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02/2015 CMExtra
REFLUXÖSOPHAGITIS 7
Die gastroösophageale Reflux-krankheit gehört zu denhäufigstenKrankheitsbildern in der Praxis. DasSpektrum der Erkrankung [1] istweitgefächert (EAbb.1)underfor-derteindifferenziertesVorgehen inder Diagnostik und Behandlung.Die Empfehlungen aus der im Jahre2005publiziertenFassungderLeitli-nie wurden jetzt im Rahmen einesKonsensusverfahrens unter Feder-führungderDeutschenGesellschaftfür Verdauungs- und Stoffwechsel-krankheiten (DGVS) überarbeitetund kürzlich publiziert [2]. In derNeufassung haben sich aufgrundneuer Studienergebnisse in einigenAspekten substantielle Verände-rungen ergeben. Dieser Beitragstellt daher schwerpunktmäßig vorallem diejenigen Empfehlungenheraus, bei denen sich Änderungengegenüber der vorausgegangenenFassung der Leitlinie ergeben ha-ben.Zunächst seiaberaufdenprinzipiel-lenCharakter einer Leitlinie verwie-sen: Es handelt sich um einen Kom-promiss, basierend auf gesichertenStudienergebnissen wie auch per-sönlichen Erfahrungen der an demKonsens beteiligten Experten. Dieausgesprochenen Empfehlungensind eine Orientierungshilfe undstellen einen Behandlungskorridor,aber kein „Kochbuch“ für die Praxisdar. Insofern sind AbweichungenvondengemachtenAussagenmög-lich und ggf. sogar zwingend not-wendig; es empfiehlt sich aber, insolchen Fällen die Gründe für einAbweichen von den Empfehlungender Leitlinie gut zu dokumentieren.
Diagnostik
• Anamnese weiter essentiell fürDiagnose Refluxkrankheit
• Ganzes Spektrum der Beschwer-denmuss erfragtwerden
• Thoraxschmerzen können allei-nige Manifestation von Refluxsein
• Endoskopie vor Therapieversuchfakultativ (bei Alarmsymptomenobligat)
• Funktionsdiagnostik vorwiegendindiziert bei unzureichendemTherapieerfolg
• „PPI-Test“ aus diagnostischenGründenheute obsolet
Grundpfeiler der Diagnose einerRefluxkrankheit ist weiterhin einedetaillierte Erhebung der Anamne-se. Dabei sind folgende Aspekte zuberücksichtigen und auch in derNeufassung der Leitlinie explizitaufgeführt:
• Das Leitsymptom der Reflux-krankheit ist das Sodbrennen,
das aber keineswegs spezifischfür diese Erkrankung ist. Zudemverstehen viele Patienten unterSodbrennen jedwedes Symptomim Bereich des Oberbauches. Da-her ist ggf. präzisenachzufragen,ob es sich tatsächlich um ein auf-steigendes brennendes Gefühlhinter dem Brustbein handeltoder um eine andere Beschwer-desymptomatik (z. B. wird Luft-aufstoßen von vielen Betroffe-nen als Sodbrennenbezeichnet).
• Weitere Symptome der Reflux-krankheit wie Regurgitation(sauer? bitter? Luft?) sowie epi-gastrische Schmerzen solltenebenfalls erfragtwerden.
• Thoraxschmerzenkönnen isolier-tes bzw. dominierendes Sym-ptom der Refluxkrankheit seinund folglich mehr an kardiale Er-krankungendenken lassen. Gast-roösophagealer Reflux ist diehäufigste Ursache des nicht-kar-dialen Thoraxschmerzes [3].
Die neue Leitlinie zurgastroösophagealen RefluxkrankheitHerbert Koop1 und Joachim Labenz2
1ehem. Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie, Helios Klinikum Berlin-Buch2 Medizinische Klinik, Diakonie Klinikum, Jung-Stilling-Krankenhaus, Siegen
GERD ist eine Erkrankung, bei der Re"ux von Mageninhaltbelästigende Symptome und/oder Lösionen verursacht
Symptomatische
Syndrome
Typisches Re"ux-syndrom
Re"ux-Thorax-schmerz-Syndrom
Etablierte
Assoziationen
Re"uxhustenRe"uxlaryngitisRe"uxasthmaDentale Ero-
sionen
Syndrome mit
Läsionen
Re"uxösophagitisRe"uxstriktur
Barrett- Ösophagus
Barrett-Karzinom
Mögliche
Assoziationen
SinusitisPulm. FibrosePharyngitis
Rez. Otitis media
Ösophageale Syndrome
Ösophageale Syndrome
Abb. 1: Spektrum der Refluxkrankheit (nach Vakil et al [1])
8 REFLUXÖSOPHAGITIS
CMExtra 02/2015
• Besonders bedeutungsvoll ist dasHerausarbeitenvonzusätzlichen,insbesondere bei funktionellenStörungen vorkommenden Be-schwerden. Deshalb sind geradeSymptome des Reizmagens bzw.Reizdarms wie Völlegefühl, Blä-hungen, Stuhlunregelmäßigkei-ten etc. wie auch assoziierte Be-gleiterkrankungen (z. B. Fibro-myalgie) sorgfältig zu dokumen-tieren.
