Die Zeichen Auf Der Scheibe Von Nebra Un

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    Herausgeber Harald Meller und François Bertemes

    Der Griff nach den Sternen

    Internationales Symposium

    in Halle (Saale) 16.–21. Februar 2oo5

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    Einleitung

    Weltweit hat wohl kein archäologischer Fund in den vergan-genen Jahren eine vergleichbare Öffentlichkeit erreicht wieder 1999 entdeckte und 2oo2 ins Landesmuseum für Vorge-schichte Halle gelangte Fund von Nebra. Dies liegt an derBedeutung, die der etwa 2kg schweren und etwas mehr als

    3o cm im Durchmesser messenden Bronzescheibe mit Gold-auflagen zugesprochen wird1. In Form und Ornament singu-lär, bietet sie selber keine morphologischen oder stilistischenDatierungshinweise. Deshalb wird der Zeitpunkt ihrerNiederlegung – unter der Voraussetzung, dass die betreffen-den Gegenstände zur gleichen Zeit niedergelegt oder vergra-ben wurden– anhand der zusammen mir ihr ins Museumgelangten Funde (Schwerter, Beile, Meißel, Drahtspiralen)bestimmt.

    Typochronologisch bieten die die Scheibe begleitendenBronzen ein einheitliches Bild und lassen sich allesamt indie Altbronzezeit, und zwar in eine der relativchronologi-schen Phase Bz B-älter entsprechende Zeit datieren2. Sie ge-hören innerhalb der Stufe B, die nicht im Hinblick auf alleTypen differenzierbar ist, zu einer älteren Typengemein-

    schaft (Bz B-älter), die dem Formenschatz des Lochham-Horizontes (Bz B-jünger) im Sinne der ursprünglicheninhaltlichen Definition Holstes zeitlich vorangeht3. Hierbeihandelt es sich um den Horizont der ältesten mitteleuropäi-schen Vollgriffschwerter, dem u. a. die Funde von Rastorf inOstholstein (Bokelmann 1977, 96; 97 Abb. 8,1; David 2oo2,458 [D 16]; Taf. 335,1) und Roz·nowo (Rosenfelde) in Pom-mern4, die Kurzschwerter bzw. Dolche von Bex, Kt. Waadt,und Branson, Gem. Fully, Kt. Wallis, in der Westschweiz

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    Die Zeichen auf der Scheibe von Nebra und das altbronze-zeitliche Symbolgut des Mitteldonau-Karpatenraumes

    Wolfgang David

    Abstract

    The symbols on the »Nebra Sky Disc« and Early Bronze

    Age symbols of the Middle Danube-Carpathian region

    The later Early Bronze Age and the earlier Middle Bronze Age

    according to central European terminology (Reinecke A2 and 

    B) are known, especially in the central Danubian area, as a

    period of rich creativity of various ornamental systems on

    bronze, gold and ceramics. These styles of ornamentation

    cannot only be viewed simply as an expression of a purely aes- 

    thetical motivation, but they also functioned as a medium for depicting certain signs, or visualized explanations of rational 

    or non-rational associations of meaning. The Early and 

    Middle Bronze Age cultural features of the middle Danubian

    region mentioned above – disregarding all regional specific 

    differences – show a certain common pool of ornamental 

    motifs; among these common symbols are also those which

    represent a more or less sharply cut meaning. As these are

    mostly signs of a solar, astral or lunar character, one has to

    question on the one hand if further knowledge for the

    »reading« of the »Nebra Sky Disc« can be won from studying 

    them, and on the other hand which contribution in general the

    depiction on the »Nebra Sky Disc« can deliver for the under- 

    standing of the Early and Middle Bronze Age pool of symbols.

    Keywords: Bronze Age, Danube countries, pool of symbols,

    ornament, pendants, gold finds, ceremonial weapons 

    Zusammenfassung

    Die jüngere Frühbronzezeit und die ältere Mittelbronzezeit 

    nach mitteleuropäischer Terminologie (Reinecke A2 und B)

    stellt vor allem im mittleren Donauraum eine Periode reicher 

    Entfaltung vielfältiger Ornamentsysteme auf Bronze, Gold 

    und Keramik dar. Diese Ornamentstile sind nicht allein als 

     Ausdruck eines ausschließlich ästhetischen Willens anzuse- 

    hen, sondern sie fungierten auch als Medium zur Darstellung 

    bestimmter Zeichen, als visualisierte Explikationen von

     Aspekten eines rationalen oder irrationalen Bedeutungszu- 

    sammenhanges. Die oben genannten alt- und mittelbronze- zeitlichen Kulturerscheinungen des Mitteldonauraumes wei- 

    sen, ungeachtet aller regionalspezifischen Unterschiede, ein

    gewisses Gemeingut an bestimmten Ornamentmotiven auf,

    unter denen sich nicht zuletzt auch solche befinden, die als 

    Symbole einen mehr oder weniger scharf umrissenen Sinn- 

    gehalt verkörperten. Da es sich in erster Linie um Zeichen

    solaren, astralen oder lunaren Charakters handelt, ist zum

    einen zu fragen, ob sich aus ihnen weitere Erkenntnisse zur 

    »Lesung« der Scheibe von Nebra gewinnen lassen, und zum

    anderen, welchen Beitrag umgekehrt die Darstellung auf der 

    Scheibe von Nebra für das Verständnis des alt- und mittel- 

    bronzezeitlichen Symbolgutes im Allgemeinen leisten kann.

    Schlüsselbegriffe: Bronzezeit,Donauländer, Symbolgut,Orna- 

    ment,Anhänger, Goldfunde, Prunkwaffen

    1 Zur Entdeckung, Zusammensetzung und Be-deutung des Fundes von Nebra siehe Meller2oo2; Meller 2oo4; Pernicka u. a. 2oo8.

    2 Wenig überzeugend argumentiert Gleirscher(2oo7, 23 f. 32) für eine urnenfelderzeitlicheDatierung der Niederlegung der Scheibe.

    3 Zur chronologischen Gliederung der süd-deutsch-mitteldonauländischen Bronzezeit-stufe B im Sinne von B-älter und B-jüngersiehe David 1998a, 3o5–332; 367f. Abb. 14–15 (Chronologietabellen); David 1998b, 121f.Beil.1; David 2oo2, 23o–234; 26o–265; 366f.

    Abb.5.8; Abb.5.9 (Chronologietabelle); 91o f.Beil.1; David 2oo6, 1oo–1o3 mit Abb. 2(Chronologietabelle); David 2oo8; 226f.Abb.2o–21 (Typentafeln); David-Elbiali/ David 2oo9, Taf. 1; 5–8; 11 (Typentafelnund Chronologietabellen).

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    (David-Elbiali 2ooo, 67 Abb. 7; 68) sowie die karpatenländi-schen Typen Hajdúsámson, Oradea und Vajska angehören5.Mit Nebra synchronisierbare, chronologisch aussagekräftigeFundkomplexe, die entsprechende Vollgriffschwerter oderSchwert- oder Dolchklingen mit ursprünglich organischenGriffen aufweisen, sind die Grabfunde von Bex, Drouwen,Ziegenberg und Sachsenburg sowie die Depots von Hajdú-

    sámson, Apa, Vajska und Sárbogárd6.Damit gehört der Fund von Nebra in die Zeit vor dem Zer-

    fall des altbronzezeitlichen Siedlungssystems, das im Ver-laufe der Stufe B durch das Verlassen der Tellsiedlungen imKarpatenbecken und der befestigten oder in Schutzlagegelegenen Siedlungen im zentralen und südlichen Mittel-europa markiert wird. Diese Siedlungen sind altbronze-zeitlichen Kulturerscheinungen der Phasen Bz A2b–B zu-zuweisen, wie den Gruppen Landsberg/Arbon oder Seng-kofen/Jellenkofen in Süddeutschland, dem KulturkomplexMad’arovce-Věteřov-Böheimkirchen im östlich benachbar-ten Donauraum sowie den entwickelten und späten Phasen

    der Vatya-, Füzesabony- und Gyulavarsánd-Otomani-Kulturim Karpatenbecken7.Diese Zeit –genauer gesagt die Zeitspanne von der ent-

     wickelten Frühbronzezeit (A2b) bis zur frühen Mittelbronze-zeit (B-jünger) nach mitteleuropäischer Terminologie– stelltim Mitteldonauraum eine Periode reicher Entfaltung vielfäl-tiger Ornamentsysteme auf Bronze, Gold, Bein und Keramikdar, insbesondere im Vergleich zum Fundgut der vorange-henden älteren Frühbronzezeit, das durch eine relativeOrnamentarmut oder die Verwendung lediglich einfacherZierelemente gekennzeichnet ist. Keineswegs handelt essich bei diesem Zeitabschnitt, dem in den Tellsiedlungendes Karpatenbeckens Schichten von mehreren MeternMächtigkeit zuzuordnen sind und der im südlichen Mittel-europa die Phasen Bz A2b, A2c, B-älter und B-jüngerumfasst, lediglich um eine »Übergangsphase« zur mittel-bronzezeitlichen Hügelgräberkultur, deren Bedeutung inZentralmitteleuropa aufgrund spezifischer Überlieferungs-bedingungen und einer andere Schwerpunkte verfolgendenForschungstradition lange überschätzt worden sein dürfte.

    Vielmehr stellt diese altbronzezeitliche Periode (BzA2b–B) – zumindest was Siedlungswesen, Deponierungensowie die technische und stilistische Qualität des Sachgutesangeht– eine regelrechte Blütezeit dar, bevor dann im fort-geschrittenen Verlaufe der Stufe Bz B ein durch grundle-

    gende Veränderungen in Stil, Siedlungsweise, Grab- undDeponierungssitten gekennzeichneter Kulturwandel ein-setzt, der erst in der Stufe Bz C flächendeckend vollendeterscheint8. Dabei markieren der vorwiegend auf Waffen

    überlieferte ostungarisch-westrumänische Hajdúsámson-Apa-Stil, Goldfunde und die keramischen Stile der Kultur-gruppen von Wietenberg, Suciu de Sus, Füzesabony- undGyulavarsánd-Otomani, Maros/Mures‚ , Vatin und Vatya ge-nauso wie diejenigen der Transdanubischen InkrustiertenKeramik in Form, Machart und Ornament in ihren ent- wickelten und späten Phasen9 Höhepunkte der bronzezeit-

    lichen Stilentwicklung (David 2oo2, 4o4–416; David 2oo7;214–225; Taf.1–4; 6).

    Die genannten Zierstile dienten nicht allein dem Aus-druck ästhetischen Willens, sondern auch als Medium zurDarstellung bestimmter Symbole. Sinnbildliche Bedeutungkann bereits das Dekorieren oder Schmücken an sich besitzen,bedeutet es doch ein Hervorheben, eine Auszeichnung undWerterhöhung des geschmückten Gegenstandes. Die Fragenach der Grenze zwischen Zierart oder Zeichen ist beim ein-zelnen Ornament naturgemäß kaum oder nur schwer zubeantworten. Zudem ist, wie die Kunstgeschichte lehrt, mitEntwicklungen vom bloßen Ornament zum Symbol und

    umgekehrt zu rechnen. Zum einen setzt der ornamentaleCharakter vieler Symbole eine ornamentale Vorstufe vor-aus, aus der die Zeichen gleichsam als »Formvokabeln«übernommen werden, eine reine Zierform also durch sekun-däre Deutung zum sinnbildlichen Zeichen wird. Zum ande-ren kann ein Symbol aber auch zur bloßen Zierform absin-ken, kann eine Sinnentleerung bis zum vollkommenenVergessen der ursprünglichen Bedeutung bzw. zum Miss- verstehen oder Neudeuten eintreten, und zwar begünstigtdurch seine Wiederholbarkeit und Geprägtheit als ikoni-sches Zeichen10.

    Keramik und Metallfunde der erwähnten älterbronze-zeitlichen Kulturerscheinungen des Mitteldonau- und Kar-patenraumes weisen ungeachtet aller regionalspezifischenUnterschiede ein gewisses Gemeingut an bestimmten Orna-mentmotiven auf. Unter diesen befinden sich Kreismuster,Buckel, lanzett-, hörner- oder mondsichelförmige Motivesowie Spiralmotive wie S-, C- oder V-Spirale, die als Motivezeichenhaften Charakters einen mehr oder weniger scharf umrissenen Sinngehalt verkörpern11. Diese Zeichen – offen-bar überwiegend solaren, lunaren oder astralen Charakters–bleiben in ihrem Auftreten nicht auf eine bestimmte Gegen-standsform oder Materialgruppe beschränkt. Vielmehrkommen sie in mannigfaltiger Ausprägung und Kombina-tion auf ganz unterschiedlichen Trägern aus Gold, Bronze

    oder Keramik vor. Ihre Verbreitung erstreckt sich in derRegel über mehrere der anhand von Keramikzierstilen defi-nierten regionalen Kulturgruppen. Und auch ihr zeitlichesAuftreten umfasst mehr als nur einen Zeithorizont. Die for-

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    4 Holste 1953, 45 Fundliste 3 A Nr.4;Taf. 4,6–7; Hachmann 1957, 198 Nr.282;Taf.24,3–4; Kersten 1958, 63 Nr.6o7;Taf.6o,6o7; Blajer 199o, 131 Nr. 1o3; Taf. 92.

