Die Welt Des Islams

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DIE WELT DES ISLAMSZEITSCHRIFT DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FR ISLAMKUNDEHERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. GEORG KAMPFFMEYER

Band I .MIT BIBLIOGRAPHIE NR. 1-114

BERLIN 1913 DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Inhalts- bersicht zu Band I.

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INHALTS-BERSICHT ZU BAND ISeite

Nachrichten ber Angelegenheiten der D. G. I

iff.

Bericht ber die erste ordentliche Hauptversammlung III Satzung der D. G. I VII. XIX Ausschu, Vorstand, Geschftsfhrung IX. XX. X X I Mitglieder X. XXL XXV Bibliothek XV. XXIV. XXVII ff. Vortrge XV Bericht ber die zweite ordentliche Hauptversammlung XVII Kassenbericht XVIII

Aufstze Mitteilungen LiteraturBibOgraphie

iff. 85ff. 165ff. 32ff. 127ff. 2i6ff. 51ff.I32ff. 226ff.. . Nr.l52: 80ff. Nr. 5381: 161ff. Nr. 82114: 251ff.

Autoren-Register Sach-Register

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DIE WELT DES ISLAMSZEITSCHRIFT DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FR ISLAMKUNDEHERAUSGEGEBEN VON PROF. DR GEORG KAMPFFMEYER

BAND I HEFT 1 . .MIT BIBLIOGRAPHIE NR. 1-52

AUSGEGEBEN AM 31. MRZ 1918

BERLIN 1913 DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN)

INHALT.N a c h r i c h t e n b e r A n g e l e g e n h e i t e n d e r D. G. I , t , i G. K a m p f f m e y e r , Plane perspicere 1 E r n s t F e d e r , Islamisches Scheidungsrecht Ein systematischer Versuch 7 D a s s t e r r e i c h i s c h e R e i c h s g e s e t z v o m 15. J u l i 1912 betreffend die Anerkennung der Anhnger des Islams nach hanefitischem Ritus als Religionsgesellschaft 18 K l a m r o t h , Der literarische Charakter des ostafrikanischen Islams 21 MITTEILUNGEN.Statistik der Mohammedaner auf der Balkanhalbinsel und in Oesterreich 32 Abwanderung von Mohammedanern aus den Balkangebieten S3 Indien und der Balkankrieg* 35 Die Union maghrbine" . . . . , * 3G Egypten 39 Arabien und Mesopotamien ,..*.. 40 Tripolis (Afrika) in Haifa ,. 40 Libanon . . . . . . . . 41 Englische Knabenschule in Konstantinopel . . 41 Japan *. . . 42 Fragebogen ber den Islam in Afrika ; . , . . . . , . , . 42 Aus Lyon 48 Vierter Internationaler Kongre fr Religionsgeschichte. Leiden 9.13. Sept. 1912 48

LITERATUR.Vorbemerkung Zeitschriften Besprechungen Bibliographie 51 52 74 80

Mitglieder der Gesellschaft erhalten die Zeitschrift kostenfrei. Mit gliedsbeitrag jhrlich (mindestens) 6 M. Preis fr den Jahrgang im Buch handel 12 M. Es sollen im Jahr 4 Hefte im Gesamtumfang von etwa 20 Bogen erscheinen. Das Honorar betrgt fr Aufstze 35 M. fr den Druckbogen, fr Originalberichte 10 M. fr die Seite (in Petit). Alle die S c h r i f t l e i t u n g betreffenden Zuschriften sind zu richten an Prof. Dr. G. Kampffmeyer, Berlin-Lichterfelde W., Werder-Str. 10. Alle g e s c h f t l i c h e n Z u s c h r i f t e n und R e z e n s i o n s e x e m p l a r e sind an den Verlag Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 29 zu senden. G e l d s e n d u n g e n sind zu richten an den Schatzmeister Herrn Konsul Vohsen, Berlin SW 48, Wilhelmstr. 29 oder auf das Postscheckkonto der Verlagshandlung Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) in Berlin Amt Berlin Nr. 2812" einzuzahlen. B e i t r i t t s e r k l r u n g e n werden erbeten an den Schriftfhrer Herrn Dr, A. Wiener, Charlottenburg 4, Waitzstr. 10. Die S a t z u n g e n der Gesellschaft s. S. VIIVI1I. DieVerantwortung fr die einzelnen Artikel tragen dieVerfasser persnlich.

