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DIPLOMARBEIT
Titel der Diplomarbeit
Die Fabel vom Lwenanteil in ihren hochdeutschen Fassungen des Mittelalters
Verfasserin
Natalie Raffetzeder
angestrebter akademischer Grad
Magistra der Philosophie (Mag.phil.)
Wien, 15. November 2010
Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 332
Studienrichtung lt. Studienblatt: Diplomstudium Deutsche Philologie UniStG
Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Leopold Hellmuth
KAlistenes der meister straffte Allexander: darumb er muste sterben. Seneca vnd Lucanius den keyser Nero: darumb sich Seneca selber muste t=ten, Lucanius wart dy tzunge getzog) durch den nacken. wie frvme die selben waren, Sust sy yr leben enten. darumb der meister hie straffet deses buches nach der poeten wise by manchem thHmen thire die seten mancher lute, der namen er nicht nennet, die selber sich wol kennen bie yren argen wercken.
(Vorwort Heinrichs von Mgeln zu Buch IV in der Gttinger Handschrift: Die Kleineren Dichtungen Heinrichs von Mgeln 1. Abt. Die Spruchsammlung.
des Gttinger Cod. Philos. 21. Hrsg. von Karl Stackmann. 3 Teilbde. Berlin 1959 (=DTM Bd. 50-52). S. 83.)
Numquam est fidelis cum potente societas. testatur haec fabella propositum meum.
(Phaedrus, Liber I, Nr. V: Lwenanteil. V. 1-2.
2Fabeln der Antike. Griechisch-Lateinisch-Deutsch. Herausgegeben und bersetzt von Harry C. Schnur.
Mnchen Zrich 1985. S. 168)
Whnt fortan jemand irrig, da auf ihn ich ziel, auf sich beziehend, was fr alle gilt, so legt er tricht blo, wie schlechts um sein Gewissen steht. Doch trotzdem mag auch dieser mir verzeihn: brandmarken will ich ja nicht Einzelne vielmehr darstellen will ich Menschenleben und moral.
(Phaedrus, Aus dem Prolog zu Liber III, V. 45-50.
2Fabeln der Antike. Griechisch-Lateinisch-Deutsch. Herausgegeben und bersetzt von Harry C. Schnur. Mnchen Zrich 1985. S. 203.)
Danksagung
Zuallererst gilt mein Dank dem Betreuer der vorliegenden Arbeit: Herrn
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Leopold Hellmuth. Fr seine zahlreichen hilfrei-
chen Hinweise, seine Geduld und sein Engagement sei ihm gedankt!
Dankeschn auch der Nationalbibliothek Wien und der Herzog August
Bibliothek Wolfenbttel.
INHALT
0. EINLEITUNG........................................................................... 1
1. DIE MITTELLATEINISCHEN QUELLENTEXTE ................................ 4
1.0. Romulus: Recensio vetus und Recensio gallicana ...................... 4
1.1. Anonymus Neveleti.................................................................... 12
2. DIE MITTELHOCHDEUTSCHEN FASSUNGEN.............................. 20
2.0. Wiener Codex 2705................................................................... 21
2.1. Boners Edelstein ....................................................................... 29
2.2. Heinrich von Mgeln .................................................................. 42
2.3. Nrnberger Prosa-sop............................................................. 56
2.4. Codex Karlsruhe 408................................................................. 66
2.5. Heinrich Steinhwels Esopus .................................................... 76
3. ZUSAMMENFASSUNG ............................................................ 85
4. AUSBLICK: DIE FABEL VOM LWENANTEIL IN DER FASSUNG VOM
GELEHRIGEN FUCHS ................................................................... 91
5. LITERATURVERZEICHNIS ....................................................... 92
6. ANHNGE.......................................................................... 100
6.0. Tabellenverzeichnis ................................................................. 100
6.1. Texte........................................................................................ 120
6.2. Abbildungen............................................................................. 121
0. EINLEITUNG
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der formalen
und inhaltlichen Aspekte der Fabel vom Lwenanteil in den hochdeut-
schen Fassungen des Mittelalters.
Vergleiche der Textgestalt werden sich auf Merkmale wie Lnge bezie-
hungsweise Krze des Textes, gemessen am Vers- bzw. Zeilenumfang,
sowie die Gliederung des Textes, gemessen an der Anzahl und Anord-
nung der Abschnitte, konzentrieren. Hierbei geht es bei der Textgattung
Fabel vor allem um die Frage nach dem Verhltnis des Erzhl- und Aus-
deutungsteiles, sowie die Anordnung des Ausdeutungsteiles im Text in
Form von Pro- und Epimythien.
In der Untersuchung werden Einsatz und Variation der Erzhlmomente
und -figuren in den Fassungen beleuchtet. Die Handlung der Fabel um-
fasst wenige inhaltliche Aspekte und ein geringfgig variierendes Tierper-
sonal, davon abgesehen, dass es sich stets um den Lwen und seine
Jagdgesellen handelt. Im fr die heutige deutschsprachige Fabelforschung
mageblichen Katalog von G. DICKE und K. GRUBMLLER findet sich
die im Folgenden zu untersuchende Fabel unter der Nr. 402 als erste von
zwei Versionen1. Ihr Inhalt wird dort folgenderweise wiedergegeben: Nach gemeinsamer Jagd beansprucht der Lwe die gesamte Beute und lsst seine wehrlosen Jagdgesellen leer ausgehen.2
Die Charakterisierung des Lwen und der mit ihm jagenden Tiere wird un-
tersucht. Attributeinsatz und die stets vorhandene direkte Rede des Lwen
werden betrachtet.
