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Prof. Dr. Hubertus Gersdorf Universität Rostock Juristische Fakultät Gerd-Bucerius-Stiftungsprofessur Die Unabhängigkeit der BNetzA aus Sicht des Unionsrechts und des nationalen Verfassungs- rechts

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Prof. Dr. Hubertus Gersdorf

Universität Rostock

Juristische Fakultät

Gerd-Bucerius-Stiftungsprofessur

Die Unabhängigkeit der BNetzA aus Sicht des Unionsrechts und des nationalen Verfassungs-rechts

Gliederung

1. Unabhängigkeit (insbesondere Weisungsfreiheit) der

NRB nach Unionsrecht

2. Unabhängigkeit der BNetzA nach nationalem

Verfassungsrecht:

a) Prinzip demokratischer Legitimation verlangt

Weisungsunterworfenheit der BNetzA

b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung für Weisungsfreiheit

der BNetzA

3. Ergebnis

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Unabhängigkeit der NRB nach Unionsrecht

Unabhängigkeit der NRB nach RRL 2002:

• Vorgaben des Art. 3 RRL 2002:

� Art. 3 II RRL 2002: „Unabhängigkeit der NRB“ durch

− rechtliche und funktionale Trennung von NRB und TK-Unternehmen (Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen)

− Strukturelle Trennung hoheitlicher (Regulierungs-)Funktionen und der aus gesellschaftsrechtlichem Eigentum folgenden Funktionen

� Art. 3 III RRL 2002: „Unparteiische“ Wahrnehmung der Befugnisse: Funktional auf Art. 3 II RRL 2002 bezogen und dient der Verstärkung der Vorgaben des Art. 3 II RRL 2002

� Fazit: Art. 3 RRL 2002 verlangt keine Weisungsfreiheit der BNetzA (vgl. ErwGr. 11 RRL 2002: „verfassungsmäßigen Verpflichtungen der MS“ bleiben unberührt); BNetzA entspricht den Vorgaben des Art. 3 RRL 2002

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Unabhängigkeit der NRB nach Unionsrecht

Unabhängigkeit der NRB nach RRL 2009:

• Vorgaben des Art. 3 III, IIIa RRL 2009 (siehe auch ErwGr. 13 RL 2009/140/EG):

� Anwendungsbereich:

− Keine Beschränkung auf „Vorabregulierung des Marktes oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen nach Art. 20 oder 21“

− Sondern bei allen den NRB „nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übertragenen Aufgaben“

� Vorgaben:

− Funktionsgerechte Ausstattung: Eigener Haushaltsplan, Zurverfügung-stellung ausreichender personeller und finanzieller Ressourcen

− Vorgaben für Entlassung des Leiters/Stellvertreters der NRB:

� (Vorab-)Regelung der Entlassungsgründe und deren Veröffentlichung

� Begründung der Entlassung

� Anspruch auf Veröffentlichung der Begründung

− Weisungsfreiheit (vgl. aber Art. 3 IIIa 2 RRL 2009: „im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht“). 4

Unabhängigkeit der BNetzA nach nationalem Verfassungsrecht

Prinzip demokratischer Legitimation:

• Verfassungsrechtliche Grundlagen: Art. 20 I, Art. 20 II 1 und 2 GG (Bund)

• Geltungsbereich: Unmittelbare Staatsverwaltung und kommunale Selbstverwaltung (BVerfGE 107, 59 [86 f.])

• Anforderungen: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Art. 20 II 1 GG)= „ununterbrochene Legitimationskette“ vom Volk zu staatlichen Stellen. Rückführbarkeit staatlicher Entscheidungen auf den Willen des Volkes.

• Legitimationsformen:

� Personelle Legitimation: Wahl der Amtsträger durch das Volk oder durch personell demokratisch legitimierten Amtsträger

� Sachlich-inhaltliche Legitimation:

− Bindung an Gesetz− Bindung an Weisungen (bei Beurteilungs- und Ermessensspielraum etc.):

Ausübung von Staatsgewalt ist nur dann demokratisch legitimiert, wenn „die Amtsträger im Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln und die Regierung damit in die Lage versetzen, die Sachverantwortunggegenüber Volk und Parlament zu übernehmen “ (BVerfGE 107, 59 [87 f.])

