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DI G Wöit Davidjaffin innerhalb der Welt

Die Welt innerhalb der Welt

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David Jaffin • Die Welt innerhalb der Welt

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David Jaffin

Die Weltinnerhalb der Welt

johannis

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Dank an meine Frau Rosemarie

für die Bearbeitung dieses Manuskriptes

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für diese Publikationist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

TELOS-Paperback 72 419© 2001 by Verlag der St.-Johannis-D ruckerei, Lahr/Schwarzw ald

Um schlagbild: Giovanni Bellini, Maria und das KindUmschlaggestaltung: Friedbert Baumann

Gesamtherstellung:St.-Johannis-Druckerei, Lahr/Schwarzwald

Printed in Germany 14702/2001

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Inhalt

Die PflanzeDas SofaDas Moos an der KirchenmauerDas BildDie Welt innerhalb der Welt

BücherDie GlockenDas LichtZwillingeSchattenDer Blinde

Der VogelgesangErzähltWissenGhettoPaulSommerzeit

Heimatlieder/GlaubensliederDer JudeNeuer AnfangDer M ann, der langsam gingWas der Baum sahDer Bahnhof

FriedenGesundheitsrisikoSelbstzufriedenOstern

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111315

171819202122

242627282931

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Down-SyndromZwischenhalt

SackgasseKatharinaDuft, Raum und FarbenThom as, der Zwilling genanntDrei TiereDoppelfuge

Erzählt IIGebet für OstdeutschlandNähe oder FerneKreistanz„D er W asserträger von Sevilla", Velazquez, 1626Was ich vorher nicht gesehen habe

Begegnung

4950

525456586063

656768707172

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Die Pflanze

Sie kaufte diese Pflanze an einem dunklen Tag. DieseDunkelheit drang tief in ihre eigene Person ein. Ihrganzes Haus schien wie überschattet - auch das künst-liche Licht blieb nur künstlich, nicht tief gehend, ver-änderte nichts, weder sie noch diese Stimmung.

Sie kaufte eine Pflanze, welche noch nicht blühte,nur kleine Knospen umringten sie wie Sterne in derdunklen Nacht. Als sie diese Pflanze in ihre Händenahm, begann etwas wie Wärme sie leise zu durch-dringen - waren es diese feinen Knospen oder wie sieeinander anschauten? Ja, ihre Augen, und diese feinen,

zarten, aufblühenden Knospen.Jeden Tag goss sie ihre Pflanze, nachdem sie sie ansFenster gestellt hatte, um Sonne und Wärme zu emp-fangen. Die Knospen öffneten sich allmählich wie ei-ne Art Begrüßung - hier bin ich, du hast mich so ge-wollt. Und etwas in dieser Frau änderte sich, langsam,aber trotzdem merklich. Es war, als ob sie sich öffne-te zum Licht, zur W ärme, als ob sie innerlich Farbenannähme.

Eines Tages aber fingen die Blüten an zu welken,trotz Licht und Wasser, und die Frau nahm erstmalsdie Falten in ihrem eigenen Gesicht wahr. Sie schautesich an, als ob diese Blumen, die verwelkten, ihr eige-nes Gesicht spiegelten.

Am nächsten Tag verblühte ihre Pflanze ganz undgar, hingebeugt am Fensterbrett, wie man sich ver-

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beugt in der Kirche, tief versunken im Gebet. Und sofand man sie am gleichen Morgen to t in ihrem Bett mit

einem Gebetbuch in den Händen und dem letztenSchimmer des Lichtes, welches sie durchstrahlte.

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Das Sofa

Eigentlich gehörte es nicht hierher. Ihr H aus war neurenoviert worden. Alles war lichtvoller, moderner,aber dieses Sofa blieb, altmodisch, etwas zu dick, zuplump, um sich einer Welt von neuen, glänzendenschmalen M öbeln anzupassen. Es blieb, weil es immer

da war, weil die verstorbene M utter immer da saß amFenster, um ihre Handarbeit zu verrichten. Es blieb alsAndenken ihrer Mutter, ihrer lebendigen Mutter,nicht wie der kalte, abstrakte, tote Stein am Grab. Siepflegte dieses Grab nicht. Sie konnte selbst nicht er-klären, warum , vielleicht weil ihre Mutter immer nochirgendwie lebendig war in diesem Sofa, eine Erinne-rung, die nicht zu löschen war.

Eines Tages sagte ihr Mann: „Morgen ist Sperrmüll,dieses alte Sofa passt wirklich nicht mehr hierher. Soviele Freunde sehen es an, als ob es einer anderen Weltangehört. U nd du weißt auch, dass sie Recht haben."

Widerwillig brachte sie mit Hilfe von anderen die-ses alte Sofa zum Sperrmüll. Irgendwie meinte sie, essei in Wirklichkeit der Sarg ihrer M utter, den sie trug.

Jetzt kam ein neues, helles, modernes Sofa an seineStelle. Aber das Zimmer beunruhigte sie. Sie konnteda nicht m ehr still sitzen, gut ausruhen. Sie stand auf,von innerer U nru he getrieben, als ob alles nicht mehrin Ordn ung w äre.

Eines Tages hatte sie das allererste Mal das Bedürf-

nis, zum Grab ihrer M utter zu gehen. Sie nahm schö-

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ne helle Blumen mit. Der Stein schien ihr nicht mehrnur tot zu sein, sondern vielmehr inneres Leben zu ge-

winnen, vielleicht durch die hellen Blumen, vielleichtauch durch ihre Anw esenheit. Jetzt ging sie öfters zumGrab ihrer toten M utter.