Falls eine Fabellehre expliziert wird, sollen deren Inhalt, Form und Adres-
sierung untersucht werden. Wenn im Auslegungsteil eine weitere Sinn-
1 Die Fabeln des Mittelalters und der frhen Neuzeit. Ein Katalog der deutschen Versio-nen und ihrer lateinischen Entsprechungen. Hrsg. von G. Dicke, K. Grubmller et. al. Mnchen 1987 (=Mnstersche Mittelalter-Schriften Bd. 60). S.470-475. Die 2. Version findet sich ebd., S. 475-479. 2 Ebd., S. 470.
0. Einleitung 2
ebene einbezogen wird, soll untersucht werden, ob und wie mit sprachli-
chen Mitteln eine Verknpfung zur Handlungsebene hergestellt wird.
Inwiefern sich die wichtigsten mittellateinischen Quellentexte, in der Re-
censio gallicana (Nr. 8 [I, 6])3 und Recensio vetus (Nr. 8 [I, 6])4 und im
Anonymus Neveleti (Nr. 6)5 unterscheiden, soll dann im Hauptteil zuerst
untersucht werden. Gegenstand der Untersuchung ist auch die Beziehung
zwischen den lateinischen Quellentexten und den mittelhochdeutschen
Fassungen.
Im Bereich der deutschsprachigen Bearbeitungen des Mittelalters bis 1500
sollen, der historischen Reihung des Fabelkataloges folgend, die hoch-
deutschen Fabelbearbeitungen im Wiener Codex 2705 (Bl. 168rb-va; Nr.
306), jene des Ulrich Boner (Nr. 8)7, Heinrichs von Mgeln (Nr. 63)8, im
Nrnberger Prosa-sop (Bl. 60va-61ra; Nr. 45)9, in dem Karlsruher Codex
408 (Bl. 70rb-va; Nr. 45)10 und im Esopus des Heinrich Steinhwel (Nr. 6, 1.
Teil)11 untersucht werden.
Nicht bercksichtigt werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit die nie-
derdeutschen Fassungen, sowie die nicht editierten Versionen.
3Der Lateinische sop des Romulus und die Prosa-Fassungen des Phdrus. Kritischer Text mit Kommentar und einleitenden Untersuchungen von Georg Thiele, Heidelberg 1910. S. 24, 26. 4 Ebd., S. 25, S. 27. 5 Lyoner Yzopet. Altfranzsische bersetzung des XIII. Jahrhunderts in der Mundart der France-Comt. Mit dem kritische Text des lateinischen Originals (sog. Anonymus Nevele-ti). Zum ersten Mal hrsg. von Wendelin Foerster Heilbronn 1882 (=Altfranzsische Biblio-thek Bd. 5). S. 99. 6 Die Reimpaarfabel im Sptmittelalter. Hrsg. von Bernhard Kosak, Gppingen 1977 (=Gppinger Arbeiten zur Germanistik Bd. 223). S. 499. 7 Der Edelstein von Ulrich Boner. Hrsg. von Franz Pfeiffer. Leipzig 1844 (=Dichtungen des Mittelalters Bd. 4). S. 13f. 8 Die Kleineren Dichtungen Heinrichs von Mgeln 1. Abt. Die Spruchsammlung. des Gt-tinger Cod. Philos. 21. Hrsg. von Karl Stackmann, 1. Teilband. Berlin (DDR) 1959 (=Deutsche Texte des Mittelalters Bd. 50). S. 92- 95. 9 Nrnberger Prosa- sop. Hrsg. von Klaus Grubmller. Tbingen 1994 (=Altdeutsche Textbibliothek Bd. 107). S. 74f. 10 Codex Karlsruhe 408. Bearb. von Ursula Schmid, Bern - Mnchen 1974 (=Bibliotheca Germanica Bd. 16). S. 301. 11 Steinhwels sop. Hrsg. von Hermann sterley. Tbingen 1873 (=Bibliothek des Litte-rarischen Vereins in Stuttgart Bd. 117). S. 86.
0. Einleitung 3
Aufgrund der gezogenen Epochengrenze wird zudem die berlieferung
des Fabelstoffes nach 1500 auer Acht gelassen.
In der vorliegenden Arbeit werden Informationen zu den Werken, in wel-
chen die Fassungen der Fabel vom Lwenanteil vorliegen, geboten. So-
fern der Verfasser bekannt ist, werden seine biographischen Daten gege-
ben. Da von dem Fall auszugehen ist, dass die zu untersuchenden Texte
keinen Titel aufweisen bzw. die Titel erst eine Zutat in spterer berliefe-
rung bzw. Edition darstellen, wird von der Verfasserin durchgngig der
Titel Lwenanteil angewendet. Falls ein anderer Titel in der berlieferung
bekannt ist, der auf den Fabelverfasser rekurriert, wird darauf hingewie-
sen.
Smtliche im Rahmen dieser Arbeit bercksichtigten Texte werden in den
Anhang gestellt.
1. DIE MITTELLATEINISCHEN QUELLENTEXTE 1.0. Romulus: Recensio vetus und Recensio gallicana
Den Grundstock der Fabeln, die im Mittelalter erstaunlich verbreitet waren,
schuf (nebe