Wichtigste apparative Diagnostikist die Endoskopie, denn sie gibtAufschluss über den vorliegendenSchweregradderErkrankung,Kom-plikationen bzw. auch andere Dia-gnosen am oberen Gastrointes-tinaltrakt. Die Refluxösophagitis
wird heute nach der Los Angeles-Klassifikation [4] beschrieben. Inder Indikationsstellung zur Endo-skopie hat sich aber mit der neuenLeitlinie ein Wandel vollzogen:Wurde bisher eine möglichst früheDurchführung der Gastroskopieempfohlen, falls möglich sogarnoch vor Einleitung einer Therapie,so kann heute aufgrund gut be-gründeter Daten aus entsprechen-den Studien [5] bei Fehlen vonAlarmsymptomen auf die Endosko-pie zunächst verzichtetwerdenunddie betroffenen Patienten zunächsteiner wirksamen empirischen The-rapie mit Protonenpumpeninhibi-toren (PPI) zugeführt werden: DieWahrscheinlichkeit, bösartige Er-krankung zu übersehen, ist relativ
gering und das Ergebnis der Endo-skopie hat wenig Einfluss auf dieeinzuschlagende Therapie. Zudemhat die Mehrzahl der Refluxpatien-ten keine sichtbaren entzündlichenVeränderungen (sogenannte nicht-erosive Refluxkrankheit, NERD), dieeingesetztenPPI-Dosensindbeidie-sen Patienten nicht wesentlich un-terschiedlich im Vergleich zu denje-nigen mit einer Refluxösophagitis.Patienten mit Alarmsymptomenwie Dysphagie, Odynophagie, Ge-wichtsabnahme oder Anämie soll-ten aber weiterhin unverzüglich ei-ner endoskopischen Abklärung un-terzogen werden. Auch sollte dieGastroskopie immer dann erfolgen,wenn ein Betroffener diese Unter-suchungzueinemfrühenZeitpunktwünscht (EAbb. 2).
Für die Diagnostik der Refluxkrank-heit ist die Histologie aus dem Öso-phagus ohne relevante Bedeutung– mit einer wichtigen Ausnahme:Besteht bei einem Patienten dasSymptom Dysphagie, sollten zumAusschluss einer eosinophilen Öso-phagitis 5–6 Biopsien vor allem ausdemproximalenundmittlerenÖso-phagus entnommen werden. Fürdie Diagnose des Barrett-Ösopha-gus ist naturgemäß eine histologi-sche Untersuchung unverzichtbar(s. u.). Es empfiehlt sich,Biopsienbeisymptomatischen Refluxpatientenunter einer laufenden PPI-Therapievorzunehmen, da es für den Patho-logen gelegentlich sehr schwierigsein kann, zwischen entzündlichenund neoplastischen Veränderun-gen zu differenzieren. Die Leitlinielegt eine endoskopische Untersu-chungaufeinenBarrett-Ösophagusinsbesondere bei Patientenmit lan-gebestehender Symptomatiknahe.
Aufgrund der hohen Wirksamkeitvon PPI auf die Refluxsymptomewurde über viele Jahre der PPI-Testempfohlen: Aus dem Ansprechenauf die PPI-Gabe wurde bei nicht
eindeutige Re"uxbeschwerden
(dominierend)
Akuttherapie
mit PPIEndoskopie
nicht beschwerdefrei
(nach 4 Wochen)beschwerdefrei
Bedarfstherapie
mit PPI auf Dauer
Alarmsymptome oder
Risikofaktoren oder
Patientenwunsch
Bedarfstherapie
mit PPI
mangelnde
Compliance
nicht genügend
wirksam
(Patientenurteil)
nach 6 Monaten:
zufriedenstellend
wirksamhoher PPI-Bedarf
gute
Compliance
janein
Abb. 2:Managementalgorithmus zur Abklärungund Therapie typischer Refluxbe-schwerden (aus Koop et al [2])
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REFLUXÖSOPHAGITIS 9
eindeutigem Beschwerdebild auf
das Vorliegen einer Refluxkrank-
heit geschlossen. Inzwischen liegen
zahlreicheStudienvor, diedemTest
eine sowohl unzureichende Sensiti-
vität als auch Spezifität attestieren
[6]. Daher wird der PPI-Test aus dia-
gnostischen Gründen jetzt nicht
mehr empfohlen.
