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Z Rheumatol 2006 · 65:604–609
DOI 10.1007/s00393-006-0110-z
Online publiziert: 6. Oktober 2006
© Springer Medizin Verlag 2006
H.-I. Huppertz
Professor-Hess-Kinderklinik, Klinikum Bremen-Mitte
Differenzialdiagnose des Fiebers unklarer Ursache
Leitthema
Fieber gehört zu den häufigsten Grün-
den für die Vorstellung eines Kindes in
der Notfallambulanz und beim niederge-
lassenen Kinder- und Jugendarzt [5]. In
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
kann die Ursache rasch erkannt und be-
handelt werden, oft ein „viraler Infekt“,
der nach wenigen Tagen abgeklungen ist.
Die symptomatische, bei bakteriellen Er-
krankungen manchmal auch antibiotische
Therapie einschließlich Beruhigung der
Eltern wird es dem erkrankten Kind er-
leichtern, die Zeit des Krankseins zu über-
stehen und nach der Rekonvaleszenz ei-
ne vollständige Wiederherstellung zu er-
reichen [7].
In seltenen Fällen bleibt die Ursa-
che auch nach Beobachtung des fortbe-
stehenden Fiebers unklar. In dieser Situ-
ation kommt es darauf an, weitere Un-
tersuchungen in Abhängigkeit vom kli-
nischen Zustand des Kindes zu planen
und mit Gründlichkeit und Erfahrung
und manchmal auch mit etwas Intuition
zügig zu korrekter Diagnose und Thera-
pie zu kommen [8, 9].
Definition
Fieber ist keine Diagnose, sondern eines
der wichtigsten Symptome in der Pädia-
trie. Die untere Temperaturgrenze, ab der
eine erhöhte Temperatur Fieber genannt
wird, ist uneinheitlich definiert. Diese
Temperatur muss bei rektaler Messung
mindestens 38,0°C betragen.
Fieber ist die Folge einer zytokinver-
mittelten Sollwerterhöhung der Körper-
temperatur im Hirnstamm. Es kommt zur
Vasokonstriktion, die beim Säugling und
Kleinkind mit kühlen Extremitäten trotz
hoher Kerntemperatur einhergehen kann
und Zentralisation genannt wird. Der All-
gemeinzustand kann stark beeinträchtigt
sein. Bewusstseinsstörungen einschließ-
lich Halluzinationen sind möglich, unab-
hängig von der zugrunde liegenden Er-
krankung, z. B. einer Meningoenzephali-
tis. Nicht selten treten bei hohem Fieber
und beim raschen Fieberanstieg Krampf-
anfälle auf mit einem Prädilektionsalter
von 6 Monaten bis 5 Jahren. Durch den
erhöhten Flüssigkeitsverlust können die
Kinder rasch dehydrieren. Die begleiten-
de Verhaltensänderung äußert sich als
Wärmesuchen und Frösteln.
Bei der Hyperthermie hingegen ist
die Temperaturerhöhung Folge zu ho-
her Wärmeproduktion (z. B. Thyreoto-
xikose), mangelnder Wärmeableitung
(z. B. Hypo hidrose) oder exzessiver Wär-
mezufuhr von außen (z. B. zu hoch ein-
gestellter Inkubator). Hier liegt also keine
Verstellung der Solltemperatur vor, viel-
mehr wird diese überschritten. In einem
anderen Sprachgebrauch wird jede Tem-
peraturerhöhung über 41°C als Hyper-
thermie bezeichnet.
Temperaturmessung
Die Messung der Körpertemperatur er-
folgt am besten rektal mit einem da-
für geeichten Thermometer. In der Kli-
nik werden meist elektronische Geräte
mit Messkappen für den einmaligen Ge-
brauch verwandt. Wird die Temperatur
auf andere Art gemessen, müssen spezi-
fische Einschränkungen berücksichtigt
werden.
Die axillär gemessene Temperatur,
von Schulkindern oft bevorzugt, unter-
liegt großen Schwankungen und kann die
tatsächliche Temperatur auch nach langer
Kontaktzeit mit der Haut unterschätzen.
Beim initialen Temperaturanstieg kann
die axilläre Temperatur noch normal sein,
während die Kerntemperatur schon fieb-
rig ist.