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Das M oos an der K irchenmauer

Er war in einem fremden Haus. Den ganzen vorigenTag hatte es geregnet. Er war am Abend angekommenund eingeschlafen im langsamen Rhythm us des Früh-lingsregens. D er Regen klang in seinem leichten Schlafwie eine entfernte romantische M elodie, traurig, aber

mitfühlend. Er wachte auf, langsam, um diese innereStimmung nicht zu stören.Nach dem Frühstück kam er ins Wohnzimmer. Der

Regen hatte aufgehört. D och der Himm el war imm ernoch bew ölkt; da sah er es - dieses Moos an der K ir-chenmauer. Es war, als ob dieses Moos auch ihn an-

schaute, ihm seine Anwesenheit noch bewusstermachte.Die Kirche stand gegenüber, und diese Mauer lief

entweder von der Kirche zu ihm hin, oder vielleichtbesser gesagt, von ihm zur Kirche hin. Die Mauer warvollkommen mit Moos überwachsen. Er wusste jetztnoch deutlicher: diese moosbedeckte Kirchenmauerwollte ihm etwas sagen, aber was? Er wusste, dass derH err durch Bilder spricht wie in seinem heiligen Buch.Und dann auf einmal wurde es ihm klar. Diese M auerlief auf die Mitte des Kirchenschiffs zu. Mauer undKirche formten also in sich ein Kreuz und dieses be-wegte sich zu ihm hin. K onnte es sein, dass das Moos,welches diese Mauer überdeckte, mit seiner Schuld zutun hatte, die ihn in Gottes Augen bestimmt ganz un-ansehnlich machte?

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Das Bild

„Behalte es", hatte seine Frau sehr eindringlich gesagt.„Das Bild ist ein Geschenk und muss an die Wandgehängt werden. Was wird deine M utter sagen, wennsie uns besuchen kommt? Sie wird das Bild suchenund nach ihm fragen, wie du überall nach deinen eige-nen Büchern suchst."

Wie immer hatte seine Frau ihn genau da getroffen,wo er nicht getroffen werden w ollte. Das Bild wurdeaufgehängt, nicht, wie er es haben wollte, im drittenBadezimmer, das fast nie benutzt wurde, sondern imWohnzimmer an einem besonders ausgewählten Ort.

Jedes Mal, wenn er dieses Bild ansah, musste er weg-schauen, weggehen oder unruhig und unglücklich,zähneknirschend dasitzen - „Warum hast du nur aufdeine Frau gehört?" Er fand nur eine Antw ort für sei-ne Q ual: sich immer so zu setzen, dass das Bild hinterihm war, dass es unsichtbar blieb. Aber dann fühlte ersich ein bisschen unheimlich, als ob dieses Bild ihndurchschauen könnte, ihn in seinem Sinne bewachte.

Eines Tages, als Sperrmüll war und seine Frau ein-kaufen gegangen war, dachte er, jetzt tue ich es, fait ac-compli, das Bild kommt weg. Er ging schnell undheimlich an die Arbeit. Er nahm das Bild in seine Hän-de, schaute es nicht mehr an, als ob das Bild dann nichtsehen konnte, was er vorhatte.

Als er bei dem Spiegel vorbeikam, mehr rannte alsging, merkte er im Vorbeigehen etwas Sonderbares. Er

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kehrte schnell zurück und erschrak. Das Bild spiegel-te sein eigenes Gesicht.

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Die Welt innerhalb der Welt

Er saß in seinem Stuhl und schaute aus dem Fenster.Er war betagt, aber immer noch geistig wach. Er wuss-te von zwei Welten: seine Welt, jetzt dieses Zimmer, ei-ne Welt innerhalb der Welt, und das, was draußen ge-schah, was er in der Zeitung las, am Radio hörte.

M ehr und mehr lernte er, dass seine Welt die w irk-liche Welt für ihn war. Er erlebte seine Welt, sah sie,hörte sie, spürte sie. Draußen war etwas anderes,draußen jenseits seiner Sicht der Dinge. Aber zugleichwar seine Welt auch diese Sicht durch Glas zu seinemGarten, zu Licht und Dunkel, Wolken und Wind,Sonne und Sternen. Er war wie eine Drehscheibe voneiner Wirklichkeit zur anderen, vom Inneren zumÄußeren.

Er war jetzt alt. Alles in seinem Zimmer war wiePersonen, Begegnungen, welche immer wieder neugemacht w urden. Er sah sie in jedem Tageslicht, auchim Licht seiner Gefühle, Gedanken, Empfindungen.Wie Menschen waren diese Gegenstände jetzt, imm erneu erlebt, betrachtet, beurteilt.

Er war jetzt zu alt und zu schwach, um hinauszu-gehen. Aber er wusste, draußen ist der Tod. Da hinauswerde ich als Toter gebracht. Und so wurde die Welt,die nicht innerhalb seiner Welt war, für ihn unheim-lich. Sein Leben w ar sein Stuhl, w o er so fest wie mög-lich saß und die frisch geschnittenen Blumen, die ihnanschauten wie Kinderaugen. Die Schritte seiner Frau

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bekamen einen Nachklang seiner Empfindungen,Schritt um Schritt. Er hielt an einer Welt fest, welche

nur seine war, bis seine Frau ihn eines Tages tot in sei-nem Stuhl fand. Ihn und seine Welt.

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Bücher

Bücher, das erste, was er in diesem Haus sah, warendiese Bücher. Sie waren alt. Sie w aren verschlossen ingroßen, altmodischen Bücherschränken. Er schautenach den Autoren, aber er kannte keinen von ihnen,gar keinen, und er war ein belesener Mensch.