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PLANE PERSPICEREVON

PROF. DR. G. KAMPFFMEYER.Diese Zeitschrift ist das Organ einer G e s e l l s c h a f t . Deren Mitglieder gehren den verschiedensten Kreisen an und haben aus den mannig faltigsten, zum Teil sehr praktischen Gesichtspunkten ein Interesse an dem Verstndnis der religisen, gesellschaftlichen und kulturellen Zustnde der Islamwelt. Zu diesen M i t g l i e d e r n der Gesellschaft will die Zeit schrift sprechen, mit ihnen will sie lebendige Fhlung unterhalten. Das bedingt, da wir auf streng wissenschaftlicher Grundlage, das ist selbst verstndlich im besten Sinne des Wortes allgemein verstndliche Ab handlungen und Mitteilungen bringen wollen. Im Mittelpunkte unseres Interesses soll die l e b e n d i g e G e g e n w a r t stehen. Die Vergangenheit soll die Gegenwart erklren. So wird alles eigentlich Philologische, aber auch manches andere Besondere, was in anderen Zeitschriften eine Sttte findet, aus der unsern ausgeschieden sein. So werden wir aber auch Raum gewinnen, in breiterem Umfange, als dies anderswo mglich ist, unser besonderes Gebiet auszubauen. Das ist es, was der Zeitschrift ihren be sonderen Charakter aufprgen wird gegenber den Zeitschriften, die schon jetzt ganz oder zum Teil im Dienste der Islamforschung stehen. Das ist auch ihre Berechtigung, als neues Glied in die Kette sich zu reihen. Der hochverdiente Herausgeber des Islam", mein verehrter Freund Professor Dr. C. H. B e c k e r , begrte in Heft 2/3 (ausgegeben am 20. Juni 1911) des IL Bandes seiner Zeitschrift (S. 284286) eine v i e r t e I s l a m z e i t s c h r i f t . Er sagte dabei: Das Islamproblem beschftige zur Zeit die verschiedensten Interessenten; so sei es zu erklren, da innerhalb weniger Jahre eine Reihe von Islamzeitschriften entstehen konnte, von denen keine die andere berflssig mache. Das erste Organ war die inhaltreiche R e v u e du M o n de M u s u l m a n . Ihr folgte Beckers I s l a m . Unmittelbar nach dem Erscheinen dieser Zeitschrift erfolgte die Grndung des O r i e n t a l i s c h e n A r c h i v s durch Hugo Grothe. Die jngste Zeit schrift, eben die, welche Becker begrte, war T h e M o s l e m W o r l d . Seitdem ist nun, wenn wir Beckers Zhlung gelten lassen, als f n f t e Islamzeitschrift die russische M i r I s l a m a auf den Flan getreten, undDie Welt des Islams, Band I. 1

