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Die Vergessenen (Teil 2)

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  • DIESES E-BOOK IST NICHT ZUM VERKAUF BESTIMMT!

  • Die Vergessenen

    Teil 2

    TERRA - Utopische RomaneBand 104

    von K.H. SCHEER

    Diese e-Book besteht zu 100% aus chlorfrei gebleichten, recyclebaren, glcklichen Elektronen.

  • 1 TERRA

    Wir diskutieren ...

    Die Seite fr unsere TERRA Leser

    Liebe TERRA-Freunde!

    Wir hoffen, da es berall in der Bundesrepublik mit der Auslieferung geklappt hat, und da Siedie beiden Teile des vorliegenden Romans VERGESSEN gleichzeitig erwerben konnten. Fr allediejenigen Leser jedoch, denen Band 103 entgangen sein sollte, bringen wir auf der ersten Seiteeine kurze Inhaltsangabe des vorangegangenen Teils.

    Wie schon erwhnt, ist unser nchster TERRA-Band (105) DER MARSRUBIN von George P.Gray ein S.F.-Roman mit einer besonders orignellen Story.

    Und nun zu den seit langem erwarteten Ergebnissen unserer in TERRA-Band 88 gestellten Lese-rumfrage nach dem besten Titelbild der TERRA-Reihe.

    Auch diese Umfrage hat bei unseren TERRA-Freunden ein gutes Echo gefunden, wenngleich dieeingegangenen Zuschriften nicht ganz so zahlreich waren wie im Falle unserer ersten Umfrage(Meine rein persnliche Annahme hierzu ist, da wir unseren Lesern wohl nicht genug Zeit lieen,die bei der Beantwortung unserer ersten Umfrage wundgeschriebenen Finger auszuheilen!).

    Insgesamt 20 TERRA-Bnde wurden von unseren Lesern erwhnt angefangen von Band 9 bisBand 90. Die meisten Stimmen vereinigte jedoch das Titelbild des Bandes 88: DIE FURCHTBA-RE SONNE auf sich ein Werk unseres Zeichners Bruck, dem einige begeisterte Leser sogarbescheinigten, seine Zeichnungen knnten sich mit denen von EMSH, dem bekannten amerikani-schen S.F.-Zeichner, ohne weiteres messen.

    Platz 2 bis 10 belegten die folgenden Titelbilder:

    Band 64: AUS WELTRAUMTIEFEN; Band 53: GALAXIS M 33; Band 62: BERFALL AUSFREMDER DIMENSION; Band 90: EROPALL, EIN NEUER PLANET; Band 45: DER WEISSETOD; Band 84: SPRUNG INS UNGEWISSE; Band 61: DIE AUSGESTOSSENEN; Band 71:PLANET DER TRNEN; Band 52: GEFESSELTE PLANETEN.

    Die brigen 10 Titel, die unsere Leser anfhrten, erhielten nur verhltnismig wenige Stimmen,so da wir uns deren Erwhnung schenken wollen.

    Als Gewinner dieses Wettbewerbes wurde Herr Albrecht Salzer aus Wuppertal, Katemberger Stra-e 270, durch das Los ermittelt. Er ist schon benachrichtigt worden und wird ein halbes Jahr langTERRA gratis zugesandt erhalten. Herzlichen Glckwunsch und ad astra

    IhreTERRA-REDAKTIONGnter M. Schelwokat

  • Die Vergessenen 2

  • 3 TERRA

    Zum Inhalt des vorangegangenen Teils in TERRA-Band 103:

    Der vierte Planet der Sonne SIRRAH ist eine durch einen Atombombenangriff radioaktiv verseuch-te Welt, auf deren Oberflche nur eine Handvoll migestalteter Mutanten und die zwei Menschen- Gantor und Trampol - leben.

    Als der junge Gantor das Mannesalter erreicht, wird er von Trampol, dem letzten berlebendender Atomkatastrophe, in das groe Geheimnis des Planeten eingeweiht: die Existenz des Raumha-fens LAGTHAL mit seinen ausgedehnten unterirdischen Anlagen, in denen die Nachkommen derKolonisten leben mssen, die sich zum Zeitpunkt der Katastrophe noch in die Schutzrume flchtenkonnten.

    Gantor und Trampol machen sich auf den Weg nach LAGTHAL.

    Am Ziel ihres anstrengenden und gefhrlichen Marsches angelangt, finden die beiden Mnnereine technisch perfekte unterirdische Welt vor, deren Beherrscher ein riesiges Betrugsmanvereingeleitet hat, um seine Untertanen am Betreten der Oberwelt und an der Raumfahrt zu hindern.Als Gantor dies erfhrt, beschliet er, einzugreifen...

    Mit schubereiter Waffe stand Gantor an der nurspaltweit geffneten Tr aus 80 Zentimeter starkemAvron-Stahl. Seitdem der Notausgang entdeckt wor-den war, konnte sie nicht mehr durch einige einfacheUmdrehungen des Handrades geffnet werden. Erfor-derlich war dafr ein immer im Stollen verbleibenderWchter, der die schweren Innenriegel zu ffnen hatte.Einige Speicherbatterien zur Speisung der eingebau-ten Fernsehanlage waren besorgt worden, so da derWchter sehr genau sehen konnte, wer Einla begehr-te.

    Stumm sah Gantor ber das riesige Wasserbeckeneiner Sirrahse-Algenkultur hinweg. Die ganze Hallewar mit diesen Behltern angefllt, in denen billionen-faches Leben wimmelte.

    Die knstlichen Sonnen hingen hoch an der Decke,und der Raum war so hell erleuchtet, wie es aufder Oberflche nur beim gelegentlichen Aufreien derWolkendecke der Fall war.

    Die Luft war khl; viel khler als im Dschungeleiner mit Wasserdampf gesttigten Welt. Hier warengenau die Voraussetzungen geschaffen worden, diefr die Aufzucht der unheimlich schnell wachsendenMikro-Alge am gnstigsten waren. Die Aberntung er-folgte in Abstnden von nur drei Stationstagen. Da dieTermine genau festlagen, konnte sich Gantor schondanach richten.

    Der junge Hochfrequenztechniker namens Soberverschwand als letzter Mann hinter den Behltern.

    Fermer lie die Panzertr zugleiten, und die In-nenriegel schnappten ein. Verlegen lchelnd durch-schritt er die Strahlschutz-Schleuse und schaltete danndas Fernbildgert ein. Die optische Beobachtung derWachstumshalle war einwandfrei.

    Du bist also der Mann, der den verantwortungs-vollen Posten bernommen hat, stellte Gantor fest.Wird man dich nicht vermissen?

    Man vermit mich schon, gab er mit schlaff hn-genden Wangen zurck. Sie mssen wissen, da ichdrauen gesucht werde.

    Warum?

    Ich, h... ich soll nicht normal sein, hat der Aufse-her gesagt. Er hat es den Wachen gemeldet, und ich binabgeholt werden. Sie haben mich wieder gehen las-sen, aber vorher war ein Robotwchter da. Er sagte, erwollte meinen Fall dem Gehirn melden und ich soll-te in drei Stunden wiederkommen. Ich bin aber nichtmehr zur Wachstation gegangen. Ich... ich hatte Angst.Viele von der vierten Kaste sind schon abgelst wor-den. Ich hatte wirklich Angst. Cora hat mich versteckt,und dann kam ich hierher. Ich bleibe auch hier.

    Er sah Cora mit den flehenden Augen einer gequl-ten Kreatur an.

    Gantor hatte scharfe Falten in den Wangen.

    Warum sollst du nicht normal sein?

    8456 Fermer IV wand sich auf dem schmalenHocker vor der Bildflche.

    Ich... ich habe immer alles verkehrt gemacht. DerAufseher hat gesagt, mein geistiges Po... Pot...!

    Er verstummte bei dem fr ihn schwierigen Wort,und Trampol vollendete grollend:

    Potential.

    Ja, ganz recht. Also das liee nach, und ich wrenicht mehr tauglich fr die vierte Kaste. So war es.

    Er sah den davon schreitenden Mnnern nach, de-ren helle Scheinwerfer in der Finsternis des langenGanges zu winzigen Pnktchen wurden, ehe sie hintereiner Krmmung verschwanden. Fermer fhlte nochden sanften Hauch freundlicher Worte. Lchelnd lenk-te er seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm, aufdem die grnblauen Algenmassen zu flimmern schie-nen. Er fragte sich, ob die Sterne wohl auch so ausse-hen mochten. Oder waren die gar grer? Im gleichenAugenblick sagte Gantor erregt:

    Weit du, Alter, ich kann Intelligenz, Primitivittund ausgesprochene Dummheit vertragen, aber despo-tische Manahmen und brutale Willkr erregen eine

  • Die Vergessenen 4

    ganz bestimmte Zentrale meines Nervensystems. Ichhasse! Weit du, was Ha ist? Ich hasse alles, was mitdiesem verfluchten Planeten zusammenhngt.

    Die letzten Worte brachen mit eruptiver Gewaltber pltzlich verzerrte Lippen.

    Professor Trampol schrie nur noch. Unfhig, einenSchritt der Flucht auszufhren, starrte er auf die un-ter einer malosen Gewalt zerbrckelnde Felswand,vor der sein anscheinend irrsinnig gewordener Sch-ler stand.

    Es war, als wrde das Gestein vom Gravitations-Kraftfeld eines schweren Massen-Konverters ange-griffen werden, so rasch wurde es zu Staub. Die Hh-lung war schon zwei Meter tief, als Gantor endlich zuerwachen schien.

    Urpltzlich verstummend, suchte er nach einemHalt, und Trampol sah den kraftvollen Krper zu Bo-den strzen, wo er konvulsivisch zuckend liegenblieb.

    Angstvoll rufend, kniete der alte Mann neben demjungen Mann, dessen totale Verkrampfung sich nurlangsam zu lsen schien.

    Es dauerte Minuten, bis er unter den drngendenRufen erwachte und verstndnislos um sich sah.

    Mein Nacken, sthnte er schwer, was ist mitmeinem Nacken? Der Schmerz ist furchtbar. Was istdenn, Alter?

    Trampol war pltzlich sehr ruhig. Seine Verzweif-lung war einer brennenden Neugierde gewichen, diesich bereits mit einem tiefgrndigen Wissen koordi-nierte.

    Beruhige dich, mein Junge, es ist. nichts passiert,besnftigte er seinen Schler, dessen Gesicht sich all-mhlich wieder glttete.

    Was war denn? Erklre doch!Nicht viel. Etwas ist mit dir durchgegangen. Man

    kann es Temperament, malosen Jhzorn oder auchAblaventil fr einen bermchtig gewordenen inne-ren Druck nennen. Du warst ein kleiner Wilder; ein in-telligenter Mensch, aber doch ein Wilder. Zuviel ist in-nerhalb weniger Stunden auf dich eingedrungen, unddein verborgenstes Ich hat sich langsam emprt. Dei-ne Seele fungierte als Speicherbank, die durch die Er-klrungen des armen Kerls da vorn endgltig kurz-geschlossen wurde. Also sagen wir einfach, es warein psychischer Kurzschlu gewesen. Das verstehst dudoch, oder?

    Gantor nickte stumm, und ein erstes Lachen erschi-en in seinen Augenfltchen.

    Es verschwand wieder, als er die tiefe Hhlung inder Wand entdeckte. Der pulverisierte Schutt bedeck-te fuhoch den breiten Gang, und das Licht der beidenScheinwerfer brach sich in allerfeinsten Quarzkristal-len.

    Nanu!Trampol begann in tiefer Erregung zu zittern.Ja, es ist so. Das Wrtchen Ha hat in dir aller-

    lei hervorgerufen. Als du in haltloser Wut zu brllen

    begannst, hast du teils bewut, teils unbewut an diewnschenswerte Vernichtung des Zentralgehirns ge-dacht. Nein, nicht nur gedacht, sondern du hast es un-bedingt gewollt. In dir entstand ein fiktives Gebilde,und sogar dein unterbewuter Geist begann zu toben.Du hast dich in eine Erregung gesteigert, als httest duwirklich vor dem Robot gestanden. Ich habe es genauverfolgt. Kannst du dich erinnern?

    Ungefhr, antwortete er zgernd.

    Der tiefe Atemzug des Wissenschaftlers peinigteihn.

    Du verbirgst mir etwas. Du versuchst, einen Blockber deinen Geist zu legen. Sage es mir, ich mchtemich jetzt nicht anstrengen.

    Du lgst, Junge! Du bist momentan gar nicht f-hig, dich sonderlich anzustrengen. Das hast du bereitshinter dir. Eine Frage, ja?

    Natrlich, grollte er unzufrieden. Werde abernicht geistlos.

    Vergi nicht, da ich dir einmal erklrte, was einLmmel ist, schnaufte der Alte.

    Wie arbeitet ein Massenkonverter in derAntischwere-Station eines Groraumschiffes? Wasist Gravitation? Na, wo bleibt dein phnomenales Ge-dchtnis?

    Es war, als strubte sich der Bart unter seinem bs-artigen Grinsen. Es zerrte den Jungen in eine halbsit-zende Stellung.

    Eine Frage fr Unterentwickelte, hhnte er. Gra-vitation, energetische Daseinsform des vierdimensio-nalen, endlich gekrmmten Raumzeit-Kontinuums imrhythmischen Gleichklang mit einer bestimmendenMasse. Vierdimensionale Felder werden zur fhlbarenGravitation im Zentrum eines materiell stabilen Kr-pers, der sie in abnehmender Strke abstrahlt.

