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Patente auf genetische Informationen im Licht der Biodiversitätskonvention und des TRIPS-Abkommens DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft vorgelegt von Christian von Wartburg von Aarburg (Aargau) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Rainer J. Schweizer und Prof. Dr. Gérard Hertig Dissertation Nr. 3147 (Difo-Druck GmbH, Bamberg)

DISSERTATION der Universität St. Gallen,FILE/dis3147.pdf · Danke! Die vorliegende Abhandlung wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Kom-mission für Dissertationen und Diplomarbeiten

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Patente auf genetische Informationen im Licht der Biodiversitätskonvention und des TRIPS-Abkommens

D I S S E R T A T I O N

der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-,

Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft

vorgelegt von

Christian von Wartburg

von

Aarburg (Aargau)

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Rainer J. Schweizer

und

Prof. Dr. Gérard Hertig

Dissertation Nr. 3147

(Difo-Druck GmbH, Bamberg)

Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts und Sozialwissenschaften (HSG) gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 17. November 2005

Der Rektor

Prof. Ernst Mohr, PhD

Danke! Die vorliegende Abhandlung wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Kom-mission für Dissertationen und Diplomarbeiten der Universität St. Gallen ange-nommen.

Die Liste derer, denen im Zusammenhang mit der Fertigstellung meiner Doktorar-beit Dank gebührt ist lang. Viele Freundinnen und Freunde haben mir Anregungen, Unterstützung und Motivation gegeben. Ihnen allen möchte ich von Herzen danken.

Speziell bedanken möchte ich mich bei Frau lic. iur. Barbara Zimmerli für ihre mü-hevolle Korrekturlesearbeit und für ihre wertvollen Kommentare. Danken möchte ich auch Herrn lic. iur. et dipl. biol. Matthias Bürgin, der mir stets mit seinen natur-wissenschaftlichen Kenntnissen zur Seite stand und mich nicht zuletzt mit seinen Einladungen nach Guarda vielmals neu motivierte.

Danken möchte ich den Partnerninnen und Partnern meiner Anwaltskanzlei, die immer grosses Verständnis für meine Absenzen zeigten. Dr. Claude Janiak bin ich speziell verbunden für seine grosse Unterstützung bei meinem Einstieg in die Advokatur und seine vielen Ermutigungen bezüglich dieser Arbeit.

Mein besonders herzlicher und grosser Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rainer Schweizer. Er hat mit seinen vielen wertvollen Anregungen, seiner grossen und geduldigen Unterstützung und seiner stets optimistische Begleitung sehr viel zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Auch Herrn Prof. Dr. Gérard Hertig bin ich für die Übernahme des Koreferats zu grossem Dank verpflichtet.

Meine Lebenspartnerin, Frau Dr. phil. Binia Roth, stand mir bei meinem Dissertati-onsprojekt stets zur Seite. Ich danke ihr von Herzen dafür und weiss nicht, wo ich ohne ihre liebevolle und positive Motivation stünde.

Ohne die jahrelange beständige Unterstützung meiner Eltern wäre ich nie an diesem Punkt angelangt. Meine Dankbarkeit für ihr Verständnis, ihre Geduld, ihre Zuver-sicht und ihre konstante Hilfsbereitschaft ist grösser, als es sich in ein paar Worten ausdrücken lässt.

Ihnen und meiner lieben Binia ist diese Doktorarbeit gewidmet.

Basel, im September 2006 Christian von Wartburg

Zusammenfassung IV

Zusammenfassung Die Biodiversitätskonvention statuiert das souveräne Recht eines Staates, über seine genetischen Ressourcen, verfügen zu können. Gleichzeitig können die Ergebnisse moderner Bioprospektionsunterfangen mit Patenten geschützt werden. Dabei be-steht die Gefahr, dass die Herkunftsländer vom zukünftigen Profit der Produkte, welche auf ihren genetischen Rohstoffen basieren, ausgeschlossen bleiben, solange bei Patenterteilungen nicht sichergestellt wird, dass die gestützt auf die Biodiversi-tätskonvention erlassenen nationalen Zugangsvorschriften eingehalten wurden. Die Herkunftsländer fordern deshalb mehr Transparenz bei der Vergabe von Patenten und verlangen die Implementierung neuer patentrechtlicher Offenlegungspflichten bezüglich Ressourcenherkunft. Diese Forderung hat zu einem Spannungsverhältnis geführt zwischen den Vorgaben der Biodiversitätskonvention und den Normen des Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS). Diese Arbeit beschreibt die Nutzung der Vertragsauslegung als Mittel zu Harmonisierung völkerrechtlicher Verträge. Entwickelt wird die These, dass neue Offenlegungs-pflichten nicht gegen die Vorgaben des TRIPS-Abkommens verstossen, weil Of-fenlegungspflichten als Sanktionen zur Verhinderung von Verstössen gegen grund-legende Normen der Rechtsordnung gestützt auf Art. 27 Abs. 2 TRIPS zulässig sind. Zur Bestätigung der These wird einerseits ermittelt, welche Normen zur öf-fentlichen Ordnung zu zählen sind. Andererseits wird Art. 27 Abs. 2 TRIPS zur Be-stimmung des Norminhalts nach den Vorgaben der Wiener Vertragsrechtskonven-tion ausgelegt. Diese Arbeit kommt dabei zum Ergebnis, dass von einem weiten Anwendungsbereich der Norm ausgegangen werden darf und Art 27 Abs. 2 TRIPS nicht nur den Ausschluss von Erfindungen ermöglicht, deren gewerbliche Verwer-tung gegen die öffentlichen Ordnung verstösst, sondern auch Sanktionen zum Aus-schluss von Erfindungen zulässt, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öf-fentlichen Ordnung steht. Der weite Anwendungsbereich rechtfertigt sich aus zwei Gründen: Einerseits aufgrund des Gebots, dass die Rechtsordnung zumindest im Grundsätzlichen kohärent bleiben soll, andererseits kann die Zielvorgabe des TRIPS-Abkommens, die Förderung der Innovation auf eine dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohl zuträgliche Art und Weise, nur durch ein Patentrecht erfüllt werden, das effektiv sicherstellt, dass nicht diejenigen Erfinder belohnt wer-den, die sich ihren Vorsprung unter Verstoss gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung verschafft haben. Art. 27 Abs. 2 TRIPS eröffnet somit eine neue Möglichkeit, das TRIPS-Abkommen und die Biodiversitätskonvention zu koordi-nieren. Diese Koordination ermöglicht den Vertragsstaaten, patentrechtliche Of-fenlegungspflichten zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben der Biodiver-sitätskonvention einzuführen, ohne die TRIPS-Vorgaben zu verletzen.

Abstract V

Abstract The Convention on Biodiversity recognizes the sovereign rights of States over their natural resources. It gives the authority to regulate access to genetic resources to the national governments. At the same time the progress in biotechnology enables the industry to seek patent protection for the results of modern bioprospection practices. As long as patent examiners are not obliged to ensure, that access rights have been observed, the countries of origin of genetic resources risk to be excluded from the profit of products, which are based on their very own resources. As a consequence these countries demand the implementation of new transparency measures in patent law. The newly proposed disclosure requirements met resistance. It is argued, that they are not conform to the provisions of the TRIPS Agreement. This doctoral the-sis uses the means of treaty interpretation to harmonize the two agreements. Article 27.2 TRIPS is seen as a possibility to implement these two agreements in a mutu-ally supportive manner. The author argues that new disclosure requirements are within the scope of Article 27.2 TRIPS and therefore do not conflict with other ba-sic TRIPS provisions. This argument builds on the idea, that rules of the Conven-tion on Biodiversity are part of the ordre public and the assumption, that Article 27.2 TRIPS does not only allow Member States to take measures to exclude inven-tions, the commercial exploitation of which is in conflict with the ordre public, but also inventions, during the course of the development of which, the inventor breaches elementary and fundamental rules of society. To verify this assumption the meaning of Article 27.2 TRIPS is interpreted according to the rules of the Vienna Convention on the Law of Treaties. The interpretation concludes that Article 27.2 TRIPS can be construed widely. Two main reasons are identified: first the general concept, that the legal system should be fundamentally coherent; secondly the con-viction, that only a patent system, which can effectively ensure that no inventor, who breaches fundamental principles of the legal system, benefits from the grant of a patent, is true to the objective of TRIPS Agreement to promote innovation in a economically and socially sound way. The doctoral thesis concludes, that the wide interpretation of Article 27.2 TRIPS opens the possibility to coordinate the TRIPS Agreement and the Convention on Biodiversity in such a way, that new disclosure measurements - with the aim to ensure the enforcement of the objectives of the Bio-diversity Convention - are legitimate transparency measures within the permitted patent exemption possibilities foreseen by the WTO.

Inhaltsübersicht VI

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis......................................................... VIII

Abkürzungsverzeichnis..............................................XVIII

Literaturverzeichnis.................................................... XXII

Einleitung ............................................................................1

1. Teil: Grundlagen ..........................................................10

§ 1 Ausgangslage ...............................................................10

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion ...........................................26

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze ............................................................68

§ 4 Zwischenergebnis.........................................................83

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen..............89

§ 5 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Ansatz zur Harmonisierung............................................................89

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt?................92

§ 7 Koordination von TRIPS und CBD durch harmonisierende Auslegung.......................................109

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied?........................111

Inhaltsübersicht VII

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung .................................................119

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS.........................................................................127

§ 11 Ergebnis ..................................................................144

Schlussbetrachtung ........................................................145

Inhaltsverzeichnis VIII

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis VIII

Abkürzungsverzeichnis XVIII

Literaturverzeichnis XXII

A. Schrifttum XXII

B. Dokumente der Word Trade Organization XXV

C. Dokumente der Conference of the Parties der Biodiversitäts-konvention XXVI

D. Dokumente der World Intellectual Property Organization XXVII

D. Materialien XXIX

Einleitung 1

A. Einführung in die Problematik 1

B. Abgrenzungen 7

C. Gang der Arbeit 7

1. Teil: Grundlagen 10

§ 1 Ausgangslage 10

A. Access and Benefit-sharing 10

Inhaltsverzeichnis IX

B. Rechtliche Rahmenbedingungen: Biodiversitätskonvention und TRIPS-Abkommen 11

1. Allgemeines 11

2. Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity – CBD) 11

3. TRIPS-Abkommen 12

C. Interdependenz von TRIPS-Abkommen und Biodiversitätskonvention 14

D. Bedeutung des geistigen Eigentums im Bereich genetischer Ressourcen 16

E. Eingeschränkter Patentschutz für Erfindungen, die auf genetischen Ressourcen basieren? 18

1. Art. 16 Abs. 3 CBD 18

2. Vorbehalte der Industrienationen 18

3. Widerspruch zu den TRIPS-Vorgaben 19

4. Vorrang des TRIPS-Abkommens 20

5. Schlussfolgerung 22

F. Durchsetzung der vorbehaltlosen Respektierung der Zugangsvorschriften 22

G. Neue Offenlegungspflichten bei der Patentanmeldung als Lösungsansatz 23

H. Die Kompatibilität neuer Offenlegungserfordernisse mit dem TRIPS-Abkommen 23

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 26

A. Bemühungen der Welthandelsorganisation (WTO) 26

Inhaltsverzeichnis X

1. Revision von Art. 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS 26

2. Mandatierung des TRIPS-Rats durch die Welthandelsorganisation 27

3. Konkrete Forderungen der Ursprungsländer genetischer Ressourcen in deren Eingaben zuhanden des TRIPS-Rats 28

4. Bisherige Stellungnahmen der Industrienationen zuhanden des TRIPS-Rats 29

a) Europäische Union 29

b) Vereinigte Staaten von Amerika 30

c) Schweiz 31

5. Stand der Bestrebungen des TRIPS-Rats 33

6. Würdigung 35

B. Bestrebungen der Konferenz der Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention (Conference of the Parties – COP) 36

1. Allgemeines 36

2. Erste Schritte zur Klärung des Verhältnisses von TRIPS und CBD durch die COP 37

3. Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing 38

4. Bonner Richtlinien 38

a) Aufforderungen an die Geberländer in den Bonn Guidelines 39

b) Aufforderungen an die Nutzerländer 39

5. Weitere Massnahmen der COP zur Klärung der Wechselbeziehung der CBD und TRIPS 41

a) Einladung an die WIPO 41

b) Ermunterung der Vertragsparteien zur Förderung der Herkunftsangabe 41

c) Erneuerung des Mandats der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing 41

Inhaltsverzeichnis XI

6. Zweites Treffen der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing 42

7. Neue Aufgaben für die Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing 42

8. Drittes und viertes Treffen der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing 43

a) Drittes Treffen der Arbeitsgruppe (ABS 3) 43

b) Viertes Treffen der Arbeitsgruppe (ABS 4) 46

9. Würdigung 47

C. Bestrebungen der WIPO 48

1. Allgemeines zur WIPO 48

2. Arbeitsgruppe Biotechnologie 49

3. Treffen der Mitgliedstaaten der WIPO über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen 50

4. Die Einrichtung des zwischenstaatlichen Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore 50

a) Vorgeschichte 50

b) Erste Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore 52

c) Einladung an die WIPO durch die COP 6 53

5. Technische Studie der WIPO über Offenlegungserfordernisse im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen und überliefertem Wissen 54

a) Allgemeines 54

b) Konnex zwischen Erfindung und genetischer Ressource (Auslöser) 55

c) Rechtliche Grundlage eines neuen Offenlegungserfordernisses 56

d) Exkurs: clean hands-doctrine 57

(1) Bedeutung 57

Inhaltsverzeichnis XII

(2) Die clean hands-doctrine als Grundlage für eine Offenlegungspflicht 58

e) Umfang der Verpflichtung 59

f) Mögliche Sanktionen 60

g) Schlussfolgerungen der Studie 60

(1) Allgemeines 60

(2) Neue Offenlegungserfordernisse 61

6. Neue Untersuchung der WIPO zur Wechselbeziehung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und neuen Offenlegungserfordernissen bei Patentanmeldungen 62

a) Zweite Einladung zur Zusammenarbeit 62

b) Stellungnahmen einzelner Länder 63

(1) Brasilien 63

(2) Afrika 63

(3) USA 63

(4) Europäische Union 64

c) Verabschiedung und Weiterleitung der zweiten WIPO Studie 66

d) Inhalt der zweiten Studie 66

7. Würdigung 66

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 68

A. Europäische Union 68

1. Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen 68

a) Allgemeines 68

b) Kontroverse Entstehungsgeschichte von Erwägungsgrund 27 der EU-Richtlinie 68

c) Unterschiedliche Regelungen in den nationalen Umsetzungsgesetzen 70

2. Deutschland: Gesetz des deutschen Bundestages zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen 70

Inhaltsverzeichnis XIII

3. Italien: Delega al Governo in materia di protezione giuridica delle invenzioni biotecnologiche 70

4. Belgien: Revisionsentwurf für das Belgische Patentgesetz 73

5. Umsetzung der Bonner Richtlinien durch die Europäische Union 75

a) Allgemeines 75

b) Rolle von Offenlegungspflichten bei der Umsetzung der Bonner Richtlinien 75

c) Offenlegungspflicht als patentrechtliches Kriterium? 76

B. Länder der Anden-Gemeinschaft 77

a) "Common System on Access to Genetic Resources" 77

b) "Common Intellectual Property Regime" 77

C. Revision des Patentgesetzes in der Schweiz 78

1. Festhalten am Standpunkt 78

2. Umsetzung der Idee in das nationale Recht 79

3. Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens 80

4. Botschaft des Bundesrats 81

§ 4 Zwischenergebnis 83

A. Internationale Diskussion 83

B. Regionale und nationale Umsetzung 85

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 89

§ 5 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Ansatz zur Harmonisierung 89

Inhaltsverzeichnis XIV

A. Eigene These 89

B. Abgrenzungen 89

C. Begriffsbestimmungen 89

1. Substantive Conditions of Patentability 89

2. Materielle und formelle Patentierungsvoraussetzungen 90

D. Vorgehen 90

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 92

A. Anerkennung der Problematik durch die internationale Staatengemeinschaft 92

1. Spannungsverhältnis 92

2. Wille zur Problemlösung 93

B. Konkreter Ansatzpunkt: neue Offenlegungspflichten 93

1. Umfang der Verpflichtung 94

a) Herkunftsdeklaration (Declaration of Source) als Minimallösung 94

b) Nachweis des konventionskonformen Zugangs 94

c) Würdigung 95

2. Konsequenzen der Nichteinhaltung 95

a) Implementierung der Offenlegungserfordernisse als substantielle Voraussetzungen für eine Patenterteilung 96

b) Implementierung formeller Offenlegungspflichten 97

(1) Offenlegungspflichten formeller Natur im Vorschlag der Schweiz 98

(2) Formelle Offenlegungspflichten in der Europäischen Union 99

c) Implementierung rein administrativer Offenlegungspflichten 100

3. Begriffliches: Nachweisoption und Veröffentlichungsoption 100

4. Zwischenergebnis 101

Inhaltsverzeichnis XV

C. TRIPS - Schranken für neue Offenlegungserfordernisse 102

1. Allgemeines 102

2. Relevante TRIPS Normen 102

a) Art. 27. Abs. 1 TRIPS 102

(1) Nachweisoption 103

(2) Veröffentlichungsoption 104

b) Art 62 TRIPS 105

c) Art. 29 TRIPS 106

D. Fazit: Echter Normenkonflikt 107

§ 7 Koordination von TRIPS und CBD durch harmonisierende Auslegung 109

A. Revision des TRIPS-Abkommens 109

B. Koordination durch Auslegung 110

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied? 111

A. Schutz der öffentlichen Ordnung als Ansatzpunkt 111

B. Inhalt von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 111

C. Geschichtliche Entwicklung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 112

D. Weitere Konkretisierungen der Ausschlussklauseln 114

1. EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen 114

2. Neue Ausschlussklausel in der Schweiz 115

E. Die Einhaltung der öffentlichen Ordnung als Patentierungsvoraussetzung 116

1. Verbotsnormen als zusätzliche Patentierungserfordernisse 116

Inhaltsverzeichnis XVI

2. Rechtliche Ausgestaltung 116

3. Würdigung 117

F. These 117

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung 119

A. Allgemeines 119

B. Begriff der öffentlichen Ordnung 119

1. Vorgaben von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 119

a) Grundsatz 119

b) Inhalt der öffentlichen Ordnung 120

c) Weltweit einheitlicher Massstab? 121

C. Die Biodiversitätskonvention als Teil der öffentlichen Ordnung 122

1. Grundsatz 122

2. Konkrete Vorgaben für die Vertragsstaaten 123

a) Fragestellung 123

b) Art. 15 Abs. 1 CBD 123

c) Art. 15 Abs. 4 und 5 CBD 124

d) Schlussfolgerung 124

e) Doppelte Problematik bei der Missachtung der Ressourcenrechte 124

(1) Keine Verfügungsgewalt über die genetische Information 124

(2) Keine Möglichkeit der internationalen Rechtsdurchsetzung 125

D. Fazit 126

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 127

A. Allgemeines 127

Inhaltsverzeichnis XVII

B. Vorgaben des Völkerrechts bei der Auslegung von Verträgen 128

1. Zulässigkeit der Auslegung 128

2. Anwendbares Recht 129

3. Grundregeln der WVK 129

C. Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS gemäss den Vorgaben der WVK 130

1. Sprachlich-grammatikalische Interpretation 130

2. Gewöhnliche, dem Begriff commercial exploitation in dessen Zusammenhang zukommende Bedeutung 131

3. Notwendigkeit der Verhinderung der kommerziellen Verwertung einer Erfindung zum Schutz der öffentlichen Ordnung 132

4. Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS im Lichte des Zieles und Zweckes der Norm 134

5. Auslegung des Begriffs der Verwertung im Lichte späterer Übung bei der Anwendung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 136

a) Die Ausschlussklausel von Art. 6 EU-RL 137

b) Informierte Zustimmung bei menschlichem Ursprungsmaterial (Erwägungsgrund 26 der EU-RL) 138

c) Revision des Europäischen Patentübereinkommens 140

6. Bedeutung der travaux préparatoires für die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 142

D. Fazit 142

§ 11 Ergebnis 144

Schlussbetrachtung 145

Abkürzungsverzeichnis XVIII

Abkürzungsverzeichnis

a vor Gesetzen oder Artikeln: alt

A. Auflage

a.a.O. am angeführten Ort

a.M. andere Meinung

ABl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft

Abs. Absatz

Art. Artikel

BBl. Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft

Bd. Band

BGHZ Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

Bl. f. PMZ Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen

BpatG (deutsches) Bundespatengericht

Bsp. Beispiel

BV Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft

BVerfGE Entscheidungen des (deutschen) Bundesverfassungsgerichtes

bzw. beziehungsweise

ca. circa

CBD Convention on Biological Diversity (Biodiversitätskonvention)

CCPA United States Court of Customs and Patent Appeals

CIPR (British) Commission on Intellectual Property Rights

COP Conference of the Parties

d.h. das heisst

DNA desoxyribonucleic acid

Doc. Document

E. Erwägung

E.I.P.R. European Intellectual Property Review

EPA Europäisches Patentamt

Abkürzungsverzeichnis XIX

EPÜ Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 (Europäisches Patentübereinkommen)

Erw. Erwägung

et al. et alii

EU Europäische Union

EuGH Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EU-RL Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

f. folgende

F.2d Federal Reporter, Second Series

FAO Food and Agriculture Organization

ff. fortfolgende

FN Fussnote

FS Festschrift

GATT General Agreement on Tariffs and Trade

GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil

GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

hgg. herausgegeben

I.P.Q. Intellectual Property Quarterly

ICTSD International Centre for Trade and Sustainable Development

IFOAM International Federation of Organic Agriculture Movements

IGE Institut für geistiges Eigentum

IPÜ Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen

ITPGRFA International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture; Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft

IUCN International Union for Conservation of Nature and Natural Resources

LDC Least Developed Country

lit. litera, Buchstabe

Abkürzungsverzeichnis XX

m.E. meines Erachtens

Mitt. Mitteilungen der deutschen Patentanwälte

m.w.H. mit weiteren Hinweisen

MAT Mutually Agreed Terms

N. Note

OTA Office of Technology Assessment

PCT Patent Cooperation Treaty; Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens

PIC Prior Informed Consent

PLT Patent Law Treaty

PMMBl Schweizerisches Patent-, Muster- und Marken-Blatt

PPA Plant Patent Act

PTO Patent and Trademark Office

PVÜ Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz gewerblichen Eigentums

RL Richtlinie

S.Ct. Supreme Court Reporter

SR Systematische Sammlung des schweizerischen Bundesrechts

StFG Stammzellenforschungsgesetzes vom 19. Dezember 2003 (SR 810.31)

TRIPS Abkommen über handelsrelevante Aspekte des Schutzes geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights

u.a. und andere

U.S. United States Supreme Court Reports

U.S.C. United States Codes

UN United Nations

UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development

UNEP United Nations Environment Programme

UPOV International Union for the Protection of New Varieties of Plants

Abkürzungsverzeichnis XXI

USPQ United States Patent Quarterly

vgl. vergleiche

vs. / v. versus

WIPO World Intellectual Property Organization

WTO World Trade Organization

WVK Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (Wiener Vertragsrechtskonvention)

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch

Ziff. Ziffer

zit. Zitiert

Literaturverzeichnis XXII

Literaturverzeichnis

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C. Dokumente der Conference of the Parties der Biodiversitäts-konvention

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Decision II/12: Intellectual Property Rights, Second Meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 2), Jakarta, 1995.