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mit der Ausgabe dieses Heftes will nun auch die Z e i t s c h r i f t d e r D e u t s c h e n G e s e l l s c h a f t f r I s l a m k n d e ihren Weg beginnen. Wurde von Becker das O r i e n t a l i s c h e A r c h i v zu den Islamzeit schriften gezhlt, so konnten auch andere Verffentlichungen genannt werden. Unter den deutschen wren da zunchst zu nennen die W e s t a s i a t i s c h e n S t u d i e n der M i t t e i l u n g e n d e s S e m i n a r s fr O r i e n t a l i s c h e S p r a c h en. Man wird weiter daran denken, wieviel zur Islamkunde in der lteren Z e i t s c h r i ft d e r D e u t s c h en M o r g e n l n d i s c h e n G e s e l l s c h a f t und in der W i e n e r Z e i t s c h r i f t f r d i e K u n d e d e s M o r g e n l a n d e s gedruckt ist und noch gedruckt wird. Auch die Z e i t s c h r i ft f r A s s y r i o l o g i e mit ihren zahlreichen islamkundlichen Artikeln gehrt hierher. Dazu kmen dann die verwandten auslndischen Zeitschriften. Also die Zahl der Islam Zeitschriften in diesem weiteren Sinne ist eigentlich noch viel grer. Dennoch knnen wir mit Becker sagen, da keine dieser Zeitschriften die andere berflssig mache. Und wenn Becker von dem O r i e n t a l i s c h e n A r c h i v einen Wett bewerb nicht frchtete, sondern sagte: es gibt deutsche Islamforscher genug, um beide Zeitschriften dauernd zu fllen", so mchte ich dasselbe Wort nun fr unsere Zeitschrift gegenber dem I s l a m " in Anspruch nehmen. Ja, es gilt ganz eigentlich gerade von der Beziehung dieser beiden Zeitschriften zueinander, unserer jungen und der lteren, so auer ordentlich reichhaltigen und wertvollen, von Becker gegrndeten und geleiteten. Viel mehr als der Rahmen des O r i e n t a l i s c h e n A r c h i v s scheint sich ja der unserer Zeitschrift mit dem des I s l a m " zu decken. Dennoch wird unsere Zeitschrift neben jener bestehen drfen, nicht nur, weil es ganz gewi Krfte genug bei uns in Deutschland gibt, um beide Zeitschriften zu fllen, selbst wenn sie genau den gleichen Rahmen htten, sondern eben weil diese unsere Zeitschrift, wie wir anfangs an deuteten, einen von dem des I s l a m verschiedenen Charakter haben wird. Die beiden Zeitschriften werden sich, das hoffen wir, gegenseitig ergnzen und, weit entfernt, sich zu schdigen, einander freundschaftlich zur Erreichung gemeinsamer Ziele in die Hnde arbeiten. Noch in anderer Hinsicht wird unsere Zeitschrift eine besondere Stellung einnehmen. Fr den Bezieher derselben ist die Sache nicht dadurch erledigt, da er seinem Buchhndler den Bezugspreis fr die Zeitschrift bezahlt und dafr diese erhlt, die ihn dann mehr oder minder befriedigt. Hinter unserer Zeitschrift steht nicht nur eine Schriftleitung, deren Aufgabe sich im wesentlichen in der Darbietung des Inhalts der Zeitschrift und in der Regelung des Verhltnisses zum Verleger und

Drucker erschpft. Hinter unserer Zeitschrift steht eben die Gesellschaft. Deren Mitglieder sollen, wie wir schon sagten, als Leser der Zeitschrift in das Verstndnis der Verhltnisse, die den Forschungsgegenstand der Gesellschaft bilden, eingefhrt werden. Das kann und soll geschehen ber die Abhandlungen und Mitteilungen, die wir gerade zu drucken in der Lage sind, h i n a u s . Wir knnen nicht ber alles Abhandlungen bringen. So wollen wir im weitesten Umfange auch ber die sonstige Literatur berichten, die die Verhltnisse der Islamwelt behandelt. Aber weiter: Wir wollen nicht nur Bcher verzeichnen, nicht nur nach Mglichkeit sagen, was in den Bchern steht, sondern wir wollen die Bcher und die in so vielen Zeitschriften und Zeitungen verstreuten Aufstze, die den Islam behandeln, s a m m e l n , krperlich hinstellen und aufbewahren in der B i b l i o t h e k d e r G e s e l l s c h a f t , und sie unsern Mitgliedern soweit als nur irgend mglich z u g n g l i c h m a c h e n . Die Gesellschaft, mit ihrer Bibliothek, mit ihrer Geschftsstelle und ihren sonstigen Ein richtungen, die, wie wir hoffen, bald ber einen augenblicklichen pro visorischen Zustand hinauskommen werden, mchte, in der Hauptstadt des Reiches, die Z e n t r a l s t e l l e sein, an der alle fr ein Studium des Islams wnschenswerten Informationen in erster Linie gewonnen werden knnen. Knnen wir die von uns gesammelte Literatur nicht berall hin ausleihen, so sind wir gern bereit, da wo man, besonders drauen in den Lndern des Islams, sich selber Hilfsmittel fr das Studium der Ver hltnisse des Islams sollte sammeln wollen, mitzuraten. Kleine, planmig gesammelte Bibliotheken drauen im Ausland, sei es bei den Behrden, sei es in Anlehnung an Schulen oder in Klubs usw., sind oft so ntzlich und so leicht zu schaffen, wenn eine Stelle in der Heimat ist, die die ntige Anlehnung gewhrt.* Mchte unsere Gesellschaft hier helfend ein treten knnen. Allen Mitteilungen, die in diesen Zusammenhngen die Mitglieder unserer Gesellschaft interessieren, soll diese unsere Zeitschrift dienen. Lebendige Beziehungen zu den Lndern des Islams halten wir fr eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft. Einige von uns, die wir der Grndung unserer Gesellschaft nahe stehen, haben alte persnliche Beziehungen zum Orient und zu Afrika. Solche Beziehungen mchten wir pflegen und ausdehnen. Auch Mitarbeit an unserer Zeitschrift erhoffen wir als Ergebnis solcher Beziehungen. Deutschland hat drauen genug1