    5 Zu den karpatenländischen Schwertertypenund verwandten Formen Südskandinaviensmit weiterführender Literatur siehe David2oo2, 369–377; 39o–394; 437f. (SD 17–26);Taf. 89–91; 113,3; 114,1; 115,1.

    6 Zu den genannten Funden mit Abbildungenund weiterführender Literatur siehe David2oo2, 392 Anm. 28; 458 (D23); 469 (H94);477 (RO4); 491 (YU 6); Taf.115; 117–12o;333–334; Hachmann 1957, Taf. 4o,5–7

    (Sachsenburg); David-Elbiali 2ooo, 399; 547;Taf.26 B1–4 (Bex).

    7 David 1998, 256–258; David 2oo2b, 85–88;David 2oo6, 1o1f. mit Abb.2 (Chronologie-tabelle). – Als alt- oder älterbronzezeitlich werden Funde des Zeitabschnittes Bz A2–Bangesprochen, also Formen der PrägungenA2a, A2b, A2c und B-älter sowie zuweilenauch noch B-jünger: Funde, die mit der Ent- wicklung der Kulturerscheinungen vonFüzesabony-Otomani-, Vatya- oder Mad’arovce-Věteřov-Böheimkirchen zu parallelisierensind, um hier nur die wichtigsten zu nennen.

    8 David 1998, 251–26o; David 2oo1, 69–74;David 2oo2, 41o–416; David 2oo2b, 88;David 2oo8, 2o7–228.

    9 Diese entsprechen ungefähr den Stufen MB(Mittelbronzezeit) 2 und MB 3 nach ungari-scher Terminologie bzw. Bz A2b–B nachmitteleuropäischer Terminologie.

    1o David 2oo2, 4o4 unter Hinweis auf A.Riegl,D.Frey, E.H. Gombrich und M.J. Kobbert.

    11 Zur Terminologie und zum Symbolcharaktermancher Motive siehe David 2oo2, 92–128;144f. 29o–294; 296f. 322–326; 384; 4o4;zum Zeichencharakter von Buckel- undKreismotiven siehe ferner David 2oo3.

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    441SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

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    12 Dies und Nachfolgendes nach Meller 2oo2;Meller 2oo4; Schlosser 2oo2; Schlosser 2oo4;Schlosser 2oo4a; Hansen 2oo6.

    13 Die von Meller und Schlosser vertretenenAnsichten zur Lesung und Interpretationder Goldauflagen finden sich graphisch be-

    sonders anschaulich dargestellt in Aehnlichu.a. 2oo5, 163.

    male Tradition mancher dieser Motive lässt sich von derFrüh- bis zur Spätbronzezeit und teilweise sogar noch darü-ber hinaus verfolgen (umfassend hierzu bereits Kossack1954; Sprockhoff 1955).

    Damit ist jedoch keineswegs gesagt, dass überall und zujeder Zeit die mit einem bestimmten Zeichen verbundenenVorstellungen jeweils die gleichen waren, zumal Unter-schiede hinsichtlich Ausführung, Verwendung, Komposi-tion und Stilauffassung festzustellen sind. Besondere Auf-merksamkeit verdienen Gruppierungen oder Formationen verschiedener Ornamentmotive, die nahelegen, dass dieseZeichen inhaltlich aufeinander bezogen gewesen sein könn-ten. Zu fragen bleibt in diesen Fällen, ob die Zeichen einenbestimmten Bedeutungszusammenhang größerer Komple-xität gemeinsam verkörpern oder ob es sich lediglich umeine Steigerung der Symbolkraft durch mehr- oder vielfacheWiederholung von Zeichen unterschiedlicher Gestalt, abergleichen Sinngehaltes handelt.

    Im Folgenden wird zum einen geprüft, ob sich aus demalt- und mittelbronzezeitlichen Symbolgut des Mitteldonau-Karpatenraumes unmittelbare Anhaltspunkte für die »Le-sung« der Scheibe von Nebra gewinnen lassen, und zumanderen, ob die Goldauflagen auf der Scheibe ihrerseits einenBeitrag zur Entschlüsselung des reichen ornamentalen

    Motivschatzes des zweiten Viertel des 2. Jt. v. Chr. im zentra-len und südöstlichen Mitteleuropa leisten.

    Die Goldauflagen auf der Scheibe von Nebra

    Auf der Bronzescheibe befindet sich nach Meller »die bis-lang wohl weltweit älteste konkrete Abbildung des Sternen-himmels der Menschheitsgeschichte mit der Darstellungkomplexer astronomischer Phänomene«, die astronomischeBeobachtungen mit mythischen Erklärungen verknüpfe. Beider Scheibe handele es sich um ein »religiöses Symbol, auf derdas astronomische und mythologische Wissen der Zeit abge-

    bildet ist« (Meller 2oo2, 15; Meller 2oo4, 26; 31; Maraszek2oo4, 16). So enthalte die Scheibe u. a. eine Schaltregel, diees ermöglichte, das Sonnen- und das Mondjahr in Einklangzu bringen (Hansen 2oo6; vgl. dazu Guratzsch 2oo6, 29).

    Gemäß der von Meller und Schlosser vorgeschlagenenLesung und Interpretation der Goldauflagen befinden sichim Zentrum der Scheibe Darstellungen von Sonne undMond. Als möglich erachtet wird aber auch die Darstellung von Vollmond und Sichelmond, von Sichelmond und Sonneu n d Mond oder die einer totalen oder partiellen Verfinste-rung von Sonne und/oder Mond12. Die ehemals 32 kreisför-migen Goldplättchen würden einen Nachthimmel mit Ster-nen, also gewissermaßen den Hintergrund dazu bilden.Dabei handele es sich um einen abstrakten Nachthimmel, dadie Verteilung der Goldauflagen keine Sternbilder erkennenließe – mit Ausnahme von sieben rosettenartig angeordnetenGoldplättchen/»Sternen« zwischen »Sonne« und »Mond«,die als ein Symbol für die Plejaden, das Siebengestirn, anzu-sprechen seien.

    Die Aufgabe der restlichen Sterne, die einen »sternbild-freien Sternenhimmel«, eine idealtypische Struktur desnächtlichen Himmels, darstellen, sei die Hervorhebung derPlejaden, des einzigen Sternbildes. Dabei ständenzunehmender Sichelmond und der Vollmond mit den Pleja-

    den jeweils für zwei Daten der Plejadensichtbarkeit am westlichen Himmel, und zwar für Rahmendaten des bäuer-lichen Jahres – nämlich Aussaat und Ernte– im Frühlingund Herbst.

    Die offenbar zu einem späteren Zeitpunkt seitlich amRand der Scheibe angebrachten goldenen Bögen stellennach Schlosser Horizontsymbole dar. Sie symbolisieren denjährlichen Verlauf der Sonne, indem sie die Bereiche desHorizontes anzeigen, die im Laufe des Jahres von der Sonnebei Sonnenauf- und -untergang markiert werden. Die Endender Bögen stellen den Wendepunkt der Sonne dar, also dieDaten von Sommer- und Wintersonnenwende13.

    Abb. 1 »Gefiederter« Goldbogen auf der Bronzescheibe von Nebra; 2 Detailansicht der Bogengirlande auf einer Schwertklinge aus Zajta, Kom. Szabolcs-Szatmár-Bereg, Nordostungarn (Länge des Girlandenelements ca. 5,5 cm; vgl. Abb. 2,4).

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    Zwischen diesen beiden einander gegenüberliegendengoldenen »Horizontbögen« befindet sich ein dritter Gold-bogen. Dieser unterscheidet sich von den beiden den Schei-benrand begleitenden durch seine stärkere Biegung undLinienzier. In ihm wird die stark stilisierte Darstellung einesSchiffes oder einer Barke gesehen, die zwischen den beidenHorizonten fahre, also ein Gefährt, das sich zwischen Sonnen-

    auf- und Sonnenuntergang über den nächtlichen Sternen-himmel bewege. Das Schiff oder die Barke könne demnachals Transportmittel der Sonne, als Symbol der Bewegungder Himmelselemente oder sogar als Symbol der Sonneselbst gesehen werden (Meller 2oo2, 1o Abb.3). »Bei derHimmelsscheibe könnte es sich um das zweidimensionaleBild eines dreidimensionalen Weltmodells handeln, bei demeine flache Welt von Wassern umflossen und von einer Kup-pel, die [die] Gestirne, Sonne, Mond und Sterne trägt, über-spannt wird« (Meller 2oo4, 28 Abb. und Bildunterschrift).

    Zudem ließe sich an der Scheibe, da die Werkstattunter-suchungen von mehrfachen Umgestaltungen zeugen, ein

    »Wandel vom schlichten Bauernkalender zu einemmythologischen Weltmodell« ablesen: Während die Hori-zontbögen ebenso wie die Plejadendaten noch zutiefst inden Vorstellungen der älteren jungsteinzeitlichen Welt wurzelten, stellt die Barke nach Meller das Symbol einerneuen bronzezeitlichen Mythologie oder Religion dar, diein die jahrhundertelang fest gefügte, am Jahresablauf orientierte Welt eingedrungen sei (Meller 2oo4, 29 mit Ab-bildung).

    Diese zu weitreichenden Interpretationsvorschlägen füh-rende Lesung der Goldauflagen auf der Scheibe von Nebraberuht primär auf einer direkten Verknüpfung mit astrono-mischen Phänomenen und nicht auf der Analyse des gleich-zeitigen bronzezeitlichen Ornament- und Symbolschatzes.Das vor allem im südöstlichen Mitteleuropa reichlich über-lieferte bronzezeitliche Symbolgut spielte bislang bei derLesung und Interpretation der Scheibe – genauso wie schonJahre zuvor bei der anlässlich des Ankaufs des »BerlinerGoldhutes« wiederbelebten Diskussion um die als Kalender-hüte angesprochenen Goldblechkegel14– lediglich eine unter-geordnete Rolle im Vergleich zu den auf den StudienSprockhoffs aufbauenden Arbeiten Kauls zum spätbronze-bzw. urnenfelderzeitlichen Symbolgut des europäischenNordens15.

    Dieses erscheint bei aller Abstraktion der Darstellung

    leichter lesbar als der ältere Motivschatz des Donau-Karpa-tenraumes. Das Hinzuziehen von den einige Jahrhundertejüngeren Beispielen aus der Nordischen Bronzezeit, die fürEntschlüsselungsversuche zugänglicher erscheinen, kommtnicht von ungefähr, denn die vergleichsweise naturalis-tische Art der Darstellung von Himmelskörpern auf derScheibe von Nebra, die es auch dem mit der Bronzezeit wenig vertrauten Betrachter leicht macht, in den Goldauf-lagen in Form von Vollkreis und Sichel »Sonne, Mond undSterne« zu erkennen, ist innerhalb der früh- und mittel-

    bronzezeitlichen Ornamentik Mitteleuropas bisher ohnedirekte Parallele.

    Weniger leicht erschließt sich ohne astronomisches Vor- wissen oder ohne die Annahme einer astronomischenKonzeption die rosettenartige Akkumulation von siebenGoldplättchen als Symbol für die Plejaden. Denn die für dasSiebengestirn übliche Bezeichnung »Gluckhenne« trägt ja

    gerade seiner unregelmäßigen Gestalt Rechnung16.Ebenfalls bereits eine weitergehende Ebene der Deutung

     wird im Falle des dritten Goldbogens beschritten, der nichtetwa als Himmelserscheinung – beispielsweise als Regen-bogen– gelesen wird, sondern unter Verweis auf Motive derspätbronzezeitlichen Ikonographie des Nordischen Kreisesals stilisierte Darstellung eines Schiffes oder einer Barke(Abb.1,1). Diese Lesung beruht auf der fiederartigen Strich-säumung der Längsseiten, bei der es sich um angedeuteteRuder handeln soll, wie sie für bronzezeitliche Schiffs-darstellungen in Griechenland und im europäischen Nordentypisch sind.

    Bei den als Belege für diese Deutung angeführten ägäi-schen Beispielen handelt es sich um in Ton geritzte Schiffs-darstellungen auf kykladischen Griffschalen des 3. Jt. v. Chr.,die jedoch nicht nur viele Jahrhunderte älter als die Scheibe von Nebra sind, sondern deren Schiffsrümpfe auch einegänzlich andere Form als der Goldbogen von Nebra besitzen(Meller 2oo2, 13 mit Abb. 8–9). Zudem lassen sich die kykla-dischen Ritzungen viel eindeutiger als Abbildungen vonSchiffen identifizieren. Gleiches gilt für die im selben Zu-sammenhang genannten Schiffsdarstellungen aus demBereich der Nordischen Bronzezeit, die in ihrer Mehrzahlebenfalls weitaus naturalistischer als das vermeintlicheSchiffs- oder Barkenmotiv auf der Scheibe von Nebra gestal-tet sind und zudem über direkte gestalterische Traditions-linien zu stärker stilisierten Darstellungen verfügen17.