In den funktionsdiagnostischen
Möglichkeiten hat sich in den letz-
ten Jahren ein rasanter Fortschritt
ergeben: Vor allem durch die Ent-
wicklung der kombinierten pH- und
Impedanzmessung kann nunmehr
auch der nicht- oder schwach-saure
Reflux erfasst werden und darüber
hinauseinezeitlicheKorrelationzwi-
schen registrierten Refluxepisoden
und den Beschwerden hergestellt
werden [7]. Diese Methode gibt so-
mit einen differenzierten pathophy-
siologischen Einblick in die individu-
elle Symptomatik.Allerdings sinddie
Kapazitäten begrenzt und vor allem
die therapeutischen Konsequenzen
in vielen Situationen noch unklar. In
der Primärdiagnostik von Refluxbe-
schwerden wird man auf die Metho-
de in aller Regel verzichten, zur wei-
teren Abklärung von Therapieversa-
gern kommt der Impedanz-pH-Mes-
sung aber ein hoher Stellenwert zu.
Dagegen spielt die Manometrie in
der Diagnostik der Refluxkrankheit
weiter keinewesentlicheRolle, son-
dern bleibt denjenigen Patienten
vorbehalten, die einer Antireflux-
operation unterzogen werden sol-
len. Bei diesem Patientenkollektiv
sollte in jedemFallpräoperativauch
eine pH-Metrie oder besser eine
kombinierte Messung von pH und
Impedanz durchgeführtwerden.
Therapie
• Differenzierte Therapieempfeh-
lungen je nachAusgangslage
• Medikamente derWahl sind Pro-
tonenpumpenblocker für jeden
Schweregrad
Medikamentöse Therapie
Primäres Therapieziel ist generell
eine zufriedenstellende Beschwer-
defreiheit des Patienten. Liegt zu-
dem eine Refluxösophagitis vor,
sollte die Behandlung auch eine
Heilungder Läsionenherbeiführen.
Medikament der Wahl [8] für alle
Schweregrade der Refluxkrankheit
ist ein Protonenpumpenblocker
(PPI) ( E Abb. 3). Dies gilt gleicher-
maßen auch für nicht endoskopier-
te Patientenmit den typischen Sym-
ptomen einer Refluxkrankheit. Die
einzuschlagende Strategie orien-
tiert sich an folgenden klinischen
Szenarien [2]:
1. Der nicht endoskopierte Patient
mit typischen Refluxbeschwer-
den. Die Akutbehandlung sollte,
wennkeineAlarmzeichenzurEn-
doskopie zwingen,mit einem PPI
in Standarddosierung behandelt
werden. Standarddosen sind 20
mg/die für Omeprazol und Rabe-
prazol, 30mg/die fürLansoprazol
und 40 mg/die für Pantoprazol
und Esomeprazol. Als Richt-
schnur fürdieDauerderTherapie
gelten vier Wochen. Tritt ein zu-
friedenstellendes Ergebnis der
Behandlung ein, kann imWeite-
ren eine Bedarfstherapie („on
demand“)mit einer halben Stan-
darddosis eines PPI erfolgen, d.h.
der Patient steuert seine Thera-
pie selbstanhandderSymptome.
Kommt es durch die Akutthera-
pieaberzukeinerweitgehenden
Beschwerdefreiheit, sollte ein
Betroffener einer endoskopi-
schen Abklärung unterzogen
werden.
Psychische
Komorbidität?
