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Die Zeitfalle

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Nr. 232Die ZeitfalleDie Wellensprinter überwinden Zeit und Raum - und Gucky wird zur Sagengestalt ...von Clark Darlton

Seit dem Zeitpunkt, da Grek 1, der Chef der fehlgeschlagenen Maahk-Invasion, eine riesige Akonen-Flotte indie Falle von Twin gelockt und damit eine uralte Rechnung beglichen hatte, sind sechs Monate vergangen.Auf der Erde schreibt man Ende Dezember des Jahres 2401. Die Lage innerhalb der besiedelten Milchstraßeist ruhig, die raumfahrenden Völker scheinen durch die Ereignisse von Twin einen Schock erlitten zu haben -besonders natürlich die Akonen und die Arkoniden, die einstmals so mächtig waren und die inzwischen nichtmehr sind als Satelliten der Akonen.Auch die Blues von der Eastside der Galaxis, die immer noch mit ihren internen Streitigkeiten beschäftigt sind,bilden keine Gefahr für das Solare Imperium.Und so kann es Perry Rhodan wagen, mit seinem Flaggschiff die Galaxis zu verlassen und in das „System derVerlorenen“ vorzustoßen, das nach Greks Angaben von den Meistern der Insel längst nicht mehr bewacht wird.Bei ihrem Auftauchen wurde die CREST jedoch überraschend angegriffen, und nur der glückliche Ausgang desSpähtruppuntemehmens „Ural“ ließ Perry Rhodan und seine Leute dem sicheren Untergang entgehen.Jetzt warten die Männer der CREST auf Bully, der Verstärkung bringen soll ...Bully kommt mit einer Flotte - und Gucky tappt in DIE ZEITFALLE!

Die Hautpersonen des Romans:Allan D. Mercant - Geheimdienstchef des Solaren Imperiums.Reginald Bull - Der Staatsmarschall nimmt eine Armada mit auf die Reise.Perry Rhodan - Großadministrator des Solaren Imperiums.Tronar und Rakal Woolver - Der eine der Parasprinter überwindet die Zeit, der andere überwindet den großen Abgrunddes Weltraums.Grek 1 - Ein Gefangener seiner Umwelt.Beukla - Kommandant der Maahk-Mutanten.Gucky - Der Mausbiber entpuppt sich als legendärer Überall-zugleich-Töter.Hope Schwag - Ein heimlicher Bewunderer Guckys.

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Der Mann mit dem schütteren Haarkranz schautemit düsterer Miene auf den automatischen Kalenderan der Wand. Er kniff die Augen zusammen undschüttelte traurig den Kopf.

„Das sind keine schönen Weihnachtsfesttage“,sagte er überzeugt.. Er saß in einem Sessel hintereinem wuchtigen Kommunikationspult. An denWänden hingen Bildschirme. Ein riesiges Fenster gabden Blick auf einen Raumflughafen frei, der sich biszum Horizont erstreckte. Er war voller Schiffe. „Odersind Sie anderer Meinung, Bull?“

Reginald Bull, der ruhelos im Zimmer auf- undabwanderte, blieb mit einem Ruck stehen. Er warfdem Sprecher einen bitterbösen Blick zu.„Ausnahmsweise bin ich mal Ihrer Meinung,Mercant. Aber Sie brauchen sich nicht darüber zufreuen. Gut, ich habe gegen Rhodans Anweisungengehandelt, aber ich bin davon überzeugt, daß es inseinem Interesse geschieht. Noch lange kein Grund,Ihr pflichtgetreues Beamtenherz mit einem Infarkt zubelasten. Übrigens haben wir heute den erstenWeihnachtstag. Morgen, am zweiten, ist es soweit.“

„Mir ist nicht wohl in meiner Haut“, gabSolarmarschall Allan D. Mercant, Geheimdienstchefder Erde und des Solaren Imperiums, widerstrebendzu. „Seit einer Woche fehlt von Rhodan und derCREST jede Nachricht. Was mag geschehen sein?“

„Wir werden es bald wissen“, versprach Bully.„Morgen starte ich mit meiner Einsatzflotte.“

Als Rhodan am 18. Dezember des Jahres 2401 mitder CREST in Richtung Andromedanebel vorstieß,hatte er seinem Stellvertreter Reginald Bull denAuftrag erteilt, ihm nach einer Frist von acht Tagenmit drei Schiffen zu folgen, falls er nichts von sichhören ließ. Bully, im Grunde seines Herzens einvorsichtiger und sehr mißtrauischer Mann, hattegleich am ersten Tag damit begonnen, dieRettungsflotte zusammenzustellen. Nur dachte ernicht an drei, sondern an über dreihundert Schiffe.

Als er die auf Kahalo stationierten Besatzungender Raumflotte aufforderte, sich freiwillig zu einemRisikoeinsatz zu meiden, sah er zu seiner freudigenÜberraschung, daß sich jeder meldete. Keiner wolltezurückstehen, wenn es galt, Perry Rhodan und seinenFreunden aus einer eventuellen Klemme zu helfen. Inwelches Abenteuer sie sich da einließen, ahnte keinervon ihnen. Auch Bully nicht.

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„Dreihundertzwanzig Schiffe statt drei“, knurrteMercant mißbilligend. „Ich möchte nicht dabei sein,wenn Sie das dem Chef zu erklären haben.“

„Brauchen Sie auch nicht“, beruhigte ihn Bully.„Außerdem handelt es sich umdreihunderteinundzwanzig Schiffe, Mercant Siehaben das Lazarettschiff vergessen.“

Außer den beiden Männern war noch eine drittePerson in dem Raum. Eine Frau. Eine sehr schöneund stolz aussehende Frau mit rötlichem Haar. Siehatte bisher geschwiegen, aber nun sah sie auf,musterte Bully mit einem skeptischen Blick undfragte: „Sie sind nicht sehr optimistisch, Reginald,nicht wahr?“

Bully kam mit einigen Schritten zu ihr und legteihr die Hand auf die Schulter. Sein Gesicht drückteVerehrung und Zuversicht aus.

„Meine teuerste Mory, ganz im Gegenteil. MeinPessimismus ist zweckbedingt. Wer sich auf Bösesvorbereitet, kann niemals unangenehm enttäuschtwerden.“

Mory Rhodan-Abro, Rhodans Frau, lächelteunmerklich.

„Dann werden Sie ja wohl auch jetzt nichts mehrdagegen einzuwenden haben, wenn ich Sie morgenbegleite. Schließlich ist es meine Pflicht als Gattindes Administrators ...“

„Wenn ich Ihnen sage, was ich von den Pflichteneiner Frau halte, Mory, jagen Sie mich mit demKochlöffel aus der Küche.“ Bully zog sichvorsichtshalber einen Meter zurück, als er das sagte.„Sie bleiben natürlich hier auf Kahalo, Teuerste. Hiersind Sie gut aufgehoben. Mercant kümmert sich umSie, und ich weiß, daß er das gern tut.“ „Hm“, machteMercant. Mory sah Bully wütend an. „Scheusal!“stellte sie fest. „Nichts zu machen“, sagte Bully. „Ichhabe meine Anweisungen. Sie können froh sein, daßich Sie nach Kahalo brachte. Aber bis hierher undnicht weiter, wie man so hübsch sagt. Ich startemorgen. Falls bis dahin keine Nachricht eintrifft. DieBerechnungen von Nathan müssen auch jedenAugenblick eintreffen. Sie sind wichtig. Ohne siekann ich nicht starten.“ Mory erhob sich. „Ihr letztesWort, Bully?“ „Unwiderruflich - tut mir leid, Mory.Ich würde von Perry die größten Vorwürfe zu hörenbekommen, nähme ich Sie mit.“

„Also gut, Sie dürftiger Befehlsempfänger.“ Sielächelte plötzlich und streckte ihm die Händeentgegen. Er nahm sie. „Viel Glück morgen,Reginald. Bringen Sie mir Perry und seine Leutewieder. Heil und gesund.“

Er brachte sie zur Tür. Als er zu Mercantzurückkehrte, sah er nicht mehr so zuversichtlich aus.

„Hoffentlich hat sie nicht bemerkt, wie unswirklich zumute ist.“

„Kaum.“ Mercant grinste. „Sie sind ein guter

Schauspieler. Auf der anderen Seite hat es nicht vielzu bedeuten, wenn keine Nachricht von Rhodaneintraf. Wir hatten das schon mehrmals. Es gab dannimmer eine Erklärung.“

„Diesmal ist das etwas anderes. Sie haben dieZwillinge mitgenommen, die Wellensprinter. Wärealles in Ordnung, könnte einer von ihnen jederzeitauf einem Hyperimpuls hierher gelangen, um uns zuunterrichten. Da niemand kam, stimmt etwas nicht.“„Das ist sonnenklar. Ich starte also morgen.“

Er ging zum Fenster und sah hinaus. Da standseine Flotte. Einhundert schwereSuperschlachtschiffe vom gleichen Typ wie dieCREST gigantische Kugeln mit einem Durchmesservon anderthalb Kilometern. Sie füllten das ganzeBlickfeld bis zum Horizont aus. Sie bildeten dasRückgrat der Einsatzflotte und stellten eineKampfmacht dar, wie man sie sich stärker undunwiderstehlicher nicht mehr vorstellen konnte.

Auch die zweihundert Leichten Kreuzer warennicht zu verachten. Zwar betrug ihr Durchmesser nureinhundert Meter, aber sie waren mitTransformstrahlern bewaffnet und konnten inkonzentrischem Angriff jeden nur denkbaren Gegnervernichten.

Zwanzig Fragmenter der Posbis, würfelförmigeRiesenschiffe, begleiteten die Expedition. Sie warenmit Nachschubgütern und Ersatzteilen aller Artvollgeladen. Hinzu kam ein Lazarettschiff.

„Woran denken Sie?“ hörte Bully hinter sichMercant fragen. Er drehte sich um. „Ich denke daran,welcher Irrsinn es ist, daß wir unbedingt nachAndromeda vorstoßen wollen. Haben wir nicht genugin der eigenen Galaxis zu tun? Ja, ich weiß, was Siesagen wollen. Um der Drohung aus demAndromedanebel zuvorzukommen, müssen wir dieInitiative ergreifen. Stimmt schon, aber verrückt istes trotzdem. Die Transmitterstationen haben schonbestanden, als wir noch auf den Bäumenherumkletterten. Da haben sie uns auch nicht gestört.Jetzt aber tun sie es. Es ist zum Verzweifeln!“

„Einem Affen ist es heute noch egal, ob jemanddas elektrische Bügeleisen oder eine Atombombeerfindet. Ihn interessieren nur seine Bananen.“ Bullynickte.

„Ein sinniger Vergleich, Mercant. Dabei ist mirüberhaupt nicht nach Scherzen zumute. Im Gegenteil,ich mache mir Sorgen. Ich möchte am liebsten schonheute starten ...“

„Auf keinen Fall! Die Frist wird eingehalten, undwenn ich Sie bis dahin einsperren lassen muß, Bull.“

„Schon gut, Mercant. War nur so eine Bemerkung.Wann trifft der Kurier von Terra ein?“ „Noch heute.“„Hoffentlich.“ Sie schwiegen. Es gab nicht mehr vielzu sagen. Sie hatten schon genug geredet. Die Zeitarbeitete gegen sie. Niemand wußte, was in diesen

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Sekunden, die sie nutzlos vertaten, alles geschah.Bully ging zur Tür. „Ich kümmere mich um Mory.Geben Sie mir Bescheid, sobald der Kurier eintrifft?“„In Ordnung.“ Bully war froh, als er draußen auf demGang stand. Es kostete ihn eine ganze MengeBeherrschung, so ruhig und gelassen zu erscheinen.In seinem Innern tobten Verzweiflung undUngewißheit. Heute war der siebente Tag, und es warnoch keine Meldung von Rhodan eingetroffen.

Dieser Maahk, Grek 1, mußte ein Verräter sein,denn er war es gewesen, der Rhodan zu demUnternehmen verleitet hatte. Er mußte gewußt haben,daß im Raum zwischen Milchstraße und Andromedader Tod auf die Terraner wartete. EineTransmitterstation, von den Meistern der Inselvergessen - das war ja einfach lächerlich! Wie konnteRhodan auf einen so plumpen Trick hereinfallen?

System der Verlorenen - wirklich eine sehrtreffende Bezeichnung für die Station.Wahrscheinlich hatte sich Grek-1 unter denVerlorenen die Terraner vorgestellt, keine Maahks.

Bully hob die Fäuste und ging weiter, um MoryTrost zuzusprechen. Sie hatte ihn genauso nötig wieer.

*

Vier Stunden vor dem festgesetzten Start traf derKurier ein.

Er überbrachte die letzten Informationen derInpotronik Nathan, die auf dem irdischen Mondstationiert war.

Die wichtigste Information war die Berechnungder Schaltphasen des Sechseck-Transmitters auf demPlaneten Kahalo. Wie bekannt, war dieSperrschaltung in Betrieb genommen worden. Damitwurde eine zweite Invasion aus RichtungAndromedanebel verhindert, denn jeder Gegenstand,der nun durch den Sonnentransmitter kommend überden Pyramiden von Kahalo eintraf, wurdeautomatisch zu seinem Sender zurückgestrahlt. Umjedoch eigenen Schiffen die Rückkehr zuermöglichen, hatte Nathan die Schaltphasenerrechnen müssen.

Innerhalb von vierundzwanzig Stunden wurde dieSperrschaltung fünfmal aufgehoben, und zwarjeweils für zehn Sekunden.. Es schien unmöglich,daß in dieser winzigen Zeitspanne, die dazu nochgeheimgehalten wurde, ein Gegner über denPyramiden von Kahalo materialisieren würde. DasSchaltschema lag Bully nun vor, und zwar für diekommenden drei Monate. Täglich insgesamt fünfzigSekunden konnte der Transmitter von Kahaloempfangen. Keine Sekunde mehr, keine weniger. Diestreng geheimen Listen wurden den Kommandantender Einsatzflotte ausgehändigt, damit sie notfalls

selbständig und ohne Rückfrage den Weg zurück indie Milchstraße fanden.

Die weiteren Berechnungen des Positronengehirnsbetrafen Grek-1. Nathan war auf Grund dervorhandenen Daten eindeutig zu der Erkenntnisgelangt, daß der Maahk keinen bewußten Verratbegangen hatte. Es mußte demnach etwas geschehensein, was auch Grek 1 nicht hatte voraussehenkönnen. Eine Panne also, ein Unglück, oder gar eineKatastrophe.

Bully riskierte viel, als er jetzt seinen P}an nochimmer nicht aufgab, alles auf eine Karte zu setzen.War das „System der Verlorenen“, wie es offiziellnoch hieß, wirklich eine absolut sicherfunktionierende Todesfalle, war er mit seinen mehrals dreihundert Schiffen genauso erledigt wie Rhodanmit der CREST. Immerhin sollten dreihundertSchiffe eine größere Chance haben als nur drei.

Nathan hatte auch das errechnet und bestätigt.Bully atmete erleichtert auf, als er es erfuhr. Er

legte Mercant die entsprechenden Berichte vor undsah auf seine Uhr.

„Noch eine Stunde, dann sind die acht Tagevorbei. Ich werde auf die Minute starten. Sie haben,hoffe ich, nun keine Einwände mehr.“

Mercant sah von den Papieren hoch.„Nein, keine. Bis auf den, daß ich mich schlecht

dazu eigne, Frauen zu besänftigen. In meinerbisherigen Laufbahn ...“

„Mory wird Ihnen keine Schwierigkeitenbereiten“, versicherte Bully grinsend. „Sie hateingesehen, daß ihr Platz hier auf Kahalo ist. AberIhrem Gesicht sehe ich an, daß Sie in dieser Hinsicht,was Sie persönlich angeht, nicht so überzeugt sind.Sie kämen liebend gern mit, nicht wahr?“

„Hm“, knurrte Mercant. „Ich bin nicht so sicher.“„Auch gut. Halten Sie uns die Daumen.“ Bully sah

abermals auf die Uhr. „Noch fünfundfünfzigMinuten. Ich verabschiede mich noch von Mory,dann ist es soweit. Halten Sie die Ohren steif,Mercant.“

„Sie besser auch“, rief der Chef desGeheimdienstes.

Dreißig Minuten später stand Bully auf demGelände des Raumhafens. Mory begleitete ihn bis zurRampe, wo das Zubringerfahrzeug auf ihn wartete.Er drückte ihre Hand und strahlte über das ganzeGesicht, als führe er auf Urlaub. Zu allem Überflußmachte er auch noch eine weltmännischeVerbeugung, die dem Mausbiber Gucky sicherlichTränen in die Augen getrieben hätte.

„Ich werde Perry von Ihnen grüßen, Mory“,versprach er. „Und in ein paar Tagen sind wir allewieder zurück, verlassen Sie sich darauf.“

„Viel Glück“, antwortete Mory, und zum erstenMal klang ihre Stimme unsicher. „Ich habe so ein

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merkwürdiges Gefühl ...“„Auch das noch! Gefühle!“ Bully schüttelte den

Kopf und marschierte davon. Nach zehn Meterndrehte er sich noch einmal um. „Geben Sie bloß nieetwas auf Gefühle!“ rief er und marschierte weiter.Das Fahrzeug wartete schon. Er stieg ein und fuhrlos. Er winkte zurück. Morys Gestalt, ein Punktzwischen den beiden Gebäuden und riesigenSchlachtraumern, war bald verschwunden.

In verbissenem Schweigen sinnierte Bully vor sichhin. Er konnte jetzt endlich die Maske fallen lassenund so aussehen, wie es seiner seelischen Verfassungentsprach: besorgt und voller Zweifel. Ganz so leicht,wie er getan hatte, fiel, ihm dieser Einsatz nicht. Erahnte, daß es ein zu der Couch in der Ecke nebendem Navigationstisch. Er legte sich darauf und zogdie Injektionsautomatik aus der Brusttasche.

Jeder Mann an Bord derdreihunderteinundzwanzig Schiffe besaß eine solcheInjektionsautomatik und würde sie eine Minute vordem Start anwenden. Bis auf die Kommandanten. Siemußten noch weitere sechzig Sekunden warten.

Pünktlich zur festgesetzten Minute erhoben sichdie riesigen Schiffe und sammelten sich hoch überdem Raumfeld zum Einflug in den Transmitter. Alsdie Formation eng geschlossen war, gab OberstBrenner den entscheidenden Befehl.

Mit eingeschalteter Steuerautomatik glitt dasGeschwader in das Entstofflichungsfeld desPyramidentransmitters. Die Kommandanten saßen inihren Sesseln und gaben sich die Schutzinjektion. Sieverfielen sofort in tiefen Schlaf.

Alle dreihunderteinundzwanzig Schiffeentmaterialisierten, wurden als hyperschnelleImpulse zum Sonnensechseck abgestrahlt und vondort ohne Aufenthalt noch in derselben Sekunde inden großen Abgrund zwischen Milchstraße undAndromeda weitergeleitet.

Jenseits von Zeit und Raum bewegte sich dasGeschwader mit seiner bewußtlosen Mannschaftdurch ein Medium, das keine Bezeichnung hatte, weilniemand wußte, woraus es bestand. Jedenfallsexistierte in diesem Medium die Zeit nicht mehr alsgleichmäßig vorbeifließender Strom, sondern nur -um schon bei diesem Vergleich zu bleiben - alsgigantischer Wasserfall, den man. in Sekundenhinabstürzen konnte und so ein Gefälle überwand, fürdas der Strom unter normalen Verhältnissen Wochenund Monate benötigte. Wie alle Vergleiche hinkteauch dieser, denn in Wirklichkeit war der Wasserfallso hoch, daß er eine Strecke vonneunhundertfünfzigtausend Lichtjahrenrepräsentierte. Trotz Sprung in den Tod sein konnte,denn niemand wußte, was bei der Gegenstation desMaterietransmitters auf sie wartete.

Rhodan war gesprungen und nicht zurückgekehrt.

Das Fahrzeug hielt. Bully nickte dem Offizier zu undstieg aus. Der Zugstrahl erfaßte ihn sofort undbrachte ihn zur Luke des Flaggschiffs empor, vondessen Kommandozentrale aus er die Aktion leitenwürde. Alle Vorbereitungen waren beendet. Auf allenSchiffen hielten sich Posbi-Roboter auf, die imNotfall eingreifen würden, wenn die Mannschaftnicht rechtzeitig aus dem Tiefschlaf erwachen sollte.Diese Schutznarkose war bei Transitionen überderartige Strecken unumgänglich. Da Bully jedochmit Schwierigkeiten am Rematerialisationsortrechnete, hatte er für weitere Schutzmaßnahmengesorgt.

Sie würden automatisch in Aktion treten, wenn dieMaterialisation erfolgt war - was immer dort auchgeschah oder nicht geschah.

Oberst George Brenner war von diesenSchutzmaßnahmen unterrichtet. Er begrüßte Bullysehr respektvoll. Dann sah er auf die Uhr.

„Der Start war in fünf Minuten geplant, Sir ...?“„Er ist es noch“, eröffnete ihm Bully freundlich,

jetzt wieder ganz Zuversicht und Optimismus.„Nichts hat sich geändert, und es wird sich auchnichts ändern, es sei denn, Rhodan würde jetztinnerhalb der nächsten fünf Minuten mit der CRESTüber den Pyramiden auftauchen - aber das istunmöglich, denn die nächste Schaltphase tritt erst inzwei Stunden ein.“

Oberst Brenners Gesicht blieb ernst.„Also Start. Jedes Besatzungsmitglied gibt sich in

genau drei Minuten die Injektion. Ich will noch dieEndbestätigung durchgeben.“ „Bis später“, sagteBully und ging dem fiel man nur eine Sekunde.Verständlich, daß man bei diesem Fall die Besinnungverlor, wenn man nicht vorsichtshalber schon vorherauf das bewußte Erleben verzichtet hatte.

Als Bully bei der Planung des Unternehmens andiese Minuten der Bewußtlosigkeit gedacht hatte,war ihm nicht besonders wohl zumute gewesen.Niemand kannte die genaue Dauer einer solchenTransition. Vielleicht dauerte sie nur den Bruchteileiner Sekunde, vielleicht Minuten. Auf die Uhrenwar kein Verlaß. Die Zeit spielte einem Streiche,wenn man sie so herausforderte.

Wenn aber auf Menschen kein Verlaß war, hatteBully gefolgert, dann wenigstens auf eine exaktfunktionierende Positronik. Sie aber auf Zeiteinzustellen, war sinnlos. Auf irgendeine Akustik?Kaum möglich. Im Raum gab es keine Akustik. Wohlaber Licht. Licht!

Erst einmal waren vor Perry Rhodan und BullyMenschen so weit von der eigenen Milchstraßeentfernt gewesen - Agenten der Terraner. Von ihnenwußte man, wie es dort draußen im Abgrund aussah.Bully gab den Befehlspositroniken der Schiffe dasBild und den Lichteindruck, den sie empfangen

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würden, wenn sie an der geplanten Stellematerialisieren würden. Weit im Westen dieMilchstraße, etwas näher im Osten Andromeda.Sobald dieser Lichteindruck auf den Bildschirmender Zentralen erschien, würden die Positroniken dasFluchtmanöver automatisch einleiten.

Denn Bullys erste Handlung würde die Flucht sein.

*

Die dreihunderteinundzwanzig Schifferematerialisierten.

Die programmierte Positronik begann sofort zuarbeiten, denn der Lichteindruck der beiden Galaxienstimmte. Vollautomatisch schaltete. sich bei allenSchiffen der Antrieb ein. Höchste Schubleistungbrachte sie auf einen Kurs, der senkrecht zurRotationsebene der beiden Milchstraßen lag. DieSchiffe gingen sehr bald in den Linearflug über undüberschritten die einfache Lichtgeschwindigkeit.

Hundertfache Lichtgeschwindigkeit. Linearraum.Die Positronik wartete, bis das Geschwader genau

fünfzig Lichtjahre zurückgelegt hatte, dann schaltetesie auf allen Schiffen den Antrieb ab und die absoluteVerlangsamung ein. Nach zehn Minuten standen dieEinheiten relativ zur Bewegung der heimatlichenMilchstraße unbeweglich im Raum. Und warteten.

*

Nicht lange.Als Bully erwachte, galt sein erster Blick den

Bildschirmen der COLUMBUS, dem Flaggschiff desEinsatzverbandes. Er blieb ruhig liegen, während erdas, was sich seinen Augen darbot, mit einergewissen Ehrfurcht in sich aufnahm. Er wußte, daßerst die Augen weniger Menschen das gesehenhatten, was er jetzt sah.

Die Bildschirme ergaben einen allumfassendenRundblick. Es war, als blicke man direkt in dasUniversum hinein, durch nichts von ihm getrennt.Auf dem äußersten Schirm links war eine Galaxis zusehen. Weit ragten die Spiralarme in den leerenRaum hinaus, Heimat einsamer Sonnen undAusgangspunkt abgewanderter Systeme, die nun inewiger Dunkelheit dahintrieben, nachdem sie sichvom Gravitationsmittelpunkt der Milchstraße gelösthatten. Im Mittelpunkt der Galaxis standen die Sterneso dicht, daß sie eine einzige Leuchtmasse bildeten.

Die Galaxis auf dem rechten Schirm war größer.In ihrer Form glich sie der heimatlichen

Milchstraße - nur stand sie etwas seitlich verschobenund glich einer riesigen Linse. Die Spiralarme warennicht als solche zu erkennen. Dem Andromedanebelvorgelagert waren zwei kleinere Lichtflecke, geradenoch am Rand zu erkennen. Das mußten

Andro-Alpha und Andro-Beta sein. Ihre Durchmesserbetrugen sechs- bis siebentausend Lichtjahre.

Bully richtete sich auf und sah in Richtung derPilotensessel.

Oberst Brenner war gerade dabei, in dieGegenwart zurückzukehren. Der Navigationsoffizierwar bereits wach und schaltete den Interkom ein.Eine Station des Schiffes nach der anderen meldetesich. Niemand hatte Schaden erlitten. Als Brenner dieMeldungen der anderen Schiffe anforderte, standBully auf und ging in die Funkzentrale. Vorherjedoch blieb er vor den Bildschirmen stehen, um sienoch einmal genauer zu betrachten. Die beidenGalaxien kannte er schon. Die anderen Schirmewaren schwarz. Kein Stern war zu sehen.

Bis auf den Mittelschirm: In seiner Mitte stand einflammend roter Fleck.

Die Entfernung von fünfzig Lichtjahren ließ diebeiden Riesensonnen zu einer einzigen verschmelzen.Jede von ihnen hatte einen Durchmesser vonannähernd zwölf Millionen Kilometer. Da sie abernur fünf Millionen Kilometer voneinander entferntwaren, mußten sie bereits aus wenigen LichtstundenEntfernung wie eine Sonne aussehen.

Einstmals hatte ein Planet die beiden Sonnenumkreist, aber ein Krieg hatte ihn zerstört und ineinen Asteroidenring verwandelt,- der noch heute dieSonnen umlief. Und zwar in einer Entfernung vonfünfzig Millionen Kilometer. Es waren Zehntausendeunregelmäßig geformter Felsbrocken, größere undkleinere. Die neun größten waren so groß wie derirdische Mond. Sie waren Oberflächenstücke undandere Fragmente des einstigen Riesenplaneten, dervon den Meistern der Insel vor rund tausend Jahrenvernichtet worden war.

Die beiden roten Riesensonnen waren dieEnergieträger einer Transmitterstation.

Jene Station, in der die CREST und nun auch dieFlotte Bullys materialisiert waren.

Bully gab sich einen Ruck und ging weiter.Während Oberst Brenner die. Meldungen dereinzelnen Schiffe entgegennahm, gab Bully demdiensthabenden Funker den Befehl, den Hypersenderfunkbereit zu machen.

Es war ein Risiko, in diesem Teil des Universumseinen Hyperfunk-Spruch abzustrahlen. Das wargenauso, als wolle man mitten in einer Stadt eineLuftschutzsirene heulen lassen und hoffen, daßniemand sie hörte.

Aber Bully wußte es. Bevor er die roten Sonnenanflog, müßte er wissen, was dort geschehen war.Und wenn Rhodan nicht antwortete, konnte erentsprechende Vorsicht walten lassen.