    Na ja, nicht bel. Weiter, Lmmel! Wie arbeitetder...!

    Ja, schon gut, fauchte Gantor. Sage nicht nocheinmal ,Lmmel, hrst du! Ein Massenkonverter er-zeugt vierdimensionale Gravitationsfelder nach derHellbergschen Kongruenz-Gleichung der berein-stimmung von Masse und Energie. Gravitationsma-gnetische Felder knnen im stabilen Richtungsaufbaugelenkt werden. Als schmale Impulsbndel wirken siewie materiell feste Krper von grter Vernichtungs-kraft, und...

    Der Verstand schaltete, und seine Sinne nahmen dasSpiegelbild seiner Augen wahr. Die Hhlung ghntenoch immer in der beleuchteten Felswand.

    So arbeitet der Impuls-Reflektor eines Massenkon-verters, hstelte Trampol verhalten.

    Erstaunlich, wie leicht so manche Leute ein gleich-gerichtetes GM-Feld mit der blanken Kraft ihres Gei-stes erzeugen knnen. Auch ich kann es, aber nursehr beschrnkt. Wenn ich in jungen Jahren im Jh-zorn bald zerbarst, warf ich schwerste Gegenstnde

  • 5 TERRA

    durch die Luft, die ich normalerweise nicht einmalhtte anheben knnen. Die Biologen und Medizinerhaben dafr eine andere Erklrung. Aber ich bin ja einPhysiker, nicht wahr? Der Glaube kann Berge verset-zen, mein Junge! Er kann auch Felswnde zerpulvern.Wollte ich eigentlich noch etwas sagen?

    Du wolltest, peitschte es mit solcher Kraft in seinBewutsein, da er erschreckt zusammenzuckte.

    Oh, du bist schon wieder stark, lachte er rgerlich.La den Unfug mit den suggestiven Befehlen. Ich binein alter Mann mit schwachen Gebeinen. Wenn du beinchster Gelegenheit in dir einen gewissen Vernich-tungswillen aufsteigen fhlst, so bitte ich um eine vor-herige Information. Ich stehe nicht gern neben einemlebenden Massenkonverter. Knnen wir nun weiterge-hen?

    Gantor scho vorn Boden auf. Seine Person schiennur noch aus einer brennenden Frage zu bestehen.

    Der Alte verstand den Blick. Die Lampe ergreifendund lang ausschreitend, murmelte er ber die Schulterzurck:

    Du solltest es endlich begreifen, so wie du dei-ne telepathische Gabe begriffen hast. Erinnere dich andie schwere Wasserturbine. Du hast sie deshalb ohneeinen Kran montieren knnen, weil du es einfach woll-test. Du wolltest es sehr intensiv, und so konntest dumit dem schweren Ding spielend leicht umgehen. Ichhtte das mit dem Antigrav-Feld eines gegengepol-ten Massenkonverters gemacht, wenn ich einen gehabthtte. Jetzt brichst du eine Hhlung in das Gestein, unddanach schaust du aus blden Augen auf dein Werk.Deine Einfalt sei von mir aus heilig; aber deshalbsollst du doch erfahren, da man unter dem Begriff,Telekinese die Fernbewegung fester Krper durchreine Geisteskraft versteht. Fr mich ist das aber keinbersinnliches Phnomen, sondern nur eine verblf-fend geschickte Anwendung impulsgerichteter gravi-tationsmagnetischer Felder von winziger Kraft bis zurbrutalsten Urgewalt. Nimm dein seltsames Gehirn inacht. Du beherrschst das unglaubliche Machtmittel derTelekinese. Na ja, benimm dich nicht so tlpelhaft.

    Der Alte griff rasch zu, sonst wre Gantor ber denlosen Gesteinsbrocken gestolpert.

    Murrend kam sein Vorwurf:Du sprichst mit mir, als wre ich noch zehn Jahre

    alt.Sei nicht vermessen, Junge! In dieser Sache bist

    du erst zehn Minuten alt. Vielleicht werde ich morgenschon respektvoller sein. Achte auf dein Gehirn, ja!

    8. Kapitel

    Fr ihn war alles so selbstverstndlich, als htteer die komplizierte Anlage persnlich entworfen undmontiert. In dem kantigen Gesicht zuckte kein Mus-kel, und sein Blick offenbarte keine berraschung,sondern nur das umfassende Begreifen eines fhigenWissenschaftlers.

    Der Raum war grer, viel grer, als er angenom-men hatte. Es gab auch nicht nur ein Lebensmittel-und Ausrstungslager, sondern eine vollendete Kraft-station zur Energieversorgung der zahlreichen Gerte.

    Trampol hatte mit wenigen Griffen die starkeSpeicherbatterie des Scheinwerfers an einen dafr vor-gesehenen Verteilerschalter gehngt. Seit wenigen Mi-nuten flammten die Leuchtrhren in einem angeneh-men Licht, dessen Schein sich in den teilweise sehrgroen Bildschirmen brach.

    Du hast mich also erneut belogen, stellte er sach-lich fest. Alter, warum hast du dieses Geheimnis biszur letzten Minute fr dich behalten? Wie war dasmit der Tr? Auch da hast du gelogen! Du wolltestmich verfhren, das schwere Riegelschlo durch mei-ne neuentdeckte Kraft zu ffnen, und das ist dir auchgelungen. Ich habe nicht scharf genug auf deinen hin-terlistigen Geist geachtet.

    Es war mein letztes Geheimnis, schmunzelteTrampol, und seine abgezehrte Gestalt schien sichkraftvoll aufzurichten. Mit einer umfassenden Hand-bewegung erklrte er:

    Natrlich haben wir den Ausgang nicht fr den al-leruersten Notfall zugeschnitten. Der Erste Admi-nistrator des Planeten Sirrah IV wnschte auer ei-ner mglichst unsichtbaren Auenpforte noch eine ge-trennte Energie- und Beobachtungstation. Hier siehstdu es. Diese Rume liegen hundert Meter unter derMeeresoberflche. Darber trmen sich die mehr alszweitausend Meter hohen Gesteinsmassen eines nicht-vulkanischen Gebirges. Wir haben also einen gnzlichseparaten Atombunker geschaffen, den der hohe Herrdann aufzusuchen gedachte, wenn es drben zu engoder zu gefhrlich geworden wre.

    Ein sehr feiner Mensch.

    Albere nicht. Er war weder besser noch schlech-ter als seine Untergebenen. Die hatten nur nicht seineMglichkeiten. Bei einem wirklichen Angriff auf diegroe Bunkerstation wre hier eine sichere Zufluchtgewesen. Wir haben eine leistungsfhige Funkstati-on und eine optische Oberflchen-Bildberwachung.Impulstaster-berwachung ist ebenfalls vorhanden.Es ist jedoch ratsam, auf die verrterische Elektronikzu verzichten und dafr mit dem normalen Fernseh-bild zu arbeiten. Der Raumhafen von Lagthal kannvon einigen Spezialkameras erfat werden. Sie sindweit ber uns im Gipfel eingebaut worden. Auer-dem knnen smtliche Rumlichkeiten der ehema-ligen Bunkerstadt fernbildlich erfat werden, soferndort Mikro-Aufnahmegerte eingebaut worden sind.Die Sache war nicht einfach, da der Administratorstrengste Geheimhaltung wnschte. Smtliche Trenund Schotts der Stollen knnen von hier aus elek-tronisch gesperrt werden. Im Falle eines Falles htteder Administrator also nur diese Zentrale zu erreichenbrauchen, um sein kleines Reich endgltig zu beherr-schen. Wie gefllt dir das?

  • Die Vergessenen 6

    Was seine lngst vergangene Person anbelangt,berhaupt nicht. Fr unsere Zwecke sind die Anlagenjedoch fabelhaft geeignet. Sonst noch etwas?

    Du bist aber reichlich gelassen, lachte der Alteunsicher. Kann dich eigentlich nichts berhren?

    Gantor schritt an den Bildschirmen vorbei und be-tastete behutsam das glatte Material der Sitzgelegen-heiten.

    Du irrst dich. Ich freue mich malos. Aber ich su-che nach einem Grund fr meine Selbstbeherrschung,die mir selbst ungewhnlich erscheint. Die Logik sagtmir, da ich nun eigentlich vor Freude weinen undjeden einzelnen Gegenstand gebhrend bewundernmte. Ich glaube aber, es ist mein Gedchtnis.

    So?

    Ja, nur das! Dein Mikrofilm-Betrachter und deineunzhligen Spulen sind daran schuld. Wenn ich aufeinen Bildschirm blicke, dann taucht in mir unwill-krlich das fiktive Bild der dahinterliegenden Schal-tungen auf. Ich sehe Kabel, Stromkreise und Mikro-rhren von hoher Leistungsfhigkeit. All das habe ichin deinen Lehrfilmen gesehen. Die erklrenden Wor-te und Symbole glhen in mir nach, und das mu essein, was mich an einer lautstarken Freude hindert. Esist mir alles zu selbstverstndlich, obwohl ich es in derTat erstmalig wirklich sehe.

    Trampols Hnde vergruben sich in seinen Bart, eheer ablenkte:

    Die Luft ist sehr schlecht, und deine Geschosse ha-ben sie nicht verbessert. Wir mssen sofort die Klima-anlage in Gang bringen.

    Ein skeptischer Blick fiel auf die kleine Speicher-bank des Scheinwerfers.

    Sie wird bald erschpft sein. Wieviel Kilowatt be-ntigt die Anlage pro Stunde?

    Der Alte lachte nur, als er vor einen mittelgroenBildschirm trat.

    Das wird sie noch vertragen knnen, murmelte er.Die Gerte scheinen noch vollkommen in Ordnungzu sein. Durch das verwandte Material htten auch beieiner feuchten Luft keine Korrosionsschden auftretenknnen. Die Rhrenstze sind absolut unempfindlich.Wir werden sehen.

    Er schaltete kurz, und Sekunden spter begann derSchirm zu flimmern. Gantor bersah nicht das trium-phierende Glnzen der Augen des Alten, doch dannachtete er auf das Fernbild.

    Der Schirm zeigte einen mit Radiations Plastik ver-kleideten Raum, der auer einer riesigen Speicher-bank, schweren Kabeln und Kunststoff-Isolatoren nureinen wrfelhnlichen Block mit einer Seitenlngevon hchstens einem Meter enthielt.

    Ein Hellbergscher Fusions-Reaktor, Modell 3-MK, stellte Gantor sachlich fest. Also ein Kleinge-rt, das sich zum Einbau in Raumschiff-Beiboote undkleine Kraftstationen eignet.

    Immerhin bringt es dreihunderttausend Kilowatt-Stunden. Das gengt vollkommen fr unseren Bedarf.Die Speicherbank nimmt eine Million Kilowatt auf.Die Regelung erfolgt automatisch. Halte deine Batte-rie bereit. Die Lichtbogenzndung bentigt noch mehrStrom als die Einspritzpumpen.

    Seine Schaltungen kamen so przise, als wren seitdem letzten Handgriff dieser Art nicht 92 Jahre in ir-discher Zeitrechnung vergangen. Der winzige Robot-automat vor dem Bildschirm besttigte mit plrrenderLautsprecherstimme die Anweisungen, und schon be-gann er vollautomatisch zu wirken.

    Die Leistung der kleinen Batterie fiel rapide, als imReaktionszentrum des Fusionsmeilers der Lichtbogenaufflammte. Die Turbopumpe zum Einspritzen des mitdem als Katalysator dienenden Hellberg-Meson ange-reicherten Deuteriums bentigte ebenfalls Kraft. Eheder Meiler noch die Arbeit aufnehmen konnte, war diekleine Bank erschpft, und Gantor hieb die Kontakteseiner Batterie an den Verteilerschalter.

    Es wird Zeit, mahnte er. Der Aufbau des Ab-schirmfeldes kann mit dieser winzigen Kraftquelleniemals vorgenommen werden.

    Der Meiler erzeugt es selbst aus dem zuerst frei-werdenden Energiequantum. Der im Umformer be-reitgestellte Strom geht nicht erst in die Speicherbank,sondern direkt auf die Schirmprojektoren der Reakti-onszone.

    Sekunden spter zndete der katalysierte schwereWasserstoff im Flammpunkt des Lichtbogens, und dieVerschmelzung der leichten Kerne begann. Es war diekalte Fusionszndung nach der Hellbergschen Poten-tialgleichung, nach der die Verwendung von schwerenKernbrennstoffen berflssig geworden war.

    Am Robotautomaten zuckten die Walzen-Skalen,und die mechanische Stimme meldete:

    Schirmfeld um Reaktionszone aufgebaut. ErbitteAnweisungen.

    Trampol schob den bereitliegenden Lochstreifen inden Aufnahmeschlitz, und gleich darauf begann eshinter der Felswand dumpf zu donnern. Es war dasmachtvolle Arbeitsgerusch des unter Vollast laufen-den Umformers, in dem die freiwerdende thermischeEnergie der Kernverschmelzung in Strom umgewan-delt und sofort in die laut brummende Speicherbankabgeleitet wurde.

    Das Gerusch blieb konstant. Da drckte Gantor z-gernd den Hauptschalter nach unten.

    Das trbe gewordene Licht flammte zur strahlendenStrke auf, und ein anderes Robotgert von winzigenAusmaen meldete mit klarer Tonband-Stimme:

    Durchlftung dringend erforderlich, Durchlftungdringend erforderlich.