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Report of the Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing on the Work of its Third meeting, 3. März 2005, CBD, UNEP/CBD/WG-ABS/3/7.

D. Dokumente der World Intellectual Property Organization

Brazil’s position on the principles and methodology of work that should be employed in the preparation of the response by WIPO, 16. Dezember 2004.

Communication from the African Group on CBD's Invitation to WIPO, 15. Dezember 2004.

Information Provided by WIPO Member States Concerning Practices Related to the Protection of Biotechnological Inventions, Document prepared by the Secretariat, 6. April 2001, WIPO, WIPO/GRTKF/IC/1/6.

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Matters Concerning Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore - an Overview, Document prepared by the Secretariat, 16. März 2001, WIPO, WIPO/GRTKF/IC/1/3.

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D. Materialien

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Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrages und der Ausführungsordnung vom 23. November 2005.

Disegno di legge N. 2031 (Misure per favorire l’iniziativa privata e lo sviluppo della concorrenza) der italienischen Regierung vom 28. November 2001.

Erläuternder Bericht zu Änderungen im Patentrecht vom 7. Juni 2004 (Schweiz).

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Integrating Intellectual Property Rights and Development Policy, Report of the Commission on Intellectual Property Rights, 3rd Ed., Februar 2003 (England).

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, Umsetzung der "Bonner Leitlinien" über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte und ausgewogene Beteiligung an den Vorteilen aus ihrer Nutzung im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, 23. Dezember 2003, EU, KOM (2003) 821 endgültig.

Projet de loi modifiant la loi du 28 mars 1984 sur les brevets d’invention, en ce qui concerne la brevetabilité des inventions biotechnologiques vom 21. Juni 2002 (Belgien).

Projet de loi modifiant la loi du 28 mars 1984 sur les brevets d’invention, en ce qui concerne la brevetabilité des inventions biotechnologiques vom 10. März 2005 (Belgien).

Stampato Atto Senato n. 1745 (Italien).

Stampato Atto Senato n. 1745-B (Italien).

Vorentwurf des Bundesrates für eine Teilrevision des Patentgesetzes vom 7. Juni 2004 (Schweiz).

Zweiter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 25. Januar 1996

Literaturverzeichnis XXX

Einleitung 1

Einleitung

A. Einführung in die Problematik

Am 5. Juni 1992 wurde während der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD1) abgeschlossen2. Durch diese Biodiversitätskonvention wurde nicht nur der Schutz der biologischen Vielfalt als Regelungsgegenstand in das Umweltvölkerrecht aufgenommen, es wurde auch explizit anerkannt, dass ne-ben Pflanzen und Tieren auch deren genetische Informationen wirtschaftlich nutz-bare Güter darstellen. Die Konvention wollte in umfassender Weise den geneti-schen Bestandteilen von Lebewesen als Ressourcen, die einen handelbaren Wert haben, einen Wert zuweisen3.

Diese genetischen Ressourcen werden in Art. 2 CBD definiert als genetisches Mate-rial von tatsächlichem oder potentiellem Wert. Als genetisches Material wird jedes Material pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs be-zeichnet, das funktionale Erbeinheiten enthält. Menschliche genetische Ressourcen sind explizit vom Regelwerk des Übereinkommens ausgeschlossen4.

Ein zentrales Ziel der Konvention ist, neben der Erhaltung der biologischen Viel-falt, die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung dieser Res-sourcen ergebenden Vorteile5.

Trotz der klaren Vorgaben der Konvention hat im letzten Jahrzehnt die Heftigkeit, mit der die Auseinandersetzung zwischen den industrialisierten Staaten des Nordens und den Ländern des Südens über die Frage der fairen und gerechten Aufteilung dieser Genressourcen geführt wurde, stetig zugenommen. Der Vorwurf steht im Raum, dass die Industriestaaten die Souveränität der Geberländer über deren geneti-sche Reserven missachten würden. Die Entwicklungsländer fürchten den Raub ihrer

1 Im Rahmen dieser Arbeit wird dieses Übereinkommen als "Biodiversitätskonvention" bezeichnet; auch

wird die gebräuchliche Abkürzung des englischen Titels "CBD" verwendet. 2 Übereinkommen über die biologische Vielfalt (SR 0.451.43), Ziffer 71 von 1992, in Kraft getreten am

29. Dezember 1993, ratifiziert durch die Schweiz am 19.2.1995. 3 Vgl. WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 17. 4 Vgl. dazu den Beschluss der Konferenz der Vertragsparteien der CBD: Decision II/11: Access to Genetic

Resources, Second Meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 2), Jakarta, 1995.

5 Nicht von ungefähr liegt deshalb eines der Herzstücke des Regelwerks der Konvention in einer Verbindung des Zugangs zu den genetischen Ressourcen mit der Beteiligung des Geberlandes am Ertrag der Nutzung, vgl. GÖTTING, GRUR Int. 2004, 733.

Einleitung 2

Rohstoffe und sprechen von "Bio Piracy"6.

Im Vordergrund dieser Auseinandersetzung um die neuen "Rohstoffe" stehen die pflanzlichen Genressourcen. Deren Bedeutung wird augenscheinlich, wenn man sich den Gewinn vor Augen hält, welcher die im Pharma und Agrarbereich tätigen Unternehmen mit aus Pflanzen isolierten Stoffen erzielen. Dieser liegt weltweit bei schätzungsweise 100 Milliarden USD jährlich7.

Ein Beispiel, welches die Auseinandersetzung um die Vorteile der Nutzung der pflanzlichen Genressourcen aufzeigt, ist der Streit um den Basmati Reis. 1997 hatte die amerikanische Firma RiceTec Inc. ein Patent auf bestimmte Zuchtlinien von Basmati Reis erhalten8. Dieser Reis ist ursprünglich in Indien und Pakistan beheimatet, wo er im Punjab an den Hängen des Himalajas angebaut wird. Das Zuchtmaterial hatte die Firma RiceTec Inc. gemäss eigenen Angaben teilweise von der vom amerikanischen Department of Agriculture verwalteten Genbank World Collection of Germplasm erhalten. Diese Genbank verfügt über eine vollständige Kopie der vom International Rice Research Institute in den siebziger Jahren aufge-bauten Sammlung von hunderttausend in Asien und Afrika angebauten Reissorten. Das Patent wurde in der Zwischenzeit auf Antrag der indischen Regierung einer Nachprüfung unterzogen. Das U.S. Patent and Trademark Office hat in der Zwi-schenzeit 17 der 20 Ansprüche des Patents widerrufen. Dies mit der Begründung, dass diese der Überprüfung des Neuheitserfordernisses nicht standgehalten hätten9.

Ein prominentes Beispiel10 für den Streit um die Nutzung der genetischen Ressour-cen sind auch die Neembaum Patente11, wobei hier präzisiert werden muss, dass

6 Es existiert keine verbindliche Definition des Begriffs Biopiracy. Vgl. zum Begriff und den Formen der

Biopiraterie den Bericht der britischen CIPR, Integrating Intellectual Property Rights and Development Policy, Report of the Commission on Intellectual Property Rights, 3rd Ed., Februar 2003, S. 74; dieser Bericht kann abgerufen werden unter <http://www.iprcommission.org/home.html>

7 SPRANGER, Archiv des Völkerrechts 2002, 66. 8 U.S. Patent No. 5,663,484. 9 VON HAHN, S. 277. 10 Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, welche auf diesen Konflikt hinweisen. So soll bspw. das

Pharmaunternehmen Eli Lily für ein Medikament zur Bekämpfung der Hodgkin Krankheit auf pflanzliche Ressourcen aus Madagaskar zurückgegriffen haben, eine Beteiligung des Ursprungslandes am Gewinn findet offenbar nicht statt; vgl. SPRANGER, Archiv des Völkerrechts 2002, 69; Vgl. auch die Auseinandersetzung um die Enola bean in den USA: Eine Saatgutfirma hatte mit Samen aus mexikanischen Gelbbohnen in den USA eine neue Bohnensorte entwickelt und diese Bohnen in den USA mit einem Patent geschützt (U.S. Patent No. 5,894,079). Die Saatgutfirma nutzt ihre Ausschlussrechte seither, um den Import mexikanischer Gelbbohnen zu unterbinden; vgl. DHAR/ANURADHA, The Journal of World Intellectual Property 2004, 7(5), 605.

11 Eine ganze Reihe von Neembaum basierten Produkten und Verfahren sind patentiert. Viele dieser Patente sind amerikanische Patente; einige werden von indischen Firmen gehalten, vgl. dazu VON HAHN, S. 280.

Einleitung 3

dieser Streit sich weniger um die Nutzung des genetischen Ursprungsmaterials drehte, als um die Frage von geistigem Eigentum an den Nutzungsmöglichkeiten des Baumes selber. Der Neembaum, mit botanischem Namen Azadirachta Indica, ist eine Pflanze, die in Indien auf verschiedenste Arten genutzt wird. Die Rinde des Baumes wird von vielen Indern zum Zähneputzen benutzt, dem Öl des Baumes wird kontrazeptive Wirkung zugeschrieben, ein Extrakt des Baumes wird als Mala-riamittel genutzt und die Samen des Neembaumes werden als Pestizid verwendet, indem diese aufgebrochen, in Wasser oder Alkohol aufgeweicht und die so gewon-nene Emulsion auf die Nutzpflanzen aufgetragen wird12. 1994 erhielt die amerikani-sche Firma WR Grace & Co. und das amerikanische Department of Agriculture in Europa ein Patent, das eine Methode zur Kontrolle von Pilzbefall auf Pflanzen mit Hilfe eines Fungizids schützt. Das Fungizid enthält einen wasserlöslichen Extrakt aus dem Öl dieses indischen Neembaums13. Dieses Patent stiess auf massiven Widerstand: Drei Frauen, die Europaabgeordnete für die Grünen, Magda Alvoet, die Umweltaktivistin Vandana Shiva von der Research Foundation for Science aus New Delhi und Linda Bullard, die Präsidentin der International Federation of Or-ganic Agriculture Movements (IFOAM), erhoben Einspruch. Der Einspruch wurde mit mangelnder Neuheit und mit einem Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten begründet. Im Verfahren präsentierten die Einsprecherinnen Be-weise, dass der fungizide Effekt von im Wasser aufgelösten Neembaum-Samen in Indien seit Jahrhunderten bekannt gewesen sei und dort auf breiter Ebene ange-wandt worden sei, einerseits in der ayurvedischen Medizin zu Behandlung von dermatologischen Problemen und andererseits in der Landwirtschaft zum Schutz der Nutzpflanzen vor Pilzbefall. Im Mai 2000 fand die Verhandlung vor der Ein-spruchsabteilung des Europäischen Patentamtes statt. Das Patent wurde wegen feh-lender Neuheit und vor allem auch wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit als Ganzes widerrufen. Die Patentinhaber akzeptierten die Entscheidung nicht und gin-gen in Revision. Am 8. März 2005 hat nun die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt14.

Das Problem der Umsetzung der Ziele der Biodiversitätskonvention, das zeigen 12 A.a.O., S. 279. 13 Vgl. die Europäische Patentschrift No. 0 436 257 B1. 14 Linda Bullard erklärte nach dem Entscheid erfreut: "We are deeply gratified that through our case the

European Patent Office has recognized the intellectual achievements of the South. We were able to establish, that traditional knowledge systems can be a means of establishing 'prior art' and thus be used to destroy the claims of 'novelty' and 'inventiveness' in these biopiracy patents. This now becomes case law, but the historic precedent must be further developed and transposed into overall international legal frameworks so that this type of theft is no longer possible." Mitteilung vom 9. März 2005 auf dem elektronischen Nachrichten-Dienst der Nichtregierungsorganisation GRAIN, abrufbar unter <http://www.grain.org/bio-ipr/?id=435>.

Einleitung 4

diese Beispiele deutlich, hat auch eine patentrechtliche Komponente15. Es ist des-halb eine sehr kontrovers geführte Debatte entstanden über die Frage, ob und wie das System des internationalen Immaterialgüterrechts einen Beitrag zur Umsetzung der Ziele des Übereinkommens leisten könnte16.

Interessant an der geschilderten Ausgangslage ist, dass erst die Entwicklung der Patentrechtssprechung zu biotechnologischen Erfindungen überhaupt die Möglich-keit geschaffen hat, dass das Patentrecht möglicherweise einen Beitrag zur Umset-zung der Ziele der Biodiversitätskonvention leisten kann17. Das zunehmende kommerzielle Gewicht der Biotechnologie und die Ausprägung einer entsprechen-den Industrie hatte ein grosses Interesse am rechtlichen Schutz von Produkten und Verfahren hervorgerufen. Diesem Interesse standen jedoch von Beginn an Be-fürchtungen der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der neuen Technik und Be-fürchtungen einer zu grossen Instrumentalisierung von Lebewesen entgegen. Am 16. Juni 1980 hatte der US Supreme Court in der Entscheidung Diamond v. Chakrabarty18 erstmals grünes Licht für den Patentschutz von lebenden Mikroorga-nismen gegeben. Gegenstand des umstrittenen Patents war damals ein Bakterium der Gattung Pseudomonas19. Die Besonderheit dieser damals mit grosser Spannung erwarteten Entscheidung lag darin, dass erstmals an einem lebenden Organismus

15 Der französische Ministerpräsident Jacques Chirac machte im Januar dieses Jahres anlässlich der

internationalen Konferenz "Biodiversity: Science and Gouvernance" in seiner Begrüssungsrede folgende Äusserung: "Biodiversity is an extraordinary reservoir of active principles and genes for industrial research, in particular for the chemical and pharmaceutical industries. However, the international rules presently governing intellectual property are not adapted to the situation. If protection and development of biodiversity are to make a proper contribution to growth, we must seek a new distribution of its benefits". Für eine Abschrift der Rede vgl. South Bulletin 97/98 vom 28. Februar 2005, 70 ff.

16 Vgl. Technical Study on Disclosure Requirements in Patent Systems Related to Genetic Resources and Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD).

17 Bis zur Entwicklung der modernen Biotechnologie spielten Fragen des geistigen Eigentums an Lebewesen nur eine untergeordnete Rolle. Für Pflanzenzüchtungen stand das klassische Schutzinstrument des Sortenschutzes zur Verfügung und dies schien den Bedürfnissen der Züchter zu genügen.

18 Entscheidung des US Supreme Court vom 16.6.1980 "Diamond v. Chakrabarty", 447 U.S. 303, 100 S.Ct. 2204; vgl. für eine deutsche Übersetzung GRUR Int.1980, 627 ff..

19 Das Bakterium enthielt aufgrund einer genetischen Manipulation zwei stabile energieliefernde Plasmide, welche das Bakterium in die Lage versetzten, verschiedene Komponenten von Rohöl abzubauen. Der Grund, dass sich der höchste amerikanische Gerichtshof mit dieser Erfindung auseinanderzusetzen hatte, war die Formulierung der Patentanmeldung. Diese forderte Ansprüche auf die lebenden Bakterien als solche und war aus diesem Grund auch in den unteren Instanzen jeweils gescheitert. Die Patentanmeldung des Erfinders Ananada M. Chakrabarty war bereits 1972 erfolgt. Für technische Details der Erfindung vgl. die Ausführungen der Vorinstanz: Entscheidung des CCPA vom 29. März 1979, "Application of Bergy", 596 F.2d 952 (968).

Einleitung 5

"per se" geistiges Eigentum in Form eines Patents anbegehrt worden war20. Diese Entscheidung katapultierte das Patentrecht vor allem in Europa in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die patentrechtliche Frage, ob eine Patentierung von gentechnischen Erfindungen statthaft ist und wenn ja, unter welchen Voraussetzun-gen eine derartige Patentierung erfolgen dürfe, wurde zum Kristallisationspunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Gentechnik21. Es folgte eine vehe-ment geführte, öffentliche Debatte um die Patentierung gentechnischer Erfindun-gen. In der Zwischenzeit haben jedoch die Industrieländer dem Interesse der Indust-rie umfassend und zügig durch gerichtliche Klarstellung und extensive Auslegung bestehender und Schaffung neuer Rechtsgrundlagen Rechnung getragen22. Patente für biotechnologische Erfindungen gehören heute zum Alltag der Patentämter und werden nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt.

Erst diese klare Bejahung der Frage, ob an den Errungenschaften der modernen Biotechnologie, insbesondere an genetisch rekombinierten "neuen" Lebewesen, an deren genetischer Struktur und an deren genetischem Ausgangsmaterial geistiges Eigentum begründet werden kann oder nicht, hat somit die Basis geschaffen für eine neue Fragestellung. Aktuell steht deshalb weniger die Frage im Vordergrund, ob geistige Eigentumsrechte pauschal als Instrumente der Ausbeutung abzulehnen seien oder nicht, sondern ob spezifische neue Vorschriften für Patente, welche auf genetischen Ressourcen basieren, einen Beitrag zur Umsetzung der Ziele der CBD leisten könnten23.

Konkret wird in diesem Kontext heute diskutiert, dass das Zusammenspiel von Bio-diversitätskonvention und geistigen Eigentumsrechten dadurch verbessert werden könnte, dass einem Erfinder, dessen technische Lehre, für welche er um Schutz er-sucht, auf genetischen Ressourcen basiert, zusätzliche Offenlegungspflichten auf- 20 Dies stimmt allerdings nur, wenn man von der Besonderheit des amerikanischen Rechts absieht, welches

seit der Verabschiedung des "Townsend-Purnell Plant Patent Act" [(PPA), kodifiziert in 35 U.S.C. 161-164] im Jahre 1930 Pflanzenzüchtern die Möglichkeit einräumt, für vegetativ vermehrte Pflanzen sogenannte "Plant Patents" zur erhalten. Das Erfordernis der vegetativen Vermehrung wurde dabei definiert, als "jede Reproduzierung, die keine Vermehrung durch Saatgut ist, also Vermehrung durch Pfropfen, Okulation, Stecklinge, Ableger, Teilung und dergleichen", vgl. WILLIAMS, 705 ff.).

21 Vgl. CALAME/SCHWEIZER, SJZ 1998, 173. 22 WOLFRUM/STOLL, S. 14; vgl. weiter die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des

Rates vom 6.7.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Amtsblatt Nr. L 213 vom 30.7.1998, 13 ff.) sowie die wichtige Entscheidung der grossen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes für Erfindungen im Pflanzenbereich vom 20.12.1999, "Transgene Pflanze/Novartis II". Amtsblatt EPA 3/2000, 111 ff.

23 Vgl. SHERMAN, EIPR 2003, (Issue 7), 301, welcher ausführt: " While there are many important issues with the patentability of biological inventions that remain unsolved, in the last few years commentators have begun to change the types of questions they ask, when thinking about the interaction of intellectual property and biotechnology.

Einleitung 6

erlegt werden. Der Patentanmelder soll hinsichtlich seiner Erfindung verpflichtet werden, folgende Punkte offen- bzw. vorzulegen: a.) Die Quelle jeglichen genetischen Materials, welches in der beanspruchten

Erfindung verwendet wurde;

b.) Den Nachweis, dass er die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete und informierte Zustimmung durch die zuständige nationale Behörde des Herkunftslandes eingeholt hat (prior informed consent - PIC);

c.) Die einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile zwischen dem Herkunftsland und ihm, welche sich aus der Nutzung der Ressourcen ergeben (mutually agreed terms – MAT)24.

Mit dieser Idee wird versucht, eine Brücke zwischen zwei internationalen Rege-lungssystemen zu schlagen. Entsprechend basiert die Idee weniger auf moralischen Überlegungen sondern zum einen auf dem Konzept des geistigen Eigentums, wo-nach im Gegenzug für die Schaffung von Transparenz, zeitlich limitierte Aus-schlussrechte verliehen werden25 und zum anderen auf den Vorgaben der CBD betreffend den Zugang zu genetischen Ressourcen. Nicht ganz unerwartet wurde der Gedanke dieses Brückenschlags durch neue Offenlegungspflichten jedoch nicht von allen Industriestaaten mit Begeisterung aufgenommen. Vor allem die Verei-nigten Staaten haben wiederholt erklärt, dass neue Patentierungsvoraussetzungen keinen Beitrag zur Umsetzung der Ziele der CBD leisten könnten26.

Es ist klar, dass die Einführung neuer zusätzlicher Kriterien in regionale oder natio-nale Patentvorschriften keinen internationalen Verpflichtungen zuwiderlaufen darf. Bezüglich neuer verbindlicher Offenlegungspflichten bestehen dabei in erster Linie Bedenken im Hinblick auf das Abkommen über handelsrelevante Aspekte des

24 GIRSBERGER, The Journal of World Intellectual Property 2004, 7(4), 453; CARVALHO, Washington

University Journal of Law & Policy 2000, 2, 374, welcher allerdings nur von der Offenlegung der Quelle und dem Nachweis des prior informed consent spricht; vgl. weiter Erläuternder Bericht zu Änderungen im Patentrecht vom 7. Juni 2004, S. 84 f.

25 Vgl. Technical Study on Disclosure Requirements in Patent Systems Related to Genetic Resources and Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD), S. 6: "The essence of the patent system is transparency and disclosure".

26 Zuletzt in einer Eingabe zuhanden der World Intellectual Property Organization (Proposal by the) United States of America, 17. Dezember 2004, S. 1: " While the United States supports the goals of ensuring appropriate access and prior informed consent to genetic resources and equitable benefit sharing agreements and principles, we strongly believe that new disclosure requirements in the patent system are not an effective means of achieving these goals. We believe that new disclosure requirements in the patent system would create uncertainties in the patent application process and in any patent rights granted without achieving the desired goals stated above."

Einleitung 7

Schutzes geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen)27.

Mit dieser Arbeit soll versucht werden, einen Beitrag zur Frage der Zulässigkeit der Einführung solcher neuen Offenlegungspflichten zu leisten.

B. Abgrenzungen

Obwohl neben den in der CBD adressierten genetischen Ressourcen auch das soge-nannte traditionelle Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften in dem geschil-derten Spannungsfeld steht, beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf Fragen im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen.

Im Rahmen dieser Arbeit bleiben auch etwaige Fragestellungen, welche im Zu-sammenhang stehen mit dem neu am 29. Juni 2004 in Kraft getretenen Internatio-nalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirt-schaft28 ausgeklammert. Fragen, welche sich für die spezifischen, vom Vertrag er-fassten, pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft stellen oder Fragen, die sich aufgrund des durch diesen Vertrag geschaffene vereinfachte multilaterale Zugangssystem ergeben, sind somit nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.