Der Funkspruch an Rhodan wurde ausgestrahlt unddas Gerät auf Empfang geschaltet. Niemand wußte,wie lange es dauerte, bis die Antwort eintraf. Wenn

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eine eintraf. „Ich bin in der Kommandozentrale“,sagte Bully zu dem Funker. „Geben Sie mir sofortBescheid, wenn der Empfänger anspricht.“ „Ichschalte direkt durch, Sir.“ Bully nickte dem jungenLeutnant zu und kehrte in die Zentrale zurück. OberstBrenner sah ihm entgegen.

„Alles in Ordnung, Sir. Alle Mannschaftenerwacht. Die Flotte verharrt bewegungslos im Raum.Entfernungen Galaxis und Andromeda ...“

„... stimmen mit den Erwartungen überein, nichtwahr? Praktisch hängen wir jetzt im großen Abgrund,mitten zwischen den Milchstraßen, allerdings näherzu Andromeda. Feine Situation. Habe ich mir schonimmer gewünscht.“ Er nickte in Richtung derOrterschirme. „Irgendwelche Materie in der Nähe?“

„Nichts im Umkreis von einem Lichtjahr, Sir.Absolutes Vakuum. Sogar die üblichen Gasmolekülefehlen. Lediglich gewisse Energiefelder werden vonden Geräten registriert.“

„Sie sind überall zwischen den Galaxienvorhanden. Die Verhältnisse liegen ähnlich wie beiFixsternen, die ja auch durch Schwerkraftfelderverbunden sind. Das ganze Universum ist nach dengleichen Gesetzen aufgebaut. Sie haben überallGültigkeit. Wenn Sie mich fragen ...“

Aber Oberst Brenner sollte nicht mehr dazukommen, Bully zu fragen. Der Interkom summte.„Hyperfunkstation, Sir. Antwort von FlaggschiffCREST ...“

Bully vergaß sämtliche Energiefelder zwischenPlaneten, Sonnen und Milchstraßen. Er rannte aus derZentrale und kam gerade zurecht, Rhodansfreudestrahlendes Gesicht auf dem Hyperbildschirmerscheinen zu sehen. Die Sichtverbindung zurCREST war hergestellt.

An Rhodans Gesichtsausdruck erkannte Bully, daßsein Bild auch auf der CREST empfangen wurde.Gott sei Dank ...

„Gott sei Dank!“ war auch das erste, was er sagenkonnte. „Was war denn los? Warum habt ihr dennnichts von euch hören lassen? Wo steckt ihrüberhaupt ...?“

„Der Reihe nach, wenn es möglich ist“, unterbrachRhodan und lächelte. „Du kannst dich daraufverlassen, daß wir uns gemeldet hätten, wäre es unsmöglich gewesen. War leider nicht der Fall. UnserePosition ist in eurer Richtung, aber nur ein Lichtjahrvom Schrotschußsystem entfernt. Die CREST ...“

„Wovon?“ rief Bully überrascht dazwischen.„Sagtest du Schrotschußsystem?“

„Ja, so tauften wir es. Paßt haargenau. Leider waraber das. System nicht ganz so verloren, wie Grek-1uns erzählt hatte. Nein, nicht was du denkst, Alter.Grek-1 war genauso überrascht wie wir, als wirangegriffen wurden. Doch davon später mehr. Ichschlage vor, wir leiten zuerst das

Rendezvous-Manöver ein. Ich sorge dafür, daßOberst Rudo euch die Koordinaten gibt. Wir könnensehr gut eine Verstärkung gebrauchen. Und eineReparatur. Die CREST sieht nicht gut aus. UnserErsatzteillager reicht nicht aus, Bully ...“

„Würde ein Werkstattschiff der Posbis reichen?“erkundigte sich Bully. Er begann zu ahnen, daß dasDonnerwetter wegen Überschreitung derMachtbefugnisse nicht so schlimm werden würde.„Ich habe rein zufällig eins mitgebracht.“ Rhodanlächelte nicht mehr. Ersah ihn forschend an.

„Ach ...? Rein zufällig?“ Das Lächeln kehrtezurück, diesmal mit ein bißchen Ironie vermischt.„Hast du auch zufällig mehr als die drei befohlenenSchiffe mitgebracht?“ Rhodan würde es so oder soerfahren. Besser jetzt, wo er neunundvierzigLichtjahre entfernt war.

„Nur ein paar mehr“, sagte Bully kleinlaut.„Wieviel?“

„Weißt du, Perry, ich konnte ja nicht wissen, wasalles geschehen war, und du sagst ja selbst, daß dieCREST angegriffen wurde ...“ „Wieviel, Bully?“„Nicht viel.“

„Eine klare Antwort. Eine Zahl! Wieviel?“Bully holte tief Luft und sah Rhodan gerade in die

Augen.„Dreihunderteinundzwanzig, Perry.“Rhodan sah ihn fassungslos an, ehe auch er Luft

holte. „Was?“ „Nur dreihundertachtzehn mehr, alswir vereinbarten“, rechnete Bully ihm vor. „Darunterdas Werkstattschiff der Posbis und einLazarettschiff.“ „Das kommt wie gerufen ...“ „Aha!“rief Bully triumphierend. „Meine Nase! Und dannsagtest du etwas von Angreifern ...“

„Ich geb's auf“, bekannte Rhodan. „Los, dieKoordinaten! Und dann macht, daß ihrhierherkommt. Wir haben schon genug Zeit verloren.Die Navigation soll jetzt übernehmen. Bis später,Bully.“

Mit einem unbeschreiblichen Gefühl derErleichterung kehrte Bully in die Zentrale zurück.Trotz seiner engen Freundschaft mit Rhodan war ihmnicht wohl zumute gewesen. Immerhin hatte er einenBefehl mißachtet. Durch sein eigenmächtigesHandeln hätte er leicht eine ganze Flotte gefährdenkönnen. Doch wie es schien, hatte er Glück gehabt.Niemand würde ihm einen Vorwurf machen. ImGegenteil, jeder würde seine Umsicht anerkennen.

Oberst Brenner erhielt die Koordinaten und gab siean die Kommandanten der Begleitschiffe weiter.Zehn Minuten später nahmen sie Fahrt auf undgingen in den Linearraum. Mit vieltausendfacherLichtgeschwindigkeit näherte sich der Flottenverbandder vereinbarten Stelle.

Als er in das Einsteinuniversum zurückkehrte,erschien auf den Bildschirmen aller Zentralen ein

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Wrack der Imperiumsklasse. An mehreren Stellenklafften fürchterliche Risse, die nur notdürftigrepariert waren, und einige Wulstantriebe waren ausder Hülle gerissen worden.

Das Wrack hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit miteinem einsatzbereiten Superschlachtschiff.

Das Wrack war die CREST Perry RhodansFlaggschiff.

Bully war in die CREST übergewechselt und hattein Begleitung Rhodans einen Rundgangunternommen. Er war über das Ausmaß der Schädenentsetzt. Hunderte von Werkrobotern würdenmindestens vierundzwanzig Stunden zu tun haben,um das Ärgste zu beseitigen. Im jetzigen Zustand wardie CREST nicht einsatzfähig, wenn sie auchLineargeschwindigkeit erreichte.

In der Messe ließen sich die beiden Männer inbequemen Sesseln nieder, nachdem Oberst Rudoseine Befehle erhalten hatte. Die Reparaturenbegannen sofort, während die übrigen Schiffe einendichten Sperrgürtel bildeten und Vorpostenausschickten. Auf keinen Fall wollte man von denSchiffen der mutierten Maahks überrascht werden,die in dem Asteroidengürtel des angeblichverlassenen Systems hausten.

„Es wird Zeit, daß du mich aufklärst“, sagte Bully,nachdem er die anwesenden Mutanten und Offizierebegrüßt hatte. „Was ist mit mutierten Maahks?“Rhodan gab Atlan einen Wink. „Du kannst bessererzählen, Atlan. Berichte kurz, was geschah.“

Der Arkonide nickte und setzte sich neben Bully.„Vor etwa tausend Jähren schickten die Meister

der Insel eine Strafexpedition Hierher undvernichteten den einzigen Planeten der beidenRiesensonnen. Er zerbarst, und seine Trümmerbildeten den Asteroidengürtel. Einige derBruchstücke waren groß genug, um noch Leben zutragen. In ihrem Innern leben die Nachkommen jenerfürchterlichen Katastrophe, mutiert und voller Haßauf jeden Eindringling. Sie griffen uns ohne Warnungan, und fast wäre es ihnen gelungen, die CREST zuzerstören. Sie haben keine großen Schlachtkreuzer,sondern verfügen nur über einen einzigenRaumschiffstyp, dafür aber in unvorstellbarer Menge.Die Schiffe sind schwarz, hundert Meter lang undfünfundzwanzig dick. Sie ähneln Granaten. Sieverschießen lichtschnelle Projektile mitAtombomben. Mit der Zeit genügt das, auch dieAbwehrschirme der CREST auszuschalten. Undgenau das ist geschehen. Kurz vor unserem sicherenEnde drehte die Armada des Gegners ab, um eineHöhlenwelt zu retten, deren Luft ins All entwich.“Atlan sah Bully an. „Ja, das wäre eigentlich alles.“

„Wäre vielleicht noch zu bemerken“, warf Rhodanein, „daß die Justierungsstation auf dem fünftenGroßplanetoiden des Systems steht. Don Redhorse

versuchte dort zu landen, damit wir denSonnentransmitter auf die Galaxis umschaltenkonnten. Es gelang uns nicht. Ein grünerSchutzschirm verhindert jede Annäherung. Aber nun,mit dreihundert Schiffen, werden wir es schaffen.Übrigens - wir nannten den Planetoiden ‚Kalif vonBagdad‘. Hoffentlich sind es keine tausend Wunder,die uns dort erwarten.“ Rhodan lächelte. „Es seidenn, die tausend Wunder würden uns weiterhelfen.“

„Kalif - merkwürdiger Name für einenHimmelskörper“, meinte Bully. Er sah auf, als sichdie Tür öffnete. Hereinspaziert kam Gucky, derMausbiber. Er trug seine leichte Freizeitkombinationund grinste über das ganze Gesicht, als er Bullyerblickte.

„Sieh mal einer an - unser Retter in der Not! Einbißchen Arbeit wird dir guttun. Dicker. Man muß jaFett ansetzen, wenn man immer in der Etappeherumhängt und sich den Aktenstaub um die Nasewehen läßt.“ Er watschelte zu Bully und gab ihm dieHand. „Willkommen im Schrotschußsystem, wieman es taufte. Es fällt allmählich schwer, guteBezeichnungen zu erfinden - findest du nicht auch?“

„Wenn du mich fragst, Kleiner du hast auchzugenommen“, sagte Bully nach eingehenderBetrachtung seines Freundes. „Ich soll dich grüßen.Von Iltu. Es geht ihr gut.“

„Warum auch nicht? Hat sie sonst nichts verlautenlassen?“ Bully sah ihn erstaunt an.

„Nein. Warum?“ „Ich frage nur. Es müßte dochallmählich soweit sein ...“ Rhodan räusperte sich.„Du meinst ... Familienzuwachs nehme ich an.Allmählich haben wir da genug von deinenAndeutungen. Es wird Zeit, daß du dich klarerausdrückst. Iltu ist auf dem Mars. Wenn es soweit ist,bekommst du Urlaub, das ist selbstverständlich. Abersolange du hartnäckig den Mund hältst, besteht keinGrund, dich zum Mars zu bringen. Du redest nunschon seit Jahren von Nachwuchs, und es sind schonStimmen laut geworden, die das alles für einen Bluffhalten. Man glaubt, du wolltest dich wichtig machen...“

Zur Überraschung aller Anwesenden blieb Guckyruhig.

„So, glauben sie das? Von mir aus. Perry, wennIltu mir die Nachricht gibt, auf die ich warte, nehmeich dich beim Wort. Ich brauche dann mindestenszwei oder drei Monate Urlaub. Das kommt darauf an.Und ich brauche ein schnelles Schiff. Niemand weiß,wo ich meinen Sohn finden werde.“

Rhodan zog die Augenbrauen hoch. Die anderensahen Gucky gespannt und voller Zweifel an. Bullygrinste breit.

„Wo du ihn finden wirst?“ vergewisserte sichRhodan mit ruhiger Stimme. „Vielleicht dort, wo Iltuist, würde ich vorschlagen.“ Gucky schüttelte den

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Kopf. „Leider weiß Iltu es auch nicht“, gab er zu.„Ihr wißt zu wenig über die ganze Geschichte, undich habe nie darüber gesprochen. Nur soviel: Wir Iltshaben unsere Heimatwelt Tramp so sehr geliebt, daßsich das Wissen darum vererben wird. Früher ... aberes ist zu früh, Spekulationen anzustellen. Geduldeteuch. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir allemehr wissen.“

Rhodan nickte und stellte keine Frage mehr. Erwußte, daß Gucky schon reden würde, wenn er es fürrichtig hielt.

Im Augenblick hatte er auch andere Sorgen.Er wartete, bis sich Gucky gesetzt hatte, dann sagte

er zu Bully:„Es ist gut, daß wir einen starken Flottenverband

zur Verfügung haben. Das ändert meineursprünglichen Absichten. Wir werden dieJustierungsstation auf dem Planetoiden Kalifangreifen und alle Schiffe der Maahks abwehren,sobald sie uns den Weg versperren. Grek-1 hatAndeutungen gemacht, die mir zu denken geben. Erkann recht mit seiner Vermutung haben, daß dieMaahk-Mutanten uns verwechseln. In dem Fallwären sie nicht unsere Gegner, sondern vielmehrunsere Verbündeten.“

„So ganz verstehe ich das nicht“, gab Bully zu.„Ich hörte von verschiedenen Seiten, daß dieser Grekein netter Bursche sein soll. Ist er noch einGefangener?“

„Eigentlich ist er nur der Gefangene seineseigenen. Metabolismus“, sagte Rhodan. „UnsereAtmosphäre ist Gift für ihn, also sitzt er fast ständigin seiner Spezialkabine. Zur besseren Verständigunghaben wir nun eine Glaswand eingebaut. Dazwischensitzt ein Translator. Jeder kann ihn somit sehen undsich mit ihm unterhalten.“

„Das werde ich nachher auch tun“, kündigte Bullyan.

Er ahnte noch nicht, welche Folgen das habensollte.

*

Vier Männer und Mausbiber Gucky saßen inRhodans Kabine.

Die Zwillinge Tronar und Rakal Woolver warennur durch die Anfangsbuchstaben auf ihrerKombination zu unterscheiden. Sie waren Mutanten,sogenannte Wellensprinter. Sie verstanden es, sichvor jeder Energiequelle zu entmaterialisieren und mitden Impulsen mit deren Geschwindigkeit zu reisen.Umgekehrt konnten sie aber auch jeden Strom anbeliebiger Stelle anzapfen, von ihm aufgenommenwerden und an der Quelle wieder rematerialisieren.Tronar und Rakal waren schon über Lichtjahrehinweg mit den Impulsen der Hyperfunkwellen

gereist, ohne eine Minute Zeit zu verlieren.Der dritte Mann war Captain Don Redhorse, an die

dreißig Jahre alt, fast zwei Meter groß und mitglatten, blauschwarzen Haaren. Er sah wie einDraufgänger aus - und er war es auch. SeineVorfahren waren Indianer vom Stamme derCheyenne gewesen. Redhorse war kein Mutant,sondern ein ganz gewöhnlicher Mensch ohneübernatürliche Fähigkeiten, aber er war ein tapfererund furchtloser Mann. Darum war er der Chef desLandungskommandos und stets der Leiter besonderswaghalsiger Unternehmungen. Der vierte Mann warRhodan. „Es ist noch zu früh, Pläne auszuarbeiten“,sagte er und lächelte. „Die CREST wird repariert,und uns steht ein Angriff bevor. Sobald wir Kaliferreichen, haben wir zwei Aufgaben: Der grüneSchutzschirm muß außer Betrieb gesetzt werden.Darin hat Gucky einige Erfahrung. Wir werden mitGravitationsbomben eine Lücke reißen, durch dieGucky mit den Zwillingen springen wird. Dann wirdes leicht sein, den Schirmgenerator zu orten und zuvernichten. Danach kommen Sie ins Bild, Redhorse.Sie werden mit einer Kaulquappe und fünfzig MannBesatzung auf Kalif landen, um festzustellen, obnoch Abwehrfallen vorhanden sind. Ich kann dieCREST und die anderen Einheiten erst dann landenlassen, wenn ich absolut sicher bin, daß keine Gefahrmehr auf Kalif besteht.“

„Geht klar“, sagte Redhorse. In seinen Augenleuchtete es unternehmungslustig auf. „Die Maahkswerden sich wundern.“

„Sie haben nichts mit den Fallen zu tun -wenigstens heute nicht mehr. Doch hören Sie nun gutzu, Captain. Sie auch, Rakal und Tronar. Ich möchteIhnen in allen Einzelheiten erklären, wie ich mir dieAktion vorstelle ...“

Inzwischen suchte Bully den gefangenen Grek-1auf.

Grek-1 war ein Maahk, aber kein mutierter,sondern jener fähige Offizier der Wasserstoffatmer,der die inzwischen gescheiterte Invasion derMilchstraße geleitet hatte. Er war der letzteÜberlebende der gesamten Flotte. Gucky hatte ihngefangengenommen und zerbrach sich noch heuteden Kopf darüber, warum das so einfach gewesenwar.

Grek-1 erging es nicht viel besser. Auch erverstand nicht, warum er eine solche Sympathie fürdie Terraner und besonders für dieses kleine Wesenempfand, das ihn überlistet hatte.

Auch jetzt, als er mit Bully sprach, dachte Grekdarüber nach.

Er stand in seiner Spezialkabine, vom übrigenSchiff nur durch die Glaswand getrennt. Um ihnherum wallten die grünlichen Nebel seinerMethanatmosphäre. Seine mächtige Gestalt stand

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darin wie ein Fels im Meer. Der riesige Sichelkopfmit den vier Augen war keinen halben Meter vonBully entfernt.

„Ich schätze Tapferkeit und Ritterlichkeit“, sagteGrek, und das Übersetzergerät verwandelte seineWorte augenblicklich in verständliche Laute. „Aberdas allein ist nicht der Grund, warum ich die Terranerzu lieben beginne - auch wenn sie den Arkonidensehr ähnlich sehen. Sie haben es in erster Linie jenemkleinen Pelzwesen zu verdanken, das sich Guckynennt. Aber ich weiß nicht, warum das so ist. Ichdenke darüber nach. Und einmal wird es mireinfallen. Nur eins ist gewiß: es hat etwas mit diesemSystem der Verlorenen zu tun, das ihrSchrotschußsystem nennt. So unwahrscheinlich esklingt, aber Gucky muß für etwas verantwortlichsein, das den Meistern der Insel großen Schadenzufügte.“

Die Meister der Insel - jene unbekannte undgeheimnisvolle Rasse, die eine Straße zwischen denGalaxien errichtet hatte. Eine Rasse, die schon vorJahrtausenden von Stern zu Stern eilte und denAndromedanebel beherrschte. Eine Rasse, die keinenVergleich aushielt.

Und Gucky sollte ihr einmal Schaden zugefügthaben ?

„Sie müssen sich irren, Grek-1. Gucky mag altsein, aber nicht so alt, daß er schon einmal Berührungmit den Meistern der Insel haben konnte. Wann solldas gewesen sein?“

„Ich werde mich erinnern, eines Tages. Es hängtmit diesem System der beiden Sonnen zusammen.Mit der Strafexpedition vor rund tausend JahrenTerrazeit ...“

„Vor tausend Jahren ...?“ Bully schaute Grek-1erschrocken an. Gucky machte viel inGeheimniskrämerei, was sein Alter anging, abertausend Jahre alt konnte er nicht sein. Und selbstwenn, dann hätte er sicherlich nicht verschwiegen,daß er schon einmal hier gewesen war. Vor tausendJahren! „Unmöglich! Sie müssen sich irren, Grek-1.“

„Nein, ich irre mich nicht. Allmählich taucht dieErinnerung aus dem Meer des Vergessens auf. DieBeschreibung stimmt. Ein Meter groß, die Ohren, derKörper, der breite, dicke Schwanz. Und ganzunverkennbar der Nagezahn. Aber vielleicht war eseiner seiner Vorfahren. Nicht er selbst muß esgewesen sein, der vor tausend Jahren beinahe dieStrafexpedition der Meister vereitelt hätte.“ Dannschüttelte er den Kopf. „Und ich sage nochmals, daßSie sich täuschen, Grek-1. Guckys Vorfahren habenihren Heimatplaneten Tramp niemals verlassen,bevor wir ihn entdeckten. Und das ist noch keinevierhundertfünfzig Jahre her. Irgend etwas stimmt danicht mit Ihrer Erinnerung, glauben Sie mir.“ „Siewird sogar mit jeder Minute deutlicher“, widersprach

Grek-1 bestimmt. „Ihr Gucky spielt in der Geschichteunseres Volkes und in der unserer sogenanntenHerren eine große Rolle. Er ist der Schutzpatron derMaahks - zumindest einiger Stämme. DieBeschreibung paßt, aber noch niemals begegnetejemand einem lebendigen Überall-zugleich-Töter.Das etwa wäre die sinngemäße Übersetzung jenerBezeichnung, die ihm unser Volk gab. Ich verstehenicht, warum es mir erst jetzt einfällt.“

„Es kann viele Gründe geben, die ein Nachlassendes Gedächtnisses bewirken. Die Ereignisse, diefremde Umgebung, der Schock ...“

„Sie haben recht. Aber seien Sie sicher: ich irremich nicht. Zu lange habe ich mir den Kopf darüberzerbrochen, warum meine Sympathie nicht nur denTerranern, sondern auch diesem kleinen Wesen galt.Besonders ihm.“

Da haben wir es wieder, dachte Bully erschrocken.Wenn Gucky das erfährt, schnappt er uns endgültigüber. Der Nationalheld einiger Maahk-Stämme ... dashält ja niemand aus! Nachher nennt er sich noch„Eroberer des Andromedanebels“, wenn wir wirklichmal dorthin gelangen.

„Ich danke Ihnen für die interessantenInformationen“, beeilte sich Bully zu sagen. „HabenSie schon mit jemand außer mir darübergesprochen?“

„Nein, noch nicht. Ich sagte bereits, daß es mir erstjetzt einfiel:“

„Dann darf sich Sie darum bitten, vorerst darüberzu schweigen. Ich bin überzeugt. Sie irren sich. Siewürden Verwirrung stiften, wenn das bekannt würde.Wenn Sie uns Terranern helfen wollen, dannschweigen Sie also darüber. Unser Freund Gucky istin mancherlei Beziehung sehr empfindlich.“

„Wenn Sie wollen, schweige ich darüber. Es ist jaauch nicht so wichtig und betrifft in erster Liniemeine eigenen Gefühle.“ „Danke, Grek.“ Bully ging,ganz in Gedanken versunken und mit dem Gehörtenbeschäftigt, durch die Korridore der CREST. Es warsein Fehler, an jene Andeutungen zu denken, die ervernommen hatte. Schließlich war Gucky Telepath.

Bully wäre fast über ihn gestolpert, als derMausbiber direkt vor seinen Füßen materialisierte.

„Denk das noch einmal, was du eben gedachthast!“ forderte ihn Gucky auf.. „Ich bin ein was vonwem?“

„Mußt du denn auch immer lauschen?“ empörtesich Bully. „Kann man nicht einmal über etwasnachdenken, ohne daß du in den Gehirnwindungenherumschleichen mußt?“

„Bei dir ist nicht viel herumzuschleichen“,entgegnete Gucky zweideutig. „Also, was ist los?“Bully seufzte. „Es ist kein Geheimnis, denn ich binüberzeugt, alles ist ein Irrtum. Es muß einmal vorlanger Zeit jemand gegeben haben, der dir ähnlich

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sieht. Mit ihm wurdest du verwechselt. Oder willst duvielleicht behaupten, tausend Jahre alt zu sein?“

Gucky betrachtete Bully, als habe er einen Irrenvor sich, dann deutete er auf den Antigravlift..

„Ich schlage vor, wir unterhalten uns in aller Ruhedarüber. Ist dir meine Kabine recht? Ich wohne alleindort.“

Bully wußte, daß ihm keine andere Wahl blieb. Ernickte und folgte Gucky, der sogar auf eineTeleportation verzichtete, um Zeit zum Nachdenkenzu gewinnen.

In der Kabine des Mausbibers berichtete Bully,was er erfahren hatte. Gucky hörte schweigend zu. Erbegriff noch weniger als Bully, denn er wußte selbstam besten, daß er nie zuvor in seinem Leben hiergewesen war, schon gar nicht vor tausend Jahren. „Soein Blödsinn!“ stellte er schließlich fest. „Und dawolltest du mir nichts erzählen, weil du glaubtest, ichwürde größenwahnsinnig? Kennst du mich soschlecht! Soll ich dir etwas sagen? Ich halteüberhaupt nichts von der ganzen Sache!Ausgemachter Schwindel! Oder Grek-1 hatGedächtnisschwund.“

„Wir sollten den Mund halten“, riet Bully. „Es istbesser, sonst lacht man uns noch aus. Zumindestdich.“

„Ja, zumindest mich.“ Gucky seufzte. „Immerhinwar es schon merkwürdig, daß ich Grek so leichtgefangennehmen konnte. Es war Sympathie auf denersten Blick.“ Bully stand auf und ging zur Tür. „Ichmuß mich um die Reparaturarbeiten kümmern. Bisspäter.“ „Bis später.“

Gucky schaute gegen die geschlossene Tür.„An jedem Gerücht ist etwas dran“, meinte er fest

überzeugt. „Warum eigentlich soll mein Großvateroder sonst ein Urahne nicht schon gegen die Meisterder Insel gekämpft haben?“

Er rollte sich auf dem Bett zusammen und warbald eingeschlafen.

2.

Die CREST war wieder einsatzbereit.Dreihundertzweiundzwanzig Schiffe standen einLichtjahr von den beiden Riesensonnen entfernt undbereiteten sich auf den Anflug vor. Vielleicht würdees auch ein Angriff werden.

In der Zentrale der CREST liefen dieFunkverbindungen aller Einheiten zusammen. DieKursberechnungen waren abgeschlossen.

Die Flotte nahm Fahrt auf. In den Zielbildschirmenstand ein roter Fleck - die beiden Riesensonnen. Erstrahlte in einem ruhigen, steten Licht und schienihnen den Weg weisen zu wollen.

Als die Flotte eine halbe Stunde später aus demLinearraum zurückkehrte, waren die beiden Sonnen

auch optisch trennbar. Der Abstand betrug nur dieHälfte ihrer Durchmesser - ein ungewohnter Anblick.Unwillkürlich wartete man immer darauf, daß diebeiden Sonnen sich vereinigten, und vielleicht hättensie es auch eines Tages getan, wenn nicht derTransmitter zwischen ihnen gewesen wäre. Er schienes zu sein, der ihnen Stabilität verlieh.

Die CREST flog voran, die anderen Schiffe folgtenin gestaffelter Kampfformation. Auf denBildschirmen erschienen Hunderte winzigerLichtpunkte, die nur schwach in rötlichem Glanzleuchteten.

„Das sind die Asteroiden“, sagte Rhodan, als erBullys fragenden Blick bemerkte. „Es müssenHunderttausende, vielleicht Millionen sein. Aber nurneun sind groß genug, um Leben tragen zu können.Von ihnen ist nur Kalif interessant für uns. Auf ihmbefindet sich die Justierungsstation. Übrigens müssenJeden Augenblick die Hornissen auftauchen.“

„Warum versuchen wir nicht, Verbindung mitihnen aufzunehmen?“

„Sinnlos, Bully. Wir haben es ja versucht. Siereagieren überhaupt nicht. Sie müssen mit Fremdenschlechte Erfahrungen gemacht haben.“

„Wer sollte hierher kommen?“ „Die Meister derInsel kamen einmal hierher“, erinnerte ihn Rhodan.„Wir wissen es doch von Grek-1.“

„Gerade darum sollten wir unter allen Umständenversuchen, Kontakt herzustellen. Ich bin überzeugt,wir könnten Verluste und einen sinnlosen Kriegvermeiden. Grek-1 deutete so etwas an.“

„Du hast ja recht“, gab Rhodan zu, „aber es liegtan uns, eine entsprechende Ausgangsposition fürVerhandlungen zu schaffen. Die Maahks haben unsin die Flucht geschlagen und beinahe vernichtet.Wenn wir jetzt Verhandlungen anbieten, so tun wires als Besiegte. Es wäre mir lieber, wir könnten dieVorzeichen umkehren. Das ist der Grund, warum ichan Verhandlungen erst dann interessiert bin, wenn dienächste Begegnung hinter uns liegt.“ „Ich verstehe.“Atlan, der die Bildschirme nicht aus den Augen ließ,sagte:

„Sie kommen. Es müssen Tausende von ihnensein, und es sieht so aus, als wäre es ihnenvollkommen egal, daß wir nun mit Verstärkungzurückkehren. Sie verteidigen ihren Trümmergürtel,als gelte es ihr Leben.“

„Vielleicht ist das der Fall“, meinte Rhodannachdenklich.

