam. Poup, der fiber die hSehste Hiihe der Drttsenftesehwulst und ihre ganze Liinge his unmittelbar auf das Drtisenpaeket geftihrt wird. Etwa auf die Mitte dieses Sehnittes wird ein Schnitt gesetztl der in der Liingsriehtunft des Beines verlRuft, ebenfalls fiber die ganze Ausdehnung der Driisengesehwulst. Dieser Liingssehnitt liegt etwa zu ~]3 unterhalb und zu 1/3 oberhalb des ersten Schnittes.

Von diesen beiden Sehnittftihr,ngen ist weder die eine noeh die andere prin- eipiell zu bevorzugen. Sie untersehei- den sich dadureh yon einander, dass der Sehnitt parallel zum Lift. Pouparti geftihrt der Riehtang der elastisehen Spannung der Haut des Obersehenkels im oberen Theile entsprieht, w~ihrend der LRngssehnitt etwa reehtwinklift zu dieser Spannunft verlRuft. Die Folge davon ist, dass derParallelsehnitt zum Lift. Pouparti, der schon wi~hrend der Fig. 4. Nachbehandlunft eine Tendenz zar Ein- Narbe der Leistengegend nach tier

typischen Ausr~umung der DrUsen w~rtsrollung seiner Hautr~nder bekun- mittelst Kreuzschnittes. det, sehliesslieh mit line~rer l~arbe heilt, wKhrend der LRngsschnitt mit einer auffallend breiten Narbe heilt, die wesentlieh verk~irzt ist geftentiber seiner ursprtinftliehen L~inge (Fig. 4).

Meine Erfahrung ergiebt, dass es nieht rathsam ist, yon einem einzigen Sehnitt aus die Leiste auszur~iumen. Falls dies aueh zur Noth gelingt, so sehafft man dureh die nieht zu vermeidende Tasehen- bildung ungtinstige Heilungsbedingungen.

Deutsche Zeitschrift L Chirurgie, XXXV. Bd. 38

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Eine RUcksicht auf den Verlauf der Lymphgef~isse in der Schnitt- ftihrung zu nehmen, seheint um so weniger geboten, als bei der Aus- raumung der Leiste so wie so, man mag den Hautschnitt legen, wie man will, doch die Verbindung aller exstirpirten Drtisen mit ihren Lymphgefiissen unterbroehen wird.

Nach Anlegung des Hautschnittes werden in je zwei gegentiber- liegende Zipfel der Haut scharfe Haken eingesetzt. Dutch kriiftigen Zug an dicscn in entgegengesetzter Richtung liisst sieh lcicht die Haut v o n d c r Vorderfiiiche des Drtisenpaeketes abziehen. Dieses bildet in der RegeI eine zusammenh~ngende Geschwulst, aus der bei bestehender Eiterung meist sehon hie and da Eiter hervortritt, sieher abet nach Freilegung der Vordcrfi~chc Eiterpunkte hcrvorquellen.

Nun beginnt die Abtrennung dcr Drtisengeschwulst im Zusam- menhang yon der Untcrlage. Sic ist je nach den Vcrhaltnissen des Einzelfalles leichter and vorwiegend stumpf zu bcwerkstelligen oder abet infolge yon Verwachsungen schwieriger und nut unter ausgie- bigem Gcbrauch des Messers zu vollftihren. Man kann die Abl~isung yon jeder der vier Seiten beginnen, wie es gerade im einzelnen Falle zweckmiissig seheint. Oft ist es rathsam, vom unteren Pole zu be-

ginnen, weil man bier sofort tiber die Verh~tlt- nisse des Stammes der Vena saphena sich orien- tiren kann. Ist sic so umlagert und eingeschlos- sen von vereiterten Drtisen, dass es unmiiglieh scheint, sic za erhaltcn, so wird sic an der unteren Spitze des Drtlsenpacketes zuniichst zwi- schen zwci Unterbindungspincetten durchtrennt. Die Ausli~sung des DrUsenpacketes yon der Schenkelfascie wird nun yon unten aussen und yon unten innen, dann yon oben yon der mehr