    Keines der zitierten Beispiele – vielleicht mit Ausnahmeder ebenfalls in diesem Zusammenhang angeführtenSchiffs- oder Barkendarstellungen aus dem Alten Ägypten,die sich aufgrund ihres Realismus allerdings nicht wirklichzu einem aussagefähigen Vergleich eignen (Meller 2oo2,Abb.1o) – besitzt einen Rumpf, an dessen Form man sichbei dem Goldbogen auf der Scheibe von Nebra unmittelbarerinnert fühlt. Vielmehr besitzen die Schiffskörper der kyk-ladischen und nordischen Beispiele eine lang gestreckteForm mit deutlich als Bug oder Heck ausgeprägten Enden.

    Zudem zeigen die nordischen Beispiele nur auf einer Seite –und zwar im Inneren der Wölbung – Strichreihen, die manals stark stilisierte bildliche Hinweise auf die Besatzung deu-ten könnte, zumal sie die Enden der Schiffskörper ausspa-ren (siehe z.B. Kaul 1998, 41–54). Damit unterscheiden aberauch sie sich deutlich von der beidseitigen Fiederung desGoldbogens auf der Scheibe von Nebra und lassen keinenzwingenden ikonologischen Zusammenhang erkennen, wasangesichts der beträchtlichen Unterschiede im kulturellenund zeitlichen Kontext nicht weiter verwundern mag.

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    14 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg2oo3; Springer 2oo3; Sperber 2oo5.

    15 Sprockhoff 1953; Sprockhoff 1955; Kaul1998; Kaul 2oo3.

    16 Giese 1981, 213 Abb. 5,2; 251; Taf. 24; Ekrutt199o, 5o; 54 f. 145; 147; Hahn/Weiland 1998,66; 265 Abb.38; 336 Abb.91; Meller 2oo2, 16Abb.17; Meller 2oo4, 27 mit Abb. links oben;Schlosser 2oo4, 47.

    17 Kaul 1998, 58–112 mit zahlreichen Abbildun-gen; Meller 2oo2, 11 Abb.4–5.

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    Nach Meller sind die formenkundlich besten Parallelenfür die Schiffsdarstellung auf der Scheibe von Nebra jedochohnehin im mittleren Donauraum anzutreffen. So sieht er –Kaul folgend, der wiederum in der Tradition Sprockhoffssteht– die Doppel- oder C-Spiralen auf im sogenannten Haj-dúsámson-Apa-Stil verzierten Nackenscheibenäxten des öst-lichen Karpatenbeckens als stark stilisierte Schiffe an, auch

     wenn statt der Strichfiederung eine Punktreihe das Motivsäumt und »Heck« und »Bug« dieser »Boote« stark nachinnen gebogen sind18. Ferner stünden bogenähnliche Zier-elemente auf der Klinge eines der drei Vollgriffschwerterdes in den gleichen Kontext des Hajdúsámson-Apa-Kreisesgehörenden Depotfundes von Zajta in Nordostungarn derSchiffsdarstellung auf der Scheibe von Nebra so nahe, dassin ihnen sogar eine stark abstrahierte Schiffsprozession ge-sehen werden könnte (Abb.1,2). Da es diese Verknüpfungs-möglichkeit gebe, die Schiffsdarstellung auf der Scheibe vonNebra in Mitteleuropa zu dieser Zeit völlig isoliert dasteheund eine eigenständige Entwicklung dieses Motivs in Mittel-

    deutschland auch wegen des Fehlens großer Gewässer nichtanzunehmen sei, scheint für Meller eine Ableitung derSchiffdarstellung von Nebra aus dem mittleren Donaugebietplausibel (Meller 2oo2, 12; Meller 2oo4, 26 2. Bildunterschrift von oben).

    Das »Barkenmotiv« auf der Scheibe von Nebra und die

    C-Spirale im Hajdúsámson-Apa-Stil

    Bei Berücksichtigung des an anderer Stelle19 ausführlichuntersuchten Vorkommens der Doppel- oder C-Spirale auf karpatenländischen Bronzen erscheint die ursprünglich auf Sprockhoff zurückgehende Deutung der C-Spirale auf besag-ten ostkarpatenländischen Bronzen als Schiffsdarstellungjedoch ebenso fragwürdig wie die Verknüpfung dieses Spiral-motivs mit dem Goldbogen auf der Scheibe von Nebra20.Denn zum einen liegen der ursprünglichen Sprockhoff-schen Verknüpfung von karpatenländischer Spiralhaken-ornamentik des Hajdúsámson-Apa-Kreises, die in die StufeBz B gehört, und den Schiffsdarstellungen der nordischenSpiralhakenornamentik der Perioden IV und V chronologi-sche Vorstellungen zugrunde, die seit Langem überholt sind.So datierte Sprockhoff verschiedene spiralverzierte Nacken-kammäxte der Füzesabony-Otomani-Kultur, die in den glei-chen kulturellen älterbronzezeitlichen Kontext wie die oben

    erwähnten Nackenscheibenäxte gehören, noch in die Spät-bronzezeit bzw. in die Periode IV21. Zum anderen darf die C-Spirale auf den Klingen von im Hajdúsámson-Apa-Stil ver-zierten Nackenscheibenäxten nicht unabhängig von dersonstigen Dekoration der Axt und herausgelöst aus ihremstilistischen Kontext betrachtet und interpretiert werden.

    Innerhalb des Motivschatzes und der Kompositions-regeln des Hajdúsámson-Apa-Stils lässt sich eine Deutungder C-Spirale als Schiffsdarstellung jedenfalls weder anhandder Form oder des ornamentalen Kontextes begründen nochergäbe sie einen Sinn. Sie würde auch die Fragen gänzlichausklammern, die sich aus einer derartigen Lesung zwangs-läufig stellen würden: Als was wären dann die von den C-

    Spiralen auf Nackenscheibenäxten regelhaft ausgehendenSpiralhakenranken anzusehen22? Und welche kohärenteLesung wäre für die Motive der S-, V-, Kelch- oder Einzel-spiralen vorzuschlagen, bei deren Verwendung innerhalbdes Hajdúsámson-Apa-Stils neben ästhetischen Gründenunverkennbar auch der ihnen eigene Charakter eines Zei-chens von tieferer Bedeutung eine Rolle spielte23?

    Alles andere als naheliegend und letztendlich als ungeeig-net zur Begründung weitergehender Schlüsse erweisen sichdie oben erwähnte Interpretation der Klingenzier des Voll-griffschwertes von Zajta als Darstellung von Schiffen, einerSchiffsprozession oder gar einer Flottenparade sowie ihr

    Vergleich mit dem gefiederten Goldbogen auf der Scheibe von Nebra (Abb. 1). Betrachtet man zunächst allein dieForm, so weisen die gebogenen Linienbündel mit den aufge-rollten Enden auf dem Schwert von Zajta anstelle der beid-seitigen »Fiederung« des Goldbogens von Nebra mittels kur-zer Schrägstriche nur eine einseitige Säumung auf, undzwar durch Punktreihen, wie es für die Spiralelemente imHajdúsámson-Apa-Stil allgemein üblich ist24. Diese beglei-ten – im Gegensatz zu den Strichen der vermeintlichen»Ruder« oder »Ruderer« der erwähnten Schiffsdarstellun-gen – die jeweils äußere Linie durchgehend bis zu derenEnden, wobei stets ein Zwischenraum zwischen der Punkt-reihe und der äußeren Linie gewahrt bleibt. Im Unterschieddazu befinden sich die Schrägstriche bei den nordischenSchiffsdarstellungen ausschließlich im Inneren der Wöl-bung, wobei sie direkt an der innersten Linie ansetzen undzudem immer die akzentuierten Enden –Bug und Heck – aus-sparen (Kaul 1998, 73–88 Abb.41–53). Schließlich unterschei-den sich die lang gestreckten Bögen auf der Schwertklinge von Zajta auch in ihrer Krümmung von den nordischen Bei-spielen.

    Absolut unzulässig erscheint eine Interpretation besagterKlingenzier als Schiffsdarstellung jedoch bei Berücksichti-gung des stilistischen Kontextes und kulturellen Umfeldesdes Vollgriffschwertes von Zajta, das sich – ganz im Gegen-

    satz zu den singulären Motiven auf der Scheibe von Nebra –morphologisch und stilistisch klar einordnen lässt25. DasSchwert ist Bestandteil des viel zitierten Depots von Zajta, welches innerhalb der nach ihren herausragendsten Fundenals Gruppe Hajdúsámson-Apa-Ighiel-Zajta bezeichnetenPrunkwaffendepots des nordöstlichen Karpatenbeckens zu

    443SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    18 Meller 2oo2, 12 mit Abb.6–7; Meller 2oo4,26 Abb. oben. Vgl. Sprockhoff 1955, 37Abb. 14,1–5; 44; 1o4; Kaul 1998, 278–28omit Abb. 175–176.

    19 David 2oo2, 123f. NS-Motive (Nackenschei-benaxtmotive) 173–174; 294 NK-Motiv(Nackenkammaxtmotiv) 49; 3o2.

    2o Sprockhoff 1955, 37 Abb.14,1–5; 44; 1o4;Kaul 1998, 278–28o mit Abb.175–176.

    21 Sprockhoff (1953, 91) stützte sich dabei auf die Chronologie von Tompas, die jedochbereits Anfang der 195oer Jahre revidiert wurde. Mit korrigierter Datierung: Sprock-hoff 1955, 1

    o6 mit Anm. 169. Dazu aus-

    führlicher David 2oo2, 6–1o.22 Hierzu äußerte sich selbst Sprockhoff nicht,

    obwohl er das gesamte Motiv abbildete und von hängenden Spiralen schrieb (Sprockhoff 

    1955, 37 Abb.14,1–5). – Zur Verwendung derC-Spirale als Basis von Spiralranken sieheDavid 2oo2, 123; 125–127.

    23 David 2oo2, 121f. NS-Motive 168–171; 293f.NK-Motive 43–5

    o; 3

    o1f.

    24 David 2oo2, 1o2f. NS-Motiv 58a; 291 NK-Motiv 14a; 3oo.

    25 David 2oo2, 394 Abb.6.1; 438 (SD 29);Taf.92,3; 127,3.

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    den jüngeren Depots zählt, die in eine der zentralmitteleuro-päischen Bronzezeitstufe B-jünger entsprechende Zeit zudatieren sind26. Zusammen mit einem weiteren Vollgriff-

    schwert desselben Depotfundes vertritt es morphologischden Typ Livada, sein Ornament entspricht dem klassischenHajdúsámson-Apa-Stil in dessen jüngerer Ausprägung(Stilvariante Turda-Zajta; David 2oo2, 377–38o; 389; 394Abb. 6.1). Die beiden Vollgriffschwerter des Typs Livada ausZajta stehen in Form und Ornament in direkter Traditionder etwas älteren Vollgriffschwerter der Typen Hajdúsám-son und Apa. Deshalb muss ihre Klingenzier unter Berück-sichtigung der Dolchklingen und Schwerter der älteren Stil-phase des klassischen Hajdúsámson-Apa-Stils, die in einenfrühen Abschnitt der Stufe B (B-älter) zu datieren sind, ge-lesen und beurteilt werden (David 2oo2, 369–373; 379f.

    389–393).Im Hinblick auf die vermeintlichen Schiffsdarstellungenauf einem der Schwerter von Zajta ist nun von maßgeblicherBedeutung, dass die Dolch- und Schwertklingen der älterenStilphase beiderseits der Klingenmitte regelhaft ein girlan-denartiges Dekor aus Spiralranken- und/oder Bogenelemen-ten tragen: Auf verzierten Dolchklingen der Variante Kelebiasetzen sich – möglicherweise bedingt durch die zur Spitzehin schmaler werdende Trägerfläche– die Spiralhakenran-kenpaare in Bogengirlanden fort (David 2oo2, 384f. Taf. 88,2–4). Auf den breiteren Klingen der fünfnietigen Schwerter von Hajdúsámson und Apa ist zur Spitze hin dagegen einWechsel in der Anordnung der Spiralhaken zur Ranke fest-zustellen; doch fehlt das Motiv der Bogengirlandenpaareauch nicht auf diesen Schwertern, denn innerhalb der Spiral-rankenzier begleiten zwei punktgesäumte Bogengirlandendie Mittelrippe (Abb. 2,1; David 2oo2, 37of. Taf.89–9o,1).

    Auf den viernietigen Vollgriffschwertern vom Typ Ora-dea, deren Bestand erst kürzlich durch ein reich verziertesExemplar aus der Maramures,  vermehrt wurde, findet sichanstelle von Spiralranken lediglich eine Linienbandzier, dieinnen jedoch ebenfalls von Bogengirlanden – ganz ähnlichdenjenigen, die auf den spiralverzierten Schwertern dieMittelrippe begleiten– gesäumt wird27.