Weitere
Diagnostik
Anderer PPI
8 Wochen
Impedanz-pH
Monitoring
Empirische
Therapie
Regurgitation
Antire#ux-OP
Versagen
dominantes
Symptom
Versagen
Versagen
+ Gewichtsabnahme,
Verbesserte Schlafhygiene
GERD gesichert
GERD
nicht gesichert
pH-Metrie
(24/48 h)
negativSäure-
re#ux
schwach
saurer
Re#ux
Sodbrennen
Optimierung
PPI-Therapie
Optimierung
PPI-Therapie
+H2-Blocker
Zur Nacht
+H2-Blocker
Zur Nacht
TAD
SSRI
TAD
SSRI
Persistierendes Re#uxsyndrom
nach 4–8 Wochen PPI 1 x tgl.
Verbesserung Compliance
Optimierte Einnahme
Doppeldosis PPI (1-0-1)
8 Wochen
Abb. 3: Algorithmus zurAbklärungundTherapie persistierender Refluxbeschwerdenunter PPI-Therapie (aus Koop et al [2])
10 REFLUXÖSOPHAGITIS
CMExtra 02/2015
2. Der endoskopierte Patient ohneösophageale Läsionen (nicht-erosive Refluxkrankheit, NERD).Für diese Patientengruppe emp-fiehlt sich eine Behandlung miteinem PPI in halber Standarddo-sisübervierWochen.Beiunzurei-chendem Ansprechen auf dieTherapie kann der PPI länger ver-ordnet, die PPI-Dosis erhöht (aufmaximal 2-fache Standarddosispro Tag) oder einWechsel auf ei-nen anderen PPI vorgenommenwerden.DerGrund fürdieniedri-ge Einstiegsdosis liegt in der we-niger stark ausgeprägtenAbhän-gigkeit des Behandlungsergeb-nisses vomAusmaßder Säuresup-pression in diesem Patientenkol-lektiv. Allenfalls bei NERD-Pati-enten kann im Einzelfall alter-nativ die Gabe eines H2-Rezept-orantagonisten oder eines Anta-cidums erwogen werden, dieseSubstanzen sind aber der Wirk-samkeit eines PPI unterlegen. DieLangzeitstrategie nach erfolgrei-cher PPI-Akutbehandlung richtetsich nach dem Verlauf der Sym-ptomatik: Patienten mit mehr
schubweisem Verlauf führen insolchen symptomatischen Pha-sen wieder eine Therapie wie inder Akutbehandlung durch („in-termittierende Therapie“), an-sonsten erfolgt analog zumnichtendoskopierten Patienten eineBedarfstherapie.Wichtig ist, dassTherapieversagen bei NERD-Pa-tienten, d.h. weitgehend wir-kungslose PPI-Therapie mit ad-äquaten Dosen über acht Wo-chen, zur weiteren Abklärungführen sollte (Endoskopie mit Bi-opsie, Funktionsdiagnostik), eineAntirefluxoperation aber nur inden (seltenen) Fällen erwogenwerden sollte, wenn zweifelsfreiein pathologischer Reflux als Ur-sache der Beschwerden identifi-ziert werden kann (E Abb. 4).Handelt es sich aber um funktio-nelles Sodbrennen oder einen hy-persensitiven Ösophagus, kommteine Behandlung mit einem trizy-klischen Antidepressivum oderSSRI ggf. in Kombination mit ei-nemPPI infrage.
3. Der Patient mit einer Refluxöso-phagitis (ERD).DieBehandlung in
diesemPatientenkollektiv erfolgtmit einer PPI-Standarddosis, dieDauer ist abhängig vomSchwere-grad (vierWochenbeiGradAundB der Los Angeles-Klassifikation,acht Wochen bei Grad C und D).Ist esnachderAkuttherapie leich-ter Schweregrade zur Beschwer-defreiheit gekommen, kommtein Auslassversuch in Betracht.Ansonsten empfiehlt sich eine andem Ausmaß der Symptomatikausgerichtete Bedarfstherapie,die der Patient selbst steuert. Da-bei ermittelt der Patient die fürihn minimal wirksame PPI-Dosis(„step-down“). Bei höherenSchweregraden kann auch eineDosisreduktion angestrebt wer-den, aber hier muss häufig in derLangzeitstrategie von der Not-wendigkeit einer kontinuierli-chen, d.h. täglichen PPI-Einnah-me – wenn auch in reduzierterDosis – ausgegangen werden. Esist zu berücksichtigen, dass beisymptomarmen oder gar asymp-tomatischen Patienten mit einerRefluxösophagitis ggf. die Steue-rung der Behandlung endosko-pisch erfolgen muss; dies betriffthäufig ältere und/oder dementePatienten, bei denen die Diagno-se meist aufgrund anderer Kon-stellationen (Hämatemesis, An-ämie etc.) gestellt wird. Therapie-versager, d.h.weiter symptomati-sche Patienten trotz 8-wöchigerTherapie mit einem PPI in 2-fa-cher Standarddosis, sollten ana-log den therapierefraktärenNERD-Patienten einer weiterenDiagnostik unterzogenwerden.