Fig. 5. oder weniger steil abfallcnden Fascia superficialis

dcr Bauehwand und yon innen und oben yore Samenstrange, dcr das DrUsenpacket scharf zu begrenzen pfiegt, bis in die Incisura faleifor- mis fortgcsetzt. In Fallen, wo die Vena saphena nicht geschont wer- den konnte, hangt sehliesslich das Drtisenpacket am Stamme diescr Vene, wie cine Frueht an ihrem Stielc. Der Stature der Vena saphena wird nun yon zwei Seitcn mit Unterbindungspinccttcn gefasst, yon ihnen abgeschnitten and sorgfiiltig untcrbunden. Ucberhaupt werden allc durchschnittcncn Gefiisse, auch die Venen, auf das Sorgfiiltigste unterbunden, um jede mSgliche Eingangspforte ftir den Eiter zu ver- sehliesscn. Das entfernte Drtisenpacket hat, falls es, was nicht sclten gelingt, im Zusammenhange entfernt worden ist, die Form eines mit

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der Basis naeh vorn geriehteten Prismas (Fig. 5) mit vier ungleiehen Kanten~ resp. Fliiehen. Die langsten Kanten sind nach unten gerichtet~ entsprechend der Form des Searpa'sehen Dreiecks~ die beiden ktir- zeren nach den Bauehdeeken und dem Samenstrange zu. Der Gipfel des Prismas liegt in der Incisura falciformis~ der Einmtindungsstelle der Vena saphena in die Cruralis entsprechend.

Ueber die Nachbehandlung nur wenige Worte. Manchmal ist es zweckmassig, die Wunde primar an den Eeken

dureh die Naht zu verkleinern, aber nm" dann, wenn sieh Taschen- bildung vermeiden lasst. Zuweilen erscheint es rathsam~ erst secun- diir~ wenn die Wunde sieh gereinigt hatte und gut granulirte, eine partielle Seeundarnaht za maehen. In der Regel fallen wir die Wunde mit 10proc. Jodoformgaze~ die nicht unter allzu hohem Drucke steht and aussehliesslieh mit der Wundfl~iche in Berfihrung tritt. Wir ver- meiden grundsatzlieh seit Jahren eine Berahrung der Jodoformgaze mit der gesunden Haut. So heilsam das Jodoform far die Wund% so schadlich ist es oft ftir die gesunde Haut~ zumal w o e s , wie bei diesen Verbanden der Leiste~ in so innige BerUhrunff mit ihr tritt. Wir haben frUher~ bevor wir das Auflegen yon Jodoformgaze auf die gesunde Haut so streng vermieden, sehr oft Jodoformekzeme ge- sehen, ja wiederholt in sehwerster Form. Das Ekzem lief oft binnen 1- oder 2real 24 Stunden fiber den ganzen K~irper und heilte erst nach Woehen v(illig ab trotz sofortigen Fortlassens des Mittels aus dem Verbande.

Von der Blutschorfheilung naeh Sehede~ mit der wir vor meh- reren Jahren aueh an der Leiste Versuche gemacht haben~ und die ja in anderen passenden Fallen so gut zu verwerthen ist, hatten wir keine gtlnstigen Resultate zu verzeiehnen. Ebensowenig mit der prima intentio~ die wir vor Jahren ebenfalls wohl angestrebt, abet hie in befriedigender Weise erreieht haben. Der Grand far das Fehl- sehlagen dieser Bestrebungen ist sicherlieh in der Eiterung der Drasen zu suchen.

Was die nachsten Operationsresultate anlangt~ so ist unter den 129 Fallen typischer Leistenausraumung ein Todesfall nicht vorgekom- men. Doch unterlasse ich nicht 7 anzuftihren, dass unter den 53 Fiillen yon Spaltung der vereiterten Leistendrfisen ein Todesfall zu verzeich- nen ist. Er f'tillt jedoeh dem Chloroibrm zur Last~ ist im Jahre 1880 passirt und der einzige Chloroformtodesfall aberhaupt, den ieh wiih- rend eines Zeitraumes yon fiber 12 Jahren im Seemannskrankenhause erlebt habe.

Was sonstige able Zuf~ille bei der Operation betrifft, so wurdo 35*

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in einem der 129 Fiille yon Ausritumung der Leiste die Vena cruralis verletzt. Bei diesem vor circa 2 Jahren operirten Patienten waren die der Vene unmittelbar aufliegenden tiefen DrUsen vereitert. Ich sehloss den Spalt der Vene dadurch, dass ich vier Unterbindungs- pincetten neben einander aufsetzte und, wlihrend die Pincetten den Schlitz geschlossen hielten, eine fortlaufende fest angezogene Catgut- naht zwisehen ihnen anlegte. Nach ihrer Fortnahme stand die Blu- tung. Der Patient wurde geheilt, doch trat, als er aufstand, Oedem des Beines ein, das sich auch nicht v~llig verloren hat. Gerade in diesen Tagen ist der Kranke zufiillig wegen seines Beines wieder in das Seemannskrankenhaus aufgenommen. Im unteren Drittel des Untersehenkels hat er zahlreiche oberfi~ichliche Ulcera, ausserdem besteht eine deutliehe Erweiterung der Hautvenen an der Aussen- und Hinterfiliche im oberen Theile des Obersehenkels, sowie der Ge- fiissgegend. Ich glaube, man geht hier nicht fehl in der Annahme, dass nachtr~tglich eine Thrombose der geniihten Vene zu Stande ge- kommen ist, ein Ereigniss, wie es unter den Beobachtungen am leben- den Mensehen noch nicht figurirt~ wie es aber offenbar naeh den vorliegenden Thierversuehen trotz viillig aseptisehen Wundverlaufes zuweilen vorkommt.

