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Die Variation der Haustierarten in genetischer Beleuchtung. 1'011 Chr. Wriedt. Nit 8 Abbildnngen. In den zahlreicheii Verijffentlicliuiigen iiber die Abstammiing der Haustierarten spielt der Begriff Doiiiestikation eine ebenso groBe mie mystisclie Rolle. Die Doniestikation bekoiiinit die Schuld, daB neue Typen, \vie Bulldoggcn, Dachshunde, Seidenhuhner, frisierte Hiihiier usw. auftreten. Ehe ich die Eriirteruiig der Bedenhing der Doniestikation anfuehnie, ist es notwendig zu uiitersnchen, was dieser Begriff unifal3t. Jeder, der Gelegenheit hatte, Haustierzucht in verschiedeneu Liindern und uiiter rerschiedeuen Verlialtnisseu ZL~ sehen , wird wissen, daR eiiie sehr groBe Variation in den Lebeiisbedinguiigen nicht nur iuuerlialb der verscbiedeneu Arten soiidern auch der einzelueu Art besteht. Die zahmen Reuntiere leben praktisch genomiiieu unter denselbeii Verhdtnissen wie die wilden Renntiere. Der Unterschied ist nur der, daB die zalinien Renntiere durch Bewachung gegen Raubtiere etwas mehr geschiitzt werden und daB teilweise ,4~iswaIil von Zuchttieren, besonders Bffinnchen, vorgenommeii wird. Als Gegenstiick zu den Renntieren kaun das Rindvieh Nordeuropas geaaunt werden, das CR. 9 Mouate des Jahres im Stalle steht und auf eiue mehr oder weniger ,,kiiustlicIic" Wcise gefiittert wird, und wo das Kalb nie von der Mutter gcsiiugt wird. Beiin Rinde gibt es ubrigens eine groBe Variation der Lebensbedingungen. Ein Estrem veitreten die primitiven Verhaltnisse, unter wclchen dns Rind in den abseitsliegenden Landschaften in Norwegeii, Schweden und B'innland von der Geburt bis zum TVeg zur Schlachtbank lebt. In diesen Cegeuden bekoinmt das Vieh 9 Monate des Jahres unter den gunstigsteu Verhiiltnissen nur das knapp zur Erhaltung dienende fitter. Im Soninier mulj es die Wahrung oft auf iiul3erst karg- lichen Weiden selbst finden. Das Kalb bekomnit die ersten 2-3 Nonate so vie1 Jlilch, daB es das Leben gerade nocti fristet, bis es sich voii den spiirlichen Strohfutter~ationen elviihren limn. Ein zwcites Estreru bilden die Ernlhrungsverhiiltuisse in den Land- scliaften des siidlicheu Norwegeu und Nittelschwedens niit guten Absatz- 26 *

Die Variation der Haustierarten in genetischer Beleuchtung

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Die Variation der Haustierarten in genetischer Beleuchtung.

1'011

Chr. Wriedt.

Nit 8 Abbildnngen.

In den zahlreicheii Verijffentlicliuiigen iiber die Abstammiing der Haustierarten spielt der Begriff Doiiiestikation eine ebenso groBe mie mystisclie Rolle. Die Doniestikation bekoiiinit die Schuld, daB neue Typen, \vie Bulldoggcn, Dachshunde, Seidenhuhner, frisierte Hiihiier usw. auftreten.

Ehe ich die Eriirteruiig der Bedenhing der Doniestikation anfuehnie, ist es notwendig zu uiitersnchen, was dieser Begriff unifal3t.

Jeder, der Gelegenheit hatte, Haustierzucht in verschiedeneu Liindern und uiiter rerschiedeuen Verlialtnisseu Z L ~ sehen , wird wissen, daR eiiie sehr groBe Variation in den Lebeiisbedinguiigen nicht nur iuuerlialb der verscbiedeneu Arten soiidern auch der einzelueu Art besteht.

Die zahmen Reuntiere leben praktisch genomiiieu unter denselbeii Verhdtnissen wie die wilden Renntiere. Der Unterschied ist nur der, daB die zalinien Renntiere durch Bewachung gegen Raubtiere etwas mehr geschiitzt werden und daB teilweise ,4~iswaIil von Zuchttieren, besonders Bffinnchen, vorgenommeii wird.

Als Gegenstiick zu den Renntieren kaun das Rindvieh Nordeuropas geaaunt werden, das CR. 9 Mouate des Jahres im Stalle steht und auf eiue mehr oder weniger ,,kiiustlicIic" Wcise gefiittert wird, und wo das Kalb nie von der Mutter gcsiiugt wird. Beiin Rinde gibt es ubrigens eine groBe Variation der Lebensbedingungen. Ein Estrem veitreten die primitiven Verhaltnisse, unter wclchen dns Rind in den abseitsliegenden Landschaften in Norwegeii, Schweden und B'innland von der Geburt bis zum TVeg zur Schlachtbank lebt. In diesen Cegeuden bekoinmt das Vieh 9 Monate des Jahres unter den gunstigsteu Verhiiltnissen nur das knapp zur Erhaltung dienende f i t ter . Im Soninier mulj es die Wahrung oft auf iiul3erst karg- lichen Weiden selbst finden. Das Kalb bekomnit die ersten 2-3 Nonate so vie1 Jlilch, daB es das Leben gerade nocti fristet, bis es sich voii den spiirlichen Strohfutter~ationen elviihren limn.