Sie kamen aus allen Richtungen, die kleinenschwarzen Granaten. Mit bewundernswerterZielstrebigkeit flogen sie ihre Ziele an und feuertenaus allen Kanonen, um die Abwehrschirme derterranischen Schiffe zu durchbrochen.

Aber diesmal war die CREST nicht allein.Die ersten Giga-Bomben detonierten innerhalb der

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schwarzen Pulks und rissen verheerende Lücken.Der Kampf um das Bruchstück eines Planeten

hatte begonnen.

*

Kommandant Beukla war ein Riese von Gestalt. Erwar mindestens zwei Meter hoch und ebenso breit.Der übliche Sichelkopf der Maahks war durchMutation in zwei gleiche Hälften gespalten. Siestanden schräg seitlich weg und konnten etwasbewegt werden. Jede Hälfte verfügte über zweiAugen. Beuklas Haut war schuppig und grün.

Er hatte lange auf diesen Augenblick gewartet.Niemand wußte noch, was die Vorfahren

verbrochen hatten, um sich den Zorn der Meister derInsel zuzuziehen. Sie hatten den Transmitterbewacht, und dann war eine Flotte im Auftrag derHerren gekommen und hatte den Riesenplanetenzerstört. Die überlebenden Maahks waren mit denBruchstücken in den Raum geschleudert worden. Nurwenigen gelang es, in der Tiefe der entstandenenKleinplaneten Schutz zu finden und weiterzuleben.Sie mutierten. Und sie vermehrten sich.

Beukla war ein Nachkomme jenerTransmitterwächter, die von ihren Auftraggebern soschmählich verraten worden waren.

Beukla hatte den Meistern der Insel Rachegeschworen.

Heute war der Tag, an dem er seinen Schwureinlösen konnte..

„Sie haben Verstärkung erhalten, Kommandant.“„Um so besser für uns. Wir werden schon mit

ihnen fertig. Findest du nicht, Brelax, daß sich dieForm ihrer Schiffe verändert hat? Früher hatten siekeine Kugeln.“

Brelax, Erster Offizier der Kampfhornisse, senkteden Sichelkopf.

„Du hast rechte Beukla. Aber es ist auch viel Zeitvergangen, seit die Meister unsere Vorfahrenüberfielen. Sie haben neue Schiffe gebaut undbessere Typen entwickelt. Bei uns ist alles sogeblieben, wie es von jeher war. Ich fürchte, es wirdnicht leicht sein, sie zu vernichten.“

„Ich will ihnen Schaden zufügen, das ist alles. Ichweiß, daß wir es nicht schaffen, die Meister zuschlagen. Jetzt nicht mehr, wo sie mit solcherÜbermacht erscheinen. Aber ich bin trotzdem froh,denn nun werden wir soviel von ihren Schiffenzerstören, wie wir können. Den Kurs tiefer, Brelax.Wir greifen von unten an. Ja, ihr Führungsschiff. Esist der gleiche Typ wie jener Raumer, den wirverjagten und der leider entfloh. Aber er kam sichernicht weit. Er wird irgendwo in der Unendlichkeitdarauf warten, daß man ihn findet. Immerhin muß erdiese Flotte dort alarmiert haben. Zu dumm, nun wird

bekannt, daß wir die Katastrophe damalsüberlebten.“.

Die Hornissen griffen an. Jedes Schiff suchte sichkeinen Gegner selbst aus und bemühte sich, ihmsoviel Schaden wie möglich zuzufügen, ehe es vonden unbekannten Waffen erfaßt und vernichtetwurde.

Beukla sah die verheerende Wirkung der fremdenWaffen. Er wußte von der ersten Sekunde an, wiesinnlos der Kampf war, aber lieber wäre er auf derStelle gestorben, als daß er den Befehl zum Rückzuggegeben hätte. Natürlich kannte er die Konsequenzseines sinnlosen Vorgehens, das nicht nur Rache,sondern auch Selbsterhaltung bedeutete: er mußteden anderen Schiffen mit gutem Beispiel vorangehen.Nach dem, was er bisher gesehen hatte, kam daseinem sofortigen Selbstmord gleich.

Auf dem Bildschirm erschien die Unterseite derCREST.

„Sie werden kaum mit einem Angriff von dieserSeite aus rechnen“, vermutete Brelax, mehr um sichselbst zu beruhigen als seinen Kommandanten.„Vielleicht gelingt es uns, ihren Schirm zudurchdringen.“ Beukla nickte. Natürlich gelang esnicht. Der Schirm der CREST hielt. Er war andereDinge als die Hornissen gewohnt. Zwar registriertendie Überwachungsinstrumente in der betreffendenAbteilung einen geringfügigen Energieverlust, aberder war unter den gegebenen Umständen völlignormal. Schon ein kleiner Meteorit würde beimAufprall auf den Schutzschirm dem Schiff Energieentziehen. Brelax hatte eine Idee. „Vielleicht könnenwir den Schirm durchdringen, wenn wir mitmehreren Schiffen zugleich angreifen. Aus allenGeschützen feuernd.“

Beukla dachte eine Weile über den Vorschlagnach.

„Wir werden es versuchen“, stimmte er schließlichzu und gab dem Funker den Auftrag, zehn Hornissenherbeizurufen und die Kommandanten mit ihm zuverbinden. Er wollte ihnen persönlich seineAnweisungen geben. Dann bediente er die Kontrollenseines Schiffes und wendete in weitem Bogen, umsich von der CREST zu entfernen.

Die Schlacht tobte inzwischen weiter. Wütendgriffen die Hornissen die weit überlegenen Terraneran, ohne einen einzigen Abschuß zu erzielen. DasGegenteil war der Fall. Die Atombomben derTerraner detonierten mitten in den dichten Pulks undvernichteten mehrere Angreifer auf einmal.Rudelweise trieben die steuerlosen Wracks davonund Wurden ein Teil des gigantischen Trümmerrings,der die beiden Sonnen umkreiste.

Inzwischen hatte Beukla seine Anordnungengegeben.

Elf Hornissen formierten sich zum konzentrischen

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Angriff auf das Flaggschiff der Terraner. Sie kamenmit irrsinniger Beschleunigung herangeschossen underöffneten das Feuer auf einen Punkt desSchutzschirms. Die auftreffenden Energien wurdenabgeleitet, ohne daß der Schirm zusammengebrochenwäre. Seine Leistungsfähigkeit war weit höher, alsBeukla angenommen hatte. Doch der Maahk ließ sichnicht entmutigen. Über Funk sagte er zu den anderenKommandanten;

„Weiterfliegen und weiterfeuern! In der jetzigenFormation müssen wir gleichzeitig mit demSchutzschirm der Feinde kollidieren. Es muß eineLücke entstehen, durch die wir an das Schiffgelangen.“

Der Plan war so einfach wie genial. Er wäresicherlich gelungen, wenn derSchirm-Überwachungszentrale der plötzlicheEnergieverlust nicht verdächtig erschienen wäre.Außerdem begann die Abwehrautomatik der CRESTin Aktion zu treten.

Beukla und seinen zehn Schiffen schlug plötzlichein mörderisches Feuer entgegen, noch ehe sie denSchirm erreichten. Brelax spürte einen furchtbarenStoß und eine Gewichtsverlagerung. Er wurde ausseinem Sitz geschleudert und stürzte zu Boden. Aufden Bildschirmen erloschen die Sichtimpulse. Beuklaflog blind weiter, aber er wußte bereits, daß seinAngriff abgeschlagen war. Sekunden später wußte ernoch mehr: Sein Schiff war antriebslos geworden unddamit manövrierunfähig. Relativ langsam trieb esseitlich an der CREST vorbei und geriet in einenStrom dahinziehender Wrackteile, die von anderenHornissen stammten.

Beukla glitt aus seinem Sitz. Er stellte fest, daßseine Mannschaft auf, die Interkomrufe nichtantwortete. Im Maschinenraum hatte es eineExplosion gegeben und die Männer waren tot. Brelaxund zwei weitere Offiziere lebten noch, waren aberverwundet. Beukla war wie durch ein Wunderunversehrt geblieben. Er eilte, so schnell er konnte, indas kleine Observatorium auf der Oberseite. Es wareine kleine Kuppel aus durchsichtigem Material. Dadie Bildschirme ausgefallen waren, bot sie dieeinzige Möglichkeit zur Außenbeobachtung.

Der Energieschuß der CREST hatte Beuklas Schifffrontal getroffen, seine Geschwindigkeit starkgebremst und es aus der Bahn gerissen. DieRaumschlacht tobte unterdessen weiter. Immerwieder stürzten sich die Hornissen auf denüberlegenen Gegner und versuchten, eine Lücke inder Abwehr zu finden. Beukla mußte erkennen, daßes sinnlos war. Seine ganze Flotte würde vernichtetwerden.

Langsam trieb er von der CREST fort, in Richtungauf die beiden Sonnen zu. Es würde viele Tage undWochen dauern, bis das Wrack nahe genug

herangekommen war, um in den einen oder anderenGlutball zu stürzen - oder mitten zwischen ihnenspurlos im Transmitter zu verschwinden.

Beukla würde es nicht mehr erleben. Er würde sichvorher mit den drei Überlebenden töten.

Er wollte eben ins Schiffsinnere zurückkehren, alsetwas Unheimliches geschah ...

*

Gucky vernahm Rhodans Gedankenbotschaft undTeleportierte sofort in die Kommandozentrale derCREST. Atlan und Bully standen neben Rhodan, dergebannt das Geschehen draußen auf denBildschirmen verfolgte.

„Sie müssen verrückt sein“, sagte Bully. „Es istvöllig sinnlos, aber sie geben nicht auf.“

„Ich möchte ihr Motiv kennenlernen“, sagteRhodan und drehte sich um. Er winkte Gucky zusich. „Wir brauchen einen Gefangenen, Kleiner.“Gucky grinste. „So ganz allmählich werde ich zumMaahkfänger ausgebildet“, stellte er fest. „ErstGrek-1, und nun sogar einen Mutanten.“ Er kratztesich nachdenklich das Nackenfell. „Und wie stellstdu dir das vor?“

Rhodan nickte in Richtung der Bildschirme.„Siehst du die Wracks dort? Ich glaube, in ihnen

gibt es genug Überlebende, um einen mittlerenPlaneten zu bevölkern. Du teleportierst undversuchst, möglichst einen Offizier in deine Gewaltzu bekommen. Notfalls betäube ihn, aber bringe ihnin die CREST. Nimm die beiden Zwillinge mit“

„Als ob ich das nicht allein könnte ...“„Darum geht es nicht. Tronar und Rakal sollen

versuchen, eventuell noch intakte Geschützelahmzulegen. Ich möchte, daß unserWissenschaftlerteam eine Hornisse untersucht.Wähle dir also eine aus, die noch einigermaßen heilaussieht.“

„Ich eile“, versprach Gucky, Teleportierte in dieKabine der Zwillinge und berichtete ihnen vonRhodans Wunsch. Dann sagte er: „Tronar, ich denke,wir starten von der Kuppel aus. Wir haben dort diebeste Sicht und können uns in aller Ruhe ein Schiffaussuchen. Kommt, ich nehme euch gleich mit, dasgeht schneller.“

Die drei Mutanten standen Sekunden später in derriesigen Beobachtungskuppel der CREST und hattennach allen Seiten freie Sicht.

Es war kein schöner Anblick. Kein Krieg war einschöner Anblick. Überall waren die schwarzen,kleinen Räumschiffe, formierten sich zu neuenVorstößen und wurden von den Energieblitzen derterranischen Raumer zurückgeworfen. Oftmalsflammten grelle Explosionen auf und zerrissen einender kleinen Angreifer.

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Aber - waren nicht die Terraner die Angreifer?„Wann wird das endlich einmal aufhören“, äußerte

Gucky, aber es hörte sich nicht an wie eine Frage. Esklang vielmehr wie eine Feststellung. „Wohin wirauch kommen, und sei es in eine andere Galaxis,immer wieder das da!“ Er nickte in Richtung einesausgeglühten Wrackteils, das dicht an denSchutzschirmen der CREST vorbeizog. „Krieg!Warum haben intelligente Rassen nichts anderes zutun, als sich gegenseitig zu vernichten? Mit ihremersten Funken Verstand bauen sie sich eine Waffe,und damit hören sie nicht auf, bis sie den Höhepunktihrer Zivilisation erreicht haben. Ihr letztesGlanzstück ist die Selbstvernichtung.“ Gucky ballteseine kleinen Pfoten. „Manchmal wünsche ich mir,ich wäre damals auf meiner stillen, friedlichenHeimatwelt geblieben und hätte nie einen Terranergesehen.“

Tronar legte ihm die Hand auf die Schulter. Ganzruhig sagte er:

„Dann gäbe es heute keinen einzigen Ilt mehr,Gucky. Hast du das vergessen? Deine Heimatweltwurde von Unbekannten aus dem Weltall überfallenund vernichtet. Nur wenige deiner Rassegefährten,entkamen ihrem Schicksal.“ Gucky nickte fastwiderwillig. „Ich weiß, Tronar - du hast ja recht.Entschuldige, es überkam mich einfach. Immerwieder Kriege, Tod und Vernichtung! Ich frage michnur: warum? Muß das sein? Ist das Universum nichtgroß genug?“

„Es ist eben zu groß, Gucky. Niemand kennt denanderen, aber jeder mißtraut dem anderen. Wir sindFremde hier, aber wir haben nichts gegen diemutierten Maahks. Ihre Feinde sind auch unsereFeinde - aber wie sollen wir ihnen das beibringen?Übrigens - das erinnert mich an unseren Auftrag.Siehst du ein Wrack, in. dem Überlebende seinkönnten?“

Ehe Gucky antworten konnte, erfolgte der AngriffBeuklas.

Er kam von der anderen Seite, und sie konnten ihnvon der Kuppel aus nicht beobachten. Aber sie sahendie Ausläufer der Energieblitze und diedavonwirbelnden Trümmer der Hornissen. UndBeuklas Schiff.

„Dort - es muß manövrierunfähig sein“, rief Rakal.„Es überschlägt sich und beschleunigt nicht mehr.Vielleicht lebt noch jemand.“

Gucky nickte, sagte aber nichts. Er beobachtetejede Bewegung des kleinen Schiffes und müßteRakal recht geben. Entweder war der Antriebbeschädigt, oder die Mannschaft war tot.

„Springen wir?“ fragte Tronar. „Ich springeallein“, sagte Gucky endlich. „Es wäre zu gefährlich,wenn ich euch mitnähme. Wenn ich materialisiere,muß ich gleich voll aktionsfähig sein. Versteht ihr

doch, oder ...?“Tronar und Rakal verstanden, aber sie hatten auch

Bedenken.„Denke an die verzweifelten Angriffe der

Maahks“, sagte Tronar. „Sie kämpfen, als hätten sienichts zu verlieren. Sie werden sich kaumüberraschen lassen, auch nicht von dir. Vielleichtwäre es gut, du hättest Rückendeckung.“

„Meine beste Rückendeckung ist die völligeBewegungsfreiheit“, erklärte Gucky. „Wenn ich danoch auf euch beide aufpassen muß, würde mich dasnur behindern. Ihr könnt euch ja auf meineSendeimpulse einfädeln und mir nach einer gewissenZeitspanne folgen. Sagen wir - fünf Minuten.“ Rakalnickte.

„Einverstanden. Fünf Minuten. Keine Sekundelänger.“

Die beschädigte Hornisse war weiter abgetrieben.Sie mochte etwa fünf Kilometer entfernt sein, aberim Weltall gab es nichts, was die Sicht behinderthätte. Das Schiff war kleiner, aber nicht undeutlichergeworden.

Gucky konzentrierte sich auf denTeleportersprung.

Er wußte, daß es für die beiden Wellensprinterkein Problem war, die Impulse seines Helmsendersanzupeilen und als Transportmittel zu benutzen.

„Ich schlage vor“, sagte Rakal plötzlich ruhig, „duschließt vorher deinen Raumhelm, Gucky.“

Gucky entspannte sich und grinste.„Fast wäre ich so gesprungen - reine Gewohnheit.

Aber die Maahks sind ja Wasserstoffatmer. Wäre mirübel bekommen. Und was ist mit euch?“

Sie trugen leichte Raumanzüge. Die Luftpatronewar im Gürtel der Kombination befestigt. Sie reichtefür viele Stunden. Als sie die Helme schlossen,schaltete sich automatisch die Funkanlage ein.

„Bis gleich“, sagte Gucky und konzentrierte sicherneut.

Als er wieder materialisierte, stand er vor Beukla.Das riesige Wesen machte keine Anstalten, den so

plötzlich aus dem Nichts entstandenen Mausbiberanzugreifen oder gar zu töten. Er blieb wieangewurzelt stehen und bewegte keine seiner vierHände. Die grünen Schuppen seiner Hautschimmerten im Licht des nahen Andromedanebels.Die Strahlen der roten Sonnen gaben dem Grün einenmerkwürdigen Stich ins Violette.

Gucky bedauerte es, kein Übersetzungsgerät beisich zu haben, aber man konnte seine Absichten auchbekanntgeben, ohne zu sprechen. Hinzu kam, daß erja die Gedanken des Maahks lesen konnte.

Gucky reckte seine leeren Pfoten vor, um demMaahk zu zeigen, daß er unbewaffnet war. Im Gürtelallerdings steckte der Impulsstrahler. Für alle Fälle.

Beukla dachte: Ein Teleporter ... Es muß ein

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Teleporter sein! Die Meister der Insel bedienen sichneuerdings jener Hilfsvölker ...

Der Gedankenimpuls brach jäh ab. Und setzteerneut ein: Diese Rasse ... daran kann es keinenZweifel geben! Halb so groß wie ich ... ein Teleporter... ja, es muß der Überall-zugleich-Töter sein!

Es war verständlich, daß Gucky den erstenGedankenimpuls fast völlig ignorierte und sich mehrdem zweiten widmete. Also doch! Der Maahkerkannte ihn sofort. Er war einÜberall-zugleich-Töter, was immer das nun auchwar. Ein Held! Eine lebendig gewordene Sagenfigur.

Gucky drückte die Brust noch weiter heraus undwäre fast erstickt, weil er mit den Rippen dieZuleitungen abdrückte. Schnell stellte er sich wiedernormal hin.

„Da staunst du, Dicker“, sagte er mit piepsigerStimme und hoffte, daß der Maahk am Tonfall schonmerkte, mit welcher Persönlichkeit er es zu tun hatte.„Ich bringe dich jetzt zu Rhodan. Dort können wiruns dann unterhalten.“

Der riesige Mutant der Maahks sah Gucky mit vierAugen zugleich an, wobei er die beiden Sichelköpfeverdrehen mußte. Es war sicherlich eine unbequemeStellung, aber schließlich sah man nicht alle Tageeine Sagengestalt aus dunkelster Vergangenheit.

Er ist es, wahrhaftig! Nun wird alles gut! Wirwerden diesen Krieg gewinnen, denn diesmal kam ernicht zu spät. Die Meister der Insel ...

„Alte Sichelhaube, du denkst reichlichen Unsinn“,unterbrach Gucky den Gedankenstrom des anderen.Er verstand nicht sehr viel von dem, was Beukla imKopf herumging. Es gab Zusammenhänge, aber siewaren unklar und verwirrend. Aber die Gedankenwaren nicht feindselig ihm gegenüber.

Dabei zerschlagen wir ihre ganze Flotte, dachteGucky verwundert. Ich bin sein Feind. Und dochtrifft er keine Anstalten, mich zu bekämpfen.. Wennich auch einer Sagengestalt ähnlich sehe, so ist dasdoch noch lange kein Grund ...

Er kam nicht mehr dazu, seine Kombinationenfortzuführen. Tronar und Rakal hatten seineSendeimpulse empfangen und dazu benutzt, ihm indas Wrack der Maahks zu folgen. Sie materialisiertenaus dem Nichts und standen plötzlich rechts und linksvon Gucky..

Beukla wich erschrocken einen Schritt zurück undbetrachtete die Zwillinge.

Tronar und Rakal stammten vom Planeten Imartim System Gator, nahezu zwanzigtausend Lichtjahrevon Terra entfernt. Sie waren umweltangepaßt, undda Imarts Atmosphäre nur den halbenSauerstoffgehalt wie die Erde aufwies, besaßen ihreLungen das doppelte Volumen. Ihre Brust war großund weit vorgewölbt. Ihre hervorstechendste undeinmalige Fähigkeit war das Wellensprinten, das

Einfädeln in Energieimpulse und dasSich-mitnehmen-Lassen. Sie waren aber keineTeleporter. Wo es keine Energiewellen gab, mußtensie versagen. Gucky ließ Beukla nicht aus denAugen, als er zu ihnen sagte:

„Ich kümmere mich um ihn und bringe ihn zurCREST. Sorgt ihr dafür, daß die Überlebendenkeinen Ärger machen, wenn wir das Wrackeinkassieren.“

Tronar und Rakal nickten und verließen dieBeobachtungskuppel.

Beukla begann wieder zu denken ...... seltsame Wesen ... gewisse Ähnlichkeit ...

wahrscheinlich auch Hilfsvölker ... trotzdem, demSchein noch zu urteilen. Freunde unseres Freundes ...merkwürdig ...

Gucky konnte mit den Gedankenfetzen nichtsanfangen. Er ahnte noch nicht, daß erst einphantastisches Abenteuer Antwort auf alle Fragengeben würde - Fragen, die er sich nicht einmal stellenkonnte.

„Die Herumsteherei hier hat keinen Zweck“, sagteer zu Beukla, in der Hoffnung, daß der Maahkwenigstens etwas mit dem Tonfall anfangen konnte.„Ich bringe dich jetzt zu Rhodan. Teleportation - aberkein Grund zur Besorgnis. Du wirst nichts spüren ...ach, was rede ich eigentlich. Du verstehst ja dochnichts, alte Sichelhaube.“ Er schob sich um einigeZentimeter näher an den Riesen heran, denn er mußtevor der Teleportation den körperlichen Kontaktherstellen, wollte er ihn mitnehmen. „Gib mir maleins von deinen vier reizenden Händchen ... ja, schönlangsam und vorsichtig. Was denkst du?Begrüßungszeremonie? Ja, so etwas Ähnliches, duAusbund an Schönheit. Gleich sind wir soweit ...“

Beukla stand bewegungslos da. Diewidersprechendsten Gefühle und Vermutungenversuchten von ihm Besitz zu ergreifen. Für diefriedlichen Absichten des kleinen Wesens gab eskeine Beweise, wenn man von den fast vergessenenBerichten absah, die noch über die Strafexpeditionder Meister der Insel existierten. Allerdings war seineganze Haltung auch nicht als feindlich zu bezeichnen.

Und jetzt kam der Überall-zugleich-Töter auchnoch weiter auf ihn zu, streckte seine winzige Handnach ihm aus ...

Beukla vermochte nicht, sich zu rühren. Er standda und wartete.

Und dann verschwamm plötzlich alles vor ihm,wurde schwarz und nichtexistent. Beukla existiertenicht mehr als Materie, sondern nur noch alsdimensional übergeordnetes Energiebündel, das dieSchiffswände durchdrang und ohne Zeitverlust dasVakuum überbrückte, um am Ziel wieder zurematerialisieren.

Als Beukla sehen konnte, hatte sich die Umgebung

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verändert.Er stand in einer gigantischen Kommandozentrale,

in die fast sein ganzes Schiff hineingepaßt hätte. DieWände waren voller Bildschirme, Kontrolltafeln undInstrumente. Davor standen Sessel, in denenzweibeinige Wesen saßen. Einige warenaufgestanden und näherten sich ihm und einemBegleiter. Alle waren sie bewaffnet, aber dieschimmernden Energiepistolen waren nicht in ihrenHänden. Den Ausdruck in ihren Gesichternvermochte Beukla nicht zu lesen.

Einer der Fremden setzte einen kleinen Kasten aufeinen Tisch und schaltete daran herum. Und als erdann sprach, konnte Beukla jedes Wort verstehen.Der Kasten war ein Übersetzungsgerät.

„Willkommen an Bord der CREST“ sagte derFremde und deutete auf einen besonders großenSessel. „Nehmen Sie Platz. Wir wollen miteinanderreden und versuchen, Frieden zu machen.“

Beukla setzte sich. Der Überall-zugleich-Töter ließseine Hand los. „Ich bin bereit“, sagte er schließlichund hörte, wie seine Worte sofort in die fremdeSprache übersetzt und wiedergegeben wurden. Erwußte, daß es nicht die Sprache jener war, die ereigentlich in diesem Schiff erwartet hatte. Einemerkwürdige Ahnung bemächtigte sich seiner,vermischt mit Erleichterung und Schrecken.Schrecken vor allen Dingen deshalb, weil er zubegreifen begann, welchen furchtbaren Fehler er undseine Artgenossen begangen hatten. „Ich bin bereit“,wiederholte er.

Perry Rhodan nahm den Kontakt auf, während dieBergungsabteilung das Wrack Beuklas mit demZugstrahl in einen Hangar der CREST bugsierte.

3.

„Mein Name ist Perry Rhodan. Ich bin Terraner,und wir kommen aus jener Galaxis, die Sie dort aufdem Bildschirm sehen. Ihre Rasse und unserebegegnen sich zum ersten Mal, darum lautet meineerste Frage auch: Warum haben Sie uns angegriffen,ehe Sie unsere Absichten kennenlernen konnten?“

Beukla ignorierte die Frage. Er sagte:„Sie sind somit kein Hilfsvolk der Meister der

Insel?“ „Natürlich nicht. Warum?“ Beukla sahRhodan lange an. „Ich hatte es mir denken können.Wir haben einen Fehler begangen. Wir haben. Sie fürjene gehalten, die unseren Heimatplaneten vor langerZeit zerstörten. Seit dreißig Generationen und mehrerhielten wir keinen Besuch aus dem Kosmos. Siesind die ersten Fremden, die wieder zu uns kommen.Wir mußten sie für unsere Feinde halten.“

„Ein Irrtum also?“ Rhodan lehnte sich zurück undbetrachtete Beukla aufmerksam. Ein Seitenblick zuGucky gab ihm die Gewißheit, daß der Maahk die

Wahrheit sagte. „Ein Irrtum läßt sich rückgängigmachen.“

„Ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen.“„Vielleicht sollten Sie damit gleich beginnen.

Befehlen Sie Ihrer Flotte, sich zurückzuziehen. Mehrverlangen wir nicht. Wir betrachten Sie nicht alsBesiegte, sondern als Herren dieses Systems.“

„Das sind seltsame und großzügige Bedingungen“,stellte Beukla fest. Sein Blick streifte Gucky, „Ist dasIhr Freund?“

„Einer meiner besten“, bekräftigte Rhodan.„Warum?“

„Später. Kann ich Ihre Funkanlage benützen?“„Ihre eigene, Beukla - das war doch Ihr Name?“

„Woher wissen Sie das?“ „Mein kleiner Freund dortist Telepath.“

„Ich verstehe. Meine eigene - wie meinen Siedas?“

Sie brachten Beukla in den Hangar, wo Technikerbereits dabei waren, die erbeuteten Schiffe zuuntersuchen. Die drei überlebenden Maahks waren indie Krankenstation gebracht worden. Die Totenwurden in einem Raum des Wrackszusammengetragen. Sie sollten den Mutanten späterübergeben werden.

Beukla rief über die noch intakte Funkanlage seineKommandanten und gab Befehl, sofort zu ihrenStützpunkten zurückzukehren. Einfach war es nicht,sie alle zu erreichen, denn der größte Teil derHornissenflotte befand sich auf der Flucht. Sie hattendas Nutzlose ihrer Aktion eingesehen und sich inSicherheit gebracht. Zu ihrer Erleichterung wurdensie nicht verfolgt. Als sie die Stimme ihres oberstenKornmandanten hörten, sammelten sie sich undflogen zurück zu ihren Planetenstützpunkten.