Vgl. Studien und Mitteilungen der Deutschen Marokko-Bibliothek I." (Mitteil, des Sem. f. Or. Spr. zu Berlin, 1911, Abt. II), sowie ber deutsche Auslandsbibliotheken, IIH", Voss. Zeit. 1912 Nr. 419 (18. Aug.), 424 (21. Aug.) und 510 (6. Okt.). 1*

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Beamte und sonst im ttigen Leben stehende Mnner, die sich fr Fragen des Hamza oder der Imla im Arabischen nicht sonderlich erwrmen, auch altarabischen Dichtern nicht viel Geschmack abzugewinnen ver mgen, die aber an den sie umgebenden lebendigen Verhltnissen wohl Interesse nehmen, die offenen Auges um sich schauen und Befhigung und Neigung durchaus besitzen, das Studium solcher Verhltnisse zu vertiefen und ber sie zu berichten. Grade solche Mitteilungen und Ar beiten, auch wenn ihnen ein gelehrter und literarischer Apparat fehlt (der ja drauen oft einfach eine Unmglichkeit ist), sind oft sehr wichtig. Auch wenig umfangreiche Mitteilungen, wenn sie nur auf den Kern der Dinge gehen, haben oft, im Zusammenhang unserer sonstigen Erkenntnisse, hohen Wert. Neben diesen unseren Mitarbeitern werden, dessen sind wir gewi, genug eigentliche Gelehrte stehen. Irre ich nicht, so gehen wir in Deutsch land einer teilweisen Umwandlung unserer orientalistischen Wissenschaft entgegen. Nicht mehr so weltfremd sitzen wir, bei einsamem Lmpchen, in unserem Studierkmmerlein; auch wir sind hinausgetreten und fhlen das in unserem Volksganzen pulsierende Leben. Es wird immer mehr Mnner bei uns geben, die eine ernsthafte Linguistik in Ehren halten, aber doch meinen, da ein gewisser grammatischer Kleinkram bei uns lange genug breit getreten ist, und die, wenn sie zwischen Gegenstnden ihres ge lehrten Studiums zu whlen in derLage sind, sich d e n e n zuwenden, die uns als ttige und wollende Menschen nher angehen, lebendiger erlassen und einen greren allgemeinen Nutzen haben. Wir wollen es nicht mehr fr eine Schande halten, etwas Ntzliches zu tun. Grndlichkeit und Wissenschaftlichkeit knnen wir auch hierbei erweisen. Wirwollen in unserer Zeitschrift den Verhltnissen u n s e r e r d e u t s c h e n K o l o n i e n und derjenigen Gebiete, in denen Deutschland starke wirt schaftliche Interessen hat, besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Das ist selbstverstndlich und kann uns von keiner Seite einen Tadel zuziehen. Wer soll die Verhltnisse in unseren Kolonien studieren, wenn nicht wir? Damit dienen wir uns und auch anderen Nationen. W'urzeln und Zweige des Islams sind weit ber politische Umgrenzungen hinaus verbreitet. Wegen dieser seiner Zusammenhnge ist sein Studium an allen Punkten wichtig. Wir danken es den Franzosen, da sie so tchtige und um fassende Studien ber den Islam in i h r e n Gebieten gemacht haben; sie werden ebenso die Studien, die wir u n s e r e n Gebieten widmen, gern entgegennehmen. Auf den Gebieten aber, die nicht politisch abgeschlossen sind, in denen sich die Vlker in freiem wirtschaftlichem Wettkampfe

Kampffmeyer,

Plane perspicere.