C. Gang der Arbeit

Diese Arbeit besteht aus zwei Teilen. Im ersten deskriptiven Teil wird zuerst ver-sucht die grundsätzliche Problemstellung und die Zusammenhänge aufzuzeigen. Dann wird der Verlauf der bisherigen internationalen Diskussion in den diversen Foren dargelegt. Der Fokus liegt dabei auf der Darstellung der Auseinandersetzung in der World Trade Organization und den Bestrebungen der Vertragskonferenz der CBD sowie der Arbeit der WIPO. Schliesslich werden einzelne regionale und nati-onale Lösungsvorschläge erörtert und gewürdigt. 27 Abkommen über handelsrelevante Aspekte des Schutzes geistigen Eigentums (SR 0.632.20, Anhang 1

C); TRIPS ist die gebräuchliche Abkürzung und nimmt Bezug auf den englischen Titel des Abkommens " Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights". Vgl. auch hinten § 1, A., 1.; Zu den Bedenken siehe bspw. Par. 48 der Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383: "... the concept of making the patentability of an invention subject to the respect of a requirement to disclose the geographical origin of genetic resources used in the invention (in cases where this information is not required under Article 29.1 TRIPS) or of a requirement to provide evidence of the access and benefit sharing rules constitutes a clear step beyond the current provisions of the TRIPS Agreement."; weiter CARVALHO, Washington University Journal of Law & Policy 2000, 2, 379 f.; VON HAHN, S. 343; WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 106.

28 International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (ITPGRFA) vom 3. November 2001, in Kraft getreten für die Schweiz am 20.2.2005 (SR. 0.910.6)

Einleitung 8

Ausgehend von dieser Betrachtung wird in einem zweiten Teil versucht, einen An-satz zur Koordination der beiden Abkommen zu finden. Dazu wird eine eigene These entwickelt und aufgestellt. Diese wird in der Folge geprüft und untersucht.

Einleitung 9

1. Teil: Grundlagen 10

1. Teil: Grundlagen

§ 1 Ausgangslage

A. Access and Benefit-sharing

Aufgrund der enormen Fortschritte, welche in der modernen Biotechnologie in den letzten Jahren erzielt wurden, haben genetische Ressourcen zunehmend an Bedeu-tung gewonnen. Der technische Fortschritt hat die Möglichkeiten einer kommer-ziellen Nutzung dieser Ressourcen stetig verbessert und verschiedene Industrie-zweige verbinden damit grosse Hoffnungen. Die Technologie und das Kapital für eine Nutzung dieser Ressourcen befindet sich zur Hauptsache in der westlichen in-dustrialisierten Welt und somit in Ländern, welche selbst keine grosse genetische Vielfalt ihr eigen nennen können29. Gleichzeitig verfügen die Ursprungsländer30 dieser genetischen Ressourcen bis dato weder über die Technologie noch über die notwendigen finanziellen Mittel, um ihren genetischen Reichtum ohne Zutun der Industrienationen kommerziell zu nutzen.

Auf den ersten Blick erscheint diese neue Ausgangslage komplementär. Die eine Seite, hat kein Ursprungsmaterial mehr, verfügt jedoch über Kapital und Know-how zu dessen Nutzung. Die andere Seite besitzt einen kaum abzuschätzenden Reichtum an biologischem Material, hat jedoch weder das Kapital noch die Technologie zu dessen kommerzieller Nutzung. Auch wäre diese Konstellation möglicherweise eine spannende Ausgangslage für eine Neugestaltung der Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd.

Wenn aber die Industriestaaten die Ergebnisse und Produkte moderner Bioprospektionsunterfangen mit Patenten schützen können, ohne dass dabei sicher-gestellt wird, dass die Herkunftsländer für die Bereitstellung der Ressourcen ent-schädigt werden, so verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten der Nutzer der Ressourcen und es besteht die Gefahr eines doppelten Verlustes für den Süden. Nicht nur bleiben bei diesem Vorgehen die Entwicklungsländer vom zukünftigen Profit der Produkte, welche auf ihren Rohstoffen basieren, ausgeschlossen, sie se-

29 Vgl. SPRANGER, GRUR 2001, 90, welcher ausführt, dass sich ca. 90% der genetischen Ressourcen der

Welt in den Entwicklungsländern befinden. 30 Im Rahmen dieser Arbeit werden für diejenigen Nationen, die über genetischen Ressourcen verfügen

und diese zur Nutzung bereitstellen, die Begriffe Ursprungsland, Geberland oder Herkunftsland verwendet.

§ 1 Ausgangslage 11

hen sich gleichzeitig mit geistigen Eigentumsrechten konfrontiert, welche ihnen die Nutzung ihren eigenen Ressourcen verbieten können.

Diese Ausgangslage wirft verschiedene Fragen auf. Sie ist Teil der aktuellen internationalen Auseinandersetzung um den Zugang zu genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen und der Aufteilung der aus deren Nutzung entstehenden Vorteile. Diese Diskussion wird unter dem englischen Fachbegriff Access and Benefit-sharing zusammengefasst.

B. Rechtliche Rahmenbedingungen: Biodiversitätskonvention

und TRIPS-Abkommen

1. Allgemeines

Im Rahmen der geschilderten Acces and Benefit-sharing-Problematik spielen auch Fragen des geistigen Eigentums eine Rolle. Dadurch ist ein Zusammenhang entstanden zwischen zwei internationalen Regelungssystemen, welche ganz unterschiedliche Gegenstände und Zielsetzungen haben31. Bei dem einen Regelwerk handelt es sich dabei um die Biodiversitätskonvention, beim anderen um das TRIPS-Abkommen32.

2. Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity – CBD)

Das internationale Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Biodiversi-tätskonvention - CBD) ist auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Jahre 1992 in Rio der Janeiro verabschiedet worden und ist neunzig Tage nach der Hinterlegung der dreissigsten Ratifikations- bzw. Beitritts-urkunde am 29. Dezember 1993 in Kraft getreten33. Die CBD wurde bis dato von 188 Parteien (Länder und internationale Organisationen) ratifiziert34. Diese Konvention stellt in zweierlei Hinsicht einen Markstein in der Entwicklung des in-ternationalen Umweltrechts dar: Zum einen geht das neue Regelwerk über die be-

31 WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 19. 32 Abkommen über handelsrelevante Aspekte des Schutzes geistigen Eigentums (SR 0.632.20, Anhang 1

C) vom 15.4.1994. Dieses sogenannte TRIPS-Abkommen ist ein Teil des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation. Es wurde abgeschlossen im Rahmen der Uruguay-Runde des Allgemeinen Zoll und Handelsabkommens GATT, in Kraft getreten am 1. Januar 1995, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 1995. TRIPS steht dabei für die Abkürzung des englischen Wortlauts des Abkommens "Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights".

33 Übereinkommen über die biologische Vielfalt (SR 0.451.43), Ziffer 71 von 1992, in Kraft getreten am 29. Dezember 1993, ratifiziert von der Schweiz am 19.2.1995.

34 Stand 1.3.2005, für den aktuellen Stand vgl. <http://www.biodiv.org/world/parties.asp>.

1. Teil: Grundlagen 12

stehenden internationalen Instrumente zum Artenschutz weit hinaus, weil die Kon-vention weder gebietsbezogen noch artenspezifisch angelegt worden war sondern die biologische Vielfalt als Ganzes global und umfassend behandelte. Zum zweiten verbindet die CBD erstmalig den Schutzansatz mit dem Gedanken der nachhaltigen Entwicklung, indem nicht nur die Konservierung der biologischen Vielfalt angesprochen wird, sondern auch Fragen der Nutzung dieser Vielfalt35.

Die Hauptziele der CBD sind dementsprechend nicht nur die Erhaltung der biolo-gischen Vielfalt, sondern auch die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung, der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen36 ergebenden Vorteile, insbesondere durch angemessenen Zugang zu diesen und der angemessenen Weitergabe der einschlägigen Technologien unter Berücksichtigung aller Rechte an den genannten Ressourcen und Technologien37.

Mit dieser Konvention wurde auch ein Schlussstrich unter die Diskussion um das Postulat der Freiheit genetischer Ressourcen gezogen. Gemäss diesem Postulat wä-ren genetische Ressourcen gemeinsames Erbe der Menschheit und müssten daher ohne Beschränkung zugänglich sein. Artikel 15 der CBD hält nun aber fest, dass, in Anbetracht der souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen Res-sourcen, die Befugnis, den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Regierungen der einzelnen Staaten liegt (Abs. 1). Weiter erfolgt gemäss dieser Norm der Ressourcenzugang, sofern er gewährt wird, zu einvernehmlich geregelten Bedingungen (Abs. 4). Schliesslich bedarf es für einen konventionskonformen Zu-gang zu genetischen Ressourcen der auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorhe-rigen Zustimmung der Vertragspartei, die die genetischen Ressourcen zur Verfü-gung stellt, sofern diese Vertragspartei nichts anderes bestimmt hat (Abs. 5).

3. TRIPS-Abkommen

Fast parallel zu dieser Entwicklung hatte die international wachsende Bedeutung von geistigen Eigentumsrechten zu Forderungen der Industriestaaten nach weiter-gehendem internationalem Schutz geführt. Dieser liess sich unter dem Dach der

35 WOLFRUM/STOLL, S. 11. 36 Genetische Ressourcen in der Definition von Art. 2 CBD, wonach genetische Ressourcen genetisches

Material von tatsächlichem oder potentiellem Wert darstellt und genetisches Material jedes Material pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen oder sonstigen Ursprung, das funktionale Erbeinheiten enthält, bedeutet. Menschliche genetische Ressourcen sind dabei explizit vom Regelwerk des Übereinkommens ausgeschlossen (vgl. auch den Beschluss der Vertragskonferenz der CBD Decision II/11: Access to Genetic Resources, Second Meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 2), Jakarta, 1995).

37 Vgl. Art. 1 CBD.

§ 1 Ausgangslage 13

Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO38 nur schwer verwirklichen, weil die bestehenden Bestimmungen der dort zusammengefassten internationalen Ver-träge keine materiell-rechtlichen Regelungen der Schutzvoraussetzungen vorsahen sondern weitestgehend die Harmonisierung der bestehenden nationalen Rechtsord-nungen betrafen. Im Zuge der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen wurde deshalb auch über ein neues Abkommen zur Verbesserung des internationalen Schutzes für Immaterialgüterrechte verhandelt. Dieses sollte im Grundsatz sicher-stellen, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geis-tigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel würden.

Am 15. April 1994 wurde in der Folge im Rahmen des Abschlusses der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen zusammen mit der Gründung der Welthandelsor-ganisation auch das Abkommen über handelsrelevante Aspekte des Schutzes geisti-gen Eigentums verabschiedet. Dieses sogenannte TRIPS39-Abkommen bildet einen der drei Pfeiler der Welthandelsorganisation (World Trade Organization; WTO)40 und ist im Anhang 1C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorgani-sation kodifiziert. Regelt die Biodiversitätskonvention Fragen des Eigentums und des Zugangs zu den genetischen Ressourcen, so regelt somit, vereinfacht formuliert, das welthandelsrechtliche TRIPS-Abkommen Fragen des Eigentums und des Zu-gangs zu neuen Technologien. Es enthält insbesondere weitergehende Regelungen zum Patentschutz als vorher international bestanden. Es werden auch erstmals mate-riellrechtliche Mindeststandards für den immaterialgüterrechtlichen Schutz von In-novationen vorgeschrieben, welche die Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisa-tion auf allen Gebieten der Technik garantieren müssen41.

Art. 27 Abs. 1 TRIPS, eine der zentralen Normen des Abkommens, bestimmt, dass Patentschutz vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 dieser Norm für Produkte und Ver-fahren in allen Gebieten der Technik gewährt werden muss, sofern diese neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Diese Bestimmung widerspiegelt, dass es während der Verhandlungen der Uruguay-

38 Die WIPO (World Intellectual Property Organization), gegründet 1967 durch das Übereinkommen zur

Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (SR. 0.230), ist eine Spezialorganisation innerhalb der UNO zur Wahrung der Interessen und Rechte von Schöpfern und Inhabern von Rechten des Geistigen Eigentums (vgl. auch unten § 3 lit. D).

39 TRIPS-Abkommen ist die gebräuchliche Abkürzung des englischen Wortlauts des Abkommens "Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights".

40 Die anderen beiden Pfeiler sind die Regelung des Warenhandels und die Regelung des Handels mit Dienstleistungen.

41 Vgl für einen umfassenden Überblick über die Normen des TRIPS-Abkommens das Resource Book on TRIPS and Development, 37, herausgegeben von der UNCTAD-ICTSD, abrufbar unter <http://www.iprsonline.org/unctadictsd/ResourceBookIndex.htm>.

1. Teil: Grundlagen 14

Runde ein Hauptziel der Industrieländer war, den Patentschutz für alle Arten von Erfindungen international als Standard einzuführen. Mit dieser Norm wurden des-halb die materiellen Schutzvoraussetzungen für Erfindungen international definiert und festgelegt.

Gleichzeitig schränkt das Abkommen die Möglichkeit zur Formulierung von Pa-tentausschlüssen ein: In Satz 2 von Art. 27 Abs. 1 TRIPS wird ein Nichtdiskrimi-nierungsverbot formuliert und den WTO Mitgliedern untersagt, die Gewährung von Patenten vom Ort der Erfindung, vom Gebiet der Technik oder der anschliessenden Produktion der mit dem Patent hergestellten Waren abhängig zu machen 42.

Diese Vorgaben von Art. 27 Abs. 1 TRIPS erfolgen explizit unter dem Vorbehalt der Absätze zwei und drei der Norm: Art. 27 Abs. 2 TRIPS enthält die Möglichkeit, eine Erfindung aus Gründen der öffentlichen Ordnung von der Patentierbarkeit aus-zuschliessen. Art. 27 Abs. 3 TRIPS enthält eine weitere Ausschlussmöglichkeit, nach der die WTO-Mitglieder die Patentierbarkeit von Erfindungen in bestimmten, besonders benannten, Bereichen ausschliessen können.

Das TRIPS-Abkommen ist als Teil der WTO-Systems für alle Mitglieder der Welt-handelsorganisation verbindlich43. Seit dem 1. Januar 2005 sind auch die für die Entwicklungsländer noch vorgesehenen Übergangsfristen abgelaufen. Einzig für die sogenannten least developed countries (LDC) gilt gemäss Art. 66 Abs. 1 TRIPS noch die Möglichkeit der Fristerstreckung für die Umsetzung des Abkommens.

C. Interdependenz von TRIPS-Abkommen und Biodiversitäts-

konvention

Der Zusammenhang zwischen den beiden internationalen Regelungssystemen TRIPS-Abkommen und Biodiversitätskonvention ist nicht auf den ersten Blick er-sichtlich. Die Biodiversitätskonvention hat als internationales Umweltschutzüber-einkommen das Ziel, sicherzustellen, dass die biologische Vielfalt bewahrt wird, das TRIPS-Abkommen soll in erster Linie einen wirksamen und ausreichenden Schutz der Rechte an geistigem Eigentum fördern.

42 Vgl. HILF/OETER, S. 455; Patentauschlusstatbestände waren bis zur Verabschiedung des TRIPS-

Abkommens weit verbreitet, wobei zu beachten ist, dass dies keineswegs nur in Entwicklungsländern der Fall war. Vgl. auch VON HAHN, S. 150.

43 Vgl. Art. II Abs. 2 des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (SR 0.632.20), welcher unter dem Titel Wirkungsbereich der WTO folgendes statuiert: "2. Die als Anhänge 1, 2 und 3 beigefügten Übereinkünfte und die dazugehörigen Rechtsinstrumente (im folgenden «Multilaterale Handelsübereinkünfte» genannt) sind Bestandteil dieses Abkommens und für alle Mitglieder verbindlich; vgl. auch STAEHELIN, S. 21 f.

§ 1 Ausgangslage 15

Eine nähere Betrachtung der beiden Regelungssysteme zeigt jedoch eine Verknüp-fung der Regelungsbereiche der beiden Abkommen. Die Biodiversitätskonvention formuliert neben der Bewahrung der Biodiversität explizit das Ziel einer ausgewo-genen und gerechten Aufteilung, der sich aus der Nutzung der genetischen Ressour-cen ergebenden Vorteile. Durch diese Zielvorgabe entsteht unweigerlich ein Kon-nex zum internationalen Immaterialgüterrecht. Dies deshalb, weil die Frage der Aufteilung der Vorteile, welche sich aus der Nutzung von genetischen Ressourcen ergeben, nicht alleine vom Umweltvölkerrecht geregelt wird, sondern in diesem Punkt auch das Immaterialgüterrecht, eine wichtige Rolle spielt. Dies aus folgenden Gründen: Das von den Normen des Immaterialgüterrechts geregelte Institut des geistigen Eigentums gewährt Rechte an der Nutzung von Informationen44. Zu die-sen geistigen Eigentumsrechten gehört insbesondere das Patentrecht, welches die Rechte in Bezug auf Erfindungen regelt45. Dieses Patentrecht hat im Hinblick auf die Nutzung der in der Biodiversitätskonvention adressierten genetischen Ressour-cen insofern eine wichtige Funktion, als dass es einem Nutzer von genetischen Res-sourcen unter gewissen Voraussetzungen Rechte zum Schutz seiner Verfahren und seiner Produkte vor Nachahmung bereitstellt. Im Vordergrund steht dabei die Mög-lichkeit eines Nutzers, für eine spezifische neue Verwendung genetischer Ressour-cen ein Patent zu erhalten. Ein solches Patent sichert dabei dem Inhaber die (zeitlich begrenzte) Ausschliesslichkeit der gewerbsmässigen Benutzung der beanspruchten Erfindung46, wobei eine Erfindung regelmässig definiert wird als eine Lehre zum technischen Handeln47. Unbestreitbar verhält es sich nun so, dass jede Gewährung eines Ausschlussrechts bezüglich der Nutzung von genetischen Ressourcen von Relevanz ist für die Frage der Aufteilung der Vorteile, welche sich daraus ergeben. Nichts anderes ergibt sich auch aus der Betrachtung der durch ein solches Patent vermittelten Herrschaftszone: Die vom Patent geschützte Erfindung ist als Lehre etwas Abstraktes und bezeichnet somit keinen Gegenstand, sie definiert vielmehr einen solchen. Als Lehre oder Regel muss die Anweisung, die der Erfinder gibt, wiederholbar sein, denn die zum Handeln anweisenden Instruktionen müssen durch die Wiederholung zum gewünschten Effekt führen. Rechtstechnisch bewirkt die Erteilung eines Patents die Einfügung der erfassten technischen Lehre in das Ver-mögen des Berechtigten durch das Mittel des absoluten subjektiven Rechts48. Die 44 Vgl. DRAHOS, S. 14 :"...intellectual property rights are rights of exploitation in information", zit. in VON

HAHN, S. 118, FN 3. 45 Für eine umfangreiche Liste möglicher Rechte geistigen Eigentums vgl. Art. 2 des Übereinkommen vom

14.7.1967 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (SR. 0.230). 46 PEDRAZZINI, S. 119. 47 A.a.O., S. 28. 48 A.a.O., S. 13.

1. Teil: Grundlagen 16

dabei vermittelte Herrschaftszone ist wesentlich grösser als jene, die das Eigentum gewährt. Dies, da die absolute Rechtsstellung nicht eine konkrete Sache, sondern etwas Abstraktes, eine Idee, eine Information erfasst, und dadurch dem Beherr-schungsrecht des Berechtigten eine ganze Kategorie von Sachen unterliegen, so bspw. bei einem Erzeugnispatent alle jene Erzeugnisse, welche die Merkmale der geschützten Erfindung aufweisen. Es ist augenscheinlich, dass ein Patent für eine Erfindung, die eine genetische Ressource betrifft, durch die damit verbundene Zusi-cherung der Ausschliesslichkeit der gewerbsmässigen Benutzung, verschiedene problematische Aspekte bezüglich der Vorgaben der CBD aufweist. Ausgehend von der Definition von Art. 2 CBD, wonach genetisches Material jedes Material pflanz-lichen, tierischen oder mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs beinhaltet, das funk-tionale Erbeinheiten enthält, stellt sich bspw. die Frage, wie die Erteilung eines aus-schliesslichen Nutzungsrechts bezüglich einer funktionalen Erbeinheit mit dem Ziel einer ausgewogenen und gerechten Teilung der Vorteile der Nutzung derselben, in Einklang zu bringen ist.

Die Ursprungsländer monieren in diesem Zusammenhang, dass die durch die Nor-men des TRIPS-Abkommens eingeführten minimalen Standards für sie die Gefahr beinhalten würden, dass ein Land, nachdem es Zugang zu seinen genetischen Res-sourcen gewährt hat, in der Folge über patentrechtliche Ausschlussrechte von der Nutzung der Ressource ausgeschlossen bleibt. Die Industrienationen sind im Ge-genzug nicht bereit, auf den durch die Normen des internationalen Patentrechts weltweit gewährleisteten Innovationsschutz für technische Neuerungen in allen Ge-bieten der Technik (und somit auch im Bereich von Innovationen, welche auf gene-tische Ressourcen zurückgehen) zu verzichten.

Diese Ausführungen zeigen, weshalb fast zwangsläufig eine Interdependenz zwi-schen den zwei unterschiedlichen Regelwerken TRIPS-Abkommen und CBD ent-standen ist. Ein weiterer Hinweis für diese Verbindung ist Art. 16 CBD: Dieser führt unter dem Titel "Zugang zur Technologie und Weitergabe der Technologie" in Absatz 5 sinngemäss aus, dass Patente und sonstige Rechte des geistigen Eigentums einen Einfluss auf die Durchführung der Konvention haben können. Die Vertrags-parteien sollten deshalb - vorbehaltlich des innerstaatlichen Rechts und des Völker-rechts - in dieser Hinsicht zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass solche Rechte die Ziele des Übereinkommens unterstützen und ihnen nicht zuwiderlaufen.

D. Bedeutung des geistigen Eigentums im Bereich genetischer

Ressourcen

Genetische Ressourcen haben eine doppelte Natur: Sie stellen auf der einen Seite

§ 1 Ausgangslage 17

physisches, biologisches Material dar. Auf der anderen Seite sind sie Träger ver-vielfältigbarer Erbinformationen. Diese Doppelnatur kann zu einem konzeptionellen Spannungsverhältnis zwischen physischem Eigentum am Keimgut einerseits und geistigem Eigentum an den unkörperlichen Erbinformationen der Ressourcen an-dererseits führen49. Es kann deshalb ein möglicher Konflikt entstehen zwischen patentrechtlichen Ausschlussrechten und den Rechten der Ursprungsländer an ihren Ressourcen, beispielsweise wenn ein Patentanmelder die Ressourcenrechte eines Ursprungslandes missachtet. Zwei Aspekte dieses Spannungsverhältnisses sind her-vorzuheben: Zum einen erfolgt die Nutzung von genetischen Ressourcen haupt-sächlich zum Zweck, neue Produkte und Verfahren zu entwickeln. Diese können und werden regelmässig durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt. Zum Zweiten liegt der wirtschaftliche Wert von genetischen Ressourcen aufgrund der Entwicklung der Biotechnologie weniger im biologischen Material, als vor allem in der genetischen Information, welche unter gewissen Voraussetzungen mittels Pa-tenten geschützt werden kann50.