Er versuchte, den Schrank zu öffnen, aber alle dieseBücher waren verschlossen, unzugänglich, als ob sienie gelesen werden konnten. Er fragte den Inhabernach dem Schlüssel, aber er sagte: „Ich habe dieseBücher sozusagen geerbt. Als wir hier einzogen, wa-ren sie da und es hätte viel Mühe gekostet, sie wegzu-bringen. Wir fanden ihr Aussehen beeindruckend.Und so ließen wir sie, wo sie waren."

Er sah sich weiter im Haus um und fand überall ver-schlossene Bücherschränke. Er kannte die Titel derBücher und ihre Autoren nicht. Und dazu, was ihmmerkwürdig vorkam, gab es keine neuen Bücher imHaus, keine offen auf ihrem Platz, keines, das er in dieHand nehmen konnte.

Abends beim Einschlafen wurde er unruhig. Etwasmachte ihn unruhig - es waren diese Bücher. Sie be-wegten etwas in ihm. Er machte sofort das Licht imZimmer an, aber alle Bücher waren noch da, ohne be-kannte Titel, ohne bekannte Autoren, fest verschlos-sen in ihrem großen, altmodischen Bücherschrank.

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Das Licht

Er knipste das Licht an. Es war jetzt draußen ganzdunkel geworden. Er fühlte, wie seine Hand das Lichtso anschaltete, als ob das Licht lebendig seine Handdurchpulste. Er schaute hinaus. Die Sterne waren auchangeschaltet. Ihr Licht schien durch diesen Abend ir-gendwie persönlich, fast als ob er diese Sterne selbstangeschaltet hätte. Der Mond war voll und hell, undals er das Fenster öffnete, hörte er den Bach an seinemFenster vorbeirauschen, als ob sein Klang seinen Puls,innere Musik, seine Musik, durchspiegelte.

Kurz danach ging er schlafen. Er schaltete das Lichtaus, das gleiche Licht, das er vorher so bewusst einge-schaltet hatte, und als er das tat, erloschen die Sterne.Der Bach hörte zu rauschen auf und die Nacht um-hüllte ihn , lebendig, dunkel.

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Zwillinge

Sie hat diese Vorhänge sehr genau gewählt. Sie muss-ten in Farbe und Form zu allem, was sonst im Zimmerwar, passen. Dazu wählte sie ein Kleid aus dem glei-chen Stoff. Dieses Kleid und ihre Vorhänge solltenverwandt sein wie Zwillinge.

Das erste M al, als sie ihr neues Kleid anzog, sah siedie Vorhänge an. Ja, die gehörten zueinander, aber sie,sie kam sich selbst fremd vor. Mein Kleid, meinte sie,ist nicht für mich da, sondern für die Vorhänge.

Eines Abends zog sie ihr neues Kleid an, und zwarsehr bewusst nicht in dem Zimmer mit den neuenVorhängen. Sie dachte, jetz t wird dieses Kleid m ir ge-hören, nur mir.

Sie ging hinaus spazieren und traf mehrere Men-schen, die sie kannte. Alle schauten ihr neues Kleid anund manche sagten sogar: „Dieses Kleid ist sehrschön, aber irgendwie passt es nicht richtig zu Ihnen,auch wenn die Farbe, auch die Motive Ihnen gut ste-hen."

Sie ging gleich nach Hause, etwas befremdet, gingrasch in das Zimmer mit den neuen Vorhängen, mach-te sie fest zu und fühlte sich dann wie nackt, als ob die-ses Kleid nicht mehr angezogen wäre, als ob diesesKleid ihr nicht gehörte, sondern nur für diese neuenVorhänge da wäre, nicht ihr wirklich gehörte.

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Schatten

Als er hinausging in seinen Garten, bemerkte er zuerstnicht die Blumen und die Bäume, sondern ihre Schat-ten, die sich im W ind bew egten. Diese Schatten warenfarblos, formlos, aber sie wollten ihm etwas sagen, ihnauf etwas aufmerksam machen. Er hatte immer Schat-

ten gesehen, seinen Schatten, als den dunklen Teil sei-ner eigenen Person. Aber diese Schatten von Blumenund Bäumen waren anders. Sie waren leicht, gelöst, imW ind bewegt, als ob sie nicht mehr Form hätten, son-dern von sich selbst weggetragen würden. Und als derWind ihn leise berührte, dachte er an den ProphetenElia, wie er Gott begegnete im leisesten Hauch desW indes. U nd dann sah er wie zum ersten M al die Far-ben dieser Blumen, die grünen Blätter dieser Bäume,als ob der Herr für ihn, gerade in diesem Momentihre ersten Farben schenkte.

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Der Blinde

Er wurde in die Dunkelheit geboren. Das Leben war

für ihn nicht Licht, Atmen und Luft, sondern ein Tas-ten in neue Dunkelheit hinein. Jetzt war er nicht mehreingeschlossen, innerlich behütet, sondern wie geöff-

net zu etwas, das er nicht wirklich wahrnehmen konn-

te. Zw ar hörte er, und das waren Stimmen, unverständ-liche Worte, welche mit der Zeit Formen annahmen,aber nur Formen des Klanges, der Bedeutung. AberW orte ohne Bilder blieben wie geheimnisvolle Chiff-

ren für ihn. Er wusste, dass sie etwas bedeuteten, abernicht was, das Was entzog sich seiner W irklichkeit.

Er lernte so gut zu sehen durch seine Finger. Sie tas-teten nach Formen, verlangten einen fast unvorstell-baren Inhalt, Form en ohne Farbe, Impressionen, nichtwie sie waren, sondern wie er sie wahrnahm .