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bettigen drfen, ist keine Bettigung so sehr im besten Sinne inter national, als wissenschaftliche Arbeit. Die Einsicht in Forschungsergebnisse zu beschrnken, ist unmglich-, was die Franzosen leisten, ist auch den Deutschen ntzlich, und was diese arbeiten, ntzt auch jenen. Es liegt im Gesamtinteresse, da jedes Volk sein Bestes tue, da die Charismata ver schieden sind und die eine Leistung die andere ergnzt. Politik treiben wir nicht. E i n s nur wollen wir, und ich verbrge mich als Herausgeber dieser Zeitschrift fr ihre Leitung in diesem Sinne: wir wollen die Dinge, so w i e s i e s i n d , sehen und in ihren Zusammenhngen verstehen, und streng s a c h l i c h , ohne Polemik und Nebenzwecke, ber sie berichten. Das ist die Linie, auf der sich a l l e , so verschiedenen Lagern angehrige Mitglieder unserer Gesellschaft zusammenfinden knnen, das ist das, was alle fr sich wollen mssen. Unsere muhammedanischen Freunde, die wir auch unter unseren Mitgliedern zhlen, werden keinen Ansto daran neh men, da auch berzeugte Diener Jesu unter unsern Mitgliedern sind. Wenn es im Koran (Sure VI, Vers 67) heit: Wenn du Leute findest, die ber unsere Zeichen zu streiten Lust haben, so sondere dich ab von ihnen, bis sie von anderen Dingen sprechen", so eigenen wir uns diesen Spruch an: wir wollen keinen Streit in unserer Gesellschaft noch in unserer Zeitschrift. Es soll in ihr nach dem geforscht werden, was wirklich ist. Zu diesem gehren selbstverstndlich auch die religisen Gefhle und die ethischen Anschauungen unsrer muhammedanischen Freunde. Wo es sich um das handelt, was wirklich ist, knnen Ange hrige aller Bekenntnisse und aller Richtungen zusammenarbeiten. Alle knnen und sollen auch zu Worte kommen. Es gibt e i n Gebiet, auf dem unser Zusammenarbeiten mit Muhammedanern sogar von besonderer Wichtigkeit sein kann. Das ist das wichtige Gebiet d e s m u h a m m e d a n i s c h e n R e c h t e s . S o l l hier tchtige historische und praktische Arbeit geleistet werden, so wird ein Wandel in der Arbeitsart eintreten mssen. Bisher wurde das muhammedanische Recht bei uns fast nur von Philologen oder von sprachlich nicht geschulten Juristen bearbeitet. Neue Erkenntnisse knnen gewonnen werden, wenn des Arabischen kundige Juristen an der Arbeit teilnehmen, denen ge bildete Muhammedaner als lebendige Fhrer durch das Labyrinth der arabischen Kasuistik und durch die heutigen tatschlichen Verhltnisse zur Seite stehen. Die Verbindung des systematischen Denkens, das wir uns anerzogen haben, mit dem Knnen der Muhammedaner kann schne Frchte zeitigen, und unsere Gesellschaft wird auch in dieser Richtung