  • 7 TERRA

    Trampol handelte wie ein Traumwandler. Zitterndvor Freude schritt er von Gert zu Gert, und die Sta-tion erwachte zum Leben. Die automatischen Kontrol-len zeigten die Oberflchenstrahlung mit 32 Rntgen-Einheiten an. Die Frischluft-Filtrier-Anlage schalte-te sich zwangslufig ein, und in den Gngen ffne-ten sich winzige Klappen in den Felsdecken. Sausen-de Turbinen saugten die sehr schlecht gewordene Luftab. Ein wrzig riechender, guttemperierter Frischluft-strom scho aus anderen ffnungen in die wenigen,dafr aber sehr langen Stollen.

    Saubere Arbeit, lobte Gantor, fr den die Schal-tungen lngst kein Geheimnis mehr waren. Mit einemfr ihn selbst unbegreiflichen Instinkt, der mit seinemWissen nichts gemein hatte, schaltete er die Bildber-wachungsanlage des Hauptstollens ein.

    Kleine Schirme zeigten plastische Farbbilder, undauf einer greren Flche erschien der Strahlschleu-senraum hinter der Panzertr zur Gewchshalle.

    Sie sahen einen gelbgekleideten Mann, der entsetztin einer Ecke kauerte und vor Furcht wimmernd nachoben starrte, wo dicht ber ihm die verbrauchte Luftabgesaugt wurde.

    Aus der Tonaufnahme klang sein haltloses Schluch-zen, und da fuhr Gantor rgerlich auf:

    Nun schalte schon die Lautsprecheranlage ein.Soll er irrsinnig werden?

    Trampol wunderte sich schon nicht mehr, da seinSchler etwas von dieser Anlage wute. Entweder hat-te er das kraft seiner Logik vorausgesetzt, oder er hattees einfach gewut.

    Der Schalter knackte, und vor Gantor tauchte einwinziges Mikrophon aus dem Schaltpult der Bildbe-obachtung auf. 8456 Fermer IV schrie gellend auf, alsdicht ber ihm eine Stimme drhnte. Sie wurde leiser,und da klang es verstndlich aus einem vorzglich ge-tarnten Lautsprecher:

    Beruhige dich, Fermer. Gantor spricht. Kannst dumich gut hren? Antworte!

    Er stammelte einige Worte in den leeren Raum, undvor Gantor drangen sie aus dem Gert.

    Schon gut, ich verstehe dich. Du darfst dich nichtngstigen, hrst du! Wir haben nur einige technischeAnlagen in Gang gebracht. Schalte deinen Scheinwer-fer aus. Ich mache Licht.

    Trampol wies auf die verschiedenartigen Knpfe,und seine Finger drckten sie nach unten. Im Haupt-stollen und in den kleinen Rumen bei der Strahl-schleuse begannen die Wnde in einem sanften Lichtzu erglhen.

    Fermer taumelte zu seinem Hocker zurck, unddann fragte er bebend:

    Soll soll ich jetzt meine Bildbeobachtung aus-schalten? Mache ich wieder etwas falsch?

    Nichts machst du falsch, kam Gantors Stimmeaus der Decke. Bleibe nur sitzen und berwache das

    Gewchshaus. Wenn jemand kommt, brauchst du nurlaut zu rufen. Wir kommen dann nach vorn, Ist dasklar?

    Fermer nickte eifrig, und eine tiefe Erlsung mach-te sich bemerkbar.

    Jetzt glaube ich wirklich, da Sie so ein Raum-schiff fliegen knnen. Was ist denn Fliegen ber-haupt?

    Du wirst es erleben. Wir schalten jetzt ab, Fermer.Die Mikrophone bleiben aber auf Empfang. Verginicht, zu rufen. Willst du noch etwas?

    Nein, nein, nichts, beteuerte er. Alles in Ord-nung. Ich war nur erschrocken, als es ber mir zu sum-men begann. Gute Luft ist hier. Sie riecht nach etwas;aber das ist nicht schlecht. Ich rufe schon, wenn je-mand kommt. Passen Sie auf, ja?

    Gantor schaltete das Mikrophon ab, lie aber dieBildbeobachtung weiterlaufen. Wenn sich Fermer be-wegte, war es deutlich zu hren.

    Eine wirklich vorzgliche Anlage. Klein, aber sehrprzise durchdacht, lobte er zu Trampols Verblf-fung.

    Einige Dinge sind mir noch unklar. Gibt es eineWaffensperre hinter dem Eingang?

    Kannst du eigentlich durch stabile Felswndeblicken? fauchte der Alte aufgebracht. Vor dirscheint es gar keine Geheimnisse zu geben. Ja, dichthinter dem Aufenthaltsraum sind in der Stollendeckezwei Konverter-Impulsreflektoren eingebaut. Sie er-zeugen ein gravitationsmagnetisches Energiefeld. Ichmchte niemandem raten, da hineinzulaufen. Vor demEingang zu dieser Zentrale stehen noch zwei Hitze-werfer. Sie arbeiten mit der molekularen Bindungs-energie freier radikaler Gase. Das wre alles. Hand-waffen sind im Ausrstungslager. Wenn es noch be-steht und das mchte ich nicht bezweifeln wer-den wir gegen jeden Kampfrobot bestehen knnen. Esgibt Spezialpistolen, die man unter der Kleidung ver-stecken kann.

    Genau die brauche ich. Wir knnen in der Stadtnicht mit den Maschinenwaffen umherlaufen. WelcheSpezialpistolen sind das?

    Sie wurden fr den Abschu schwergepanzerterRaubechsen geschaffen. Jeder trug eine solche Waf-fe, sobald er drauen in der Wildnis zu tun hatte. Siearbeiten nach dem Prinzip der Mikro-Rak-Geschosse.Das Kaliber ist aber weitaus strker als das der Ma-schinenpistolen. Die Projektile erreichen die dreifa-che Geschwindigkeit, und die chemischen Sprengst-ze sind verheerend. Es bleibt festzustellen, ob ein sol-ches Spezialgescho den Stahlpanzer eines Robotsglatt durchschlagen kann. Ich wei es nicht. Jeder Sau-rier kapitulierte davor, das steht fest.

    Zeige mir das Lager. Ich werde das sofort probie-ren. Dicht hinter dem Notausgang steht doch ein un-brauchbarer Robot, nicht wahr?

  • Die Vergessenen 8

    Leute, die keine Zeit verlieren wollen, sterben mei-stens sehr rasch, warnte der Alte.

    Ich mchte gerstet sein. Wo ist das Lager?Komm! Es ist riesig. Du wirst alles finden, was wir

    jemals geschaffen haben. Trotzdem ist das ein lcher-liches Nichts gegen die Lagerhallen von Lagthal.

    Auch hier glhten die Felswnde im sanften Lichtunsichtbarer Leuchtkrper.

    Der Kampfroboter stand mit geffnetem Rcken-teil vor den beiden Mnnern. Die groe Speicher-bank zur Stromversorgung des elektronischen Ge-hirns und der elektromagnetischen Bewegungsmecha-nismen war lngst erschpft, nachdem die Maschinejahrelang den Ausgang zu den Bergen bewacht hat-te. Mit dem letzten Stromimpuls waren die Gelenkeblockiert worden, so da der Robot fest und sicher aufden breiten Sohlen seiner Beinstcke stand.

    Gantor erfate den komplizierten Mechanismus ausTausenden von Mikro-Kapazitronen und verschieden-artigen Eigenschaftenblocks nicht so schnell, wie esder Wissenschaftler in seinem tiefsten Innern gehoffthatte.

    Ausgesprochen schwierig, murmelte der jungeMann. Ich werde das Gehirn mitnehmen und einigeStunden opfern. Das Prinzip ist mir vollkommen klar.Da sind diese elektronischen Taster zur Abnahme undKoordinierung der Daten aus den verschiedensten Er-innerungszentren.

    Jedes der vielen tausend Kapazitrone spei-chert hundertzwanzigtausend Ergebnisse. Elektroni-sche Gehirne drften nicht in dein Fachgebiet fallen.

    Ich werde es trotzdem mitnehmen und versuchen,es wieder in Gang zu bringen. Ohne den maschinellenKrper als Hilfsmittel kann es nicht gefhrlich wer-den. Besteht eine Mglichkeit, die auf den langst ver-storbenen Administrator geschalteten E-Gehirne aufunsere Gehirnrindenfrequenzen umzuschalten?

    Trampol lachte auf.Die Idee wre bestechend, wenn nicht jeder

    Mensch eine andere htte. In alten Zeiten sprachman von sogenannten Fingerabdrcken. Gehirnfre-quenzen sind noch viel unterschiedlicher. Die Umstel-lung dieses und der anderen Robots wre kein Pro-blem. Wir haben ausgezeichnete Spezialeinrichtun-gen. Dazu mten wir aber erst unsere Frequenzenkennen. Ich sehe keine Mglichkeiten, das festzustel-len. Auerdem war das immer eine Angelegenheit derElektronik-Psychiater. Die Psychotechnik hat mit derelektronischen Psychophysik ein besonderes Fachge-biet von ungemein schwieriger Form errichtet. Aus-sichtlos, mein Junge!

    Nichts ist aussichtlos, begehrte er auf. Ich wer-de mit Kentler sprechen. Er ist Mathematiker. Seinenberlegungen nach zu schlieen, gibt es in der Stadtmehr als zweihundert Angehrige der Widerstandsbe-wegung, die alle der ersten und zweiten Kaste ange-hren. Da wird doch wohl ein Mann darunter sein, dervon elektronischer Psychophysik eine Ahnung hat.

    Habe ich auch, Junge! Der Wille allein tut esaber nicht. Du brauchst einen hochwertigen Potential-Detektor, dessen Ergebnisse von einem Spezialgertberechnet werden mssen. So einfach wie Fingerab-drcke lt sich die ureigenste Gehirnfrequenz einesMenschen nicht feststellen.

    Gantor zog die Hand aus dem Innern des Robotkr-pers zurck.

    Wir werden sehen. Das E-Gehirn nehme ich jeden-falls mit. Hier, zeichne diese Stelle an. Einen Kreis.Dort ist das Material drei Millimeter stark. DieseDicke entspricht etwa einer normalen Stahlplatte vonzwanzig Zentimeter. Wenn das Gescho da durch-schlgt, drfte das Problem gelst sein.

    Vergi aber nicht, da die Diener ebenfalls schie-en knnen, sagte der alte Mann und malte mit demSchreibstift einen Kreis auf den blaroten, partikelbe-schossenen Avron-Stahl.

    Es ist sogar sicher, da diese Maschinen nochschneller handeln, als du es jemals tun knntest. Dei-ne Reaktionszeit ist fast null. Deine Bewegungen sindaber fr einen Spezialrobot zu langsam. So, fertig!Nun probiere dein Glck.

    Sie traten tief in die Hhle zurck, und Gantor zogdie schwere MK-Pistole aus dem Grtel. Nur durchden dicken nach vorn etwa schmaler werdenden Lauf-mantel unterschied sie sich uerlich von einer nor-malen Waffe. Die Abgasffnungen mit der Strahlum-lenkung fr die glhenden Flammenstrme der Rak-Geschosse waren so charakteristisch, da diese Pistoleunbedingt verborgen getragen werden mute.

    Noch besser als eine Maschinenpistole, meinteGantor, als er das schwere und halbfingerlange Ge-scho in das Rotationsschlo schnappen lie.

    Trotzdem wird es schwer sein, die Waffen unterden Kombinationen zu tragen. Nimm die Sprengla-dung und pa auf.

    Mitrauisch griff der Alte nach dem Rhrchen, dassie aus dem Geschokopf entfernt hatten. Die Ladunghtte ausgereicht, um den Robot aus Avron-Stahl inStcke zu zerreien.

    Aus der dunklen Mndung brach der weigrneStrom gewaltsam expandierender Gase. Helle Stich-flammen zuckten nach vorn aus den Abgasffnun-gen des Laufmantels. Das grell peitschende und an-schlieend hell heulende Gebilde wurde drei Metervor dem Lauf unsichtbar, da die starke Treibladung ih-ren Brennschlu erreicht hatte.

    Der drhnende Schlag einer Glocke hallte durchden Felsenraum. Der Robot wurde in der ganzen Kr-perlnge vom Boden angehoben, in der Luft umher-geschleudert und dann krachend gegen die Felswandgerissen, an der er polternd zu Boden fiel.

    Das helle Kreischen in seinem Innern war ver-stummt. Das Gerusch des Aufschlages verhallte mitdem hellen Pfeifton des Spezialgeschosses.

  • 9 TERRA

    Leichenbla tauchte Trampol hinter dem schtzen-den Treppeneingang auf.

    Das ist aber eine sehr bemerkenswerte Sache,hustete Gantor. Es wird nur ziemlich warm aufdem Handrcken. Bist du sicher, da man bei die-sen Teufelsdingen nicht einen Spezialhandschuh tra-gen mu?

    O ja, natrlich, schluckte Trampol betroffen.Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Wie sieht erdenn aus?

    Ebenfalls bemerkenswert. Ich habe so das dumpfeGefhl, als brauchte ich das Gehirn nicht mehr auszu-bauen. Der Stahlbrocken ist in dem Gehuse herum-gejault, da es eine Pracht war. Da...!

    Er drehte die Maschine herum und steckte den Zei-gefinger in die ghnende Einschuffnung.

    Drei Millimeter Avron-Stahl, Alter!

    Schtzungsweise drfte ich bei zuknftigen Gele-genheiten keine 28 Projektile mehr bentigen, umeinen Diener unschdlich zu machen. Nebenbei ha-be ich festgestellt, da deren Stahlhlle wohl wegendes Gewichtes nur halb so dick ist. Ein Ausschu istaber nicht erfolgt. Die Vorderseite konnte das Geschowohl nicht mehr durchschlagen. Dafr ist es in demHohlraum spazierengegangen. Schwinden deine Krf-te?