Diese Ausgangslage gestattet die Feststellung, dass Patente für die Ergebnisse der Nutzung genetischer Ressourcen eine wichtige Funktion zur Sicherung der daraus resultierenden Vorteile darstellen. So kann davon ausgegangen werden, dass bspw. ein Pharmaunternehmen aufgrund der hohen Kosten, die mit der Entwicklung eines neuen Medikaments, das auf der Nutzung genetischer Ressourcen beruht, verbun-den sind, sich auf ein solches Unterfangen nur einlässt, wenn im Gegenzug das al-leinige Recht der Verwertung patentrechtlich gesichert werden kann. Aufgrund dieser konkreten Interaktion hat eine weitreichende Debatte begonnen zur Frage, wie die Normen des geistigen Eigentums am effektivsten die Ziele der Bio-diversitätskonvention fördern könnten sowie zur Frage, wie die beiden Abkommen in einer sich wechselseitig unterstützenden Art und Weise implementiert werden können51. Das Spektrum der Reformvorschläge und Lösungsansätze ist dabei weit gefächert und erstreckt sich von der Forderung nach einer radikalen Neuordnung des internationalen Patentrechts (und damit des TRIPS-Abkommens) bis zu Positi-onen, welche jeglichen Handlungsbedarf in dieser Auseinandersetzung verneinen52.

49 Matters Concerning Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore -

an Overview, 16. März 2001, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/1/3, S. 12, IV, Par. 33. 50 WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 97. 51 Technical Study on Disclosure Requirements in Patent Systems Related to Genetic Resources and

Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD), S. 1.

52 So bis dato die Vereinigten Staaten: Communication from the United States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 26. November 2004, WTO Doc.: IP/C/W/434, S. 1, Par. 3, SPRANGER, Archiv des Völkerrechts 2002, 69.

1. Teil: Grundlagen 18

E. Eingeschränkter Patentschutz für Erfindungen, die auf geneti-schen Ressourcen basieren?

1. Art. 16 Abs. 3 CBD

Ein möglicher Ansatzpunkt, die Vorgaben der Biodiversitätskonvention mit den Rechten des geistigen Eigentums zu koordinieren, wäre, gestützt auf Art. 16 Abs. 3 CBD für Erfindungen, die genetische Ressourcen betreffen, nur einen einge-schränkten Patentschutz zu gewähren.

Art. 16 Abs. 3 CBD statuiert, dass jede Vertragspartei, sofern angebracht, Gesetz-gebungs-, Verwaltungs- oder politische Massnahmen ergreifen soll mit dem Ziel, Vertragsparteien, die genetische Ressourcen zur Verfügung stellen, zu einvernehm-lich festgelegten Bedingungen den Zugang zur Technologie, die diese Ressourcen nutzt, einschliesslich der Technologie, die durch Patente und sonstige Rechte des geistigen Eigentums geschützt ist, zu gewähren.

Man ist versucht, diese Norm als Kompetenznorm zum Erlass von Vorschriften zu verstehen, welche den Ursprungsländern faktisch den Zugriff auf Technologien er-möglicht, die deren genetische Ressourcen nutzen, auch wenn diese patentrechtli-chen Schutz geniessen. Eine solche Umsetzung der CBD würde die Rechte des geistigen Eigentums beschränken und hätte die Konsequenz eines nur einge-schränkten Patentschutzes für Erfindungen, die auf genetischen Ressourcen be-stimmter Herkunft beruhen.

2. Vorbehalte der Industrienationen

Die Vereinigten Staaten haben sich von Beginn an deutlich gegen jegliche Inter-pretation der Biodiversitätskonvention, welche den Patentschutz einschränkt, ausge-sprochen53. Dies, obwohl die USA sich bis heute nicht durchringen konnten, die CBD zu ratifizieren. Die Vereinigten Staaten stellen sich dabei auf die Position, dass kein Konflikt bestehe zwischen Art. 16 CBD und dem TRIPS-Abkommen. Sie führen an, dass das Ziel einer ausgewogenen und gerechten Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile am effektivsten durch vertragliche Regelungen zwischen denjenigen, welche Zugang gewähren und den-

53 BLAKENEY, Bio-Science Law Review 1997, 96.

§ 1 Ausgangslage 19

jenigen, welche Zugang erhalten, zu erreichen sei54. Auch die Europäische Union, welche im Gegensatz zu den USA Vertragspartei der CBD ist, hat anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens die Erklärung abgegeben, dass die Zugangs- und Transferrechte nach Art. 16 CBD nur unter Einhaltung der Grundsätze und Regeln des geistigen Eigentums eingeräumt werden dürfen55.

3. Widerspruch zu den TRIPS-Vorgaben

Dem Ansatz dass Art. 16 CBD auf eine grundlegende Modifizierung der Rechte des geistigen Eigentums abzielt, steht diametral das Leitprinzip des TRIPS-Abkommens entgegen, wonach Patentschutz für Produkte und Verfahren auf allen Gebieten der Technik gewährleistet sein müssen: Die Basisnorm des TRIPS-Abkommen sieht vor, dass Patente auf allen Gebieten der Technik erhältlich sein müssen (Art. 27 Abs. 1 TRIPS). Dies gilt sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, vorausgesetzt dass sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Zudem muss die Erteilung von Patenten und die Ausübung von Patentrechten unabhängig vom Ort der Erfindung, vom Gebiet der Technik oder davon, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land selber hergestellt werden, erfolgen56. Aus dieser Formulierung wird vielfach der Schluss gezogen, dass ausserhalb ausdrücklicher Ausnahmeregelungen, wie sie insbesondere Art. 27 Abs. 3 TRIPS57 vorsieht, kein Raum bleibt für Spezialregelungen in einzelnen Technologiebereichen58.

54 Vgl. Communication from the United States, 13. Juni 2001, WTO Doc.: IP/C/W/257, S. 5; dort wird

dazu folgendes erklärt: The provisions of the TRIPS Agreement would not preclude countries from providing that those seeking access to genetic resources for research and development enter into arm's-length contracts providing, inter alia, for a sharing of the benefits of any patents that might be granted for inventions developed from those genetic resources, including by providing access to the technology. The provisions of Articles 15 and 16 of the CBD and the provisions of the TRIPS Agreement are, therefore, mutually supportive, not conflicting.

55 Vgl. Beschluss des Rates vom 25. Oktober 1993 über den Abschluss des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, Anhang C (ABl. EG Nr. L 309, 1).

56 Vgl. SPRANGER, GRUR 2001, 90. 57 Art. 27 Abs. 3 TRIPS hat folgenden Wortlaut:

Die Mitglieder können von der Patentierbarkeit auch ausschliessen: a) diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen oder Tieren; b) Pflanzen und Tiere mit Ausnahme von Mikroorganismen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren mit Ausnahme von nichtbiologischen und mikrobiologischen Verfahren. Die Mitglieder sehen jedoch den Schutz von Pflanzensorten entweder durch Patente oder durch ein wirksames System sui generis oder durch eine Verbindung beider vor. Die Bestimmungen dieses Buchstabens werden vier Jahre nach Inkrafttreten des WTO-Abkommens überprüft.

58 ROTT, GRUR Int. 2003, 109.

1. Teil: Grundlagen 20

4. Vorrang des TRIPS-Abkommens

Aufgrund der widersprüchlichen Vorgaben der beiden internationalen Abkommen stellt sich die Frage, ob eines der beiden Abkommen Vorrang hat. Gemäss Art 30 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge gehen beim Widerspruch aufeinanderfolgender Verträge (WVK)59 über den gleichen Gegenstand die Bestimmungen des später geschlossenen Vertrages vor. Dieser Vorrang gilt allerdings nur für Staaten, die Vertragsparteien beider Verträge sind60. Für Staaten, die sowohl Vertragspartei der CBD und des TRIPS-Abkommens sind, wie bspw. die Schweiz, stellt sich deshalb die Frage, ob von einem generellen Vorrang der Bestimmungen des TRIPS-Abkommens als dem zeitlich späteren Übereinkommen gegenüber den Vorgaben der Biodiversitätskonvention ausgegangen werden muss.

Ein Vorrang gestützt auf Art. 30 WVK bedingt, dass es sich um aufeinanderfolgende Verträge über denselben Gegenstand handeln muss. Nur dann tritt die Derogationvorschrift in Kraft. Es stellt sich somit die Frage, ob das TRIPS-Abkommen und die Biodiversitätskonvention Verträge über denselben Gegenstand sind.

Auf den ersten Blick scheinen sich die beiden Vertragswerke nicht mit demselben Vertragsgegenstand zu befassen. Das TRIPS-Abkommen regelt handelsrelevante Aspekte des Schutzes geistigen Eigentums. Regelungsgegenstand der CBD ist die Erhaltung und der Schutz der biologischen Vielfalt. Nach dieser Betrachtungsweise käme Art.30 WVK nicht zum tragen.

Man kann sich der Frage nach der Bestimmung des Regelungsgegenstandes jedoch auch aus einem anderen Blickwinkel nähern und lediglich einzelne Vertragsbestim-mungen, die kollidieren, für den Entscheid beiziehen61. Danach wird zur Bestim-mung des Vertragsgegenstandes nicht von den Zielen des Übereinkommens als sol-chen ausgegangen, sondern es werden zur Bestimmung des Vertragsgegenstandes lediglich die kollidierenden Bestimmungen beigezogen. Dabei wird überprüft, ob diese auf denselben Sachverhalt regeln. Dies aufgrund der Überlegung, dass Kon-flikte zwischen zwei völkerrechtlichen Verträgen ohnehin nur entstehen können,

59 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (SR 0.111), in Kraft getreten

für die Schweiz am 6. Juni 1990. 60 Vgl. Art. 30 Abs. 3 WVK in Verbindung mit Art. 30 Abs. 4 lit. a. WVK. 61 MATZ, S. 320

§ 1 Ausgangslage 21

wenn sie sich in dem fraglichen Punkt zwei Vertragsgegenstände treffen62.

In der Literatur finden sich dezidierte Befürworter eines Vorrangs des TRIPS-Abkommens63. Es wird jedoch auch der Standpunkt vertreten, dass eine Anwendung von Art. 30 WVK auf alle kollidierenden Verträge des internationalen Rechts dem Wortlaut von Art. 30 WVK widersprechen würde64. Folgt man dieser Argumentation so kommt die Derogationsvorschrift von Art. 30 WVK in casu nicht zum tragen und beide Abkommen stehen im gleichen Rang.

Es kann an dieser Stelle offen bleiben, welcher Auslegung von Art. 30 WVK der Vorzug zu geben ist. Dies aufgrund folgender Überlegung:

Die Konfliktlösung gemäss Art. 30 WVK kommt nur dann in Betracht, wenn weder die Anwendung von Konkurrenzklauseln noch die Vertragsauslegung zur Klärung von Normwidersprüchen führen65. In casu darf Art. 16 Abs. 3 CBD unzweifelhaft so verstanden werden, dass damit nicht gemeint war, dass für Erfindungen im Bereich genetischer Ressourcen lediglich ein eingeschränkter Patentschutz noch möglich sein soll. Dies zeigen nicht nur die erwähnten Vorbehalte der Industrienationen, sondern auch Art. 16 Abs. 5 CBD. Dort wird ausgeführt, dass in der Erkenntnis, dass Patente und sonstige Rechte geistigen Eigentums einen Einfluss auf die Durchführung dieses Übereinkommens haben können, arbeiten die Vertragsparteien in dieser Hinsicht zusammen, um sicherzustellen, dass solche Rechte die Ziele des Einkommens unterstützen und ihnen nicht zuwiderlaufen. Diese Bestimmung geht offensichtlich nicht von einem eingeschränkten Patentschutz aus: die Anweisung an die Vertragsparteien, sicherzustellen, dass die geistigen Eigentumsrechte unterstützend und nicht kontraproduktiv wirken, macht wenig Sinn, wenn in diesem Bereich aufgrund von Art. 16 Abs. 3 CBD keine oder nur noch eingeschränkte Eigentumsrechte mehr möglich wären. Diese Auslegung ist auch deshalb sinnvoll, weil sie koordinierend wirkt und der Regel, dass Abkommen grundsätzlich zu erfüllen sind, angemessen Rechnung trägt.

62 Vgl. A.a.O., S. 322, wo ausgeführt wird, dass dieser Blickwinkel bei der Bestimmung des

Vertragsgegenstandes zur Folge habe, dass jede Divergenz zwischen zwei völkerrechtlichen Verträgen automatisch zur Folge hätte, dass sich die beiden Verträge im Sinne von Art. 30 WVK auf denselben Gegenstand beziehen und somit die Derogationsvorschrift auf alle Divergenzen völkerrechtlicher Verträge anwendbar sei.

63 Vgl. SPRANGER, Archiv des Völkerrechts 2002, 76, m.w.H., welcher ausführt, es sei von einem unbestreitbaren Vorrang der TRIPS-Bestimmungen gegenüber den Vorgaben der CBD auszugehen.

64 Gemäss dieser Argumentation verlöre der Wortlaut von Art. 30 WVK, der auf ein Abgrenzungsmerkmal durch seine Bezugnahme auf Verträge über denselben Gegenstand hinweist, diese Bedeutung, wenn alle Abkommen, die in einer bestimmten Vorschrift miteinander in Konflikt stehen, als Verträge über denselben Gegenstand qualifiziert würden, vgl. MATZ, S. 326.

65 Vgl. Art. 30 Abs. 2 und 3 WVK.

1. Teil: Grundlagen 22

5. Schlussfolgerung

Aufgrund dieser Überlegungen wird im Rahmen dieser Arbeit dem Standpunkt gefolgt, dass Art. 16 CBD nicht so verstanden werden kann, dass dieser auf eine grundlegende Modifizierung der Rechte des geistigen Eigentums für Erfindungen, die genetischen Ressourcen aus Entwicklungsländern betreffen, abzielt. Ausgehend von diesem Verständnis von Art. 16 CBD bietet die Konvention einem Ursprungsland, auch wenn es die genetischen Ressourcen für eine Erfindung bereit-gestellt hat, keine Handhabe, gegenüber dem Erfinder einen Zugang zur geschützten Technologie oder die Teilhabe der aus der Nutzung der Ressource fliessenden Vor-teile zu erzwingen. Es stellt sich aufgrund des Gesagten nun die Frage, inwiefern auf anderem Weg der anerkannte Grundsatz, dass die beiden Abkommen in einer sich gegenseitig unterstützenden Art und Weise implementiert werden sollen, umgesetzt werden kann.

F. Durchsetzung der vorbehaltlosen Respektierung der Zugangs-

vorschriften

Die ressourcenreichen Länder stellen die unverhandelbare Forderung, dass die Zu-gangsvorschriften für die in der Biodiversitätskonvention adressierten genetischen Ressourcen vorbehaltlos respektiert werden müssen, wenn sie ihren Rohstoff nicht erforschter und unbekannter Gene den Industrienationen zur Verfügung zu stellen sollen. Diese Geberländer stützen diese Forderung direkt auf Art. 15 CBD, welcher nicht nur explizit deren Souveränität bezüglich der genetischen Ressourcen auf ihrem Hoheitsgebiet statuiert, sondern auch vorgibt, welche Bedingungen die Herkunftsländer für einen sogenannten konventionsgemässen Zugang einfordern können66. Als souveräne Inhaber des Zugangsrechts zu den genetischen Ressourcen auf ihrem Hoheitsgebiet gemäss CBD können diese Länder verlangen, dass jeglicher Zugang zu genetischen Ressourcen nur erfolgen darf, wenn die vorherige informierte Zustimmung (prior informed consent, PIC) eingeholt wurde und eine einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile, welche sich aus der Nutzung der Ressourcen ergeben, zwischen Ursprungsland und dem Nutzer abgeschlossen wurde (mutually agreed terms – MAT)67.

Eine verständliche und grosse Sorge der Geberländer besteht darin, dass ihnen das 66 Vgl. Art. 15 CBD. 67 GIRSBERGER, The Journal of World Intellectual Property 2004, 7(4), 453; CARVALHO, Washington

University Journal of Law & Policy 2000, 2, 374, welcher allerdings nur von der Offenlegung der Quelle und dem Nachweis des prior informed consent spricht; vgl. weiter die Ausführungen zur Diskussion in: Erläuternder Bericht zu Änderungen im Patentrecht vom 7. Juni 2004, S. 84 f.;

§ 1 Ausgangslage 23

Recht zum Erlass dieser Vorschriften wenig nützt, wenn sie nicht für die lückenlose Einhaltung derselben sorgen können68.

G. Neue Offenlegungspflichten bei der Patentanmeldung als Lö-

sungsansatz

Es stehen sich somit in diesem Spannungsfeld zwei Interessengruppen gegenüber:

Die Industrienationen verlangen die vorbehaltlose Geltung der Normen des Patent-rechts auch für Erfindungen, die auf genetischen Ressourcen aus Entwicklungslän-dern beruhen. Die Geberländer verlangen die Sicherstellung der Einhaltung der Zugangs- und Vorteilsausgleichsvorschriften69.

Vor diesem Hintergrund ist - ausgehend vom Ansatz einer sich gegenseitig unterstützenden Implementierung von TRIPS und CBD - die Idee entstanden, bei der Patentanmeldung von einem Erfinder, dessen technische Lehre auf genetischen Ressourcen basiert, die Offenlegung verschiedener Informationen bezüglich seiner benutzten Ressourcen zu verlangen.

Konkret soll der Patentanmelder hinsichtlich seiner Erfindung verpflichtet werden, folgende Punkte offen- bzw. vorzulegen: a.) Die Quelle jeglichen genetischen Materials, welches in der beanspruchten

Erfindung verwendet wurde;

b.) Den Nachweis, dass er die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete und informierte Zustimmung durch die zuständige nationale Behörde des Herkunftslandes eingeholt hat (prior informed consent - PIC);

c.) Die einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile zwischen Ursprungsland und ihm, welche sich aus der Nutzung der Ressourcen erge-ben (mutually agreed terms – MAT).

H. Die Kompatibilität neuer Offenlegungserfordernisse mit dem TRIPS-Abkommen

Die Idee der Einführung neuer Offenlegungserfordernisse ist nicht nur auf Zustim- 68 Zu Beginn der Debatte wurde den Geberländern möglicherweise zu Recht vorgeworfen, sie würden die

Durchsetzung von Zugangsrechten verlangen, ohne diese in das nationale oder regionale Recht umgesetzt zu haben, vgl. SPRANGER, Archiv des Völkerrechts 2002, 71. In der Zwischenzeit haben jedoch insbesondere diejenigen Länder, welche über grosse genetische Ressourcen verfügen, Zugangsvorschriften erlassen und der Vorwurf kann wohl nicht aufrechterhalten bleiben.

69 Vgl. für Südafrika:WYNBERG, EIPR 2004, (6), 242.

1. Teil: Grundlagen 24

mung gestossen. Diesem Ansatz wird entgegengehalten, dass neue Offenlegungs-pflichten neue Ungewissheiten für das Patentsystem bringen würden. Insbesondere dort, wo als Sanktion für die Nichteinhaltung der Offenlegungspflichten die Nich-tigkeit des Patents vorgesehen sei, entstünde eine grosse Unsicherheit (a cloud of uncertainty). Es würde ein Tor für Patentstreitigkeiten geöffnet, welche die Rolle des Patentrechts als Motor der Innovation und des technischen Fortschritts unter-graben würde70. Auch wird vorgebracht, das Immaterialgüterrecht solle nicht dazu benutzt werden, die Nicht-Einhaltung heimischer Access and Benefit-sharing-Vor-gaben durch die Zurückweisung oder die Aufhebung von Patenten zu sanktionie-ren71. Neben diesen systemischen Bedenken wird jedoch auch vorgebracht, dass diese Idee nicht mit den geltenden Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zu ver-einbaren sei. Die EU hielt zu dieser Frage fest, dass materielle Patentierbarkeitskri-terien abschliessend in Art. 27 Abs. 1 TRIPS aufgeführt seien, während Art. 29 Abs. 1 TRIPS72 diejenigen Verpflichtungen definiere, welche einem Patentanmel-der auferlegt werden können, um die Prüfung der materiellen Patentierbarkeitskrite-rien vornehmen zu können. Die Kompatibilität neuer Voraussetzungen stehe und falle deshalb mit der Frage nach den Konsequenzen, welche für deren Nichteinhal-tung vorgesehen sei: wenn die Nicht-Einhaltung einer dieser neuen Voraussetzun-gen mit der Verweigerung eines Patents sanktioniert wird, würde diese Vorausset-zung eine nach TRIPS unzulässige neue Patentierungsvoraussetzung darstellen. Das Konzept, die Patentierbarkeit einer Erfindung von der Respektierung des Erforder-nisses der Offenlegung der geographischen Herkunft (wo diese nicht aufgrund von Art. 29 Abs. 1 TRIPS notwendig sei) oder des Nachweises, dass die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete und informierte Zustimmung und einer einver-nehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile vorliegen, abhängig zu ma-chen, stelle einen Schritt dar, der über die Vorgaben des TRIPS-Abkommens hi-

70 Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-

Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 4. 71 A.a.O., S. 10 f.: "... the concept of making the patentability of an invention subject to the respect of a

requirement to disclose the geographical origin of genetic resources used in the invention (in cases where this information is not required under Article 29.1 TRIPS) or of a requirement to provide evidence of the access and benefit-sharing rules constitutes a clear step beyond the current provisions of the TRIPS Agreement." und "Patent law should not be used to sanction non-respect of domestic access and benefit-sharing requirements through the rejection of the patent application or the invalidation of the patent".

72 "Art. 29 Bedingungen für Patentanmelder 1. Die Mitglieder verlangen vom Anmelder eines Patents, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass eine Fachperson sie ausführen kann, und sie können vom Anmelder verlangen, die nach Wissen des Erfinders am Tag der Anmeldung oder, wenn Priorität in Anspruch genommen wird, am Prioritätstag der Anmeldung beste Art der Ausführung der Erfindung anzugeben. 2. Die Mitglieder können vom Anmelder eines Patents verlangen, Angaben über entsprechende von ihm angemeldete oder erteilte Auslandpatente zu machen."

§ 1 Ausgangslage 25

nausgehe73.

Auch in der Lehre wird teilweise die Auffassung vertreten, gestützt auf den Kern-gehalt von Art. 27. Abs. 1 TRIPS dürften zusätzliche materielle Patentierungserfor-dernisse für Patente, welche genetische Ressourcen betreffen, trotz der Vorgaben der Biodiversitätskonvention nicht eingeführt werden. Zusätzliche formelle Paten-tierungserfordernisse seien ebenfalls nicht zulässig, da sie gegen Art. 62 TRIPS ver-stossen würden74.