Ein zwcites Estreru bilden die Ernlhrungsverhiiltuisse in den Land- scliaften des siidlicheu Norwegeu und Nittelschwedens niit guten Absatz-

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bedingungen fiir Jlilch. Auch dort hillt sich das Rind fast 9 Monate des Jahres ini Stalle anf, aber clie Erniihrungsverhdtnisse sind ganz anders; dcnn die Piittorung ist fiir eine verhiiltnismiiljig grol3e Milchprodnktim hinreichend. Das I i d b belromnit reichlich Nilch, und wtihrcnd dcs Auf- wachsens geniigt die Ernahrung fiir den Bedarf des Tieres.

Ein drittes Estrem vertreten die Lebensbedingungen fi i r dsts Vieh in Trlancl. Dort befiudcn sich die Tiere das game Jahr auf reichlicher Weide, die sich sogar in den TVintei-monaten gnin erhiilt. In den Bcstilnden, wo die Pl'leiscl~prodiiktion die Hauptsache ist, siingt das Kdb an der &hitter.

Ein viertes Estrem sind die Er~iHhruagsverliiiltnisse, unter denen das Steppenvieh in liufiland, Turkestan und (anderorts lebt. Dort sind die Tiere auch das gnnze Jahr in1 Preien, aber die Ernahrung ist lul3erst unterschiedlich. In] Riihling und im IWhsornmer haben die Tiere reich- lich TT'eide, aber mitten im Somnier tritt oft eine Hungerperiodc ein; im Hetbst gibt es wieder recht ancgiebige Ernahrung, und im Wintcr konimt dann wieder eine Hungerperiode. Was die Ernahrung des Kalbcs betrifft, wird es von cler Mutter gesiiugt. Allc IGilber werden irn Priihling ge- boren, so daB dic Erniihrung zu diesem Zeitpnnkt reicblich ist.

Dieselben Gegensiitze in den Lebensbedingungen gibt es auch bei den nieisten andercn Haustierarten. So lebten das norwegische Ostliindpferd wid das Pinzgaucrpferd in Salzburg wlhrend des ganzen Aufwachses in d ~ ~ i l i l ~ ~ ~ , engen Stiillen, mo die Stiinde so eng waren, daW die Jnngpferde sich nicht niederlegen konnten. Anch kamen sie mahrend des ganzen Winters niclit hinaus. An das Reschneiden der Hufe wurde nicht gedacht, das sollten die Jnngpferde selbst besorgen, wenn sie auf die Weide ge- lassen wurdcn. Hinsichtlich der Pflege ist die Antwort ganz charakterjstisch, die Staatskonsnlent Borchgrevink anf seine Bemerkung, daB ein Jnng- pfcrd schleclit geputzt sci, von einem SIanne aus Lorn') bekam. ,,Es mu13 ein sclilcchter Gaul sein, der nicht seinen eigeneii Kot tragen kann." Die Futteruag war iiuljerst durftig. Hinreicliend Nahrang, Iicht und Luft be- kamen diese Tiere nur die wenigcn Sommernionate, die sie auf der Weide maren.

Die Pferde der Narschen in. den Xordseeliindern lebten unter ganz anderen Verhilltnisscn. Hier dauerte die Weidezeit S-9 Monate dcs Jahres, i n den iibrigen Monaten karnen die Yferde meistens jeden Tag heraus, um selbst etwas Ritter zu finden. Ihre Ernahrung war gleichmll3ig und reichlich.

I11 beiden hier genannten Beispielen siingen die Miitter dic Fohlen, soviel sie wollen, doch gibt es auch Pi&, In denen die Pohlen in den ersten hlonaten ihrer Lebenszeit nicht geuugend Kahrung erhalten. Die Kirgisen * knebeln niimlich die E'ohlen und melken die Staten. Nachdem die Piillen von dcr Mutter getrennt woiden sind, sind sie auf eine iihnliche ungleichmlBige Erniihriing wie die des Steppenviehes angewiesen.

I) Ein. Bezirk im iiijrdliohen Gudbrandsdnlen.

Die Variation der Flaostieiaiteii in genetischer 13eleuchtwg. 40 I

Aus den genaniiten Beispielen ist ersichtlich, dafi die Domestikation nach den Verliiiltnisseii, unter welchen die Haustiere leben. ein hochst unterschiedlicher Begjff ist. Es ist darum sehr unwahrscheinlich, daR die Doniestikation die verschiedeiicn, oft aiialogen Typeii hervorgebracht hat, die unter diesen sehr rersc?tiedenartige!1 Lebensverlidltnisseii entstanden sind. D a r ~ ~ i n fand das Niatavieh in Yaraguay, wo dns Riud in rzus- gepriigten Steppenverhaltnisseri lebte. Das Niatavieh ist der Bulldoggtyp des Rindes uiid iihnliche 'l'ypeii sind beim Rind andernorts, so in Dhne- mark von Olnf jBang und in Worwegcn von M o h r mid mir gefiuiden worden.