    Leise schimpfend, zerrte Trampol an der leicht ver-bogenen Rckenplatte herum.

    Das mu doch aufgehen, keuchte er.

    Es, erfolgte ein heller Schlag. Die Platte flog auf, riin den Scharnieren mit einem kreischenden Ton ein,und der Alte lag lang auf dem Rcken.

    Mit einem wilden Blick starrte er auf den verlegenwerdenden Hnen, ehe er auer sich brllte:

    Zur Hlle! Habe ich dir nicht gesagt, du sollst aufdein Gehirn achten?

    Ich habe etwas zu intensiv gedacht. Entschuldigeschon. Die Sache ist gar nicht so einfach, und auer-dem habe ich wieder Schmerzen im Genick. Dein be-troffener Krperteil ist weniger edel, nicht wahr?

    Der drfte dich kaum etwas angehen! Deine al-bernen Spe sind in Wirklichkeit ekelhaft ernst. Ichdachte, es zerreit mir die Hand. Hast du schon ein-mal neben einem laufenden Massenkonverter gestan-den, he?

    Nur auf dem Mikrofilmstreifen, entgegnete Gan-tor mit verdchtig zuckenden Lippen.

    Lmmel, und nochmals Lmmel! Hilf mir gefl-ligst auf, ja!

    Der Alte wurde wieder ruhig, als er die unglaubli-chen Zerstrungen im Innern der Maschine sah. Dieschwere Speicherbatterie war total zertrmmert wor-den, und das Impulszielgert des Kampfroboters bil-dete ein Chaos. Das noch glhheie Avrongeschofanden sie schlielich im unteren Schaltblock des

    elektronischen Gehirns, und dort sah es auch nichtschn aus.

    Guter Gott, sthnte Trampol, so htte ich mir dasaber nicht vorgestellt.

    Lassen wir ihn liegen. Er war einmal. Komm!Gantor wute hinter sich einen total erschtterten

    Mann, dessen Bewutseinsimpulse ausnahmsweise soklar waren, da er sie mhelos erfassen konnte. Sei-ne telepathische Gabe hatte sich berraschend schnellausgebildet.

    Mitten auf den Treppen blieb er ruckartig ste-hen, und der nachdenklich sinnierende Wissenschaft-ler prallte gegen den muskulsen Rcken des groenMannes.

    Als er den Kopf wandte, war sein Gesicht erblat.In den Augen pulsierte das Irrlicht eines aufgewhltenGeistes, und das lie Trampol urpltzlich aufmerksamwerden. Bestrzt dachte er daran, da er sich diesmalnicht bemht hatte, seine Gedanken zu verbergen.

    So ist das also, Alter, kam es rauh aus der Kehledes Hnen.

    Du hltst mich demnach fr einen Mutanten!Warum? Wegen der Sache mit der Telekinese? Ant-worte!

    Trampol erschauerte unter dem wilden Blick, der inseinen Nackenwirbeln ein gelindes Schmerzgefhl er-zeugte.

    Antworte!Ja! sthnte der Alte. Ja, ich halte dich fr einen

    Mutanten. Nur bist du nicht krperlich, sondern aus-schlielich geistig mutiert. Du entwickelst Fhigkei-ten, die kein normaler Mensch in dieser Strke besit-zen kann. Ich finde das groartig. Warum bist du soaufgebracht?

    Seine verkrampfte Haltung lockerte sich, und dieLider klappten nach unten. Bin ich das?

    Natrlich! Was ist denn dabei? Hast du verges-sen, da diese Welt radioaktiv verseucht ist? DeineEltern hatten eine geringfgige Gene-Schdigung er-litten, was ja bei den Verhltnissen natrlich ist. Einegeistige Mutation im positiven Sinne ist mehr als un-gewhnlich. Sie ist direkt phnomenal. Du bist ein ab-solut vollwertiger Mensch, ich mchte sagen ein gott-begnadeter Mensch.

    Ein Mutant, ja! sagte er anomal ruhig, Gehenwir, Alter! Vergi es!

    Du wirst den kleinen Schock berwinden ms-sen, beschwor ihn Trampol. Auf Sirrah IV wird esimmer zu Mutationen kommen. Denke nur an die Er-zhlung des Ingenieurs. Ager nennt er sich. Seine Frauund sein Kind sind...

    Ja, ich wei! Ein Grund mehr, um das Robotgehirnund den ,Unfehlbaren zu hassen und zu vernichten.Ich werde nicht mig sein, Alter! Ansonsten vergies. Willst du?

    9. Kapitel

  • Die Vergessenen 10

    Ager wand sich in Schmerzen. Das Gescho hat-te die linke Hftmuskulatur durchschlagen. Der Aus-schu sah nicht schn aus. Die rote Kombination wargeschwrzt von den Rckstnden eines aus nchsterNhe erfolgten Schusses. Sein Blut quoll aus beidenSchuffnungen.

    Wo bleibt Gantor? Weit du, wo er ist? fragte Co-ra unruhig, whrend ihre schmalen Hnde den Kunst-stoff der Bekleidung von dem Krper des Verletztenstreiften.

    Ich habe laut gerufen, sehr laut, beteuerte 8456Fermer IV. Er sagte, ich sollte das tun.

    Wieso leuchten hier pltzlich die Wandleuchten?Auch die Luft ist ausgezeichnet.

    Er hat etwas entdeckt. Seine Stimme kam aus derDecke.

    Fermer deutete nach oben, und Coras Stirn begannsich zu runzeln.

    Bleiben Sie ruhig liegen, Ager, mahnte sie. DieBlutung mu aufhren. Wenn Gantor nicht helfenkann, mu ich wohl hinausgehen. Kentler hat Medi-kamente.

    Bleiben Sie hier, sthnte der grauhaarige Inge-nieur. Es ist sinnlos. Man wird die Wache schon ge-funden haben, und dann werden die Aufzge gesperrt.Bleiben Sie hier. Vielleicht hat er noch ber Funk IhreNummer durchgeben knnen.

    Sie lachte kalt und unpersnlich. Verzehrender Haleuchtete in ihren hellen Augen, die mit dem Glanzdes tiefschwarzen Haares zu wetteifern schienen.

    Ich bin nicht nur eine ziemlich gute Radio-Botanikerin, Ager. Fermer, rufe nochmals.

    Im gleichen Augenblick zuckte ihre Hand an die au-tomatische Pistole, die sie im Grtel ihrer Kombinati-on untergebracht hatte.

    Da ist Gantor und der Alte, rief Fermer von drau-en herein. Er stand in dem langen Stollen und winkteden rennenden Mnnern zu.

    Cora hrte seine hastigen Worte und die sonoreStimme des jungen Hnen. Agers Sthnen verstumm-te, als er den groen Plastikbehlter in dessen Handsah.

    Gantor nickte ihm stumm zu, und Trampol beugtesich ber die Wunde. Ohne nach deren Entstehung zufragen, erklrte er sachlich:

    Ein Mann, der 92 Jahre in der Wildnis gelebt hat,erwirbt sich einige medizinische Kenntnisse. Nichtschlimm, Ager. Das ist ein glatter Durchschu. DieBlutung werden wir stillen. Eine Infektion wird nichteintreten. Mach mal auf!

    Dem geffneten Behlter entnahm er zwei auto-matische Hochdruckspritzen, deren Inhalt er in AgersBlutbahn spritzte. Die Blutung lie sichtlich nach, undschlielich quoll kein Tropfen mehr hervor.

    Sehr sorgfltig reinigte er die Schuffnung undlie die Zellenkultur in die ffnung tropfen. PorseKunststoffstreifen verschlossen Ein- und Ausschu.

    In drei Tagen ist die Sache verheilt. Wollen Sie einschmerzlinderndes Mittel?

    Bitte, seufzte Ager.Aber aufpassen. Das Zeug setzt. Ihr gesamtes Ner-

    vensystem fr Stunden auer Ttigkeit. Sie werdennicht gehen knnen.

    Wieder spritzte er das Medikament in die Schen-kelmuskulatur, und Ager beruhigte sich nach wenigenMinuten.

    Gantor amsierte sich ber die verworrenen Gedan-kengnge des Mdchens. Woher haben Sie das? Ichdachte, Sie wren vollkommen mittellos von drauengekommen. Was ist mit dem Licht? Die Frischluft?

    Ich sehe, Sie haben weie Kombinationen mitge-bracht. Sogar mit Identifizierungsschildern, lchelteder Alte.

    Ich mchte eine Erklrung, beharrte sie.Sie scheinen zu vergessen, da mein Lehrer die-

    se Stollen und Nebenrume erbauen lie, fiel Gantorruhig ein. Natrlich gibt es hier ein Ausrstungslagerund auch eine Kraftstation. Dies haben Sie natrlichnicht finden knnen. Die Tr zur Zentrale besteht auseinem riesigen Felsblock. Das war unser Ziel, als wiruns zufllig trafen.

    Sie war malos berrascht, und als sie die schwerePistole sah, weiteten sich ihre Augen.

    Bei meinem Ha solche Waffen besitzen nurganz wenige Diener. Wirkt sie gut?

    Sie werden es erleben. Hat ein Diener schon je-mals mit einer atomaren Mikroladung innerhalb derStadt geschossen? Das interessiert mich.

    Ein unsinniger Gedanke, Gantor. Raketen-Explosivgeschosse gengen vollkommen. Es gingegegen die festen Grundstze des Gehirns, wenn hierein Strahlungsherd entstnde.

    Logisch und beruhigend. Dessenungeachtetscheint diese Maschine aber groen Wert darauf zulegen, die ohnehin strahlende Oberflche noch str-ker zu verseuchen. Etwa fnf Kilometer sdlich vonhier es knnen auch sechs sein gibt es eineAbschubasis fr schwere Kampfraketen mit Kobalt-Sprengkpfen. Wissen Sie das?

    Sie wurde bla.Also nicht. Wir haben vier Abschsse erlebt, und

    knapp 300 bis 400 Kilometer von hier entfernt kochtjetzt noch der Boden. Berggipfel wurden abgetragen,und ganze Massive unter dem Punkt Null wurden inpulverisierter Form in den Himmel gerissen. HabenSie nicht das dumpfe Grollen gehrt? Der Boden zit-terte sogar hier noch.

    Nein, nein, sthnte sie schwer. Das ist doch un-mglich...

    Es ist. Haben Sie es gehrt oder gesprt?Vor etwa achtzehn Stunden ging die Erschtterung

    durch die Stadt, flsterte Ager. Ich war im Robotvor-trieb Sd, wo eine neue Gewchshalle entstehen soll.

  • 11 TERRA

    Wir haben es gesprt, dachten jedoch, es wre ein na-trliches Beben. Die Erweiterung der Stadt soll vonnun an in nrdlicher und westlicher Richtung erfol-gen. Sdlich beginnt das vulkanische Gebiet.

    Das langt, Ager, lachte Gantor mit verkniffenenWangen. Ihr Beben war eine schwere Kernreaktionauf nuklearer Basis. Ich habe vor einer Stunde dieBerggipfel ber uns messen lassen. Die Gammara-dioaktivitt ist auf 63 Rntgeneinheiten angestiegen.Schwere Gewitter toben, und der Sureregen lt dennahen Urwald kochen. Wie fhlen Sie sich jetzt? Wasist geschehen?

    Wenn Sie auch sehr pltzlich ablenken, so mch-te ich trotzdem noch das Wrtchen ,Ha sagen, fiel123 Cora I bebend ein.

    Der ,Unfehlbare erlaubt sich ungeheuerliche Ver-brechen. Ohne seine Billigung wird das Gehirn keineAnweisungen geben. Ha, Gantor, nur noch Ha emp-finde ich.

    Ich habe es schon so oft gehrt, da ich meineneigenen bald vergesse, hhnte er. Der einzige Vor-teil des Hasses ist die Tatsache, da man dadurch sehrmunter bleibt.

    Und ob wir munter sind. Ich oh, was haben Siedenn da?

    Trampol hatte ein flaches Pckchen aus der Taschegezogen. Sein Lcheln war fein und wissend.

    Etwas, was aus einer von der Erde stammendenFrucht gewonnen wurde. Es ist lange her. Weiter nrd-lich wuchsen solche Kulturpflanzen. Das ist echte, rei-ne Schokolade, Cora, gut und einwandfrei erhalten ineiner sterilen Vakuumpackung. So etwas gibt es oben,verstehen Sie!

    Sie griff danach, und schon versetzte sie dem Alteneinen Schlag.

    Welche Vitamine sind das? Nhrkrftig?

    Gantor begann verhalten zu lachen. Trampolschnaufte mde:

    Geben Sie wieder her, Sie herzloses Wesen. Daswar frher eine ausgesprochene Luxusspeise. MeineFrau hat niemals nach den Vitaminen gefragt. GebenSie her.

    Nein, lachte sie mit blitzenden Zahnen, jetzt willich es genau wissen. Seien Sie nett.

    Evastochter, knurrte der Alte.

    Was meinen Sie damit? Oh, das ist aber wirklichfein. Schokolade sagt man also dazu! Ich bin gleichwieder zu sprechen, ja?

    Mit strahlendem Lcheln kauerte sie sich an denRand des flachen Lagers, ber das das eingefalleneGesicht des Ingenieurs zu geistern schien.

    Was gab es, Ager? fragte Gantor sanft. KnnenSie sprechen?