Damit war der Krieg zwischen Terranern undmutierten Maahks aus dem Schrotschußsystempraktisch beendet. Verluste hatte es diesmal nur aufselten der Maahks gegeben.

Später berichtete Beukla über die Geschichteseines Volkes und kam auch auf das Thema zusprechen, das natürlich Gucky am meisteninteressierte.

„Die Meister der Insel schickten eineStrafexpedition, um uns zu vernichten. Es gelangihnen, den einzigen Planeten dieses Systems zusprengen, aber vorher erlitten sie empfindlicheVerluste. Nicht durch uns, die wir auf einen Kriegnicht vorbereitet waren, aber durch einenunbekannten Helfer, der plötzlich aus dem Nichtsaufgetaucht war und auf unserer Seite kämpfte. Sowenigstens berichtet die Sage. Wir bekamen dieInsassen des fremden Schiffes nie zu Gesicht, bis aufjenes kleine, pelzige Wesen, das Ihrem Freund soähnlich sieht. Es war ein Teleporter, besaß aber nochandere Fähigkeiten, die ans Wunderbare grenzten. Er

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half uns und vernichtete viele Schiffe der Meister. Erwar unser Freund, und wenn sein Einsatz auchschließlich, vergebens war, so wurde er doch zumSymbol für unsere Freiheit. Er verschwand mitseinem Schiff genauso geheimnisvoll, wie ergekommen war.“

Gucky saß auf einem Sessel und genoß dieBewunderung der Anwesenden. Bully betrachtete ihnwie ein Wundertier. Atlan sah recht nachdenklichaus. Rhodan selbst schien die Geschichte nicht zuglauben.

„Wir haben einen Gefangenen, Beukla, einenMaahk. Auch er erwähnte denÜberall-zugleich-Töter. Eure Sage muß also auchaußerhalb eures Heimatsystems bekannt sein.Seltsam. Dabei kann ich beschwören, daß GuckysRasse, die Ilts, ihren Planeten Tramp niemals verließ,bevor wir ihn entdeckten.“ Ein ungeheurer Verdachttauchte plötzlich auf. Er sprach ihn aus: „Vielleichtgibt es noch einen Planeten, auf dem Ilts wohnen ...“Gucky war zusammengezuckt, dann schüttelte er denKopf.

„Nein, das halte ich für unwahrscheinlich. Wirhaben nie die Raumfahrt beherrscht, wie sollten wiralso unseren Planeten verlassen haben? Ich weiß, wasdu denkst, Perry. Auch ich verließ Tramp, indem ichmich an Bord deines Schiffes schmuggelte. Alsblinder Passagier. Aber ich weiß, daß vor euch keinanderes Schiff Tramp besuchte.“

„Vielleicht wird es niemals eine Antwort auf dieFrage geben, wer von deinen Vorfahren bis hierhervordrang. Jedenfalls sind wir nicht die ersten, die vonder Milchstraße bis hierher gelangten.“

Der Interkom summte. Rhodan beugte sich vor undschaltete die Verbindung ein. Redhorses Gesichterschien auf dem Bildschirm. „Die C-5 ist startbereit,Sir.“ Rhodan nickte. „Ausgezeichnet, aber leider istdie Sache nicht so einfach. Sie werden erst dannstarten können, wenn der grüne Schirm nicht mehrvorhanden ist. Bleiben Sie im Hangar bei IhremSchiff, Redhorse. Sie erhalten Ihren Einsatzbefehldirekt von mir.“ Der Schirm wurde wieder dunkel.„Wahrscheinlich bin ich nun dran“, sagte Gucky.

„Genau. Du und die Zwillinge. Zieht euch dieneuen terranischen Kampfanzüge an. Man weißnicht, was für Gefahren auf Kalif auf euch warten.“

Der Mausbiber erhob sich. In dramatischer Gestehob er beide Arme und machte eine vollendeteVerbeugung.

„Der große Toter verabschiedet sich von seinenFreunden. Lebt wohl und versucht, ohne ihnweiterzuleben.“

Sprach's und teleportierte. Bully sah auf den Fleck,an dem er eben noch gestanden hatte.

„Ich weiß nicht“, meinte er neidisch. „DieserGucky hat eine Gabe, allen Ruhm für sich allein zu

kassieren ... Fast könnte man ihn darum beneiden.“

*

Die Aktion war gut vorbereitet und liefautomatisch ab. Es war auch nicht das erste Mal, daßein Energieschirm mit dieser Methode durchbrochenwerden sollte.

„Noch zwei Minuten“, sagte Gucky von derBeobachtungskuppel aus. Tronar und Rakal standenbei ihm. „Dann eröffnen sie das Feuer mit dreiHyperbomben, wenn ich nicht irre.“

Die CREST hatte sich dem fünften Asteroiden bisauf wenige tausend Kilometer genähert. DerKleinplanet hatte einen Durchmesser von runddreitausendeinhundertzwanzig Kilometer. Er wurdevon einem grün schimmernden Schutzschirmeingeschlossen, der unmöglich zu durchdringen war.Allerdings war auch der Begriff „unmöglich“ sehrrelativ, wie die Vergangenheit schon mehrmalsbewiesen hatte.

Es gab eine Methode, den geheimnisvollen grünenSchirm, der auf mehrdimensionaler Energiebasisaufgebaut war, zu durchlöchern. Diese Methodesollte in nun genau siebzig Sekunden angewendetwerden.

Drei Geschütztürme der CREST standen bereit.Ihre Zielgeräte waren auf die vorher errechnetenKoordinaten eingerichtet. Alle drei Geschützewürden in derselben Sekunde dreiGravitationsbomben auf dieselbe Stelle abfeuern. DieBomben würden gleichzeitig und dichtnebeneinander detonieren. Die freiwerdende Energiegenügte erfahrungsgemäß, auch überdimensionaleSchutzschirme zu durchbrochen. Es würde einStrukturriß entstehen, durch den Gucky mit denZwillingen teleportieren konnte. Danach allerdingswürde sich der Riß wieder schließen. Eine Rückkehrwar somit nur möglich, wenn es den drei Mutantengelang, den Schirmfeldprojektor zu vernichten.

„Noch zehn Sekunden“, erklärte Tronar undumklammerte Guckys Hand.

„Immer mit der Ruhe“, flüsterte Gucky zurück.„Zuerst müssen die Bomben detonieren. Eher kannich nicht springen.“ Sie warteten.

Der Planetoid Kalif lag unter ihnen, von derKuppel aus gesehen. Die Oberfläche war nurundeutlich zu erkennen; darüber lag der grüneEnergieschirm. Geringe Reste einer Atmosphärewaren vorhanden, aber sie war für menschlicheLungen Gift. Wenn es auf Kalif Leben gab, dann nurunter der Oberfläche, die aus kahlen Felsen undSteinwüsten bestand. „Jetzt!“ sagte Gucky ruhig. Esgeschah.

Die drei Bomben detonierten genau im Ziel. Indem Schirm entstanden dunkle Linien, die sich

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zickzackartig nach allen Seiten fortsetzten. Als dieEnergieballung der Explosion nachließ, war in dergrünen Wand ein Loch. Langsam nur kehrte dieüberdimensionale Energie an ihren alten Platzzurück. Gucky teleportierte ...

*

Sie standen auf der zerklüfteten Oberfläche einesunbewohnten Himmelskörpers, der nichts als dasTrümmerstück eines auseinandergebrochenenRiesenplaneten war. Der Andromedanebelbeherrschte den Himmel. Auf der anderen Seite desPlanetoiden würde man jetzt die Milchstraße sehen,klein und sehr fern. Fast eine Million Lichtjahreentfernt.

Die Verbindung zur CREST war abgebrochen.Nichts konnte den grünen Schirm durchdringen. Jetztnicht mehr.

„Nun finde mal einer den Schirmfeldprojektor“,sagte Gucky und ließ die Hände der beidenWellensprinter los. „Habt ihr eine Ahnung, wo dersein könnte?“

Tronar trat ein wenig zur Seite. Er hob dieSchultern.

„Wir stehen auf dem Trümmerstück eineszerplatzten Planeten“, sagte er überlegend. „Somitkönnen wir uns in seinem. Zentrum befinden, das nunzufällig Oberfläche wurde, oder auf einem Teil derehemaligen Oberfläche. Letzteres wäre natürlich fürunsere Zwecke günstiger.“

„Glaubst du, daß der grüne Schirm von einemProjektor aus errichtet werden kann?“ fragte Rakalseinen Bruder. „Sind nicht vielmehr eine ganzeMenge Projektoren daran beteiligt?“

„Ein einziger Projektor genügt“, klärte Gucky ihnauf, der seine Erfahrungen mit grünenSchutzschirmen hatte. „Der Generator erzeugt dienotwendigen Energien, die von der Masse desPlaneten selbst weitergeleitet werden.Ausstrahlungsprojektoren sind einfacheVorrichtungen in der felsigen Oberfläche. Sie zuentdecken ist schwer, und ihre Vernichtung würdeuns nicht weiterbringen. Uns kann nur dieEntdeckung des Hauptprojektors helfen.“

„Ich marschiere nur ungern“, bemerkte Tronar.„Energieströme habe ich noch nicht entdeckt. Wirsind also darauf angewiesen, daß du uns mitnimmst.Fangen wir an?“

Ein Blick auf das Außenthermometer belehrteGucky, daß die Temperatur weit unter demGefrierpunkt des Wassers lag. Die beidenRiesensonnen gaben zwar Licht und Wärme, aber siestanden dicht über dem nahen Horizont. Kalif hattenicht genügend Atmosphäre, die Wärme zuspeichern.

„Es ist scheußlich“, stellte Rakal fest, „keineVerbindung mit der CREST zu haben. Es gibt keineMöglichkeit für uns, in sie zurückzukehren. KeinFunkimpuls, kein Lichtstrahl. Nicht einmal einGedanke.“ „Nein, auch kein Gedanke“, bestätigteGucky. „Wir sind hier von der Außenweltabgeschlossen, und zwar so; lange, wie der grüneSchutzschirm besteht. Ich möchte nur wissen, ob dieMeister des Universums ... eh, die Meister der Inseldie Schaltstation für den Transmitter erst bauten, alsder ehemalige Planet vernichtet war, oder ob sie siebereits errichtet haben, als er noch existierte. Ichmeine, es wäre doch ein Wunder, wenn alles heilgeblieben wäre.“

„Stark isoliert in großer Tiefe, eingebettet in Stahlund Beton, kann eine Schaltstation das Zerplatzeneiner Welt überdauern. Wenigstens könnte ich mirdas vorstellen.“ Gucky sah Tronar unmutig an. „Ichauch, aber dann wirst du dir vielleicht auch vorstellenkönnen, wie schwer es sein wird, an sieheranzukommen. Aber darüber zerbrechen wir unslieber den Kopf, wenn wir sie gefunden haben. Ichschlage Osten vor.“

Sie legten in weiten Teleportersprüngen großeStrecken zurück. Dabei vergaßen sie nicht, daß esihre vordringlichste Aufgabe war, denSchirmfeldprojektor aufzuspüren. Die Schaltstationkam erst an zweiter Stelle.

Schnell stiegen die beiden Sonnen am fastschwarzen Himmel empor. Es wurde heller, aberAndromeda blieb trotzdem sichtbar. Der Nebel war,was reine Leuchtkraft anging, heller als die Sonnen.

„Der grüne Energieschirm wurde noch derVernichtung des Planeten angelegt“, sagte Guckyplötzlich.

„Wie kommst du darauf?“ wollte Tonar wissen.„Klarer Fall. Der Schirm könnte niemals den

kleinen Himmelskörper lückenlos einschließen, wennder Generator und Projektor nur ein zufälligübriggebliebenes Stück Maschinerie wären.Ursprünglich wäre nur der Projektor geschütztgewesen, jetzt ist es der ganze Planetenrest. Glaubtjemand an einen solchen Zufall?“

„Gucky hat recht“, sagte Rakal anerkennend. „Einscharfer Denker, der Kleine.“

„Danke, Großer.“ Gucky grinste. „Suchen wirweiter.“

Sie fanden den Hauptprojektor für den grünenSchirm auf der anderen Seite des Planetoiden Kalif.Rakal spürte die Energieimpulse auf und peilte siezusammen mit Tronar an. Gucky brachte die beidenMutanten an verschiedene Plätze. Von dort ausbestimmten Tronar und Rakal die Richtung desEnergieflusses. Aus den Winkeln ließ sich leicht dieLage des Projektors errechnen.

„Zweihundert Meter unter der Oberfläche liegt der

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Generator und der Hauptprojektor. Hm.“ Guckyüberlegte. „Also Teleportation. Möchte wissen, wasda jemand in einem solchen Fall macht, wenn erzufällig kein Teleporter ist.“

„Er fädelt sich in den Energiefluß ein und benutztihn als Transportmittel“, meinte Tronar seelenruhig.

Gucky kicherte vergnügt. Gegen die Fähigkeit derZwillinge war Teleportation das reinste Kinderspiel.Rakal sagte:

„Ich werde hinabgehen und kundschaften. Guckyhält mit mir Verbindung; telepathisch, falls dieFunkgeräte vertagen. Einverstanden?“

„Ich schon“, erklärte Tronar und sah Gucky an.„Einverstanden“, sagte auch Gucky.Es dauerte fast zehn Minuten, bis Rakal eine Stelle

fand, an der die aus den Felsen kommende Energiestark gebündelt in den Himmel schoß, um einen Teildes grünen Schirms zu bilden. Winzige Metallspitzenim Boden verrieten die Ausstrahlungsantennen. Vonhier wurde das System der drahtlosenKraftübertragung eingesetzt.

„Ein günstiger Ort“, stellte Rakal fest undkonzentrierte sich auf seine Aufgabe. Gucky undTronar standen abseits und verhielten sich ruhig, umihn nicht zu stören.

Plötzlich war Rakal verschwunden.Gucky empfing seine Gedankenimpulse, nicht sehr

stark, aber doch deutlich genug, um Tronar laufendberichten zu können.

„Er ist an der Energiequelle herausgekommen -eine riesige Maschine in einem Saal. Der Saal isterleuchtet und voller Generatoren, Geräte undKontrolleinrichtungen. Ohne Zweifel derSchirmfeldprojektor. Unsere Berechnungen stimmen.Wir können also teleportieren. Ich peile dabei Rakalan, dann können wir ihn nicht verfehlen oder falschspringen.“

Eine Minute später standen sie alle drei vor dergigantischen Anlage. Die eigentliche Stromquelle, sobehauptete Rakal, lag noch tiefer im Felsen, etwadreihundert Meter unter der Oberfläche. Von dortgelangte die Energie durch armdicke Leitungen inden Hauptprojektor, der sie umwandelte undweiterschickte.

Gucky zog einen etwa faustgroßen Gegenstand ausder Tasche seines Kampfanzuges. Er betrachtete ihnnachdenklich.

„Eine wirkungsvolle Bombe, wie man mirversicherte. Zündverzögerung fünf Minuten. Dassollte genügen. Ich glaube kaum, daß man auf derOberfläche etwas von der Detonation merkt.Zweihundert Meter Fels sind schon eine beachtlicheIsolierung. Mal sehen, wohin ich unser Ei lege.“

Die beiden Wellensprinter sahen zu, wie Guckyum die Maschine herumspazierte und nach demgünstigsten Fleck suchte. Er fand ihn auf der anderen

Seite, wo eine Vertiefung weit in die Konstruktionhineinreichte. Mit wenigen Handgriffen stellte er denZünder ein und legte die Bombe in die Nische.

„Jetzt aber nichts wie weg“, sagte er und nahm dieZwillinge bei der Hand. Wieder auf der Oberflächevon Kalif teleportierte Gucky zu einem nahenGebirge auf den höchsten Gipfel. Von hier aus hatteman einen guten Blick hinab auf die Ebene, unter derdie Projektionsanlage verborgen war.

Langsam vergingen die Minuten. DerEnergieschirm war von hier unten aus kaum zuerkennen. Nur der Andromedanebel schien ein weniggrünlich zu schimmern. Gegen den schwarzenHimmel hob sich der Schirm nicht ab.

„Jetzt ...!“ sagte Gucky und beobachtete die Ebene.Nichts geschah - wenigstens war nichts zu sehen.

Kein Trichter entstand, und keine Flammensäuleschoß hinauf in den Himmel. Aber der grünlicheSchleier vor Andromeda verschwand. Und Tronarsagte:

„Die Energieströme sind versiegt. Wir haben esgeschafft, Gucky.“ Gucky war sichtlich enttäuscht.„Wie ...? Das ist alles? So einfach geht das?“

„So einfach geht das“, bestätigte Rakal sarkastisch.„Nun kann die CREST sogar landen, wenn Rhodanes will.“

Sekunden später meldete sich die Funkstation derCREST.

„Der Schirm ist verschwunden. Ihr habt esgeschafft. Gucky, willst du dich nicht melden ?“

Gucky schnitt eine Grimasse, als er Bullys Stimmeerkannte. Er schaltete die eigene Sendekapazitätherauf, damit er verstanden werden konnte.

„Kinderspiel, das Ganze. Wollt ihr nicht landen,oder ist euch das zu gefährlich?“

„Rede keinen Unsinn! Du weißt genau, daß alleTransmitterstationen von Fallen umgeben sind. DieVernichtung des Planeten vor tausend Jahren hatvielleicht den größten Teil dieser Fallen zerstört, aberes besteht trotzdem die Möglichkeit, daß noch welchevorhanden sind. Die CREST wird erst dann landen,wenn wir sicher sein können ...“ „Ja, ich weiß. Dannkönnen wir also jetzt zurückteleportieren?“

„Ganz richtig. Dann startet die C-5 unter Redhorseund ...“

„Hätte ich fast vergessen. Schickt Redhorse los.Wir sollten ohnehin mit ihm fliegen. Da warten wirlieber gleich hier. Warum so umständlich, wenn esauch einfacher geht.“ „Warte, ich frage Rhodan.“ Esentstand eine Pause. „Ob es wirklich nochHindernisse gibt?“ flüsterte Tronar. „Hoffentlich sindes nicht so heimtückische Fallen wie damals auf‚Horror‘. Aber zuerst einmal müssen wir dieJustierungsstation finden.“

Diesmal meldete sich Rhodan selbst. „Hallo,Gucky ...“ „Ich höre, Chef.“ „Gute Idee, unten auf

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Redhorse zu warten. Die C-5 hat Startbefehl. Siewird in zehn Minuten bei euch sein. Laßt dasPeilsignal laufen.“ „Läuft schon.“

„Ausgezeichnet. Redhorse kennt seine Aufgabe.Tronar und Rakal sollen versuchen dieEnergieimpulse der Schaltstation aufzuspüren. Mußdoch möglich sein, sie zu finden. Und achtet auf dieFallen. Wenn Kalif gerade der Oberflächenbrockendes ehemaligen Planeten ist, in dem die Stationversenkt war, dann gibt es auch Fallen. Alsoaufpassen!“

„Keine Sorge, wir lieben unsere Haut auch“,beruhigte ihn Gucky und schaute grinsend zu denZwillingen. „Ich habe schon vorschlagen wollen, daßdu Redhorse mit seiner Kaulquappe im Stall läßt undwir die Station allein suchen ...“

„Kommt nicht in Frage!“ unterbrach Rhodan.„Wenn ihr sie wirklich ohne Hilfe fändet, könntenwir uns später nicht mehr retten.“

„Nicht mehr retten?“ fragte Gucky erstaunt. „OHerr, dunkel ist deiner Rede Sinn. Ich versteheüberhaupt nicht.“

„Du verstehst sehr gut. Bully ist allein bei demGedanken, daß ausgerechnet du uns den Weg nachHause freikämpfst, ganz blaß geworden. Sei also sogut und nimm Redhorse und sein Schiff als kleineUnterstützung an.“

„Ich würde es allein schaffen, natürlich, das siehstdu ja wohl ein ... Aber gut! Sollen auch andere wasvom großen Kuchen haben. Ich bin ja nicht so. Duhättest Bully übrigens mitschicken sollen. Er möchteschon lange einen Orden. Hier hätte er Gelegenheit...“

„Die C-5 müßte schon lange bei euch sein“,unterbrach Rhodan hastig. „Mach mal die Augenauf!“

Gucky schaltete den Peilsender ab, als er dieKaulquappe sah. Die Kugel mit einem Durchmesservon sechzig Metern glitt langsam über dieFelsenebene dahin, unter der die. zerstörteProjektoranlage lag. Sie stieg und kam auf dasGebirge zu. Tronar schoß eine Leuchtrakete in denschwarzen Himmel, um Redhorse die Richtunganzuzeigen.

„Wir Teleportieren“, schlug Gucky vor, „dannmüssen sie nicht extra landen. Kommt ...“

*

In nur hundert Metern Höhe strich die C-5 über dieOberfläche von Kalif dahin. In derKommandozentrale saßen Redhorse, Tronar undRakal vor den Bildschirmen. Leutnant Hope Schwag,der Erste Offizier, hatte die Navigation übernommen.

Kalif war unbewohnt, das war inzwischen vonBeukla bestätigt worden. Und zwar aus ganz

einfachem Grund: auf Kalif sollte es spuken. Vorlängerer Zeit waren einmal mutierte Maahks auf deinPlaneten gelandet, als der grüne Schirm noch nichtbestand und eine Landung unmöglich machte. Eineinziger nur war zurückgekehrt. Die anderen, soberichtete er später völlig verwirrt, wären vor seinenAugen verschwunden, als sie über eine Ebeneschritten, auf der es keine Verstecke geben konnte.

„So ein Quatsch - einfach verschwinden“, maulteGucky, als Redhorse eine diesbezügliche Bemerkungmachte. „Der Maahk wird zuviel getrunken haben.“

„Es war noch verrückter“, berichtete Redhorseweiter, der bei dem Gespräch mit Beukla zugegengewesen war. „Sie verschwanden nicht etwa einfach,sondern gewissermaßen ratenweise. Sie wurdenStück für Stück verschluckt, heißt es in derÜberlieferung. Zuerst der Kopf, dann der Leib, undschließlich zu guter Letzt die Füße.“

„Lieber Himmel, und da glauben die Maahksgleich an Geister?“ Gucky schüttelte empört denKopf. „Das ist eben eine Falle der Inselmeister. EinLichtbrechungsfeld oder so was. Es machtunsichtbar. Eine einfachere Erklärung gibt es wohlkaum.“

„Eben“, bestätigte Redhorse sarkastisch. „Zueinfach! Die Verschwundenen kehrten nämlich nichtmehr zurück. Sie blieben verschwunden.“

„Allerdings merkwürdig“ gab Gucky zu. „Hast duauch zufällig eine, Ahnung, wo ungefähr auf Kalifsich dieses Wunder vollzog?“

„Du willst da mal nachsehen, nehme ich an.“„Erraten, roter Bruder. Denn wo so eine raffinierte

Falle angelegt wurde, kann die Schaltstation auchnicht mehr weit sein.“

„Da hast du recht. Warte, ich nehme Verbindungzu Rhodan auf. Er sollte mir die genauenKoordinaten angeben können ...“

Gucky rutschte aus dem Sessel und schlendertezum Ersten Offizier, der die C-5 manuell steuerte.

„Unangenehmer Planet, Leutnant, nicht wahr?“tränte Gucky leutselig.

„Sehr unangenehm“, bestätigte Hope Schwag undsetzte dann noch hinzu: „Sir.“

Gucky wurde sofort um ein paar Zentimetergrößer, aber obwohl der Leutnant saß, mußte er nochimmer ein wenig zu ihm aufsehen. Er las in seinenGedanken. Nein, das „Sir“ war kein Spott. Hopemeinte es ehrlich. Er war ein heimlicher Bewundererdes Mausbibers.

„Sie sind ein tüchtiger Offizier“, sagte Gucky, umdem anderen eine Freude zu machen. „Sie werden esschaffen. Gleich erhalten Sie die Koordinaten von derCREST. Setzen Sie dann die Geschwindigkeit herab,sobald wir uns dem Ziel nähern. gönnte sein, daß dortetwas passiert.“ „Was soll passieren, Sir?“ Guckywuchs abermals um einen Zentimeter, aber mehr war

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nun nicht mehr möglich.„Ein Energiefeld, das unsichtbar macht - nehmen

wir wenigstens an. Immerhin kamen die Maahksnicht mehr daraus hervor. Wir aber wollen es. Alsosind wir vorsichtig. Aber da Sie an den Kontrollensitzen, kann uns nicht viel passieren.“

„Ich werde meine Pflicht erfüllen, so gut es geht.Captain Redhorse ist ein tüchtiger Mann. Ich habeviel von ihm gelernt. Sie können sich auf michverlassen, Sir.“

Als Gucky davonstelzte, bemerkte Tronarbeiläufig:

„Du gehst, als hättest du einen Stock verschluckt.Hast du vielleicht Rückenschmerzen?“

Gucky war nun wieder einen Meter groß, keinenZentimeter mehr.

„Unsinn! Ich habe mich gestreckt. Die ewigeSitzerei geht mir auf die Bandscheiben. Ich bin eineKämpfernatur, kein Stubenhocker.“

„Aha“, machte Tronar, grinste und sagte nichtsmehr.

Kalif bot nicht viel Abwechslung. Die eintönigeLandschaft bot immer wieder das gleiche Bild -felsige Ebenen und Plateaus, breite Täler undschroffe Gebirge mit scharfen Graten. An manchenStellen wirkte die Oberfläche so, als sei sieabgeschnitten worden.

Die C-5 folgte der Oberflächenformation und hieltsich fast immer in gleicher Höhe. Alle sechzigSekunden fragte jemand von der CREST an, ob manschon etwas entdeckt habe.

Gucky widmete sich der Beobachtung derBildschirme und versuchte, die Schaltstation alserster zu entdecken.

Die CREST meldete sich wieder: „Geben Sie einePositionsmeldung, C-5. Bleiben Sie ständig inVerbindung mit uns. Captain Redhorse der Chefmöchte Sie sprechen.“

Redhorse rutschte langsam aus seinem Sessel undging zu den Kontrollen. Er schaltete dieNebensprechanlage ein, um nicht in die Funkzentralegehen zu müssen.

„Hier spricht Captain Redhorse an Bord der C-5.Sir?“

„Rhodan hier. Sie müssen Kontakt halten, Captain.Melden Sie mir alles, was Ihnen verdächtig erscheint.Grek-1 hat uns gewarnt. Auf Kalif zu landen. Erbehauptet, das Bruchstück müsse voller Fallen undHindernisse sein. Haben Sie etwas bemerkt?“

„Bis jetzt noch nicht, Sir. Ein toterHimmelskörper. Nur Felsen und tiefe Schluchten.Gebirge, das ist alles. Kein Leben, keine Fallen.Leider bisher auch keine Schaltstation.“

„Sie ist vorhanden, Redhorse, verlassen Sie sichdarauf. Grek-1 hat es abermals bestätigt. Erbehauptet, sie müsse sich in der Nähe des

Schirmfeldprojektors befinden. Suchen Sie also dortnach.“

„Wir haben Kalif gleich einmal umrundet, Sir.“„Gut, dann fliegen Sie weiter. Aber halten Sie

Verbindung - und passen Sie auf sich auf.“„In Ordnung. Sie können sich darauf verlassen,

daß wir auf uns achtgeben, aber bisher besteht keinGrund zur Beunruhigung.“

„In dem Augenblick, in dem Sie das annehmen,sind Sie der Gefahr am nächsten. Grek-1 hatnochmals ausdrücklich vor Unachtsamkeit gewarnt.Er behauptet, es handele sich Um mehrdimensionaleFallen bisher unbekannter Art. Mit allen Mittelnsollte verhindert werden, daß sich Fremde derTransmitter bedienten. Allerdings ist der Transmitterseit tausend Jahren offiziell nicht mehr in Betrieb ...“

In der CREST hörte Rhodan plötzlich auf zusprechen.

