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Die verfassungsrechtliche Begründung der progressiven Einkommensteuer und ihre systemgerechte Durchführung by Ulrich Moebus Review by: Peter Selmer FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 34, H. 3 (1976), pp. 567-568 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911242 . Accessed: 14/06/2014 10:56 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.109 on Sat, 14 Jun 2014 10:56:44 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die verfassungsrechtliche Begründung der progressiven Einkommensteuer und ihre systemgerechte Durchführungby Ulrich Moebus

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Die verfassungsrechtliche Begründung der progressiven Einkommensteuer und ihresystemgerechte Durchführung by Ulrich MoebusReview by: Peter SelmerFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 34, H. 3 (1976), pp. 567-568Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911242 .

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Besprechungen 567

„Die Frage, ob der derivative Geschäftswert Bestand hat oder - vergleichbar mit dem Praxiswert - sich allmählich verbraucht" steht ,,im Mittelpunkt einer gleich- behandlungsorientierten Erörterung des derivativen Geschäftswerts" (S. 40). Doch solche Einzelfragen sind unerheblich und verführen nur zu einem falschen Blickwinkel. Die Frage muß viel grundsätzlicher lauten: Wie ist Einkommen als Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit zu definieren, und ist es mit dieser Ein- kommensdefinition überhaupt verträglich, z.B. den erworbenen Geschäftswert zu aktivieren oder nicht, und wenn zu aktivieren, ihn abzuschreiben oder nicht abzu- schreiben? Fragt man nach den Eigenschaften der Maßgrößen für steuerliche Lei- stungsfähigkeit (Einkommen und Vermögen) und leitet man von diesen Grund- begriffen deduktive Schlüsse über die Bewertung im konkreten Fall ab, dann ist die Aktivierung des Geschäftswertes von vornherein zu verwerfen, die Normierung der Abschreibung zu fordern, sind das Stuttgarter Verfahren und der Teilwertbegriff zu beseitigen.

Dieter Schneider

Ulrich Moebus : Die verfassungsrechtliche Begründung der progressiven Ein- kommensteuer und ihre systemgerechte Durchführung. Verlage Herbert Lang und Peter Lang. Bern -Frankfurt/M. 1974. XXI, 150 Seiten.

Die verfassungsrechtliche Standortbestimmung der progressiven Einkommen- steuer hat bislang ein tiefergehendes Interesse der Rechtswissenschaft anscheinend nicht zu erwecken vermocht. Nahezu durchgehend scheint man sich mit der - zu- meist mehr oder weniger unausgesprochenen - Überzeugung zu begnügen, die Pro- gression in der Einkommensbesteuerung sei immanenter Bestandteil des im all- gemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) angelegten Grundsatzes der Steuergerechtig- keit, demzufolge ,,im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere" (BVerfGE 8, S. 68 f.). So überrascht es denn auch nicht, wenn beispielsweise in dem groß angelegten „Handwörterbuch des Steuerrechts und der Steuerwissenschaften" (München 1972) das Stichwort „Steuer- progression" ausschließlich unter finanzwissenschaftlichem, nicht aber unter juri- stischem, insbesondere verfassungsrechtlichem Aspekt gewürdigt wird (vgl. Schmöl- ders, aaO., Bd. II, S. 1013 f.). Die sich hier und anderswo andeutende Zurückhaltung ist sicher bedauerlich. Sie ist gleichwohl verständlich, bedingt doch die Klärung des Verhältnisses von Steuerprogression und Verfassungsrecht unausweichlich den ver- tiefenden Einstieg in die Auslegung von allgemeinem Gleichheitssatz und Sozial - Staatsprinzip, in zwei Problemkreise also, die schon im Grundsätzlichen weitgehend noch als weiße Flecken auf der Landkarte der Verfassungsinterpretation vermerkt werden müssen.

Angesichts dieser Sachlage ist einerseits der Mut zu bewundern, mit dem sich der Verfasser der hier zu besprechenden Frankfurter rechtswissenschaftlichen Dis- sertation des Themas der verfassungsrechtlichen Begründung der progressiven Ein- kommensteuer angenommen hat. Andererseits verwundert es nicht, daß der größere Anteil der Arbeit bereits auf den - nicht spürbar weiterführenden, aber immerhin instruktiven - Versuch entfällt, Breschen in das Dickicht der Unklarheiten um Gleichheitssatz und Sozialstaatsprinzip zu schlagen. Das konkrete Anliegen des Verfassers tritt demgegenüber nicht selten merklich zurück und droht gelegentlich sogar ganz zu verblassen. Das schließliche Zwischenergebnis des Verfassers, die progressive Einkommensteuer verstoße zwar weder gegen den allgemeinen Gleich- heitssatz noch gegen das Sozialstaatsprinzip, könne aber auch „daraus juristisch- dogmatisch nicht zwingend abgeleitet werden", mag vertretbar sein. Es beruht aber letztlich ebenfalls auf eben dem Dezisionismus, den er Rechtsprechung und (rechts- wie finanz wissenschaftlicher) Literatur - teils zu Recht, teils zu Unrecht - zum Vorwurf macht, wenn er vom bloßen „Glauben" an die Richtigkeit und Notwendig- keit der progressiven Einkommensteuer spricht.

