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ANLAGEN- UND APPLIKATIONSTECHNIK Die vollautomatische Karosserie-Lackierung Hohe Produktivitat, niedrige Kosten und ein hohes Qualitatsniveau, das sind die wichtigsten Ziele in einer Lackiererei. Diese Ziele lassen sich im Grunde genommen nur durch den Einsatz innovativer Lackier- prozesse und durch ihre konsequente Automatisierung erreichen. len abdecken miissen. In den manuel- len Zonen droht die Gefahr zusatzli- cher Probleme: Beriihrungen der nas- sen Lackschicht, Laufer, Entstehung von Wolken, Farbton- und Verlaufsun- terschiede. BUd 1: RoDip-TecfJnologie (Or den TaucfJlackierprozess etrachtet man emen typischen Lackierprozess, so sind zahlreiche Schwachstellen innerhalb der unter- schiedlichen Teilprozesse erkennbar. Ein hoher Personaleinsatz, der unter anderem durch die Schwachstellen im Prozess erforderlich ist, und Auto- matisierungskonzepte in Form von Insellosungen sind weitere Hindernis- se auf dem Weg zu einer hohen Effek- tivitat des gesamten Lackierprozesses. Bereits in den ersten Schritten der langen Prozesskette werden Probleme generiert, die sich durch den ganzen Prozess durchziehen und einen be- trachtlichen Aufwand zu ihrer Behe- bung erfordern. Schmutzeinschliisse in der KTL-Schicht, die einerseits durch ein unzureichendes Reinigungsergeb- nis vor der Vorbehandlung verursacht werden, andererseits direkt aus dem KTL-Bad durch darin enthaltene Ver- schmutzungen herriihren, ftihren zu- sammen mit Tropfen und Verlaufspro- blemen zu einem hohen Schleifauf- wand nach der KTL-Beschichtung. Beim Schleifen entsteht weiterer Schmutz, der, sofern nicht sorgfaltig entfernt, in die nachsten Prozessschrit- te eingeschleppt wird. Beim Schleifen besteht zudem die Gefahr, dass zusatz- liche Fehler erzeugt werden wre Durchschliffe und Schleifriefen. Weitere Quellen fur Verschmutzun- gen, die zu Qualitatsproblemen ftlhren, sind aile manuellen Lackierprozesse, zum Beispiel das Lackieren der Innen- bereiche und Touchup-Umfiinge an den Auflenflachen, die von den La- ckierautomaten nicht erreichbare Stel- Potenziale durch konsequente Automatisierung Eine deutliche Qualitarsvcrbcssc- rung in der Vorbehandlung (Reini- gung) und KTL-Lackierung wird durch den Einsatz der RoDip-Techno- logie erzielt. Die Fahrzeuge werden wahrend des Prozessablaufs um 360 0 gedreht. Bei der Reinigung kann der Schmutz auf diese Weise rundherum ausgespiilt werden. Bei der Tauch- lackierung (Bild 1) wird durch die Be- schichtung im gedrehten Zustand eine geringere Verschmutzung im Lackfilm und eine gleichmaBige Schichtdicken- verteilung erreicht. Somit sinkt der bis- her notwendige Aufwand fur den KTL-Schliff auf ein Minimum. Die Kinematik des Prozesses bietet gegeniiber konventionellen Tauch- lackieranlagen mit Pendelfordertech- nik und den notwendigen Ein- und Austauchstrecken den Vorteil des ge- ringeren Platzbedarfs, was sich in nied- rigeren Investitionskosten fur den Bau und in reduziertem Energiebedarf nie- dcrschlagt. Eine wirksame Karossenreinigung vor der Lackapplikation ist auch dann erforderlich, wenn nicht mehr, oder zu- mindest deutlich weniger, geschliffen wird. Die automatische Reinigung wird in zwei Schritten durchgefUhrt, die Reinigung der Innenraume und der Falzbereiche erfolgt durch Hochdruck- blasanlagen, die Aufienflachcn werden mit Federwalzen gereinigt. Erfahrun- gen aus Produktionsanlagen zeigen sehr gute und vor allem konstante Rei- nigungsergebnisse, die zur Reduzie- rung der Riicklaufquoten fuhrcn. Die JOT 9 12001

Die vollautomatische Karosserie-Lackierung

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Page 1: Die vollautomatische Karosserie-Lackierung

ANLAGEN- UND APPLIKATIONSTECHNIK

Die vollautomatischeKarosserie-LackierungHohe Produktivitat, niedrige Kosten und ein hohes Qualitatsniveau,

das sind die wichtigsten Ziele in einer Lackiererei. Diese Ziele lassen

sich im Grunde genommen nur durch den Einsatz innovativer Lackier­

prozesse und durch ihre konsequente Automatisierung erreichen.

len abdecken miissen. In den manuel­

len Zonen droht die Gefahr zusatzli­

cher Probleme: Beriihrungen der nas­

sen Lackschicht, Laufer, Entstehungvon Wolken, Farbton- und Verlaufsun­

terschiede.