An nud fiir sich ist die neolamarckianischc Vorstelluug YOU dem gin- fluB dev Domestikation vollig unbegriidet. Die letzteii Esperimente von &fuller, Goodspeed und Weins t e in zeigen, da13 die Chromosomen durch gewaltsamc Bufiere Eingrifle, wie Rontgenbestralilang, Viirme oder Kiiltc, beeinfluljt werden konnen; doc11 hat das nicht zii bedenten, daB Eigen- scbaften, die durch Beeinflussung erworben sind, Generation auf Generation derart vererbt werden, \vie die Neolan~arclrianer es sich vorstellen. T m Gegenteil zeigeu sowohl das lCrgebnis aller Expcriniente als aucli die Ge- scliichte der Hausticrzucht, daR dies nicht der Fall ist. Die Hausticrzucht, bcsondeis die Pferdezncht, ist eines jencr Gebiete, auf dem sich die Keola- marckiauer mit pliantastiscli-philosophisclien Erorterungen umhergetunimett haben. Semon hat den ergotzlichsteu der sogenannten Beweise fiir die Vererbuiig der erworbenen Eigenschaften vorgelcgt.. \'on eineni phautasie- vollen Vollblntzhchter hat er sich nBmlicli einreden lassen, daR die Fiilleti untereinander auf der Weide Wettrennen Italtcii, wiihrend sie niit der Mutter gehen.

Wer Gelegenheit gehabt tiat, Vollblutfohlen uud andere Pohlen auf der Wcide en beobachten, wein selbstversthndlich, daB in ihreni Beneluiicn Bein Unterschied besteht. dllt: Fohlen konnen einen Galopp iuachen: und gehen mehrere zusarumen, kann es vorkomii~en, daB, sowohl bei belgischen Pferdeu wie bei Vollblutpferden, drei oder vier eiuen Galopp gemeinsrzni untertiehmen. Als eine Vererbung erworbener Lust z u n ~ Wettlauf kann dies natiirlich niclit bezeichnet werdcn. Zugunsten der Auffassung, daW sich bei dem englischeii Rennpferd erworbene 'Eigenschaften voi-fiuden sollten, ist hervorgehobeu worden, dalj die Mehrzahl der Mutter von Ge- winnern groBer klassisclier Reuneii als Zweijiihrige an Renuen teilgenomnicn haben. llieses Verhiiltnis ist von Georg Lehndorf f hervorgehoben worden, der aber im Besitze so grol3er hitischer Piihigkeiten war, daR er daraus keiue allgemeingiiltigeii Schliisse zog. Diesclbe Frage ist weiterhin von Rober t son bearbeitet worden. Er hat auch einc Tabclle iiber die Miittcr von Gewinnern der grofieu sogenannten I i l a ~ ~ i ~ c h e n Renuen ansgearbeitet.

402 \Ir r i ed t :

Nutter von AIle Stliten im Gen innern klassisclier Band 21 des eng-

Rennen lischen Vollblutpferdes Stuten, die nie gelaufen sind . . . . . . . . 14,s 36,5 Stnten, die gelm€en sind, aber nie gen onneii haben 13,2 29,5 Stuten, die gewohnliclie Renneii gen omen habeii . 20,G 14,5 Stuten, die gnte Rennen genmnen liaben . . . . 25,4 16,6 Stuten, die hervorragende Rennpferde gewesen sind 13,8 2,5 Stnten, die die besten Rennen gemonnen haben . . 12,2 074

Vergleichen wir die Tabelle mit L e h n d o r f f s Statistik, wo von 195 Miittern 140 ds Zweijiihrige bei Rennen gestartet haben, dann sieht es bei einer oherflachlichen Betrachtung aus, als ob hier wirklich eine Qererbnng erworbener Eigenschaften vor sich gegangen ware. Es wird indessen eine strenge Auswahl unter den neugeziihmten Einjahrigen vor- genommen, ehe man sie iiberhaupt zu trainieren beginnt. Wiihrend des Trainings der Zmeijiihrigen werden andauernd jene ausgeschieden, welche nicht den Eindruck machen, so schnell zu werden, daB sie, die Aussicht habin, ihren Hafer auf der Rennbahn en verdienen. Diese Stuten, die an Rennen teilgenomnien haben, sind die besseren im Phtinotypus hinsichtlich der Eigenschaften, die notwendig sind. uin ein Rennen zu gewinnen, und es besteht darum die Wahrscheinlichkeit, daB sie auch im Qenotypus hin- sichtlich derselben Eigenschaften die besseren sind. Man inuS sich nam- lich inimer daruber klar sein, daB das englische Vollblutpferd fiir eine Reihe von Paktoren, die verschiedene Eigenschaften bewirken, sehr un- gleichartig ist.

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Abb. 1. brapbische 1)nrstellnns.

Einen gnten MaBstab dafiir, ob in den letzten hnndert Jahren eine merkbare Veriinderung in bezug auf die Schnelligkeit eingetreten ist, bietet die konstatierte Zeit fiir Rennen iiber eine bestimmte Strecke anf der gleichen Bahn.

Das beste Beispiel ist das Rennen St. Leger, dns \iber eine Distanz von 2937 in fiihrt. Dieses Reonen murde im Jahre 1818 von Revel le r in einer Zeit von 3 Min. 15 Sek. gewonnen, und damals war das Rennen noch 56 ni langer als jetzt. Eine graphische Darstellung der Zeiten dieses Rennens von 1833-1914 ist beigefugt. Seit 1833 murde niimlich jedes Jahr die Zeit genommen. In den Kriegsjahren 1915-1918 wurden keine Rennen abgehalten. 1918 wurde das Rennen von ,,Keysoe" in einer Zeit von 3 Min. Sek. gewonnen. Wie ersichtlich, ist keine Veranderung von Bedeutung hihsichtlich der Zeit vor den1 Jahre 1900 cingetreten, in diesem Jahre ging sie aher plotzlich um mehrere Sekunden herunter. -

Die Variation (lor 1l:instierarten in genetiscbet Ibleouhtcmg. 403

Nan Bollte detunach glauben, daB cs entweder eine Wirkiing er- worbener Eigeiischaften ist, die sicli plotzIich gezeigt hat, oder dCd eine Mutation iiinerhalb der Rasse entstanden ist; es ist aber gewiB keines voii beiden der Fall.