4. Patienten mit Reflux-Thorax-schmerz-Syndrom. Bei dieserKonstellation sollte eine Behand-lungmit der doppelten Standard-dosis eines PPI über zwei bis vierWochen erfolgen. Je nach Thera-pieergebnis muss dann über dasweitere Vorgehen entschiedenwerden, aber auch hier sollte beiFortführung der PPI-Therapie ei-
Endoskopie
*Therapeutische Option,
die in sorgfältig ausgewählten
Einzelfällen in Betracht kommt
+Keine Symptome und keine
Läsionen: keine Therapie
Symptome±Läsionen: Therapie
wie NERD oder ERD
Andere Diagnose± GERD
PeptischeStenose
BarrettSchwere
ERD
Kontinuierlich PPI auf Dauer
Antire$ux-Operation?*
fallsunzureichend
EndoskopischeÜberwachung+
Bedarfstherapie mit PPI auf Dauer
Bougierung und volldosierter PPI
auf Dauer
LeichteERD
NERD
Abb. 4: Algorithmus zumLangzeitmanagement der gastroösophagealen Reflux-krankheit in Abhängigkeit vomendoskopischen Befund (aus Koop et al [2])
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REFLUXÖSOPHAGITIS 11
ne Dosisreduktion angestrebt
werden, soweit es die Symptoma-
tik zulässt.
5. Patient mit Reflux-induzierten
Schlafstörungen. Relativ neu ist
die Erkenntnis, dass Reflux –ohne
Auftreten von klassischen Reflux-
symptomenwienächtlichemSod-
brennen – zu Schlafstörungen
führen kann. Dieser Effekt kann
durch Schlafmittel wie Zolpidem
noch verstärkt werden. Gesicher-
te Erkenntnisse zur optimalen
Therapie existieren nicht, aber
die Gabe eines PPI in Standarddo-
sis liegt nahe, während bei positi-
vem Effekt die weitere Behand-
lung individuell ausgelegt sein
sollte.
6. Refluxbeschwerden in der
Schwangerschaft. Hier gelten die
gleichen Regeln wie bei Patien-
tinnen ohne Schwangerschaft.
Wie stets bei Medikamentenga-
benwährendderGravidität sollte
ein aufklärendes Gespräch über
Nutzen und Risiken einer Thera-
pie geführt werden. Bei geringer
Beschwerdeintensität kann im
Einzelfall die Gabe eines Antaci-
dums ausreichen, ansonsten kön-
nen sowohl H2-Rezeptorblocker
als auch PPI eingesetzt werden.
Spezifische Risiken sind für beide
Substanzklassen bisher nicht be-
kannt, wenngleich nicht mit al-
lerletzter Sicherheit ausgeschlos-
sen.
PPIgehörenzudensicherstenMedi-
kamenten mit einem sehr geringen
Nebenwirkungspotential. Dennoch
sollte immer nur dann eine – vor al-
lem längerfristige – Therapiedurch-
geführtwerden,wenn sie aufgrund
der Konstellation bei einem Patien-
ten gut begründet ist. Zu dengerin-
gen Risiken zählen u. a. infektiolo-
gische Komplikationen (gastroin-
testinale Infektionen inkl. Clostridi-
um difficile) und fraglich ein erhöh-
tes Frakturrisiko ohne Beleg für ei-
neOsteoporose.