    Natrlich! Meine Schicht war beendet, und sosuchte ich Sober auf. Sie wissen ja, das ist der junge

    Techniker, Er wollte die beiden Kombinationen besor-gen.

    Er hatte sie?Ja. Die beiden Identifizierungsschilder hatte er

    mittlerweile von Kentler erhalten. Zwei Wachen sinddafr gettet worden. Wir brauchten die Blttchen mitden GM-Mikrofeldern. Es war sehr leicht, und die bei-den Burschen waren verhat, Sie starben oben im Be-zirk der vierten Kaste.

    Trampol schluckte mhevoll, und Cora knabbertevergngt ihre Schokolade.

    Sie sehen, da wir gar nicht so hilflos sind. Au-erdem hat das wieder zwei gute Pistolen eingebracht.Die Wchter waren natrlich bewaffnet, nicht wahr?Gantor wute pltzlich ganz genau, was man hier un-ter Ha verstand. Es war aber ein furchtloses Gefhl,solange es diese Leute nicht fertigbrachten, ihren To-desmut in die richtigen Bahnen zu lenken.

    Ach so! Daher haben Sie also Ihre Waffen. Einseltsamer Weg der Beschaffung, warf Trampol bitterein.

    Mein Gott, warum ist es nur soweit gekommen?Wissen Sie berhaupt etwas vom Schpfer aller Wel-ten? Kennen Sie seine Gebote, die hier und da tatsch-lich befolgt worden sind, obwohl man ansonsten fre-velte?

    Cora war sehr ernst, als sie beinahe feierlich ent-gegnete: Wir wissen es. Es wird in jedem Unterrichtgelehrt. In allen Bezirken stehen kleine Kapellen. Ichgehe oft hin.

    Die Auskunft lie Trampol auf einen Plastiksche-mel sinken, und auch Gantor ruckte auf.

    Religionskunde? Hier, in der Bunkerstadt? Wievereinbart sich das mit den Manahmen des ,Unfehl-baren? Wie kann er Wert darauf legen, Sie mit derAllmacht vertraut zu machen?

    Sie zuckte die Schultern, und ihr frohes Lchelnkehrte zurck.

    Gantor, darf ich du sagen?Der Alte begann im Sinne des Wortes zu grinsen,

    als er den blutrot anlaufenden Schdel seines Schlerssah.

    ,Der Lmmel hat wieder in ihrem Bewutsein ge-schnuppert, dachte er erheitert.

    Verwundert betrachtete Cora sein verlegenes Ge-sicht, und schon kam die Frage:

    Was ist denn? Du gefllst mir. Warum soll ich danicht du zu dir sagen?

    Trampol lachte, was ihm einen bitterbsen Blickeinbrachte.

    Achte auf dein Gehirn, murmelte er.Eh, ja. Cora, schon in Ordnung, stammelte Gan-

    tor. Ich, eh... ach ja, Ager, wie ging es weiter?Er wurde wtend, als er ihre berlegungen wahr-

    nahm. Demnach war er ein sehr seltsamer Mensch.Dann dachte sie an eine Kapelle und an einen alten,

  • Die Vergessenen 12

    dunkelgekleideten Mann. Das machte ihn unsicher.Wie waren doch die Bruche gewesen?

    Ich erhielt die Bekleidung von Sober, flsterteAger weiter. Es ging alles gut, bis ich auf das schnelleTransportband zur alten Stadt sprang. Cora wollte vorder Gewchshalle 13 warten, und ich kam auch nochhin. Da stand er pltzlich vor mir. Er trug den Funk-helm.

    Eine menschliche Wache?Natrlich. Er hielt mich an und griff zur Pisto-

    le. Was ich unter dem Arm htte, fragte er. Ich bliebstehen, und er gab ber Funk meine Nummer an dieWachzentrale durch. Ich sollte das Paket ffnen. Ichzgerte, und da richtete er seine Pistole auf mich. Erstand ganz nahe vor mir. Ich war schon verzweifelt. Daknallte es pltzlich. Er fiel und ri dabei seinen Abzugdurch. Er erwischte mich in der Hfte, und dann warschon Cora da. Sie brachte mich zur Gewchshalle.Fermer ffnete. Das war alles.

    Aufmerksam betrachtete Gantor den lchelndenMund des jungen Mdchens. Gelassen erklrte sie:

    Er war nicht sehr aufmerksam, und ich hrte sei-ne laute Stimme. Hier, im alten Stadtteil, sind fast nurGewchshallen. Niemand hat uns gesehen. Es ist un-mglich, da er noch meine Nummer durchgegebenhat. Er war sofort tot.

    Gantor regte sich ber die Auskunft nicht beson-ders auf; aber Trampol verfrbte sich erneut. Er hattebei der Mutantenhorde wirklich nicht viel gelernt. Sowaren Gantors berlegungen.

    Gut. Hren Sie, Ager, ich htte einen Vorschlag.Der Mann sah hoffnungsvoll auf.Wenn er Ihre Nummer durchgegeben hat, werden

    Sie jetzt schon gesucht. Sie knnen genausowenig zu-rck wie Fermer. Stimmt das?

    Natrlich! Ich mu hierbleiben. Wenn sie michfassen, bin ich zwei Stunden spter in der Auflsungs-kammer.

    Das werden Sie nicht sein. Mein Lehrer hat die ge-heime Zentrale geffnet und den Fusionsmeiler anlau-fen lassen. Das sehr groe Lager ist nahe dabei. Esenthlt beste Lebensmittel in konzentrierter und kon-servierter Form. Alles erstklassige Waren. Das Waf-fendepot ist berwltigend. Wissen Sie, warum ich Ih-nen das sage?

    Ich kann es mir ungefhr denken.Sehr gut. Diese Situation mit ihren Hilfsmitteln

    ist fr uns und auch fr die Widerstandsbewegung le-benswichtig. Es wre grundverkehrt, jeden in das Ge-heimnis einzuweihen. Es gengt schon vollkommen,wenn Trampol und ich darber informiert sind. Wrenes alle Leute, knnten wir aufgeben. Es drfte wohlnicht ausbleiben, da ab und zu jemand gefat undverhrt wird. Oder? Cora nickte stumm. Die leerePackung zerknllte in ihrer Hand.

    Schn, Ager. Da Sie nicht mehr hinaus knnen undSie glcklicherweise Ingenieur sind, mchte ich Ihnen

    whrend unserer Abwesenheit die Station anvertrauen.Ich wei, da Sie unbedingt zuverlssig sind. Quartie-ren Sie sich dort ein, und verraten Sie keinem einzi-gen Menschen den Zugang. Der ist nur dann zu fin-den, wenn man die ganzen Felswnde metertief her-aussprengt, und dann wre es noch fraglich. Sie ms-sen als ewiger Wchter dortbleiben. Sie knnen al-les sehen und hren. Alle Schaltungen liegen in IhrerHand. Der Trposten kann aufgegeben werden, da Sievon der Zentrale aus viel bessere Wachdienste leistenknnen. Auf den Schirmen sehen Sie jede Abteilungder ehemaligen Bunkerstation.

    Das ist der alte, winzige Stadtteil, warf Cora ein.

    Das habe ich schon bemerkt. Wir haben nur Ge-wchshallen sehen knnen. Interessant ist einzig undallein der sogenannte Pfortenbunker, der aber vonKampfrobotern und Energiesperren abgeriegelt wird.Wichtig ist er nicht, da wir einen besseren Weg zurOberwelt kennen. Dort ist keineswegs die Tunnelver-bindung zum Raumhafen. Also, Ager, wollen Sie dasmachen? Schweigen zu jedermann! Das ist kein Mi-trauensbeweis, sondern nur eine Vorsichtsmanahmein unserem Interesse. Wer nichts wei, kann auchnichts verraten. Die Pforte knnen Sie nach Beliebenffnen und schlieen. Sprechen knnen Sie mit denEintretenden auch. Nur nicht sagen, wo die Zentralezu finden ist. Sie sollen unseren Rckhalt bilden, ver-stehen Sie.

    Einverstanden, erklrte Cora impulsiv. Das isteine sehr gute Lsung. Wenn jemand verfolgt werdensollte, kann er aber wohl in die Zentrale gehen. Hinauskann der Betreffende dann sowieso nicht mehr. Erlau-ben Sie das?

    Trampol nickte, und auch Gantor erklrte sich ein-verstanden.

    In einem solchen Fall knnen Sie ffnen, Ager.Sonst aber nicht! Denken Sie immer daran. Fermer!

    Der schwere Mann aus der vierten Kaste sah auf.

    Willst du mit Ager gehen und auf seine Wundeachten? Du mut aber auch in der Zentrale bleiben.Wenn er schlft, kannst du wachen. Rufe ihn einfach,wenn du nicht selbst entscheiden kannst. Willst dudas?

    Wenn ich etwas falsch mache? Wirst du nicht.Willst du? Er war einverstanden. Whrend Trampolden Medikamentenbehlter schlo, stand Gantor sin-nend in dem kleinen Felsraum. Cora beobachtete ihnsehr aufmerksam, und als er seine zgernd kommendeFrage stellte, war sie nicht sonderlich berrascht.

    Cora, gibt es hier zwei wagemutige Mnner, die imInteresse der Sache bereit wren, ihr Leben zu riskie-ren?

    Zweihundert, wenn Sie wollen. Warum?

    Trampol strangulierte wieder seinen Bart. Er ahnteetwas.

  • 13 TERRA

    Sie haben doch hoffentlich daran gedacht, dengetteten Wachen die Kleidungsstcke auszuziehen.Oder irre ich mich?

    Ihr Atem kam pltzlich schwer, und die feinglied-rigen Finger begannen mit dem Griffstck der Pistolezu spielen.

    Natrlich! Wenn wir Zeit dazu hatten, haben wires getan. Wir haben schwarze Kombinationen schonbei verschiedenen Unternehmen benutzt. Was brau-chen Sie?

    Zwei dieser Kleidungsstcke, zwei Funkhelmeund zwei Mnner, die da hineinpassen. Wenn Sie kei-ne Maschinenpistolen mit normalen Geschossen be-sitzen, knnen Sie die aus unserem Lager bekommen.Die Leute mssen schnellstens hierherkommen. Kn-nen Sie das machen?

    Eine Kleinigkeit. Sober wird sofort bereit sein, undden zweiten Mann finden wir. Wollen Sie irgendwoeinbrechen? Brauchen Sie bestimmte Materialien?

    Man knnte so dazu sagen. Ich bentige die ge-naue Gehirnfrequenz meines Lehrers.

    Nein, wehrte Trampol entsetzt ab.

    Doch. Dein Bart mu ab. Ich denke nicht daran,die Sache lange aufzuschieben. Ich will wissen, woder Eingang zu dem geheimen Tunnel ist. Lagthal istdurchaus nicht unerreichbar, wenn wir hochwertigeKampfroboter auf unserer Seite haben.

    Kampfroboter? schrie Fermer entsetzt.

    Ja! Vierzehn dieser einzigartigen Maschinen ste-hen im Lager der Zentrale. Sie sind vollkommen inOrdnung. Die Speicherbnke knnen wir aufladen.Nur mu die Reaktions-Elektronik auf die Gehirnfre-quenz Trampols umgestellt werden, damit die Robotsauch auf seine Befehle reagieren. Meine Daten kom-men nicht in Frage, da sie hm etwas kompliziertsein drften.

    Trampol dachte an das mutierte Gehirn seines Sch-lers. Er hatte also erfat, da diese Werte kaum freine auf normale Frequenzbnder reagierende Robot-Elektronik in Frage kamen.

    Vierzehn Kampfroboter!

    Cora schnappte nach Luft, und ihre Begeisterungschien keine Grenzen zu kennen.

    Vierzehn Kampfroboter auf unserer Seite. Wir ma-chen mit, Gantor! Die beiden Mnner sind in spte-stens drei Stunden hier. Sie wollen natrlich zur Be-stimmungsabteilung fr elektronische Psycho-Physik.Nur dort gibt es einen Frequenzdetektor. Ein tollerPlan, Gantor!

    Wolltest du eigentlich nicht du sagen? fragte erstirnrunzelnd.

    Sie lachte. Ihre dunklen Augen waren verschleiert.

    Von nun an werde ich daran denken. Du willst alsowirklich? Welche Rolle spielst du dabei?

    Die eines Dieners, sagte er kalt.

    Trampol griff sthnend an seinen Schdel, und derVerwundete richtete sich erregt auf.

    Was hast du denn, Alter? hallte die sonore Stim-me erneut auf.

    Angst? Ich dachte, du wolltest unbedingt den Pla-neten verlassen. Die Raumschiffe der Stellar-Klassestehen aber nicht hier, sondern auf dem Raumhafenvon Lagthal. Der Bart mu ab.

    Ich bin sehr neugierig, wie er dann aussieht, sagteCora.

    Evastochter, knurrte der Wissenschaftler.

    10. Kapitel

    Trampol sah so aus, wie ein alter und total verng-stigter Mann eben aussieht. Er trug eine weie Kombi-nation der ersten Kaste, aber die Nummer und der Na-me auf seinem Identifizierungsschild waren nirgendsregistriert. Seine ebenfalls beschnittenen Haare lagenin einem dichten Kranz ber dem kantigen Schdel.Eine gewisse Nervositt brauchte er nicht zu heucheln.

    Die beiden Mnner in den schwarzen Kombina-tionen zeigten gleichgltige Mienen. Die anliegendenFunkhelme reichten bis an die Augen. Die Gesichterwaren dadurch irgendwie verndert worden.