Die Ursache war die, d:iW die arnerikanischen Joc1;cys - besonders Tod Sloan - eine neue Weise dcs Sitzens im Sattel einfiilirten. Friiher saBen die Jockeys wiihi*end des Rennens im Battel. Die neue Technik

Abb. 2. Nodorner Jockey.

bestand darin, claR die Jockeys vie1 kiirzere Steigbiigel benutzten uud in dieseii nach vorii gelehnt standen. Aul3erdetn ritten die amerikanisclien Jockeys das Rennen in voller Fahrt voni Start weg, in1 Gegensatz zu den englischen Jockeys, welche die Schiielliglreit erst spiiterhin beschleuuigten.

Neben der Entwicklung hes englischen Reunpferdes ist auch die Bildung des anierikanischeu 'I'rabers als Argument fiir die Vererbung er- worbener Eigenschaften beniitzt worden. Bei dieser Pferderasse ist ein gemdtiger Fortschritt in der Sclinelligkeit zu verzeichnen. Urn das Jahr 1850 war die Rekorclzeit fiir eine englische Xeile (1609 1x1) 3 Minuten; diese Zeit ist jetzt auf 1 Jlin. 5G1/2 Sek. reduxiert worden. Indessen ergibt

‘404 TV r i e d t :’

sich bei eiiier Absta~iiiuiigsuiitersuchuiig des aiiierikaiiischen Trabers, da13 es nlir gain weiiige Zuchttiere siiid, die eine schnelle Nachzucht gebracht haben, und der Heugst H a ni b 1 e t o n i a 11, welcher der Stamr?irrater dlcr schiiellen anierikanischen ‘L‘raber ist, wurde nicht trainiert, sonderii hatte einen Genotypus , der grolSe Schiielligkeit ini Trab bedingte. Au13er der vorgenommeiieii Auswahl liaben auch techniszhe Verbesseruiigen ,Bortschritte in der Schnelligkeit gezeitigt.

Die Il’rabrennbahnen siiid stiindig rerbessert, der Beschlag lcichter gemacht wordcii, und nian hat bei diesem niehr Itucksiclit auf indiriduelle Eigeiitumlichlreiten genoninien. Zehengewichte sind eingefuhrt wordcn wid

Abb. 3. ‘ Traber i n voller Riistung.

es gibt eine Unzahl von Schutzen fiir Fesseln, Vorderrohre, Hinterrohre, Ihiegeleiik, Un terarnie wid Elleiibogen, die beiiutzt werden , damit die Pferde sicli wahrend des Reniiens nicht treten. Wie sehr diese technisclieu Verbesserungen nnd das rationellere ‘I’raining Ursacheii der Zeitreduktioii sind, ist unmoglich zu sagen. In cinem Balle kanii nian aber die Yer- minderung der Zeit als eiiie Folge eines technischen Fortschrittes fest- stellen. Als man dazu iiberging. tiefraderige Sulkys niit Luftreifen anstatt der friiheren hohen und schwereren Trabkarriols eu verwenden, setzte die Stnte Waiicy H a i i c k s ihren Rekord urn 5 Seliunden herab.

Es gibt iiberliaupt iii dcr Geschichte dcs anierikanischen Trabers keine Stiitee fiir die Auffassuiig, daB erworbeiie Eigenschaften Tererbt merden kiinnen.

Die Variation der Haiisfierarten in genetischer Belenclitung. 405

Bei aiideren Pferderasseu gibt es Yiele Beispiele, daR die wiihrend des Aufmchses ermorbeneii Ejgeuschafteu keiuerlei EiuflnR auf die Yer- erbungsanlage der Tiere haben. Wie schou genannt, lebteii das nornrcgische Ostland- und das Pinzgauerpferd Jahrhuudcrte lang unter IuBerst kiimnier- licheu Verlialtnissen, waren doch die Juugpferde in dunkle und enge Stllle gesperrt, ohne Gelegenheit sicli zu bewegen. Man sollte darum erwarten, daB diese Pferdernssen niclit hi Besitze von Ausdauer uud Kraft siiid. Es ist dies aber niclit der Fall. Sie stelmi sogar i u deni gnten Rufe, zlihe und ausdauernde Arbeitsfiere zu sein.

Die Lebensbedirig~inigen des Poitouesels gebeii ein uoch 1- \i * asseres Beispiel, dall die Lebensbedinguugen m8hrend des Aufmachsens Beineii

Abb. 4. Poitooeselh~npt in Ansstellungskondition.

EinfluII auf die vererblichen .Anlagen habeii. Der Poitouesel, dcr in der fi-auzosischen Maultierzucht vi:rwcndet wird, lebt unter besoiidcrs uu- hygienischen Bedingungea. Vor allem werdeii die Eselfulleii im Dczcniber geboreu, also ZLI eincm Zeitpunkt, wo die Mutter kein frisches Gras be- Irommen. Weiter wverdeu die Eselhengste iiie gebiirstet, weil die aber- gliiubigen Bauerii voii Poiton meinen, daW die Eselhengste bessere Maultier- nachkommen gaben, je beschniutzter sie in1 Zeuguugsaugenblicli seien. Es ist unglaublich, was diese Tiere an Schmntz iiiit sich tragen und schou in eineni Alter von 5--6 Jahren haben diese Hengste die Beine roller Brandgeschwure.