Menschen waren für ihn Stimmen, eine Wirklich-keit von Tasten und Hören. Die neue geöffnete Welt

war aber auch neu geschlossen in seiner eigenen Em p-findung. Er lernte Liebe zu empfangen, denn Liebe istauch bildlos. Er lernte auch seinen He rrn wahrzuneh-men, weder als W ort noch als Bild, sondern als das un-bekannte Große. - Ja, als Licht, welches er sich gar

nicht vorstellen konnte.

Er träumte ohne Bilder, nur in Worten, ungeform-ten W orten und im Tasten, einem Hineintasten, abermehr in sich selbst, in sein eigenes Gespür und seineEmpfindungen.

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Eines Nachts empfing er einen sonderbaren Traum.Er träumte, dass Dunkel nicht mehr D unkel war, son-

dern eine Welt ohne Dunkel. Dieser Traum war zuerstnur G edanken, G edanken in W orte geformt. Aber alser versuchte, diese neue W ahrheit zu tasten, hineinzu-tasten, geschah etwas Sonderbares. Was er berührte,war Licht, nur Licht, Licht, Licht mitten im Traum,mitten in der N acht, mitten durch seine eigene Person.

U nd dieses Licht, das wusste er sofort, w ar der leben-dige Gott.

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Der Vogelgesang

Es war noch kälter geworden. Der Tag empfing ihnwie ein warmer W intermantel, welchen er noch nichtanhatte. Er hatte das Bedürfnis zu gehen, zu wandern- wohin, das wusste er selbst nicht. Er dachte, ichwandere von mir selbst weg, von dem, was statisch,

unbeweglich geworden ist.Das Wandern war für ihn wie eine Reise weg vonsich selbst - oder wirklich zu sich selbst? Das wussteer selber nicht. Die Sonne kam gelegentlich hinter denWolken hervor, als ob sie selbst eine neue Entdeckungmachen wollte, von ihrem Licht, von ihrer Wärme.

Der Wind blies ihm in den Rücken. Manchmaldachte er, der Wind bewegt mich, meine Füße sindnur, was hinter mir gelassen wird. Er war umgebenvon Wald und W iese und von G edanken, welche wieWolken fest geformt waren, aber gelegentlich von derSonne geöffnet, durchstrahlt.

Er kam zu einem kleinen Weg, welcher in den Waldführte. Er folgte diesem Weg, als ob der Weg seinenWeg zeigte, einen Wegweiser. Mitten im Wald hörte ereinen farbigen Gesang. Er dachte, dieser Gesang spie-gelt die Farbe dieses Vogels, hell, offen, natürlich. U nddann sah er diesen Vogel auf seinem Zweig sitzen voll

Gesang, farbigem Gesang in einem dunklen Wald.Und als er diesen Gesang hörte, strömte etwas wieLicht durch ihn bis in den Puls seines Wesens hinein.Und ohne genau zu merken, zu wissen, färbte dieser

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Erzählt

Sie nahm ihn an der H and, fing an, ihm etwas Inniges,Wichtiges zu erzählen. Sie führte ihn zu einem wei-chen Stuhl, setzte ihn hin, als ob er selber keinen eige-nen W illen hätte, und erzählte.

Sie war seine Tante. Zuerst erzählte sie durch ihre

Augen, welche ihn zugleich im Bann hielten, Augen,welche tief in ihre eigene Seele hineinschauen ließen.So wichtig es war, was sie erzählte, hörte er doch

nicht, wie sie das wollte, in ihrem Sinne richtig zu . Waser hörte, war eher, was er sah: seine alte, vertraute Tan-te in einem Kleid, welches zugleich von ihr erzählte.

Auch spürte er die weiche Lehne dieses altmodischenSofas, die seinen Fingern etwas zu erzählen hatte, et-was Feines, Feinfühliges wie Erinnerungen, welchenoch nicht ganz klar waren, nicht ganz geformt, son-dern w ie fließende W olken, welche vorbeiziehen, umihren eigenen Schatten zu suchen.

Die Tante erzählte mit einer innigen geheimnisvol-len Stimme und je mehr sie erzählte, desto tiefer em p-fand er sich selbst.

Und als sie aufhörte, kam eine Stille ins Zimmer,eine Stille, wie wenn man hinaus auf den See schaut,wenn die Wellen Reihe um Reihe zu ihm hineinkom -

men und nur Mond und einen leisen Hauch von Windspiegeln.

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Wissen

Wissen ist, weniger zu wissen, als man weiß. Ich gebeFarben einen Namen, aber weil ich farbenblind bin,sehe ich nicht, was diese Farben wirklich beinhalten.Ich erkläre ein G edicht, als ob die Erklärung wirklichdas Gedicht selber wäre, ohne seine Stimm ungen, Fär-

bungen, ohne seine Zwischen-den-Zeilen-Wirklich-keit.D er Mensch will immer wissen, aber sein Wissen, so

exakt, so genau es zu sein scheint, liegt immer etwasdaneben. Psychologische Kategorien sind keine M en-schen. Sie verbiegen aber Menschen. Sie können Men-

schen zerstören, dass sie nur noch psychologische Ka-tegorien werden. Freudianer träumen im freudschenSinne. Sie sind nicht mehr ihre Träume, sondern wasein Traum sein sollte.

Fakten kennen keine G eschichte, und wenn sie Ge-schichten beinhalten, dann sind sie nicht mehr Fakten,

sondern Auslegungen: was ich sehe, auch wie ich es se-hen will. Gott wird zu meinem Gott gemacht, er istnicht mehr sein Gott.