    Gantor hatte den jungen Techniker namens Soberkaum erkannt, als er in dieser Wachuniform vor ihntrat.

    Der zweite Wchter war ein schwerer Mann mitnichtssagenden Zgen. Seine rote Kleidung war imStollen zurckgeblieben. Normalerweise hie er Be-sol; 4213 Besol II.

    Nun leuchtete auf seiner Brust ein Schild ohne Na-men. Es zeigte nur zwei verschiedene Nummern, daWchter niemals anders gekennzeichnet wurden. Dieschweren Maschinenpistolen der beiden Mnner re-deten eine deutliche Sprache. Zwischen ihnen standder kleine, hagere Wissenschaftler. Er wirkte wie einHufchen Unglck, und Sober schien oftmals bemhtzu sein, ein belustigtes Lachen zu unterdrcken.

    Trampols Augen weiteten sich berrascht, als sieden alten Stadtteil endgltig verlieen. Unvermittelttrug sie das schnelle Gleitband aus dem Bezirk deroberen Gewchshallen heraus. Vor ihnen ffneten sichbreite und hohe Stollen, die den Eindruck gepflegterVerkehrsstraen machten.

    Die Decken und die obere Hlfte der sauber mitRadiations-Plastik verkleideten Wnde leuchteten indem leicht gelblichen Licht. Die knstlichen Sonnenwaren berall zu sehen.

    Die Luft war rein und etwas scharf riechend. Nir-gends waren die sicherlich gewaltigen und vielflti-gen Rohrschlangen der Klimaanlagen zu entdecken.Wahrscheinlich liefen sie inmitten des starken Radia-tionsbelages, der von keiner Gammastrahlung durch-drungen werden konnte.

  • Die Vergessenen 14

    Die vier oberen Stockwerke der Stadt gehren dervierten Kaste, murmelte Sober, ber die Schulternach hinten.

    Lcheln Sie ganz leicht. Nehmen Sie eine mg-lichst unbeteiligte Haltung an, und verzichten Sie aufjede berflssige Bewegung. Etwas starr wirken. Dasist die Art der Diener, wenn sie der Meinung sind, siemten sich nicht mehr so geben wie ein Mensch. IhrOpfer haben Sie ja gefat, nicht wahr?

    Gantor stand hinter ihnen auf dem Transportband,das sie in rascher Fahrt durch den unendlich erschei-nenden Hauptstollen trug. berall zweigten Neben-korridore ab, und riesige Hallen tauchten in regelm-iger Folge auf. Teilweise waren sie so gro, da mandas andere Ende nicht sehen konnte. Dort hing immernur eine einzige Kunstsonne im Zentrum der unsicht-baren Felskuppel.

    Nur selten sahen sie zwischen den wimmelndenMassen der Gelbgekleideten eine andersfarbige Kom-bination auftauchen. Zumeist waren es Leute aus derdritten Kaste, deren grne Overalls deutlich erkennbarwaren.

    Aufseher, Vorarbeiter und Gehilfen aus den Vertei-lerzentralen der Klimaanlagen, erklrte Sober leise.Passen Sie auf. Hinter uns sind einige Leute auf dasschnelle Band gesprungen.

    Gantor wandte blitzschnell den Kopf. Die Bewe-gung glich der Reaktion eines Roboters.

    Die drei gelbgekleideten Mnner wurden leichen-bla. Sie bemhten sich, ja nicht auf den Mann in derweien Kombination zu achten. Die Frau in der gel-ben Kombination umklammerte die Hand eines ver-stndnislos blickenden Kindes. Verzweifelt bemh-te sie sich, die Aufmerksamkeit des Jungen von derhochgewachsenen Gestalt abzulenken.

    Gantor erkannte aus dem Bewutseinsinhalt, daman ihn unter allen Umstnden fr einen Diener hielt.Seine auf die erste Kaste hinweisende Kleidung spieltedabei keine Rolle, da Diener in jeder Farbe auftauch-ten. Bestimmend fr die Vermutung waren die beidenWchter, die soeben die Oberarme des zwischen ih-nen stehenden Mannes umfaten. Es war die Art derDiener, immer hinter den Opfern zu bleiben.

    Gut gemacht, hauchte Sober. Niemals neben unsgehen. Springen Sie jetzt geschickt. Wir mssen aufdas Abgangsband wechseln. Direkt hinter dem rotenLeuchtschild.

    Sie glitten in einen gigantischen Felsdom hinein.Hoch oben hing die strahlende Kunstsonne voll grel-ler Weiglut. Hohe Gebude tauchten auf, und mankonnte fast vergessen, sich in einem schon zweihun-dert Meter unter dem Gebirge liegenden Teil der Stadtzu befinden.

    Der Dom hallte von den Stimmen der Tausendenwider. Hier schien ein Vergngungszentrum fr dieprimitiven Massen der vierten Kaste eingerichtet zu

    sein. berall lockten die buntbeleuchteten Trffnun-gen riesiger Sle, aus denen grlende Organe aufklan-gen. Das Gehirn schien in der Hinsicht sehr groz-gig zu sein, und auch der Unfehlbare war wohl derMeinung, diese Vergngungshallen dulden zu mssen.

    Sie sprangen von Band zu Band. Jedes lief langsa-mer. Von dem letzten konnten sie bequem den Bodenerreichen.

    Sie standen unmittelbar vor den gewaltigen Wohn-blocks, deren architektonischer Aufbau einfach, aberbestechend in der Linienfhrung war.

    Weiter vorn drang der Dunst synthetischerNahrungsmittel aus den weiten Toren einesGemeinschafts-Speisesaales. Gantor bemerkte Hun-derte von Mnnern und Frauen aus der vierten Kaste.

    In Schlangen passierten sie den Eingangsautoma-ten, dessen E-Gehirn sorgfltig die Magnetstreifen frdie Essenausgabe abtastete.

    Die lachenden Gesichter wurden ernst, und dieGesprche verstummten, a* die beiden angeblichenWchter mitten auf der Strae zu den Aufzugsschch-ten schritten. Trampol ging mit gesenktem Kopfzwischen ihnen, und Gantor folgte mit gemessenenSchritten.

    Man wich dem kleinen Trupp aus, wo er nur auf-tauchte. Hinter ihm klang ein dumpfes Raunen auf,und gelegentlich wurde ein unbeherrschter Ausruf desHasses hrbar.

    Dicht vor dem weiten Gitter des Massen-Aufzugesstanden drei Leute in schwarzen Kombinationen.Trampol begann keuchend zu atmen, und Sober fl-sterte unterdrckt:

    Nicht nervs werden. Wenn die unsern Diener er-kennen, werden sie niemals eine Frage stellen. Auf-passen, Gantor.

    Im Arm des anderen Mannes pendelte die schwereMaschinenpistole. 4213 Besol II griff gelassen nachdem schwenkbaren Arm des Mikrophons und schobes vor seinen Mund. Es sah so aus, als gbe er eineFunksprechmeldung an seine Zentrale durch, obwohldas bei dem abgeschalteten Helmgert schlecht mg-lich war.

    Die drei echten Wchter hatten neugierige Augen.Sie trugen keine Maschinenwaffen, sondern nur nor-male Automatpistolen.

    Dicht vor den Aufzugsschchten begann Gantor mitseinem Spiel. Sober zuckte zusammen, als hinter ihmeine laute und kalte Stimme aufklang.

    Warten Sie, Wchter.

    Trampol stockte mitten im Schritt, und die Hndeseiner Begleiter klammerten sich wieder um seine Ar-me.

    Gantor hrte seine Atemzge, als er gelassen undin etwas steifer Haltung auf die drei Wachen zuging.Sie wechselten einige blitzschnelle Blicke, und schonnahmen die Krper eine gewisse Haltung an.

  • 15 TERRA

    Dicht vor ihnen blieb Gantor stehen, und wiederklang die eisige Stimme auf. Aufzug Nummer sie-ben anhalten, rumen und die Leute auf die anderenSchchte verteilen. Sofort!

    Die Wachen in den schwarzen Kombinationen zeig-ten flackernde Augen in betont beherrschten Gesich-tern, Gantor lftete mit einer winzigen Handbewegungdie Kleidung an. Im Ausschnitt des Overalls wurde dieschwere MK-Pistole mit dem charakteristischen Laufsichtbar. Wortlos drehte er sich um und ging zu sei-nen Leuten zurck. Drei Wchter begannen zu brllen,sprangen eilfertig in den berfllten Aufzug und trie-ben die Gelbgekleideten mit gezogenen Waffen her-aus. Der Diener hatte sofort gesagt!

    Groartig, hauchte Sober erschttert. Wohernehmen Sie die Nerven? Auf welche Abteilungschalten? rief einer der Mnner seinem angeblichenKollegen zu. Er hatte die Hand schon an den Schalt-knpfen des Automaten. Erstes Gescho in der zwei-ten Kaste, gab Besol gleichmtig und etwas gelang-weilt zurck. Beeilt euch.

    Sie schritten durch murrende Massen und betratenden riesigen Korb.

    Danke, sagte Gantor freundlich, als er die Wch-ter passierte.

    Sie nahmen wieder Haltung an, und schon scho derfr fnfzig Menschen berechnete Aufzug in die Tiefe.

    Trampol wischte sich den Angstschwei von derStirn, und die anderen Mnner begannen vergngt zulachen.

    Wir kommen 600 Meter tiefer. Die Stockwerkeder dritten Kaste durchfahren wir. Im ersten Stock-werk liegt die Bestimmungsabteilung. Dort werdenalle mglichen Untersuchungen vorgenommen, vor-dringlich an den Neugeborenen. Dort mssen Sie auf-passen. Wir knnten Wachrobotern begegnen, aber diesind ja leicht erkennbar. Keine Umhllung.

    Der Korb hielt mit einem harten Ruck, und das Git-ter ffnete sich. Eine Automatenstimme qukte das be-treffende Stockwerk, und schon standen sie in einergroen Halle.

    Hier waren die Gerusche gedmpfter. PrchtigeGebude von leicht abstrakten Formen begrenzten dieVerbindungsstraen. Weiter hinten wurde der Summ-ton einer schweren Maschine hrbar.

    Unfalich, flsterte Trampol. Was ist nur ausder Bunkerstation geworden. Wieviel Menschen lebenhier?

    Hunderttausend, erklrte Sober. Es werden baldmehr sein. Die Erweiterung ist kein Problem, wohlaber die Ernhrung. Wir sind in den Bezirken derzweiten Kaste. Weitergehen, nicht aufhalten.

    Treibe es nicht auf die Spitze, zitterte Trampol,als Gantor unvermittelt auf den tropfenfrmigen Wa-gen zuging.

    Er stand anscheinend in Bereitschaft, Auer demFahrer saen zwei Wchter in dem offenen Gefhrt.

    Blitzschnell sondierte er ihren Bewutseinsinhalt,und so erfuhr er, da sie von den Wachen im Bezirkder vierten schon informiert worden waren. Er erkann-te auch, da der Streifenwagen augenblicklich nichtim Einsatz war.

    Dicht davor blieb er stehen. Auch diese Wchterzeigten betont gefate Gesichter, aber hinter den Stir-nen lauerte die Angst.

    Ich bemerke, da Sie augenblicklich nicht ge-braucht werden, klang seine Stimme auf.

    Bringen Sie uns zur Bestimmungsabteilung, Laborfr elektronische Psycho-Physik. Sie bleiben hier. DerFahrer gengt.

    Die Wachen sprangen aus dem Wagen, und Tram-pol wurde unsanft hineingestoen. Gantor federte miteinem so spielerisch wirkenden Satz auf die hintereSitzbank, da die Mnner noch nervser wurden. Waswuten sie von der gesthlten Muskulatur des unterMutanten aufgewachsenen Mannes!

    Leise summend ruckte das Fahrzeug an, bog ineinen Hauptstollen ein und scho dann mit hoher Fahrtnach Sden.

    Gantor sprach keinen Ton mehr. Der Fahrer htetesich, nur einen Blick nach hinten zu werfen.

    Sie kamen in eine andere Riesenhalle. Die dorti-gen Gebude vermittelten den Eindruck von groz-gig angelegten Labors. berall waren weigekleideteMnner und Frauen zu sehen. Sobers Gedankengn-gen entnahm er, da diese Wissenschaftler und Tech-niker in den vielen Labors der Bestimmungsabteilungarbeiteten. Die Leute beherrschten sich meisterhaft,aber ihre Gefhle wurden beim Anblick der Wachensehr unfreundlich.

    Sober lchelte dnn. Dann hielt der Wagen voreinem hohen Gebude. Die Leuchtschrift wies dar-auf hin, da es sich um die Labors fr elektronischePsycho-Physik handelte.

    Sie warten hier, befahl Gantor kalt, und der Fah-rer nickte stumm. Leise verstummte der von einerSpeicherbank gespeiste E-Motor.

    Sober verhandelte schon mit einem weigeklei-deten Mann, dessen Stirn von einem hauchdnnenSchweifilm bedeckt wurde.

    Aber doch nicht sofort, wandte er unsicher ein.Wir sind bei der Erfassung von tausend Neugebo-renen. Der ,Unfehlbare verlangt die Daten in sechsStunden.

    Das Wort stockte in seinem Mund, als er den Hnennher kommen sah.

    Ich wnsche die sofortige Feststellung seiner Ge-hirnfrequenz. Ich gebe Ihnen eine halbe Stunde Zeit.

    Der Wissenschaftler gab wortlos den Weg frei, undzehn Minuten spter standen sie in einem hellbeleuch-teten Saal.