Wenn nun aueh unter den angeftlhrten 129 Fallen typiseher Leistenausriiumung des Seemannskrankenhauses kein Todesfall vor- gekommen ist~ so warde ich doeh meine eigenen Erfahrungen nut unvollst~indig wiedergeben~ wenn ieh hier nnerw~ihnt liesse, dass einer der yon mir in der Privatpraxis operirten Patienten, deren Zahl aus einem Zeitraume yon 12 Jahren etwa ein Dutzend betragen mag, im Ansehluss an die Operation zu Grunde gegangen ist. Es handelte sieh am einen ~ilteren Herrn mit weiter and tiefgehender Vereiterung der Leistendrasen. Ich verletzte die Vena cruralis und konnte der Blutung nur dadureh Herr werden~ dass ieh einige Unterbindungspineetten liegen liess~ ausserdem aber mit Jodoformgaze tamponirte. Anfangs sehien Alles gut zu gehen, aber vom 5. Tage an stellten sieh SchUttel- friiste ein, und der Kranke starb nach Verlauf yon 8 Tagen unter dem Bilde der Pyiimie.

Sonstige able Folgen, entfernter yon der Operation~ habe ich, ausser dem erwiihnten Fall yon Thrombose der Vena cruralis nach der Nahtanlegung, nicht beobaehtet. Insbesondere hat die Excision eines StUekes vom Stamme der Vena saphena zu nachtr~igliehen Stiirungen niemals Veranlassung gegeben. Offenbar wird die Circu- lation, die fraher durch das Saphenagebiet ging, in solehen Fiillen ohne Sehwierigkeit yon den tiefen Venen der Extremit~it vermittelt - -

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ein Vorgang, der, wie Ihnen bekannt ist, vor einigen Jahren yon T r e n d el e n b u r g verwerthet ist in dem Vorschlage, bei ausgedehn- ten Varicen im Saphenagebiete ein Stack des Stammes zu exeidiren. T r e n d el e n b u r g statzte diesen seinen Vorsehlag, dessert Ausftihrung sich mir in circa einem Dutzend yon Fallen bewahrt hat, auf den Nachweis, dass es im Wesentliehen der Process des Ueberlaufens von Blut aus der Vena cruralis peripheriewarts in die klappenlose Saphena ist, der diese fallt and die Stauungserscheinungen unterhiilt.

Bei dieser Gelegenheit m~ehte ieh noeh einer St(irung gedenken, die ieh in 2 Fallen beobaehtet babe, die noeh in Behandlung sind und nieht mit zu den oben angeftihrten abgesehlossenen Zahlen ge- hClren. Es handelt sieh bier um eine direct an die Leistendrasen- vereiterung sich ansehliessende Erkrankung, das serpiginSse Gesehwar, das mir aus tier vorantiseptisehen Zeit wohl in der Erinnerung war, das ich abet in einer etwa 12jiihrigen selbstandigen Hospitalthatig. keit nicht beobaehtet hatte, bis ieh gerade in letzter Zeit zwei ganz ahnliehe Fiille sah.