Wer weiß, dass das, was er weiß, nur was er weiß, ist,fängt an, die Welt anders zu sehen, mit Augen, die sichselbst erzählen, aber zugleich mit dem Wissen, dass

Wissen weniger ist, als was man weiß. N ur Go tt weißwirklich, und wenn ich mich so in Demut vor ihmbeuge, werde ich eines Tages in seinem Reich wissen,was ich w eiß, was er weiß, was er ist.

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Ghetto

Ich glaube, dass sie gar nicht merkten, was draußenvor ihnen geschah, wie manche Vögel gerufen werdenvon einem langen Arm, um über die Berge zu fliegen,und wie andere bleiben, um über dem Schnee Kreiseder Einsamkeit zu ziehen.

Nein , sie merkten es nicht, auch waren sie nach ei-ner langen Reise gezeichnet von Vertreibung und N ot.Ihre G esichter sprachen davon. Richtig zu lachen fielihnen schwer, denn ihre Gesichter waren erstarrt vonLeiden, Verlust und neuem Beginn. Sie begannen alleseinzurichten, w ie es früher war: das H aus, die Möbel,

auch ihren Geist. Sie sangen die alten Lieder ihrer H ei-mat, die nicht mehr ihre H eimat war, mit einer Sehn-sucht, als ob sich eigentlich gar nichts geändert hätte.

Aber eines blieb, das ihnen die Kraft gab, das allesauf sich zu nehmen. Sie änderten sich nicht, vielleicht,weil ihr G ott sich nicht geändert hatte. Ihr Glaube war

dann letzten Endes der wahre Standort ihres Daseins- eine andere Heimat, sehnsuchtsvoll erworben, durchVerfolgung, Leiden, Vertreibung.

Auf der Wanderschaft blieben sie, aber ohne dass et-was sich in ihrem Sinn geändert hätte. Als ob Zeit undRaum unwesentlich wären, als ob es wirklich keine

Zeit und keinen Raum m ehr gäbe - ja , wie das in Got-tes Reich sein w ird.

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Sommerzeit

Um zwei Uh r früh wird die Zeit geändert. Plötzlich,in einem A ugenblick wird es drei Uhr. Was ist mit die-ser Stunde passiert? Ja, sie hat gar nicht existiert. Siewar vorgedeutet, auch nachgedacht, aber war nichtzustande gekomm en, wie ein G edanke, welcher sogar

Farbe und Form annahm, aber so vorbeigeeilt ist, alsob er niemals gewesen sein konnte .Vielleicht ist diese verlorene Stunde irgendwo an-

ders zu finden, vielleicht in Italien im Sommer, wennwir vom Baden zurückkommen und eine Stunde län-ger am Strand verweilen. Vielleicht ist es das, was ge-

meint ist - Sommerzeit.Können Menschen denn wirklich die Zeit ändern?Können wir den 24-Stunden-Tag durch ein Gesetz imBundestag abschaffen?

Aber die Zeit kommt, wann und wie sie will. Siekommt am Morgen, wenn das Licht sich über das

Land ausbreitet. Sie kommt am Abend, wenn dieMenschen ihr eigenes Licht einschalten, als ob sie da-durch den Tag verlängern könnten. Andern wir dieZeit, oder ändert die Zeit uns?

Ich trage sehr viel Zeit in mir selbst, Kinderzeit, Ju -gendzeit, bis zur Zeit der grauen und weißen Haare.

Aber die Zeit sagte niemals zu mir: Jetzt werde ichdich für eine Stunde abschaffen.Sommerzeit, eine verlorene Stunde, welche uns ir-

gendwann, irgendwie einholen wird.

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sam? Ich bin sehr alt. Ich muss es tun, aber sie sindnoch jung." Vielleicht, dachte er, gehe ich so langsam,

dass die Zeit langsamer gehen wird, dass ich nicht soschnell alt werde wie dieser Mann.Auf einmal kam er auf eine Wiese und weil es sehr

warm war, legte er sich hin und schaute die Wolken an.Sie bewegten sich auch sehr langsam, wie hingezogenvon einer entfernten Hand. Er schlief ein und träum -

te , dass die Welt stehen geblieben war, ohne Bewe-gung, und ja, dachte er, ohne Zeit. Er träumte, dass einFrieden ihn überkam wie die Hand, welche diese lang-sam ziehenden Wolken lenkte. E r träumte und träum-te , bis seine Träume wahr geworden waren.

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plötzlich dachte er, wenn er den falschen Zug nehmenwürde, wenn er an einem falschen Ziel ankommen

würde, wenn er in einer fremden Stadt einen neuenAnfang machen würde, namenlos, unbekannt, aberwie „vermisste Soldaten", welche nie zurückkamen,neu, namenlos angefangen hatten, oder wenn er ansein Ziel kam, aber niemand da war, um ihn abzuho-len.

Für viele war dieser Bahnhof nur ein Mittel zumZweck, unreflektiert erlebt - aber auch für sie konntees sein, dass in ihrem Schlaf, im Traum, die Züge hinund her fuhren, und sie ihr eigenes Ich unter den Men-gen von Menschen nicht finden konnten, in diesemHin-und-Hergehen in einer namenlosen Stadt, die

Bahnhof heißt.

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Zwischenhalt

Dieses Bild hat mich immer fasziniert, und ich glaube,die Darstellung dieses Themas hat die Fantasie derMaler besonders angeregt: „Die Ruhe auf der Fluchtnach Ägypten".