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird die Frage der Kompatibilität neuer Offenle-gungspflichten mit den Vorgaben von TRIPS näher untersucht werden.

Vorgängig wird die internationale Diskussion zu diesem Spannungsfeld aufgezeigt, die in den verschiedenen Foren geführt wird. Dies gefolgt von einer Darstellung einzelner auf nationaler und regionaler Ebene bereits bestehender gesetzlicher Re-gelungen und Regelungsentwürfen.

73 Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-

Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 10. 74 CARVALHO, Washington University Journal of Law & Policy 2000, 2, 372; SHERMAN, EIPR 2003,

(Issue 7), 301; SPRANGER, Archiv des Völkerrechts 2002, 77; WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, 106.

1. Teil: Grundlagen 26

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internatio-nalen Diskussion

Die Möglichkeit der Einführung neuer Offenlegungspflichten für Erfindungen, die genetische Ressourcen betreffen, wird aktuell in verschiedenen internationalen Foren heftig diskutiert.

Im Vordergrund stehen dabei die aktuellen Entwicklungen im TRIPS-Rat der World Trade Organization (A) die Arbeit der Konferenz der Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention (B) sowie der neueste Stand der Anstrengungen der World Intellectual Property Organization (C).

A. Bemühungen der Welthandelsorganisation (WTO)

1. Revision von Art. 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS

Die Diskussion um das Verhältnis der Normen des TRIPS-Abkommens und der Vorgaben der Biodiversitätskonvention begann bei der WTO im Zusammenhang mit der Überarbeitung von 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS. Die Geberländer hatten die Klausel von Art. 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS, wonach die Bestimmungen dieses Buch-stabens vier Jahre nach Inkrafttreten des WTO-Abkommens überprüft werden, be-reits ab 1999 mit einer klaren Forderung verknüpft: bei der Überarbeitung dieses Buchstabens von Art. 27 TRIPS sei sicherzustellen, dass ihr souveränes Recht, selbst über den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei der Vergabe von Patenten im Bereich genetischer Ressourcen nicht verletzt werde75. Zentrales Anliegen dieser Länder war, bei der Erteilung von Patenten, welche auf genetischen Ressourcen basieren, mittels neuer Patentierungsvoraussetzungen, (welche in Art. 27. Abs. 3 lit. b) TRIPS zu integriert würden), Gewähr zu erhalten, dass die Vorgaben der Biodiversitätskonvention vom Patentanmelder eingehalten werden.

Problematisch war bei diesen Revisionsbestrebungen für 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS zweierlei:

Zum einen der Umstand, dass lit. b) von Art. 27 Abs. 3 TRIPS, in seiner nach wie vor gültigen Fassung, keinerlei Anhaltspunkte liefert zur Frage des Verhältnisses von Biodiversitätskonvention und TRIPS-Abkommen sondern statuiert, dass die 75 Vgl. Text from the Permanent Mission of Brazil on behalf of the delegations of Brazil, China, Cuba,

Dominican Republic, Ecuador, India, Pakistan, Thailand, Venezuela, Zambia and Zimbabwe with the request that it be circulated to TRIPS Council Members, 24. Juni 2002, WTO Doc.: IP/C/W/356.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 27

Mitglieder Pflanzen und Tiere mit Ausnahme von Mikroorganismen sowie im we-sentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen von der Patentierung ausschliessen können76. Diese Ausnahme ist darauf zurückzuführen, dass das Patent ursprünglich als ein für solche Erfindungen wenig geeignetes Schutzinstitut angese-hen wurde. Dies einerseits aufgrund der Problematik des patentrechtlichen Kriteri-ums der Wiederholbarkeit im Zusammenhang mit Verfahren biologischer Natur und andererseits aufgrund der Tatsache der generativen oder vegetativen Vermehrungs-wege dieser Gegenstände77.

Das zweite Problem an diesen Bestrebungen lag darin, dass die Ursprungsländer zur Umsetzung ihres Anliegens die Einführung neuer materieller Patentierungsvoraus-setzungen verlangen. Diese Frage wird jedoch, wie bereits angetönt, von Art. 27 Abs. 1 TRIPS geregelt und die Klärung der Frage der Einführung neuer Patentie-rungsvoraussetzungen war vom Mandat der Überprüfung von Art. 27 Abs. 3 lit. b.) TRIPS nicht abgedeckt.

2. Mandatierung des TRIPS-Rats durch die Welthandelsorganisation

Im November 2001 befasste sich die Welthandelsorganisation WTO im Rahmen ih-rer vierten Ministerkonferenz in Doha, Katar, u.a. auch mit der Access and Benefit-sharing-Problematik. Die von den Ministern verabschiedeten Erklärung78 erwähnte in Paragraph 19 explizit biodiversitätsrelevante Themen und der Rat für handels-bezogene Aspekte der Rechte an Geistigem Eigentum (TRIPS-Rat) wurde beauf-tragt, die problematischen Punkte des TRIPS-Abkommens im Verhältnis zur Biodi-versitätskonvention zu untersuchen79. Dieses neue Mandat des TRIPS-Rats wurde in der Folge von diesem in dessen bereits begonnene Überarbeitung von Art. 27

76 Dabei sehen die Mitglieder jedoch den Schutz von Pflanzensorten entweder durch Patente oder durch ein

wirksames System sui generis oder durch eine Verbindung beider vor. Artikel 27 Ziffer 3 lit. (b) des TRIPS-Abkommens regelt somit die Ausnahmemöglichkeiten vom Patenschutz u. a. im Bereich der Pflanzen und Tiere. Diese Bestimmung ist gemäss Wortlaut des Übereinkommens vier Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens einer Überprüfung zu unterziehen. Diese Überprüfung hat 1999 begonnen.

77 PEDRAZZINI, S. 75; HEINRICH, S. 38, N. 1a.01. 78 Ministerial Declaration, Ministerial Conference of the World Trade Organization (WTO), Fourth

Session, Doha, 2001, (WT/MIN(01)/DEC/1). 79 Dieser Paragraph lautet wie folgt:

"We instruct the Council for TRIPS, in pursuing its work programme including the review of Article 27.3(b), the review of the implementation of the TRIPS Agreement under Article 71.1 and the work foreseen pursuant to paragraph 12 of this Declaration, to examine, inter alia, the relationship between the TRIPS Agreement and the Convention on Biological Diversity, the protection of traditional knowledge and folklore, and other relevant new developments raised by Members pursuant to Article 71.1. In undertaking this work, the TRIPS Council shall be guided by the objectives and principles set out in Articles 7 and 8 of the TRIPS Agreement and shall take fully into account the development dimension".

1. Teil: Grundlagen 28

Ziffer 3 lit. b.) TRIPS integriert80.

3. Konkrete Forderungen der Ursprungsländer genetischer Ressourcen in deren Eingaben zuhanden des TRIPS-Rats

Eine Gruppe von Ursprungsländern genetischer Ressourcen81 äusserte sich im Jahr 2003 in einer Eingabe an den TRIPS-Rat82. Dies mit der gemeinsamen Forderung, dass das TRIPS-Abkommen geändert werden solle. Es solle den Mitgliedstaaten erlaubt sein, bei einer Patentanmeldung betreffend biologisches Material vom An-melder im Sinne materieller Patentierungsvoraussetzungen folgende Informationen verlangen zu dürfen: a.) Offenlegung der Quelle (declaration of source);

b.) Nachweis der vorherigen auf Kenntnis der Sachlage gegründeten (informierten) Zustimmung (prior informed consent);

c.) Nachweis einer fairen und gerechten Aufteilung der Vorteile (fair and equi-table benefit-sharing).

Zur Begründung wurde ausgeführt, diese Massnahmen könnten eine wichtige Rolle spielen im Kampf gegen die Biopiraterie und die Unterschlagung anerkannter Rechte bezüglich genetischer Ressourcen. Es wurde zudem vorgebracht, dass insbe-sondere die Offenlegung der Quelle wichtig sei, um bestimmen zu können, ob der Anmelder tatsächlich eine Erfindung gemacht habe oder ob er die Ressource ledig-lich in der Natur gefunden habe. Weiter wies diese Eingabe unter Verweis auf die Biodiversitätskonvention und die Begriffe der Gerechtigkeit und des guten Glau-bens darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft eine gerechtes System ent-werfen solle für den Erhalt, den Unterhalt und die Durchsetzung von geistigem Ei-gentum, welches nicht a priori einen Teil der Gemeinschaft ausschliesse. Das Prin-zip der Gerechtigkeit gebe vor, dass jemand, der sich die Vorteile des geistigen Eigentums an genetischen Ressourcen (Intellectual Property Rights) zu Nutze ma-che, die Gesetze, welche den Zugang zu diesen Ressourcen regeln, ausnahmslos

80 Die 1999 begonnenen Revisionsbemühungen des TRIPS Rates hatten noch wenig mit der Access and

Benefit-sharing - Diskussion zu tun, sondern wurden damals aufgrund der Vorgabe des letzten Satzes von Art. 27 Abs. 3 lit. b), wonach die Bestimmungen dieses Buchstabens vier Jahre nach Inkrafttreten des WTO Abkommens überprüft werden, in Angriff genommen.

81 Die Länder Bolivien, Brasilien, Kuba, Dominikanische Republik, Ekuador, Indien, Peru, Thailand und Venezuela gehören zur sogenannten Group of Like Minded Megadiverse Countries (LMMC), welche nach eigenen Angaben auf ihren Territorien zwei Drittel der weltweiten Genressourcen beherbergen.

82 Submission by Bolivia, Brazil, Cuba, Dominican Republic, Ecuador, India, Peru, Thailand, Venezuela to the Council for Trade-Related Apects of Intellectual Property Rights of the WTO, 24. Juni 2003, WTO Doc.: IP/C/W/403, S. 1.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 29

einhalten müsse83.

Die afrikanische Gruppe84 gelangte ebenfalls im Jahr 2003 in einer gemeinsamen Mitteilung an den TRIPS-Rat85 Die Gruppe erklärte, dass der Schutz des Eigentums genetischer Ressourcen der Ursprungsländer ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen die Armut sei, dass dieser Schutz eine Sache der Gerechtigkeit sei und dass die Wächter dieser Ressourcen ohne diesen Schutz nicht gebührend gewürdigt würden. Dabei sei jeglicher Schutz dieser Ressourcen ungenügend und nicht effektiv, wenn nicht innerhalb des TRIPS-Abkommens internationale Mechanismen gefunden und etabliert würden, welche diesen Schutz gewährleisteten.

Weiter wurde in dieser Eingabe gefordert, das TRIPS-Abkommen und die Biodi-versitätskonvention müssten in einer sich gegenseitig unterstützenden und konsi-stenten Art und Weise implementiert werden. Dabei müssten die Mitglieder der Übereinkommen das Recht behalten, bei Erfindungen, welche genetische Ressour-cen betreffen, innerhalb ihrer jeweiligen Rechtsordnungen zu verlangen, dass die Quelle offengelegt und der Beweis für eine Aufteilung der Vorteile erbracht wird86.

4. Bisherige Stellungnahmen der Industrienationen zuhanden des TRIPS-Rats

a) Europäische Union Die Europäische Gemeinschaft nahm in ihrem Konzept-Papier zuhanden des TRIPS-Rats die Position ein, aus rechtlicher Sicht bestehe kein Konflikt zwischen den Normen der Biodiversitätskonvention und dem TRIPS-Abkommen. Es gäbe eine Interaktion zwischen diesen beiden Übereinkommen und deshalb seien diese in einer sich gegenseitig unterstützenden Art und Weise zu implementieren. Es sei wichtig, auf nationaler Ebene die Acces and Benefit-sharing-Vorgaben der Biodi-versitätskonvention durch eine überzeugende Regelung zu konkretisieren.

83 A.a.O., S. 3. 84 Zusammenschluss von 41 afrikanischen WTO-Mitgliedstaaten (Angola, Benin, Botswana, Burkina Faso,

Burundi, Cameroon, Central African Republic, Chad, Congo, Congo (Democratic Republic), Côte d’Ivoire, Djibouti, Egypt, Gabon, The Gambia, Ghana, Guinea, Guinea Bissau, Kenya, Lesotho, Madagascar, Malawi, Mali, Mauritania, Mauritius, Morocco, Mozambique, Namibia, Niger, Nigeria, Rwanda, Senegal, Sierra Leone, South Africa, Swaziland, Tanzania, Togo, Tunisia, Uganda, Zambia, Zimbabwe).

85 Joint Communication from the African Group, to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 26. Juni 2003, WTO Doc.: IP/C/W/404, S. 1.

86 A.a.O., S. 3: " Both the TRIPS Agreement and the Convention on Biological Diversity as well as the International Treaty on Plant Genetic Resources should be implemented in a mutually supportive and consistent manner. In this regard, Members retain the right to require, within their domestic laws, the disclosure of sources of any biological material that constitutes some input in the inventions claimed, and proof of benefit sharing".

1. Teil: Grundlagen 30

Bezüglich der Forderung nach einer Offenlegungspflicht der Quelle einer geneti-schen Ressource, welche Bestandteil einer Erfindung ist, führte die EU jedoch un-missverständlich aus, man sei zwar bereit, die Einführung eines Systems zu prüfen, das allen Mitgliedstaaten auf einem globalen Level erlaubt, von Patentanmeldungen mit Bezug zu genetischen Ressourcen Kenntnis zu erhalten. Klar abgelehnt wurde jedoch, dass die Offenlegung der Quelle de facto oder de iure als materielle oder formelle Patentierungsvoraussetzung fungiere:

"Under such a system, the information to be provided by patent applicants should be limited to information on the geographic origin of genetic resources or Traditional Knowledge used in the invention, while such a disclosure requirement should not act, de facto or de jure, as an additional formal or substantial patentability criterion. Legal consequences to the non-respect of the requirement should lie outside the ambit of patent law"87.

In diesem Sinn ist auch der Erwägungsgrund 27 der EU-Biotechnologie-Richtlinie88 zu verstehen, welcher sich zur Frage der Herkunftsangabe von biologischem Mate-rial äussert. Danach soll zwar eine Patentanmeldung mit Bezug auf eine Erfindung, die biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum Gegenstand hat oder derartiges Material verwendet, Angaben zum geographischen Herkunftsort dieses Materials umfassen, falls dieser bekannt ist. Zugleich wurde jedoch in besagtem Erwägungsgrund explizit klargestellt, dass die Prüfung der Patentanmeldungen und die Gültigkeit der Rechte aufgrund der erteilten Patente davon unberührt blieben.

b) Vereinigte Staaten von Amerika Eine rigorose Haltung hat die USA in ihrer im November 2004 dem TRIPS-Rat eingereichten, Stellungnahme eingenommen. Darin wird erklärt, dass das Paten-system in der Vergangenheit und heute ein sehr effektives Werkzeug sei für die technische und ökonomische Entwicklung. Weiter wurde dargelegt, die WTO müsse vorsichtig sein, das delikate Gleichgewicht des Patentsystems nicht in Gefahr zu bringen, insbesondere wenn zweifelhaft sei, ob die vorgeschlagenen Änderungen die vorgegebenen Ziele überhaupt erreichen würden.

Zur Frage von neuen Patentierungsvoraussetzungen wurde folgendes festgehalten:

"..., it would be wrong to assume that a new disclosure requirement within the patent

87 Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-

Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 2. 88 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.1998 über den rechtlichen

Schutz biotechnologischer Erfindungen (Amtsblatt Nr. L 213 vom 30.7.1998, 13 ff.), S. 13.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 31

system will accomplish the objectives of ensuring access and equitable benefit-sharing, preventing misappropriation and preventing erroneously issued patents. Rather than focusing on proposed new patent disclosure requirements, the TRIPS Council should focus with more precision on what Members are trying to achieve in this area, review the past experiences and situations that have prompted various concerns and consider any appropriately tailored solutions. As many of the broad objectives are widely shared, we are confident that appropriate solutions can surely be reached to address the concerns of all Members."89

In der aktuellen Eingabe zuhanden des TRIPS-Rats vom 13. März 2006 hielt die USA an ihrer Position fest, wonach es möglich sei, die Verhinderung von Biopi-raterie ohne die Hilfe des Patentrechts durchzusetzen:

"The proposals made by the United States have clarified that a national contract-ba-sed system can be adequately enforced outside of patent law requirements. Such contract-based systems can be part of civil and criminal codes specifically designed to enforce access and benefit-sharing laws."90

In den Schlussfolgerungen wurde weiter folgendes ausgeführt:

"A detailed analysis of these individual cases and experiences continues to lead to the conclusion that the newly proposed disclosure requirements are not an appropriate solution to the concerns raised, and that more directly tailored solutions, such as those proposed by the United States are a more effective solution (...). With respect to access and benefit sharing, we continue to consider the optimal approach to be one involving the implementation of national regimes for prior informed consent and equitable benefit sharing that establishes clear terms and that can be enforced adequately and effectively outside the patent system."91

c) Schweiz Die Schweiz hat sich in dieser Diskussion nach einer ersten, eher zurückhaltenden Stellungnahme im Jahr 2001, im Jahr 2003 mit zwei weiteren Eingaben an den TRIPS-Rat sehr pointiert zu Wort gemeldet. Sie setzte sich darin dezidiert für eine Pflicht zur Offenlegung der Quelle bei Erfindungen, welche genetische Ressourcen betreffen, ein. Dabei ging die Schweiz insofern einen Schritt weiter, indem sie einen konkreten Vorschlag zur rechtlichen Umsetzung der Forderung nach mehr Transpa-renz in die Diskussion einbrachte.

89 Communication from the United States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property

Rights, 26. November 2004, WTO Doc.: IP/C/W/434, S. 8, Ziff. 35. 90 Communication from the United States, 13. März 2006, WTO Doc.: IP/C/W/469, S. 5, Ziff. 20. 91 A.a.O., S. 10, Ziff. 39.

1. Teil: Grundlagen 32

Die Schweiz schlug dabei einen formellen Weg vor, welcher ohne eine Modifizierung des TRIPS-Abkommens auskommen soll. Der Ansatzpunkt dieses Vorschlags liegt darin, den internationalen Patent Cooperation Treaty (PCT)92 zu modifizieren. Gemäss diesem Abkommen darf das nationale Recht hinsichtlich Form und Inhalt der internationalen Anmeldung nicht die Erfüllung anderer Erfordernisse verlangen, als sie im Vertrag und der dazugehörigen Aus-führungsordnung93 vorgesehen sind. Da bis dato in dieser Ausführungsordnung die Angabe und die Offenlegung der Quelle einer genetischen Erfindung nicht vorgesehen sind, zielt der Schweizer Vorschlag auf eine Abänderung dieser Ausführungsordnung.

Die Änderung der Ausführungsordnung des PCT würde aufgrund von Artikel 6 des noch nicht in Kraft getretenen internationalen Patent Law Treaty (PLT)94, welcher mittels eines generellen Verweises die formellen Anforderungen für eine internationale Patentanmeldung des PCT übernimmt und diese als Maximalstandard definiert, zugleich für den PLT wirksam.

Ohne eine Änderung der Ausführungsordnung des PCT wären deshalb neue Formalitäten im Patentrecht, die im Zusammenhang mit dem Access and Benefit-sharing stehen (insbesondere auch die Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen in Patentgesuchen), nicht nur mit dem PCT nicht vereinbar, sondern auch nicht mit Artikel 6 PLT.

Die Schweiz schlug deshalb dem TRIPS-Rat sowie auch der WIPO95 vor, die Ausführungsordnung des PCT zu ergänzen und dem nationalen Gesetzgeber

92 Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens

(SR 0.232.04). Dieser Vertrag stellt ein zentralisiertes System zur Verfügung, in welchem internationale Patentanmeldungen eingereicht werden können. Die Mitgliedstaaten dieses Vertrags bilden dabei einen Verband für die Zusammenarbeit bei der Einreichung, der Recherche und der Prüfung von Anmeldungen für den Schutz von Erfindungen.

93 Ausführungsordnung vom 19. Juni 1970 zum Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (SR 0.232.141.11).

94 Patent Law Treaty vom 1. Juni 2000. Dieser "Patenrechtsvertrag" wurde am Hauptsitz der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) verabschiedet. Es handelt sich um einen neuen Staatsvertrag auf dem Gebiet des Patentrechts. Dieser ist das Ergebnis fünfjähriger Vorarbeiten und das Resultat der Schlussverhandlungen im Rahmen der diplomatischen Konferenz, die vom 11. Mai bis zum 2. Juni 2000 unter der Beteiligung von 150 Staaten, Internationalen Organisationen und Interessenverbänden in Genf stattfand. Der PLT behandelt eine Vielzahl formeller Aspekte der Patentierung von Erfindungen, ohne allerdings ein weltweit einheitliches Patentverfahrensrecht zu schaffen oder Fragen des materiellen Patentrechts zu regeln. Er tritt erst in Kraft, wenn 10 Vertragsstaaten ihn ratifiziert haben.

95 Die WIPO arbeitet seit Oktober 2000 an einer substantiellen Reform des PCT. An diesem Reformprozess beteiligt sich auch die Schweiz. Vgl. Submission of Switzerland to the International Bureau of WIPO, WIPO Doc.: PCT/R/WG/4/13.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 33

ausdrücklich zu gestatten, die Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen im nationalen Recht vorzusehen. Konkret wurde vorgeschlagen Regel 51bis der Ausführungsordnung des PCT abzuändern. Diese Regel statuiert die zulässigen nationalen Erfordernisse und soll um einen Unterparagraphen mit folgendem Wortlaut ergänzt werden: "(g) The national law applicable by the designated Office may, in accordance with

Article 27, require the applicant

(i) to declare the source of a specific genetic resource to which the inventor has had access, if an invention is directly based on such a resource; if such source is unknown, this shall be declared accordingly;

(ii) to declare the source of knowledge, innovations and practices of indigenous and local communities relevant for the conservation and sustainable use of biological diversity, if the inventor knows that an invention is directly based on such knowledge, innovations and practices; if such source is unknown, this shall be declared accordingly."

Regel 4.17, welche die Frage regelt, was im Antrag angeführt werden darf und was nicht, hätte zudem gemäss dem Schweizer Vorschlag folgenden neuen Unterparagraphen: "(vi) a declaration as to the source of a specific genetic resource and/or knowledge,

innovations and practices of indigenous and local communities relevant for the conservation and sustainable use of biological diversity, as referred to in Rule 51bis (g)."96

Dieser Ansatz der Schweiz würde somit eine formelle Grundlage schaffen zur Einführung neuer Offenlegungspflichten. Er überliesse es jedoch letztlich den Einzelstaaten, ob sie eine Pflicht zur Deklaration der Quelle einführen wollen oder nicht.