    Auf dem etwas jüngeren, eponymen Schwert von Livada

    ist an deren Stelle eine Girlande deutlich größerer Bögengetreten (Abb. 2,2). Hingegen finden sich auf der Klinge desqualitativ höherwertigen der beiden Schwerter gleichenTyps aus Zajta spiraloide Zierelemente (Abb.2,3). Denn beigenauer Betrachtung erweist sich das bogengesäumteLinienbanddekor auf dieser Klinge von Zajta als ein Paarlang gezogener C-Spiralen, welche die für den Hajdúsám-son-Apa-Stil typische Punktfüllung innerhalb der Einrollun-

    gen zeigen und zur Spitze hin mit der üblichen lanzettför-migen Linienbandzier abschließen28.

    Vor diesem Hintergrund lässt sich in den vermeintlichenSchiffsdarstellungen auf der anderen Klinge von Zajta,deren Verzierung genauso den für den Hajdúsámson-Apa-Stil üblichen Regeln folgt, das aus rudimentären Spiralele-menten gebildete Derivat einer Girlanden- oder Rankenzier

    erkennen (Abb.2,4). Diese besteht aus in ihrer Form stark verschliffenen und nachlässig ziselierten, lang ausgezoge-nen C-Spiralen und endet zur Spitze hin in besagtem Lan-zettmotiv29. Trotz formaler und technischer Nachlässigkeitin der Musterzeichnung, die auch in einer mangelndenQualität des Gusses und der scheinbaren Flüchtigkeit derGriffzier ein Äquivalent findet, lassen die kaum noch alssolche identifizierbaren C-Spiralen dennoch die für Spiral-elemente des Hajdúsámson-Apa-Stil regelhafte einseitigePunktsäumung, auf die oben beim Vergleich mit dem Gold-bogen der Scheibe von Nebra bereits hingewiesen wurde,nicht vermissen. Eine derartige Punksäumung dient inner-

    halb des Hajdúsámson-Apa-Stils vorwiegend als schmü-ckende Zutat von Bogen- oder Spiralelementen und kannkaum in Analogie zu den oben genannten nordischen oderägäischen Beispielen als Hinweis auf Ruder oder Besat-zungsmitglieder von Wasserfahrzeugen aufgefasst werden;auch spricht nichts für eine sekundäre Umdeutung einzel-ner Ornamentmotive des ostkarpatenländischen Spiral-hakenstils des Hajdúsámson-Apa-Kreises zu Schiffen oderBooten.

    Im Falle des besagten Klingenornamentes von Zajta han-delt es sich somit keineswegs um die Darstellung von Schif-fen oder gar einer Prozession, Parade oder Expedition vonSchiffen, sondern um ein zu der gusstechnisch minderenQualität des Schwertes passendes, wenig gelungenes Derivatdes auf im Hajdúsámson-Apa-Stil verzierten Schwerternund Dolchen anzutreffenden, aus Spiralranken oder ausBögen gebildeten Girlandendekors. Da das Schwert vonZajta zudem jünger als die Schwerter und Beile des Depots von Nebra sind, scheidet das punktgesäumte Rankenmotivauch aus chrononologischen Gründen als mögliches Vorbildfür den »gefiederten« Goldbogen auf der Scheibe von Nebraaus.

    Dass sich der gefiederte Goldbogen der Scheibe vonNebra weder mit dem Klingendekor des Schwertes vonZajta noch mit den C-Spiralen des Hajdúsámson-Apa-Stils in

    Verbindung bringen lässt und dass es sich ferner bei dengenannten Spiralmotiven wohl kaum um boots- oder schiffs-ähnliche Darstellungen handelt –weshalb sie auch für dieSchiffsdarstellungen der mittel- und nordeuropäischenBronzezeit ohne Bedeutung sein dürften–, ist für die vonMeller, Schlosser und Hansen vorgeschlagenen Lesung undDeutung der Scheibe im Grunde genommen jedoch ohnegrößere Relevanz, da diese bekanntermaßen in erster Linie

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    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    26 Zur Definition, Verbreitung und Datierungder Depotgruppe Hajdúsámson-Apa-Ighiel-Zajta siehe David 2oo2, 21o–214; 25of. 26of.264 Abb.3.17; 367 Abb.5.9; 389–393; 911Beil.1; 971 Karte 1; David 2oo8, 218–224mit Abb. 16–17.

    27 Herzlicher Dank an L.Marta, BezirksmuseumSatu Mare, für die Zusendung eines Fotos

    dieses noch unpublizierten Schwertes ausTopsinó (Topčina) in der Umgebung vonSigethu Marmat,iei, das auch Spiralhakenzierträgt. – Zum Typ Oradea siehe David 2oo2,373–376; Taf. 91.

    28 Vgl. David 2oo2, 379f.; Jockenhövel 2oo5,6o2–6o4; 6o9 Abb.2; 614 Abb.7.

    29 Die Autopsie der schlecht erhaltenen Ober-fläche der Schwertklinge zeigt, dass die ver-schliffenen C-Spiralen nicht wie auf derZeichnung allesamt nebeneinander angeord-net sind, sondern zumindest in manchenFällen im Sinne einer echten Ranke direktmiteinander verbunden sind.

    Abb. 2 (linke Seite) Im Hajdúsámson-Apa-Stil verzierte Vollgriffschwerter.1 Apa, Jud. Satu Mare, Nordwestrumänien; 2 Livada, Jud. Satu Mare, Nord- westrumänien; 3–4 Zajta, Kom. Szabolcs-Szatmár-Bereg, Nordostungarn.

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    auf der direkten Verknüpfung mit astronomischen Phäno-menen und nicht auf der Interpretation der hier näher be-trachteten karpatenländischen C-Spiralen als Schiffs- oderBarkenmotive beruhen. Zu fragen bleibt weiterhin, wie die

     weitreichenden Interpretationsvorschläge zu den Goldauf-lagen der Scheibe von Nebra vor dem Hintergrund des rei-chen altbronzezeitlichen Symbolgutes des südöstlichenMitteleuropa und des Donau-Karpatenraumes zu beurteilensind. Hierzu wird im Folgenden das Ornament ausgewählterGegenstandsformen befragt.

    Nackenscheibenäxte

    Wie oben bereits erwähnt gehören die Schwerter und Beile von Nebra, welche die »Himmelsscheibe« datieren, in eineZeit, die im Karpatenbecken durch einen besonderen Orna-

    mentreichtum gekennzeichnet ist, und zwar nicht nur auf der Keramik, sondern auch auf den Metallfunden. Als her-ausragendes Phänomen von weiter Ausstrahlung ist anerster Stelle der bereits erwähnte Hajdúsámson-Apa-Stil zu

    nennen, der durch bewegte Spiralhakenmotive und zuweilenkomplexe geometrische Muster aus rektilinearen und bogen-förmigen Zierelementen gekennzeichnet ist (Abb. 2–5; Abb.16;Abb.18; Abb.21–24; Abb.28,2–4)30.

    Überliefert ist der Hajdúsámson-Apa-Stil hauptsächlichauf Waffen (am häufigsten sind die sogenannten Nacken-scheibenäxte), die aufgrund ihrer reichen Dekoration undder Exklusivität ihres Fundmilieus als Prunkwaffen anzuse-hen sind. Im Falle der Äxte verhinderte offenbar – genauso wie bei den weitaus selteneren Vollgriffschwertern, Dolch-klingen und Lanzenspitzen – ihre Bedeutung als »heilige«Waffen oder Insignien, dass sie in Gräber gelangten. Abge-

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    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    3o Zu Definition, Datierung und Entwicklungdes Hajdúsámson-Apa-Stils ausführlichDavid 2oo2, 159–178; 2o3–2o6; 258–271;

    399–4o6; Karte 8; 18. – Seither ergänzend zuGürtelhaken und Lanzenspitzen: David2oo2a; David 2oo6a.

    Abb. 3 Im Hajdúsámson-Apa-Stil verzierte Nackenscheibenäxte. 1 Cajvana, Jud. Suceava, Moldau, Nordostrumänien; 2 Tiszaladány-Nagyhomokos, Kom.Borsod-Abaúj-Zemplén, Nordostungarn; 3 »Ungarn« (Helms-Museum Hamburg-Harburg); 4 »Ungarn« (Privatsammlung Budapest); 5 Hajdúsámson, Kom.Hajdú-Bihar, Ostungarn.

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    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    Abb. 4 Verbreitung der Träger des Hajdúsámson-Apa-Stils und verwandter Spiralhakenzier.

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    sehen von Einzelfunden, die in der Regel ebenfalls als Depo-nierungen anzusprechen sind, werden die im Hajdúsámson-Apa-Stil verzierten Waffen ausschließlich durch Depotfundeüberliefert, unter denen reine Waffendepots überwiegen.

    Die größten, schwersten und am reichsten verziertenNackenscheibenäxte stehen am Anfang der bis in die Spät-bronzezeit fortdauernden Entwicklung dieser Axtgattung

    (Abb.3)31

    . Eigenheiten im Verhältnis von Ornament und

    Träger sprechen dafür, dass die Spiralhakenornamentik voneiner anderen Trägerform auf die Nackenscheibenäxte über-tragen wurde. Betrachtet man die Nackenscheibe, die geradebei den ältesten Nackenscheibenäxten besonders groß istund im Verhältnis zum übrigen Axtkörper überdimensio-niert wirkt, so scheint es, zumal sie auch keinerlei praktischeFunktion erfüllt, dass ihr Vorhandensein am Axtkörper vor-

    rangig dem Wunsch zur Schaffung eines kreisrunden Orna-

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    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    31 Zusammenfassend David 2oo2, 266–281;David 2oo4, 62; 76f.

    32 Zur Gestaltung der Nackenscheiben sieheDavid 2oo2, 128–138; Taf.1–4.

    33 Ausführliche Analyse in David 2oo2,144–149; Taf.11–14.

    Abb. 5 Nackenkammäxte als Symbolträger. 1 Tiszafüred-Majoroshalom,Kom. Jász-Nagykun-Szolnok, Ostungarn (Grab B 115); 2 Mărăs, ti-Balaia,Jud. Bacău, Moldau, Nordostrumänien; 3 »Ungarn«; 4 Kelebia, Kom. Bács-

    Kiskun, Südungarn; 5 Mezőkomárom-Pusztaszentmihályfa, Kom. Fejér,Westungarn; 6 Apa, Jud. Satu Mare, Nordwestrumänien; 7 Megyaszó,Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén, Nordostungarn (Grab 2).

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    ment- oder Symbolträgers zu verdanken ist. Kompositori-sches Zentrum des Ornaments ist immer die Mitte der bis zu8 cm im Durchmesser messenden Nackenscheibe, die durchWölbung oder einen Mittelbuckel – bei jüngeren Äxten kanndieser als regelrechter Dorn ausgebildet sein– auch morpho-logisch eine besondere Akzentuierung erfährt. Spiralwirbeloder kreisförmige Spiralranken versetzen den Scheibenmit-

    telpunkt gewissermaßen in eine rotierende Bewegung bzw.umkreisen ihn. Auf etwas jüngeren Nackenscheibenäxtenfinden sich zudem auch auf den Mittelbuckel ausgerichtetesternförmige Muster aus Bögen und Dreiecken32.

    Eine hervorgehobene Stellung innerhalb der Axtzier nimmtauch das untere Drittel der sich zur Schneide hin verbrei-ternden Klingenbahn ein33. In der Regel befindet sich dortein geometrisches Dekor aus Bogengirlanden oder Dreiecks-mustern, welches schneidenwärts in Punktreihen ausläuftund welches das den Klingenkörper beherrschende Spiral-rankenornament zur Schneide hin abgrenzt. Das Spiralhaken-dekor, das auf den Klingenbreitseiten ausschließlich von der

    Schneide weg in Richtung von Schäftung und Nacken-scheibe rankt, nimmt regelhaft seinen Anfang an einer Dop-pel- oder C-Spirale, deren Öffnung zur Schneide weist. Auf einigen Äxte liegt dieser Doppelspirale spiegelbildlich nocheine zweite gegenüber, die Bestandteil des Abschlussmus-ters sein kann (Abb. 3; Abb.28,2).

    Auch wenn es sich bei den C-Spiralen nicht, wie vonSprockhoff und – diesem folgend– von Kaul vertreten, umSchiffsdarstellungen handelt, verdient die Zier dieser kom-positorisch und tektonisch prominenten Fläche der Klingen-bahn dennoch besondere Beachtung. Denn dort befindensich außer der Doppelspirale noch weitere Zierelementeoder Motivkombinationen, die nach Zeugnis einer umfas-senden Ornament- und Stilanalyse nicht nur reines Dekorsind, sondern auch sinnbildliche Funktion besitzen und die-ser Fläche der Axt eine ähnliche Bedeutung als Symbol-träger zuweisen, wie sie der Nackenscheibe zukommt. Auf diese streben, wie ja bereits erwähnt, die von den Doppel-spiralen ausgehenden Spiralranken zu.