BUd 1: RoDip-TecfJnologie (Or den TaucfJlackierprozess

etrachtet man emen typischen

Lackierprozess, so sind zahlreicheSchwachstellen innerhalb der unter­

schiedlichen Teilprozesse erkennbar.

Ein hoher Personaleinsatz, der unter

anderem durch die Schwachstellen imProzess erforderlich ist, und Auto­

matisierungskonzepte in Form von

Insellosungen sind weitere Hindernis­

se auf dem Weg zu einer hohen Effek­

tivitat des gesamten Lackierprozesses.

Bereits in den ersten Schritten der

langen Prozesskette werden Probleme

generiert, die sich durch den ganzenProzess durchziehen und einen be­

trachtlichen Aufwand zu ihrer Behe­

bung erfordern. Schmutzeinschliisse inder KTL-Schicht, die einerseits durch

ein unzureichendes Reinigungsergeb­nis vor der Vorbehandlung verursacht

werden, andererseits direkt aus demKTL-Bad durch darin enthaltene Ver­

schmutzungen herriihren, ftihren zu­

sammen mit Tropfen und Verlaufspro­blemen zu einem hohen Schleifauf­

wand nach der KTL-Beschichtung.

Beim Schleifen entsteht weiterer

Schmutz, der, sofern nicht sorgfaltigentfernt, in die nachsten Prozessschrit­

te eingeschleppt wird. Beim Schleifenbesteht zudem die Gefahr, dass zusatz-

liche Fehler erzeugt werden wre

Durchschliffe und Schleifriefen.Weitere Quellen fur Verschmutzun­

gen, die zu Qualitatsproblemen ftlhren,sind aile manuellen Lackierprozesse,

zum Beispiel das Lackieren der Innen­

bereiche und Touchup-Umfiinge anden Auflenflachen, die von den La­

ckierautomaten nicht erreichbare Stel-

Potenziale durch konsequente

Automatisierung

Eine deutliche Qualitarsvcrbcssc­

rung in der Vorbehandlung (Reini­

gung) und KTL-Lackierung wirddurch den Einsatz der RoDip-Techno­

logie erzielt. Die Fahrzeuge werden

wahrend des Prozessablaufs um 360 0

gedreht. Bei der Reinigung kann der

Schmutz auf diese Weise rundherum

ausgespiilt werden. Bei der Tauch­lackierung (Bild 1) wird durch die Be­

schichtung im gedrehten Zustand eine

geringere Verschmutzung im Lackfilm

und eine gleichmaBige Schichtdicken­

verteilung erreicht. Somit sinkt der bis­

her notwendige Aufwand fur denKTL-Schliff auf ein Minimum.

Die Kinematik des Prozesses bietet

gegeniiber konventionellen Tauch­lackieranlagen mit Pendelfordertech­

nik und den notwendigen Ein- und

Austauchstrecken den Vorteil des ge­ringeren Platzbedarfs, was sich in nied­

rigeren Investitionskosten fur den Bau

und in reduziertem Energiebedarf nie­dcrschlagt.

Eine wirksame Karossenreinigungvor der Lackapplikation ist auch dannerforderlich, wenn nicht mehr, oder zu­

mindest deutlich weniger, geschliffenwird. Die automatische Reinigung

wird in zwei Schritten durchgefUhrt,die Reinigung der Innenraume und der

Falzbereiche erfolgt durch Hochdruck­

blasanlagen, die Aufienflachcn werden

mit Federwalzen gereinigt. Erfahrun­gen aus Produktionsanlagen zeigen

sehr gute und vor allem konstante Rei­nigungsergebnisse, die zur Reduzie­

rung der Riicklaufquoten fuhrcn. Die

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ANLAGEN- UND APPLIKATIONSTECHNIK

BUd 2: Hier lackieren die Roboter die Innenbereiche der Karosserie. Heute gehen immer mehr Automobilhersteller dazu

uber, eucn die AuBenflachen mit Robotern zu beschichten.