Die oral gemessene Temperatur liegt et-
wa 0,3–0,6°C unter der rektal gemessenen
Temperatur und kann noch niedriger aus-
fallen bei Atmung durch den Mund oder
nach Genuss kalter Getränke.
Die Messung der Temperatur des
Trommelfells mit einem speziellen Gerät
kann die Temperatur unterschätzen, wenn
das Gerät versehentlich auf die Haut des
Gehörgangs eingestellt wird.
Fieber ohne Fokus
„Fieber ohne Fokus“ wird bei einem Pa-
tienten diagnostiziert, bei dem trotz kli-
nischer Untersuchung und Durchführung
Tab. 1 Nichtinfektiöse Ursachen von
Fieber im Kindesalter [7, 9]
Entzündliche Erkrankungen
Kawasaki-Erkrankung
Chronisch entzündliche Darmerkrankung
M. Still (systemische Form der juvenilen idio-
pathischen Arthritis)
Systemischer Lupus erythematodes
Juvenile Dermatomyositis
Purpura Schönlein-Henoch
Sarkoidose
Akutes rheumatisches Fieber
Metabolische Erkrankungen
Entgleister Diabetes mellitus
Durstfieber
Maligne Hyperthermie
Thyreotoxikose
Neoplastische Erkrankungen
Akute lymphatische Leukämie
Lymphom
Ewing-Sarkom
Neuroblastom
604 | Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2006
weiterer Untersuchungen wie Urinstix
und Röntgenthoraxaufnahme kein Ent-
zündungsherd als Ursache für das neu
aufgetretene Fieber gefunden werden
kann. Diese Art von Fieber ist beson-
ders bedeutsam in den ersten 2–3 Lebens-
jahren, da eine okkulte Bakteriämie vor-
liegen kann [1]. Die am häufigsten in der
Blutkultur gefundenen Keime sind Pneu-
mokokken, Meningokokken, Salmonellen
und bei ungeimpften Kindern Haemophi-
lus influenzae. Der Begriff „okkulte Bak-
teriämie“ bringt zum Ausdruck, dass bei
diesen Patienten der Allgemeinzustand
gut ist, also kein Hinweis für eine Sep-
sis besteht, dass keine fokale Ursache zu
finden ist, dass aber trotzdem die Gefahr
der bakteriellen Absiedlung gegeben ist
[2]. Die Ursache dafür ist die immunolo-
gische Unreife dieser Kinder in den Funk-
tionen von Neutrophilen, Makrophagen,
Milz und Opsonisierung. Orale Antibio-
tika können die Absiedelung nicht sicher
abwenden.
Persistierendes Fieber
Der Begriff „persistierendes Fieber“ be-
schreibt, dass nach der anfänglichen Di-
agnostik und evtl. auch therapeutischen
Versuchen das Fieber bestehen bleibt.
Wenn das Fieber als das eigentliche Pro-
blem erkannt wird, spricht man von
„Fieber ungeklärter Ursache“ („fever of
unknown origin“). Im Allgemeinen ist
damit Fieber gemeint, das trotz einer
Phase der Diagnostik und/oder des Ab-
wartens weiter besteht und für das kei-
ne Ursache gefunden wurde. Dabei kann
das Fieber erst seit einigen Tagen, meist
mindestens 5–7 Tage, oder bereits seit
Monaten bestehen. „Fieber ungeklär-
ter Ursache“ ist zunächst eine Arbeits-
diagnose, und es sollte alles unternom-
men werden, um die Ursache zu finden
[3]. Es kommt vor, dass auch nach lan-
gen diagnostischen Bemühungen keine
Ursache für das Fieber ungeklärter Ur-
sache gefunden werden kann; dann wird
„Fieber ungeklärter Ursache“ zur Haupt-
diagnose.