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Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur für Kommunikationsrecht 6Prof. Dr. H. Gersdorf

Unabhängigkeit der BNetzA nach nationalem Verfassungsrecht

BTag

Staatsvolk

Amtsw

BMin

Amtsw

BKanz

Sachlich-inhaltliche Legitimation

Personelle Legitimation

Gesetz

Gesetz

Verordnung Weisung

Weisung

Gesetz

Gesetz

Unabhängigkeit der BNetzA nach nationalem Verfassungsrecht

• Geltungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation: BNetzA ist Teil der unmittelbaren Bundesverwaltung (Art. 87f II 2 GG)

• Geltendes TKG: Weisungsunterworfenheit der BNetzA (vgl. §117 TKG)= konform mit Prinzip demokratischer Legitimation

• Künftig nach Umsetzung der RRL 2009:

� Personelle Legitimation der BNetzA: Kein Konflikt mit Verfassungsrecht

� Sachlich-inhaltliche Legitimation:

− TKG genügt nicht als Legitimationsmittler (Regulierungs-ermessen der BNetzA etc.)

− Fazit: Weisungsunterworfenheit der BNetzA ist zwingende Voraussetzung für sachlich-inhaltliche Legitimation

− Fazit: Weisungsfreiheit der NRB nach Art. 3 IIIa RRL 2009 kollidiert mit verfassungsrechtlichem Prinzip demokratischer Legitimation 7

Unabhängigkeit der BNetzA nach nationalem Verfassungsrecht

Rechtfertigung für Weisungsfreiheit:

• Unterverfassungsrechtlicher Rechtfertigungsgrund („aufgabenadäquate Verwaltungsorganisation“, „Effizienz“etc.)? Nein!

• Rechtfertigungsgrund mit Verfassungsrang: Prinzip demokratischer Legitimation gilt nicht absolut. Es ist ein verfassungsrechtliches Organisationsprinzip unter mehreren:

� Verfassungsexplizite Rechtfertigung (Beispiel: Bundesrech-nungshof – Art. 114 II 1 GG)

� Verfassungsimplizite Rechtfertigung (Beispiele: BPjM mit Blick auf den Grundsatz der Staatsfreiheit der Medien – Art. 5 I 2 GG; staatliche Prüfungsämter und –ausschüsse mit Blick auf den Grundsatz der Prüfungsgleichheit – Art. 3 I GG)

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Unabhängigkeit der BNetzA nach nationalem Verfassungsrecht

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung:

• Keine explizite Rechtfertigung in Art. 87f II 2 GG

• Implizite Rechtfertigung:

� Liberalisierungsgebot des Art. 87f II 1 GG? Nein.

� Staatlicher Gewährleistungsauftrag für funktionsfähigen Wettbewerb in den TK-Märkten:

− § 2 II Nr. 2 TKG genügt als einfaches Gesetz nicht zur Rechtfertigung.

− Art. 87f II 1 GG: Sinn und Zweck des Wettbewerbsprinzips: „Die dadurch geschaffene Zulassung von Wettbewerb setzt staatliche Rahmenbedingungen voraus, die sicherstellen, dass Wettbewerb auch tatsächlich verwirklicht wird und interessierte Unternehmen überhaupt ernsthaft in Konkurrenz zur DTAG treten können“ (BVerfG, NJW 2001, 2960 [2961])

− Grundrechtliche Schutzpflichten aufgrund struktureller Zugangshürden („gestörte Vertragsparität“)

− Zielkonflikt zwischen fiskalischen und wettbewerblichen Interessen (wegen Beteiligung des Bundes an DTAG) ⇒⇒⇒⇒ Weisungsfreiheit zur Vermeidung des Zielkonflikts (nur ggü. BMF oder auch ggü. BMWi?)

⇒ Art. 87 f II 1 GG als Rechtfertigungsgrund9

Ergebnis

• Weisungsfreiheit der BNetzA kollidiert zwar mit dem Prinzip demokratischer Legitimation. Aber Rechtfertigung durch Gewährleistungsauftrag des Art. 87f II 1 GG für funktionsfähigen Wettbewerb in den TK-Märkten, dessen Verwirklichung (bei Beteiligung des Bundes an DTAG) maßgeblich davon abhängt, dass ein Konflikt zwischen fiskalischen und wettbewerblichen Interessen vermieden wird. Der Vermeidung einer solchen – Art. 87f II 1 GG abträglichen – Interessenkollision dient die Weisungsfreiheit der BNetzA ⇒ Die durch RRL 2009 gebotene Weisungs-freiheit der BNetzA steht „im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht“, solange und soweit der Bund an der DTAG beteiligt ist. Es besteht eine Umsetzungs-verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland

• Exkurs: „Entparlamentarisierung“ der Regulierung wegen Insuffizienz „rechtsetzender Organe“? (vgl. Schlussanträge des GA in RS C-424/07, Rn. 63; ErwGr 13 RL 2009/140/EG) 10