  • Die Vergessenen 16

    Fieberhaft kontrollierte Gantor die Bewutseinsim-pulse der Anwesenden. Es waren zumeist Angehri-ge der ersten Kaste. Die wenigen Grngekleideten ausder dritten Kaste schienen kleine Hilfsdienste zu ver-richten.

    Er stand hochaufgerichtet und vollkommen re-gungslos an der Wand. Es gab niemanden, der ihnnicht fr einen Diener gehalten htte.

    Trampol begann planmig zu schreien, als er vonSober und Besol zu der dunkel schimmernden Maschi-ne geschleppt wurde.

    Die Wissenschaftler beherrschten sich meisterhaft;aber ihre Empfindungen waren eine Studie fr denscharf beobachtenden Telepathen. Besonders eine l-tere Frau mute sich mhevoll beherrschen, um nichtunbedachte Worte zu sagen.

    Sie erblate, als Gantors kalte Stimme durch denSaal klang:

    526 Elva I... Ihr Verhalten ist ungewhnlich. Siemelden sich noch vor Einschaltung der Nachtperiodeauf der nchsten Robot-Wachstation.

    Ja jawohl!, entgegnete die Frau mit bebendenLippen. Die Zuhrer wurden pltzlich sehr diensteif-rig, da Gantor mit einer kurzen Bewegung seine Waf-fe unter der Kleidung hervorzog und sie lssig in dieRechte nahm. Niemand bersah den abgestuften Lauf.

    Beeilen Sie sich, befahl er den beiden Wchtern,die Trampol nach den Anweisungen eines Wissen-schaftlers auf den metallischen Stuhl setzten.

    Klammern schnappten ber seine Gelenke. DerSchdel wurde von einer nichtmagnetischen Kunst-stoffhalterung in eine aufrechte Lage gebracht.

    Summend senkte sich die Metallhute ber seinenKopf. An dem weiter rechts stehenden Robotautoma-ten zuckten Kontrollampen auf.

    Der Frequenz-Detektor arbeitete nur drei Minuten.Das Meergebnis glitt in der Form eines gestanztenLochstreifens aus der Maschine. Ein anderer Wissen-schaftler tippte den Wert in die Tastatur eines anderenelektronischen Rechengertes.

    Taumelnd kam Trampol von dem Stuhl hoch, nach-dem die Haube seitwrts geglitten war. Sie schlepptenihn wieder zu Gantor, und da raunte Sober leichen-bla:

    Verlangen Sie ja nicht den Streifen mit der Klar-schrift. Ein Robot lt sich nur die Zahlengruppen sa-gen. Er vergit sie nie. Verflucht, das kann ich niemalsbehalten.

    Auf dem Fluor-Schirm des groen Rechengertestauchten fnf verschiedene Zahlengruppen auf. Diekleinste bestand aus sechs Zahlen.

    Der auswertende Wissenschaftler trat zurck unddeutete auf den Schirm.

    Das Ergebnis. Kontrolle ist erfolgt. Messung isteinwandfrei.

    Gantor trat einige Schritte nher. Seine Augenschienen sich an dem Schirm festzusaugen. Er nahm

    die Zahlen so mhelos in sein Gedchtnis auf, wieer frher Trampols Lehrfilme und Mikrobnder erfathatte.

    Danke, ich habe die Zahlen, erklrte er zur ma-losen berraschung der angeblichen Wchter. Tram-pol begann trocken zu husten, und Gantor ordnete an:

    Leuchtschirm abschalten. Kontrolle. Nehmen Sieden Zahlenstreifen zur Hand.

    Unter dem Schweigen der anderen Personen rassel-te Gantor die vielen Zahlen herunter.

    Stimmt genau, erklrte der Elektronik-Psychiater.Haben Sie noch bessere Wnsche?

    Die Ergebnisse der beiden Maschinen sind aus de-ren Registrationsschaltung zu lschen. Sofort!

    Der Mann sah sich ungewi um. Er blickte nur inausdruckslose Gesichter. Es war mehr als ungewhn-lich, da einmal ermittelte Daten normalerweise an dasGehirn weitergeleitet wurden.

    Nun?

    Der Mann aus der ersten Kaste zuckte zusammen,und schon huschten seine Hnde ber die Knpfe. Inden Gerten summte es, und auf den Fluorschirmenerschienen gleichzeitig die beiden Schriftbilder:

    Test 346 gelscht. Vermerk ist erfolgt. Weiterge-schaltet auf laufende Nummer 347.

    Danke, lchelte Gantor.

    Sober verstand die Handbewegung. Trampol wurdewieder erfat, und in dem Augenblick trat das jungeMdchen in der grnen Kleidung der dritten Kaste ein.

    Ihr Blick war interesselos. In den Hnden hielt sieeine flache Schssel mit einer rtlichen Flssigkeit.

    Als sie Gantors Spezialwaffe erblickte, fuhr geradedas erste Gescho aus dem flammenden Lauf.

    In der Luft hing das schrille Heulen eines mit irr-sinniger Geschwindigkeit fliegenden Projektils. Derdrhnende Aufschlag wurde hrbar, als die Mikrora-kete das Ziel erreicht hatte.

    Gantor hllte den Diener in den brllenden Or-kan detonierender Sprengkrper. Aus dem sthlernenLeib brach eine orangerote Gasflamme, von derenWucht die einzelnen Fragmente zerreiender Schal-tungen nochmals unterteilt wurden.

    Eine Wand des groen Saales zerbarst unter demgrollenden Donner des ersten Geschosses, das amStahlkrper des mit unfalicher Schnelligkeit ausge-wichenen Robots abgeglitten war. Dafr hatten diebeiden anderen Mikro-Raketen im Ziel gesessen.

    Menschen schrien. Die Nachwehen der Druckwellefetzten an den Kleidungsstcken.

    raus, schrie Besol, gleichzeitig den Wissen-schaftler auf die Beine reiend.

    Hinter Gantor hmmerte Sobers Maschinenpistpleauf, und die beiden pltzlich aufgetauchten Wachenverloren das Leben.

  • 17 TERRA

    Gantor rannte mit weiten Stzen durch den langenGang. Der Fahrer war beim Hall der ersten Detonatio-nen aus dem Wagen gesprungen. Seine Waffe drohte.

    Gehen Sie hinein, rief ihm Gantor zu. Der Ge-fangene ist entflohen. Gehen Sie.

    Der Mann sprang eilig die breiten Stufen hinauf,und schon erklang das dumpfe Hmmern einer Ma-schinenwaffe. Er war gewesen.

    Sober schwang sich atemlos hinter das Druckknopf-steuer, und der schwere Wagen ruckte mit aufheulen-der E-Maschine an.

    Verstrte Wissenschaftler rannten zur Seite, und daschrie Gantor:

    Die Sirene einschalten. Na los!Ziehen Sie sich um, brllte Besol zurck, und

    Gantor tauchte mit dem Alten hinter der breiten Pla-stiklehne der vorderen Sitze unter. Die brllende Sire-ne schaffte ihnen Platz. Als sie in einen breiten Stolleneinbogen, wurde sie wieder abgeschaltet.

    Hastig zerrten sie sich die weien und schwarzenKombinationen von den Krpern. Darunter erschiendie rote Kleidung der Leute aus der zweiten Kaste.In einem menschenleeren Nebenkorridor lieen sieden Wagen stehen, und Augenblicke spter standensie auf dem schnellen Transportband der Hauptverbin-dung zum Wohnbezirk.

    Die vielen Menschen waren noch vollkommen ah-nungslos. Niemand achtete auf die vier rotgekleide-ten Mnner, die anscheinend munter plaudernd auf dieQuerverbindung berwechselten, wo sie endgltig inder Masse verschwanden.

    Trampol wischte sich den Schwei von der Stirn,und Sober fragte atemlos:

    Woran haben Sie nur den Diener erkannt?Dieser dachte zuviel, wissen Sie! Seine Elektro-

    nik arbeitete auf Hochtouren, und das gefiel mir nicht.Wo ist Ihre Wohnung, Sober? Kommen wir noch gutdurch?

    Menschliche Wachen gehren meistens zur drit-ten Kaste. Die Leute denken nicht sehr schnell, undauch die Roboter sind nicht allwissend. Hier untenleben zwanzigtausend Menschen. Sie sollen uns fin-den. Einen Aufzug brauchen wir jetzt nicht zu benut-zen, da ich in diesem Stockwerk-Sektor wohne. Erfah-rungsgem werden die jetzt stillgelegten Aufzge insptestens vier Stunden wieder dem Verkehr freigege-ben. Dann werden wir weitersehen. Haben Sie nochdie Zahlen im Kopf?

    Gantor nickte nur, und Trampol hauchte:Ich mchte mich gern etwas setzen.Wir sind gleich da. Allerdings mssen wir getrennt

    gehen. Wenn vier Mnner meine Wohnung betreten,knnte das auffallen. In dem Block leben rund 500Menschen. Wenn wir nacheinander eintreten, wirdniemand Verdacht schpfen. Ich habe da meine Erfah-rungen. Gantor, wie war das mit dem Diener? Wiesokonnten Sie...!

    Nein, nicht! Fragen Sie nicht. Ich wute es eben.Achten Sie auf Ihre Waffe. Sie drfte sehr kostbarsein.

    11. Kapitel

    78 Kentler I besa nicht nur das Recht der Alle-inspeisung, sondern auch das Privileg zur Benutzungeines dreirdrigen Elektrowagens. Er war der Chefder mathematischen Prfstelle zur berwachung derEnergieversorgung.

    Fast lautlos summte der Wagen durch die stillen Be-zirke der ersten Kaste. Sie befanden sich 1200 Meterunter dem Meeresspiegel und damit auf der tiefstenSohle der Stadt.

    Hier war alles sehr ruhig. Die kleinen Wohnhu-ser der Wissenschaftler zeugten von einer sorgfltigenPlanung des Gehirns. Die Speisesle waren in lich-ten Farben gehalten. Die Hydro-Grnanlagen mittenin den groen Felshallen dienten nicht nur der Ernh-rung. Es war ein gewaltiger Unterschied zu den men-schenwimmelnden Stockwerken der vierten und drit-ten Kaste.

    Sie bogen in den Verbindungsstollen ein, dessenLeuchtzeichen den Weg nach Sden andeuteten. Ander Wand liefen nur schmale Transportbnder, und diewenigen, darauf reisenden Menschen achteten kaumauf den kleinen Wagen.

    Sie gehen ein Risiko ein, Kentler, meinte Gan-tor sachlich. Ich htte die sogenannte verbotene Zoneauch allein finden knnen.

    Sie irren sich, junger Freund, wehrte der alteMann ab. Gerade hier unten beginnt ein wahrer Irr-garten. Weiter vorn wird an den Vortrieben zur Er-weiterung der Stadt gearbeitet, und auerdem mndenhier die schnellen Rohrbahnen, die uns mit dem na-hen Meer verbinden. Sie wissen, da wir dort gigan-tische Tiefseeanlagen zur Planktongewinnung erbauthaben?

    Ja, ich bin informiert. Hoher Gehalt an Protein undKohlehydraten, nicht wahr?

    Sicher; aber wir werden bald darauf verzichtenknnen. Der ,Unfehlbare mchte nun endgltig zurNahrungsmittel-Herstellung auf der Basis der knstli-chen Photosynthese bergehen. Es sind gute Entwick-lungsarbeiten geleistet worden.

    Mir gefiele ein natrlicher Anbau mit landwirt-schaftlichen Robotmaschinen besser, grollte Gantor.Wir mssen nur von diesem Hllenplaneten weg-kommen. Ahnen Sie berhaupt, wie es oben aus-sieht? Sie sollten einmal die Nase aus dem Notaus-gang stecken.

    Ich glaube, ich wrde es nicht berleben, lachteKentler unsicher. Ist es wirklich so schlimm?

    Vorsicht!

  • Die Vergessenen 18

    Kentler hielt ruckartig den Wagen an. Aus einemhier mndenden Nebenstollen kam mit lauten Hup-tnen eine gigantische Maschine auf breiten Raupen-ketten hervorgekrochen. Auf dem offenen Fhrerstandsa ein plump geformter Ingenieur-Roboter, dessenAufmerksamkeit ungeteilt auf die Maschine gerichtetwar.

    Es dauerte Minuten, bis das Ungetm in einem an-deren Gang verschwunden war.

    Eine Gesteinsfrse, erklrte Kentler. Im Grun-de genommen eine mchtige Kraftstation auf Rau-penketten. Gravitationsmagnetische Druckfelder zer-pulvern das Gestein. Die Maschine saugt die Parti-kel an, vergast sie im nuklearen Thermobrenner undstt die glhenden Schwaden durch Spezialleitungenan die Oberflche. Eine gute Lsung zur Beseitigungdes Schutts.

    Ich wrde mir eine besorgen, wenn es eine Mg-lichkeit zum Tunnelbau nach Lagthal hinber gbe.Das ist aber aussichtslos. Ah...!

    Der Wagen glitt in eine groe Halle hinein. Wachenwaren nirgends zu sehen, doch dafr stach das helleRot eines ganz gewhnlichen Absperrungszaunes insAuge.

    Er trennte die vollkommen leere Felshalle in zweiTeile. Blau fluoreszierende Leuchtschilder wiesen ein-dringlich darauf hin, da das Betreten der Energiezen-trale mit grter Lebensgefahr verbunden wre.