Fieber ungeklärter Ursache
Wenn die initiale Diagnose und daraus
abgeleitete Therapie nicht zum erwarteten
Verschwinden des Fiebers führen, müssen
Compliance, Therapiemodalitäten, mög-
liche Komplikationen oder ungewöhn-
liche Verlaufsformen der korrekten Dia-
gnose und die Diagnose überprüft bzw.
erwogen werden. Schließlich muss bei
fortbestehendem Fieber der Fall wieder
neu aufgerollt werden und man stellt die
Tab. 2 Ursachen des Fiebers ungeklärter Ursache mit der Gefahr einer bleibenden
Schädigung [9]
Diagnose Gefahr bei Übersehen dieser Diagnose
Sepsis Schock, Tod, fokale Schäden
Endokarditis Klappenzerstörung
Meningitis Taubheit, Hydrozephalus, Krampfleiden, Tod
Arthritis Knorpelzerstörung, Arthrose
Osteomyelitis Osteolyse
Pyelonephritis Sepsis, Hypertonie, eingeschränkte Nierenfunktion
Peritonitis Ileus, Schock, Tod, Briden
Mastoiditis Meningitis, Sinusvenenthrombose
Typhus Blutung, Perforation, Endokarditis, Meningitis, Schock, Tod
Tuberkulose Miliartuberkulose, Hydrozephalus, Tod
Kawasaki-Erkrankung Koronaraneurysmen, Infarkt, Tod
Systemischer Lupus erythema-
todes
Akutes Nierenversagen, zerebrale Krise, Tod
Hämophagozytose-/Makropha-
genaktivierungssyndrom
Zytokinsturm, Multiorganversagen, Tod
Malaria Tod
Leukämie Verschlechterung der Prognose
Lymphom Verschlechterung der Prognose
Neuroblastom Verschlechterung der Prognose
Tab. 3 Diagnostisches Vorgehen bei
Fieber ungeklärter Ursache [8, 9]
Anamnese
Vorgeschichte erneut erheben, evtl. auch von
anderen Bezugspersonen
Reiseanamnese; Tierkontakte; Medikamente;
Nahrungsgewohnheiten
Familienstammbaum
Untersuchung
Physikalische Untersuchung täglich wieder-
holen und allen Details nachgehen
Fiebermessung mehrfach täglich, evtl. auch
durch eine erfahrene Kinderkrankenschwes-
ter, evtl. nach 30 min Ruhepause
Wachstumskurven einschließlich Perzentilen
aktualisieren
Labor
Großes Blutbild mit Ausstrich
Blutchemie
Blutgase
Urin
Entzündungsparametera
Eisenstoffwechsel
Test auf okkultes Blut
Gerinnung einschließlich D-Dimere
Infektionsdiagnostik
Blutkulturen
RT23-Hauttest
Lumbalpunktion
Urin- und Stuhlkultur
Rachenabstrich
Serologie auf EBV, CMV, HIV, Hepatitisviren,
Yersinien, Toxoplasma
Apparative Untersuchungen
Röntgenthorax
Ultraschall Abdomen
EKG und Echokardiographie
EEG und kranielle Bildgebung
Augenhintergrund- und Spaltlampenunter-
suchunga Meist reichen CRP und BSG zur Verlaufsbeur-teilung der Entzündungsaktivität. Die Zytokine IL-6 und IL-8, Prokalzitonin und andere Marker sind bisher überwiegend in der Abklärung des akut aufgetretenen Fiebers bei Patienten mit iatrogener Neutropenie oder systemischem Lupus erythematodes untersucht worden. Eine Reihe weiterer Marker wie Ferritin, Fibrinogen und Haptoglobin sind als Akute-Phase-Prote-ine hochreguliert. Extrem hohe Ferritinwerte (>1000) sind in Abwesenheit einer Hämoside-rose pathognomonisch für das Hämophagozy-tosesyndrom
606 | Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2006
Leitthema
Arbeitsdiagnose „Fieber ungeklärter Ur-
sache“ [4].
Als häufigste Ursache findet sich schließ-
lich doch eine Infektion, besonders bei
Kindern unter 6 Jahren. Als zweithäufigs-
te Ursache entpuppen sich Autoimmun-
erkrankungen, besonders bei Kindern, die
älter als 6 Jahre sind. . Tab. 1 zeigt eine
Reihe nichtinfektiöser Ursachen.
Oft ist die Ursache des Fiebers kei-
ne sehr seltene Erkrankung, sondern die
Erkrankung tritt nur in ungewöhnlicher
Gestalt auf. Die Differenzialdiagnose soll-
te breit angelegt sein.