Das kennen wir alle: Zwischenhalte in unserem Le-

ben, Monate der Ruhe, der Pause zwischen zwei Zie-len. Besonders betont haben die Maler die üppige Ve-getation des ihnen unbekannten Ägypten, auch oft dieGröße des Esels - denn er trug eine große, teure Lastund die Arm ut der Heiligen Fam ilie. Josef wurde oftsogar barfüßig dargestellt.

Sie gingen einen menschlich gesehen nicht so be-sonderen Weg - wie viele Flüchtlinge gibt es in unse-rer Zeit? Aber hier in dieser Arm ut, D em ut, Beschei-denheit und den Mächten und Kräften der Weltausgeliefert, ist Gottes Heilsplan unterwegs. Ja, G ottselber als Mensch, ein Säugling so klein w ie er darge-

stellt wird, unterwegs ist für das Heil der ganzen Welt.Zwischenhalte gibt es auch in unserem eigenenLeben, auf dem W eg zu einem vielleicht nicht einmalbekannten Ziel. Nachher, nachdem wir diese Zieleerreicht oder nicht erreicht haben, vergessen w ir all-zu oft diese Zw ischen halte. Aber sie sind sehr wich-

tig. H ier kann es sich z. B . um eine Zeit der Reflexi-on handeln, was für einen Sinn mein Leben hat, auchdieses Lebensziel. Es kann auch eine Zeit der Erho-lung und Stärkung sein, körperlich w ie geistig/geist-

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uns sehr bitter schmeckt: ich bin unheilbar krank, esgibt kein Zurück mehr zum Leben. Ja, die Medizin hat

auch nur begrenzte Möglichkeiten.Wie sollen wir uns auf solche Sackgassen vorberei-ten (ohne die Möglichkeit, eine Einbahnstraße in diefalsche Richtung hineinzufahren)? Ich kenne nur einegute Lösung dafür, uns tief und immer tiefer hinein-zufügen in die Nachfolge von jemandem, der Sack-

gassen jeder Art, sogar den Tod, durchbrochen hat -unser Herr und Heiland Jesus Christus.

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Katharina

Katharina war zw eieinhalb. In jeder Hinsicht m achtesie einen ganz normalen Eindruck, mit einer sehrwichtigen Ausnahme. Sie war ein liebliches Kind,ziemlich groß für ihr Alter, wie ihre Eltern auch, mithübschem, blondem Haar. Sie war sehr anhänglich,

spielte aber auch gerne, vor allem im Sandkasten,wenn das Wetter schön war. Katharina hat einen älte-ren, sehr dynamischen Bruder. Autos jeder Art undGröße waren seine Leidenschaft. Er konnte sehr liebzu seinem Schwesterchen sein. Wir haben gesehen,wie er sie zu ihrer großen Freude in seinem neuen

großen zweisitzigen A uto herum kutschierte. Aber erkonnte auch sehr hässlich zu ihr sein, sie mit kleinenSteinen aus seinem Sandkasten vertreiben, zum Bei-spiel.

Katharina war jetzt zweieinhalb. In jeder Hinsichtmachte sie einen ganz normalen Eindruck, in einer

Gesellschaft, in der Normen vor allem für Kleinkin-der und ihre Entwicklung eine große Rolle spielen.Aber Katharina sprach nie ein Wort, mit Ausnahmevon „Mama" und „Papa". Ihr Gehör war normal.Wenn die Mutter rief, kam sie, aber ohne ein Wort zusagen.

Was war das Problem ? K onnte es ihr älterer Brudersein? Eine V ermutung hatte ich in diese Richtung, aberich glaube das nicht mehr. Andere ältere Brüder be-nehmen sich leider ähnlich gegen ihren kleinen

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Schwestern. Vielleicht wird er ihr großer Beschützerwerden, wenn sie einen brauchen sollte.

Schwieg Katharina, weil sie nichts zu sagen hatte,weil sie sehr zufrieden war? Ich kenne Erwachsene,die sich so benehmen. Aber von einem Kind erwartetman die Entwicklung seiner Fähigkeiten. Konnte esAusnahmen geben, die sich letzten Endes doch „nor-mal" entwickeln?

Oder hatte sie etwas Schreckliches erlebt, das siestumm gemacht hat, dass sie auf gar keinen Fall darü-ber sprechen wollte, vor allem nicht über dieses Er-lebnis. Das glaube ich auch nicht, denn ihre Mutterwar sehr umsichtig und ihr Vater auch, wenn er zuHause war.

N ur eines war sicher: Katharina schwieg. Sie lächel-te . Sie spielte. Sie war gesellig, und sie schien auch zu-gleich anhänglich und ein bisschen selbstständig fürihr Alter zu sein, aber Katharina mit zweieinhalbschwieg.

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Duft, Raum und Farben

Was meine Empfindungen vor allem bestimmt, ist derRaum. Wenn ich hinausgehe, spüre ich etwas jenseitsvon mir, welches sich ins Unendliche ausdehnt, abermich zugleich einhüllt, einbringt in eine Art vonSchutz. Diese Erfahrung wird sicherlich zugleich von

meinem dichterischen Sinn wie auch von meinemGlauben bestimmt: „Von allen Seiten umgibst dumich, Herr."

Aber dazu bewegt sich etwas in diesem meinemSinn von Raum: Wind durch Blätter, Sonnenlicht, dasEmpfinden von hier und jetzt von Freude, fast trans-

parent erlebt. Und dann diese Blumen, ihre Farben.Farben, diese Blumenfarben, punktieren m eine Em p-findung. Sie nehmen mein Erlebnis in sich selbst hi-nein und schaffen eine innere Form in diesem Raum.Farbe, diese Blumenfarbe, bedeutet eine M arkierungdes Erlebten wie Schritte im Schnee.