5. Stand der Bestrebungen des TRIPS-Rats

Anlässlich des dritten Treffens der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing, einer von der Konferenz der Vertragsparteien der CBD ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe97, informierte ein Repräsentant der WTO über den letzten Stand der Bemühungen des TRIPS-Rats. Er erklärte, unter den WTO-Mit-gliedstaaten herrsche Konsens, dass die Frage des Verhältnisses von CBD und 96 Communication from Switzerland to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property

Rights, 18. Juni 2003, WTO Doc.: IP/C/W400/Rev.1, S. 23 f. 97 Vgl. zur Mandatierung und Einberufung dieser Arbeitsgruppe die Erläuterungen unten § 3 lit. C. Ziffer 8.

1. Teil: Grundlagen 34

TRIPS-Abkommen in genereller Hinsicht erörtert werden müsse. Auch sei man sich einig, dass Fragen im Zusammenhang mit der vorherigen informierten Zustimmung und zum Vorteilsausgleich im Besonderen erörtert werden müssten. Es bestünden jedoch unterschiedliche Ansichten, wie diese Fragen am besten angegangen werden sollten. Es seien drei verschiedene Ansätze unterbreitet worden:

Ein Ansatzpunkt sei derjenige, dass, ausgehend von der Prämisse, dass zwischen TRIPS und CBD ein inhärenter Konflikt bestünde, welcher gelöst werden müsse, das TRIPS-Abkommen dahingehend geändert werden müsse, dass lebende Materie, inklusive Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, generell von der Patentierbarkeit ausgeschlossen würden.

Der zweite unterbreitete Lösungsansatz sei, davon auszugehen, dass kein Konflikt bestünde zwischen den beiden Abkommen und Massnahmen auf nationaler Ebene ergriffen werden könnten, um sicherzustellen, dass die beiden Abkommen in einer sich gegenseitig unterstützenden Art und Weise implementiert würden, ohne dabei das Patentsystem zu tangieren.

Der dritte Weg läge, so der Repräsentant abschliessend, darin, anzuerkennen, dass zwar ein inhärenter Konflikt zwischen den beiden Abkommen bestünde, jedoch gleichzeitig eine beträchtliche Interaktion und ein wechselseitiger Überhang gege-ben seien, welche internationale Massnahmen notwendig machten, um sicherzu-stellen, dass die beiden Abkommen in einer sich gegenseitig unterstützenden Art und Weise implementiert würden98.

Am 8.2.2006 fasste das Sekretariat des TRIPS-Rats die laufende Diskussion in ei-nem Bericht zusammen99. Das Sekretariat identifizierte dabei zwei zentrale Fragen betreffend das Verhältnis von TRIPS und CBD: Zum einen die Frage, ob zwischen TRIPS und CBD überhaupt ein Konflikt besteht, zum zweiten die Frage, ob etwas unternommen werden muss, um sicherzustellen, dass die beiden Instrumente, TRIPS und CBD, in einer konfliktfreien und sich wechselseitig unterstützenden Art und Weise angewandt werden können100. Weiter führte das Sekretariat an, dass hin-sichtlich dieser zwei Fragen die laufende Diskussion unterschiedliche Ansichten hervorgebracht habe und dass diese in die folgenden vier Kategorien eingeteilt wer-den könnten: "- there is no conflict between the two Agreements and governments can

implement the two in a mutually supportive way through national measures; 98 Report of the Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing on the Work of its

Third meeting, 3. März 2005, CBD Doc.: UNEP/CBD/WG-ABS/3/7, Par. 34. 99 Note by the Secretariat, 8. Februar 2006IP/C/W/368/Rev.1 100 A.a.O., S. 3, Ziff. 6.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 35

- there is no conflict between the two Agreements and, while governments can implement the two in a mutually supportive way through national measures, further study is required to determine whether any international action in relation to the patent system is called for;

- there is no inherent conflict between the two Agreements but there is a case for international action in relation to the patent system in order to ensure or enhance, in their implementation, the mutual supportiveness of both Agreements. There are differences of view on the exact nature of the international action needed, including on whether or not an amendment is needed to the TRIPS Agreement, to promote the objectives of the CBD as discussed in Section IV.B below;

- there is inherent conflict between the two instruments, and the TRIPS Agreement needs to be amended to remove such conflict."101

Die Bandbreite der beim Rat eingegangenen Positionen ist somit sehr gross und es zeichnet sich noch nicht ab, in welche Richtung die Arbeit des Rats gehen wird.

6. Würdigung

Der TRIPS-Rat untersucht, gestützt auf ein ausdrückliches Mandat der Doha Mi-nisterdeklaration vom 14.11.2001, das Verhältnis von TRIPS-Abkommen und Bio-diversitätskonvention. Im Vordergrund dieser Arbeit des Rats steht der Disput zwi-schen den Ursprungsländern und den Industrienationen: Die Ursprungsländer for-dern eine Anpassung des TRIPS-Abkommens, damit den Mitgliedstaaten erlaubt ist, bei einer Patentanmeldung betreffend biologisches Material vom Anmelder im Sinne materieller Patentierungsvoraussetzungen die Offenlegung der Quelle, den Nachweis der vorherigen auf Kenntnis der Sachlage gegründeten (informierten) Zustimmung sowie den Nachweis einer fairen und gerechten Aufteilung der Vor-teile zwischen Ursprungsland und Anmelder zu verlangen. Die Industrienationen, allen voran die USA, wehren sich gegen neue Patentierungsvoraussetzungen wel-cher Ausgestaltung auch immer. Von der Europäischen Union wird vorgebracht, die geltende Fassung von Art. 27 Abs. 1 TRIPS lasse neue materielle Patentierungsvor-aussetzungen nicht zu. Auch wenn sich die WTO bisher nicht selber geäussert und sich bis dato auf Zusammenfassungen der Stellungnahmen der interessierten Mit-gliedstaaten beschränkt, bestehen Bestrebungen, das Verhältnis der beiden Regel-werke zu klären. Auch wenn noch grosse Divergenzen über das wie bestehen, darf konstatiert werden, dass alle interessierten Parteien sich einig sind, die Bestimmun-gen der CBD und des TRIPS-Abkommens in einer sich gegenseitig unterstützenden

101 A.a.O., S. 4, Ziff. 7.

1. Teil: Grundlagen 36

Art und Weise implementieren zu wollen. Die Stellungnahmen zeigen aber auch, dass die Mitgliedstaaten der WTO die Problematik nicht frei von Eigeninteressen angehen und politische und wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Von den wiedergegebenen Grundpositionen ist ohne Zweifel denjenigen der Vorzug zu ge-ben, welche einen Handlungsbedarf sehen. Nach der hier vertretenen Auffassung besteht tatsächlich ein inhärenter Konflikt zwischen den beiden Regelwerken. Dies deshalb, weil das TRIPS-Abkommen, verstanden als Korsett nationaler Patent-rechte, welches keinerlei Rücksichtnahme auf die Besonderheiten von Erfindungen, die auf genetischen Ressourcen basieren, nehmen darf, dem Ziel der Biodiversi-tätskonvention, eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nut-zung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile sicherzustellen, zuwiderläuft. Es ist deshalb angezeigt, diesen Zielkonflikt anzuerkennen und die zweifelsohne beste-hende Interaktion der beiden Abkommen zu nutzen, um die viel beschworene ge-genseitige Unterstützung der Abkommen zu erreichen. Ob dazu, wie es die vierte Position fordert, das TRIPS-Abkommen angepasst werden muss, kann an dieser Stelle offen bleiben. Sicherlich wäre dies aufgrund der grossen Differenzen der TRIPS-Mitgliedstaaten zu dieser Frage ein beschwerlicher, wenn nicht geradezu aussichtsloser Ansatz. Sehr zu begrüssen ist der von der Schweiz eingebrachte Vor-schlag. Er stellt ohne Zweifel einen konstruktiven Weg zu einer Verbesserung der Transparenz dar. Offen ist dabei jedoch, ob es sinnvoll ist, eine Offenlegungspflicht bloss formeller Natur zu installieren. Zudem stellt sich die Frage, ob dieser formelle Weg mit den Vorgaben von TRIPS in Einklang zu bringen ist oder nicht. Dabei stellt sich konkret die Frage, ob diesem formellen Weg nicht Art. 62 TRIPS entge-gensteht, gemäss dem die Mitglieder als Voraussetzung für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung der vorgesehenen Rechte an geistigem Eigentum lediglich die Einhaltung angemessener Verfahren und Formalitäten vorschreiben können102.

B. Bestrebungen der Konferenz der Vertragsparteien der

Biodiversitätskonvention (Conference of the Parties – COP)

1. Allgemeines

Die Vertragsstaaten der CBD halten regelmäßig Konferenzen (Conference of the Parties, COP) abgehalten. Dies mit dem Ziel, die Weiterentwicklung und Präzisie-rung des Übereinkommens zu gewährleisten. Gemäss Art. 23 CBD prüft die Konfe-renz der Vertragsparteien laufend die Umsetzung der Konvention; zu diesem Zweck

102 Vgl. CARVALHO, Washington University Journal of Law & Policy 2000, 2, 389, welcher die

Auffassung vertritt, Art. 62 TRIPS stehe formellen Offenlegungspflichten entgegen.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 37

prüft und ergreift sie aufgrund der bei der Anwendung des Übereinkommens ge-wonnenen Erfahrungen weitere Massnahmen, die zur Erreichung seiner Zwecke erforderlich sind103.

In diesen Vertragsstaatenkonferenzen können Beschlüsse (Decisions104) zur An-nahme oder Änderung von Protokollen, Anhängen und des Konventionstextes ge-troffen werden. Diese Beschlüsse sind völkerrechtlich bindend und müssen von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden105.

Die COP trifft sich seit 1996 alle zwei Jahre106.

2. Erste Schritte zur Klärung des Verhältnisses von TRIPS und CBD durch die COP

Die COP hat unmittelbar nach Inkrafttreten des Übereinkommens damit begonnen, Fragen im Zusammenhang mit den Schnittstellen zwischen dem CBD und dem TRIPS-Abkommen zu erörtern. So hat die COP bspw. bereits anlässlich des zweiten Treffens im Jahr 1995 das CBD-Sekretariat aufgefordert, das Sekretariat der WTO einzuladen, bei der Ausarbeitung einer Studie über Synergien zwischen den Zielset-zungen der CBD und dem TRIPS-Abkommen behilflich zu sein107.

Die COP hat auch früh die Wichtigkeit erkannt, ein gemeinsames Verständnis für die Beziehung zwischen geistigem Eigentum und der CBD zu finden. Konkret hob die COP beim ihrem zweiten Treffen hervor, es müsse im Besonderen der Einfluss dieser Beziehung auf Bestimmungen betreffend den Technologie-Transfer analy-siert werden108.

103 Vgl. Art. 23 CBD. 104 Die Beschlüsse (Decisions - Dec.) werden mit einem Zahlencode versehen, wobei die erste Nummer in

römischen Ziffern die Vertragsstaatenkonferenz angibt und die verschiedenen Beschlüsse dieser Konferenz dann in arabischen Ziffern durchnummeriert werden (Bsp.: Dec.V/3 bedeutet Beschluss Nummer drei der fünften Vertragsstaatenkonferenz). Vgl. auch den Internetauftritt der COP http://www.biodiv.org/convention/cops.asp mit allen Beschlüssen und Dokumenten.

105 Vgl. Art. 23 CBD, welcher die Vertragsstaatenkonferenz (COP) einsetzt und diese beauftragt, laufend die Durchführung der Konvention zu prüfen. Zu diesem Zweck erhält die COP auch die ausdrückliche Kompetenz, weitere Massnahmen zur Zweckerfüllung zu ergreifen. Gemäss RÖHRICH, 14, ergibt sich aus diesen Beschlüssen ein kontinuierlicher Handlungsbedarf für die Vertragsstaaten. Ziel ist, dass die Vertragsstaaten die Inhalte aller Beschlüsse auf die nationale Relevanz hin überprüfen, um darauf aufbauend einen konkreten Handlungsbedarf zu definieren und einen Maßnahmenkatalog abzuleiten.

106 Zu Beginn traf sie sich jährlich, 1994 in Nassau und 1995 in Jakarta. 107 DHAR/ANURADHA, The Journal of World Intellectual Property 2004, 7(5), 606. 108 Vgl. Decision II/12: Intellectual Property Rights, Second Meeting of the Conference of the Parties to the

Convention on Biological Diversity (COP 2), Jakarta, 1995.

1. Teil: Grundlagen 38

3. Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing

Die COP hat anlässlich des vierten Treffens in Bratislava (COP 4) zudem ein Panel of Experts on Access and Benefit-sharing ins Leben gerufen. Das Mandat dieses Panels bestand darin, ein gemeinsames Verständnis für ein Konzept bezüglich des Zugangs zu genetischen Ressourcen und des Vorteilsausgleichs für deren Nutzung auszuarbeiten109. Anlässlich der fünften Vertragstaatenkonferenz in Nairobi im Jahr 2000 (COP 5) wurde beschlossen, parallel zu diesem Expertenpanel eine Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing ins Leben zu rufen. Diese Arbeitsgruppe erhielt den Auftrag, internationale Richtlinien und andere An-sätze für die Regelungen des Zugangs zu genetischen Ressourcen und des Vorteils-ausgleichs zu schaffen110.

Die vom Expertenpanel ausgearbeiteten Konzepte und Vorschläge für Richtlinien zu dieser Problematik wurden der Arbeitsgruppe für deren erstes Treffen in Bonn übermittelt.

4. Bonner Richtlinien

Die von der COP einberufene Arbeitsgruppe (Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing) erarbeitete anlässlich ihres ersten Treffens in Bonn einen Entwurf für Richtlinien über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den fairen und ausgewogenen Ausgleich der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vor-teile111. Diese sogenannten Bonn Guidelines wurden anlässlich der sechsten Konfe-renz der Vertragsparteien (COP 6) vom 7. – 19. April 2002 in Den Haag formell verabschiedet112. Die Vertragsparteien der CBD anerkannten die Richtlinien als ei-nen wichtigen ersten Schritt in einem Entwicklungsprozess, der darauf hinzielt, die Parteien in der Einführung derjenigen Bestimmungen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zu unterstützen, die den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsausgleich betreffen (Access and Benefit-sharing, ABS113). Von vie-len Ursprungsländern wurde bedauert, dass diese Richtlinien nicht verbindlich seien.

109 Vgl. Decision IV/8, Fourth Meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological

Diversity (COP 4), Bratislava, 1998. 110 Decision V/26: Access and Benefit-sharing, Fifth Meeting of the Conference of the Parties to the

Convention on Biological Diversity (COP 5), Nairobi, 2000. 111 Der englische Titel lautete: Draft Bonn Guidelines on Access to Genetic Resources and Fair and

Equitable Sharing of Benefits Arising out of their Utilization. 112 Decision VI/24: Access and Benefit-sharing as Related to Genetic Resources, Sixth Meeting of the

Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 6), The Hague, 2002. 113 ABS ist eine gebräuchliche Abkürzung für den englischen Begriff Access and Benefit-sharing.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 39

Die Bonner Richtlinien verändern die in der Biodiversitätskonvention nie-dergelegten Rechte nicht und ersetzen auch nicht bereits bestehende nationale Re-gelwerke. Viel eher soll durch diese Richtlinien der Zugang zu genetischen Res-sourcen und der Vorteilsausgleich in Fällen erleichtert werden, in denen bislang keine nationale Gesetzgebung existiert114.

Die Leitlinien beschreiben zudem die Rollen und Verantwortlichkeiten der ver-schiedenen Akteure im ABS-Bereich. Sie sollen Parteien, Regierungen und andere Stakeholder behilflich sein bei der Entwicklung einer einheitlichen Strategie für den Zugang und den Vorteilsausgleich und bei der Identifikation der Schritte, die mit dem Prozess des Erwerbs, des Zugangs und des Vorteilsausgleichs verbunden sind.

Schliesslich sollen die Richtlinien die Vertragsparteien der CBD, Regierungen von Nichtvertragsstaaten und andere Stakeholders unterstützen, wenn sie legislative, administrative oder politische Massnahmen über den Zugang und den Vorteilsaus-gleich ausarbeiten und/oder wenn sie vertragliche Vereinbarungen über den Zugang oder den Vorteilsausgleich festlegen.

a) Aufforderungen an die Geberländer in den Bonn Guidelines Die Richtlinien fordern die Geberländer auf, nationale Kontaktstellen zu schaffen, die im Clearing-House-Mechanism (CHM)115 der CBD aufgeführt werden sollen (CHM ist das zentrale Informations-, Kommunikations- und Kooperationssystem der CBD). Die im CHM erwähnten Kontaktstellen sollen die Antragssteller über die zuständigen nationalen Stellen, welchen den Zugang gewähren können, informie-ren. Sie sollen zudem Aufschluss geben über die nationalen Verfahren zur Erlan-gung der auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen Zustimmung (PIC) und den Umfang der einvernehmlich festzulegenden Bedingungen (MAT).

b) Aufforderungen an die Nutzerländer In den Richtlinien werden folgende vier Massnahmen genannt, die die Nutzer er-greifen sollen: 1. Bemühung um eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete Zustimmung vor

dem Zugang zu genetischen Ressourcen und insbesondere Respekt gegen-über den üblichen Gebräuchen und Werten indigener Gemeinschaften;

114 VON HAHN, S. 261. 115 Der Begriff clearing-house bezeichnete im Englischen ursprünglich eine Verrechnungsstelle von

Banken, in der Schecks und Rechnungen der Mitgliedsbanken ausgetauscht werden können, so dass nur der am Schluss verbleibende Nettobetrag in Bargeld ausgeglichen werden muss. Mittlerweile wurde die Bedeutung des Begriffs erweitert, so dass er nun für jede Art von Einrichtungen benutzt wird, die als Umschlagplatz für Güter, Dienstleistungen oder Informationen dienen und so zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln.

1. Teil: Grundlagen 40

2. Einhaltung aller Bedingungen hinsichtlich des erworbenen genetischen Materials auch bei der Änderung der Nutzung von Ressourcen;

3. Aufbewahrung aller relevanten Daten bezüglich der genetischen Ressour-cen, insbesondere Belege über die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherigen Zustimmung, Informationen über den Ursprung und die Nut-zung der genetischen Ressourcen und Weitergabe dieser Ressourcen an Dritte, denen genetische Ressourcen zur Verfügung gestellt werden;

4. Gewährleistung des ausgewogenen und gerechten Ausgleichs der Vorteile gemäß den einvernehmlich festgelegten Bedingungen116.

Konkret werden sodann in Absatz 16 lit. d der Leitlinien diejenigen Vertragspar-teien, in deren Hoheitsbereich sich Nutzer befinden, aufgefordert, für die Einhal-tung der obgenannten Verpflichtungen zu sorgen, indem sie u. a. folgende Mass-nahmen ergreifen: - Einführung von Mechanismen, welche potentielle Nutzer über ihre Ver-

pflichtungen informieren;

- Implementierung von Maßnahmen, die dazu ermutigen, das Ursprungsland der genetischen Ressourcen in Antragsverfahren für geistige Eigentums-rechte offenzulegen;

- Verhinderung der Nutzung genetischer Ressourcen, welche ohne eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung erlangt worden sind;

- Zusammenarbeit mit anderen Vertragsparteien bei Verletzungen von Zu-gang und Vorteilsausgleich;

- Einführung freiwilliger Zertifizierungssysteme für Institutionen auf der Grundlage von Regeln für den Zugang und Vorteilsausgleich;

- Maßnahmen gegen ungerechte Handelspraktiken.

Im hier interessierenden Kontext ist die konkrete Aufforderung an die Nutzerländer hervorzuheben, Massnahmen zu ergreifen, die dazu ermutigen, das Ursprungsland der genetischen Ressourcen in Antragsverfahren für geistige Eigentumsrechte of-fenzulegen. Interessant ist weiter der Appell an die Nutzerländer, den Gebrauch nicht konventionskonform erlangter genetischer Ressourcen zu verhindern.

116 Absatz 16 lit. b der Bonner Leitlinien.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 41

5. Weitere Massnahmen der COP zur Klärung der Wechselbeziehung der CBD und TRIPS

Parallel zur Verabschiedung der Bonner Richtlinien wurden anlässlich der sechsten Vertragsstaatenkonferenz unter dem Titel "Role of Intellectual Property Rights in the Implementation of Access and Benefit-sharing Arrangements" verschiedene Massnahmen eingeleitet, welche weiteren Aufschluss über das Verhältnis und die Wechselbeziehung der beiden Regelwerke bringen sollen.

a) Einladung an die WIPO Die COP beschloss, die WIPO offiziell einzuladen, eine technische Studie zu erstellen zu Fragen bezüglich der Kompatibilität der Einführung neuer Offenle-gungserfordernisse mit den von der WIPO verwalteten Verträgen des geistigen Ei-gentums117.

b) Ermunterung der Vertragsparteien zur Förderung der Herkunftsangabe Neben der Einladung an die WIPO forderte die COP die Vertragsstaaten und Regie-rungen expressis verbis auf, die Offenlegung der Herkunftsangabe von genetischen Ressourcen bei Patentanmeldungen zu fördern118.

c) Erneuerung des Mandats der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing

Schliesslich wurde auch noch das Mandat der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing erneuert119. Die Arbeitsgruppe wurde u.a. beauftragt, die COP zu beraten über Methoden zur Unterstützung der Einhaltung der beiden grundsätzlichen Zugangsvorschriften (vorherige informierte Zustimmung (PIC) und einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile (MAT). Dies unter besonderer Berücksichtigung der Machbarkeit, der Praktikabilität sowie der Kosten

117 Vgl. Decision VI/24: Access and Benefit-sharing as Related to Genetic Resources, Sixth Meeting of the

Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 6), The Hague, 2002. Diese Einladung wurde zwei Jahre später von der 7. Konferenz Vertragsparteien (COP 7) in Kuala Lumpur, nach wohlwollender Kenntnisnahme der Arbeit der WIPO, erneuert. Mit der neuen Einladung wurde die WIPO gebeten, verschiedene Aspekte der Wechselbeziehung zwischen dem Zugang zu genetischen Ressourcen und neuen Offenlegungserfordernissen bei Patentanmeldungen zu untersuchen. Vgl. dazu Patent Disclosure Requirements Relating to Genetic Resources and Traditional Knowledge: Update, 15. Oktober 2004, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/7/10, Ziffer 7.

118 Decision VI/24: Access and Benefit-sharing as Related to Genetic Resources, Sixth Meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 6), The Hague, 2002, Lit. C., Par. 1: ."(The COP) Invites Parties and Governments to encourage the disclosure of the country of origin of genetic resources in applications for intellectual property rights, where the subject matter of the application concerns or makes use of genetic resources in its development, as a possible contribution to tracking compliance with prior informed consent and the mutually agreed terms on which access to those resources was granted".

119 A.a.O., Lit. A., Par. 8.

1. Teil: Grundlagen 42

dieser Methoden.