    Betrachtet man einige der seltenen Beispiele, wo der alsBasis der Ranke fungierenden C-Spirale noch eine zweitespiegelbildlich gegenüberliegt, dann befinden sich in derFläche zwischen diesen beiden beispielsweise unterschied-liche Ausformungen eines Kreismotivs: auf der Axt von Caj- vana als Punktkreisrosette, auf denjenigen aus Tiszaladány 

    und Plăies, ti mit konzentrischer Kreisfüllung sowie schließ-lich auf einem Fragment aus »Ungarn« als Kreis mit kreuz-förmig anschließenden Linien, wobei auf letztgenannter Axtdas Motiv innerhalb der Doppelspiralen auf Punktreihen zustehen scheint (Abb. 3,1–3; Abb. 28,2)34.

    Ein gleicharmiges Kreuzmotiv findet sich an gleicherStelle auf einer weiteren Axt aus »Ungarn«, auf der jedochnicht das Zentrum des Kreuzes betont wird, sondern dessenEnden mittels kräftiger Einzelpunkte (Abb.3,4). Zudem be-

    findet sich das Kreuz im Inneren der C-Spirale, wohingegendie gegenüberliegende zweite C-Spirale mit einem Paar anti-thetisch aneinandergelehnter Einzelspiralen »gefüllt« ist.Dieses Motiv der C-Spirale mit aus ihr paarweise erwachsen-den antithetischen Einzelspiralen findet sich auch auf derAxt von Somes,eni und gleich zweifach auf einer der Äxteaus dem Depot von Hajdúsámson (Abb.3,5). Es ist das glei-

    che Motiv, das auch der Form der großen mondsichel- oderhörnerförmigen Anhänger mit »ankerförmiger« Mittelzier,die in den gleichen zeitlichen und kulturellen Kontext gehö-ren, zugrunde liegt (siehe unten Abb. 19–24). Wohl nichtzufällig befinden sich auf diesen ebenfalls Kreis- und Punkt-muster, die dafür sprechen, dass durch Anhänger und Klin-genzier der Nackenscheibenäxte jeweils der gleiche Bedeu-tungszusammenhang dargestellt wird.

    Nackenkammäxte

    Im gleichen zeitlichen und kulturellen karpatenländischen

    Milieu wie die ältesten Nackenscheibenäxte treten auch diesogenannten Nackenkammäxte auf (Abb.5). Ihr Auftreten,das bereits etwas früher als das der Nackenscheibenäxte ein-setzt, erstreckt sich ebenfalls bis in die Spätbronzezeit, dochsind Nackenkammäxte insgesamt viel seltener als Nacken-scheibenäxte. Sie besitzen die gusstechnisch anspruchsvol-lere Form, stehen in einer anderen Formtradition und dürf-ten aus anderen Werkstätten stammen. Eine Besonderheitist das Vorkommen massiv goldener Nackenkammäxte imDepot von T,ufalău (Abb. 6,1–2). Verzierung findet sich aus-schließlich auf Nackenkammäxten, die in den Zeitraum derStufen A2b–B-älter datieren. Obwohl sie z. T. ebenfalls Spiral-hakendekor und die gleichen Ziermotive tragen, lässt sichdas Ornament der Mehrzahl der Nackenkammäxte nichtdem Hajdúsámson-Apa-Stil im engeren Sinne, wie er anhand von Schwertern, Dolchklingen, Nackenscheibenäxten, Lan-zenspitzen und Trachtzubehör zu definieren ist, zuordnen35.

    Eine hervorgehobene Rolle als Ornamentträger besitzenbei den Nackenkammäxten die Seiten des Schafthelms zwi-schen den Mündungslöchern der Schäftung. Auf diesemVerbindungsstück zwischen Nackenteil und Klinge, wo dieAchsen von Schaft und Klingenbahn einander kreuzen,befinden sich Ornamentmotive, die nicht allein aus kompo-sitorischen Gründen dort angebracht wurden. Da dieseMotive offenbar keine ausschließlich oder primär auf ästhe-

    tische Wirkung ausgerichtete Funktion innerhalb der Ge-samtverzierung ausüben und deshalb wohl kaum allein ausästhetischen Gründen an dieser exponierten Stelle der Axt,die man sich geschäftet vorzustellen hat, platziert wurden,darf in ihnen jeweils ein Signum tieferer Bedeutung gesehen werden36.

    Beispielsweise trägt die Nackenkammaxt aus dem Depot von Apa an dieser Stelle ein frei stehendes Kreuz, das an diebereits erwähnten Kreuzmotive auf Nackenscheibenäxten

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    34 Bei dieser und allen übrigen hier erwähntenBronzen unbekannten Fundortes bezieht sichdie Herkunftsangabe »Ungarn« auf das ehe-malige Königreich Ungarn der HabsburgerDoppelmonarchie. Deshalb kommt als Fund-ort nicht nur das heutige Ungarn, sondernauch Gebiete in Rumänien (Siebenbürgen,

    Maramures, , Szathmár-Gebiet, Cris,ana,Banat), Kroatien (Baranya), Serbien (Vojvo-dina), der Slowakei und der Ukraine(Karpatoukraine) in Frage.

    35 Zu den Nackenkammäxten zusammen-fassend zuletzt: David 2oo2, 283–326;429–432; Taf. 57–69.

    36 Darauf wies bereits Sprockhoff (1953, 9o f.Abb. 27) hin. – Zur Rolle der Nackenkamm-äxte als Träger von Motiven zeichenhaftenCharakters mit weiteren Beispielen (auch fürplastische Ornamente auf Schaftlochäxtendiverser Typen) siehe David 2oo2, 296f.322–326.

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    erinnert (Abb.5,6; vgl. Abb.3,3–4)37

    . Auf der Axt von Kelebiabefindet sich das entsprechende Zeichen nicht nur seitlichauf dem Schafthelm, sondern zusätzlich auch auf der Ober-seite der Klingenbahn am Anfang von Spiralrankenpaaren

    (Abb. 5,4). Es besteht auf dieser Axt aus einer punktgefüllten,konzentrischen Kreissetzung, die von einem sternförmigenBogenmuster umgeben wird, an dessen »Zacken« Punkteeingeschlagen wurden. Dieses bogensterngesäumte Kreis-

    450 WOLFGANG DAVID

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    Abb. 6 Goldfund von T,ufalău (Cófalva), Jud. Covasna, Südostsiebenbürgen (2–4, 9, 22–27 ohne Maßstab).

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    muster ist nichts anderes als eine Spielart der vielfältigenKreis- und Buckelmotive, wie sie auch auf anderen Nacken-kammäxten vorkommen.

    Gegossene plastische Buckel und ziselierte Kreismotivedürften dabei den gleichen Sinngehalt darstellen: jeweilsein punktgefüllter Kreis (Punktkreisrosette) auf den Äxtenaus Mezőkomárom (Abb.5,5) und Ernei, ein einzelnerBuckel mit Kreis- bzw. Punktrahmung auf den Exemplarenaus Mărăs,ti (Abb. 5,2) und Nehoiu sowie ohne Umrandungauf der Axt aus Moldovenes,ti und schließlich ein punktge-säumter Doppelkreis zusammen mit einer Dreierreihe plas-tischer Buckel auf einer aus der ehemaligen SammlungRáth stammenden Axt unbekannten Fundortes in »Ungarn«(Abb.5,3)38.

    Derartige gegossene plastische Buckel finden sich in Drei-erreihe ferner auf dem Schafthelm einer ansonsten gänzlichunverzierten Nackenkammaxt aus Százhalombatta sowieauf Schaftlochäxten des Typs Hajdúsámson aus dem epony-

    men Depotfund und aus S, imleul Silvaniei39. Dass diese Drei-erreihen kegelförmiger Buckel keinesfalls bloß als Schein-niete zu verstehen sind, sondern ihnen gleichfalls tiefereBedeutung zukommt, darauf deuten beispielsweise diegleichartigen Buckelreihen auf den Goldarmbänder vonBiia, Bilje und Dunavecse sowie auf den Bronzeblechen desKosziderdepots von Ócsa hin, auf die noch einzugehen sein wird (Abb. 14–16; Abb. 33,1–2).

    Das Motiv des punktgefüllten Kreises, wie er an hervorge-hobener Stelle auf den Nackenkammäxten von Mezőkomá-

    rom und Ernei auftritt, ist auch auf im Hajdúsámson-Apa-Stil dekorierten Nackenscheibenäxten und Schwertern so- wie in vielfältiger Ausprägung auch auf Keramik üblich40.Bezüglich des damit verwandten Buckelmotivs ist mit Nach-druck auch auf die bereits erwähnte buckel- oder dornartigerhöhte Scheibenmitte verzierter Nackenscheibenäxte hinzu- weisen, die häufig von konzentrischen Kreisen mit Punkt-säumung umgeben wird und im Falle spiraloider Verzierungden Rotationsmittelpunkt der Wirbelkomposition bildet(Abb.3). Genannt sei an dieser Stelle auch die mit den hiergenannten Nackenkammäxten etwa gleichzeitige Schaftröh-renaxt aus dem věteřovzeitlichen Grab 7 von GemeinlebarnF in Niederösterreich, auf deren Schafthelm zu beiden Sei-ten, also an gleicher Stelle wie bei den Schaftloch- bzw.Nackenkammäxten, der buckelförmige Kopf des Nietes, derjeweils von zwei konzentrischen Kreisen umgeben wird, dasZentrum eines aus schraffierten Dreiecken gebildeten stern-förmigen Motivs bildet41.

    Direkt neben dem bereits erwähnten verzierten Buckelbefindet sich auf dem Schafthelm der Nackenkammaxt ausMărăs,ti eine große Einzelspirale (Abb.5,2). Das gleicheSpiralmotiv ist an der entsprechenden Stelle auch auf derAxt aus Grab B 75 von Tiszafüred-Majoroshalom anzutref-fen, wohingegen eine Nackenkammaxt aus »Ungarn« imAshmolean Museum an dieser prominenten Stelle Lyra- undS-Spiralen trägt42.

    Aus den bislang genannten Zierelementen – nämlichKreuz, punktgesäumter, dreifacher Kreisring und Spiral-

    451SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    37 Zum Kreuzmotiv siehe David 2oo2, 1o4NS-Motiv 61c; 124 NS-Motiv 174e; 291NK-Motiv 17.

    38 Zu den Buckel- und Kreismotiven und denhier genannten Nackenkammäxten David2oo2, 296f. 323 f. NK-Motive 2o–22; Taf.59,1;

    6o,3, 61,2a.d; 63,2a; 64,1a; 65,2; 66,3.39 Mit weiterer Literatur David 2oo2, 323–325;

    Taf.1o8,3; 1o9,4; 118,7–9.4o David 2oo2, 1o3f. NS-Motiv 6o; 323 Anm. 75

    mit weiterführenden Verweisen; Taf. 63,2a–b;64,1a.

    41 David 2oo2, 324; 335; 349; 366 Abb.5.8; 436(SR 75); Taf.293,1.

    42 David 2oo2, 293 NK-Motiv 43; 294 NK-Motive 48a und 5o; Taf.59,4a; 61,2; 63,1.

    Abb. 7 Speichenradmotive in Kombination mit Kelchspiralen oder »Hör-nerpaaren« auf Äxten oder als Anhänger. 1 Megyaszó, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén, Nordostungarn (vgl. Abb.5,7); 2 Včelínce-Lászlófala, Kr. Rimav-

    ská Sobota, Mittelslowakei; 3 Oszlár, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén, Nord-ostungarn; 4–5 Kölesd-Nagyhangospuszta, Kom. Tolna, Westungarn;6 Simontornya, Kom. Tolna, Westungarn.

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    haken– ist auf dem Schafthelm der Axt aus Grab 2 vonMegyaszó das Motiv eines vierspeichigen Rades mit wirbel-artig angesetzten Spiralhaken zusammengesetzt (Abb.5,7;

    Abb.7,1)43. Die beiden Spiralhaken verleihen dem »Speichen-radmotiv« eine gewisse Dynamik, indem sie es in Rotationzu versetzen scheinen. Ein ganz ähnliches Motiv, bei dem anStelle des Speicherades ein Buckel mit konzentrischer Kreis-rahmung getreten ist, findet sich in jeweils sehr ornament-reichen Kontexten auf Gürtelblechen aus den spätbronze-zeitlichen Depotfunden von Drslavice in Mähren und Aiudin Siebenbürgen (Abb. 8,3; Abb.9,2)44.

    Ein andere Spielart der Kombination von Speichenradund Spiralhaken zeigt die verschollene goldene Nacken-kammaxt aus dem nur unvollständig überlieferten Gold-

    fund von T,ufalău (Cófalva) auf der zur Schneide hin verbrei-terten Klinge, also ebenfalls an hervorgehobener Position(Abb.6,2). Die Spiralhaken setzen hier im Inneren des Rad-

    oder Scheibenmotivs an, das durch diesen vierarmigen Wir-bel quasi in Rotation versetzt wird. Gut vergleichbar ist diesesMotiv mit dem sogenannten Wietenberg-Kreuz auf Kera-mik der Wietenberg-Kultur, in deren Verbreitungsgebietder Fund von T,ufalău (Cófalva) zutage kam45.