Aber dann nehme ich eine bestimm te Blume wegenihres Duftes wahr. Duft ist unmöglich zu beschreiben.Weinkenner versuchen es vielleicht am besten, oderfranzösische Lyriker. Aber gelingen kann es niemand,denn Blumenduft schafft eine Wirklichkeit innerhalbder W irklichkeit dieser Blumen. Sie entfaltet ihr eige-nes Leben noch mehr als die Knospen, welche vonBlumen selbst geformt sind. Dieser Blumenduft kannso stark werden, so tief gehen, dass wir für einen M o-ment unseren Sinn für Raum verlieren. Wir werden

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eingehüllt in etwas Geheimnisvolles, Schönes. Aberdieser Duft bestimmt dann über uns wie das erste

Empfinden des Raumes, als wir zum ersten Maldraußen gingen.Vielleicht hat dieser unendliche Sinn von Raum, die-

se punktierte Blumenfarbe und dieser fast unabhängi-ge geheimnisvolle Duft, welchen wir empfangen, auchnur ein ganz kleines bisschen mit dem Reich G ottes zu

tun; sie erweitern unseren Sinn der W irklichkeit undführen uns zugleich hinein in etwas Geheimnisvolles,das wir nur erleben können , ganz neu erleben müssen,aber über das wir nicht mehr bestimmen können.

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rührung auf Jesu Befehl - denn Leib, Geist und Seelesind eine unzertrennliche biblische Einheit - wird

Thomas der Weg zu G ottes Wirklichkeit geöffnet unddamit zu einem anderen Selbstverständnis. „MeinH err und mein G ott" , sagt nicht nur etwas über Glau-be, die Glaubenswirklichkeit des Auferstandenen,sondern zugleich über Thomas* Selbstverständnis -das Wort „mein" wird wiederholt. Er ist anders ge-

worden, im tieferen Sinne neugeboren aus seinem sobegrenzten Selbstverständnis zu einem erweitertenSinn des Seins - G ott, Jesus, du bist meine Wahrheit,du transzendierst mich und machst mich wirklich neu.

Was Dichtung uns lehren will über die äußere undinnere Welt, über uns selbst, ist wirklich vollendet

durch den Glauben selbst: „Mein Herr und meinGott!"

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Doppelfuge

Ich fragte mich einmal im Zug, als ich hinausschaute:Gehe ich an dieser Landschaft vorbei, oder vielleichtum gekehrt, geht diese Landschaft an mir in der entge-gengesetzten Richtung vorbei, oder vielleicht ge-schieht beides auf einmal.

Manchmal frage ich mich auch, ob ich immer älterwerde oder die Menschen durch meine Augen immerjünger geworden sind. Was wir empfinden, ist sicher-lich nicht, wie andere uns empfinden. Meine Sicht derDinge kann auch an mir selber vorbeigehen.

Zum Beispiel sah ich einen Freund in Amerika, wel-

chen ich seit Jahren nicht m ehr gesehen hatte. Als wirüber Erfahrungen sprachen, welche wir in unserer Ju-gendzeit teilten, konnte ich mich durch seine Erzäh-lungen genau daran erinnern, aber ohne mich in dendamaligen David hineinzuversetzen. Ich war so an-ders geworden, dass ich nicht mehr ich war. Ich war

nur ein Beobachter von etwas, das ich längst nichtmehr war, und zwar ein sehr kritischer Beobachter.Ich stellte die damalige Zeit infrage, aber die damaligeZeit stellte mich, meine jetzige Person genauso infra-ge. Die Zeit ändert uns, aber wir ändern anscheinenddie Zeit auch.

U nd so ist Geschichte, was ich erlebte, als ich es er-lebte, aber zugleich w ie ich jetzt sehe, was ich damalserlebte. Diese beiden Wirklichkeiten gehen oft in ent-gegengesetzte Richtungen wie eine große Doppelfuge

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von Zelenka oder Mozart, wie meine Sicht im Zugjetzt unterwegs nach Falkenstein.

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Erzählt II

Alles, was ich habe und bin, erzählt etwas über m ich,ob ich bereit bin zu hören und zu sehen oder nicht. Je-de W unde an meinem Körper, wo ich operiert wurdeoder eine Verletzung erlitten habe, ist als Zeichen fürmich da: So selbstsicher sollst du nicht leben. So etwaskann sich wiederholen, auch wenn du so gerne ver-gessen möchtest. Ist mein Haar seit langem oderplötzlich grau und dann weiß geworden? Es kommtdarauf an, wie ich das sehe, aber auch wie mein Leben,mein Haar sich natürlich geändert hat. Alles, was ichhabe und bin, erzählt etwas über mich, ob ich bereitbin, zu hören und zu sehen oder nicht.

Die Kleider, welche wir jetzt nicht mehr tragen,weggeben wollen, tragen aber in sich vieles, was wirerlebt haben - können w ir unsere Geschichte denn soleicht loswerden? Als wir in einem vierhundert Jahrealten Pfarrhaus lebten, hatte dieses Haus m ir vieles zuberichten, aber ich blieb stumm für seine Botschaft.Ich wollte mich benehmen, als ob dieses Haus mirgehörte. Wir verneinen Kontinuität, aber die Ge-schichte läuft weiter in uns, trotz uns, durch uns. H a-ben wir Augen zu sehen, Ohren zu hören?