Investitionen amortisieren sich in kur­

zester Zeit durch Einsparungen bei

den Personalkosten. Alternativ kann

die Karosseriereinigung auch nass (dies

ist eine Frage der Prozessphilosophie)durchgefUhrt werden, wobei fur dieautomatische Innenreinigung Roboter

mit Hochdruckwasserdiisen eingesetzt

werden kormen.1m Bereich der Lackapplikation geht

der Trend eindeutig zu Roboterautoma­tisierungskonzepten, nicht nur bei der

Innenlackierung (Bild 2), sondern vor

allem bei der Lackierung der AuBen­flachen (Bild 5). Die Vorteile dieser Kon­

zepte sind nicht von der Hand zu weisen:

• hohe Flexibilitat beziiglich Karos­seriedesign,

• prazise und dynamische Karosserie­konturfahrt, Erhohung des Auf­tragswirkungsgrades,

• parallele Lackierbahnen (auch inRichtung der Karosserielangsachsemoglich), reduzierte Wolkigkeit

und Streifenbildung,

• Reduzierung der Anzahl vonLackierparametern durch modulareBahnabschnitte,

• kein Lackierstopp iiber der zulackierenden Flache bei Forderer­

stopp, Bahnmodul kann fertig­

lackiert werden,

• Moglichkeit der Applikation imTaktbetrieb

• konstante Lackiergeschwindigkeitam Farbauftreffpunkt (TCP) unab­

hangig von der Forderergeschwin­digkeit,

• geringere Anzahl von Zerstaubernerforderlich durch kontinuierlichesLackieren, daraus entstehen gerin­gere Farbwechselverluste.

Parallel zur Robotertechnik miissenauch systemintegrierte Automatisie­

rungstools entwickelt und dem An­

wender zur VerfUgung gestellt werden,

welche die Bedienung, Programmie­rung, Parametrierung und nicht zuletztdie Fehlersuche und die Instandhal­

tung unterstiitzen und vereinfachen.

Nur dann ist eine hohe VerfUgbarkeit

der Lackieranlage zu erreichen. Bei­spiele dafur sind Funktionen, die

• eine komfortable 3D-Visualisierungmit zahlreichen Moglichkeiten fur

das Editieren und Parametrieren

von Lackierprogrammen bieten,

• den Zustand der Maschine iiber­priifen und Hinweise auf Problemeliefern, bevor ein Ausfall zum Pro­

duktionsstillstand fuhrt,

• den Instandhalter bei seiner Arbeitdurch Vorschlagc fur Fehlerursa­

chen und deren Behebung unter­stiitzen oder

• N otstrategien beinhalten, die eserrncglichen, bei Ausfall eines

Roboters die Lackierumfiinge aufdie anderen Roboter der Lackierzo­

ne zu verteilen und gegebenenfalls

bei einer verlangerten Taktzeit den

Lackierbetrieb aufrechtzuerhalten,bis der Fehler ohne Produktions­

stillstand behoben werden kann.

Oualitatsbasierte Regelung

von Lackierprozessen

Konsequente Automatisierung hart

nicht bei der Lackapplikation auf, viel­

mehr wird auch die Qualitatsprufungmit einbezogen. Hier stehen prod uk-

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Page 3: Die vollautomatische Karosserie-Lackierung

ANLAGEN- UND APPLIKATIONSTECHNIK

BUd 3 : Berollrung slose Online-Sclliellldiekenmessung des nassen Lackfilms

derlichen Lackmenge befullen. Die

Molchtechnik sorgt nebenbei dafur,

dass nach dem Lackieren die Versor­

gungsleitungen weitgehend sauber

sind, so dass nur noch sehr wenig Spiil­

mittel fur das Reinigen benotigt wird.

Aile Ablaufe werden von einer Steue­

rung koordiniert, der Bediener hat die

Anlage (Bild 4) nur noch mit dem Farb­

gebinde zu beschicken.

Das zweite Beispiel fur den Einsatz

innovativer Technologien und dam it

verbundene Kosteneinsparungen be­

trifft den zweiten Metallic-Basislackauf­

trag, bei dem das Lackmaterial

heute immer noch vorwiegend pneuma­

tisch appliziert wird. Eine Substitution

der pneumatischen Zerstiiuber durch

elektrostatische Hochrotationszerstiiu-

tionserprobte Systeme zur VerfUgung,

welche in der Lage sind, eine automa­

tische Online-Schichtdickenmessung

des nassen oder trockenen Lackfilms

durchzufUhren (Bild 3). Systeme fur

die Erfassung weiterer Qualitiitskenn­

werte wie Farbton, Verlauf, Glanz und

Fehlererkennungssysteme befinden

sich kurz vor der Produktionsein­

fUhrung. Hier eroffnen sich fur die

Automatisierung der Lackapplikation

ungeahnte Moglichkeiten: die qua­

litatsbasierte Regelung von Lackier­

prozessen.