    Das vierspeichige Radmotiv, das bereits während derälteren Frühbronzezeit (Stufe A1b) auch mitteldonauländi-sche und Aunjetitzer Scheibenkopfnadeln und Zierscheibenziert (siehe unten Abb. 37,1; Abb.38,1), ist zur Zeit des Auf-tretens der hier genannten Nackenkammäxte (ca. Bz A2b–Bz B-älter) insbesondere in Gestalt der kreisförmigen Schei-

    452 WOLFGANG DAVID

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    Abb. 8 Kreis- und Buckelmotive auf spätbronzezeitlichen Bronzeblechgürteln. 1 Vajdácska, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén, Nordostungarn; 2 SlavonskiBrod, Kr. Slavonski Brod, Slawonien, Kroatien; 3 Drslavice, Bez. Uherške Hradiště, Südmähren.

    Abb. 9 Details spätbronzezeitlicher Bronzeblechgürtel aus dem Fund von Aiud, Jud. Alba, Siebenbürgen (M. ca. 1:6,5).

    43 David 2oo2, 292f. NK-Motive 23 und 44;Taf.62,2.

    44 Kossack 1954, 28; Taf. 4,1; Kilian-Dirlmeier1975, 188 Nr.429; Taf.44,429; Müller-Karpe198o, 816 Nr. 413a; Taf. 4o4 A33.; Rusu 1981,393 Taf. 9.

    45 Müller-Karpe 198o, Taf.285 A4; Boroffka1994, Typentaf. 19,1o–12; 2o,1–3; David2oo2, 293 f. NK-Motive 44b und 51; 323;Taf.61,1; 11o,2.

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    benanhänger mit kreuzförmiger plastischer Zier, die für De-potfunde im Bereich der Kultur der TransdanubischenInkrustierten Keramik und der Vatya-Kultur in Mittel- undWestungarn typisch sind, häufig belegt (Abb. 7,4–6;Abb.32,1; Abb.33,3–6)46. Bei manchen der Kreuzrippen-scheibenanhänger setzen an den plastischen »Speichen«antithetische Hakenmotive an (Abb. 7,4–6), in denen man

    nicht nur die Form der im gleichen Kulturmilieu auftreten-den hörnerförmigen Anhänger (siehe unten Abb.25; Abb. 32,4–5), sondern genauso gut auch Spiralhakenpaare oderKelchspiralen wiedererkennen kann.

    Zur Familie der Scheibenanhänger, die das Speichenrad-motiv darstellen, gehören auch die beiden Scheibenanhän-ger mit »Hörnchen« aus dem kosziderzeitlichen Depot I vonVčelínce und aus der egyekzeitlichen Siedlung von Oszlár(Abb.7,2–3)47. Da in den »Hörnchen« genauso gut auch einantithetisches Paar gegossener Spiralhaken gesehen werdenkann, ergibt sich ein direkter Bezug zu den Speichenrad-motiven mit Spiralhaken auf den Nackenkammäxten von

    Megyaszó und T,ufalău (Abb. 5,7; Abb. 6,2; Abb. 7,1). Fernerdürften auch die bereits erwähnten gleicharmigen Kreuzeauf dem Schafthelm der Nackenkammaxt von Apa und auf den Klingen von Nackenscheibenäxten hinsichtlich ihresSymbolgehaltes ganz ähnlich wie das Speichenradmotivbeurteilt werden. Die Art ihrer Platzierung zwischen Doppel-und Kelchspiralen legt dies zumindest nahe (Abb. 3,3–4;David 2oo2, Taf. 1,15; 11,2; 12,5).

    Bislang einzigartige Motive eventuell piktographischenCharakters, die jedoch anhand der einzigen zur Verfügungstehenden Abbildung aus dem vorletzten Jahrhundert nichteindeutig lesbar sind, trug die bereits seit dem 19.Jh. ver-schollene goldene Nackenkammaxt aus T,ufalău auf ihremSchafthelm (Abb.6,2). Zwei gleichartige abstrakt-rektilineareZeichen eventuell anthropomorphen Charakters flankiereneine augenscheinlich theriomorphe Darstellung (Rind?)48.Da diese Motive an der gleichen Stelle zu finden sind, wo auf anderen Nackenkammäxten regelhaft die erwähnten Buckel-,Kreis-, Speichenrad- und Spiralmotive auftreten, dürften sie wie das Speichenrad auf der Klinge einen Symbolgehalt ver-körpern. Während das Speichenrad mit den Spiralwirbeln wohl für die Sonne steht, könnte das Rind bzw. der Stier auf dem Schafthelm für den Mond stehen (siehe unten).

    Die Nackenkammäxte sind keineswegs die einzigenSchaftlochäxte, die auf dem Schafthelm ein Ornament mit

    Symbolcharakter tragen. So können außer den bereitserwähnten Schaftlochäxten vom Typ Hajdúsámson, welchedas Motiv der Dreibuckelreihe zeigen, auch Schaftlochäxteder Typen Pătuele, Adoni und Pădureni auf dem Schafthelmein derartiges zeichenartiges Ornament tragen. Die plasti-schen bzw. reliefierten Einzel-, Lyra-, S- und C-Spiralen treten

    auf dem ansonsten dekorlosen Axtkörper besonders wir-kungsvoll hervor49.

    Goldscheiben und Goldbuckel

    Aufschlussreich ist es, die mit den außergewöhnlichen Zei-chen dekorierte goldene Nackenkammaxt von T,ufalău mit

    den übrigen Bestandteilen dieses exzeptionellen Goldfundesim Kontext zu sehen (Abb.6)50. Dieser umfasste noch wei-tere Schaftlochäxte sowie Schläfen- oder Lockenringe, Arm-ringe und eine Anzahl mehr oder weniger stark gewölbterScheiben aus dünnem Goldblech. In diesen Goldblechschei-ben mit Mittelbuckel, der das Zentrum umlaufender Spiral-ranken oder konzentrischer Kreismuster bildet, lässt sichunschwer die gleiche Motivik wiedererkennen, die demSpeichenradmotiv auf der Klinge der Nackenkammaxt des-selben Fundes, den oben genannten Buckel- und Kreismoti- ven auf den Schafthelmen anderer Nackenkammäxte sowieden spiralverzierten Nackenscheiben der Nackenscheiben-

    äxte zugrunde liegt. Besonders sinnfällig kommt sie fernerin den Goldblechscheiben der Funde von S, mig, Grăniceri,Săcueni, Ostrovul Mare und Vatin zur Darstellung (Abb. 1o,1–4.6–8; Abb.12–13; vgl. David 2oo3, 39 Abb. 5; 4o–42).

    Wie das Depot von T,ufalău wurde auch der Goldfund vonS, mig (Schmigen/Somogyom) bereits im 19. Jh. in Südsieben-bürgen im Verbreitungsgebiet der Wietenberg-Kultur ent-deckt und gleichfalls nicht vollständig überliefert. Er umfasstmindestens 26 kalottenförmig gewölbte Scheiben unter-schiedlicher Größe aus dünnem Goldblech (z. B. Abb. 1o,4)und ist ebenfalls in eine der klassischen Phase der Füzesa-bony-Otomani-Kultur entsprechende Zeit (Bz A2b–A2c) zudatieren51. Etwa in die gleiche Zeit gehören auch der ur-sprünglich acht gewölbte Goldscheiben umfassende Gold-fund aus der Siedlung von Săcueni (Zickelhid/Székelyhid)sowie eine gleichartige Goldscheibe aus der Tellsiedlung vonVărs,and-Laposhalom, die beide der Gyulavarsánd-Otomani-Kultur zuzuordnen sind (Abb.1o,1–3.5)52. Der Goldfund ausOstrovul Mare in Oltenien, der außer zwei Goldarmringenund elf goldenen Lockenringen drei große und 3o kleinekalottenförmige Goldblechscheiben mit plastisch profilier-tem, von Spiralmustern umgebenem Mittelbuckel umfasst, wird kaum später als in die Bronzezeitstufe B zu datierensein (Abb.1o,6–8)53. Gleiches könnte auch im Falle der dreiGoldblechkalotten aus Grăniceri (Ottlaka) und für den 26

    Goldscheiben umfassenden Fund aus Vatin zutreffen, wenn-gleich bei diesen beiden Funden auch eine etwas jüngereDatierung (Stufe Bz C) nicht ausgeschlossen werden kann(Abb.12–13)54.

    Diese Scheiben und Buckel aus dünnem Goldblech, beidenen es sich wahrscheinlich um die Bestandteile prunkvol-

    453SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    46 Mozsolics 1967, 91f.; Bóna 1975, 215 Abb.22,16–26; Verbreitungskarte 9; Kovács 1998/99,3o Abb. 1,11–13; Honti/Kiss 1999/2ooo, 72Abb.1,3; 76 Abb.3,1–2.9–1o; 78–82;Ilon/Költő 2ooo, 87; Taf.1,2; David 2oo2,Taf.156,8.1o–13; 157,3–6; 194,9; 3o1,6–9.

    47 Furmánek 198o, 14 Nr. 1oo; Taf.5,1oo;David 2oo2, Taf.177,1; Koós 2oo1, 221f.229; Taf.2,15.

    48 Mozsolics 1965/66, 7f. Taf.2,4; David 2oo2,296; 324; 429f. (NK 9); Taf.61,1.

    49 Vulpe 197o, 37–39; 42–51; 61f. Taf.7,1o5;8,133; 9,126–127; David 2oo2, 324f. Taf.54;55,3; 1o5,1–2; 1o7,5.

    5o Mozsolics 1965/66, 54f. Taf.2–3; 17,2–3;David 2oo2, 482 (RO 65); Taf. 11o.

    51 Mozsolics 1965/66, 52 f. Taf.14–16; 17,5;Kovács 1999, 51 Abb.23; David 2oo2, 482(RO 58). – Zur Datierung von T,ufa lău sieheDavid 2oo2, 312–317 Abb.4.4; Abb. 4.5;366 Abb.5.8; 911 Beil. 1.

    52 Popescu 1956, 2o7 Abb.123,3; 2o9 Abb.125;Mozsolics 1965/66, 33; 51; Bóna 1975,Taf.151,1; David 2oo2, 481f. (RO 46 und 68).

    53 Popescu/Popescu 1955, 865–881; Mozsolics1965/66, 33; Taf.25; David 2oo2a, 483(RO8o).

    54 Mozsolics 1965/66, 31f. 49; 56; Taf. 23,2; 24;26; Kovács 1977; 1o4 Nr.29–3o; Taf.29–3o;Kovács 1999, 49 Abb.21; 57 Abb. 29;Kemenczei 1999, 123f. Nr.25; 36;David 2oo2, 479 (RO 24); 491 (YU 9).

  • 8/19/2019 Die Zeichen Auf Der Scheibe Von Nebra Un

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    ler Sakral- oder Zeremonialornate hervorragender Persön-lichkeiten bzw. um den Schmuck von Kultbildern handelt(ausführlich zu diesem Thema David 2oo7), sind nicht nurTräger zeichenhafter Ornamente, sondern stellen schon alleinaufgrund ihrer Gestalt – und natürlich auch aufgrund ihresMaterials– selber Zeichen dar (Abb.1o–13). Ihre Grundformist ein mehr oder weniger stark gewölbter Buckel, dessenZentrum nochmals buckelartig ausgeprägt ist und häufigmittels ein- oder mehrfacher konzentrischer Rippung zu-sätzlich hervorgehoben wird. Auch die Komposition derübrigen Zierelemente ist ganz auf den plastischen Mittel-buckel ausgerichtet.

    Auf den meisten Goldblechscheiben des Fundes von S, migfinden sich um das hervorgehobene Zentrum herum drei

    Gruppen aus jeweils drei nebeneinandergereihten Buckeln(Abb.1o,4)55. Es handelt sich wiederum um das Motiv derDreibuckelreihe, das als Zeichen sinnbildlichen Charaktersbereits im Zusammenhang mit den Schaftlochäxten erwähnt wurde und durch das Vorkommen auf Goldscheiben mitderen wohl solaren Symbolik unmittelbar verknüpft wird.Auf den gewölbten Scheiben von S, mig befinden sich dieDreibuckelmotive jeweils zwischen tangential angebrachten,dreifachen Perlbuckelreihen, die von der profilierten Schei-benmitte aus in leichter Krümmung schräg zum Scheiben-rand hin verlaufen und an Wirbelarme erinnern, die den dasZentrum der Scheibe bildenden Buckel bzw. dessen Rand

    gewissermaßen zum Rotieren bringen.

    Den Eindruck einer rotierenden Bewegung erweckenauch die den Mittelbuckel umkreisenden Spiralrankenmus-ter auf den Goldscheiben aus T,ufalău, Săcueni und Vărs,and(Abb.6,5–9, Abb.1o,1–3.5). Außerdem gibt es unter dengewölbten Goldscheiben mit Spiraldekor solche, bei denendie Spiralmotive – in der Regel C-Spiralen oder radial ange-ordnete Paare antithetischer Einzelspiralen – in einer schein-bar statischen Komposition unmittelbar auf den profiliertenMittelbuckel der Kalotte hin ausgerichtet sind, so wie es Bei-spiele aus dem Fund von Ostrovul Mare zeigen (Abb.1o, 7–8).