Chirurgische Therapie
• Antirefluxoperationen nur nach
sorgfältiger präoperativer Dia-
gnostik
• Laparoskopische Operation heu-
te Standard
• Cave: Fundoplicatio bei Versa-
gern auf medikamentöse Thera-
pie
Eine operative Therapie kommt nur
dann infrage, wenn ein langfristi-
ger Therapiebedarf besteht und
entweder eineUnverträglichkeit ei-
ner medikamentösen Behandlung
vorliegt oder intolerable Restsymp-
tome (z. B. eine ausgeprägter Volu-
menreflux, der nur unzureichend
durch PPI beeinflussbar ist) beste-
hen.Die IndikationsstellungzurAn-
tirefluxchirurgie bedarf der subti-
len präoperativen Abklärung mit-
tels Manometrie, pH-Impedanz-
Messungetc [9].Heutewirdder Ein-
griff in minimal-invasiver Technik
als laparoskipische Fundoplicatio
durchgeführt. Es kommt sowohl ei-
ne 360°-Manschette (Nissen) als
auch eine partielle Fundoplicatio
(Toupet) zur Anwendung. Die Ef-
fektivität der operativen Therapie
ist der adäquaten und auch konse-
quentdurchgeführtenPPI-Therapie
vergleichbar. Essentiell bleibt die
Auswahl der Patienten, die am
meisten voneinemEingriff profitie-
ren. Besondere Vorsicht ist bei Pati-
enten geboten, die Therapieversa-
ger unter einer sachgerecht durch-
geführten PPI-Therapiewaren. Hier
muss zweifelsfrei vor einer Operati-
on geklärt werden, dass eine Re-
fluxgenese der Symptomatik zu-
grunde liegt.
ExtraösophagealeManifestationen derRefluxkrankheit
• Extraösophageale Symptome
durch Reflux ohne Sodbrennen
eher fraglich
• Bisher keingesichertes diagnosti-
sches Procedere etabliert
• Bei Verdacht zeitlich begrenzte
PPI-Therapie
In der Einschätzung, inwieweit Re-
flux ausschließlich zu extraösopha-
gealen Symptomen führen kann,
hat sich ein deutlicher Wandel voll-
zogen: Während unstrittig ist, dass
zusätzlich zu ösophagealen Sym-
ptomen wie Sodbrennen und Re-
gurgitationauchHusten,Laryngitis,
Asthma und dentale Erosionen auf-
treten können, muss stets bedacht
werden, dass diese Erkrankungen
per se schon häufig sind und nicht
unbesehen einem pathologischen
Reflux zugeschrieben werden kön-
nen. Extraösophageale Manifesta-
tionen, die tatsächlich durch Säure-
Maximale Ausdehnung der Metaplasie:M = 5 cm
8
6
4
2
0
Abstand (cm) von
GÖÜ
Circumferentielle Ausdehnung der Metaplasie: C = 2 cm
Originärer gastroösophagealer Übergang (GÖÜ): Messpunkt = 0 cm)
Abb. 5: Prag- (CM)-Klassifikation des Barrett-Ösophagus. Beispiel zeigt einen Barrett-Ösophagus C2M5
12 REFLUXÖSOPHAGITIS
CMExtra 02/2015
rückfluss ausgelöstwerden, bessernsich meist parallel mit den ösopha-gealen Symptomen. Dagegen istdie Existenz ausschließlicher extra-ösophagealer Symptome aufgrundmehrerer Metanalysen fraglich[10], zudem existiert kein gesicher-ter Diagnostikalgorithmus für dieseklinische Fragestellung. Man wirdpragmatisch bei Verdacht auf mög-liche extraösophageale Beschwer-den einen zeitlich beschränktenTherapieversuch mit einem PPIdurchführen, diese Therapie aberbei ausbleibendem Erfolg dannauchwieder beenden.
Barrett-Ösophagus
• Risiko dermalignen Transformati-on geringer als bisher angenom-men
• Kleine Barrett-Zungen bedürfenkeiner Überwachung
• Überwachung längerer Barrett-Segmente jetzt fakultativ (Risiko-adaptiert)
• Endoskopische Therapie hochgra-diger Neoplasien / mukosaler Kar-zinomeheute Standard
Die frühere Einteilung des Barrett-Ösophagus in den langen (≥ 3 cm)und kurzen (< 3 cm) ist heute ersetztdurch die CM- oder Prag-Klassifikati-on (E Abb. 5): dabei wird jeweils se-parat die Länge des circumferentiel-len (C) bzw. die maximale Länge desBarrett-Ösophagus inkl. zungenför-miger Ausläufer (M) vom gastroöso-phagealenÜbergang ausgehendbe-
stimmt. Die Hiatushernie, die bei vie-len Patienten gleichzeitig besteht,wird bei der Längenmessung nichtberücksichtigt. Die neue Klassifikati-on trägt dem Umstand Rechnung,dass die früher bestehende Grenzevon 3 cm arbiträr festgelegt wurde,aber keine klinisch relevante Größedarstellt.Dennoch steigtmitder Län-ge des Barrett-Segmentes das Risikodermalignen Transformation.Daten aus jüngst publizierten Lang-zeitstudien haben zudem deutlichgemacht, dass das Risiko der Ent-wicklung von intraepithelialen Ne-oplasien (IEN; früher Dysplasie ge-nannt) weitaus geringer ist als nochvor wenigen Jahren angenommen:Während die Vorgängerversion derRefluxleitlinie noch von einer Neo-plasieentwicklung bei 0,5 % pro Pa-tientenjahr ausging, legen jüngsteDaten ein Risiko von 0,1–0,2 % proPatientenjahr nahe [11]. Dies hat na-turgemäß Auswirkungen auf die zuergreifenden Maßnahmen zur Früh-erkennung neoplastischer Verände-rungen.