Er fixierte das Mikrophon, als sei ihm ein Gedankegekommen. „Hallo, Redhorse?“ fragte er dann. KeineAntwort. „Captain Redhorse, antworten Sie! Was istlos?“ Funkstille. Rhodan wurde bleich. „DieVerbindung zur C-5 ist abgebrochen, Sir“, sagte derdiensthabende Offizier aus der Funkzentrale. „KeinPeilsignal mehr, nichts. Auch das Radarecho bleibtaus. Es ist, als gäbe es keine C-5 mehr.“ Rhodan hobdie Fäuste. „Als gäbe es sie nicht mehr ...“,wiederholte er.

Eine halbe Stunde lang versuchten sie, erneutFunkverbindung mit der Kaulquappe zu bekommen,aber es war vergeblich.

Redhorse und die Besatzung der C-5 meldeten sichnicht mehr. Sie waren spurlos verschwunden. DieCREST und die übrigen Schiffe blieben im Raum.Sie umkreisten Kalif und ließen die zerklüfteteOberfläche nicht eine Sekunde ohne Beobachtung.

Die Orterschirme traten in Tätigkeit, aber sieentdeckten nicht die geringste Spur der C-5.

Es war, wie der Funkoffizier gesagt hatte:„... als gäbe es keine C-5 mehr ...“ Gab es sie

wirklich nicht mehr?

4.

Gucky betrachtete die Bildschirme der C-5, die ingeringer Höhe über ein hochgelegenes Plateauhinwegzog. Der Boden war auffällig eben. Dieüblichen Schluchten fehlten hier völlig, und einmalwar es Gucky sogar, als hätte er eine etwas zuregelmäßig geformte Felsenbarriere entdeckt. Siehatte die Umrisse eines riesigen Hufeisens, und dieC-5 flog genau in den Bogen hinein.

Im Lautsprecher war Rhodans Stimme. Erunterhielt sich mit Redhorse.

Gucky sah, wie das Hufeisen heranglitt. Es erhobsich knapp fünfzig Meter über das Plateau. Tronar

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war aufgestanden. Er stand dicht neben Gucky.„Energieimpulse“, flüsterte er kaum hörbar.

Rhodan sagte gerade: „ ... sind Sie der Gefahr amnächsten. Grek-1 hat nochmals ausdrücklich vorUnachtsamkeit gewarnt. Er behauptet, es handelesich um mehrdimensionale Fallen bisher unbekannterArt, Mit allen Mitteln sollte verhindert werden ...“

Gucky tauchte unter Tronars Armen hinweg undrannte zu Hope Schwag, der vor den Kontrollen saß.Redhorse drehte sich um, aber er hörte weiter zu, wasRhodan ihm zu sagen hatte. Die Bildschirmeverrieten keine Gefahr.

„Kurs ändern!“ befahl Gucky dem Ersten Offizier.„Schnell!“

Hope Schwag zögerte und schaute Redhorsefragend an. Er zögerte eine Sekunde zu lange. DerKugelraumer überquerte das hufeisenförmigeGebirge.

Die Bildschirme wurden dunkel, dann schwarz.Das Schiff schien plötzlich haltlos in die Tiefe zu

stürzen. Redhorse sprang auf und lief zumKontrollstand. Er sah, daß sich die Gravitation vonKalif von einer Sekunde zur anderen verzehnfachthatte. Sie riß die C-5 zur Oberfläche hinab.

„Neutralisator einschalten!“ rief Redhorse.Leutnant Schwag gehorchte sofort. Der Andruckverriet, daß der Fall gebremst wurde, dann glichensich die Schwerefelder den neuen Verhältnissen an.Die Bildschirme zeigten wieder etwas Licht, abernoch formten sich keine erkennbaren Eindrücke aufihnen. Bunte Linien wirbelten über sie hinweg.Einmal erkannte Tronar, der wie gebannt auf sie sah,Stahltürme.,

„Der Höhenmesser ...“, sagte Schwag verblüfft.„Er zeigt Null an.“

Ein Ruck ging durch das Schiff. Der Antriebschaltete sich automatisch aus, als die LandestützenBodenkontakt erhielten. Die bunten Linien auf denBildschirmen gruppierten sich endlich. Es wurde hell.Eine Landschaft entstand aus dem Nichts. Einephantastische Landschaft ... „Wo sind wir?“ keuchteRakal, der sich nicht von der Stelle bewegt hatte undwie sein Bruder nach Energieimpulsen forschte. „Wirbefinden uns in einem Netz geordneter Kraftfelder,die nach allen Richtungen fließen. Es gibtEnergieströme, die drahtlos von Generatoren zuEmpfangsstationen eilen. Das ist nicht mehr der totePlanetoid Kalif ...“ Die Bildschirme bestätigten das.Redhorse rannte wie gehetzt zum Funkgerät. Er riefdie CREST, aber er bekam keine Antwort. Dafürkamen aus dem Lautsprecher tausend unbekannteGeräusche und ein Kauderwelsch, das niemandverstand.

Gucky, Tronar, Rakal und Hope sahen auf dieBildschirme.

Die C-5 war auf einem riesigen Feld gelandet, das

von niedrigen Hügeln umgeben war. Im Ostenerhoben sich bizarre Rundtürme bis hinein in diegrünen Wolkenschwaden derWasserstoff-Ammoniak-Atmosphäre. Hochstraßenverbanden die Gebäude und führten auf Stelzbrückenüber Felder und Parkanlagen hinweg. Eine senktesich in ihre Richtung und verschmolz mit demBetonboden des Raumfeldes, auf dem sie standen.Mehrere Raumschiffe waren zu sehen. Sie hatten dieFormen von Walzen und waren nicht sehr groß. IhreFarbe war schwarz.

Im Norden und Süden erstreckte sich ebenfalls dieStadt. In der Luft bewegten sich kleine,tropfenförmige Flugzeuge mit ungeheurerGeschwindigkeit dahin, und auf den Straßen floßreger Verkehr.

Niemand kümmerte sich um die C-5.„Ich glaube, ich bin verrückt geworden“, sagte

Gucky fassungslos. „Das kann es doch einfach nichtgeben! Kalif ist unbewohnt - haben wir das nichteinwandfrei festgestellt? Wie kommt es dann, daßwir nun auf dem Raumfeld bei einer Stadt gelandetsind, die überhaupt nicht existiert?“

Niemand gab ihm Antwort. Redhorse kam zu denBildschirmen.,

„Die CREST schweigt. Wir empfangen eineMenge Radiosendungen, aber sie stammen nicht vonder CREST oder der Flotte. Es ist, als wären wir mitdem Schiff von einem Planeten zum anderenteleportiert.“ Er deutete auf die Schirme. „Das gibt esauf Kalif nicht, bestimmt nicht!“

„Da vorn kommt jemand“, sagte Tronar und nicktein Richtung des Frontalschirms. „Sieht aber nichtnach einem freundlichen Empfang aus.“

Eine ganze Reihe gepanzerter Fahrzeuge rollte aufdas Landefeld, formierte sich und kam langsamnäher. In der Luft jagten kleine Raketenflugzeuge inStaffelformation dahin.

„Die schalten aber schnell“, rief Gucky und sahRedhorse an. „Dicke Luft, würde ich sagen.Verschwinden wir?“

„Unser Schutzschirm kann jeden Angriff zwarabwehren, aber vielleicht lassen wir es besser nichtdarauf ankommen. Vielleicht brauchen wir die Leutehier noch, und da ist es besser, jedem Streit aus demWeg zu gehen. Vielleicht haben sie denFriedensappell ihres Beukla noch nicht vernommen,so unwahrscheinlich das auch klingen mag.“

„Eine ganze Menge vielleicht auf einen Haufen“,bemängelte Gucky und schloß: „Also Flucht! Hope,walten Sie Ihres Amtes. Ab in ruhigere Gegenden.“

Der Erste Offizier wartete die Bestätigung seinesCaptains erst gar nicht ab, sondern griff in dieKontrollen. Das gleichmäßige Brummen des Antriebswirkte beruhigend. Die Antischwerkraftfelder imSchiff hatten sich den Verhältnissen angepaßt. Es

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herrschte normale Gravitation.Langsam erhob sich die C-5 und stieg in die Höhe.

Einige nachgefeuerte Energieschüsse zerstrahltenwirkungslos am Schutzschirm.

„Es muß ein Gravitationsprojektor irgendwo in denFelsen sein“, vermutete Rakal unsicher. „Anders istdie verzehnfachte Schwerkraft nicht zu erklären.Außerdem gibt es soviel Energieimpulse ...“

Das Raumfeld und die Stadt versanken in derTiefe. Erst Jetzt wurde das riesige Ausmaß derbebauten Fläche sichtbar, und die Tatsache, daß mandie Stadt nicht früher entdeckt hatte, wurde dafür umso rätselhafter. Redhorse äußerte den Verdacht, daßalles vielleicht unter einer Art energetischerTarnkappe gelegen habe.

„Unmöglich“, sagte Tronar. „Rakal und ich hättendie Energieimpulse aufspüren müssen. Zumindest dieImpulse der Tarnkappe. Nein, es gibt keine Erklärungfür das Phänomen. Keine einzige.“

Aber wenige Minuten später, als sie immer höherstiegen, wartete eine weitere Überraschung auf sie.Und ein Teil der Erklärung.

Vorher waren die Horizonte nach allen Seitenschnell abgefallen, denn Kalif s Durchmesser warnoch geringer als der des irdischen Mondes. Abernun breitete sich nach allen Seiten eine flacheLandschaft aus, deren Horizont in unendlich weiterFerne zu liegen schien. Dazu die große Schwerkraft,die riesige Stadt, der Raumhafen, die Schiffe, dieRadiosendungen in fremder Sprache ... Das alles ließnur einen Schluß zu. Redhorse sprach ihn aus:

„Das ist nicht der Planetoid Kalif, wie wir ihnkennen. Das ist ein anderer Planet. Und er ist so groß,daß er unmöglich im Schrotschußsystem sein kann.Wenn die Instrumente nicht lügen, hat er mindestenseinen Durchmesser von dreißigtausend Kilometer.Vielleicht stimmt das mit der Teleportation doch.Mehr Materietransmission. Das Hufeisengebirge warein Materietransmitter.“

„Roter Bruder“, sagte Gucky feierlich und mitbesorgter Miene, „nun geht die Phantasie mit dirdurch. Wohin sollte man uns denn befördert haben?Und warum? Wenn wir schon als unerwünschte,Eindringlinge beseitigt werden sollten, dann hätteman uns ein paar hunderttausend Lichtjahre weit inden großen Abgrund geschleudert und dortverhungern lassen. Aber wir stehen über einer Stadt.Unten gibt es eine gewaltige Zivilisation. Hierverhungern wir nicht. Wenigstens nicht so schnell.“

„Hast du eine bessere Idee?“ erkundigte sichRedhorse.

Guckys Gesicht blieb ausdruckslos.„Ganz hinten in der letzten Ecke meines Gehirns

beginnt sich eine zu bilden, aber ich werde michhüten, sie laut werden zu lassen. Erst muß ich ganzsicher sein - und das kann nicht mehr lange dauern.

Wir müssen Verbindung mit den Leuten da untenaufnehmen.“ Tronar sagte plötzlich: „Das mit demMaterietransmitter kann nicht stimmen. Wir sindimmer noch im selben System wie vorher. Oderglaubt jemand, es gäbe noch einmal so zwei roteRiesensonnen, die nur fünf Millionen Kilometervoneinander entfernt sind?“

Die Sonnen gingen am Horizont auf. Es konntekein Zweifel daran bestehen, daß es die beidenZentralgestirne des Schrotschußsystems waren. Unterder C-5 lag die riesige Stadt der Fremden imkünstlichen Licht. Die Sonnenstrahlen erreichten sienoch nicht.

„Das wird ja immer rätselhafter“, erklärteRedhorse und sah Gucky fragend an. „Was ist mitdeiner Idee?“

„Wenn die beiden Sonnen stimmen, so paßt das zuihr. Allmählich bekomme ich Angst, Don.“ „Angst?Wovor?“ „Vor dem, was ich ahne. Es istphantastisch, irrsinnig ... Aber bisher stimmen alleBegleitumstände. Sollte es den Meistern der Inseldenn tatsächlich möglich sein ...?“ Er schüttelte sich.„Wir müssen landen, Don. Wir müssen mit denLeuten sprechen. Wir haben Übersetzergeräte anBord.“

„Einverstanden, aber ich schlage vor, wirversuchen es nicht bei der Stadt. Wir landen imGebirge, hundert Kilometer von der Stadt entfernt.Wenn sie etwas von uns wollen, werden sie schonkommen.“

Mit dem Planwaren alle einverstanden.Es herrschte eine hochgespannte Atmosphäre, als

die C-5 tiefer ging und langsam in geringer Höheüber den Gebirgskamm hinwegstrich, um nach einergeeigneten Landestelle zu suchen. Sie sollte soliegen, daß man die fernen Umrisse der Stadt nocherkennen konnte. Die strahlende Lichtkuppel mußtebis zu zweihundert Kilometer Entfernung sichtbarsein.

Sie entdeckten einen Talkessel, der nach dreiSeiten von steilen Felsen eingeschlossen wurde. Dieoffene Seite zeigte in Richtung der Stadt. Ein Angriffwar hier nur von der vierten Seite oder von oben hermöglich.

„Und jetzt versuchen wir, Funkverbindungaufzunehmen“, sagte Gucky, der seine Unruhe kaumnoch unterdrücken konnte. „Wenn wir dieTranslatoren Zwischenschalten, sollte es gehen. Ichwerde das übernehmen. Wer hat Funkdienst?“

„Sergeant Inghar“, klärte Redhorse ihn auf. „Er istzugleich für die Ortergeräte verantwortlich. Frage ihngleich, ob er keine Spur von der CREST entdeckthat“

„Das wird, wenn meine Theorie stimmt,unmöglich sein“, orakelte Gucky und verschwand inder Funkzentrale. Er verschloß die Tür nicht, so daß

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er sehen und hören konnte, was in derKommandozentrale geschah.

Sergeant Inghars breiter Rücken verdeckte einenTeil der Funkanlage. Im ersten Augenblick erinnerteer an Bullys breites Kreuz, aber als der Sergeant sichumdrehte und Gucky. sein Gesicht sah, war derMausbiber so verblüfft, daß es ihm für Sekunden dieSprache verschlug.

Sergeant Inghar, von Statur groß und kräftig, hattedas zarte Gesicht einer Frau. Die roten Pausbackenerinnerten an die eines gesunden Kindes. In densanften Augen strahlte Freude auf, als sie erkannten,wer da zu Besuch gekommen war.

„Leutnant Guck - welche Freude und Ehre.“Gucky war gerührt. Soviel ehrliche Zuneigung

machte ihn ganz schwach und verlegen. Schnellsprang er zu dem Sergeanten und drückte ihn in denSessel zurück.

„Bleiben Sie sitzen, Sergeant. Sie und ich, wirwerden jetzt gut zusammenarbeiten müssen, und vondem Erfolg unserer Bemühungen wird vielleicht allesabhängen. Schalten Sie einen Translator zwischenSender und Empfänger. Wir wollen versuchen,Verbindung mit den Fremden aufzunehmen. Wennmich nicht alles täuscht, sind es Maahks.“

„Würde mich nicht wundern, Sir.“ „Lassen Sie dasSir, Inghar. Meine Freunde nennen mich einfachGucky.“

„Danke“, hauchte Inghar ergriffen. „Noch etwas“,sagte Gucky. „Haben die Orterschirme keine Spurvon der CREST oder den anderen Schiffenaufgezeigt?“

„Nein, Gucky. Ich habe, als wir vor den Fremdenflohen und sehr hoch stiegen, den Weltraumabgesucht. Nichts! Kein Schiff. Überhaupt nichts.Auf den Orterschirmen erschien kein einziger Fleck.“

Gucky stand plötzlich ganz still neben IngharsSessel. „Nichts?“ vergewisserte er sich. „Nein, keinFleck. Der Raum ist völlig leer.“ Gucky holte tiefLuft. „Also auch keine Asteroiden, Kleinplaneten,Trümmerstücke?“ „Auch das nicht.“ „Nur die beidenSonnen und der Riesenplanet?“

Diesmal nickte Sergeant Inghar nur. Die rotenBacken verschwanden plötzlich. Inghar lächelte nichtmehr. Er wurde totenblaß. Erst Jetzt schien er zubegreifen, was seine Feststellung zu bedeuten hatte.Für Gucky waren sie nur die Bestätigung seinerTheorie. Der Verdacht, in die vollkommenste allerFallen der Meister der Insel geraten zu sein,bestätigte sich immer mehr.

Inghar hatte mit zittrigen Händen dasÜbersetzergerät angeschlossen. Don Redhorse kam indie Funkzentrale. Die C-5 war sicher gelandet. DerEnergieschirm schloß das Tal von der Außenwelt ab.

Aus dem Lautsprecher kamen erste Wortfetzen. Eshandelte sich um Nachrichten allgemeiner Art.

Irgendwo war ein Gravitationsfahrzeug abgestürztund die Suche danach war bisher vergeblichgewesen. In der Stadt fand eine Veranstaltung statt,zu deren Besuch eingeladen wurde. Dann war dieRede von Verteidigungsmaßnahmen, aus denenallerdings nicht hervorging, gegen wen sich dieBewohner des Riesenplaneten verteidigen wollten.Und schließlich kam die Meldung, auf die siegewartet hatten.

Der Sprecher berichtete von dem plötzlichenAuftauchen eines fremden Schiffes, dessen Bauartvon allen bekannten abwiche. Es wurde betont, daßes nicht aus dem Transmitter gekommen sei, sondernüber der Stadt materialisierte, um dann sturzartig zulanden. Als sich ihm ein Untersuchungskommandonäherte, war es geflohen. Man hatte es inzwischen imGebirge aufgespürt und bereitete eine Expedition vor.Redhorse sagte:

„Wir müssen versuchen, Inghar, Verbindung mitihnen aufzunehmen, bevor sie einen Fehler begehen.Feindseligkeiten wollen wir vermeiden.“

„Warten wir damit“, schlug Gucky vor, „bis dieangekündigte Expedition hier erscheint. Sie werdenFunkgeräte mithaben und von sich aus eineKontaktaufnahme anstreben. Wir sind für sie Fremdeaus dem, Weltraum. Vergiß nicht die Bemerkung, diesie machten ... die mit dem Transmitter.“

Redhorse sah Gucky forschend an, dann nickte er.„Allmählich beginne ich auch etwas zu ahnen, aber

ich werde mich hüten, voreilige Schlüsse zu ziehen.Warten wir, bis man uns besucht.“

„Kann nicht mehr lange dauern. Kümmere dich umdie Verteidigung, ich werde mit Inghar versuchen,Kontakt aufzunehmen.“

Tronar und Rakal versicherten, es gäbe sovielEnergieströme, daß sie leicht nach allen Richtungenreisen könnten. Es mußte sich demnach um einensehr zivilisierten und reich bewohnten Planetenhandeln. Allerdings, so schränkten sie ein, gab esauch Energien, deren Ursprung nicht auszumachenwar.

Wenig später erschienen auf den Bildschirmen dieVorläufer der zu erwartenden Streitkräfte. Es warenkleine und wendige Flugmaschinen in Torpedoform,die in der tiefer gelegenen Ebene landeten, ohneetwas zu unternehmen. Kurze Zeit darauf senktensich drei Hornissen vom Himmel herab und setztenneben der Vorhut auf.

„Na, endlich ein Hinweis“, freute sich Tronar.„Die Hornissen kennen wir ja. Haben wir nichtFrieden mit ihnen geschlossen?“

„Noch nicht“, hielt Gucky ihm entgegen. „Nochnicht!“

Sergeant Inghar bemühte sich indessen,Funkverbindung mit dem aufmarschierenden Gegnerzu erhalten. Seine Backen hatten sich wieder gerötet.

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Er sah wieder gesund und fröhlich aus. Gucky hockteneben ihm.

„Sie müssen doch den gleichen Gedanken habenwie wir“, meckerte er. „Vielleicht versuchen sie esauf einer anderen Welle.“

„Vielleicht wäre es besser, wenn wir beginnenwürden“, schlug Inghar schüchtern vor. „Zeigen wirihnen, daß wir in friedlicher Absicht kommen.Vielleicht können sie uns helfen.“

„Das wohl kaum“, befürchtete Gucky mit einigemGrund. „Denn wenn sie uns helfen könnten, wäreihnen auch geholfen. Wir stecken alle in derselbenKlemme.“ „Verstehe ich nicht ...“ „Ich auch nicht sorichtig“, gab Gucky schnell zu, um das Themaabzubrechen. Es gab jetzt andere Probleme. „Da ...hören Sie? Schalten Sie lauter! Das gilt doch uns,oder nicht?“

Inghar drehte an einigen Knöpfen, und die Stimmeaus dem Lautsprecher wurde deutlicher. Sie war nichtgut zu verstehen, denn der Translator mußte ganzeWorte auslassen, anders waren die Pausen nicht zuerklären. Vielleicht war er beschädigt.

Immerhin war der Rest eindeutig genug. Diefremde Stimme sagte: „... ohne Benutzung desTransmitters oder Erlaubnis der Meister. Wir müssenSie ... auffordern, den Schutzschirm ... damit eineUntersuchung durch unsere Kommission ermöglichtwird. Verstehen Sie uns-... ein Zeichen geben. UnsereStationen sind laufend auf Empfang ...Übersetzergeräte auf positronischer Arbeitsbasis ...fremde Galaxis ...“

Redhorse nahm das Mikrophon. Inghar schalteteauf Senden.

„Hier spricht Captain Don Redhorse, HeimatweltTerra. Unser Erscheinen hier beruht auf einemMißverständnis, an dem nicht wir die Schuld tragen.Wir haben keine feindlichen Absichten. Wenn Siezur Rasse der mutierten Maahks gehören, so istzwischen Ihnen und uns Friede. Wir haben einenentsprechenden Vertrag mit Ihrem KommandantenBeukla abgeschlossen. Wir sind bereit, eineAbordnung von Ihnen an Bord unseres Schiffes zulassen. Antworten Sie, bitte.“

Mehrmals hatte Gucky versucht, Redhorse zuunterbrechen. Dann gab er es auf. Es spielte nun auchkeine Rolle mehr. Redhorse würde noch früh genugmerken, was passiert war.

Die Antwort der Maahks kam wenige Minutenspäter, diesmal besser verständlich:

„Sie sprechen in Rätseln. Es gibt keine mutiertenMaahks. Wir sind die Maahks, die Wächter desTransmitters. Wir haben weder jemals von Terranoch von einem Kommandanten Beukla gehört. Dasmuß ein Mißverständnis sein. Wenn Sie nicht denSonnentransmitter benutzten, wie kamen Sie dennhierher? Es gibt sonst keine Möglichkeit, die

gewaltigen Entfernungen zu überbrücken.“Redhorse sah Gucky fragend an. Der Mausbiber

hob die Schultern.Sergeant Inghar beschäftigte sich mit den

Orterschirmen. Er zuckte plötzlich zusammen. Mitzitternden Fingern deutete er auf die Schirme.

„Da ... was ist das? Ortungen ... Tausende vonihnen ...“

Gucky sprang vor. Eine jähe Hoffnung ergriff vonihm Besitz. Wenn es Tausende von Ortungen gab,konnte es sich nur um die Asteroiden handeln, umden Trümmergürtel des Schrotschußsystems. Dannbewahrheitete sich seine verrückte Befürchtung nicht.Dann war alles nur eine vage Vermutung gewesen,und sie konnten ... Aber der Riesenplanet blieb. Dienicht mutierten Maahks blieben.

Die Wächter des Transmitters blieben.„Sie bewegen sich auf uns zu“, rief Inghar.

„Kursänderungen, beweisen, daß es sich umRaumschiffe handelt.“ Also keine Asteroiden!Guckys Nackenfell sträubte sich, als er mit einemSatz zu Redhorse sprang.

„Schalte auf Senden - schnell!“ Redhorsegehorchte, ohne eine Sekunde zu zögern. Gucky riefschrill ins Mikrophon: „Achtung, Maahks! Verteidigteuch, so gut es geht. Wehrt euch, denn die Meisterder Insel haben euren Untergang beschlossen. Wehrteuch, wir werden euch dabei helfen! Fragt jetzt nicht,denn dazu ist keine Zeit! Tausende von Schiffengreifen euch an!“

Inghar rief vom Orter her: „Die fremden Objektenähern sich mit hoher Geschwindigkeit. Sie habensich in Staffelformation aufgeteilt. Eine davon istbereits unter dem Horizont verschwunden. Zweinähern sich weiter der Stadt.“

Redhorse wartete vergeblich auf eine Antwort ausdem Lautsprecher. Die Expedition der Maahks schienschnell begriffen zu haben, was geschehen war. DieHornissen und Flugwagen starteten und flogen ingeringer Höhe zur Stadt zurück.

Sie kamen gerade zurecht, um in den erstenAtomexplosionen zu verdampfen. Minuten späterverwandelte sich die Stadt in eine Gluthölle.

Redhorse schaltete den Empfänger aus. Er kam zuGucky und sah auf die Orterschirme. Tronar undRakal standen in der Tür zur Zentrale. Inghar warwieder blaß geworden. Leutnant Hope Schwag saß inseinem Kontrollsessel, halb umgedreht und ebenfallsbleich. Redhorse sagte:

„Gucky, deine Idee, eine Theorie ...? Hat sie sichinzwischen bestätigt?“ Gucky nickte nur. „Und ...?Willst du uns nicht mitteilen ...?“ Wieder nickteGucky. Er schwieg.

„Ist es ... hat es etwas mit Zeit zu tun?“ fragteRedhorse heiser.

Gucky sprang in den nächsten Sessel.

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„Ja, eine ganze Menge“, bequemte er sich endlichzu sagen. „Um genau zu sein - tausend Jahre! Wirsind über Kalif in ein Zeitfeld geraten, wohl dieschlimmste Falle der Meister der Insel. EinZeitversetzfeld. Einseitig allerdings, denn eineRückkehr ist normal nicht möglich. Es müssentausend Jahre her sein, denn vor wenigen Minutenbegann die Strafaktion der Meister gegen dieMaahks. Heute, morgen oder übermorgen wird dieserPlanet zerplatzen und der Asteroidengürtelentstehen.“ Redhorse nickte langsam. „Ich hatte esmir gedacht, wagte aber nicht, an eine solcheMöglichkeit zu glauben. Eine Zeitfalle! Gibt eswirklich keine Rückkehr?“

„Nur dann, wenn jemand in tausend Jahren dasZeitfeld findet und abschaltet ...“

Über der fernen Stadt standen flammendeAtomsonnen. Der Weltuntergang bereitete sich vor.Gucky rutschte aus dem Sessel. „Allmählich nimmtalles Gestalt an“, sagte er. „Ich werde jetzt dafürsorgen müssen, daß eine Legende wahr wird. Bleibthier und wartet auf mich. Ich bin zurück, sobaldmeine Aufgabe erledigt ist.“

„Welche Aufgabe?“ fragte Redhorse besorgt.Gucky regte sich. „Ich bin der Überall-zugleich-Töter... erinnert ihr euch? Es gibt keine Sage, die nichteinen sehr realen Ursprung hätte.“ „Sei vorsichtig!“bat Redhorse.

„Wenn du Pech hast, erwischt es dich irgendwo,irgendwann ...“

„Nein!“ Gucky konzentrierte sich auf denTeleportersprung. „Nein. Denn die Sage der Maahksberichtet nichts über meinen Tod. Ich verschwandmit dem Schiff, mit dem ich kam. Also mit euch. Bisspäter, Freunde ...“

Zwei Sekunden später war er verschwunden.

5.

Gucky hätte selbst nicht zu sagen vermocht,warum er etwas völlig Sinnloses tat. Er handelte wieaus einem inneren Drang heraus. Er mußte es einfachtun, obwohl er wußte, daß er damit den Ausgang desfurchtbaren Konfliktes zwischen Maahks undMeistern der Insel nicht beeinflußte.

Um tausend Jahre hatte die Zeitfalle sie in dieVergangenheit zurückgeschleudert. Wenn Guckyauch sein eigenes Alter nicht so genau kannte, sowußte er doch genau, daß er vor tausend Jahren nochnicht gelebt hatte. Die Gefahr, sich selbst zubegegnen, bestand also nicht.