Die Behandlung von Kindern mit Fie-
ber ungeklärter Ursache gehört zu den
großen Herausforderungen des Faches,
die dem Kinderarzt die Kenntnis der ge-
Zusammenfassung · Abstract
Z. Rheumatol. 2006 · 65:604–609
DOI 10.1007/s00393-006-0110-z
© Springer Medizin Verlag 2006
H.-I. Huppertz
Differenzialdiagnose des Fiebers unklarer Ursache
Zusammenfassung
Fieber gehört zu den wichtigsten und häu-
figsten Krankheitssymptomen im Kindes-
und Jugendalter. Meist sind selbstbegrenz-
te virale oder gut behandelbare bakteriel-
le Infektionen die Ursache. Wenn sich nach
5–7 Tagen keine Ursache des fortbestehen-
den Fiebers findet, spricht man Fieber unge-
klärter Ursache, das häufig eine diagnosti-
sche Herausforderung darstellt. Bei der wei-
teren Abklärung findet sich eine Infektion, ei-
ne entzündliche Systemerkrankung, ein Ma-
lignom oder eine andere seltene Erkrankung.
Die Ursache bleibt unklar oder das Fieber ver-
schwindet schließlich doch von selbst. Das di-
agnostische Vorgehen und die symptoma-
tische Behandlung werden erläutert.
Schlüsselwörter
Fieber · Fieber ungeklärter Ursache ·
Diagnostik
Differential diagnosis in fever of unknown origin
Abstract
Fever is one of the most frequent and impor-
tant symptoms in pediatrics. Most cases are
caused by self-limiting viral or easily treat-
able bacterial infections. If after 5–7 days no
cause of the ongoing fever has been found,
the condition is termed fever of unknown or-
igin, a working diagnosis which often poses a
diagnostic challenge. The ultimate cause may
be an infectious disease, a chronic inflamma-
tory disorder, a malignancy, or another rare
disease. The cause may also remain obscure
or the fever can finally disappear. Here we
elaborate the diagnostic work-up and symp-
tomatic treatment.
Keywords
Fever · Fever of unknown origin · Diagnostic
work-up
Tab. 4 Symptomkombination mit möglicher Ursache des Fiebers ungeklärter Ursache
[8, 9]
Befund 1 Befund 2 Verdachtsdiagnose
Kopfschmerzen Erbrechen Meningitis
Eintrübung Meningitis, Typhus
Fokal-neurologischer Befund Hirnabszess, Tuberkulose
Husten Chlamydieninfektion
Husten, nasale Sprache Sinusitis
Schwellung retroau-
rikulär
Beschleunigte BSG Mastoiditis
Zustand nach Tonsillitis Schwellung im Kieferwinkel Peritonsillarabszess
Husten Expektorationen Bronchiektasen
Gewichtsabnahme Tuberkulose, Mukoviszidose
Dyspnoeanamnese Fremdkörperaspiration
Meningitis Tuberkulose, Mykoplasmeninfektion
Zustand nach Sterno-
tomie
Thoraxschmerzen Mediastinitis
Vitium cordis Petechien Endokarditis
Nephritis/Perikarditis Zytopenie Systemischer Lupus erythematodes
Perikarditis Hepatomegalie, Exanthem Still-Syndrom
Bauchschmerzen Ileus Peritonitis, perforierte Appendizitis
Wachstumsstillstand, Anämie,
Pubertas tarda
M. Crohn
Juckreiz Cholangitis
Druckschmerz Unterbauch Yersiniose, Kolitis, M. Crohn, gynäkolo-
gische Ursache
Diarrhö Salmonellose
Knochenschmerzen Metaphysärer Druckschmerz Osteomyelitis
Akute lymphatische Leukämie
Gelenkschmerzen Erguss Septische Arthritis
Rückenschmerzen Lokaler Druckschmerz Spondylodiszitis
Bewegungsschmerz Iliosakralosteomyelitis
Exanthem Hepatomegalie Still-Syndrom
Konjunktivitis Exanthem Masern
Lacklippen Kawasaki-Erkrankung
Pyurie Reiter-Syndrom
Arthritis Sarkoidose
Lymphknotenschwel-
lung
Palpation schmerzlos Lymphom
Tonsillitis Mononukleose
Toxoplasmose
Positiver RT23-Test,
unauffälliger Rönt-
genthorax
Sterile Pyurie oder Rücken-,
Bauch- oder Kopfschmerzen
Tuberkulose
Ikterus Panzytopenie, Hepatospleno-
megalie
Hämophagozytosesyndrom
Petechien Husten, Erythrozyturie Vaskulitis
607Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2006 |
samten Pädiatrie abverlangt. Nicht sel-
ten ist in dieser Situation der Kinder-
und Jugendrheumatologe der Fallführer.