Im zweiten Teil der Abhandlung beschäftigt sich der Verfasser - seinem Zwi-

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568 Besprechungen

schenergebnis gemäß nunmehr systemimmanent vorgehend - mit der Frage, welche verfassungsrechtlichen Schlüsse sich für die Bewertung des geltenden Einkommen- steuerrechts aus dem Umstand ergeben, daß der einfache ( Steuer- )Gesetzgeber sich prinzipiell für eine progressive Besteuerung des Einkommens entschieden hat. Es ist zu bedauern, daß der Verfasser nicht sogleich an diesem Punkt angesetzt hat - entsprechend seinem ursprünglichen Vorhaben übrigens, demzufolge die Arbeit zu- nächst ausschließlich dem Thema der ,, Systemgerechtigkeit im Steuerrecht" ge- widmet sein sollte (Vorwort S. III). So bleibt es, da sich der Verfasser bei dem lobens- werten, aber letztlich fruchtlosen Bemühen um den verfassungsrechtlichen Stellen- wert der progressiven Besteuerung verausgabt zu haben scheint, bei einer mehr oder weniger nur berichtenden Charakterisierung des Grundsatzes der „Systemgerechtig- keit", dessen gründliche und kritische Ausleuchtung für sich allein der vollen und ungeteilten Aufmerksamkeit wert gewesen wäre. Der Verfasser verzichtet demgegen- über ganz auf eine eigenständige Vertiefung und schließt sich im wesentlichen vor- behaltlos der (im Prinzip sicher zutreffenden, aber konkretisierungsbedürftigen) These des BVerfG an, derzufolge der Gesetzgeber wegen seiner Bindung an Art. 3 I GG ein von ihm gewähltes System nicht ohne sachlichen Grund durchbrechen darf und gegebenenfalls das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe der Intensität der betreffenden Ausnahmeregelung entsprechen muß.

Von dieser unsicheren Bastion aus unternimmt nun der Verfasser unter der Bezeichnung „Konsequenzen aus der Entscheidung des Gesetzgebers für die pro- gressive Besteuerung" im letzten Hauptteil seiner Arbeit einen verfassungsrecht- lichen Amoklauf durch das Einkommensteuer recht in seiner bis Ende 1974 gel- tenden Fassung, bei dem er einigermaßen bedenkenlos alles niedermacht, was ihm irgendwie system widrig oder sozialstaatlich suspekt erscheint: verfassungswidrig die Sparförderung nach § 10 I Nr. 3 EStG und § 12 des II. Vermögensbildungs- gesetzes, verfassungswidrig das geltende Splittingverfahren, die meisten der Sonder- abschreibungsregelungen in §§ 7 ff. EStG, die Regelung des Arbeitnehmerfreibetrages in § 19 II EStG, die Behandlung der Spenden an politische Parteien in § 10 b II EStG, die Regelung der Kinderfreibeträge nach § 32 a EStG, die Begünstigung der Aufwandsentschädigungen und Abgeordnetendiäten in § 3 Nr. 12 EStG, die Steuer- freiheit bestimmter festverzinslicher Wertpapiere nach § 3a EStG, die Regelung des Schuldzinsenabzugs nach § 10 I Nr. 1 EStG 1971, die Behandlung der Lebens- versicherungsbeiträge nach § 10 Nr. 2 b EStG, die Abzugsfähigkeit der Kirchen- steuer nach § 10 I Nr. 4 EStG, die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer nach § 10 I Nr. 5 EStG, die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nacht- arbeit nach § 34 a EStG und verfassungswidrig schließlich die Steuerfreiheit der Bergmannsprämien nach § 34 IV EStG.

Man wird dem Verfasser sicherlich darin beipflichten können, daß in der Tat die von ihm untersuchten (wie auch noch andere) Sonderregelungen zum Teil ver- fassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt sind, die hier nicht vertieft werden können. So richten sich denn auch die am schwersten wiegenden Bedenken weniger gegen die - m.E. freilich letztlich überwiegend nicht zu billigenden - Ergebnisse, zu denen der Verfasser gelangt ist. Entschieden größeres Gewicht kommt dem unüberseh- baren Umstand zu, daß seinen mehr oder weniger apodiktischen Feststellungen der solide dogmatische Unterbau fehlt. Der Verfasser gründet seine Schlußfolgerungen - abgesehen von einer allzu undifferenzierten Anwendung der Grundrechtsvor- schriften, insbesondere des auch bei ihm farblos bleibenden Gleichheitssatzes - primär auf das Sozialstaatsprinzip, ohne aber dessen determinierende Kraft hin- reichend klar herauszuarbeiten. Die schwierige Frage, wie die Sphären gesetz- geberischer Freiheit und verfassungsrechtlicher Bindung gegeneinander abzugrenzen sind, wird weder präzise aufgeworfen noch deutlich beantwortet. Alles in allem wird man dem Verfasser bescheinigen können, daß er eine schwierige Problematik ange- packt und - unter Verwendung einer Fülle von Material - einen recht eindrucks- vollen Überblick über den Stand der Meinungen zu verschiedenen wichtigen Fragen des Verhältnisses von Steuerrecht und Verfassungsrecht gegeben hat. Als ein be- deutender Fortschritt in der Sache selbst kann die vorliegende Abhandlung frei-

Peter Selmer

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