Gucky war in Richtung der Stadt teleportiert, aberer hütete sich, ihr zu nahe zu kommen. EinFeuermeer breitete sich vor ihm aus. Ab und zugelang es noch einem kleinen, schwarzen Schiff, imletzten Augenblick zu starten und der sicheren

Vernichtung zu entgehen. Aus dem Raum zwischenden beiden roten Sonnen stießen immer wieder neueFormationen der riesigen, schwarzen Schiffe hervor,die den Meistern der Insel gehörten. Jedes dieserSchiffe war von einem grünen Energieschirmeingehüllt und somit unangreifbar. Gucky wußte, daßhier seiner Fähigkeit die Grenze gesetzt war. Durchden grünen Schirm hindurch konnte er nichtteleportieren.

Die schwarzen Riesenschiffe machten Jagd auf diekleinen, tapferen Hornissen, die sich ihnenentgegenzustellen wagten. Es war nur zu natürlich,daß Guckys Sympathie den Unterlegenen galt.

Eine Hornisse strich dicht über die Felsen dahin,als suche sie nach einem Versteck. Gucky bedauerte,keinen tragbaren Translator dabei zu haben, aber mitHilfe einseitiger Telepathie ließ sich schon etwaserreichen.

Er teleportierte in die Hornisse. Es war der gleicheTyp, mit denen die mutierten Maahks tausend Jahrespäter die CREST angriffen. Angreifen würden ...oder bereits angegriffen hatten ...? Gucky zerbrachsich nicht den Kopf über Zeitparadoxa.

Er materialisierte in der kleinenKommandozentrale des Schiffes.

Mit Maahks hatte er inzwischen seine Erfahrungengesammelt. Er wußte, daß sie mit Vorsicht zugenießen waren, aber er wußte auch, daß sie nieübereilt handelten und daß man sie mit Logiküberzeugen konnte.

An den Kontrollen saß ein riesiger Maahk miteinem besonders schönen Sichelkopf. Er riß alle vierAugen erschrocken auf, als er das fremdartige Wesenmitten im Raum materialisieren sah. Seine instinktiveHandbewegung zur Waffe unterblieb. Gucky warebenfalls bewaffnet, aber das allein war es nicht, wasden Maahk vorsichtig sein ließ. Er erkannte sofort andem leichten Flimmern, daß der Mausbiber voneinem Energieschirm eingehüllt war, der ihn vorjedem Angriff schützte.

„Sehr vernünftig“, lobte Gucky und überzeugtesich davon, daß die anderen Maahks ebensoreagierten wie ihr Kommandant. „Ich trage einenSpezialanzug, mit dem man Energieschirmeerzeugen, fliegen und sich sogar unsichtbar machenkann. Zu dumm, daß du mich nicht verstehen kannst,aber ich werde dir klarmachen, daß ich euer Freundbin. Dort ... siehst du das Schiff der Meister, oderwen immer die Meister auch in ihre Schiffe stecken?Eine gute Gelegenheit ... aber du mußt aufpassen,was geschieht ...“

Der Pilot einer Hornisse orientierte sich nicht nurnach den Bildschirmen sondern auch nach direkterSicht. Über den Kontrollpulten befand sich eine sehrbreite aber relativ schmale Sichtluke. Sie gestatteteeinen umfassenden Breitwinkelblick in Flugrichtung.

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Es war Gucky durchaus möglich, durch diese Lukehindurch seine telekinetischen Fähigkeiteneinzusetzen, wenn der Erfolg auch nur ein sehrgeringer sein konnte, weil die Masse eines Schiffeszu groß für seine Kräfte war.

Ziemlich tief kam ein mittleres Schiff der Meisterder Insel herangeflogen. Die Hitzestrahler bestrichendie nackten Felsen und ließen sie verdampfen. Jetzthob sich der Bug des Schiffes, das die Form einerWalze hatte und zweihundert Meter lang war. Esnahm Kurs auf die Hornisse.

Gucky trat ganz nahe an die Sichtluke heran, vonden Maahks aufmerksam beobachtet. Sie schienen zuahnen, daß er ihnen helfen wollte. Für einenAugenblick spielte Gucky mit dem Gedanken, ihreGehirnkapazität für seine Zwecke auszunützen undseine telekinetische Strahlung zu verstärken, aberdann beschloß er doch, es so zu versuchen. Er wußte,wie aussichtslos es war, das feindliche Schiff mittenim Flug zu stoppen, aber er wußte, daß er durchaus inder Lage war, den Kurs geringfügig zu verändern. Imfreien Weltraum spielte das für den Gegner keineRolle, wohl aber hier so dicht über der Oberflächeeines Planeten.

Er konzentrierte sich auf den Gegner, der mitgeringer Geschwindigkeit auf sie zuflog.

Gucky packte telekinetisch zu, wobei er die Armehob, um die dramatische Wirkung seiner Vorstellungnoch zu erhöhen.

In dieser Sekunde wurde derÜberall-zugleich-Töter geboren.

Das schwarze Schiff flog vorerst unbeirrt weiter.Jede Sekunde konnte es das vernichtende Feuereröffnen. Schon fürchtete Gucky, daß er sich undseine Fähigkeiten doch ein wenig überschätzt hätte,da bemerkte er, daß der Gegner fast unmerklich vonseinem bisherigen Kurs abwich und eine neueRichtung einschlug, die alles andere als ungefährlichwar. Innerlich begann Gucky zu schwitzen. Soschwer hatte er es sich doch nicht vorgestellt. Nochzehn Sekunden, vielleicht konnte er sich derartkonzentrieren, aber dann war es vorbei damit.

Zehn Sekunden konnte er das andere Schiff halten... mehr nicht.

Zum Glück reichten die zehn Sekunden aus.Die geringfügige Kursabweichung genügte, das

schwarze Schiff gegen einen Berggipfel prallen zulassen. Im gleichen Augenblick eröffnete es dasFeuer. Aber sinnlos irrten die grellen Hitzestrahlenumher und trafen kein Ziel mehr. Das Schiff rutschteseitlich an den Felsen vorbei und begann in die Tiefeabzugleiten.

Gucky hatte es schon längst losgelassen, denn erhätte nun nicht mehr die Kraft gehabt, noch eineSekunde länger auszuhalten.

Das Schiff schlug weiter unten auf. Eine furchtbare

Explosion erfolgte und riß es auseinander. Der Restverdampfte in einer strahlenden Wolke. Gucky ließdie Arme sinken. Die Maahks betrachteten ihn lange,ehe sie sich vor ihm verneigten.

Gucky nutzte die Gelegenheit. Er deutete auf dieFunkeinrichtung und dann auf sich. DerKommandant der Maahks begriff, was Gucky damitsagen wollte. Er schaltete die Anlage ein undberichtete seinen Kollegen von den anderenHornissen, daß ein kleines Wesen aufgetaucht sei,das über seltsame und unheimliche Fähigkeitenverfüge und mit den Maahks gegen die Invasorenkämpfen wolle. Er bat alle Maahks, das kleine Wesenzu beschützen und ihm zu helfen, wo immer es auchauftauche. Und er gab ihm den Namen: derÜberall-zugleich-Töter.

Als er wieder aufsah, war Gucky verschwunden.Der Mausbiber, von der unvorstellbaren

Anstrengung sehr erschöpft, war in den Raumhinausteleportiert. Er schaltete das Triebwerk seinesAnzugs ein und schwebte hoch über der Oberflächedes Planeten. Die Hornisse flog ohne ihn weiter.

Nein, so hatte das nur wenig Sinn. Raumschiffemit Telekinese vom Kurs abzubringen - das gingvielleicht ein- oder auch zweimal, und auch dann nurim Notfall. Diesmal war es notwendig gewesen. DieMaahks wußten nun Bescheid, wer er war und aufwelcher Seite er stand. Künftig würden sie ihmhelfen. Da ließen sich andere und leichtere Methodenanwenden. Er fand auch bald heraus, welche. AlsGucky im nächsten Schiff der Maahksmaterialisierte, wurde er mit allen Anzeichen derFreude und Verehrung empfangen. Die Gedankendes Kommandanten verrieten ihm, daß man ihn, denUnbekannten, als eine Art Schutzgeist betrachtete.Das erleichterte ihm die Aufgabe.

Er hatte festgestellt, daß die schwarzen Angreiferin gewissen Zeitabständen ihre grünen Schutzschirmeausschalteten. Wahrscheinlich fraßen sie zuvielEnergie, so daß sich ihr Einschalten nur im direktenEinsatz und bei akuter Gefahr lohnte. Darauf bauteGucky seinen Plan auf.

Er machte dem Maahk klar, daß er sich in geringerHöhe und zwischen den Felsen aufhalten sollte. Alszwei gegnerische Schiffe gesichtet wurden, konnte erihn sogar dazu überreden, auf einem Hochplateauniederzugehen und zu landen.

Die Hornisse würde zur perfekten Falle. Guckywartete ab, was geschah.

Die schwarzen Raumschiffe hatten dieSchutzschirme ausgeschaltet. Sie strichen in geringerHöhe über das Gebirge dahin und sichteten promptdas gelandete Schiff der Maahks. Wahrend der eineGegner ruhig weiterflog, änderte der zweite seinenKurs und kam langsam näher.

Gucky war unterdessen nicht untätig geblieben.

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Nach drei Teleportersprüngen hatte er das Arsenalder Hornisse gefunden. Die kleinen Bomben warenähnlich konstruiert wie die der Terraner oderArkoniden. Sie besaßen an der Außenseite nur einengelben Knopf.

Er steckte sich die Taschen damit voll undTeleportierte in die Zentrale zurück. Mit einem Blicküberzeugte er sich davon, daß der Gegner noch einigeKilometer entfernt war. Vorsichtig nahm er eine derBomben aus der Tasche und hielt sie auf der flachausgestreckten Pfote dem Kommandanten hin. Dabeideutete er mit der anderen Hand auf den gelbenKnopf.

Die Gedanken des Kommandanten verrieten ihmalles, was er wissen wollte. Die Bomben warenatomare Sprengkörper. Drückte man den Knopfvöllig ein, dauerte es.. etwa fünfzehn Minuten, bis siedetonierte. Drückte man ihn jedoch nur bis zumersten Widerstand ein, detonierte die Bombe in einerZeiteinheit, die etwa zehn terranischen Sekundenentsprach.

Gucky atmete auf, als er das verstanden hatte. Nunwar der Rest nicht mehr schwer. Wenigstens nicht,solange die Gegner ihre Energieschirme nichteinschalteten.

Er visierte den Angreifer durch die Sichtluke anund Teleportierte. Irgendwo im Innern des fremdenSchiffes materialisierte er. Es. war ein dunkler,kleiner Raum. Das nahe Brummen verriet ihm, daßdie Antriebszentrale nicht weit entfernt war. Ob hieroder woanders, das würde keine Rolle mehr spielen.Es war egal, wo die Bombe detonierte. Er zog eineaus der Tasche, konzentrierte sich auf denRücksprung in die Hornisse, drückte den Knopf biszum ersten Widerstand ein - und sprang.

Er rematerialisierte nicht genau. Wahrscheinlichwar er zu aufgeregt gewesen. Als er wieder sehenkonnte, stand er fünfzig Meter neben der Hornisseauf dem felsigen Grund der Hochfläche. Er sah nachoben, fand aber nicht sofort das schwarze Schiff.Doch dann mußte er geblendet die Augen schließen,denn ein greller Feuerball entstand dort, wo er denAngreifer vermuten mußte.

Er wartete nicht mehr länger, sondern Teleportiertein die Zentrale der Hornisse. Der Kommandantbegriff sofort, was er zu tun hatte. Er schaltete denAntrieb ein, und in waghalsiger Fahrt raste das kleineSchiff in die Höhe, um sich vor dem zweitenAngreifer in Sicherheit zu bringen. Denn da konnteGucky nichts mehr machen. Das schwarze Schiffhatte die Vernichtung seines Gefährten gesehen undkehrte um. Diesmal mit eingeschaltetenSchutzschirmen.

Als Gucky die Hornisse in Sicherheit wußte,überlegte er, welche Kampfmethode die bessere war.Er kam zu dem Ergebnis, daß es nur auf die

Umstände ankam, unter denen der Einsatz erfolgte.Und im übrigen, sagte er sich, würde er allmählich inÜbung kommen.

Es gelang ihm in der nächsten halben Stunde, zweischwarze Schiffe vom Kurs abzubringen und gegendie Berge prallen zu lassen. Da nützten ihnen auchdie grünen Schirme nichts. Drei weitere vernichteteer durch Bomben. Er besorgte sich einen neuenVorrat und Teleportierte dann ins Freie.

Nun ging es noch leichter. Er wartete einfach, bisein Schiff der Meister auftauchte, das ohne Schirmflog. Er Teleportierte hinein, zündete die Bombe undverschwand wieder. Fünf Sekunden später waren dieInvasoren um ein Schiff ärmer. So anstrengend derdauernde Einsatz auch war, Gucky fühlte sich aufeinmal wieder ganz jung. So war das damals auf demPlaneten „Tramp“ gewesen, als seine Parafähigkeitennoch eine Spielerei, ein Zeitvertreib gewesen waren.Jetzt waren sie blutiger Ernst geworden.

Die Flotte der Maahks begann sich zu sammeln.Das plötzliche Auftauchen des geheimnisvollenHelfers, der überall zugleich zu sein schien, gabihnen neuen Auftrieb. Vielleicht konnten dieAngreifer noch zurückgeschlagen werden. Niemandschien zu wissen, warum sich die Meister der Inselauf einmal als Feinde entpuppten.

Gucky Teleportierte von Schiff zu Schiff und legteTausende von Kilometern zurück. Insgesamtvernichtete er fünfzig Raumer der Angreifer, ehe ersich entschloß, zur C-5 zurückzukehren. Vergeblichhatte er versucht, telepathische Verbindung mitTronar, Rakal oder Redhorse zu erhalten.Funkkontakt war ausgeschlossen, denn alle Wellenwurden von den verzweifelt kämpfenden Maahksbelegt. Nicht eine Frequenz war frei.

Mit drei oder vier Sprüngen kehrte er in Richtungder Hauptstadt zurück, um sich zu orientieren.Vierzig Kilometer vor der Stadt kam er nicht weiterund blieb auf einem Berggipfel stehen. Vor ihm lagdie Hölle.

Die Stadt war ein riesiger Kratersee aus flüssigemMagma geworden. Die feurige Masse brodelte, alswürde sie von einem unterirdischen Hitzespeicherdauernd erwärmt. Gewaltige Blasen stiegen auf undzerplatzten mit lautem Knall. Grüne Dämpfebreiteten sich in dichten Schleiern aus undverschlechterten die Sicht. Einige Gebäude standennoch in den feuerflüssigen Fluten, aber sie neigtensich bereits zur Seite und begannen zu versinken.

Hoch oben in der Atmosphäre standen noch immerdie Atompilze. Sie glühten nicht mehr, aber beim esnoch einmal vergeblich mit dem Sender versuchthatte. Aber in der Vielzahl der Maahk-Gedanken wares unmöglich, die Impulse der Terranerherauszufinden.

Einen Augenblick lang kam ihm der Gedanke, ein

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Schiff der Maahks zu kapern und damit zu fliehen.Aber dann sah er ein, wie sinnlos das sein würde. Erbefand sich nicht nur eine Million Lichtjahre von dereigenen Galaxis entfernt, sondern auch tausend Jahrein der Vergangenheit. Die Zeit war schwerer zuüberwinden als der Raum.

Rhodan würde erst in einem halben Jahrtausendgeboren werden.

Und er, Gucky, war zur gegenwärtigen Zeitebenfalls noch nicht geboren.

Er sah, wie ein kleines Schiff der Maahks in wilderFlucht vor einem Riesenkreuzer der Meister der Inseldaher jagte, visierte es an und teleportierte.

*

Was Redhorse befürchtet hatte, traf sehr bald ein.Die Invasoren entdeckten das terranische Schiff.

Vielleicht hielten sie es für eine Neukonstruktion derMaahks, oder sie kannten deren Erfahrungen, die sieneuntausend Jahre zuvor mit den Arkoniden gemachthatten. Ohne Warnung griffen sie an.

Es waren zwei Schwere Kreuzer mit einer Längevon fünfhundert Metern. Aus den stumpfenBugnasen schossen grelle Energiefinger, die von demSchirm der C-5 leicht aufgefangen werden konnten.Redhorse befahl den Einsatz der Transformkanone.

Drei in den grünen Schutzschirm des erstenKreuzers geschleuderte Hyperbomben ließen diesenjäh zusammenbrechen. Die vierte Bombe detonierteim Kommandostand des Gegners, von demTransformstrahler mitten hineinteleportiert. DerSchwere Kreuzer wurde nächsten Niederschlagwürde es radioaktive Isotopen regnen. Das Leben aufdem Planeten würde erlöschen, wenn es keineZuflucht tief - unter den oberen Felsenschichten fand.Und genau das würde geschehen, sobald ...

Gucky erinnerte sich an das, was geschehenwürde. Noch waren keine Anzeichen dafürvorhanden, daß der Planet zerplatzen würde.

Er visierte das ferne Gebirge am Horizont an, querüber dem Feuersee und gut hundert Kilometerentfernt. Er teleportierte.

Er fand das Tal, in dem die Kaulquappe gestandenhatte. Sie war nicht mehr da. Die das Taleinschließenden Felsen wiesen Schmelzspuren auf.Es mußte ein Angriff stattgefunden haben, der vonder C-5 abgewehrt worden war. Wahrscheinlich hattesie dann vor einer Übermacht fliehen müssen.

Gucky stand verlassen auf dem Felsgrat und sahhinab in die Ebene. Rechts leuchtete das Meer ausFeuer und Magma. Geradeaus erstreckte sich dienoch unberührte Steinwüste. Hinter ihm war dasGebirge. Links standen glühende Feuerpilze amHimmel. Dort mußte eine andere Stadt liegen, diegerade angegriffen wurde.

Wohin mochte Redhorse geflohen sein?Hier oben im Gebirge war Gucky vorläufig sicher,

aber er wußte nicht, wie lange es dauern würde, bisder Untergang des Planeten begann. In seinemterranischen Kampfanzug war eineLufterneuerungsanlage, deren Funktionsdauer jedochbegrenzt war. Immerhin war er für einige Tage vonjeder Luftzufuhr unabhängig.Lebensmittelkonzentrate und Wassertabletten warenebenfalls vorhanden. Selbst im Weltraum war er füreinige Tage sicher, und einmal mußte Redhorse ihnja finden.

Er konzentrierte sich auf einfallendeGedankenimpulse, nachdem er von weiterenExplosionen regelrecht zerrissen.

Der andere schoß hinauf in den dunkelgrünenHimmel und kehrte wenige Minuten später mit einemganzen Verband als Verstärkung zurück. Redhorsegab Leutnant Schwag einen Wink. „Flucht! Wirkönnen hier nicht auf Gucky warten, denn dieÜbermacht würde uns erdrücken. Vielleicht findenwir weiter in den Bergen ein besseres Versteck.Tronar, versuchen Sie, immer an Gucky zu denken,damit er uns orten kann.“

„Ich denke schon an gar nichts anderes mehr“,knurrte Tronar.

Hope Schwag ließ die C-5 in elegantem Bogen ausdem Talkessel und steil in die Höhe schießen. Dieschwarzen Angreifer waren so überrascht, daß sienicht schnell genug handelten. Ehe sie reagierenkonnten, hatte die C-5 bereits die Atmosphäre desPlaneten hinter sich gelassen und jagte in densternenlosen Abgrund hinein. In großem Bogenkehrte sie eine halbe Stunde später wieder zurück undnäherte sich dem Planeten von der Nachtseite her.

Überall glühten die riesigen Magmameere, und anmehreren Stellen trat das glutflüssige Planeteninnerefrei zutage. Im Gegensatz zu dem mattglühendenMagma schimmerte es hellrot. Nicht mehr lange, undder atmosphärische Wasserstoff würde irgendwo aufSauerstoff treffen. Die Katastrophe bereitete sich vor,aber auch die Meister der Insel ahnten noch nichtsdavon.

Plötzlich glaubte Redhorse zu wissen, warum dieMeister der Insel seit dieser Katastrophe das Systemder beiden roten Sonnen mieden.

„Keine Spur von Gucky“, sagte der verzweifelteSergeant Inghar. Ununterbrochen saß er vor seinenFunkgeräten und ließ den Frequenzselektor über dieSkalen wandern. „Er meldet sich nicht. DerFunkäther ist überfüllt. Man muß schon Glück haben,wenn man eine freie Sekunde erwischt. Ich verstehedas nicht.“

„Geben Sie nicht auf“, bat Redhorse, der sich trotzseines Ärgers auf Gucky ernste Sorgen um denMausbiber machte. „Es müßte mit dem Teufel

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zugehen, wenn ihm etwas passiert wäre.“Inghar deutete auf die Bildschirme.„Die Hölle jedenfalls ist nicht weit“, meinte er

sarkastisch.Sie gingen tiefer. Leutnant Hope Schwag saß mit

angespanntem Gesicht hinter den Kontrollen, jedeSekunde bereit, wieder in den Raum hinauszufliegen.Der Schutzschirm war eingeschaltet.

Tronar und Rakal wagten es nicht, einen derunzähligen Energieströme auszunutzen. Sie konntennicht wissen, ob sie gerade an einer Stellerematerialisieren würden, an der die Stromquelleoder der - verbraucher Sekunden später von flüssigerLava überspült wurden. Aber sie hatten auch nochandere Probleme. Sie saßen etwas abseits imKontrollraum der C-5 und unterhielten sich darüber.

„Ich werde aus der Art der Impulse nicht mehrschlau“, meinte Tronar und schüttelte den Kopf. „Dasist doch keine normale Energie, wenn du mich fragst.Ob es etwas damit zu tun hat, daß wir unsereZeitebene verlassen haben?“

„Das ist doch nur relativ zu verstehen, Tronar.Dies ist jetzt unsere Ebene, und Energie bleibtEnergie. Meiner Meinung nach sind wir einer ganzanderen Sache auf der Spur. Wenn ich sage, daßEnergie immer Energie bleibt, so stimmt das nur zumTeil. Die Stromversorgung der Stadt, um ein Beispielzu nennen, ist Gegenwart. Die Energie wird jetzthergestellt und jetzt verbraucht. Es ist also ganznormale Energie, und wir wissen und spüren das.“„Ich beginne zu verstehen ...“ „Laß mich ausreden“,bat Rakal - ernst. „Nehmen wir aber einmal an, dieMeister der Insel errichteten die Zeitfalle erst, als derPlanet bereits zerstört und auseinandergebrochenwar. Es ist ja möglich, daß sie den Transmitter nichtzerstören konnten. Um ihn aber aus dem Verkehr zuziehen, sicherten sie ihn einfach gegen Unbefugte ab.Sie bauten also die Zeitfalle erst später. Die logischeFortführung des Gedankens besagt, daß wir falls wirdie Energieimpulse des Zeitfeldes empfangen -Impulse wahrnehmen, die jetzt überhaupt noch nichtexistieren.“

Tronar schaute seinen Zwillingsbruder an.„Wie können wir etwas wahrnehmen, das nicht

existiert?“„Es ist möglich! Wir existieren ja auch, obwohl es

die Zeitfalle in diesem Augenblick noch nicht gibt!Es gibt sie erst in hundert oder zweihundert Jahren.Und doch sind wir jetzt und hier.“

„Etwas kompliziert, findest du nicht?“„Die Zeit ist etwas, das wir noch nicht kennen. Wir

haben den Raum und die Entfernungen bezwungen,aber nicht die Zeit. Wir haben eine halbe Milchstraßeerobert und wieder verloren, aber auf keiner Welthaben wir eine Zeitmaschine gefunden. Es gibt keineRasse, die die Zeitreise beherrscht. Sicher, wir fanden

gewisse Ansätze und auch einige Vorstöße in dieserRichtung. Wir fanden andere Zeitebenen und einVortasten in Richtung der Zeitreise, aber niemalsentdeckten wir ihre Perfektion. Auch das, was wirerleben, ist keine Perfektion. Wenn ich mit einemGewehr blindlings in die Gegend ballere, kann mandas kaum als Scharfschießen bezeichnen.“

„Selbst wenn du recht haben solltest, was ich nochsehr bezweifle, würde uns das nicht weiterhelfen. Eshandelt sich nicht um normale Energieimpulse. Wassollen wir damit anfangen?“

Rakal legte den Finger an die Nase, wie er esimmer machte, wenn er scharf nachdenken wollte.

„Das werde ich noch herausfinden, Tronar. Ichhabe da eine Idee. Aber ich möchte das Experimenterst dann durchführen, wenn wir Gucky gefundenhaben. Wäre doch schrecklich, wenn wir ihn hierzurückließen.“ „Hier?“ Rakal lächelte. „Du hastrecht. Ich müßte sagen: wenn wir ihn jetztzurückließen.“

Mit hoher Geschwindigkeit ließ Leutnant Schwagdie C-5 über die Gebirgskämme dahinjagen. Bishierher waren Tod und Vernichtung noch nichtvorgedrungen. Einige Staffeln Hornissen hatten sichin die Täler zurückgezogen, um sich zu neuerAbwehr zu sammeln. Sie erkannten das fremdeKugelschiff sofort und griffen es nicht an. VomFunkraum her rief Sergeant Inghar:

„Sie senden uns das Kodesignal für ‚Guten Flug‘.Gucky muß sich bei ihnen beliebt gemacht haben,und sie wissen; daß Gucky zu uns gehört.“

Redhorse beeilte sich, in die Funkzentrale zukommen.

„Können Sie nicht anfragen, wo Gucky ist? Ichmeine, wenn Sie Verbindung mit den Maahks haben,wäre es doch möglich ...“

Inghar hatte schon begriffen. In schneller Folgesetzte er einige Funksprüche ab. Er beschrieb denMausbiber, seine Fähigkeiten und bat um Nachrichtüber seinen Verbleib. Dann schaltete er wieder aufEmpfang.

Gespannt warteten sie. Währenddessen hatteSchwag die Geschwindigkeit der Kaulquappeherabgesetzt und kreiste über den Tälern. Einmalbemerkte er eins von den schwarzen Riesenschiffender Invasoren, das in großer Höhe über ihnenhinwegzog. Es schien sie nicht geortet zu haben,denn es kümmerte sich nicht um sie.

Der Translator funktionierte nun einwandfrei. Einnaher Sender kam stark durch. Eine Stimme sagte:„Das kleine Wesen, der Überall-zugleich-Töter, hatden Meistern der Insel großen Schaden zugefügt. Wirdanken ihm und euch dafür, wer immer ihr auch seid.In unseren Überlieferungen werden Kugelschiffegeschildert, aber sie wurden von unseren Gegnerngesteuert und stammten aus der zweitnächsten

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Galaxis. Wir kamen einst von dort, vertrieben vonden Erbauern der Kugelschiffe. Wißt ihr etwasdavon?“

„Nein“, log Redhorse, denn er konnte jetzt keinediplomatischen Verwicklungen gebrauchen und hatteauch keine Zeit zu langen Erklärungen. Die Maahksspielten wahrscheinlich auf ihre Vorfahren an, dievon den alten Arkoniden vertrieben worden waren.Nun erklärte sich auch der spontane Angriff auf dieC-5, als sie auf dem Raumfeld der Stadt landete.„Davon wissen wir nichts.“

Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte derMaahk:

„Wir haben keine Nachricht vomÜberall-zugleich-Töter. Er kam auf unsere Schiffeund verschwand wieder. Niemand weiß, wo er jetztist, aber das Oberkommando gibt bekannt, daß bishermindestens siebzig feindliche Kreuzer von ihmvernichtet wurden. Manchmal fast gleichzeitig anverschiedenen Steilen.“

„Können Sie veranlassen, daß Ihre Radiostationeneine entsprechende Nachricht ausstrahlen, wenn manihn sichtet? Seine Anwesenheit auf unserem Schiffwird dringend benötigt.“ „Wir versuchen es.“Redhorse kehrte in. die Zentrale zurück. Als er aufdie Bildschirme blickte, erschrak er.

Leutnant Schwag war inzwischen weitergeflogen.In der Ebene waren gigantische Krater aufgebrochen.Eine rotglühende Masse quoll zäh aus den Wundendes Planeten und füllte die Senken aus. FeuerflüssigeMeere und Ströme entstanden. Sie löschten allesLeben aus. Schwerfällig wälzten sie sich überbebaute Felder und kleinere Ansiedlungen dahin undließen tausendfachen Tod zurück.