‘J’rotz dieser Behandlung uiid trotzdem sie Z L ~ keiuerlei h b e i t ver- wendet merden, ziihlen die Nach komrnen dieser Hengste, die Poitonmaulticre, zu den lcistuiigsfiiliigsten Tiereu des Pferdegcschlechtes.

40 6 11- Tip i e d t :

Ein anderer Beweis, daB die erworbenen Eigenschaften nicht ver- erbt werden, ist, daB Nachkoinnien nach Haustieren von Rassen, die durch Jahrhunderte einer knappen Piitterang oder sogar dem Hungerfutter aus- gesetzt worden sind, in den meisten PUen in der ersten Generation be- deutend groBer d s die Eltern geworden sind. Ein Beispiel daftir sind die arabischen Pferde. che in den europaischen Gestuten geboren und auf- gezogen nnd nach importierten Eltern gefallen sind. Sie sind in der Regel 5-7 cm hoher als die Eltern. Genan dasselbe komnit hei norwegischen Ziegen Tor, die durch Jahrhunderte, ja vielleicht durch Jahrtausende, mit den1 Hungerfutter vorlieb nehmen mufiten. Bekommt die Nachzucht nach solcheii, deni Hungerfutter ausgesetzten Ziegen reichliche Nahrung, . dann mird die erste Generation bedentend groBer als die Eltern.

In beiden Fallen hat das Hungerfutter demnach keine Veranderung des Genotypus, so daB die Tiere einige Vererbungsfaktoren fiir Wuchs- energie verloren hatten, herbeigefuhrt. Der Phanotypus ist dagegen in der Grone durch das Hungerfutter durch viele Generationen reduziert geblieben.

Die verschiedenen, das Domestikationsproblem behandelnden Verfasser meisen imrner auf eine Untersuchung hin, die W o l f g r a m m mit den Schldeln von in zoologischen Oarten geborenen Wolfen vorgenommen hat. Er fand, daB diese Schadel, besonders die Partie der Schnauze, bedentend kiirzer waren als die Schadel von wilden Wolfen.

Dies fassen die Doniestikationstheoretiker als eine Wirkung der Domestiliation auf und gehen davon aus, daii diese Veriinderung vererb- lich ist. Das Geschehene ist selbstverstiindlich nur eine Veriinderung dcs Phanotypus durch die Ernahrung, welche die Wolfe wiihrend des Wachs- tnms erhielten. Genau dasselbe haben W a g n e r nnd ich bei einem Wurf Hunde nach einem Riiden Fl (irlandischer Wolfshund x englischer Setter) und einer irlandischen Setterhiindin gefunden. Alle 7 Jungen nach dieser Paarung hatten eine kiirzere Schnauzenpartie als die Eltern. Sie lebten linter ltlenagerieverhiiltnissen, denn sie wurden im Hundezwinger aufgezogen und bekamen darum wahrend des Aufwachsens keine so vielseitige E’Ytternng und hatten darum auch keine Gelegenheit, die Zahne soviel wie die Hans- hunde zu benutzen. die beim Auffuttern anch Knochenreste usw. erwischen. Sie hatten auch nicht soviel Bewegung \vie Hunde. die d s Haushunde einzeln aufgezogen werden. In diesem Wnrf zeigte sich aul3erdem eine g r d e Variation hinsichtlich der Gchnanzenlange. Diese Variation, wie sie aus beigefiigteni Bilde der Schadel hervorgeht, kann genetischen Ursachen zugeschrieben werden. Hier stehen wir eben vor der grol3en Schmierigkeit, da13 es bei allen derartigen Untersuchungen sowohl Wirkungen gibt, die ihre Ursache in den Lebensverhaltnissen wahrend des Anfwachsecs haben, als auch Wirkungen, deren Ursache die Vererbungsfaktoren sind. Diese verschiedenen Ursachen auseinander zu losen, ist niit einem sich langsam fortpflanzenden Naterial in experimentellen Untersuchnngen lul3erst schwierig,

Es ist aber selbstverstiindlich hoffnnngslos, zu Unter- - ja fast nnmiiglich.

Die Variation der Hniistierwton in genetischer Beleuclitiung. 4 07

snchungen Naterial zii verwenden, ohne die geritigste Kenntnis der Lebens bedjngnngen, uiiter welchen die Tiere gelebt hnben, zu bcsitzcn.

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4 5 Alib. 6. HundeschBdeln.

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oboro h ihe : 1. Canis famihis . 2. Canis indermcdius. 3. Canis palnstris (allo nach Woldrich). Untere Iteihe: 4. Irischo Setterhiindin, Mntlor von 6 und 6 . 6. Die Riindin mit der lingsten Schnauze im

Wurfe. G. Uie Hiindin mit iler kiirzastep Schnauze im Wnrfe. Die GrWo reduziert, so daO Nr. 1 ucd 4. 2 nntl 5, 3 ond 6 dioselbo Cir6Oo habon.

Die Schliisse, melche die Osteologcn aus der Vcrwnndtschdt zwischen den vcrschiedenen Typen von Schiideln auf der Grundlage griiflerer oder geringerer Ahnlichkeit zu ziehen pflegen, ist nach obigcni BuBerst eweifelhaft.