6. Zweites Treffen der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing

Entsprechend der Erneuerung des Mandats fand im Dezember 2003 ein zweites Treffen dieser Ad Hoc Arbeitsgruppe statt. Es wurde eine Reihe von Empfehlungen zuhanden der auf Februar 2004 angesetzten siebten Vertragsstaatenkonferenz in Kuala Lumpur (COP 7) verabschiedet. Diese Empfehlungen sind als Annex dem Tagungsbericht120 der Arbeitsgruppe beigefügt. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Punkte: - die Empfehlung zur Beauftragung der Arbeitsgruppe, ein internationales

Regime über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den fairen und ausgewogenen Ausgleich der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile auszuarbeiten121;

- die Empfehlung, die Arbeitsgruppe solle sich mit der Frage eines internationalen Zertifikats für genetische Ressourcen befassen122;

- die Empfehlung, relevante Punkte bezüglich der Offenlegung der Herkunft genetischer Ressourcen bei Patentanmeldungen zu identifizieren123.

7. Neue Aufgaben für die Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing

Anfang 2004 entschied die siebte Konferenz der Vertragsstaaten in Kuala Lumpur, den Empfehlungen der Arbeitsgruppe zu folgen. Die Arbeitgruppe wurde beauf-tragt, ein internationales Regime über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den fairen und ausgewogenen Ausgleich der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile auszuarbeiten. Der Auftrag erfolgte ohne konkrete Vorgabe betreffend die

120 Report of the Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-Sharing on the Work of its

Second Meeting, 10. Dezember 2003, CBD Doc.: UNEP/CBD/COP/7/6. 121 A.a.O., 24, wobei anzumerken ist, dass die Arbeitsgruppe ihre Empfehlung mit einigen Eventualitäten

versehen hat und bspw. der COP auch die Möglichkeit gab, ein offeneres Mandat zu formulieren. 122 A.a.O., 26, lit. f. 123 A.a.O., 26, lit. g.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 43

rechtliche Verbindlichkeit dieses Instruments124. In einem Annex formulierte die COP jedoch sogenannte Terms of Reference für die Ausarbeitung des Regimes. Gemäss diesem Annex kann dieses Regime rechtlich verbindliche und nicht ver-bindliche Normen enthalten. Es werden weiter verschiedene Punkte vorgeschlagen, welche von der Arbeitsgruppe hinsichtlich einer Umsetzung in diesem Regime überprüft werden sollen. Zu diesen Punkten zählt auch die Offenlegung der Her-kunft, der Quelle oder der rechtlichen Provenienz genetischer Ressourcen bei der Einreichung von Anmeldungen für die Gewährung geistigen Eigentums125.

Die Arbeitsgruppe hat von der COP zudem, entsprechend ihren eigenen Empfeh-lungen die Aufträge erhalten, die Frage eines internationalen Zertifikats für geneti-sche Ressourcen abzuklären sowie relevante Punkte bezüglich der Offenlegung der Herkunft genetischer Ressourcen bei Patentanmeldungen zu identifizieren126.

8. Drittes und viertes Treffen der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing

a) Drittes Treffen der Arbeitsgruppe (ABS 3127) Vom 14. - 18. Februar 2005 fand in Bangkok das dritte Treffen der Arbeitsgruppe statt. Bereits zu Beginn des Treffens wurden zur Frage des Verhältnisses von CBD und TRIPS Abkommen brisante Aussagen gemacht: Herr Nehemiah Rotich hielt im Namen des geschäftsführenden Direktors des United Nations Environment Pro-gramme (UNEP) Klaus Töpfer eine Rede. In dieser Rede erklärte er, es sei wichtig, dass im Rahmen dieses Treffens das Verhältnis zwischen der CBD und dem TRIPS-Abkommen weiter geklärt werde. Es bestünden reale Widersprüche in essentiellen Punkten, die aufgelöst werden müssten. Herr Rotich erklärte weiter, dass geistiges Eigentum für life forms gemäss dem TRIPS-Abkommen den Zielen der CBD zuwi-derlaufe und diese nicht unterstütze. Weiter legte er dar, dass das private Eigen-

124 Decision VII/19, Seventh Meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological

Diversity (COP 7), Kuala Lumpur, 2004, Lit. D, Par. 1. Der genaue Auftrag lautete wie folgt: "(The COP) decides to mandate the Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing with the collaboration of the Ad Hoc Open ended Inter-Sessional Working Group on Article 8(j) and Related Provisions, ensuring the participation of indigenous and local communities, non-Governmental organizations, industry and scientific and academic institutions, as well as intergovernmental organizations, to elaborate and negotiate an international regime on access to genetic resources and benefit-sharing with the aim of adopting an instrument\instruments to effectively implement the provisions in Article 15 and Article 8(j) of the Convention and the three objectives of the Convention.

125 A.a.O., Annex, lit. d, (xiv). 126 A.a.O., Lit. E., Par 6 und 7. 127 Für Die Treffen der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing wird im

Sprachgebrauch der COP die Abkürzung ABS benutzt. ABS 3 ist somit das dritte der Treffen der Arbeitsgruppe.

1. Teil: Grundlagen 44

tumsregime, welches durch das TRIPS-Abkommen etabliert worden sei, die Einfüh-rung der Zugangs- und Vorteilausgleichsregeln der Konvention untergraben würde. Ein privates Monopol könne nur da beginnen, wo nationale oder gemeinschaftliche Souveränität suspendiert sei. Deshalb seien unter dem TRIPS-Abkommen exakt diejenigen genetischen Ressourcen, deren Zugang durch Nationen und Gemein-schaften gesteuert werden soll, unter der Kontrolle der Inhaber der entsprechenden Immaterialgüterrechte. Regierungen und Gemeinschaften hätten kein Mittel, den Zugang zu regeln oder einen Anteil der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zu verlangen, weil alles im privaten Eigentum stünde128.

Diese Aussagen sorgten für Aufregung. Bei der Verabschiedung des Reports, wel-cher die Rede von Herrn Rotich in der oben dargestellten Art und Weise zusam-menfasste, gaben sie Anlass zu Diskussion:

Der Vertreter der Niederlande liess sich vernehmen und erklärte, dass er die An-sichten, wie sie von Herrn Rotich dargelegt worden seien (und nun Eingang in den Schlussbericht der Tagung gefunden hätten), nicht teilen könne. Die EU und ihre Mitgliedstaaten, als Vertragsstaaten sowohl der CBD wie auch des TRIPS-Ab-kommens seien der Auffassung, dass zwischen den beiden Regelwerken keine Wi-dersprüche bestünden. Sie würden ihre internationalen Verpflichtungen in einer sich gegenseitig unterstützenden Art implementieren. Man hoffe auf ein misunderstan-ding innerhalb der UNEP. Auch der Repräsentant Australiens erklärte seine ernsten Bedenken zu der Rede des Vertreters der UNEP. Es sei Australiens Position, dass die beiden Abkommen sich gegenseitig stützen würden. Diesem Statement schlos-sen sich die Schweiz, Japan und Neuseeland an. Auch die USA, welche trotz des Umstands, dass die CBD von ihr immer noch nicht ratifiziert worden ist, mit einer 40-köpfigen Delegation an dem Treffen teilnahm, schloss sich diesem Votum an und erklärte zudem, es sei bedauerlich, dass die UNEP ihr Mandat ignoriert habe und sich unangemessenerweise aufgemacht habe, das TRIPS-Abkommen zu inter-pretieren. Die UNEP habe diesbezüglich keine Kompetenz.

Der Vertreter Äthiopiens erklärte namens der afrikanischen Gruppe, dass die Rede im Report korrekt wiedergegeben sei und die Rede eine akkurate Darstellung der Situation gewesen sei. Nach Ansicht der afrikanischen Gruppe bestehe ein inhären-ter Widerspruch zwischen der CBD und TRIPS und die beiden Abkommen würden sich nicht gegenseitig unterstützen. Sie würden sich nur dann gegenseitig stützen, wenn das TRIPS-Abkommen revidiert würde und die Eigentumsrechte der indige-nen und lokalen Gemeinschaften gewahrt blieben. Die beiden Abkommen würden 128 Report of the Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing on the Work of its

Third meeting, 3. März 2005, CBD Doc.: UNEP/CBD/WG-ABS/3/7, Par. 12 und 13.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 45

sich nicht stützen, solange es die Norm sei, dass Biodiversität konfisziert und dann patentiert würde. Dieser Position schlossen sich der Repräsentant Brasiliens und verschiedene Nichtregierungsorganisationen an und es wurde erklärt, man unter-stütze voll und ganz die von Herrn Rotich gemachten Aussagen129.

Die Aufregung blieb nicht unbemerkt. Mit Schreiben vom 18. März 2005 meldete sich Klaus Töpfer beim Chairman des Treffens und erklärte:

"This is to advise you that the speech made by the United Nations Environment Programme (UNEP) staff member does not represent or reflect the position of the Executive Director and UNEP. This was not the speech of the Executive Director of UNEP."130

Gemäss dem Schlussbericht wurden an diesem Treffen in Bangkok wiederum eine Vielzahl von Empfehlungen verabschiedet. Hervorzuheben sind die folgenden konkreten Entwicklungen:

Die Arbeitsgruppe beschloss bezüglich des Internationalen Regimes betreffend den Zugang zu genetischen Ressourcen, mit den Referenzdaten, welche ihr von der COP für die Ausarbeitung dieses internationalen Regimes vorgegeben worden waren, weiterzuarbeiten. Sie lud die Vertragsparteien ein, bis zum nächsten Treffen der Arbeitsgruppe Stellungnahmen zu den bisherigen Arbeiten der Gruppe zu unterbreiten. Im Annex I des Schlussberichts, welcher den Stand der Arbeiten der Arbeitsgruppe wiedergibt, wird unter Ziffer 5 ausgeführt, welche Vorschläge von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe bezüglich möglicher zusätzlicher Elemente und Optionen für das Regime gemacht wurden. Gemäss der dort dargelegten Option 1131 sollte das rechtlich verbindliche Instrument dieses Regimes darauf fokussieren, dass die rechtliche Herkunft genetischer Ressourcen bei Patentanmeldungen offengelegt werden muss und dass ein internationales Zertifikat eingeführt wird, welches den Nachweis der Einhaltung der vorherigen informierten Zustimmung und den Nachweis einer einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile gewährleistet132.

Die Arbeitsgruppe beriet separat über Massnahmen, welche die Einhaltung der Zu-gangsvoraussetzungen (prior informed consent, PIC und mutually agreed terms, MAT durch Benutzer (users) von genetischen Ressourcen fördern sollen. In diesem 129 A.a.O., Par. 175-181. 130 A.a.O., 3, Fussnote. 131 Die Arbeitsgruppe schlug verschiedene zusätzliche Optionen und Elemente vor (Option 1 und 2, sowie

additional elements). 132 Report of the Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing on the Work of its

Third meeting, 3. März 2005, CBD Doc.: UNEP/CBD/WG-ABS/3/7, 29, Ziff. 5, VI. und VII.

1. Teil: Grundlagen 46

Kontext forderte die Arbeitsgruppe die Regierungen der Vertragsparteien auf, die Einführung von Offenlegungserfordernissen bezüglich der Herkunft, der Quelle oder der rechtlichen Provenienz genetischer Ressourcen bei einer Patentanmeldung voranzutreiben. Dies als eine der Massnahmen, welche die Einhaltung der Zu-gangsvoraussetzungen PIC und MAT fördern sollen. Zudem wurden die Vertrags-staaten eingeladen, Themen einer solchen Deklarationspflicht zu identifizieren und diese der Arbeitsgruppe zu unterbreiten, welche diese Eingaben in der Folge an-lässlich ihres vierten Treffens beraten würde. Das Resultat dieser Untersuchung würde schliesslich an die WIPO, die FAO, die WTO und weitere relevante Foren weitergeleitet.

Die Arbeitsgruppe identifizierte zudem ein internationales Zertifikat über Herkunft, Quelle oder rechtliche Provenienz genetischer Ressourcen als mögliches Element des internationalen Regimes und lud die Vertragsstaaten ein, ihre Ansichten zu ei-nem solchen System zu unterbreiten.

b) Viertes Treffen der Arbeitsgruppe (ABS 4) Vom 30. Januar – 3. Februar 2006 fand in Granada das vierte Treffen der Arbeits-gruppe statt. Trotz zäher Verhandlungen wurde ein erster Entwurf für ein internati-onales Regimes erarbeitet. Der Entwurf soll als Basis für die weiteren Verhandlun-gen dienen. Der Text ist noch mit einer Vielzahl von Klammern versehen und stellt eher eine Auswahlsendung dar, welche die grossen Unterschiede der Positionen innerhalb der Arbeitsgruppe widerspiegelt, als einen echten Lösungsansatz. Nach wie vor weit von einem Konsens entfernt ist die Gruppe u.a bezüglich der rechtli-chen Verbindlichkeit einzelner Punkte des internationalen Regimes. Festzuhalten ist, dass zumindest ein Entwurf für ein internationales Regime vorliegt, auch wenn in sämtlichen wichtigen Punkten noch kein Konsens vorliegt133.

Erneut wurde auch über die Einführung von Offenlegungserfordernissen bezüglich der Herkunft genetischer Ressourcen bei Patentanmeldungen diskutiert. Obwohl in den Entwurf verschiedene Bestimmungen einflossen, die für verbindliche Offenle-gung eintreten, zeigt der Umstand, dass diese Bestimmungen in Klammern stehen, dass insbesondere zu dieser Frage von einem Konsens keine Rede sein kann134.

133 Der Entwurf wurde in der Zwischenzeit von der COP 8 zur Kenntnis genommen und zur weiteren

Bearbeitung an die Arbeitsgruppe zurückgegeben. Der Entwurf ist als Annex in der Dec. VIII/4 der COP 8 einsehbar. Abzurufen unter <http://www.biodiv.org/decisions/default.aspx?m=cop-08>.

134 Für einen detaillierten Bericht des Meetings vgl. Earth Negotiation Bulletin, Vol. 9, No 344, abrufbar unter <http://www.iisd.ca/biodiv/abs-wg4>.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 47

9. Würdigung

Die Bemühungen der Konferenz der Vertragsparteien zeigen, dass es ihr ein grosses Anliegen ist, die Ziele des Übereinkommens effektiv umzusetzen. Diese Umsetzung ist jedoch ein schwieriger und langwieriger Prozess. Insbesondere, wenn es darum ginge, neue verbindliche Normen zu setzen ist es schwierig, genügend grosse Mehrheiten zu finden. Gemäss Art. 29 Abs. 3 CBD braucht es im Minimum eine Zweidrittelmehrheit, um die Konvention zu ändern oder ein Protokoll zu verab-schieden. Die Anstrengungen zeigen zudem, dass die bestehenden Normen der CBD gewisse Defizite vor allem hinsichtlich deren Durchsetzungsmöglichkeiten aufweisen. Ein Schwerpunkt der Bemühungen der COP liegt seit Anbeginn darin, die Vorgaben der CBD betreffend den Zugang zu genetischen Ressourcen und den fairen und ausgewogenen Ausgleich der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile effektiv umzusetzen. Die dabei identifizierten Punkte machen deutlich, dass die COP eine Möglichkeit sieht, dass das geistige Eigentum bei dieser Umsetzung einen Beitrag leisten kann135. Mit den verabschiedeten Bonn Guidelines besteht die Hoff-nung, dieser Regelungsvorschlag könne die Kluft zwischen politischer Entwicklung und rechtlicher Umsetzung überbrücken, indem sowohl für den Benutzer als auch für den Bereitsteller von genetischen Ressourcen ein transparentes und vorherseh-bares System geschaffen wird. Interessant und hervorzuheben ist auch, dass die Richtlinien die Vertragsstaaten direkt auffordern, die Verantwortlichkeit der inte-ressierten und involvierten Kreise (Stakeholders) zu fördern. Diese Richtlinien stellen ohne Zweifel einen wichtigen Schritt dar zu klaren und einheitlichen natio-nalen Vorgaben bezüglich der Zugangsregelung und bezüglich der Vorteilsausglei-chung. Vorgaben, welche letztendlich auch das Verhältnis der beiden Regelwerke TRIPS und CBD insofern mitprägen, als dass sie das dritte Ziel der CBD, die aus-gewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Res-sourcen ergebenden Vorteile, weiter konkretisieren. Zudem ist zu begrüssen, dass die Nutzerstaaten in den Richtlinien direkt aufgefordert werden, die Offenlegung der Herkunft der genetischen Ressourcen in Antragsverfahren für geistige Eigen-tumsrechte zu verlangen. Dies als Massnahme zur Förderung der Einhaltung der Zugangs- und Vorteilsausgleichsbestimmungen der CBD.

Neben der Verabschiedung der Bonn Guidelines hat die COP anlässlich der 6. Ver-tragskonferenz beschlossen, die Nutzerstaaten direkt aufzufordern, Massnahmen zu ergreifen, damit das Ursprungsland der genetischen Ressourcen in Antragsverfahren

135 Vgl. Decision VI/24: Access and Benefit-sharing as Related to Genetic Resources, Sixth Meeting of the

Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 6), The Hague, 2002, Lit. C, Par. 1.

1. Teil: Grundlagen 48

für geistige Eigentumsrechte offengelegt wird. Der anlässlich der siebten Vertrags-konferenz (COP 7) geäusserte Wille, ein internationales Regime zu entwickeln, ist für das Verhältnis von CBD und TRIPS insofern von Bedeutung, als ein internatio-nales rechtlich verbindliches Zugangsregime möglicherweise neue Möglichkeiten schaffen könnte, Offenlegungserfordernisse im Patentrecht rechtlich zu verankern und zu definieren.

Schliesslich zeigt die Aufregung, welche die von Herrn Rotich anlässlich des dritten Treffens der Arbeitsgruppe gehaltene Rede ausgelöst hat, dass die Frage, ob zwi-schen dem TRIPS-Abkommen und der CBD ein inhärenter Konflikt besteht oder nicht, die Gemüter ausserordentlich bewegt. Für die Vertreter der Industrieländer scheint es tabu zu sein, zuzugeben, dass die strikte Umsetzung der TRIPS-Vorgaben den Zielen der CBD zuwiderlaufen könnte. Trotzdem scheint es auf höchster Stufe zumindest anerkannt, dass TRIPS und CBD sich bei der Erreichung ihrer Ziele wechselseitig unterstützen können und sollen136. C. Bestrebungen der WIPO

1. Allgemeines zur WIPO

Die WIPO (World Intellectual Property Organization), gegründet 1967 durch das Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (SR. 0.230), ist eine der 16 Spezialorganisationen innerhalb der UNO. Sie soll die Inte-ressen und Rechte von Schöpfern und Inhabern von Rechten des Geistigen Eigen-tums wahren. Unter ihrer Ägide wurden nicht nur multilaterale Abkommen zum internationalen Schutz von Patenten, Marken, Designs und Urheberrechten abge-schlossen, sie engagiert sich auch im Bereich der technischen Kooperation und un-terstützt Mitgliedstaaten bei der Implementierung der notwendigen Infrastruktur zum wirkungsvollen Schutz des Geistigen Eigentums. Unter dem Dach der WIPO sind 23 internationale Verträge vereint, welche verschiedene Aspekte von geistigem Eigentum regeln. In diesem Rahmen überwacht die WIPO auch den bereits im Zu-sammenhang mit dem Vorschlag der Schweiz angesprochenen Vertrag über die in-ternationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT - Patent Coo-peration Treaty)137 sowie die PCT-Anmeldungen. Die WIPO hat ihren Sitz in Genf

136 Ein deutliches Zeichen dafür ist das Treffen zwischen Pascal Lamy, Director-General der WTO und

Ahmed Djoghlaf, Executive Secretary der CBD vom 29. Mai 2006 in Genf. Sie trafen sich "to discuss how the international trade regime and the Convention on Biological Diversity, the principal global treaty to protect and better use life on Earth, can be mutually supportive". Vgl. Press Release der CBD vom 31.5.2006, abrufbar unter <http://www.biodiv.org/doc/press/2006/pr-2006-05-31-wto-en.pdf>.

137 Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (SR 0.232.04).

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 49

und zählt zur Zeit 183 Mitgliedstaaten138.

Die ersten Arbeiten der WIPO zum geistigen Eigentum und den genetischen Res-sourcen umfassten zunächst eine zusammen mit dem United Nations Environment Programm (UNEP) verfasste Studie zur Rolle des geistigen Eigentums bei der Ver-teilung des Nutzens, der aus biologischen Ressourcen gewonnen wird139. 1999 for-derte der ständige Ausschuss über das Patentrecht das Sekretariat der WIPO auf, den Schutz von biologischen und genetischen Ressourcen auf die Tagesordnung der Arbeitsgruppe für biotechnologische Erfindungen zu setzen140.

2. Arbeitsgruppe Biotechnologie

Die Arbeitsgruppe Biotechnologie (Working Group on Biotechnology) befasste sich auch mit der Frage, ob bei einer Patentanmeldung eine Pflicht zur Bekanntgabe von Informationen bezüglich biologischen Materials, welches bei einer Erfindung ver-wendet wurde, eingeführt werden sollte. Im Auftrag dieser Arbeitsgruppe wurde zur Vorbereitung des Treffens vom November 1999 ein Arbeitspapier verfasst. Darin findet sich ein illustrativer Passus, der aufzeigt, welche Vorschläge damals bereits im Raum standen. Eine der sich stellenden Fragen ist, ob ein solches neues Erfor-dernis materieller oder formeller Natur sein soll:

“Certain proposals have been advanced within WIPO and other fora that would envision a requirement that patent applicants disclose certain information relating to biological ma-terials that were used in developing an invention. Some of these proposals appear to be designed to ensure that parties have obtained samples of certain biological materials used in developing an invention legitimately, or seek to require applicants to disclose certain contractual relationships in the patent application. It is unclear, however, whether such a requirement should be dealt with by national laws as being substantive, thus leading to the rejection of the patent application in its absence, or rather a merely procedural one.”141.

Weiter wurde in diesem Arbeitspapier der Arbeitsgruppe Biotechnologie vorge-schlagen, eine Evaluation derjenigen Praktiken und Mittel vorzunehmen, welche zur Identifizierung und zum Schutz der Interessen der verschiedenen Parteien, die an der Entwicklung und an der Forschung biotechnologischer Erfindungen beteiligt

138 Für weitergehende Information vgl. die Homepage der WIPO: <http://www.wipo.int/about-wipo/en/>. 139 Vgl. Matters Concerning Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and

Folklore - an Overview, 16. März 2001, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/1/3, S. 9, Par. 23 m.w.H. 140 VON LEWINSKI, GRUR Int. 2001, S. 852. 141 Issues for Proposed WIPO Work Program on Biotechnology, WIPO Doc.: WIPO/BIOT/WG/99/1, Par.

46.; Vgl. dazu auch Technical Study on Disclosure Requirements in Patent Systems Related to Genetic Resources and Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD), S. 15.