Der eine betrifft einen circa 25jahrigen norwegisehen Matrosen, der seine Sehankerinfeetion auf den Ort Wilmington in lqordamerika zurack- fahrte nnd nach Heilung des Ulcus im August 1891 mit einem reehtssei- tigen fistul(isen Babe ins Hospital trat. Die vereiterten DrUsen wurden auf das Grandlichste, ebenso wie die erkrankten Hautrander~ entfernt, ohne dass wir in unserer Vorbereitung zur Operation oder in dot Art, die Wunde zu verbinden und zu behandeln, yon unserem sonst geabten Verfahren abwichen. In der granulirenden Wunde trat an einzelnen Stellen ein sehlechtes Aussehen der Granulationen ein, speeiell nahe dem Haut- rande. Hier hfirte die Vernarbung auf, die Granulationen zerfielen, und die Hautrander wurden fortsehreitend unterminirt. Dabei schritt an an- deren Stellen die Vernarbung ungest~rt fort, so dass das bestehende Ge- sehwiir allmi~hlich Bohnenform annahm, d. h. auf der einen Seite convex, auf der anderen concur begrenzt war. Alle unblutigen (irtliehen Mitte b wie haufiges Verbinden, Ausstopfen der unterh~ihlten Partien, Anwendung starker antiseptiseher Mittel, ja Aetzungen, wie z. B. mit Chlorzink, Arg. nitr. in Substanz waren erfolglos, so dass wit sehliesslieh zu der Exeision der unterminirten Hautrander und Anwendung des scharfen L(iffels fiber- gingen. Trotzdem wir nun hiervon den ausgiebigsten Gebraueh maehten, so reeidivirte der Process doch derart, dass er bei diesem ersten Patienten nach aussen bis an die Aussenflaehe des rechten Obersehenkels und fiber die Spina ant. sup., nach innen bis in die Adduetorengegend und bis auf den Hodensaek, naeh links bis auf den Mons veneris aberging. Erst jetzt, naeh achtmaliger Operation und naehdem der rechte Hoden, dessen 8amen- strang yon dem serpiginiJsen Process ganz umgriffen war, verloren gegan- gen ist, seheint der Process still zu stehen.

Bei dem zweiten Kranken, dessen linke Leiste im Ansehluss an ein Uleus molle das serpigin~ise Gesehwtir zeigt, sind sehon drei ausgiebige

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Operationen gemaeht worden. Trotzdem ist jetzt wieder eine ausgedehnte Unterminirung der Haut in der Gegend des Mons veneris eingetreten: die eine erneute Operation erfordern wird.

Bemerkenswerth war mir in diesen Fallen, dass dcr GeschwUrs- grund vonder Erkrankung frei blicb. Damit h~ingt zusammen, dass bei beiden Patienten EpidermisstUckchen, die ich nach T h i e r s ch zur Deckung der grossen Defecte aufpfianzte, ungesti~rt anheiltcn und auch haften blieben.

Ueber die Ursache des serpiginiisen GeschwUres etwas Bestimmtes auszusuchen, bin ich nicht im Stande. Der Prosector des alten all- gemeinen Krankenhauses, Herr Dr. S im m o n d s, der eine genaue mikroskopische Untersuchung der exstirpirten GewebsstUcke vorge- nommen hat, land bei dieser, ebenso wie bei der bakteriologischen Untersuchung, nur die bekanntcn Mikroorganismen der Eiterung. Herr Dr. Unn a dagegcn hat in den Hautriindern cinen Streptobacillus ge- funden, fiber den er bereits vor einigen Wochen hier Mittheilungen gemacht hat. Er scheint diesen Strcptobaeillus jedoch nicht als die Ursache des serpigi,~i~sen Geschwtires, sondern vielmehr als den Mikro- organismus des wcichen Schankers anzusehen.

Der Ansicht, dass das serpigin(ise Ulcus eine accidentelle Wund- krankheit sei, die durch die Itiinde oder Instrumente des Operateurs libertragen wUrde~ mi~chte ich entgegenhalten, dass ich an den oben angef[ihrten 182 operirtcn F~illen nicht ein einziges Mal das Auftreten eines serpigin~sen Geschwtires beobachtet habe. Aber empfehlen mi~chte ich doch, dass man bci Operationen an solchen serpigin~sen Geschwtiren vorsichtig ist, damit das Gift nicht yon Neuem dutch die Instrumente auf die frisch angelegte Wundfiiiche Ubergcimpft werde. Ich halte es ftlr zweckmiissig, dass man sich zu solchen Operationen mehrere gleiche Instrumentengruppen vorbereitet und das Messer, die scharfen Haken, die Pincetten, die Scheere, den scharfen Ltlffel nur zu der ersten Excision der erkrankten Hautr~inder oder zur ersten Aus- schabung verwendet, dann abet bei Seite legt und bei den noch nach- folgenden Eingriffen neue Instrumente gebraucht.

Dass in diesen beiden Fallen yon serpigini~sem Ulcus eine Ver- wechslung mit Syphilis vorgelcgen hlittc, davon habe ich reich nicht iiberzeugen k~innen. In beiden Fallen war eine consequent durch- gcfUhrte specifische Behandlung auf den (~rtliehen Process ganz erfolg- los geblieben. Dasselbe kann ieh fiber Einspritzungen yon Arg. nitr.- LSsung in die erkrankten Hautr~inder sagen, wie sie, wenn ich nicht irre, aus der Thierseh ' sehen Klinik empfohlen worden sind. Sie sind

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ausscrst schmerzhaft, machen starke umschriebene Infiltration des Ge- webes, halten abcr den serpiginiisen Process doch nicht auf.