    Die drei kalottenförmigen Phaleren von Grăniceri in derCris,ana sind deutlich größer als die übrigen Scheiben undübertreffen im Durchmesser von bis zu 13,6 cm sogar denGoldkantharos von Biia (Bendendorf/Maygarbénye) deut-

    lich56. Gemeinsam ist allen drei Scheiben der plastische Mit-telbuckel, der von zwei konzentrischen Perlbuckelkreisenumgeben wird.

    Die Oberfläche der größten der drei Phaleren wird durchkonzentrische Perlbuckelreihen in zwei um den Mittel-buckel umlaufenden Zierzonen gegliedert (Abb. 12,3a). Inder äußeren befinden sich geknickte Einzelspiralen, dieaußen an dem mittleren Ring von Perlbuckelreichen anset-zen und das zentrale, den Mittelbuckel umgebende Bildfeldoder gar die gesamte Scheibe in eine kreisende Drehung zu versetzen scheinen.

    Die figürlichen Darstellungen sind nicht konzentrisch als

    umlaufendes Bildfeld um den Mittelbuckel angeordnet, son-

    454 WOLFGANG DAVID

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    55 Mozsolics 1965/66, Taf.14; 15,1–5.7–8;16,1.9–1o; Kovács 1999, 51 Abb.23.

    56 Zum Kantharos siehe Mozsolics 1965/66, 15f.48; Taf.12; David 2oo2, 478 (RO 8).

    Abb. 1o Gewölbte Goldblechscheiben der älteren Bronzezeit aus Rumänien. 1–3 Săcueni (Zickelhid/Székelyhid), Jud. Bihor, Cris,ana; 4 S,mig(Schmigen/Somogyom,), Jud. Sibiu (Hermannstadt), Südsiebenbürgen; 5 Vărs,and-Laposhalom (Gyulavarsánd), Jud. Arad, Cris,ana; 6–8 OstrovulMare-T, igănas, i, Jud. Mehedint,i, Oltenien.

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    dern ober- und unterhalb desselben, weshalb die Scheibe fürden Betrachter eindeutig zu orientieren ist (Abb.12,3b).Oberhalb des Mittelbuckels stehen sich zwei unterschiedlichgroße Hengste in sexueller Erregung gegenüber, darunterzwei (?) hintereinanderstehende Menschen (beim Liebes-akt?). Die vordere Person hält in ihren Händen einen un-identifizierbaren Gegenstand triangulären Umrisses, zu des-sen Spitze hin ein ihr gegenüberstehender (pickender?)Vogel seinen Kopf senkt. Über Lesung und Deutung soll hiernicht weiter spekuliert werden, doch zumindest soll die Ver-mutung geäußert werden, dass die abgebildeten Figuren ineinem unmittelbaren inhaltlichem Zusammenhang mit demSymbolgehalt der goldenen Scheiben stehen, sie möglicher-

     weise Protagonisten mythischer Vorstellungen waren, diemit der rotierenden, sonnenähnlichen Goldscheibe ver-knüpft waren.

    Auf den beiden kleineren Scheiben gehen von der schei-benartigen konzentrischen Umrahmung des Mittelbuckelskreuzförmig vier radiale Bündel aus jeweils drei Perlbuckel-reihen aus (Abb.12,1a.2a). Damit gleichen sie formal denoben erwähnten Kreuz- und Speichenradmotive auf Nacken-kamm- und Nackenscheibenäxten genauso wie den Scheiben-anhängern (Abb.6,2; Abb.7). Auf einer der Goldscheiben werden die Enden der kreuzförmigen Perlbuckelreihen zu-dem von kelchartigen Spiralpaaren flankiert, so wie es ganz

    ähnlich im Falle der plastischen Leistenzier von Scheibenan-hängern aus dem Fund von Kölesd-Nagyhangospuszta undaus Simontornya der Fall ist (Abb. 7,5–6; Abb. 12, 1a). DasMotiv im Zentrum – der konzentrisch gerahmte Mittel-

    buckel, von dem antithetische Spiralpaare abzweigen– ent-spricht der Form der Goldscheiben von Vatin (Abb. 13).

    Es liegt nahe, dass auch die beiden kreuzförmig unterglie-derten Scheiben von Grăniceri nicht beliebig zu orientieren waren, da jeweils eines der vier Felder abweichend von denanderen verziert ist. Die Hauptfläche der vier Felder wirdauf der einen Scheibe von geknickten Doppelspiralen, auf der anderen von C-Spiralen eingenommen. Weiter nachaußen zum Rand hin finden sich aber nur in jeweils drei die-ser Felder randständige Kelchspiralen. Auf einer der Schei-ben stehen sich im vierten Feld unter der baldachinartigen,geknickten C-Spirale zwei Wasservögel beiderseits eineszwischen ihren Köpfen befindlichen Buckels einander zuge-

     wandt gegenüber (Abb. 12,2b). Auf der anderen befindetsich unter der C-Spirale ein bislang singuläres Motiv, beste-hend aus einer halbovalen, schraffierten Fläche mit sechsaufgesetzten Perlbuckeln (Abb. 12,1b).

    Aus der entwickelten Hügelgräberbronzezeit (Stufe BzC1) Südbayerns und Westböhmens sind gewölbte Gold-blechscheiben mit einem von konzentrischen Kreisen oderRippen umgebenen Mittelbuckel (der nach außen hin voneiner Zone randlicher Buckel, zwischen denen ein Wellen-band verläuft, eingerahmt wird) bekannt, die sich in Durch-messer, Profil und Motivauswahl gut mit den z. T. etwas älte-ren ostkarpatenländischen Goldblechscheiben aus Săcueni,

    Vărs,and, Ostrovul Mare, S, mig und Grăniceri vergleichenlassen57. Beispielsweise erreicht die größere der beidenScheiben aus dem angeblich aus dem oberbayerischen Ham-mersdorf stammenden Goldfund mit etwa 13 cm Durch-

    455SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    Abb. 11 Goldfund (angeblich) aus Hammersdorf, Lkr. Erding, Oberbayern (Durchmesser der Goldscheiben 12,5–13cm und 9,5 cm).

  • 8/19/2019 Die Zeichen Auf Der Scheibe Von Nebra Un

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    messer annähernd die Größe der Phaleren aus dem westru-mänischen Grăniceri (Abb. 11; Steffgen/Gebhard 2oo1, 22o–222 Nr.22; David 2oo7, 434).

    Bei den bereits erwähnten 25 Goldscheiben von Vatinzweigen von dem konzentrisch profilierten Scheibenkörpermit stark gewölbtem Zentrum zwei einander gegenüberlie-gende plastische Spiralpaare ab, also ganz so wie die vomMittelbuckel abzweigenden Kelchspiralen aus Perlbuckel-reihen auf einer der Scheiben von Grăniceri (Abb. 12,1a;Abb.13)58. Auch wenn der Vergleich zunächst sehr weit her-geholt erscheinen mag, sei im Zusammenhang mit den voneinem rundem Scheibenkörper abzweigenden Spiralpaarenauf die spiralig aufgerollten Enden der Henkel des bereitserwähnten Goldkantharos aus Biia in Siebenbürgen hinge- wiesen, da dessen kalottenförmiges Unterteil, welches mitRingbuckeln und Buckelreihen dekoriert ist, aus der ent-

    sprechenden Perspektive den gewölbten Goldblechscheibendurchaus gleicht59.

    Zu erwähnen sind im Zusammenhang mit den Spiralpaa-ren der Scheiben aus Vatin schließlich auch die goldenenArmringe mit Doppelspiralenden, die im Fund von T,ufalăuzusammen mit Goldscheiben vorkommen, sowie die nach-folgend zu besprechenden Armbänder von Bilje und Duna- vecse (Abb.6,26–27; Abb. 15–16). Hinzuweisen ist ferner auf ziselierte Motive auf spätbronzezeitlichen Bronzeblech-gürteln aus dem nordostungarischen Vajdácska und dem

    siebenbürgischen Aiud, die der Form der Scheiben vonVatin entsprechen (Abb.8,1b; Abb.9)60.

    Goldarmbänder mit mondsichel- oder hörnerförmigen

    Enden

    In den mondsichel- oder hörnerförmigen Enden dieser aus-schließlich in Gold vorkommenden Armringe lässt sichsowohl das Motiv der C-Spirale als auch das der Kelchspiraleerkennen (Abb.14–16)61. Ihre Oberfläche zeigt plastischeBuckelzier, darunter wiederholt das Motiv der Dreibuckel-reihe. So trägt der Goldarmreif von Biia, der zusammen mitdem erwähnten Goldkantharos, dessen Henkel in Doppel-spiralenden auslaufen, gefunden worden sein soll, im Zen-trum der weit ausladenden mondsichelförmigen Enden dreiaus andersfarbigem Gold eingesetzte Stifte (Abb.14)62.

    Die prunkvollsten Vertreter dieser Gruppe, die Armbän-der aus Bilje und Dunavesce, zeichnen sich durch ein Wech-selspiel von Form, Umriss, plastischem und ziseliertem Orna-ment aus, bei dem sich aus Profil, Relief und Ornament in vielfältiger Weise immer wieder die gleichen Zeichen her-auslesen lassen (Abb.15–16). Beide Schmuckstücke erschei-nen durch Einzelbuckel, Dreibuckelreihen, Dreipunktreihen,Volutenpaare und mondsichel- oder hörnerförmigen Motivemit Symbolgut geradezu »aufgeladen«, wobei die dekorati- ven Eigenschaften der Motive stilistisch überaus gelungen

    456 WOLFGANG DAVID

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    57 Weiterführende Hinweise in David 2oo3, 38;4o

    mit Anm.31; David 2oo

    7, 43o

    Abb.7; 434mit Anm. 4o.

    58 Vinski 1959, 216–218; 233; Taf. 5,6; Mozso-lics 1965/66, 31; 56; Taf.26; Kovács 1999,57 Abb.29; Kemenczei 1999, 124 Nr. 36;

    Rašajski 2oo2, Umschlagbild.59 Siehe oben Anm.56 sowie die Gegenüber-

    stellung in David 2oo3, 42 Abb.7.6o Kemenczei 1981, 157 Abb.1,1; Taf.5 oben

    rechts; Rusu 1981, 393 Abb. 9,1; David 2oo3,43 Abb.8,2.

    61 Mozsolics 1965/66, 23–27; Taf.19,1–2;2o–22; 23,1; Kovács 1991; Kovács 1999, 52Abb.24; 54 f. Abb.26–27; David 2oo2a, 72Abb. 4,1–2; David 2oo3, 41 Abb. 6,1–2.

    62 Zu Biia siehe Anm.56.

    Abb. 12 Gewölbte Goldblechscheiben aus Grăniceri (Ottlaka), Jud. Arad, Cr is,ana, Westrumänien.

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    zu einem Ganzen zusammengeführt wurden. Das Auslesender einzelnen Motive wird durch entsprechende randbeglei-tende Zier in Gestalt von Kerb- oder Punktmustern unter-stützt. Sie erlaubt, im Umriss des Armbandes von Duna- vecse sowohl C-Spiralen als auch Kelchspiralen zu erkennen(Abb.15d).

    Ferner ähneln die auffälligen, spitz zulaufenden, voluten-artigen Enden sicher nicht zufällig dem sich verzweigendenMittelstück der großen mondsichel- oder hörnerförmigenAnhänger, in dem durchaus auch zwei aneinandergelehnteoder eine sich öffnende Kelchspirale zu erkennen ist (Abb.15f;siehe unten Abb.19–24; Abb.29,6). Überdies kann in denEnden – insbesondere beim Armband von Bilje– nicht nurder Umriss dieser Anhänger, sondern auch das diesen

    zugrunde liegende Motiv der C- oder Doppelspirale wieder-erkannt werden (Abb.16d). Alle drei Armbänder tragen auf ihren Enden jeweils eine Variante der Dreibuckelreihe(Abb.14; Abb.15e; Abb.16e). Die Dreizahl findet sich fernerin der Rippung des Bandkörpers der Stücke aus Dunavecseund Bilje wieder (Abb. 15a–c; Abb.16a–c).

    Doch nicht nur die reich verzierten Enden, sondern auchder den Enden genau gegenüberliegende verbreiterte Mittel-teil des Bandkörpers nimmt eine besondere Rolle als Orna-mentträger ein, bildet er doch den Ausgangspunkt bzw. dasZentrum der gesamten Komposition, und zwar sowohl wasdie morphologische als auch die dekorative Gestaltung der

    Armbänder angeht (Abb.15b.d; Abb.16c). Beim Armband von Dunavecse bilden hier die jeweils in volutenartigen Zip-feln auslaufenden Ränder ein antithetisches Paar, das auf-grund der randbegleitenden Punktreihe als V-förmige Kelch-

    spirale zu lesen ist (Abb. 15f). An der Basis der Kelchspiralebefindet sich ein Buckel mit strahlenförmiger Säumung ausPunkten und Halbkreisbögen, der dem Motiv auf dem Schaft-helm der Nackenkammaxt von Kelebia gleicht (Abb.5,4).