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Ntzliches leisten knnen. Wir freuen uns, da unserer Gesellschaft gerade auch mehrere arabistisch geschulte Juristen nahe stehen, die an den Zielen der Gesellschaft mitarbeiten wollen. Wie von unseren muhammedanischen, so erwarten wir vollends von unseren protestantischen und katholischen Freunden keinen Tadel, wenn wir rein wissenschaftlich und sachlich forschen und berichten. Unter allen Umstnden haben wir uns mit wirklichen Tatbestnden abzufinden und aus ihnen zu lernen. Ich habe einmal mit warmer Anteilnahme, ich gestehe es das Lebensbild eines sehr merkwrdigen Mannes gezeichnet -, eines treuen Sohnes der katholischen Kirche, der in der ersten Hlfte des 16. Jahrhunderts seine Lebensaufgabe darin suchte, die Verhltnisse des I s l a m s genau kennen zu lernen. Er hat lange Jahre hindurch, fern von seiner geliebten Heimat, die grte Beschwerden, Widerwrtigkeiten und Fhrnisse erduldet, um dem Ziele, das er unverrckbar im Auge be hielt, nahe zu kommen. Ihn leitete ein Grundsatz, der in seiner Zeit nicht berall Anerkennung fand, den aber heut kein ernsthafter Mensch mehr bestreiten wird: Stultum est oppugnare, quod non plane perspexeris" 2 . Wir sagten, da wir keine Politik treiben werden. Aber eben unser Grundsatz, da wir rein sachlich, ohne Voreingenommenheit und so um fassend als mglich ber das forschen und berichten wollen, was w i r k l i c h i s t innerhalb der Grenzen des Islams, mu fr diejenigen von Interesse sein, die auf dem Boden von Realitten zu verwalten und zu regieren haben. Im Mittelpunkt unseres Interesses wird, wir wiederholen es, die l e b e n d i g e G e g e n w a r t stehen. In dieser Richtung hoffen wir unsere Arbeit stndig auszubauen. So hoffen wir bald auch, abgesehen von einzelnen Mitteilungen und Berichten aus dem Orient und aus Afrika, wie wir sie oben ins Auge faten, in der Lage zu sein, in regelmigen Zeitabstnden b e r s i c h t e n ber die Weiterentwicklung des Islams in seinen verschie denen Gebieten aus den dazu berufensten Federn zu bringen. So mge die Zeitschrift ihren Weg gehen. Was uns jedenfalls nicht fehlt, ist ehrlicher Wille. Sollte bei den ersten Schritten hier oder dort etwas zu wnschen brig bleiben, so bitten wir um Verstndnis und auf jeden Fall um Mithilfe.1

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Nicolaus Clenardus. I n : Mitteilungen der Gesellschaft fr deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahrgang 18, 1908, Berlin. Vgl. das vortreffliche Werk von Victor C h a u v i n und Alphonse R o e r s c h , Etude sur la vie et les travaux de Nicolas Clnard. Bruxelles 1900. A. a. O. S. 18.

Feder, Islamisches

Scheidungsrecht.

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ISLAMISCHES SCHEIDUNGSRECHT.EIN SYSTEMATISCHER VERSUCH. VON

RECHTSANWALT DR. ERNST FEDER, BERLIN.Das europische Vermgensrecht wurde frher von islamischen Ideen befruchtet. Seitdem die Verschiebung des Welthandels die orientalischen Lnder zu Filialen der europischen Handelsstaaten gemacht hat, ist diese Befruchtung fortgefallen. Unabhngig hiervon ist das Urteil ber das islamische F a m i l i e n r e c h t zu finden. Sein Eherecht weist auf den ersten Schein Vorzge auf. Die islamische Ehe ist ein reiner Zivilkontrakt, bei dessen Abschlu die Gegenwart des Priesters lblich und blich, ab er nicht ntig ist. So blieben der Rechtsgeschichte die Kmpfe, dem Rechtssystem die Inkongruenzen des europischen Rechts erspart, in welchem der Widerstreit zwischen Staat und Kirche p r i n z i p i e l l zu Gunsten des Staates entschieden, im D e t a i l noch lebendig und in dem zwiespltigen Charakter mehrerer Materien sichtbar ist. Das islamische Recht lt ferner in der Ehe die vermgensrechtliche Stellung der Gatten unberhrt, ein Ziel, auf das eine deutliche Entwick lungstendenz der europisch-amerikanischen Rechtskultur zufhrt, das aber von ihr nur vereinzelt erreicht ist. Beide Vorzge sind jedoch nicht Ergebnisse einer fortschreitenden Ent wicklung des Rechts, sondern Zeugen seiner primitiven Rckstndigkeit. Der erste entspringt der Undifferenziertheit von Recht und Religion, der zweite beruht wesentlich auf unentwickelten wirtschaftlichen Bedingungen. Das islamische Eherecht trgt im ganzen vllig antiquierten Charakter. Es ist derselben Erstarrung wie das Strafgesetz verfallen. Dieser Cha rakter tritt besonders deutlich im Scheidungsrecht hervor, dessen hohes Alter Verstndnis und Darstellung erschwert. Mit rationellen Erwgun gen konomischer, individual- und sozialpsychologischer Natur mischen sich irrationelle berlieferungen nationalen und religisen Geprges. Vor islamisches ist vielfach assimiliert, worin sich die berlegenheit der na tionalen Kraft gegenber der religisen Idee bewhrt. Das Eherecht und insbesondere das Scheidungsrecht ist keine geniale Neuschpfung Mu-