In einem Zimmer in meinem elterlichen Haus gibtes eine Ecke mit Familienbildern. Aber kein einzigerMensch, welcher da porträtiert ist, lebt mehr. MeinVater und meine Mutter haben alle ihre Brüder undSchwestern überlebt. Manchmal verweile ich in die-

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Gebet für Ostdeutschland

Wird dieses Land einmal wieder frei atmen könnennach H itler und der Stasi? Wenn ich die geschändetenGebäude ansehe, die zerbrochenen Fensterscheiben,diese verlassenen Gebäude, frage ich mich, wie vieleMenschen hier geschändet wurden, geistig, geistlichzerbrochen, und auch wie viele jetzt verlassen sind.Wenn ich diesen üblen Geruch von stehenden Ge-wässern wieder erlebe, so frage ich mich, wie viele die-ser Menschen nicht weiter kommen mit sich selbst,gleichsam eine öde Landschaft geworden sind.

Wenn ich merke, wie viele junge Menschen ihre

Heimat verlassen, um die Zukunft zu suchen, so fra-ge ich, ob sie nicht einen Teil ihrer selbst verlassen ha-ben, als ob sie ein anderes Selbst woanders findenkönnten.

U nd w enn ich sehe, wie viele dieser Menschen ihrenGott verlassen haben, die Welt wie Thomas nur m ate-

riell sehen, dann frage ich mich, ob sie selbst nur M a-terie sind, wie diese einförmigen Reihenhäuser, ohneGeist und ohne Seele.

U nd ich bete zu dir, H er r Jesus, für dieses Land unddieses Volk: Erbarme dich ihrer. Lass sie Freude be-kommen an Blumen und rauschenden Bächen. Lass

sie nochmals hinauf zum Himmel schauen wie meinVolk in seiner Bedrängnis, um neue Freiheit zu suchenin dir, dem lebendigen Gott .

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N ähe und Ferne

Wenn ich hinausschaue, frage ich mich, was oder werhinter dem Fenster gegenüber steht. Die Entfernungist nicht g roß, aber trotzdem nicht überschaubar. Wasmir sehr weit erscheint, kann mir plötzlich nahe kom -men: Menschen mit ihren Problemen, ein sich aus-breitender Krieg oder eine Krankheit. Ich weiß nie,was mir wirklich nahe, was mir ferne steht.

Manche Menschen haben dieses Problem sogar insich selbst. Sie sind überrasch t von ihren eigenen G e-fühlen, sogar von ihrem Tun. Was ihnen verborgenwar, sozusagen hinter dunklen Fenstern, wird p lötz-lich aktuell, hier und jetzt. Wir versuchen uns abzu-schirmen gegen alle möglichen Gefahren, aber Vor-hänge vor unseren Fenstern ändern nichts an dem,was draußen geschieht.

H ier in dieser Stadt lebten damals Juden, die glück-lich und angesehen waren, und auf einmal waren sieVolksfeinde, fremd und gefährlich. So schnell kanndas passieren.

Ernst Weill un d seine Familie waren jahrelang be-freundet mit seiner Klavierlehrerin. U nd dann ging ereines Tages 1933 seiner Freundin und Lehrerin dieStraße entgegen. Und was tat diese Musikerin? Sieging so schnell wie m öglich auf die andere Straßensei-te, als ob sie sagen wollte: „Ich bin Deutsche. Du bistJude." Diese Entfernung kann noch viel größer sein

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als nur die Breite einer Straße, wie diese dunklenFenster, welche ich jetzt anschaue.

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Was ich vorher nicht gesehen habe

Sage mir immer das Gleiche oft genug und ich werdees träumen, gar vertonen . Ich werde es singen, bis esendlich aus mir herausquillt wie Seifenblasen in einwartendes Himmelblau.

Und dann werde ich sehen, was ich vorher nicht ge-

sehen habe: einen Himmel, welcher sich immer wie-der ändert, seine Farbe, seine Formen. Wo die Vögelfliegen, dass sie nicht mehr auffindbar sind. Wo derWind geheimnisvoll und leise zu meiner kühlen Hau tspricht. Und dann werde ich wissen, Herr, wie großdu wirklich bist.

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Begegnung

Ich weiß nicht, wie weit ich mit den Augen eines an-deren sehen kann , empfinden kann wie er. Meine Sichtbleibt immer meine Sicht.

Er ist gefälliger als ich, langsamer, aber dafür etwasgeschützter - Mauern dieser Art halten länger auch imschwersten Wind und Wetter. Er tut alles nach dem

Plan, den seine Papiere ihm vorschreiben, aber was ertut, tu t er nicht für sich - er dient.

Er ist, was er ist, weil er dient. O hne zu dienen, wür-de er einsam werden, Schatten würden dann um ihmwachsen - nochmals eine Art von Schutz?

Ich rede, wie immer, sehr lebendig. Er hört zu, aber

weil er selten redet, glaube ich, dass er auch urteilt.Wenn er redet, ist es nicht eine A rt von Zustimm ung,von Anerkennung, sondern mehr wie eine kleine aberverständnisvolle Korrektur. Ist das seine A rt zu sagen,ich kann auch parieren, aber wie und wann ich will?

Ich versuche, seinen Tagesrhythmus zu verstehen,

mich hineinzuversetzen in alles, was vor ihm liegt.Aber je mehr ich danach frage, desto weniger antwor-tet er mir, desto weniger komme ich ihm näher -nochm als eine Mauer?

Er ist selber so gebaut, etwas stattlich. Er meint eswohl. Er ist gutherzig, aber irgendwie bleibt er für

mich wie eine Wehrkirche, umringt von Schutzmau-ern, vielleicht dam it er auf seine Art und Weise dienenkann.

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