    Buckel und kelch- oder hörnerpaarartig sich verzweigen-

    des Spiralpaar sind, wie im Falle der Goldscheiben vonVatin oder den Scheibenanhängern mit plastischen Spiral-paaren vom Typ Včelínce, als ein zusammengehören-des Motiv –letztlich als eine Spielart des »Sonnenbarken-

    457SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    Abb. 13 Goldscheiben aus dem Goldfund von Vatin, Bez. Vršac, Banat, Vojvodina, Serbien (Länge jeweils 6,8 cm, Breite jeweils 4,4cm).

    Abb. 14 Goldarmring aus Biia (Bendendorf/Magyarbénye), Jud. Alba,Siebenbürgen, Rumänien (Durchmesser 9 cm).

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    motivs« – zu lesen (Abb.7,2–3; Abb. 13; Abb. 29)63. In seinerWirkung durch eine Art mehrschichtiger Umsetzung zu-sätzlich gesteigert, beherrscht dieses Motiv auch das Zen-trum der schildförmig abgeflachten Enden des Armbandes von Bilje (Abb. 16e; Abb. 29,2). Hier wird das von Spiralpaa-ren umgebene zentrale Buckelmotiv zu beiden Seiten von jeeiner Reihe dreier Buckel flankiert. Deren flankierendeFunktion erfüllen auf dem Armband von Dunavecse Dreier-

    reihen aus Punkten (Abb.15f). Weitere Dreierreihen findensich auf diesem Armband in der gesamten Zone zwischenprofiliertem Rand und den drei quer umlaufenden Rippen(Abb.15d). Innerhalb dieser Rippen befinden sich vier Zier-felder, von den jeweils zwei identisch verziert sind. Auf derSymmetrieachse des Dekors befinden sich zwei punktge-säumte Buckel, die jeweils von vier kleineren umgeben wer-den (Abb. 15g). In den seitlich anschließenden Zierfeldern

    458 WOLFGANG DAVID

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    63 Kossack 1954, 28f. Taf.4,4; Mozsolics 1967,151 Nr. 11; Taf. 31,11–13; Bóna 1975,Taf.27o,3–4.6–7; David 2oo2a, 7o f. 76Abb.6,1–1o; 83.

    Abb. 15 Goldarmband aus Dunavecse, Kom. Bács-Kiskun, Ostungarn.

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    459SCHEIBE VON NEBRA UND ALTBRONZEZEITL ICHES SYMBOLGUT DES MITTELDONAU-KARPATENRAUMES

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    Abb. 16 Goldarmband aus Bilje, Kr. Osijek, Slawonien, Kroatien.

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    befindet sich jeweils ein von einem sternförmigen Zacken-muster eingefasstes Kreismuster (Abb. 15b.d). Darauf folgenBogengirlanden und bandförmige Strichreichen, die inzwei der Felder von drei punktgesäumten Buckeln unter-

    brochen werden bzw. diese miteinander verbinden. Das glei-che Motiv der durch Bänder ergänzten Dreibuckelreiheziert auch die mondsichelförmigen Enden des Armbandes(Abb.15e).

    Während das Ornament des Armbandes von Dunavecseunverkennbare Bezüge zum Zierstil der Gruppen der Trans-danubischen Inkrustierten Keramik erkennen lässt, trägt dieVerzierung des Armbandes von Bilje hingegen deutlicheZüge des Hajdúsámson-Apa-Stils. Die symmetrische Gesamt-komposition von Form und Ornament lässt sich ebenfalls von der Mitte des geschlossenen Bandteiles aus erschließen.Im Zentrum der Komposition befindet sich in antithetischerAnordnung zweimal das bislang singuläre Motiv einer lei-terartig strichgefüllten Doppellinie zwischen zwei Kelch-spiralen (Abb.16c). Von hier aus verjüngt sich der dreifachgerippte, kantige Reifkörper, bis er dann zu den schildartigflachen, an den Seiten eingerollten Enden ausschwingt. Indiesen eher hörnerpaar- als mondsichelförmigen Endenlässt sich eine weit geöffnete Kelchspirale – das der Mittel-zier großer, hörnerförmiger Anhänger zugrunde liegendeMotiv (siehe unten Abb.19–24; Abb. 29,1.9–1o) – oder aucheine Doppel- oder C-Spirale wiedererkennen (Abb.16d).

    Im Zentrum zwischen den spiralig eingerollten Endenbefindet sich auf der schildartig verbreiterten Fläche ein gro-ßer, durch konzentrische Kreismuster und ansetzende Spiral-

    elemente zusätzlich hervorgehobener Buckel (Abb.16e;Abb. 29,2). Wie bereits erwähnt entspricht diese die Endendominierende Kombination von Buckel und antithetischenSpiralpaaren den bereits erwähnten Varianten ein und des-selben Grundmotivs (Abb. 13; Abb.15f)64. Auf dem Arm-band von Bilje wird dieses Motiv zunächst von den erwähn-ten Dreibuckelreihen flankiert (Abb.16e). Nach außen hinanschließend befindet sich innerhalb der Krümmung je- weils eine lilienkelch- oder hörnerförmige V-Spirale, derenBasis auf einer Dreipunktreihe steht, während eine andere

    Dreipunktreihe aus dem Kelchinneren hervorzugehenscheint. Auf den volutenartig eingerollten Enden befindensich schließlich zwei konzentrische Kreispunkte unter-schiedlicher Größe, wie sie auch auf im Hajdúsámson-Apa-

    Stil verzierten Nackenscheibenäxten und Anhängern imZusammenhang mit Spiralmotiven auftreten (Abb. 3,1–2;Abb.21–24; Abb.28,2; Abb.29,1)65.

    Der durch die beiden antithetische Spiralpaare hervorge-hobene zentrale Buckel wird »unten« zusätzlich noch voneiner gewölbten Doppelspirale umfasst (Abb. 16e unten).Dieses Motiv liegt außerdem der Form der schildartigenEnden zugrunde; zumindest sprechen die randbegleitendenPunkreihen, welche die Enden ornamental vom geripptenTeil des Reifköpers abtrennen, zwingend für eine derartigeLesung (Abb. 16f). Das gleiche Motiv wird auch in Gestaltder seltenen Anhänger der Variante Balatonkiliti überliefert(siehe unten Abb.25,2)66. Vor allem aber ist es das beherr-schende Motiv auf den sogenannten Diademen aus demmittelbronzezeitlichen Hügelgräberfeld von Pitten, wo esjeweils drei (!) Mal angebracht ist (Abb. 17)67.

    Gürtelhaken

    Ein von stilistischer Harmonie gekennzeichnetes, vielfälti-ges Beziehungssystem zwischen plastischen und ziseliertenForm- und Ziermotiven zeichenhaften Charakters auf einemTräger, der selbst von zeichenhafter Gestalt ist, so wie es inGestalt der Goldarmbänder von Bilje und Dunavecse mitbesonderer Raffinesse zur Darstellung gebracht wurde, fin-

    det sich in vergleichbarere Qualität nur noch bei den imHajdúsámson-Apa-Stil verzierten Bronzegürtelhaken ausCsengőd und von unbekanntem Fundort in »Ungarn«(Abb.18) sowie –allerdings mit qualitativen Abstrichen–auf einigen mondsichel- oder hörnerförmigen Anhängernmit volutenartiger Mittelzier (siehe unten Abb. 19–24). DieGürtelhaken gehören zur Gruppe der Gürtelhaken mit plasti-scher Volutenzier, die sich durch plastische Profilierung vonOberfläche und Umriss sowie durch ein reiches, ziseliertesOrnament auszeichnen. Wiederkehrende Grundmotive im

    460 WOLFGANG DAVID

    TAGUNGEN DES LANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE • BAND 05 • 2010

    64 Vgl. die Motivzusammenstellung in David2oo3, 41 Abb.6.

    65 Vgl. David 2oo2, NS-Motive 61–63; 292 NK-Motiv 22.

    66 Eponymer Anhänger in Mozsolics 1967, 162Nr.15; 243; Taf. 37,15.

    67 Siehe Fotos und zeichnerische Abrollung desOrnaments in Hampl u. a. 1981, Taf. 12o;131; 194–195; 2o4; 217; 235–236.

    Abb. 17 Bronzenes »Diadem« aus Grab 26a von Pitten, Bez. Neunkirchen, Niederösterreich (größte Breite 6cm, Durchmesser 19 x 18 cm).

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    Wechselspiel von Fläche, Profil, Relief sowie plastischemund ziseliertem Ornament sind C-Spiralen, V-förmige Kelch-spiralen (Lilienkelch- oder Widderhornmotiv), Buckel- undKreismuster sowie das Sanduhrmotiv68.

    Der hier als Beispiel ausgewählte, im Römisch-Germani-schen Zentralmuseum in Mainz aufbewahrte Gürtelhakenlässt im Hinblick auf Umriss, Oberflächenprofilierung undOrnament eine Dreiteilung erkennen. Den hinteren Teil bil-det eine rechteckige Platte, die entlang dem Rand drei Niet-löcher zur Befestigung des Bronzehakens am Gürtel trägtund mit zwei Spiralhakenranken dekoriert ist, die auf einengroßen, umrahmten Buckel zuzustreben scheinen (Abb.18g).

    Der Mittelteil besitzt konkav eingezogene Seiten, die vonzwei gekerbten Leisten begleitet werden, an deren Endenjeweils ein seitlich herausragender Buckel ansetzt(Abb. 18b.e). Mit den beiden Buckeln auf der Längsachsedes Hakens bilden sie jeweils eine Reihe dreier Buckel(Abb.18b–e). Für sich betrachtet erinnert der mittlere Teilan das bekannte Sanduhrmotiv und könnte durchaus auchals »sanduhrförmiger Schild mit längsgerippten Seiten« an-gesprochen werden. Vergleichen lassen sich die flach-bogen-förmig eingezogenen Seiten auch mit den seitlichen Rän-dern des Armbandes von Dunavecse, bei denen die Endender flach-bogenförmigen Einschnitte an Stelle plastischerBuckel volutenförmige Einrollungen zeigen (Abb. 15d.f).

    Der Vorderteil des Gürtelhakens aus »Ungarn« bestehtaus zwei sich nach außen verzweigenden, spitz zulaufen-den, volutenartigen Fortsätzen und gleicht formal denanker- oder hörnerförmigen Anhängern und der Mittelziergroßer Mondsichel- oder Hörneranhänger (Abb.18f; sieheunten Abb. 25,1.3; Abb. 29,1.5.9–1o; Abb.32,4–5)69. Somitlassen sich –diese »Lesung« wird zusätzlich unterstütztdurch den Verlauf der randbegleitenden Bogengirlande – imUmriss des Hakens die sich verzweigenden Arme einer weitgeöffneten V-förmigen Kelchspirale (Lilienkelch- oder Hörner-

    paarmotiv) oder die einer offenen Kelchspirale, bestehendaus einem Paar antithetischer Einzelspiralen, erkennen. Derunverzierte Buckel an ihrer Basis bedeutet die Anbringungder gleichen Kombination aus Buckel und Kelchspirale anebenso zentraler Stelle wie auf den Armbändern von Duna- vecse und Bilje (Abb.15f; Abb.16e; Abb.29,2.5–6).

    Ein weiterer exponiert angebrachter Buckel befindet sichan der Schnittstelle zwischen rechteckiger Heftplatte undMittelteil (Abb. 18d). Erfährt dieser Buckel schon durch einrahmendes, aus Linien und Punkten gebildetes konzentri-sches Kreismuster eine besondere ornamentale Akzentuie-rung, so gewinnt er zusätzlich an Wirkung durch seine spe-zifische Position innerhalb des visuellen Beziehungssystemsder verschiedenen in Profil, Relief und Fläche miteinanderkommunizierenden Ornamentmotive. So befindet er sichim Zentrum des Zwickels, der durch die sanduhrartige Ver-engung des Mittelteils entsteht; zusätzlich wird er von denbeiden randständig angebrachten, seitlich herausragendenBuckeln flankiert, so dass eine Dreierreihe von Buckeln ent-steht (Abb.18b.d–e). Außerdem ist er das Ziel, auf das diebeiden Spiralhakenranken von den hinteren Ecken der Heft-platte aus zustreben (Abb.18g).

    Anhänger

    Den Formen aller bronzezeitlichen Anhänger liegen Zei-chen mit Symbolgehalt zugrunde. Besondere Beachtung verdienen hier die großen, bis zu 13,2 cm breiten, mond-sichel- oder hörnerpaarförmigen Anhänger mit volutenarti-ger Mittelzier, da sie wie die stilistisch verwandten Gürtel-haken und Armbänder jeweils aus mehreren Motiven mitSymbolcharakter zusammengesetzt zu sein scheinen undneben plastischen Buckelmustern als einzige Anhängerauch ziseliertes O