40s \Vr i e d t i

Niclit iiur bei diesem Puukt versagen die spitzfindigeu Ahnlichkeits- folgerangen , soadern auch bei einem anderen sehr wesentliche~i Ptukt. Es ist jetzt iilinilich eiue feststehende genetische Tatsache, daB der gleiclie Phanotypns roil ganz verscliiedeiien Vererbungsfaktoreu verursacht wcrden kaiin. So gibt es bei Hiihiiern weuigstens drei verschiedene Vererbungs- faktoreu, welche die weiBe Farbe bewirken. - Eine, die domiiiaiit ist und bei weiBen Italienern vorkommt, und zwei, die rezessiv sind und bei Seiden- hiihneru bezw. weiljen Wyaudottes anftreten. Es ist deshnlb klar, daB man auf Grmidlage der weiden Farbe keinerlei Verwaudtschaft zwischeu dicscii veiwhiedeneu Hiihnerrassen ableiten kanii.

Die Osteologen liabeu bei Hundeii selbst ein Verhiiltnis iiachgewieseii, das anf eine sehr iiberzengende Weise zeigt, wie iiiihaltbar die Metliode ist, die sie beuutzeii, uni Vern~audtwhttft zmischen \-erschiedenen Tieimssen festzustelleu.

111 Peru hat man n8mlich eine Reihe voii Hundeskelettcn verschiedener Typeu gefuiiden. Sie wurden voti Nehr ing untersucht, der untev aiiderem Hmde init verlciirzten Beiueii mie be i Dachshundeu feststellte.

Von den verkiirzten Reiuen des Daclishuiides hat Wel lmaun nach- gewiesen, daB sie auf eiiiem einfach mendeliiden Ealitor beruhen. Uiid ich besitze das Ergebnis vou Ereuzungen, welche die Auslcgnng W e 11- maims vollig bestdtigeu. Die rcrkiirzteu Beine, die N e hrii ig bei den altperuauischen Hunden gefunden hat, musseu entweder dem gleiclien Ver- erbuiigsfaktor, der bci dem Dnchshnud i:i Europa auftritt, zngeschrieben werden, oder es ist durch Mntatioii ein anderer verkiirzte Beiue verur- sachender Vererbungsfaktor entstaudcn. 1st erstcres der Fall, daB es der gleiche Faktor ist, der die verkiirzteii Beine bei den altperuanischen Hmideu uiid den modernen Daclishuiiden hervorbringt, dann muB dieser Faktor durch zwei verschiedene Mutationen entstandeii seiu, weil man ~ o h l als undenkbar liiustellen mu13. daR eiue solche Verbiiidmg zwischen den znrei Koutiuenten bestaud, daB Hiinde mit eiuem derartigeii Faktor von den1 eineu Eon tinent auf den anderen gebracht worden sind.

DaB der gleiche Vererbungsfaktor innerhalb derselben Art durch Mutation mehrtuds auftritt, ist durch eine Reilie YOU Bfutationeii in iin8erst verschiedeuem Material esperimentell iiachgewiesen. Bei Drosophila iiielano- gaster wnrdeii 48 sich ein oder mehrmals wiederholende Ifutauteii nach- gewiesen.

Bei Haustieren hat nian auch iiiehrere Beispiele, daB derselbe Vcr- erbuigsfaktor wahrscheinlich durch Mutation mehrinals aufgetreten sein mu& Beini Schafe tauchteu die verkiirzten Beine beim Ancoiiscliaf das erstenial im Jalire 1791 in Massacliusetts auf und ein zweitesmal in1

Jalire 1919 hi Piormegen. Es besteht kaum eine Wahrscheinlichkeit fiir irgend eine V erbindung zwischen diesen beiden Piillen. . Ein anderer Vererbuugsfaktor beim Schaf ist der fdr Ohrlosigkeit. Ich habe nnchgewiesen, daR dieser Falitor in ganz Worwegen verbreitet

Eine lfutaute ist sogar 3Sinal aufgetreten.

Die Variatioii der Haustierarten iii genetischer ):eleuclitinng. 409

auftritt. El. bewirkt in doppelter Dosis Ohi*losigkeit nnd in einfacher Dosis Rurzohrig- keit mit einer Ohrenliinge von ca. 5 cm. Die Ohenliinge betriigt bei nor- inaleii Schafen 10-15 mi. AuBerdem hat Iwaneiff , nach Adametz (1917), linter Karakulschafen :I:ndividuen ohne BuBeres Ohr gefiuiden, einzelnen derselben fehlte die Ohrenoffnung vollstaudig. Adanie tz teilt weiter 11% t, clnli Perepe lk in Karaknlschafe mit kurzen, kegelforrnig zugespitzten Ohren mit dickeni Iinorpel gefunden hat. DurB, ein Assistent von d d a m e tz, l l d Kiirahdschafe mit einer Ohrenliinge bis zu 5 cni hintib festgestellt. Adatn e tz hat anBerdem (1 9%) ein Bild eiaes ohrlosen Karakul-Kreuzungs- widders, der dern vori Ritzni:-l.nn nnd niir gefundenen Typ vollig gleicht.