„Dort ...“ Tronar kam herbei und zeigte auf dieobere Kante des Panoramaschirms. „Die Meister derInsel!“

Es waren riesige, schwarze Walzenschiffe, jedesvon ihnen mindestens achthundert Meter lang. Sieflogen in Staffeln zu je drei Stück und kamenlangsam tiefer. Es war auffällig, wie sie dieFormation hielten und darauf achteten, in gleicherHöhe zu bleiben.

„Wenn sie uns orten, geht es uns schlecht“, sagteRedhorse. „Ich würde vorschlagen, wir ziehen ab,ehe es zu spät ist.“

„Sie haben es nicht auf uns abgesehen“, meinteTronar. „Sie haben etwas anderes vor. Vielleichtkönnen wir noch bleiben. Redhorse, dort drüben dieSchlucht, die quer ins Gebirge führt. Das wäre einVersteck.“

„Was versprechen Sie sich davon, Tronar?“„Anschauungsunterricht, Captain. Einen Lehrgang,

wie man einen Planeten vernichtet.“„Sie meinen ...?“ Redhorse verstummte. Er sah

wieder auf den Bildschirm. Die Riesenwalzen

standen in Form eines Kreises etwa fünf Kilometerüber der Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte.Auf ihren Unterseiten entstanden plötzlich gleißendeFlecke, die sich in Form blendendweißer Strahlenfortsetzten. Sie vereinigten sich zu einemkonzentrierten Bündel, keine fünfhundert Meter überder Oberfläche. Der so verhundertfachteEnergiestrahl traf den Felsen eines Plateaus, das sichwenige Dutzend Meter über die Ebene erhob. Mitrasender Geschwindigkeit entstand ein Loch.

Seitlich floß das rotglühende Gestein davon,während eine Gaswolke senkrecht nach oben stieg,bis sie die Schiffe erreichte und einhüllte.

In der Kruste des Planeten entstand ein Schacht,der in Richtung Mittelpunkt führte.

„Sie bohren den Kern an“, äußerte Redhorseverblüfft. „Sie bohren das glutflüssige Innere an.Wollen sie denn tatsächlich diesen Planetenmutwillig zerstören? Ich habe immer nochangenommen, es sei unabsichtlich geschehen.“

„Ich weiß es nicht“, gab Tronar zu. „Niemandweiß es.“

Plötzlich stiegen die Schiffe höher. Die Strahlenerloschen.

Eine der Walzen löste sich aus der Formation undsank tief er, auf den rauchenden, glühenden Trichterzu. Als sie genau darüber stand, fiel ein dunklerGegenstand in die Tiefe. Er verschwand Sekundenspäter in den Rauchwolken und in dem Krater.

Das Schiff gewann schnell wieder Höhe. DieFormation zögerte noch einige Augenblicke, dannjagte sie davon und war Sekunden später nicht mehrzu sehen. Tronar packte Redhorses Arm. „Captain -wir müssen hier verschwinden. So schnell wiemöglich!“

„Glauben Sie, das war eine Bombe?“„Und was für eine! Sie ist es, die den Planeten

auseinanderreißt. Es kann jeden Augenblickpassieren.“

„Diese Teufel!“ Redhorse hob die Fäuste. „Undwas ist mit Gucky? Wir müssen die Maahks warnen.“

„Wenn sie mit ihren Schiffen weit genug entferntsind, überleben sie die Katastrophe. Später könnensie zu den Trümmerstücken zurückkehren und sichdarauf einrichten. Sie haben keine andere Wahl, dennkeines ihrer kleinen Schiffe kann den nächsten Sternerreichen.“

Die C-5 raste mit hoher Beschleunigung davon.Sergeant Inghar funkte die Warnung an alle Maahks.Er bekam sogar eine Bestätigung von einer höherenDienststelle und den Hinweis, daß man Gucky zuletztin einer Kampfhornisse gesehen habe. Vor einerhalben Stunde. Danach sei die Verbindung mit demSchiff abgerissen.

Redhorse bedankte sich und sah wieder auf dieBildschirme. Die Ebene mit dem glühenden Schacht

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lag tief unter der C-5. Vielleicht war es gut, soschnell wie möglich von hier zu verschwinden.Niemand konnte genau wissen, welche Wirkung dieabgeworfene Bombe hatte.

„Schwarze Walzen voraus, Sir“, sagte LeutnantHope Schwag.

Redhorse übernahm die Feuerleitzentrale. Eswaren nur zwei feindliche Schiffe, die sich ihnen mitrasender Geschwindigkeit näherten, plötzlich abervom Kurs abwichen und schnell an Höhe gewannen.Es sah so aus, als wollten sie einen direktenZusammenstoß mit der C-5 vermeiden.

„Haben die etwa Angst?“ knurrte Tronar, der sichneben Redhorse vor die Kontrollen gesetzt hatte.„Sieht ganz so aus, was?“

Redhorse gab keine Antwort. Auf keinen Fallwollte er sich von den sogenannten Meisternüberlisten lassen. Eine der Walzen stand genau in derMitte des Zielgerätes für die Transformkanone. Dieerste Detonation würde den grünen Schutzschirmaufreißen, die zweite unmittelbar danachabgeschossene Bombe würde mitten im Schiffexplodieren.

Er brauchte die Waffe nicht einzusetzen. Dieschwarzen Schiffe flohen mit Höchstgeschwindigkeitvor der viel kleineren Raumkugel.

„Gucky scheint ihnen ja ganz schön zugesetzt zuhaben“, knurrte der Captain grimmig. „Und aus denFunkmeldungen der Maahks wissen sie, daß Guckyvon unserem Schiff stammt. Sollte mich nichtwundern, wenn bald eine organisierte Treibjagd aufuns beginnt.“

„Wenn wenigstens Gucky auftauchte“, sagteRakal. „Dann könnte ich versuchen, meine Theoriezu beweisen. Gelänge mir das, gäbe es einen Weg füruns, in die Gegenwart zurückzukehren.“ Tronarnickte, sagte aber nichts. Redhorse meinte:

„Wenn Gucky nicht bald wieder erscheint, müssenwir, wohl oder übel, in den Raum hinaus. Nur dortsind wir sicher. Die Maahks haben ihren zum Todeverurteilten Planeten bereits verlassen. GanzeSchwärme von ihren Hornissenschiffen sammeln sichund bringen sich in Sicherheit. Ob Gucky bei ihnenist?“

„Wir werden bald keine Rücksicht mehr auf ihnnehmen können“, sagte Leutnant Schwag und nicktein Richtung der Bildschirme. „Da unten entstehenbereits die ersten Spalten - riesige Spalten.“

„Also doch eine gesteuerte Detonation“, bemerkteRedhorse, ohne auf Schwags versteckte Warnungeinzugehen. „Der Weltuntergang vollzieht sichrelativ langsam. Es wird jeder Gelegenheit haben,sich zu retten - wenn er ein Raumschiff besitzt oderzur Besatzung gehört.“

Sie flogen in einer Höhe von zweitausendKilometern, um eine bessere Übersicht zu haben.

Überall waren in der ohnehin schon aufgerissenenOberfläche des an vielen Teilen glühenden Planetenneue Spalten entstanden, auf deren Grund es hellrotstrahlte. Die Spalten vertieften sich zusehends undwurden breiter. Aus dem Innern der untergehendenWelt schoß unter dem Druck der Kruste der flüssigeKern nach außen. Vulkane entstanden und spienLava. Die Temperatur auf der Oberfläche mußtebereits unerträglich geworden sein. Nichts lebte dortmehr. Der Planet war bereits tot. Und dann beganndie letzte Phase. Der breiteste Riß quer über diePlanetenoberfläche führte fast genau von Nord nachSüd. Er war nicht gerade, sondern verlief imZickzack. Einige der äußersten Kurveneckenverbanden sich durch neue Risse. Diestehengebliebenen „Inseln“ schmolzen und versankenim hervorquellenden Magma. Der Riß reichte biszum Kern des Planeten. Der Planet brach auseinander...

Rakal nahm Tronar beim Arm und zog ihn mit sichaus der Zentrale. „Was ist denn?“ „Ich kann nichtlänger warten, Tronar. Gucky oder nicht - ich muß esjetzt versuchen, ehe es zu spät ist. Wahrscheinlichhaben die merkwürdigen Energieimpulse nichts mitdem Planeten selbst zu tun - wenigstens nicht mitdem sterbenden Planeten dort unten - aber wer kanndas so sicher wissen?“ Tronar sah ihn voller Zweifelan. „Wenn deine Theorie stimmt ... wenn du wirklichden Energieimpuls des Zeitfeldes aufgespürt hast,Rakal, dann lassen wir Gucky im Stich. Ob dasExperiment und die Rückkehr gelingen oder nicht.“

„Du hast recht, aber ich kann es nicht ändern.“„Warte noch. Wir haben Zeit. Das Zeitfeld

existiert auch dann noch, wenn der Planet längstaufgehört hat zu bestehen.“

„Das stimmt.“ Rakal lehnte sich mit dem Rückengegen die Wand des Korridors. „Das Zeitfeld istdavon unabhängig. Wenn Gucky sich jetzt auf einerHornisse befindet, ist er in Sicherheit. Ich wollte nur,er fände uns bald.“

Tronar stand ihm gegenüber, an die andere Wandgelehnt.

„Und du bist fest davon überzeugt, daß du dieEnergieströme des Zeitfeldes entdeckt hast? Kann essich nicht genausogut um die Justierungsstation fürden Transmitter handeln? Ich meine, ohne esauszuprobieren, können wir doch niemals sichersein.“

„Natürlich sind wir nicht sicher. Aber ich spüre dieImpulse überall. Sie sind immer um uns, gleichmäßigund von allen Seiten kommend. Ich bin sicher, eskann sich nur um den Projektor für die Zeitfallehandeln. Er steht irgendwo auf dem TrümmerstückKalif, tausend Jahre in der Zukunft. Dorthin habendie Meister der Insel ihn gestellt. Vielleicht wissensie nicht einmal, wie weit er denjenigen, der in seinen

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Wirkungsbereich gerät, in die Vergangenheitschleudert. Vielleicht wurde er auch schon frühererrichtet, als ich annehme. Tatsache jedoch ist, daß erin jenem Augenblick existiert, in dem wir - intausend Jahren - von der CREST ausgeschleustwurden ... oder werden. Und ich will versuchen, aufden Impulsen in die Zukunft zu gelangen, dieMaschine zu finden und sie zu vernichten.“

Tronar schaute Rakal erstaunt an. „Vernichten?Was geschieht, wenn du sie vernichtest? Und - wiesoll es dir gelingen, die Jetztzeit zu verlassen, um indie Zukunft zu gelangen? Es gibt keine Zeitreise, dashast du selbst bestätigt.“

„Es ist keine Zeitreise in dem Sinne, Tronar. Wirbeide haben die Fähigkeit, mit Energieimpulsenreisen zu können. Der Zeitprojektor auf Kalifbenötigt Energie, um eine Brücke in dieVergangenheit zu schlagen. Dieser Energiestromkommt hier an; also endet die Brücke in unsererRelativgegenwart. Wir spüren ihn. Wenn wir uns inihn einfädeln, müssen wir, zwangsläufig zu seinerQuelle gelangen, auch wenn sie tausend Jahre in derZukunft liegt. Wir reisen also in körperlosem Zustanddurch die Zeit.“

„Rein theoretisch hört sich das großartig an, aber...“

„Ein Aber ist immer dabei, Tronar. Aber wenn dues entdeckt hättest, würdest du keine Sekundezögern, deine Theorie zu beweisen und uns zu retten.Wer hat schon Gelegenheit, eine Zeitreise zuunternehmen.“

„Wir, Rakal, und ich habe davon gründlich dieNase voll.“ Sie kehrten in die Zentrale zurück. Aufden Bildschirmen sahen sie, daß der Planet bereitsaus vier Teilen bestand, die weiterauseinanderbrachen und sich allmählich voneinanderentfernten. Sie erkalteten allmählich wieder undwurden fest.

Der Asteroidengürtel wurde geboren.

6.

Als Gucky in der Zentrale der Hornissematerialisierte, hatte er es nicht nötig, sich eigensvorzustellen. Die anwesenden Maahks behandeltenihn mit Höflichkeit und Hochachtung, obwohl sie sogroß waren, daß er zwischen ihnen regelrechtverschwand.

Gucky genoß ihre Gedanken mit einer wahrenWollust.

Der Überall-zugleich-Töter ...! Er beehrt nun auchuns! Wir werden die Feinde ins Verderben schicken... Wenn er bei uns ist, sind wir unbesiegbar ...! Er istder größte Kämpfer des Universums ...

„Danke, verehrte Sichelhauben“, flötete ergeschmeichelt, obwohl sie ihn nicht verstanden. Es

genügte ja, daß er sie verstand. „Und nun wollen wirden Insulanern mal zeigen, was eine Harke ist.Freunde!“ Er deutete nach Norden. „Ja, das ist dieRichtung ... wunderbar, ihr versteht ja einmaligschnell.“

Mit Hilfe von Gesten gelang es Gucky, indirektdas Kommando über die Hornisse der Maahks zuerhalten. Ein Blick auf den Planeten genügte, ihm zuzeigen, daß es nicht mehr lange dauern konnte. Inseinem Eifer hatte er die C-5 so gut wie vergessen. Erkonnte teleportieren, und wenn er sich richtigkonzentrierte, würde er wohl auch wieder RedhorsesGedanken orten können. Oder die von Tronar undRakal.

Die Meister der Insel mußten wahre Scheusalesein, daß sie einen fast wehrlosen Planeten mitsolcher Übermacht angreifen und vernichten ließen.Nur zu dumm, daß es ihm bisher nicht möglichgewesen war, einem der Meister selbst zu begegnen.Noch wußte niemand, wie die Herren desAndromedanebels aussahen. Besaßen siemenschliche Gestalt, oder waren sie anders als alles,was man bisher gesehen hatte?

Die geschlagenen Maahks hingegen wurdenGucky von Minute zu Minute immer sympathischer.Man mußte ihnen helfen, wo es möglich war. AmEndresultat jedoch, wußte er, war nichts mehr zuändern. Die Angreifer würden siegen, und diewenigen Überlebenden der Maahks würden imInnern der großen Asteroiden mutieren, sich an dieveränderten Umweltverhältnisse anpassen. Vielleichtwürden sie eines Tages, in tausend Jahren etwa, dieseNiederlage von heute rächen können.

Heute ...!Gucky entsann sich, daß er tausend Jahre in der

Vergangenheit existierte und beschloß, nicht mehrüber Gegenwart und Zukunft nachzudenken.

Drei Riesenkreuzer der Meister tauchten plötzlichauf und änderten ihren Kurs, um die Hornisseanzugreifen. Es war erstaunlich, daß sie alle dreikamen, statt diese lächerliche Aufgabe einemeinzigen der Schiffe zu überlassen.

Gucky wußte, daß es nicht so einfach sein würde,mit drei Gegnern zugleich fertig zu werden. Mit Hilfeder Telekinese gelang es ihm zwar, die Richtungeines Schiffes geringfügig zu beeinflussen, aber dreiauf einmal waren entschieden zu viel. Doch zumGlück half ihm der Zufall.

Die drei feindlichen Schiffe flogen in einer ganzbestimmten Formation. Eins war vorn, die beidenanderen folgten gestaffelt dahinter, und zwar sehr engnebeneinander. Wenn sie feuern würden, waren dieEnergiestrahlen eng gebündelt und zu stark für jedenSchutzschirm, der sich ihnen entgegenstellte.

Gucky sprang in eine Ecke der Zentrale, von woaus er durch die breite Sichtluke direkt in den

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Weltraum blicken konnte. Das war die einzigeMöglichkeit, den Angreifer telekinetisch anzupeilenund seinen Kurs zu beeinflussen. Die drei Schiffe derMeister waren schon sehr nahe und konnten jedenAugenblick das Feuer eröffnen. Die Maahks in derZentrale der Hornisse begannen zu schwitzen -wenigstens nahm Gucky das an. Sie warfen ihmBlicke zu, deren Deutung er nur erraten konnte.

Plötzlich, mitten im Flug, veränderte dasFührungsschiff seine Lage. Es drehte sich quer zurFlugrichtung und wurde langsamer. Gleichzeitigerlosch aus unbekannten Gründen sein Schutzschirm.

Es war ein weiterer Zufall, daß die beidennachfolgenden Schiffe gerade in dieser Sekunde dasFeuer eröffneten. Gucky hatte das nicht voraussehenkönnen, aber es half ihm. Das Führungsschiff wurdesofort vernichtet, während die beiden anderenWalzen mitten in die Detonation hineinflogen. IhreSchirme waren der plötzlichen Beanspruchung nichtgewachsen. Sie brachen zusammen. ErneuteExplosionen bewiesen, daß keiner der drei Gegnerseinen Heimathafen erreichen würde.

Als die Hornisse an den glühenden Wolkenvorbeischoß, glaubte Gucky ein großesTrümmerstück zu sehen. Vielleicht war das dieGelegenheit, einem Meister der Insel von Angesichtzu Angesicht gegenüberzustehen. Und zwar alsSieger.

Die Hornisse flog weiter, denn der Kommandantkonnte nicht wissen, wo sein geheimnisvoller Helfergeblieben war. Außerdem war bekannt, daß derÜberall-zugleich-Töter so unerwartet verschwand,wie er auftauchte.

Als Gucky rematerialisierte, schwebte er seitlichder radioaktiven Wolke etwa fünftausend Meter überder Oberfläche des Planeten. Er begann sofort zustürzen, denn die Schwerkraft war enorm. Da halfenauch die Gravo-Stabilisatoren nichts. Da half nurTelekinese. Gucky stoppte den Fall und kontrollierteseinen Flug, bis er den terranischen Kampfanzugeinsatzbereit hatte. Die Energiefelder hielten ihn inder gewünschten Lage, und er vermochte sogarseinen Flug zu steuern.

Er teleportierte auf das Trümmerstück.Das Trümmerstück war kleiner, als er

angenommen hatte.Es handelte sich um ein Stück Außenhülle und

Teile anschließender Kabinen.Nichts war mehr heil, und die Atmosphäre war

entwichen. Wer immer die Meister der Insel auchwaren, in einem Vakuum würden auch sie nichtleben, können. Die Frage war nur: Befanden sich anBord der Riesenschiffe überhaupt die rätselhaftenMeister oder nur deren Hilfstruppen?

In den Restkabinen waren Trümmerstücke einerehemaligen Einrichtung. Gucky schwebte langsam in

das treibende Wrackteil und stand dann auf festemBoden. Er spürte nicht, daß er zusammen mit demWrack in die Tiefe stürzte und daß das Schwebennichts als eine gefühlsmäßige Täuschung war.

Die Explosionen hatten die Wände der Räume unddie Einrichtungsgegenstände zerrissen. In einer Eckefand Gucky eine Art Liege, aber weder die Größenoch die Höhe ließen einen Schluß auf dieKörperformen ihrer Benutzer zu. Im ehemaligenNebenraum fand Gucky etwas anderes, dasinteressanter war. In der Wand hing ein zersplittertesBild. In der Wand, und es war dreidimensional.

Es zeigte ein Gesicht. Gucky stand auf demstürzenden Trümmerstück und betrachtete das Bild.Das Gesicht war menschlich in seinem Äußeren, aberder Ausdruck der schmalen Augen war nichtmenschlich. Er war nicht zu deuten. Er konntetödlichen Haß und unendliche Liebe ausdrücken.

Es war Gucky unmöglich, sich von dem Anblickloszureißen, und er fragte sich, wen das Bilddarstelle. Sahen so die Meister der Insel aus? Oderhandelte es sich um eine Rasse aus demAndromedanebel, die mit den Meistern verbündetwar?

Gucky vermochte es nicht zu sagen, aber zumersten Mal in seinem Leben verspürte er so etwas wieAngst, als er in diese Augen blickte. Das Bild warzersplittert, aber die Augen blickten ihn trotzdem anund schienen seinen forschenden. Blick zu erwidern.Es war, als lebten diese Augen.

Das Wrackteil stürzte ab. Es fiel der Oberflächedes sich teilenden Planeten entgegen. Guckybemerkte es, als er einen Blick hinter sich warf unddie glühenden Krater sah, die bedrohlich näherkamen.

Ein letzter Blick auf das seltsame Bild, das er niemehr vergessen würde, dann schaltete er denFlugantrieb seines Anzuges ein. Im letztenAugenblick löste er sich von dem Wrack und schoßin die Höhe. Sekunden später nur versank der Restdes schwarzen Schiffes in einer zähen, glutflüssigenMasse auf dem Grund eines weiten Kraters.

Gucky hielt an, als er hundert Kilometer, hochwar. Ihm wurde plötzlich bewußt, daß er allein war.Die Hornissen hatten den Planeten längst verlassen,der bereits begann, in der Mitteauseinanderzubrechen.

Redhorse ... Tronar und Rakal! Die Kaulquappe!Wo war die C-5...? Gucky überlief es heiß, als ihmseine Freunde einfielen. Im Taumel seinerBegeisterung, Geschichte zu machen, hatte er sieganz vergessen. Sie waren wahrscheinlich vor derÜbermacht geflohen und suchten ihn vielleicht. Nein,ganz bestimmt suchten sie ihn jetzt. Der Planet warverloren. Sie mußten sich jetzt um sich selbstkümmern, vor allen Dingen darum, wie sie in ihre

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eigene Zeit zurückkehren konnten.Daß ihnen das gelingen würde, daran zweifelte

Gucky keinen Augenblick. Schließlich mußte dieZeitfalle ja auch umgekehrt funktionieren. Wieallerdings, war ihm schleierhaft.

Und wenn es den anderen schon jetzt gelang,bliebe er allein zurück. Allein!

Gucky wurde plötzlich sehr lebendig. Er stieghöher und nahm Geschwindigkeit auf. Die neuartigenterranischen Kampfanzüge waren eine großartigeSache. Man lebte in ihnen wie auf einem Planeten. Esspielte keine Rolle, ob man auf einer Welt mitgiftiger Atmosphäre oder mitten im Weltraum war -der Anzug bot Lebensraum und Lebensmöglichkeit.

Gucky nahm einige Konzentrate zu sich underfrischte sich mit Wassertabletten. Nachdem seineLebensgeister wieder erwachten, versuchte er, dieC-5 aufzuspüren. Schon nach wenigen Minutenmußte er feststellen, daß es nahezu unmöglich war,telepathischen Kontakt zu erhalten. Immer nochschwirrten Tausende von aufgeregtenGedankenimpulsen umher und irritierten ihn. DieFunkwellen waren zwar immer noch alle besetzt,aber es schien Gucky, als ließe das „Gedränge“ aufden einzelnen Frequenzen etwas nach. Also Funk!

In einigen hundert Kilometern Höhe umkreisteGucky den sterbenden Planeten. Er sah, wie er zuerstin zwei, dann in vier Teile auseinanderbarst. WeitereRisse entstanden. Eine Explosion ließ ein. Viertel intausend Asteroiden zerfallen. Der Gürtel entstand.

„Hallo, C-5! Meldet euch! Hier Gucky!“Unaufhörlich und mit steigender Unruhe sagte

Gucky die Worte in sein Mikrophon, um dann wiederauf Empfang umzuschalten. Immer kürzer wurdendie Umschaltpausen. Immer drängender wurden seineHilferufe. Aber er bekam keine Antwort.

Von einer Oberfläche des Riesenplaneten konntejetzt keine Rede mehr sein. Es war bereits derAsteroidengürtel, der um die beiden Sonnen kreiste.Die fliehenden Hornissen waren in alle Richtungendavongestoben und warteten in sicherer Entfernungab, was geschehen würde. Von den Walzen derMeister der Insel war nichts mehr zu sehen. Sieschienen sich nach Erfüllung ihres Auftrags abgesetztzu haben. Um die zum Tode verurteilten Maahkskümmerten sie sich nicht.

Aber die Maahks würden als Rasse dieKatastrophe überleben, wußte Gucky. Er mußte eswissen. Er kam ja aus der Zukunft. Und er würde insie zurückkehren! „... melde dich! Melde dich sofortauf dieser Welle, Gucky ...“

Es war, als habe Gucky mit der bloßen Hand ineine Starkstromleitung gegriffen. Er kannte dieStimme. Es war Tronar. Mit einem Griff schaltete erauf Senden. „Hier Gucky! Hört ihr mich?“ „Sehr klarund deutlich. Wo steckst du denn?“

„Ich bin ein Asteroid geworden“, kicherte derMausbiber, schon wieder ganz obenauf. „Und was istmit euch? Seid ihr bereit, den größten und tapferstenKämpfer des Universums in eurem armseligenSchifflein zu beherbergen ?“

„Wir werden uns das noch überlegen“, gab Tronarzurück. „Auf keinen Fall möchten wir riskieren, dengrößten aller Kämpfer zu beleidigen. Vielleicht ist esbesser, wir kehren allein in die Zukunft zurück. Esmag uns gelingen, ein würdigeresFortbewegungsmittel zu entsenden ...“

„Rede kein Blech, Tronar!“ unterbrach ihn Guckyschnell. „Mir ist alles recht, auch ein Paddelboot.Wenn ich nur wieder festen Boden unter die Füßebekomme. Meine Position ist ...“

„Unnötig“, sagte Tronar spöttisch. „Wenn du dichumsiehst, wirst du feststellen, daß wir direkt hinterdir warten ...“

Gucky sah sich um, fluchte und teleportierte in dieKaulquappe.

*

Tronar schüttelte Rakal die Hand. „Mach's gut,alter Junge. Ich bin gespannt, wann und wo wir unswiedersehen. Impulse hin, Impulse her ...“

„Es sind Energieimpulse aus der Zukunft“, sagteRakal mit einem überzeugenden Lächeln. „Ihr werdetes sehen. Bis später.“

Bevor er entmaterialisierte, sah er in die Gesichterseiner Freunde. Gucky zeigte seinen Nagezahn undgrinste sehr gequält und unsicher. Redhorse lächeltezuversichtlich. Tronar zweifelte, man sah es ihmdeutlich an. Leutnant Hope Schwag bemühte sich,ein Pokergesicht aufzusetzen. Inghar hockte vor denFunkgeräten und lauschte auf deren leises Summen.„Also dann ...!“ sagte Rakal. Er konzentrierte sich aufseine Aufgabe, entmaterialisierte und verlor sofortdas Bewußtsein. Er wußte nicht, was inzwischengeschah, aber als er den Schmerz derRematerialisation spürte und wieder sehen konnte,schwebte er mitten in einem dunklen Raum undbegann sofort zu stürzen.

Er schaltete die Neutralisationsfelder ein. DieSchwerkraft war geringer als auf demRiesenplaneten, aber höher als in der C-5. Er fielnicht mehr und machte Licht. Der Helmscheinwerferbeleuchtete einen großen Raum, dessenBegrenzungen jedoch deutlich sichtbar waren.

In der Mitte des Raumes, dessen Wände aus Felsenbestanden, stand eine mächtige Maschine.

In ihr endeten alle Energieimpulse, auf denen erhierher gelangt war.

Rakal war sich darüber klar, daß er zuerst Standortund Zeit feststellen mußte, ehe er handelte. Das aberwar leichter gesagt als getan. Außer dem

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Energiestrom der Maschine gab es keine anderenImpulse. Es blieb Rakal nichts anderes übrig, alsseine Nachforschungen auf ganz normale Art undWeise zu bewerkstelligen. Er fand einen Schacht, dersenkrecht nach oben führte. Wenn damit eineAntigravanlage verbunden war, so funktionierte sienicht, aber das war für Rakal kein Hindernis. Inseinem Kampfanzug schwebte er langsam nach oben,bis es über ihm heller wurde. Sekunden später glitt eraus dem Schacht und befand sich über einer felsigen,schroffen Gebirgslandschaft. Er stieg noch höher, ummehr sehen zu können, und als er etwa zweiKilometer erreicht hatte, konnte es keinen Zweifelmehr geben.

Unter ihm lag der Asteroid Kalif, und das Gebirgehatte die Form eines Hufeisens. Er war wieder in derGegenwart. Rakal widerstand der Versuchung,Funkimpulse der CREST oder der anderen Schiffeaufzuspüren. Was er wollte, war die Bestätigung, daßseine Theorie stimmte. Nun blieb nur noch eins zutun übrig ...

Er sank wieder in den Schacht Zurück und landetenach wenigen Minuten erneut in dem unterirdischenSaal, wo die riesige Maschine stand - derZeitprojektor, der Generator des Zeitfeldes.