Dies ist Folge der Häufigkeit chronisch
entzündlicher Erkrankungen als Ursa-
che des Fiebers, der fehlenden Organzu-
gehörigkeit des Fiebers und der notwen-
digen Kenntnis einer Vielzahl seltener
Erkrankungen. In der Abklärung muss
man auch mit dem „Unmöglichen“ rech-
nen und scheinbar unwichtigen Details
nachgehen. Es kann sinnvoll sein, den
Patienten in einer Fallkonferenz mit Ver-
tretern mehrerer pädiatrischer Diszipli-
nen zu präsentieren oder den Patienten
an ein entsprechend ausgestattetes Zen-
trum zu verlegen.
Da einige Erkrankungen zu bleibenden
Schäden führen, wenn sie nicht rasch er-
kannt und behandelt werden, sollten diese
zuerst ausgeschlossen werden (. Tab. 2;
[6]).
Im weiteren Vorgehen kommt es auf
Sorgfalt und Systematik an, damit wich-
tige Details nicht übersehen werden.
. Tab. 3 zeigt das Vorgehen. Weitere Un-
tersuchungen ergeben sich aus den Ergeb-
nissen der beschriebenen Basisuntersu-
chungen. Die in . Tab. 3 dargestellte Di-
agnostik wird man anhand der erhobenen
Daten erweitern oder abkürzen. . Tab. 4
zeigt einige typische Symptomkombinati-
onen, die auf eine mögliche Ursache des
Fiebers hinweisen.
Häufig leidet der Patient sehr unter
dem Fieber und weist Flüssigkeits- und
Energiemangel auf. Je nach Zustand kann
eine intensivmedizinische Betreuung not-
wendig sein einschließlich parenteraler
Ernährung. Zur Fiebersenkung können
frühzeitig Paracetamol, Ibuprofen und als
Reservemittel Metamizol versucht wer-
den. Bei bedrohlichem Zustand des Kin-
des kann man nach Abnahme mehre-
rer Blutkulturen eine empirische antibio-
tische Therapie versuchen.
Wenn nach mindestens 5 Tagen anti-
biotischer Therapie keine Besserung ein-
tritt, sich der Zustand des Patienten ver-
schlechtert und bereits viele Tage erfolg-
loser Suche nach der Ursache des Fiebers
vergangen sind, kann man evtl. nach Aus-
schluss einer malignen Erkrankung mit-
tels Knochenmarkspunktion und aus-
führlicher, evtl. auch externer Beratung
eine probatorische Steroidtherapie z. B.
mit 2 mg/kg Körpergewicht Prednison
in verteilten Dosen versuchen. Eine Un-
terdrückung des Fiebers durch die Stero-
ide schließt eine infektiöse Ursache nicht
aus; vielmehr sollte man weiter nach ei-
ner fokalen infektiösen Ursache der Er-
krankung suchen. Fehlendes Ansprechen
auf die Steroide schließt eine immunolo-
gische Ursache nicht aus.
Ein gutes Ansprechen auf die Steroi-
de kann für den Patienten eine Erlösung
sein, hilft aber nur z. T. bei der Diagno-
sefindung weiter. Wenn beim Ausschlei-
chen der Steroide das Fieber wiederkehrt,
man aber wegen des sich entwickelnden
Cushingoids nicht in der früher effektiven
Dosis weiterbehandeln kann, stellt sich
erneut die Frage nach der Fieberursache
und des weiteren Managements.
Ist der Patient steroidabhängig gewor-
den, kann es außerordentlich schwierig
sein, noch zu einer Diagnose zu kommen,
wenn die Diagnostik vor Beginn der Ste-
roidtherapie unzureichend war. Es bleibt
fraglich, ob nachträglich unter Steroiden
gewonnene und möglicherweise unauf-
fällige Ergebnisse überhaupt aussagekräf-
tig sind. Die allmähliche Beendigung der
Steroidtherapie kann aber auch erfolg-
reich verlaufen und das Fieber nicht wie-
derkehren, ohne dass eine Diagnose ge-
stellt werden konnte.