Essentiell für die Diagnose und auchRisikoabschätzung ist eine ausführli-che Biopsietechnik. Nach dem Seat-tle-Protokoll sind zunächst die Area-le in der Schleimhaut zu biopsieren,die aufgrund der Oberfläche, Farbeetc. auffällig sind. Danach müssen 4-Quadranten-Biopsien alle 2 cm, bes-ser noch alle 1 cm durchzuführen. Esmehren sich die Befunde, die eine
subtilere Beurteilung der Barrett-Schleimhaut bei Verwendung derChromoendoskopie bzw. virtuellerFärbeverfahren (computergestützteChromoendoskopie) ermöglichen,ohne jetzt schon unverzichtbarerStandard zu sein. Gerade die ausgie-bige bioptische Diagnostik in der In-dexendoskopie ist von größter Be-deutung, denn viele neoplastischeVeränderungen sind schon zu die-semZeitpunkt zu diagnostizieren.Ziel der Diagnostik (und Überwa-chung) ist die Therapie neoplasti-scher Veränderungen, die bei früh-zeitiger Diagnose endoskopischdurchführbar ist [12]. Dagegen gibtes nach dem derzeitigen Wissens-stand keine Indikation, einen nicht-neoplastischen Barrett-Ösophaguszu therapieren (z. B. durch thermi-sche Ablationsverfahren). Für die Er-kennung neoplastischer Verände-rungen ist es aber wichtig, dass vorderentsprechendenbioptischenDia-gnostik entzündliche Veränderun-gen möglichst durch eine adäquateTherapie zur Abheilung gebrachtwerden, d.h. zunächst für ca. vierWochen eine PPI-Behandlungdurch-geführt wird und erst dann die Bar-rett-Schleimhaut bioptisch unter-suchtwird (E Tab. 1).
Der Nachweis einer IEN, sei sie nied-riggradig oder hochgradig, bedarfimmer der Bestätigung durch ei-ne kompetenteReferenzpathologie,um unnötige therapeutische Maß-nahmen (z. B. bei als Neoplasie fehl-gedeuteten inflammatorischen Ver-änderungen) zu vermeiden. DasVorgehen bei niedriggradigen IEN(E Tab. 1) hängt davon ab, obes sichtbare Strukturauffälligkeitengibt (dann ist eineendoskopischeRe-sektion dieses Areals indiziert) odersolche fehlen (dannempfiehlt sichei-ne kurzfristige endoskopische Kon-trolle, alternativ kann eine thermi-sche Ablation z. B. mittels Radiofre-quenzablation (RFA) erfolgen). EinTeil der niedriggradigen IEN ist im
intraepitheliale Neoplasie
(IEN)
Leitlinie 2005 Leitlinie 2014
keine IEN keine Therapie keine Therapie
low-grade (sichtbar) endoskopische Resektion endoskopische Resektion
low-grade (histologisch) Kontrolle Kontrolle (oder RFA)
high-grade OP, PDT, ER ER + RFA
Karzinom T1m
(evtl. auch T1sm
1)
OP, PDT, ER ER + RFA
Tab. 1:Wandel der TherapiemaßnahmenbeimBarrett-Ösophagus inAbhängigkeitvon intraepithelialenNeoplasieAbkürzungen:RFA:=Radiofrequenzablation;OP=Operation (Resektion); PDT=pho-todynamische Therapie; ER = endoskopische Resektion (entwedermittelsMukosare-sektion [EMR] oder Submukosadissektion [ESD])
02/2015 CMExtra
REFLUXÖSOPHAGITIS 13
Prof. Dr. HerbertKoop
Verlauf nicht mehr nachweisbar,aber es besteht andererseits statis-tisch ein erhöhtes Risikoder Entwick-lung einer hochgradigen Neoplasie.Diese ist immer therapiebedürftig,entweder durch endoskopische Mu-kosaresektion (EMR) oder Submuko-sadissektion (ESD). Dagegen solltenzur Therapie der hochgradigenIEN ablative Verfahren (RFA, Argon-Plasma-Koagulation, photodynami-sche Therapie) nicht mehr zum Ein-satz kommen, weil durch diese Ver-fahren eine histologische Untersu-chung nicht möglich ist. Das histolo-gische Ergebnis ist aber