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Die Welt des Islams, Band I iij, Heft i

hammeds, sondern eine Art Kodifizierung und vorsichtige Modifizierung vorislamischer Rechtsgewohnheiten der arabischen Stmme. Die Jurisprudenz, fr deren formales Element die islamischen Juristen hochbegabt waren, hat sich nicht in der Entwicklung und Fortbildung der Grundgedanken, sondern hauptschlich in Spitzfindigkeiten gebt, die an die kunstvoll verschlungenen, aber praktisch wertlosen Probleme einer Schachtheorie erinnern. Whrend das europische Recht stetig entwickelt ist und einzelne ber bleibsel frherer Entwicklungsstufen als Fremdkrper an ihm haften, ist das islamische Recht aus primitiven Elementen gebildet. Dieser starke Unterschied bereitet der Anwendung unsrer Methode und Systematik erhebliche Schwierigkeiten. Diese ist notwendig, um diejenige Klarheit zu gewinnen, deren auch die europische Darstellung islamischen Rechts infolge Beibehaltung der Systemlosigkeit der einheimischen Kommen tare regelmig ermangelt. Der Fortschritt des abendlndischen Rechts kann in vier Richtungen verfolgt werden, in denen dessen entscheidende Prinzipien festgelegt sind. Die Fragen nach dem metaphysischen oder irdischen Charakter der Ehe, nach ihrem Charakter als Staats- oder Privatangelegenheit, nach dem Verhltnis der personalen Elemente zu den konomischen, endlich nach dem Verhltnis der Geschlechter, bezeichnen vier Probleme des Individualismus, nmlich das Verhltnis der Persnlichkeit zur Religion, zum Staat, zu Sachgtern und das Ver hltnis der Individuen untereinander. Die Lsung dieser vier Probleme im abendlndischen Eherecht enthllt dessen zwiespltigen Charakter. Der religise Einflu ist im allgemeinen beseitigt. Im Schuldprinzip des Scheidungsrechts ist jedoch die Sakramentsnatur der Ehe konserviert. Im allgemeinen ist die Ehe straffster staatlicher Kontrolle unterworfen, nur vereinzelt ist Scheidung auf Grund der bloen Einwilligung beider Gatten gestattet. Der prinzipielle Vorrang des personalen Elements (z. B. Ausschaltung wirtschaftlicher Elemente bei der Beurteilung der Giltigkeit der Ehe) wird durch die Verwaltung und Nutznieung, die der Ehemann am Frauen gut hat, regelmig durchbrochen. Der theoretischen personalen Gleichstellung, die hier und da von der Gesetzgebung, zuweilen auch von der Rechtssprechung durchlchert wird, steht die konomische Zurcksetzung der Frau gegenber.

Feder, Islamisches

Scheidungsrecht.