Rezidivierendes Fieber
„Rezidivierendes Fieber“ meint eine auf-
fällige Häufung immer wieder auftre-
tender Fieberepisoden. Dabei kommt es
auf die Beschreibung auslösender Fak-
toren (oder ihr Fehlen), die Dauer und
Tab. 5 Immundefekte als Ursache episodischen Fiebers in unterschiedlichen Lebens-
altern [9]
Zusätzliche klinische Befunde Verdachtsdiagnose
Säuglinge
Hypokalzämie, Vitium cordis, Fazies DiGeorge-Syndrom
Verspäteter Abfall der Nabelschnur (>3 Wochen)
und bakterielle Hautinfektionen
Störung der Leukozytenadhäsion
Gedeihstörung, Durchfall, Soor Schwerer kombinierter Immundefekt
Makulopapulöser Ausschlag, Hepatospleno-
megalie
Graft-vs.-host-Reaktion durch mütterliche Lym-
phozyten bei kombiniertem Immundefekt
Ekzem, Thrombopenie Wiskott-Aldrich-Syndrom
Albinismus, Neutropenie Chediak-Higashi-Syndrom
Foudroyante Sepsis mit bekapselten Bakterien Kongenitale Asplenie
Schwere bakterielle Infektionen ohne Eiter Schwere konnatale Neutropenie (Kostmann)
Kleinkinder
Progrediente Mononukleose X-chromosomal erbliche lymphoproliferative
Erkrankung
Kutane, narbenbildende Infektionen mit Sta-
phylococcus aureus
Hyper-IgE-Syndrom
Soor, Nageldystrophie, Endokrinopathien Mukokutane Candidiasis
Tiefe Haut- und Organabszesse Granulozytendefekte wie septische Granulo-
matose
Septische Infektionen durch bekapselte Bak-
terien
Asplenie
Neigung zu bakteriellen Infektionen, Pneumo-
nie, Arthritis
X-verbundene Agammaglobulinämie
Schulkinder
Pneumonien, Ataxie, Teleangiektasien Louis-Bar-Syndrom
Lymphadenopathie, Dermatitis, Pneumonien,
mangelhafte Eiterbildung
Septische Granulomatose
Rezidivierende Meningitiden Komplementdefekt, Liquorfistel
Malabsorption, Pneumonien, Splenomegalie Antikörpermangelsyndrom
Pneumonie, Durchfall IgA-Mangel (meist asymptomatisch)
Rezidivierende Pneumonien IgG-Subklassendefekt
Rezidivierende bakterielle Infekte nach unauffäl-
ligem Kleinkindalter
„Common variable immunodeficiency“ (CVID)
608 | Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2006
Leitthema
Charakterisierung einer Fieberepisode
und Dauer des symptomfreien Intervalls
an. Bei den meist genetisch fixierten epi-
sodischen Fiebersyndromen ist die Dau-
er des Intervalls variabel, nur wenige Pa-
tienten bieten tatsächlich ein periodisches
Fiebersyndrom mit strenger zeitlicher Ab-
folge.
> Bei rezidivierendem Fieber können Immunfefekte vorliegen
Bei rezidivierendem Fieber liegen zwi-
schen den Zeiten mit Fieber Intervalle
ohne Temperaturauffälligkeiten. In der
Anamneseerhebung kommt es darauf an,
das Fiebergeschehen z. B. des letzten hal-
ben Jahres zu objektivieren:
F Fieberhöhe im Verlauf,
F Fieberdauer,
F Begleitsymptome während des Fie-
bers,
F Dauer des fieberfreien Intervalls,
F Zustand des Kindes zwischen den
Fieberepisoden.
Oft ist die Anamnese unsicher und nicht
mehr korrekt zu rekonstruieren, sodass
man, wenn sich dies nicht wegen des
schlechten Zustandes des Kindes verbie-
tet, das Fieber prospektiv dokumentieren
und das Kind bei jeder weiteren Fieber-
episode erneut untersuchen wird.