zur genauenEinschätzung des Befundes unerläss-lich, denn nur dadurch wird ein Sta-gingderTiefeninfiltrationunddamiteine Klärung ermöglicht, ob die en-doskopische Resektion als Therapieausreicht (in30–50 %derFällemitei-ner präinterventionell diagnostizier-ten hochgradigen IEN liegt bereitsein manifestes Karzinom vor). AuchfürmukosaleKarzinome(T1m)sowiein Einzelfällen auch für Karzinome,diedieoberste Schicht der Submuko-sa infiltrieren (sm1), ist heute die en-doskopische Resektion Standard,Operationen dagegen nur dann er-forderlich, wenn entweder zusätzli-che histologische Risikofaktoren be-
stehenwie z. B. niedrigeDifferenzie-rung und/oder Invasion von Blut-oder Lymphgefäßen oder am endo-skopische Resektat eine tiefereWandinfiltration nachgewiesenwurde [12]. Um das Risiko für meta-chrone Neoplasien zu reduzieren,sollte nach erfolgreicher endoskopi-scher Therapie von Neoplasien dernicht-neoplastische Barrett-Ösopha-gus einer Ablation zugeführt wer-den, heute vorzugsweise mittelsRFA. Trotzdem muss bei Patientennach endoskopischer Therapie neo-plastischer Veränderungen ein strik-tes Follow-up erfolgen, daweiter einerhöhtes Risiko für metachrone Tu-moren besteht.Neu ist die Empfehlung für die endo-skopisch-bioptische Überwachungeines nicht-neoplastischen Barrett-Ösophagus: Während bisher ein 3-bis 4-jähriges Kontrollintervall in Ab-hängigkeit von der Länge des Bar-rett-Ösophagus empfohlen wurde,so gilt jetzt eine Empfehlung zur fa-kultativen Durchführung (E Tab. 2).Dies beruht darauf, dass die Inzidenzneoplastischer Veränderung immerweiter nach unten korrigiert werdenmusste (s. o.), wodurch die Kosten-/Nutzen-Relation ungünstiger wird,und bei subtiler Biopsie die meisten
IEN bereits während der Indexendo-skopie entdeckt werden [13]. Den-noch sollten zusätzliche Risikofakto-ren bei der Entscheidung pro odercontra Überwachung des nicht-neo-plastischen Barrett-Ösophagus ein-bezogen werden: So wird man gera-de bei einem jüngeren Patientenund/oder langem Barrett-Segmenteine Überwachung in der Regeldurchführen. Andererseits kann beisehr kurzen Barrett-Zungen (< C0M1nach der Prag-Klassifikation) ganzauf die Überwachung verzichtetwerden. Mit diesem überarbeitetenEmpfehlungen trägt die deutscheLeitlinie – im Gegensatz zu Leitlinienanderer ausländischer Fachgesell-schaften, die an strikteren Überwa-chungsprotokollen festhalten – denheute gesicherten Studienergebnis-sen Rechnung, zumal bisher ein ver-muteter Nutzen der Überwachungausschließlichauf retrospektivenUn-tersuchungen, nicht aber auf pro-spektiv erhobenenDaten fußt.
Die Literaturstellen finden Sie auf:www.cmextra.info
Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Herbert KoopTölzer Str. 2014199 BerlinFax : +49 (0)30 / 4012522E-Mail: [email protected]
Intraepitheliale Neoplasie (IEN) Überwachungsstrategie
keine IEN Kontrolle innerhalb eines Jahres, dann Überwachung fakultativ in Abhängigkeit von Risikofaktoren
niedriggradige IEN (mit und ohne endoskopische Therapie)
im ersten Jahr halbjährlich, dann jährlich
hochgradige IEN wahrscheinlich im 1. Jahr vierteljährige Kontrollen sinnvoll, im 2. Jahr halbjährlich, danach evtl. jährliche Kontrollen ausreichend
Tab. 2: Überwachungdes Barrett-Ösophagus inAbhängigkeit vomVorhandensein(und nach Therapie) einer intraepithelialenNeoplasie