Diese 3.litteilnngen machon es hochst ~abrscheiulich, daS man auch bei den1 I<arnkiilschaf clenselbm Faktor fiir Ohrlosigkeit hat, der sic11 in Korwegen und U. S. A. vorgefiinden hat. 1)

Betrachtet nian den Tliiterschied zwischen dem alten norwegischen Schaf und deni I(arakulschaf, dann komiiit nian zur Einsicht, da13 man nuf Cirnndlage yon Ohilosiglreit. oder Kiirzohrigkeit bei ei neni normegisclien Schaf und eineni Karakulschaf liciiierlei SchluB iiber die gemeinsame d b - stamniong dieser zwei Schafe ziehen lrann.

In den1 Pall der Ohrlosigkeit und der :liurzohrigkeit ist niaii anl3er- deni der Noglichkeit eines antleren :lrrtunis rtusgesetzt, da es noch einen Obrlosigbeit verursactienden Vorerbungsfaktor gibt, und zwar Iiaben N o h r und ich einen rezessi veil sublchlen Baktor heim Schnf gefunden, der oft eitie Verkiirzung der Ohren bewirkt und auf diese Weise die Ohren dieser Tiere jenen, die Ri tzmann iind ich in Ainerika bezw. Norwegen fest- gestellt haben, auffalleiid gleichen. Dazii komnit, daB es eine fast ohrlose ahessinische Schafrasse gibt, die auch den zwei anderen Typen hinsichtlich der Ohren gleicht.

Hier steht man. wahrsclieinlich dem "d~itten Palrtor fiir Ohrlosigkeit gegeniiber; denn die letztgenannten ohrlosen Bchafe haben Gehor, wiihrend hingegen Schafe niit rlem erstgenaniiten Paktor in doppelter Do& taub sind.

Es ist darum unberechtigt, a.uf Grundlnge HuBerer -b~lichlrei t zu schlicBen, dali verschiedene Tiere innerhalb ;derselben Art die gleiche Ab- stanininng haben.

Nun werden die Osteologeti n~fiirlich gleich einwenden , da13 dies wohl bei solchen Charakteren wie liurzohrigkeit und Ohrlosigkeit und bei eineni derartigen Fall. wie dem Anconschaf, wo der Vererbungsfaktor eine Verkiirzung einer bestirnnrten Gruppe von Knochen verursacht, richtig sein kann. Werden aber alle Knoahen gemessen, d a m sollte man wohl sicher sein, claB nicht ein einzelner 1.hktor so durchgreifende Ver&nderungen bei inehreren rerschiedenen Iinoclien verursacht, daB dadurch 'l'ypen vorkomnien,

I ) Wassin hat Iieiilich in der Indoktiveii dbstamniungs- iuid Vereihngslehre eine Nitteiliung gemaclit, dal3 tlieser Foktor iiber. gnnz ItitDlnnd mid Mittelasien verbreitct ist.

Und Ri tzmann hat denselben Faktor in CT. S.9. gefunden.

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bei denen sich ergibt, daB sie bei osteologischeii Messungen ganz ver- schiedeu sind.

Dieser Einwand ist zu cntschnldigen, deun es ist ja ublich, yon einem speziellen Charakter als Produkt eines einfachen Faktors zu sprechen, als ob ein Faktor nnr eine spezielle Farbe, Form oder einen Teil des Or- ganismus beeinflussen konnte. Indessen weiS jeder, der aus erster Hand I<eiintnis der Mendelschen Spaltung besitzt, daS die sogenrrunteu einfachen Charaktere iiur die ausgepriiesten Ausschllge der T~ererbungsfaBtoren sind. Alle Erfahrmig zeigt, daR es Faktoren gibt, die vielc irerschiedenerlei Wirkungeu hahen kiinnen.

Abb. 6. Destorkuh.

Der friiher erwahnte subletale Vererbungsfaktor beim Schaf bewirkt neben der Verkiirzung der Ohren auch cine starke Verkiirzung des Unter- kiefers. Aderdem hat er in mehreren Palleii offenen Gaumen und drei- geteilte Elauer, verursacht.

Beim Rind gibt es einc Reihe letaler und subletaler Faktoreu, die verschiedene Korperteile beeinflussen. Der Baktor beinlos bewirkt bei den1 schwedischen Niederungsvieh Beinlosigkeit, und zwar sind die Vorderglieder bei dem Ellenbogengelenk und die Hinterglieder bei deu Sprunggeleiiken abgeschnitten. AuBerdeni ist der Kopf sehr verbildet, praktisch genonimeu ohne Unterkiefer. Die zwei norivegischen Typen von Bulldoggkalbern, zeigen eine ausgepriigte Verkiirzung einer Beihe iron Knochen am ganzen Korper. Die meisteii Knochen des Kopfes sind verkiirzt uud gleichfalls alle GliedmaBen.

Der sich hier gleich meldende Einwand der Osteologen ist, daR sie in ihren Untersuchungen keine anormalen Tiere behandeln, sondern sich nur mit ,,normalen" Tieren befassen. Hierauf ist erstens zu antworten, daB man bei sich im Boden vorfindenden Knochen oder Knochenresten nicht das Normale oder Anormale bestinmen kann. AuBeidem ist die

Die Vnrintioa der Haustierarten in genetisolier Beleaclitiuig. 411

Grenzc zwisclien no~~mal und a1iorn1nl bei lebenden 'Cieren schr sch~ver und auf der Grundlage 'on Knochenresten wohl viillig uumoglich zu zielien.