Nur bei wenigen Erkrankungen wie
der zyklischen Neutropenie und dem
PFAPA-Syndrom findet man eine von der
Malaria bekannte Periodizität, also regel-
mäßige Wiederkehr der Fieberepisoden.
Die häufigste Ursache sind rezidi-
vierende Infekte z. B. bei Eintritt in den
Kinder garten. Nicht selten liegt gar kein
Fieber vor, sondern eine individuell er-
höhte Temperatur bei Bewegung am
Nachmittag. Wenn das Kind gut gedeiht,
abzulesen an einem unauffälligen Zu-
stand zwischen den Fieberepisoden und
Wachstum und Entwicklung entlang der
dem Kind charakteristischen Perzentilen,
ist ein abwartendes und prospektives Vor-
gehen hinreichend.
Liegt tatsächlich ein rezidivierendes
Fieber vor, müssen Immundefekte
(. Tab. 5) und episodische Fiebersyn-
drome (. Tab. 6) in Erwägung gezogen
werden.
Fazit für die Praxis
Das Fieber ungeklärter Ursache des Kin-
des- und Jugendalters sollte zügig und in
Kenntnis der breiten Differenzialdiagno-
se abgeklärt werden. Dies kann eine Her-
ausforderung darstellen. Wenn sich keine
Ursache findet und der Zustand des Kin-
des sich nicht bessert, kann die weitere
Versorgung unter intensivmedizinischen
Bedingungen in interdisziplinärer Zu-
sammenarbeit mehrerer pädiatrischer
Subdisziplinen in einem pädiatrischen
Zentrum der Maximalversorgung not-
wendig werden.
Korrespondierender AutorProf. Dr. H.-I. HuppertzProfessor-Hess-Kinderklinik, Klinikum Bremen-MitteSankt-Jürgen-Straße 1, 28205 [email protected]
Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkonflikt.
Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Ver-
bindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel
genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt
vertreibt, bestehen. Die Präsentation des Themas ist un-
abhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.
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München, S 23–41
Tab. 6 Episodische Fiebersyndrome [9]
Diagnose Fiebercharakteristika Assoziierte Symp-
tome
Vererbung; Genort;
Gen; Genprodukt
Familiäres Mittelmeer-
fieber (FMF)
Fieber für 1–3 Tage,
Intervall variabel
Bauchschmerzen,
Brustschmerzen, Ar-
thritis, Erysipelartiger
Ausschlag
Autosomal-rezessiv;
16p13.3; MEFV; Pyrin-
Marenostrin
Hyper-IgD-Syndrom
(HIDS)
Fieber für 3–7 Tage,
Intervall variabel
Polyarthritis, Exan-
them, Lymphadeno-
pathie
Autosomal-rezessiv;
12q24; MVK; Mevalo-
natkinase
TNF-Rezeptor-assozi-
iertes periodisches Fie-
bersyndrom (TRAPS)
Fieber für Tage bis Wo-
chen, Intervall variabel
Arthritis, Pleuritis,
Konjunktivitis
Autosomal-dominant;
12p13; Gen für TNF-
Rezeptor 1; TNF-Re-
zeptor 1
Zyklische Neutropenie Alle 18–22 Tage Fieber
für 4–8 Tage
Stomatitis Autosomal-dominant;
19; ELA2; Neutrophi-
len-Elastase 2
Periodisches Fieber,
aphthöse Stomatitis,
Pharyngitis, Adenitis
(PFAPA-) Syndrom
Fieber für 3–5 Tage,
häufig regelmäßige
Wiederkehr des Fie-
bers
Aphthen, Pharyngitis,
Lymphadenitis
Nicht erblich
Chronisches infan-
tiles neurologisches,
kutanes, artikuläres
(CINCA-) Syndroma
Rezidivierendes Fieber
variabler Dauer
Klassisch: Ausschlag
schon beim Neuge-
borenen, Papillitis,
Uveitis, Meningitis,
Innenohrschwerhörig-
keit, Arthropathie
Autosomal-dominant;
1q44; CIAS1b; Cryo-
pyrin
a Anderer Name: Neonatal beginnende multisystemisch inflammatorische Erkrankung (NOMID).b Kälteinduziertes autoinflammatorisches Syndrom 1. Ein verändertes Gen wird nur bei 1/3 der Patienten mit CINCA gefunden.
609Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2006 |