Was nun die Behandlungsdauer der bier verwcrtheten 182 Falle anlangt, so kann ich Ihnen nut die Zahlen tiber den Hospitalaufent- halt der Kranken nnd nieht fiber die Dauer dcr Heilung vom Tage der Operation an geben. Ich bemerke hierzu, dass wir namentlieh in frtiheren Jahren, als unsere Erfahrungen noch weniger ausgedehnt watch, oft langere Zeit bis zum Vorsehlage der Operation verstrei- chen liessen~ um durch ruhige Bettlage, Eisapplication, speeifische Be- handlung und dergleichen wenn mSglieh cine spontane Rtiekbildung herbcizuftlhrcn. Ausserdem liegt es in dem Berufe unserer Kranken begrtindet, die sofort naeh der Entlassung aus dem Hospital wieder arbeitsfiihig zu ihrcn theilweise sehr schwcren kiJrperliehen Verrieh- tungen, wie Kohlenschaufeln, Hinaufklettern in die Masten u. s. w, sein mtissen, dass wir sie nicht mit ganz junger lqarbe entlasscn, sondern sie, wenn es miJglich ist, nach definitiver Vernarbung der Wunde noeh einige Zeit behalten. So deckt sieh die Zahl der Be- handlungstage nicht mit der Zeit yon der Operation zum Schluss der Wunde; sic ist vielmehr in der Regel wesentlich gr(isser als diese.

Wenn ich 16 excessiv sehwere F~ille ausnehme, yon denen einige mit gleiehzcitiger Vercitcrung der Drtisen in der Darmbeinsehaufel complieirt watch, die siimmtlich tiber 80 Tage in Behandlunff waren, und auf die darchsehnittlieh ein Hospitalaufenthalt yon 99 Tagen kommt, so betrug die durehschnittliehe Behandlungsdauer aller Fiille von Spaltung und typischer Ausr~iumung der Leiste wegen Drtiscn- vereiterung aus den Jahren 1880 his 1889 6277 Tage. Der durch- schnittliche Hospitalaufenthalt dcr im Jahre 1890 operirten Falle dauerte 49,7 Tage und der Falle aus dem Jahre 1891 47,4 Tage.

Diese seit dem Jahre 1889 aufgetretene Abkfirzung der Behand- lungsdauer findet~ abgesehen yon der erweiterten arztlichen Erfahrung und der Vervollkommnung der Teehnik, ihre Erkliirung darin, dass wit mit dem Jahre 1889 mehr und mehr yon der Antisepsis zr+ den Maassnahmen der Asepsis tiberffegangen sind. Wir begannen mit troekenen H~tnden und troekenen Instrumenten zu arbeiten, tupften statt mit feuchten Watteb~iusehen mit steriler, trockener Gaze und unterliessen grunds~tzlich die Sptilung der Wunde mit antiseptischen Fltissigkeiten. Vor Allem vermicden wires sorgfaltig, Jodoformekzem herbeizuftihren, indem wir die Jodoformgaze nur in die Wunde und nieht auf die umgebende Haut legtcn. Ich habe den ganz be- stimmten Eindruck, dass wir gerade durch die hliufige Berfihrung der Wunde mit Antisepticis and dureh Hervorrufen yon Jodoform-

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584 xvI. LAUENSTBIN, Die typische Ausri~umung der Leiste.

ekzem frtiher den Wundverlauf und die Behandlungsdauer hingez~gert haben.

Jedoeh hat trotz der relativ langen Behandlungsdauer in der vor- aseptisehen Zeit unser grtindliehes operatives Vorgehen bei der Leisten- drtisenvereiterung zu sehr befriediffenden Ergebnissen ffeftihrt. 51aeh- tr~gliehe Fistel- oder Abseessbildungen, ferner Vorkommnisse, wie sic bei einer exspeetativen oder unzureichend operativen Behandlung nieht selten beobaehtet worden sind, wie z. B. Eitersenkung unter die Bauehdeeken, entlang den Darmbeinsehaufeln, in das kleine und grosse Beeken, mit Durehbrueh in das I-IUftgelenk oder in die Baueh- h~hle, Arrosion der grossen Gef~sse, haben wir in keinem unserer Fiille erlebt.