Zum Abschluss dieses Abschnitts

sollten zwei Beispiele mit einem hohen

Potenzial fur Kostenreduzierung nicht

unerwahnt bleiben. Ein hiiufiges Hin­

dernis bei der automatischen Lackap­

p likat ion iSI dic

Ve r a r b c i-l lin g

,.

von Sonder- oder sogenannten Krawat­

tenfarben. Das Problem besteht darin,

das Versorgungssystem mit der Farbe

zu bcfullcn und nach der Applikation

zu entleeren, zu spiilen und fur die

niic hslC Far be vorzu be rc ircn . lm N or­

malfall iSI dic s m il c inc m c rhcb lic hcn

pc rsonc llc n Aufwa nd lind m il hohc n

Farb- lin d Spulm ittclvcr lustcn ve rb un-

dcn. E inc Liislin g hic tc n h icr

Sonderfarbver sorgun gsun­

lagcn, d ic basic rcnd

a uf dc r M olchtcch nik

das App likurionssy­

ste rn nur m il dc r fii r

da s lacki cren c rfor-

BUd 5: Die vitt uetie

Laekiererei.

Simuunton der

AlIl3enapp likalion

mil Lackierroborem .

BUd 4: Aulomali·

selle Versorgllng

fOr Sonderfarben

ber bringt aufgrund des wesentlich

hoheren Auftragswirkungsgrades be­

achtliche Lackeinsparungen bei glei­

chem Qualitiitsniveau. Erfahrungen aus

inzwischen zahlreichen Lackieranlagen,

die auf eine 100 % elektrostatische

Metallic-Basislack-Applikation umge­

stellt worden sind, belegen dies.

Fazit

Die Vollautomatisierung der gesam­

ten Prozesskette "Karosserielackierung"

ist keine Frage der technischen Mach­

barkeit, sondern eine Frage der konse­

quenten, geschlossenen Umsetzung

aller Automatisierungstools. Die Vorteile

der Vollautomatisierung sind eine erheb­

liche Qualitiitsverbesserung und bessere

Qualitiitskonstanz sowie eine deutliche

Produktivitiitssteigerung bei gleichzeitig

reduziertem Personaleinsatz.

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Page 4: Die vollautomatische Karosserie-Lackierung

Ausblick

ANLAGEN- UND APPLIKATIONSTECHNIK

emer ihrer wichtigsten Teilbereiche,

die virtuelie Lackiererei. •

Die Entwicklung in der Produk­

tionstechnik ist gekennzeichnet durch

immer kurzcr werdende Zyklen fur

Produktentwicklung und Marktein­

fUhrung, Kostenreduzierung und Qua­

litatsverbesserung. Fur die Fertigungs­bereiche bedeutet dies, Produktions­

ablaufc vor der Realisierung simulieren

zu mussen, um eine optimale Ausle­

gung der Anlagentechnik zu erreichen.

Die Werkzeuge fur die virtuelie Ferti­

gung stehen nahezu vollstandig zur

VerfUgung und werden auch fur die

Auslegung von Lackieranlagen seit

geraumer Zeit eingesetzt. Ausgehendvon einem CAD-Datenmodell der

Fahrzeuge und der Anlagenkompo­

nenten werden die Anlagen geplant,

konstruiert, programmiert (Bild 5) und

die Planungspramissen durch Simula­tionen verifiziert. An den noch fehlen-

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BUd 6: Simulation des Lackierpro­

zesses mil einem Hocmotauon szer­

sUiuber

den Gliedern in der virtuelien Prozess­

kette, der Simulation der Vorgange bei

der Lackapplikation, wird derzeit gear­

beitet, wobei bereits vielversprechen­

de Ergebnisse erzielt worden sind (Bild6). Damit ruckt nicht nur die virtuelie

Fabrik in greifbare Nahe, sondern auch

Literatur

/1/ Grau, e: Svejda, P: Zero people

paintshop - vision and present state. 20.

international conference on automobilebody finishing. Cannes 14.-15. Juni 2001

/2/ Svejda, P: Moderne Automatisierungs­

konzepte fur den zerstaubenden Lackauf

trag. Jahrbuch besserlackieren 2001, Vin­

centz l4:r!ag, Hannover

/3/ Scheibe, A.; Domnick, i: Ye, Q.: Physi­

kalische Simulation des Spriihstrahls undder Schichtdicke bei der ESTA -Lackierung.

Die 8. DFO-Automobiltagung. Dresden

14.-15. Mai 2001

Der Autor: Dr.-Ing . Pavel Svejda, Durr

Systems GmbH, Bietigheim-Bissingen.

Tel. 0 71 42 / 78 22 90; e-mail:

[email protected]