In Irleiid gibt es zwei Binderrasscn, das Desterrind uud das IZerry- rind, die anf eiue vorziigliche Weise illustriereu, wie scliwer die Grenze z~vischen nornial und aiiornial zu zielieii ist. Der Unterscliied zmisclien den beiden Rassen ist rech t ansgepriigt, denn die Desterkiihe messen ca. 100 cni iiber dem Widerrist im StockmaR, miihreud dic Kerrylriilie ca. 110 cni niesseu. AnBerdern ist der Kopf Ilei deni Desterrind bedeutend kiirzer als beiiii Kerryrieh. His zum Jalire lSY0 murdeu diese Rinder- rasseii zusanimeu geziichtet, und standig wurden ,,ICreiizuugeii' zwischen den zwei Rassen vorgenoriirueii, oliiie daB niau irgcud ivelche Unannehm-

Abb. 7. Kerryknh.

lichkeiteii der Misclizucht liatte; denn man bekam nacli der Kreuzung je zur Hiilfte Dexter nud Herry. In1 Jahre 1800 wurde die Reinzucht der zmei Rassen fiir sich beschlossen, lireuzuiig sollte nicht liinger erlaubt werden. Bei der Reiiizucht des Desterrindes ergab sich, daB der I<iiber in1 vierteu oder fiinfteu .Xoua,t abortiert wurden. '/4 der Itiilber wurden hochbeinig, dem Kerrytyp entsprechend, nud niir die Hiilfte murdeu typische Dexter. Die abortierten Kdbcr hatten selir verkiirzte Beine, shrken Bixch und stark verkkzten, bulldoggartigeu Icopf. Bei der histologischen Unter- suchung zeigte es sich, d d iiiehrere Driisen anormal waren. Der Ver- erbungsfaktor, der deu kurzbeinigen, breiten Typ , der der wesentlichste Rassencharakter des Desterrindes ist, verursaclit, ist also auch ein in doppelter Dosis todbringend wirkender TTererbwgsfaktor.

Die Ausspdtung der langbeinigen und verh5iltuismaBig langkopfigen Kerrykilie in der Reinzucht des Destcrriudes hat zur Yolge, da13 man im Destervieh oft zmei leibliche Geschwister fiudet, von deuen das eine reinen

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Destertyp hat, wihrend das andere den Kerr j typ ausgeseichnet vertritt. IVenn die Skclette eines solchen leibliclien Geschwisterpaares von Osteologen in irgend einem ~iichenmisthniifen gefunden wiirden, wiirden sie sicherlich nnch ielen eingehenclen Xessungen feststellen, daI3 diese zwei Tiere vcr- scliiedener Rasse und sehr verschiedenen Ursprangs mken.

Dieseni Beispicl gegeniiber 1dBt sich naturlich einwenden, daB dies ein ganz besonderer Fall ist: wkhrend man in der Regel auf Grundlnge der Iinochenform anf das Trermnndtschaftsverh~~ltnis des SBugetieres wird schlieBen konnen. Da13 nian zu clieser Buffassung Iiotnnit, beritht darmf, daB inan keine Kenntnis der rielen Spaltungen hat, die andauernd in frcnid befru ch tenden Popnlationen vorkoni men.

Abb. 8. Vollgeschwiister.

Als Beispiel eincr solchen Spaltung, die genetisch nicht analysicrt ist, habe ich hier das Bild von zwei ‘l’eleniarkkiihen, die leibliche Ge- schwister sind, wovon die groBe, langbeinige zwei Jahre alt ist, miihrend die kleine, knrzbeinige drei Jahrc ziihlt.

Ans diesen Tatsachen, die nicht einzig dasteliend sind, sondern zu denen es viele Seitenstiickc gibt, Iiaiiii nur der SchliiB gezogen werden, da13 es vollig unbegriindet ist, aaf der Grundlage einzelner in der Erdc gefundener Schiidel Hypothesen von Clem Ursprung und der Abstamniung verschiedener Haustierrassen aufznstellen.

Eine der estrenisten derartiger Untersuchungen hat wahrscheinlich Aclanietz in seiner letzten Arbeit geleistet, indem er auf der Grundlage von einigen Hornresten von Ziegen bestininit hat, daB sie der Ziegenart

Die 1-aviation de t I laostiev;wten in genetischer Beleuclihing. 41 3

Capra prisca angehij1.t haben miissen. Dieser E”:ill ist nicht alleinstchend. Es gibt eine Reihe Hhnlicher dbhaiidlungen, wo die Grundlage nicht riel besser ist als in diesem Fall, die Schliisse aber mnnderbar meitgreifend sind.

Der gnzen osteologischen Schule ist ‘der Drang eigen, die Gencalogie der Haustiere nachzuweisen. Ilieser Drang hangt mi t dem energischen Snchen der altdar\~inistisclien Schnle nach Stammbiimnen fur die ver- schiedenen Tierarten zusainnieii. Xi t unserer jeteigeu Iienntnis, die wei13, wie weuig nian aus der aulleren Bhnlichkejt zmischen rcrscliiedenen Arten auf die Verwandtschnft schliel3en kann, ist dieser Drang durch osteologische Untersuchungen unnioglich zii befriedigen. Der einzige gaugbare Weg zur Erforschung des Ursprunges der Elaustici*arten ist, durch Esperimente mid Untersuchungen des jetzt lebenden Materials ihre genetischc Kou- stitution fcstzustellen.

Eingegangen am 4. Januar 1929.

Zeitschrift fur Ticrziichtung nnd Ziichlunpbiologie. XIV, 3.