    Hinter dem Gitterzaun ghnte die ffnung einesStollens. Aber diese ffnung war von einem blaugrnschillernden Energieschirm verhangen, dessen hoch-gespannte Dichte an dem zarten Flackern erkennbarwurde.

    Das gravitationsmagnetische Feld, an sich energe-tisch wesenlos, erlaubte den freien Durchblick auf ei-ne titanische Halle, von der aber nur ein winziger Aus-schnitt zu sehen war. Im Blickfeld erschien der wrfel-frmige Riesenblock eines berschweren Fusionsmei-lers, dessen violette Stromleiter-Schirme in ihrer rh-renhaften Form den Durchflu unfalicher Gewaltenverrieten.

    Weit hinten donnerte eine Speicherbank von si-cherlich enormen Ausmaen, und das Arbeitsgeruschleistungsfhiger Umformer zur Verwandlung thermi-scher Energien in brauchbare Elektrizitt erfllte imwummernden Arbeitstakt den Hallendom der. Ener-giezentrale. Hier schlug das Herz der unterirdischenStadt. Nach Trampols Aussagen aber war diese Stationnur ein lcherliches Nichts gegen die Kuppelzentraleauf Lagthal.

    Ich kann nicht anhalten, sagte Kentler laut. Be-obachten Sie schnell, und machen Sie sich ein Bild.

    Nur etwas langsamer fahren. Das gengt mirschon.

    In Gantors Nacken zuckten wieder die grausamenSchmerzen auf. Sein verzehrender Ha gegen alles,was mit der seelenlosen Willkr einer Robotmaschine

    und dem despotischen Verhalten eines einzelnen Men-schen identisch war, realisierte und ballte sich in derKraft seines Willens.

    Der Energieschirm begann zu flackern. Das irr-lichternde Huschen feiner Linien gebar aufklaffendeBruchstellen im festen Gefge. Das dumpf heulendeArbeitsgerusch des unsichtbar in der Felswand ein-gebauten Massenkonverters sank zu einem flatterndenJaulen ab, und der GM-Schirm fiel noch tiefer in sichzusammen.

    Das war der Augenblick, in dem Kentler den Wagenmit summender Maschine auf den nchsten Quergangzurasen lie. Gantor sank mit einem tiefen Sthnen insich zusammen. Sein Kopf wre schwer auf die Ar-maturen geschlagen, wenn ihn der Mathematiker nichtaufgefangen htte.

    Seine Glieder wollten ihm nicht mehr gehorchen.Es war, als wre sein gesamtes Nervensystem in Un-ordnung geraten, nachdem es sich Sekunden vorher inwahnwitziger Kraftentfaltung verausgabt hatte.

    Kentler lie den Wagen in den Hauptverbindungs-Stollen der unteren Sohle einbiegen. Total verkrampft,geschttelt unter dem Ansturm seiner undefinierbarenGefhle, schlo er sich einem anderen Fahrzeug an, indem ein frhlich lachendes Paar in weier Kleidungsa.

    Die junge Frau hatte ihn erblickt und winkte ihm la-chend zu. Kentler mute sich zusammenreien, als erder bekannten Biologin ein Lcheln schenkte.

    Gantors schwerer Krper war langsam von denSchaumplastikpolstern gerutscht. Sthnend lag er aufdem Kunststoffboden des Wagens. Der summende E-Motor schien ihm unsgliche Qualen zu bereiten.

    Stellen Sie das doch ab, kam es geqult ber be-bende Lippen. Ich sehe den Elektronenstrom in denDrhten.

    Ruhig, nur ruhig bleiben, beschwor ihn der Ma-thematiker. Das geht bald vorber. Wie haben Sie dasnur gemacht? Ich sah Ingenieurroboter im eiligen Laufnher kommen. Die Maschinen haben sofort reagiert,als die Leistung des Massenkonverters so pltzlich ab-fiel. Wie haben Sie das gemacht, Gantor? Das ist jaunheimlich! Wenn ich das Grauen nicht schon gelernthtte, so wre es mir soeben beigebracht worden.

    Der Hne sthnte nur. Langsam gewann er die Ge-walt ber seine Glieder zurck, und da drngte Kentlerauch schon:

    Sie mssen sich unbedingt aufrichten. Wir kom-men in belebte Straen. Wir knnten sonst von einerStreife angehalten werden. Man ist sehr um das Wohl-ergehen der ersten Raste besorgt, und Sie gehren lautKleidung ja dazu. Aufrichten, schnell!

    Schwankend kam Gantor hoch. Der Fahrtwindstrich ber sein schweinasses Haar, und das geister-bleiche Gesicht gewann nur ganz langsam die gesundeFarbe zurck.

  • 19 TERRA

    Es wre nicht so schlimm geworden, wennich nicht die Eingangspole der drahtlosenHochspannungs-Stromleiter htte suchen mssen. Eswar schwer, da der Konverter mit wenigstens fnfzig-tausend Kolivolt arbeitet. Es entstehen Nebenfelder,und die haben mich angegriffen. Es war etwas zuviel.

    Bei den Worten glttete sich seine Wangenmusku-latur, und verhalten lchelnd setzte er hinzu:

    Bei der nchsten Gelegenheit werde ich mich nichtverzetteln. Das GM-Feld ist unglaublich stark. Darinwird jeder Krper zerpulvert, vorausgesetzt, es brichtvorher nicht zusammen.

    Sie fuhren an einem in Bereitschaft stehenden Strei-fenwagen mit menschlichen Wachen vorbei. Niemandkmmerte sich um die beiden Weigekleideten, zumalaus den Rennummern der Wchter hervorging, da essich um Leute der zweiten Raste handelte.

    Kentler bemerkte Gantors prfenden Blick, und somurmelte er:

    Nicht hinsehen. Das mgen sie nicht. In unseremBezirk setzt man Leute mit hherer Intelligenzquoteein. Wir erscheinen dem ,Unfehlbaren recht gefhr-lich. Verhalten Sie sich nun vollkommen unauffllig.

    Der Wagen glitt in eine Halle von gewaltigen Aus-maen hinein. Selbst die tragenden Felssulen warensauber mit Kunststoffen verkleidet. Die ganze Anlagewirkte wie ein groer Park. Hier standen die kleinenRundhuser der fhrenden Wissenschaftler. Es war dieHalle der Intelligenz.

    Kentler lenkte das Fahrzeug durch das automatischaufgleitende Tor hindurch und hielt es unter dem trans-parenten Vordach an. Die Kunstsonne begann langsamzu verblassen, da das zentrale Steuergehirn der Ener-giestation die neunstndige Nachtperiode einzuleitenbegann.

    Nur die Wnde glhten in einem grnlichen Fluo-reszenzlicht. In den einzelnen Rundbauten flammtendie separaten Beleuchtungen auf. Noch nicht einmalden Menschen der vierten Kaste wurde eine bestimm-te Ruhezeit vorgeschrieben. In dieser Hinsicht schi-en der Unfehlbare ausnahmsweise einmal vernnf-tig zu sein.

    Diese Tatsache gengte jedoch lngst nicht, umhunderttausend Menschen zu befriedigen. Sie lebtenin einer immerwhrenden Spannung, was vordringlichauf die Angehrigen der ersten und zweiten Kaste zu-traf.

    Sie fuhren mit der offenen Liftplattform nach oben.Vor Gantor ffnete sich der kleine Vorraum des luxu-ris eingerichteten Hauses. Kentler verfgte als Ein-zelperson ber drei groe Zimmer mit Robotbad undelektronischer Automatenkche. Diese Tatsache warsehr erstaunlich.

    Ich lebe sehr komfortabel, wissen Sie, erklrte eretwas verlegen. Ich habe eine riesenhafe Wohnung,und das bedrckt mich.

    In Gantors Gehirn zuckte eine Erinnerung auf. Z-gernd meinte er:

    Trampol erzhlte mir einmal, da es vor der Ka-tastrophe Menschen gegeben haben soll, die zehn undmehr Zimmer fr sich allein hatten.

    Unmglich, wehrte Kentler unwillig ab.

    Cora stand in der Nebentr. In ihrer Hand glnztedie Waffe. Lchelnd schob sie die Pistole in den Gr-tel zurck, und eine weiche Stimme klang auf:

    Es gibt Syntho-Rumpsteak in Sirrahse-Rahmsauce, Plankton-Toast und echtes Gemse ausden Hydro-Grten. Ich habe gestohlen. Ist das rechtso?

    Gantor amsierte sich kstlich ber ihr ernsthaftesGesicht, und Kentler dachte besorgt an seine Wochen-zuteilung.

    Nicht zu ppig, Cora. Ich habe jetzt keinen Hun-ger. Er ist mir vergangen. Er kann es besser gebrau-chen.

    Ein bewundernder Blick voll versteckter Furcht fielauf den jungen Mann.

    Ist es gelungen? fragte sie aufmerksam werdend.Bist du wirklich davon berzeugt, da hinter demEnergieschirm nicht nur das Kraftwerk, sondern auchder Tunnel zum Raumhafen liegt? Bist du sicher?

    Er nickte stumm, und ihr tiefer Seufzer erfllte denRaum.

    Kommt herein. Ich habe allerlei zu berichten.

    Sie betraten den halbrunden Wohnraum, und Kent-ler sah mibilligend auf den groen Bildschirm desTele-Gertes. Der Unfehlbare hielt wieder einmaleine Ansprache an die Bevlkerung der unterirdischenStadt.

    ... und so darf ich der frohen Hoffnung Ausdruckgeben, da unsere neuen Laborhallen zur Verbesse-rung der Ernhrung einen radikalen Wandel eures Le-bensstandards ergeben werden. Die knstliche Photo-synthese ist entwicklungstechnisch beendet. Alle er-denklichen Lebensmittel drften in Krze ohne son-derliche Mhen erzeugt werden. Damit haben wir dermordenden Sonne neues Leben abgerungen. Die astro-nomische Robotstation hat soeben festgestellt, dader Planet nach einer neuerlichen Annherung an dasGestirn eine konstant bleibende Umlaufbahn einge-schlagen hat. Die in Rotglut stehende Oberflche wirddennoch nicht weiter erhitzt werden. Trotzdem warich gezwungen, die Robotwachen am Pfortenbunkerverstrken zu lassen, da einige Unbelehrbare erneutden selbstmrderischen Versuch machten, die tdlicheOberwelt zu betreten. Ich...

    Schurke, maloser Schurke, schrie Gantor auersich. Mit geballten Fusten stand er vor dem plasti-schen Fernbild, und es war, als wollte er den daraufsichtbaren Mann zerreien.

  • Die Vergessenen 20

    Das Bild wurde unscharf, und Kentler stie einenerschreckten Ruf aus. Im Keller begann die Auto-matkontrolle helle Summtne auszustoen. Eine Ton-bandstimme qukte auf: Empfangsstrung im ultra-kurzen Bereich. Empfangsstrung im ultrakurzen Be-reich. Soll ich die Reparaturabteilung verstndigen?Erbitte Bescheid.

    Gantor verstummte. Seine Augen wandten sich ab.Im gleichen Augenblick rasselte der Kontrollrobot:

    Strung bereits behoben. Strung bereits behoben.Ende.

    Es wird immer schlimmer, glaube ich, stotterteGantor mit einem verlegenen Blick auf das verstehendlchelnde Mdchen.

    Sie fate ihn am Arm und schubste ihn sachte ineinen Schaumplastiksessel, dessen Rckenlehne sichsofort seinen Schultern anpate.

    Drauen pfiff der Elektronenherd, und sie eilte miteinem leisen Ruf in die Kche.

    Der Unfehlbare beendete seine alltgliche An-sprache mit einigen freundlichen Phrasen, die elegantber seine Lippen kamen.

    Langsam verblate das Bild des alten Mannes, derihn entfernt an Trampol erinnerte.

    Kentler reichte ihm ein erfrischend duftendes Ge-trnk, und ein nachdenklicher Blick fiel auf denSchirm, ber den nun das musikalische Farbenspielhuschte.

    Wenn man ihn so hrt, so knnte man vor Rhrungweinen, lachte er bitter.

    Er ist ein ungeheuerlicher Lgner und gnadenloserGewaltherrscher, fuhr Gantor erregt auf.

    Seine Definition ber die angebliche Sonnennhedes Planeten ist ein glatter Schwindel! Sirrah IV warschon immer eine heie und feuchte Welt. Daran hatsich seit der Katastrophe berhaupt nichts gendert. Ergebraucht schne Redewendungen, um sich seine des-potische Macht zu sichern. Wer wei, in welchem Lu-xus er lebt. Er verzichtet auf die Auswanderung zu ei-ner gesunden Welt, nur um seinem Herrscherwahn fr-nen zu knnen. Hunderttausend Menschen und mehrzwingt er, in Felshallen und trostlosen Gngen zu hau-sen, wo auf anderen Welten die freie Natur lockt undruft. Das ist ein Verbrechen an der Menschheit! Wennich ihn jemals von Angesicht zu Angesicht sehen soll-te, werde ich ihn vernichten.

    Der Tisch ist gedeckt, sagte Cora ruhig von derTr her.

    Mit einem Knopfdruck lie sie die Wand im Bodenverschwinden. Der Raum wurde dadurch noch einmalso gro.

    Mitrauisch schnffelnd nahm Gantor vor denKunststofftellern Platz. Seine Gabel stocherte in demsynthetischen Fleischstck herum.

    Sieht ganz gut aus; aber ein Palong-Lendenstckwre mir lieber. Hast du schon einmal ein Palong ge-sehen? Es huscht dort ber Savannen und Bche, wo

    angeblich der Boden in Rotglut stehen soll. Verfluc