Rakal wußte, daß er der Wissenschaft keinenDienst erwies, aber er sah keine andere Möglichkeit.Er mußte die Maschine vernichten, denn sie war es,die die C-5 in die Vergangenheit geschleudert hatteund auch dort festhielt. Wenn sie nicht mehrexistierte, brach das Zeitfeld zusammen, und dieunfreiwilligen Zeitreisenden würden augenblicklichin ihre Realzeit zurückgeschleudert.

Wenigstens hoffte Rakal das. Er suchte in seinenTaschen und fand eine kleine Bombe. Sie war vomgleichen Typ wie jene, die Gucky benützt hatte, umden Schirmfeldgenerator für den grünenSchutzschirm zu zerstören. Mehrmals umrundete erden Zeitprojektor, bis et die geeignete Stellegefunden hatte. Wenn die Bombe hier detonierte,mußte sie die Maschine zerreißen.

Er hatte fünf Minuten Zeit. Fünf Minuten, sich zuentscheiden.

Dann riskierte er es. Schließlich war es seine Ideegewesen.

Er konzentrierte sich, fädelte sich in den deutlichwahrnehmbaren Energiestrom der Impulse ein - undkehrte in die Vergangenheit zurück.

Als er materialisierte, sah er in Guckys maßlosenttäuschtes Gesicht ...

*

„Ich habe gewußt“, sagte Tronar, „daß es zwecklosist. Wo bist du gewesen?“ Rakal setzte sich.„Tausend Jahre von hier, Tronar. Es hat geklappt.“ Er

sah auf seine Uhr. „In genau drei Minuten und zehnSekunden werden wir tausend Jahre überspringen.Wir sollten die Gelegenheit nicht versäumen, uns dasauf den Bildschirmen anzusehen.“

„Verzeih mir, Rakal, aber ich ...“ „Ich war aufKalif und habe eine Bombe gelegt. Sie wird in dreiMinuten den Zeitprojektor zerstören. Im gleichenAugenblick werden wir in unsere Zeit zurückkehren.Wäre ich nicht so sicher, wäre ich gleich dortgeblieben.“ Das überzeugte. Gucky watschelte mitden Händen in den Hosentaschen zum Kontrollstand.Er tippte Leutnant Schwag auf die Schulter.

„Netten Trip haben Sie da vor sich, junger Mann.Tausend Jahre! Das sind mehr als zehntausendLichtjahre.“

„Man kann Äpfel nicht mit Birnen multiplizieren...“, begann Hope Schwag, aber Gucky unterbrachihn:

„Schulweisheiten, mein Lieber! Mehr nicht!Überhaupt, wenn Sie mich fragen, ist praktischesErleben mehr als jede Schulung. Gucken Sie also aufdie Bildschirme, und Sie werden ein Wundererleben!“ Noch eine Minute.

„Würde sich das System der beiden Sonnen relativzu Andromeda und zur Milchstraße durch dasUniversum bewegen“, sagte Tronar, „dann wäreRakal mitten im leeren Raum materialisiert - odernicht?“

„Nein“, sagte Rakal rasch. „Ich folgte denZeitimpulsen in Form einer Spirale - unabhängig vonRaum oder Entfernung. Uns wird es jetzt genausoergehen ... noch zehn Sekunden. Dann explodiert dieBombe.“

Jetzt sprach niemand mehr. Alle sahen auf dieBildschirme der C-5.

Der Planet war inzwischen total geborsten.Tausende von kleinen und größeren Trümmerstückenflogen auf der ursprünglichen Bahn weiter, einigeschneller, andere langsamer. Mit der Zeit würde sichder Ring bilden. Die C-5 war so weit entfernt, daßbeide Galaxien zu sehen waren.

„Jetzt!“ sagte Rakal, und seine Stimme zitterte.Die Bildschirme wurden dunkel. Zu spüren war

nichts. Es war, als hätte jemand den Stromabgeschaltet, mehr nicht. Dann, Bruchteile vonSekunden danach, wurden die Schirme wieder hell.Im ersten Augenblick war die Veränderung nicht zubemerken. Immer noch umkreisten die Asteroidendie beiden Sonnen, aber es waren weniger geworden.Auf dem Steuerbordsektor der Panoramagalerieschwebte Kalif ins Blickfeld. Die C-5 flog direktdarauf zu.

„Geschafft!“ rief Redhorse. Seiner Stimme waranzuhören, daß er heimlich am Gelingen desUnternehmens gezweifelt hatte. Die Erleichterungwar unverkennbar. „Wir sind zurückgekehrt.“

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„Ich hab's ja immer gewußt“, teilte Gucky denanderen großspurig mit. Er sah sehr selbstsicher aus.„Schließlich war das nicht meine erste Zeitreise.“Rakal lächelte nachsichtig. „In der Ebene? BleibenSie darüber stehen. Wir warten, bis Tronarzurückkommt.“

Der Berg sah aus wie eine Kuppel. Er konntenatürlichen Ursprungs sein, aber es schienwahrscheinlicher, daß er aus einem gewachsenenFels heraus geformt war und einem ganz bestimmtenZweck diente.

Tronar materialisierte. Gucky betrachtete ihnneidisch. „Nun?“ fragte Rakal. „Es ist die Station.Unter dem Berg, fünfhundert Meter tief. Im Felsen.Sie muß schon früher bestanden haben, als der Planetnoch heil war. Die Katastrophe hat sie nicht einmalbeschädigt.“

Redhorse gab die Neuigkeit an Rhodan weiter.Eine halbe Stunde später landeten die CREST und

zehn weitere Schiffe. Der. Angriff auf dengalaktischen Außenposten der Meister der Inselbegann.

*

Rhodan unterhielt sich mit Grek-1. Die trennendeGlasscheibe störte sie nicht mehr. Sie hatten sichdaran gewöhnt.

„Natürlich kenne ich das System derSchaltstationen“, sagte der Maahk-Offizier auf eineentsprechende Frage Rhodans: „Es gibt ihrer nichtsehr viele. Diese Station gehört zu den stillgelegten,aber in den offiziellen Berichten wird sie nocherwähnt. Sie liegt tief unter der felsigen Oberflächedes Kleinplaneten - aber das wissen Sie ja bereits. Esgibt nur einen einzigen Zugang, der stark abgesichertist. Nein, Sie brauchen keine Gewalt anzuwenden.Ich kenne die Kombinationen der Sperren. Ich werdesie Ihnen mitteilen. Man hat immer schon gesagt, daßich über ein gutes Gedächtnis verfüge. Die Justierungselbst ...“

„Danke“, unterbrach ihn Rhodan und nickte ihmfreundlich zu. „Wir haben schon mehr als eineStation Tronar entsann sich ihres eigentlichenAuftrags.“

„Die Justierungsstation! Wie wäre es, wenn wiruns endlich darum kümmerten?“ Redhorse nickte.„Haben Sie eine Ahnung, wo sie sein könnte?“

„Ja, eine Ahnung schon. Aber vielleichterkundigen Sie sich inzwischen, wo die Flotte steht.Man wird uns vermißt haben. Es sei denn, in denbeiden Zeltebenen gelten unterschiedliche Gesetzeund ...“

„Nein. Unser Kalender läuft mit den Uhrensynchron. Aber Sie haben recht. Ich werde Rhodanunterrichten. Versuchen Sie inzwischen, die Station

zu orten.“Der Kontakt mit der CREST war Minuten später

hergestellt. Redhorse berichtete, was geschehen war.Rhodans Gesicht auf dem Bildschirm bliebausdruckslos. Es war ihm nicht anzusehen, ob er andie Geschichte oder an eine Sinnestäuschung seinerFreunde glaubte. Er fragte: „Sind Sie sicher, daßkeine weiteren Überraschungen auf uns warten?“

„Ziemlich, Sir.“ „Gut, dann werden wir landen,sobald Sie die Schaltstation gefunden haben.“ Erzögerte, dann huschte ein unmerkliches Lächeln überseine Züge. „Grüßen Sie den unwiderstehlichenÜberall-zugleich-Töter von mir.“

Gucky saß wie ein Pascha auf der Liege und nahmdie Huldigungen seiner Gefährten entgegen. Aberschließlich bequemte er sich zu dem Eingeständnis:

„Nun ... Rakal war ja auch nicht ganz so ohne ...“Tronar verschwand plötzlich. „Keine Sorge“,beruhigte Rakal die anderen. „Er hat einen Impulsaufgespürt und verfolgt ihn. Wir sind sicher, daß essich um die gesuchte Station handelt. Redhorse,gehen Sie tiefer ... ja, Richtung West. Sehen Sie voruns den kegelförmigen Berg umjustiert. Ich denke, eswird uns auch diesmal gelingen.“ Er lächelte. „Nichtmehr lange, Grek-1, und Ich kann Sie auf IhrerHeimatwelt absetzen.“

Der Maahk sah Rhodan mit seinen vier Augenforschend an. „Das würden Sie tun?“ „Warum nicht?Ich habe keinen zwingenden Grund mehr, Sie alsmeinen Gefangenen zu betrachten.“

„Trotzdem kann ich Ihnen nützlich sein. WissenSie, Perry Rhodan, ich habe meine Einstellung in denvergangenen Tagen und Wochen ändern müssen.Sogar den Arkoniden gegenüber. Vor unsererBekanntschaft hielt ich die Meister der Insel fürmeine Freunde und Gönner. Seit ich weiß, was imSystem der Verlorenen geschah, bin ich vomGegenteil überzeugt. Wenn das alles wahr ist, wasdas kleine Pelzwesen Gucky über den Untergang desehemaligen Planeten berichtet ...“

„Gucky lügt niemals“, versicherte Rhodan ernst.„Ich hörte das schon von anderer Seite. Die

Meister haben meine Rassegefährten, die Wächterder Station hier, verraten. Sie haben ein ganzes Volkzum Tode verurteilt und einen Planeten vernichtet.Das muß doch meine Einstellung zu ihnen radikalverändern, oder nicht?“

Rhodan ging überlegend auf und ab, ehe er fragte:„Sie legen also keinen Wert darauf, möglichst

schnell freigelassen zu werden, Grek 1?“„Nein. Die Freiheit hat erst dann für mich einen

Sinn, wenn das Verhältnis zwischen Ihnen und mirrestlos geklärt ist. Dazu gehören nicht nurgelegentliche Gefälligkeiten, sondern mehr. IhreRasse hat eine erstaunliche Entwicklung hinter sichund könnte eine Galaxis beherrschen. Daß sie es

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nicht tut, ist eine Tatsache, über die ich nochnachdenken muß. Wir jedenfalls würden andershandeln.“ „Ich weiß, Grek 1. Aber das bedeutet nur,daß wir von gewissen Dingen unterschiedlicheAuffassungen haben. Kein Grund, um sich zustreiten.“

„Durchaus nicht. Immerhin stelle ich fest, daß wiruns sogar in den Unterschieden einig sind. Ich könntemir gut vorstellen, daß unsere beiden Rassen inZukunft besser zusammenarbeiten werden, als esTerraner, Akonen und Arkoniden jemals getan haben.Das liegt nicht nur an unserer Einstellung, sondernhat weitere Gründe, die so natürlich wie stichhaltigsind. Ihre und meine Rasse werden sich niemals umeine Welt zu streiten brauchen. Wir können nur aufeiner Wasserstoffwelt existieren, deren AtmosphäreGift für Sie ist. Sie hingegen leben aufSauerstoffwelten - für uns Gift. Es gibt überhauptkeinen zwingenden Grund für Sie oder für uns, denanderen als Gegner zu betrachten. Es gibt keineinziges Objekt in zwei Milchstraßen, um das wirstreiten könnten. Nicht einmal die Transmitter. Sieführen jeden von uns zu verschiedenen Objekten. Esgibt keine Welt, die uns beiden zusammen gehörenkönnte.“

„Ich stimme Ihnen zu“, erwiderte Rhodan. „Anunserem Beispiel wird klar, daß rassische undlebensbedingte Unterschiede eher verbindend alstrennend wirken. Wären wir uns ähnlich, gäbe esgenug Gründe, uns zu hassen. Erst die Unähnlichkeitmacht uns zu Freunden.“

Jemand hatte den Raum mit der Trennwandbetreten. Es war Atlan.

„Ich habe - ungewollt - einen Teil eurerUnterhaltung mit angehört. Vielleicht habt ihr rechtDann verstehe ich aber nicht, warum die Maahks vorzehntausend Jahren das Imperium der Arkonidenzerstören wollten und warum sie uns so haßten, daßsie zurückkehrten, um sich für eine Niederlage zurächen.“

„Ich sagte schon, Arkonide, daß sich dieWandlung meiner Auffassung erst in denvergangenen Wochen vollzog. Was ich früher dachteund tat, hat heute keine Bedeutung mehr. Jederbenötigt eine gewisse Zeit, Erkenntnisse zu sammeln.Aber ich halte es für meine Pflicht, den Völkern derMaahks eines Tages diese Erkenntnisse vorzulegen.“

„Dazu werden Sie Gelegenheit erhalten“,versprach Rhodan.

Später, draußen auf dem Gang, fragte Atlan:„Glaubst du, daß er aufrichtig ist?“ „Ich bin sicher,Atlan.“ „Kein Trick?“ „Nein.“ Atlan seufzte. Dannsagte er: „Hoffentlich! Dann wäre der Weg zurVerständigung zwischen zwei Galaxien frei.“

„Ja“, bestätigte Rhodan, „aber erst müssen wirauch noch die Meister der Insel überzeugen. Ich

fürchte, das wird schwerer sein.“

*

Sie fanden den Weg in die Schaltstation. Mit Hilfevon Greks Kodeschlüssel konnten sie die Sperrenöffnen. Ohne Schwierigkeiten gelangten sie in dengewaltigen Kuppelsaal, fünfhundert Meter tief imFelsgestein des Planetoiden Kalif. Die gewölbteDecke leuchtete auf, und sie erkannten auf demJustierungsschirm die beiden Milchstraßen mit dendazwischenliegenden Transmitterstationen.

Ihre eigene auf Kalif war besondersgekennzeichnet.

„Sie steht, von unserer Milchstraße aus gesehen,auf Empfang“, sagte Tronar. „Von hier aus gesehensendet die Station, aber nicht zur Milchstraße zurück,sondern in Richtung Andromeda. Wir könnten also...“

„Aber wir wollen noch nicht“, unterbrach ihnRhodan. „Natürlich könnten wir jetzt Andromedaerreichen - aber was wäre damit gewönnen? Wirstünden einem überlegenen Gegner gegenüber, derkeine Gnade kennt, der sogar seine eigenenVerbündeten erbarmungslos vernichtet, wenn es ihmnotwendig erscheint. Nein, bevor wir nachAndromeda gehen, müssen wir entsprechendvorbereitet sein- und wenn einige Ungeduldige auchnoch so enttäuscht sind. Also zurück zur Milchstraße,Tronar.“

„Ich meinte es nicht so, Sir. Ich deutete nur dieMöglichkeit an.“ Rhodan lächelte. „Schon gut,Tronar. Versuchen wir die Justierung.“

Rakal und Dr. Hong Kao, der Chefmathematikerder CREST traten vor an die Kontrollen der riesigenAnlage. Tronar deutete schweigend, auf eineSkalenreihe, die mit Symbolen gekennzeichnet war.Die gleichen Symbole waren oben am Kuppelschirmbei den einzelnen Transmitterstationen zu erkennen.

Die anderen blickten gespannt zur Decke empor.Ein stetes Summen erfüllte den Saal. Es wurde

stärker, als Dr. Hong Kao die Kontrollen berührteund einstellte. Er hatte sich vorher eingehend mitGrek-1 unterhalten. Diesmal sollte kein Risikoeingegangen werden. Und niemand wußte, ob eineJustierungsstation genauso arbeitete wie die andere.

Oben an der erleuchteten Kuppeldecke begannendie Lichtanzeiger zu wandern. Sie kamen vomAndromedanebel, überquerten den sternenlosenAbgrund zwischen den Galaxien und sammelten sichendlich in der Nähe des eigenenMilchstraßen-Zentrums. Sechs winzige Punktekennzeichneten den Sechsecktransmitter. Einegestrichelte Linie führte von da aus zu Kahalo. Dr.Hong Kao trat zurück. „Das wäre alles, Sir“, sagte erzu Rhodan und rieb sich die Hände. „Es ist im

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Grunde einfacher, als einen Gleiter zu steuern.“„Danke, Doktor. Es wäre nun leicht für uns, in den

Transmitter zu fliegen und mit der gesamten Flottenach Kahalo zurückzukehren, aber ich möchtevorerst darauf verzichten. Eine mühsam eroberteBastion soll man nicht einfach wieder aufgeben.Gewisse Vorbereitungen sind unerläßlich, und ichkann kein Schiff entbehren. Trotzdem werden wireins nach Kahalo entsenden, um Mercant zuunterrichten ...“

„Warum ein Schiff?“ fragte Tronar. „Ich werde dieMeldung überbringen.“

Rhodan betrachtete ihn zweifelnd. „Sie meinen...?“ „Überhaupt kein Problem, Sir. DerEntmaterialisierungsstrom bringt mich direkt zumSechsecktransmitter in der Milchstraße und von dortaus gelange ich zu den sechs Pyramiden auf Kahalo.Wenn ich es dort geschickt anstelle, fädele ich michin das allgemeine Stromversorgungsnetz ein und falleMercant direkt auf den Schreibtisch.“

„Eine sehr amüsante Vorstellung“, gab Rhodan zuund nickte langsam.

„Sie würden mir einige Sorgen abnehmen. KönnenSie schriftliche Meldungen und Befehlemitnehmen?“

„Selbstverständlich, Sir.“ „Gut. Kehren wir in dieCREST zurück. Ich denke, wir haben unsere Aufgabenun gelöst. Was weiter geschieht, hängt von derEntwicklung hier ab. Mit den Maahks. werden wiruns einigen. Wenn wir da einen schnellen Erfolgerzielen, ist das nicht zuletzt Gucky und seinergeschichtlich überlieferten Haltung vor tausendJahren zu verdanken.“

Im Hintergrund war Bewegung. Langsam schältesich die kleine Gestalt des Mausbibers aus demDunkel zwischen den Kontrollen.

„Es ist unfair“, dozierte Gucky, als er Rhodanendlich erreichte, „seine Gedanken hinter einemSperrfeld zu verbergen. Besonders dann, wenn einTelepath sie lesen möchte. Aber wie ich dich kenne,Perry, hast du das ironisch gemeint.“

„Das lag mir fern“, versicherte Rhodan ernst. „Ichwollte lediglich feststellen, daß man geschichtlicheEreignisse ohne Schwierigkeit nachträglichkonstruieren kann. Es gibt also ein Zeitparadoxa.“Gucky widersprach. „Nein, es gibt keines! Meinehistorische Mission war mir bestimmt. Zwar ist mirnicht klar, was geschehen wäre, hätten wir nichtzufällig die Zeitfalle überquert und wären in dieVergangenheit geschleudert worden, aber ich binsicher, das Endresultat hätte sich nicht geändert.“

„Man hätte nicht Von dir gesprochen - das wärealles gewesen“, eröffnete ihm Rhodan. „Es hätteniemals einen Überall-zugleich-Töter gegeben, meinLieber. Tröstet dich das?“

„Keineswegs“, gab Gucky zu und verzog sich in

den Hintergrund.Später händigte Rhodan Tronar ein Bündel Papiere

aus. Sie beide waren allein in Rhodans Kabine. DerWellensprinter verstaute die Dokumente in derBrusttasche seiner Kombination, die er unter demKampfanzug trug.

„Kann man Ihnen so etwas wie eine gute Reisewünschen, Tronar?“

„Ich glaube schon. Aber wenn es Rakal gelang, dieImpulse einer Zeitmaschine als Transportmittel zubenutzen, werde ich ja wohl die Energieströme einesMaterietransmitters ausnützen können. Sie werden esbald schon wissen, Sir, denn ich bin überzeugt, daßMercant alles Notwendige so schnell wie möglichveranlassen wird.“ Er sah auf die Uhr. „Ich muß michbeeilen, Sir, damit ich die Empfangs-Schaltphase desTransmitters auf Kahalo nicht versäume. Sonst landeich wer weiß wo.“

„Viel Glück, Tronar. Gucky bringt Sie zurJustierungsstation.“

Eine Stunde nach dieser Unterredungmaterialisierte der Mausbiber in derKommandozentrale der CREST, wo er von Rhodanmit Spannung erwartet wurde. „Er ist verschwunden,Perry, Plötzlich war er einfach nicht mehr da.Zugegeben, Tronars Fähigkeiten sind zu beneiden.Wird einfach zu einem hyperenergetischen Impulsund saust quer durchs Universum. Da komme ich mirmit meiner Teleportiererei direkt armselig vor, Nunbin ich allerdings gespannt, wann er zurückkommt -wenn er zurückkommt.“

„Er kommt zurück - er und Mercants Antwort“,sagte Rhodan und klopfte dem Mausbiber auf dieSchulter. „Du kannst dich darauf verlassen.“

Atlan stand vor den Bildschirmen. Er sah auf denmittleren, auf dem ein Teil des nahenAndromedanebels sichtbar war. Gucky trat nebenihn.

„Wir haben es bald geschafft“, meinte er.Atlan nickte langsam, ohne den Blick vom Schirm

zu nehmen.„Es wäre so einfach, so furchtbar einfach, wenn

wir wüßten, was uns dort erwartet. Wir haben denTransmitter. Wir können ihn nach Beliebeneinjustieren. Wir brauchen nur in ihn hineinzufliegen.Aber wir tun es nicht. Wir wissen auch heute nochnicht, wer die Meister der Insel sind. Was muß dasfür eine Rasse sein, die eine ganze Galaxis als Inselbezeichnet?“

Gucky entsann sich des dreidimensionalen Bildes,das er in dem abstürzenden Wrack gesehen hatte. Vortausend Jahren.

„Ja“, sagte er nachdenklich. „Was mag das für eineRasse sein ...?“ Rhodan erklärte: „Eines Tageswerden wir es wissen. Und ich hoffe, wir werdennicht zu sehr erschreckt sein.“ Atlan sah ihn an. „Das

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hoffe ich auch“, gab er leise zu.Gucky stand zwischen ihnen, klein und

unscheinbar.Er wußte plötzlich, daß er keine Furcht mehr vor

den Meistern der Insel empfand. Er war nurunbeschreiblich neugierig geworden.

*

Allan D. Mercant saß an seinem Schreibtisch. Ersah auf die Uhr.

In zwei Minuten wurde die Empfangssperre desPyramidentransmitters für zehn Sekundenaufgehoben. So sinnlos dieses Warten auch war,immer wieder ertappte sich Mercant dabei, daß er esdoch tat. Einmal mußte Rhodan und die FlotteReginald Bulls ja zurückkehren - wenn Bully Rhodangefunden hatte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen,gleich mehr als dreihundert Schiffe ins Ungewisse zuschicken. Wenn Rhodan in eine Falle geraten war,dann waren es die dreihundert Schiffe auch.

Die Tür öffnete sich. Mory Rhodan-Abro betratMercants Zimmer. Sie sah übernächtigt aus.

Langsam kam sie zu Mercant und setzte sich ineinen der Sessel. „Noch immer nichts?“ fragte sie. Erschüttelte den Kopf. „Leider nicht. Aber das besagtnoch lange nicht, daß wir uns Sorgen machenmüssen. Wir dürfen die Schwierigkeiten nichtübersehen, die mit einem solchen Unternehmenverbunden sind. Was Reginald Bull angeht ...“

„Ich bin überzeugt, daß er alles tun wird, um Perryzu finden.“ Sie lehnte sich zurück und faltete dieHände. In diesem Augenblick sah sie ganz müde undverzweifelt aus. „Aber was wissen wir, wasgeschehen ist?“

Mercant wußte nicht, was er sagen sollte. ImUmgang mit Frauen hatte er nur wenig Erfahrung.Außerdem war Mory die Frau des Chefs. DerGedanke daran hemmte ihn, seine schlimmstenVermutungen laut werden zu lassen.

Als er wieder aufsah, um Mory anzublicken,bemerkte er etwas Seltsames. Mory schaute an ihmvorbei auf einen Punkt, der hinter seinem Rückenwar. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie schienplötzlich unfähig zu sein, sich zu rühren.

Langsam drehte Mercant sich im Sessel um.Er sah direkt in Tronar Woolvers Gesicht.Mercant kannte Tronar, und er wußte, daß er zu

Rhodans Besatzung gehörte. Aber er wäre niemalsauf den Gedanken gekommen, daß es dem Mutantenmöglich war, als Energieimpuls eine Strecke von fasteiner Million Lichtjahren zurückzulegen, obwohlBully diese Möglichkeit angedeutet hatte. Er konnteim Augenblick überhaupt nichts denken. Ihm fiel nurauf, daß die einzige Tür, die zu seinem Raum führte,immer noch geschlossen war.

Tronar mußte durch die Wand gekommen sein,oder durch die Stromzufuhr.

„Ich überbringe Grüße von der CREST und derHilfsflotte“, sagte Tronar, nachdem er Mory undMercant grüßend zugenickt hatte. „Das Unternehmenverlief erfolgreich und alle sind wohlauf. DieSchaltstation ins System der Verlorenen ist fest inunserem Besitz.“ Er griff in die Tasche und holte einBündel Papiere daraus hervor. „Das sind RhodansAnordnungen für Sie, Sir.“

Mercant nahm die Papiere und legte sie vor sichauf den Tisch.

Mory war aufgesprungen. Sie ging zu Tronar undnahm seine Hand.

„Berichten Sie, Spezialist Woolver. Was wargeschehen? Wir waren zehn Tage ohne jedeNachricht. Wir haben uns Sorgen gemacht.“ Tronarlächelte. „Dazu war kein Grund vorhanden, Madam.Einige Schwierigkeiten mit derNachrichtenübermittlung, das ist alles. Trotzdemwaren wir recht froh, als Mr. Bull mit seinen Schiffenauftauchte. Wissen Sie, es gab Mißverständnisse mitden Bewohnern des Zwei-Sonnen-Systems. Siewurden inzwischen beigelegt. Wirklich kein Grundzur Beunruhigung.“

Mory sah erleichtert aus. „Gott sei Dank! Und wiekamen Sie hierher? Welches Schiff ...?“

„Ich kam mit Hilfe des Transmitters. Dort liegendie Befehle des Großadministrators. Aus ihnen wirdhervorgehen, was zu geschehen hat. Mit der Antwortwerde ich zum Chef zurückkehren. Wir haben einenBrückenkopf in Besitz genommen, direkt vor demAndromedanebel. Er ist günstiger als dasTwin-System, denn sie wurde von den Meistern derInsel längst aufgegeben. Sie rechnen nicht mitunserem Vordringen aus dieser Richtung.“

Mory hatte noch viele Fragen, und sie würde siestellen. Aber sie sah ein, daß Tronar erst mit Mercantsprechen mußte. Das ging vor. Sie stand auf.

„Ich erwarte Sie später bei mir, Tronar. Ich binneugierig ... und ich möchte wissen, wie es meinemMann geht.“

„Sobald ich hier fertig bin, komme ich, Madam“,versprach Tronar.

Mory ging. Leise schloß sie die Tür hinter sich.Mercant deutete auf den freien Sessel. Er selbst

stand auf und holte eine Flasche und zwei Gläser ausdem Schrank. Er stellte alles auf den Tisch, dann saher Tronar an.

„Berichten Sie“, bat er, nahm die Papiere undfaltete sie auseinander.

Im Geiste traf er bereits alle Vorbereitungen,Rhodans Anordnungen gewissenhaft auszuführen,auch wenn er jetzt noch körperlich passiv hinterseinem Schreibtisch saß und dem Bericht lauschte,den Tronar ihm gab.

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Er war und blieb eben ein Schreibtischstratege, wieGucky es einmal ausgedrückt hatte.Aber der beste, den man sich denken konnte.

E N D E

Die Wellensprinter überwanden Zeit und Raum - und Gucky, der „Überall-zugleich-Töter“, wurde zurmaahkschen Sagengestalt. Der Mausbiber trägt auch wesentlich dazu bei, daß der Schrotschuß-Transmitter dieAusgangsbasis für den verwegenen Vorstoß nach Andro-Beta wird.

GEHEIMSATELLIT TROJA!

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