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Diesem Zwiespalt setzt das islamische Recht seine einheitliche Ge schlossenheit entgegen. Da jede Norm des Rechts, der Sitte, der Moral religisen Charakter hat, existiert kein Gegensatz zwischen Recht und Religion. Die Ehe ist Privatsache und zwar des Mannes. Im Interesse der Frau greift der Richter ein. An der Verteidigung der Einzelehe hat der Staat im polygamen Ehesystem kein erhebliches Interesse. Die unbefangene Wrdigung der konomischen Grundlage der Ehe erlaubt grundstzlich die Verbindung des Scheidungsaktes mitvermgensrechtlichen Elementen. Dem personalen Vorrecht des Mannes steht das konomisch gleiche Recht der Frau gegenber, eine Umkehrung, die den tatschlichen Ver hltnissen besser entspricht als die abendlndische Regel. Das abendlndische Scheidungsrecht gliedert sich nach materiellen Scheidungsgrnden, das islamische nach formellen Scheidungsverfahren. Dieser Umstand erklrt den vorwiegend formellen Charakter des folgen den systematischen Versuchs. Er bedarf der so schwierigen wie not wendigen Ergnzung durch die Erforschung der tatschlich vorkommen den Scheidungsgrnde, die die Rechtsbung in den verschiedenen is lamischen Lndern entwickelt hat. Die bliche Dreiteilung der islamischen Scheidung 1. einseitige Verstoung, 2. Scheidung nach bereinkunft, 3. Lsung durch den Richter kann nicht als sachgem anerkannt werden. Die zweite Form ist durch gngig, die dritte teilweise eine Unterart der ersten. Grundtypus der islamischen Scheidungsformen ist das talq l ^ L - , die einseitige Lsung der Ehe durch den Mann, der die Formel Du bist ver stoen", Du bist frei", Ich habe dich verstoen", Ich verstoe deinen Speichel" oder eine hnliche spricht. Das talq ist nicht Scheidung in unserm Sinne, sondern eine Art dreimonatige Kndigung mit Widerrufs recht. Es wird nmlich wirksam erst nach Ablauf der cidda (Sjip = Warte zeit der Frau vor Eingehung einer neuen Ehe) oder nach dreimaliger Wiederholung oder bei Gebrauch einer besonderen, fr dreifach krftig angesehenen Formel wie Ich werfe dir die Zgel um den Hals", Du bist fr mich tot". Diese eigentmliche Regelung ist historisch zu erklren. Zwei Auffassungen aus sehr alter Zeit bekmpfen sich: die sunnitische,

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Die Welt des Islams-, Band I. I13, Heft 1

die drei je durch einen Monat getrennte Aussprche verlangt und von den Kmpfen Muhammeds gegen die allzu leichte vorislamische Scheidung Zeugnis ablegt, und die antisunnitische, der e i n Ausspruch gengt. Ein Kompromi hat sich durchgesetzt. Der Glaube des primitiven Menschen an die besondere Kraft der Wiederholung, namentlich der dreimaligen (Du mut es dreimal sagen") ist allgemein und bekannt. Der Wortlaut der Formeln verrt ihr hohes Alter. Die Formel Ich werfe dir die Zgel um den Hals" deutet auf dieEpoche des mit seinemPferde ver wachsenen Beduinen, der aus dem Umgang mit diesem die Bilder seines Vorstellungslebens nimmt; die Formel Ich verstoe deinen Speichel" stammt aus der Zeit der mit der Magie eng verflochtenen Rechtsgedanken. Dreimalige rechtskrftige Verstoung hat eine verstrkte Wirkung : der Frau ist Wiederverheiratung mit demselben Manne nur gestattet, wenn sie in der Zwischenzeit mit einem Dritten die Ehe geschlossen hat und von diesem verstoen ist. Motiv der seltsamen Vorschrift drfte die Ab sicht sein, die leichtfertige Scheidung zu verhten durch Erschwerung der Aussicht, die Frau nach der Verstoung wiederzuerlangen. Die lstige Bestimmung wird vielfach durch Einstellung eines Strohmanns umgangen, der mit der Frau eine eintgige Ehe eingeht (mustahill). Den Frauen hat der Islam das vorislamische (durch Umkehrung des Zeltes ausgebte) Scheidungsrecht des talaq ganz genommen. Auch das der Mnner ist noch weiter eingeschrnkt. Zahlreiche Hadith bekmpfen das talq. Mehr noch als diese religisen, setzen ihm konomische Erwgungen faktische Grenzen. Denn bei der Auflsung der Ehe durch talaq behlt die Frau die ihr vom Manne ge gebene Morgengabe (mahr ^). Diese konomischen Grnde schrnken die Scheidungsfreiheit des Mannes so sehr ein, da eine Ergnzung des Verfahrens durch Mitwirkung der Frau ntig wird. Eine solche Ergnzung bilden die gewhnlich als vertragliche Scheidung bezeichneten Scheidungsformen und zwar 1. chof -li*. Die Frau erlangt die Scheidung dadurch, da sie dem Mann als eine Art Lsegeld die Morgengabe zurckgibt. Diese Entschdigungs summe heit Hwadh (^? &)

2. fidja