1. Teil: Grundlagen 50

sind, verwendet werden. Anlässlich des Meetings der Arbeitsgruppe Biotechnologie im November 1999 wurde beschlossen, eine Frageliste zuhanden der WIPO Mitgliedstaaten zu entwerfen. Diese Liste sollte grundsätzliche Fragen enthalten zu den Praktiken bezüglich des Schutzes von biotechnologischen Erfindungen durch das Patentrecht und den Sortenschutz. Sie sollte aber auch folgende Frage enthalten:

"Does your legislation include any special provisions to ensure the recording of contribu-tions to inventions such as the source of government funding, the source of genetic re-sources that originate or are employed in biotechnological inventions?”142

Von den 57 Mitgliedstaaten, welche den Fragebogen beantwortet und retourniert hatten, bejahten nur fünf diese Frage mit einem Ja. Lediglich drei der Mitgliedstaaten erklärten, solche Bestimmungen erlassen zu wollen.

3. Treffen der Mitgliedstaaten der WIPO über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen

Im April 2000 führte die WIPO ein Treffen mit ihren Mitgliedstaaten durch. Thema dieses Treffens war der Zugang zu genetischen Ressourcen und die direkte oder indirekte Rolle, welche das geistige Eigentum dabei spielt143. Das Treffen fand ebenfalls auf Anregung des ständigen Ausschusses über Patentrecht statt. Die unter-schiedlichen Positionen wurden ausgetauscht und das Meeting endete mit folgen-dem Konsens:

“WIPO should facilitate the continuation of consultations among Member States in coordi-nation with the other concerned international organizations, through the conduct of appro-priate legal and technical studies, and through the setting up of an appropriate forum within WIPO for future work.”144

4. Die Einrichtung des zwischenstaatlichen Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore

a) Vorgeschichte Die Einrichtung dieses Ausschusses der WIPO hängt eng mit den Bemühungen der WIPO zusammen, den Patentschutz weltweit zu harmonisieren. 1984 hatte die 142 Information Provided by WIPO Member States Concerning Practices Related to the Protection of

Biotechnological Inventions, 6. April 2001, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/1/6, S. 5, Frage 8. 143 Vgl. Matters Concerning Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and

Folklore, 25. August 2000, WIPO Doc.: WO/GA/26/6, S. 2, Par. 7: " The Meeting addressed issues that generally are raised in the context of access to, and in situ preservation of, genetic resources in their direct or indirect relationship with intellectual property."

144 A.a.O.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 51

WIPO ein neues Vorhaben zur weltweiten, umfassenden Harmonisierung des Pa-tentschutzes begonnen. Das Projekt eines Ergänzungsabkommens wurde mit Blick auf den als ungenügend empfundenen Mindestschutz der Pariser Verbandsüberein-kunft145 an die Hand genommen. Bevor dieses WIPO Vorhaben beendet werden konnte, wurde, wie bereits erwähnt, am 15. April 1994 von der WTO das TRIPS-Abkommen verabschiedet. Dies führte zu Überschneidungen mit dem geplanten Ergänzungsabkommen, welches 1995 an der ablehnenden Haltung der USA schei-terte. Die Generalversammlung der WIPO und die Versammlung des Pariser Ver-bandes beschlossen daraufhin, einen neuen Ansatz für die Förderung der Harmoni-sierung des Patentrechts namentlich im Bereich der Formalien nationaler Patentan-meldungen zu suchen. Am 1. Juni 2000 mündete dieses Projekt in den sogenannten "Patent Law Treaty". Dieses Abkommen vereinheitlicht eine Reihe von national sehr unterschiedlich geregelten Formalitäten im Zusammenhang mit der Anmel-dung und Aufrechterhaltung eines Patents. Bislang unterzeichneten 56 Länder ein-schliesslich der Schweiz den Patentrechtsvertrag und 7 Länder haben ihn ratifiziert (Stand: 31. Januar 2005). Er ist noch nicht in Kraft getreten.

Im Zusammenhang mit der Ausarbeitung dieses Patent Law Treaty der WIPO hatte die kolumbianische Delegation 1999 der WIPO einen konkreten Vorschlag zum Schutz biologischer und genetischer Ressourcen unterbreitet. Der PLT sollte Be-stimmungen enthalten, welche die Patentanmeldung mit "Access and Benefit-sharing" Regeln verbinden würden. Der Vorschlag hatte folgenden Wortlaut: "1. All industrial property protection shall guarantee the protection of the country’s

biological and genetic heritage. Consequently, the grant of patents or registrations that relate to elements of that heritage shall be subject to their having been ac-quired legally.

2. Every document shall specify the registration number of the contract affording access to genetic resources and a copy thereof where the goods or services for which protection is sought have been manufactured or developed from genetic re-sources, or products thereof, of which one of the member countries is the country of origin."146

Dieser kolumbianische Weg wurde von verschiedenen anderen Entwicklungslän-dern unterstützt. Der Vorschlag stiess jedoch auf grossen Widerstand von Seiten der Vereinigten Staaten und Japan. Es wurde erklärt, der Vorschlag enthalte Elemente des materiellen Patentrechts ("substantive patent law"), welche nicht im PLT zu

145 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (SR 0.232.04). 146 Protection of Biological and Genetic Resources, 8. September 1999, WIPO Doc.: SCP/3/10, S. 1.

1. Teil: Grundlagen 52

regeln seien147. Anlässlich der diplomatischen Konferenz, welche den PLT verab-schiedete, wurde in der Folge, sozusagen als Ausgleich für den abgewiesenen Vor-schlag Kolumbiens, der zwischenstaatliche Ausschuss über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore eingerichtet (Intergo-vernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore)148.

b) Erste Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore

Die erste Sitzung des Ausschusses war noch vom Sekretariat der WIPO vorbereitet worden und fand im Mai 2001 in Genf statt. Dem Ausschuss waren vom Sekretariat der WIPO die drei Arbeitsbereiche "genetische Ressourcen", "überliefertes Wissen" und "Folklore" vorgeschlagen und für jeden Bereich mögliche Aufgaben des Ausschusses vorgeschlagen worden149. Für den Bereich der im Rahmen dieser Arbeit interessierenden genetischen Ressourcen hatte das Sekretariat der WIPO folgendes konstatiert:

"However, with the increasing ex-situ utilization of genetic resources (...) and their increasing actual or potential value, the free flow paradigm of genetic resources is giving way to new regulatory conditions. On the one hand, the provider countries of genetic resources are beginning to assert sovereign control over their germplasm, and, on the other hand, ex-situ users of genetic resources are claiming intellectual property rights over improved germplasm which they have developed through breeding or modern biotechnologies."150

Die WIPO schlug für den Bereich genetischer Ressourcen sodann fünf Aufgaben vor. Besonders interessant und hervorzuheben ist dabei die Aufgabe Nummer zwei, welche vorsah, dass Bestimmungen und Richtlinien für nationale Patentgesetze zur Erleichterung der Übereinstimmung (engl.: to facilitate consistency) mit den staatlichen Massnahmen bezüglich des Zugangs zu genetischen Ressourcen

147 Vgl. DHAR/ANURADHA, The Journal of World Intellectual Property 2004, 7(5), 609. 148 Vgl. zum Hintergrund dieses Ausschusses: Matters Concerning Intellectual Property and Genetic

Resources, Traditional Knowledge and Folklore, 25. August 2000, WIPO Doc.: WO/GA/26/6. Gegründet wurde er anlässlich der 26. Sitzung der Generalversammlung der WIPO im September 2000, vgl. Report of the 26th Session of the WIPO General Assembly, September 25 to October 3, 3. Oktober 2000, WIPO Doc.: WO/GA/26/10.

149 Vgl. Information Provided by WIPO Member States Concerning Practices Related to the Protection of Biotechnological Inventions, 6. April 2001, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/1/6.

150 Matters Concerning Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore - an Overview, 16. März 2001, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/1/3, S. 12, IV, Par. 33.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 53

entwickelt werden sollten151.

Im Rahmen der Beratungen des ersten Meetings sprach sich eine Mehrheit der Mitgliedstaaten für eine Inangriffnahme dieser konkreten Aufgabe aus. Sehr häufig wurde im Zuge dieses Meetings auch der Wunsch geäussert, die relevante Arbeit solle zwischen den verschiedenen betroffenen internationalen Organisationen koordiniert werden152. Seither hat dieser zwischenstaatliche Ausschuss neun Mal getagt, zuletzt vom 24. – 28. April 2006 in Genf153.

Die geplante Zusammenarbeit mit anderen Institutionen fand vor allem mit der Konferenz der Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention (COP) statt: Anläss-lich der zweiten Sitzung des Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore wurde dieser von der bereits er-wähnten Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing über den Ausgang ihres ersten Treffens informiert. Der Ausschuss wurde dabei avisiert, dass die CBD-Arbeitsgruppe der COP vorschlagen werde, die WIPO einzuladen, eine technische Studie auszuarbeiten über etwaige Methoden, mit welchen bei der Patentanmeldung die Offenlegung gewisser Informationen einverlangt werden könnte154.

c) Einladung an die WIPO durch die COP 6 Anlässlich der 6. Konferenz der Vertragsparteien vom 7. April – 19. April 2002 (COP 6) erfolgte sodann die offizielle Einladung der WIPO: Die Einladung hatte folgenden Inhalt:

“(...) prepare a technical study, and to report its findings to the Conference of the Parties at its seventh meeting, on methods consistent with obligations in treaties administered by the World Intellectual Property Organization for requiring the disclosure within patent appli-cations of, inter alia:

151 Vgl. A.a.O., S. 16, IV Ziffer 47, welche folgendes statuiert: "Possible Task A.2: Considering the

previous discussions in WIPO on intellectual property and genetic resources, the proposals of the WIPO Working Group on Biotechnology, and the need expressed in other fora, the Intergovernmental Committee may wish to consider the development of appropriate provisions or guidelines for national patent laws which facilitate consistency with measures of States concerning access to genetic resources and which are consistent with existing international intellectual property standards."

152 Vgl. Report of the First Session of the Intergovernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore, 23. Mai 2001, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/1/13, S. 70, Par. 128.

153 Für die aktuellen Arbeiten des Ausschusses den vgl. Internetauftritt der WIPO: <http://www.wipo.int/tk/en/>. Für einen Überblick über die Arbeiten des Ausschusses zur Frage von neuen Offenlegungspflichten vgl. Patent Disclosure Requirements Relating to Genetic Resources and Traditional Knowledge: Update, 15. Oktober 2004, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/7/10.

154 A.a.O., S. 2, Par. 2.

1. Teil: Grundlagen 54

(a) Genetic resources utilized in the development of the claimed inventions;

(b) The country of origin of genetic resources utilized in the claimed inventions;

(c) Associated traditional knowledge, innovations and practices utilized in the devel-opment of the claimed inventions;

(d) The source of associated traditional knowledge, innovations and practices; and,

(e) Evidence of prior informed consent.”155

Die WIPO nahm die Einladung an und begann mit der Ausarbeitung dieser Studie. Dies unter der Federführung des zwischenstaatlichen Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore.

5. Technische Studie der WIPO über Offenlegungserfordernisse im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen und überliefertem Wissen

a) Allgemeines Im September 2003 wurde die ausgearbeitete Studie der Generalversammlung der WIPO anlässlich deren 30. Sitzung zur Genehmigung vorgelegt. Die Generalver-sammlung der WIPO legte dabei Wert auf die Feststellung, dass die Studie keine definitive Interpretation der relevanten internationalen Verträge darstelle. Sie sei als technischer Input zur Erleichterung der Diskussion zu verstehen und dürfe nicht als formelles Positionspapier der WIPO verstanden werden156. Sie nahm jedoch die Studie an und leitete diese als Referenzdokument an das Sekretariat der CBD wei-ter. Das Sekretariat der CBD übergab die Studie der Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing. Dies führte zu Empfehlungen dieser Arbeits-gruppe zuhanden der COP. Anlässlich des siebten Treffens der COP des CBD wurde die Studie "with appreciation" zur Kenntnis genommen.

Die Studie legt zuerst den Hintergrund der Problematik dar und zeigt die Rolle von geistigen Eigentumsrechten in der Debatte um "Access and Benefit-sharing" auf. Es folgt eine Übersicht über geistiges Eigentum und über bestehende Offenbarungs- 155 Vgl. Decision VI/24: Access and Benefit-sharing as Related to Genetic Resources, Sixth Meeting of the

Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP 6), The Hague, 2002. 156 Die Entscheidung, die Studie anzunehmen und an das Sekretariat der CBD weiterzuleiten war abhängig

vom folgenden Verständnis der Studie: “The [Study] has been prepared to contribute to international discussion and analysis of this general issue, and to help clarify some of the legal and policy matters it raises. It has not been prepared to advocate any particular approach nor to expound a definitive interpretation of any treaty. It is to be regarded as a technical input to facilitate policy discussion and analysis in the CBD and in other fora, and it should not be considered a formal paper expressing a policy position on the part of WIPO, its Secretariat or its Member States.” Vgl. Patent Disclosure Requirements Relating to Genetic Resources and Traditional Knowledge: Update, 15. Oktober 2004, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/7/10, S. 3, Par. 6.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 55

vorschriften sowie ein Kapitel über die Interaktion von genetischen Ressourcen, überliefertem Wissen und Folklore und Patenten. Konkret zur Frage nach neuen Offenlegungserfordernissen im Patentrecht führt die Studie vier Bereiche an, die der weitern Klärung bedürften:

- Welcher Tatbestand ist der Auslöser der Offenlegungspflicht?

- Auf welche rechtliche Grundlage soll die neue Pflicht abstützen?

- Welchen Umfang haben die neuen Pflichten?

- Welches sind mögliche Sanktionen bei Nichteinhaltung?

Diese Punkte sind nachfolgend kurz darzustellen.

b) Konnex zwischen Erfindung und genetischer Ressource (Auslöser) Die Studie stellt die Frage nach dem Verhältnis bzw. dem Konnex der genetischen Ressource zur beanspruchten Erfindung. Gefordert wird, es müsse für einen Erfin-der Klarheit herrschen, wann im Zusammenhang mit einer Erfindung im Bereich genetischer Ressourcen eine Offenlegungspflicht besteht und wann nicht. Die Stu-die fragt dabei nach dem Auslöser einer Offenlegungspflicht und unterscheidet Auslösemechanismen, welche sich auf bestehende patentrechtliche Prinzipien ab-stützen und solche, welche nicht vom geltenden Patentrecht abgeleitet werden kön-nen.

Gemäss der Studie sind gestützt auf bestehende patentrechtliche Prinzipien folgende Konstellationen vorstellbar, welche eine Offenlegungspflicht auslösen können: - Zugang zu der genetischen Ressource ist notwendig, um die Erfindung

auszuführen bzw. zu wiederholen;

- Zugang zu der genetischen Ressource ist notwendig um die bevorzugte Verkörperung der Erfindung oder ein anderes Beispiel, welches in der An-meldung beschrieben ist, zu vollziehen.

Weitere Auslösetatbestände, welche sich nicht direkt auf bestehende patentrechtli-che Prinzipien abstützen lassen, wären gemäss der Studie die folgenden spezifi-schen Konstellationen: - Genetische Ressourcen wurden im Zuge der Entwicklung und Forschung,

welche zu der Erfindung geführt haben, benutzt und waren essentiell für de-ren Ableitung;

- Genetische Ressourcen wurden benutzt im Zuge der Entwicklung und For-schung, welche zu der Erfindung geführt haben, diese waren jedoch ledig-lich nebensächlich für die Erfindung;

1. Teil: Grundlagen 56

- Die Forschung, welche zur Erfindung führte, die Erlangung der Erfindung selber oder der Akt der Patentanmeldung fallen in die Reichweite einer Verpflichtung, die aufgrund einer abgeschlossenen Zugangsvereinbarung oder zufolge einer gesetzlichen Zugangsregelung besteht.157

Die Studie zeigt diese Tatbestände, welche eine Offenlegungspflicht auslösen können, deskriptiv auf. Dies ohne sich für eine der Optionen auszusprechen.

c) Rechtliche Grundlage eines neuen Offenlegungserfordernisses Die Studie führt zur Frage nach der rechtlichen Verankerung neuer Offenlegungs-pflichten aus, dass ein solches Erfordernis entweder auf bestehenden Normen des Patentrechts basieren oder aber seine rechtliche Basis ausserhalb des Patentrechts haben könne:

In der ersten Kategorie nennt die Studie Möglichkeiten, wie bestehende Offenba-rungsanforderungen (technische Offenbarung der Erfindung in der Patentanmel-dung sowie die Pflicht, die Erfindung so zu offenbaren, dass eine ausgebildete Fachperson diese ausführen kann) als rechtliche Grundlage von neuen Offenle-gungspflichten genutzt werden könnten. Weiter beschreibt die Studie die Möglich-keit, die bestehende Verpflichtung der Informationsbeschaffung bezüglich des Standes der Technik oder die Verpflichtung der Erfindernennung als Grundlagen für Offenlegungspflichten zu verwenden. Eine letzte Möglichkeit, neue Offenle-gungspflichten rechtlich auf bestehende patentrechtliche Vorgaben abzustützen, sieht die Studie in der Interaktion zwischen Patentrecht und dem Grundsatz des ordre public und der Moral. Zu dieser spezifischen Interaktion hält die Studie fol-gendes fest:

"Another reported rationale that may be considered to form the basis for Genetic Re-sources/Traditional Knowledge disclosure obligations is the application of ordre public and morality requirements. This option appears to be linked to the option of excluding from patentability of inventions “the prevention ... of the commercial exploitation of which is necessary to protect ordre public or morality.” This may require some specific finding under national law that it would be contrary to ordre public or morality for the subject invention to be commercially exploited, due to circumstances surrounding the development of the invention itself; this would appear to relate more to issues surrounding the patentability of the invention as such, rather than a specific disclosure requirement."158

157 Vgl. die Zusammenfassung dieses Problems, Technical Study on Disclosure Requirements in Patent

Systems Related to Genetic Resources and Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD), S. 4.

158 A.a.O., S. 44.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 57

Gemäss der Studie könnte die rechtliche Grundlage auch ausserhalb des Patent-rechts liegen. Allerdings bedürfe die Frage, inwiefern dies zulässig sei, der weiteren Klärung. Bei diesen Szenarien würde das Patentrecht als Mittel zur Durchsetzung von Rechtsvorschriften ausserhalb des Patentrechts fungieren. Die rechtliche Grundlage für die Offenlegungspflicht läge dann ebenfalls ausserhalb des Patent-rechts. Konkret kämen bei einer Offenlegungspflicht für genetische Ressourcen die nationalstaatlichen Zugangsvorschriften als rechtliche Grundlage in Betracht.

Eine weitere von der Studie in Betracht gezogene rechtliche Grundlage für eine Offenlegungspflicht ist die clean hands-doctrine des angelsächsischen Rechts159.

d) Exkurs: clean hands-doctrine

(1) Bedeutung Diese clean hands-doctrine des angelsächsischen Rechts geht zurück auf eine der zentralen Maximen des angelsächsischen Equity Law160. Diese Maxime lautet wie folgt: He who comes into equity must come with clean hands161. Der amerikanische Supreme Court hielt in einem Entscheid aus dem Jahr 1933 zu dieser Maxime folgendes fest:

"'It is one of the fundamental principles upon which equity jurisprudence is founded, that before a complainant can have a standing in court he must first show that not only has he a good and meritorious cause of action, but he must come into court with clean hands. He must be frank and fair with the court, nothing about the case under consideration should be guarded, but everything that tends to a full and fair determination of the matters in contro-versy should be placed before the court.' Story's Equity Jurisprudence (14th Ed.) 98."162

Die Maxime soll somit einerseits unbillige Entscheid verhindern, anderseits aber auch die Integrität eines Gerichts schützen.

Das schweizerische Bundesgericht hat sich kürzlich in einem Entscheid zum Wett-bewerbsrecht zur Anwendung des Einwands der «unclean hands» geäussert:

"Dieser Einwand bedeutet wörtlich, dass wer «schmutzige Hände» hat, anderen nicht vor-werfen kann, ebenfalls solche zu haben. Mit anderen Worten, die Anerkennung eines sol-

159 A.a.O.. 160 Im angloamerikanischen Recht firmiert Billigkeit unter dem Begriff Equity. Man versteht darunter

Regeln zur Ergänzung des Common Law zum Ausgleich von Härten. Diese waren ursprünglich einzelfallbezogen, entwickelten sich später aber zu einem festen, neben dem eigentlichen Fallrecht stehenden, nicht kodifizierten Rechtssystem.

161 Der Legende nach hat die Maxime ihren Ursprung in einem Fall aus dem 18. Jahrhundert in England, in welchem sich zwei Strassenräuber (Highwaymen) vor Gericht um die Teilung der Beute stritten.

162 Keystone Driller Co. v. General Excavator Co., 290 U.S. 240.

1. Teil: Grundlagen 58

chen Einwands läuft darauf hinaus, den Schutz des Gesetzes demjenigen zu verweigern, der es selbst nicht befolgt. Dadurch wird dem Kläger ein gegen Treu und Glauben verstos-sendes Verhalten und ein offensichtlicher Missbrauch seines Rechts, vor Gericht zu kla-gen, angelastet (Art. 2 ZGB). Zwar wird durch ein solches Verhalten die Rechtsverletzung durch den Beklagten nicht rechtmässig, aber es hat eine hindernde Wirkung in dem Sinne, dass es dem Kläger die Möglichkeit nimmt, diese Verletzung durch den Richter ahnden zu lassen. Es besteht keine allgemeine Regel, wonach nur derjenige, welcher das Gesetz be-folgt, dessen Einhaltung verlangen kann (vgl. BK-Merz,N 582 ff. zu Art. 2 ZGB). Deshalb schliesst die Rechtsprechung des Bundesgerichts seit langem den oben erwähnten Einwand aus (...)."163

Der Grundsatz hat jedoch im angelsächsischen Recht grosse Bedeutung. Im Patent-recht hat er ein gewisses Gewicht u.a. im Zusammenhang mit den Anforderungen an das Verhalten eines Patentanmelders erlangt. So hatte der amerikanische Supreme Court 1965 zur Frage der Pflichten eines Patentanmelders erklärt:

"A patent by its very nature is affected with a public interest. (It) is an exception to the general rule against monopolies and to the right to access to a free and open market. The far-reaching social and economic consequences of a patent, therefore, give the public a paramount interest in seeing that patent monopolies spring from backgrounds free from fraud or other inequitable conduct and that such monopolies are kept within their legiti-mate scope."164

Im amerikanische Patentrecht ist dieser Grundsatz insofern kodiert worden, als dass Rule 56 des Title 37 - Code of Federal Regulations Patents, Trademarks, and Copyrights folgendes statuiert:

"(…) The public interest is best served, and the most effective patent examination occurs when, at the time an application is being examined, the Office is aware of and evaluates the teachings of all information material to patentability. Each individual associated with the filing and prosecution of a patent application has a duty of candor and good faith in dealing with the Office, which includes a duty to disclose to the Office all information known to that individual to be material to patentability as defined in this section."165

(2) Die clean hands-doctrine als Grundlage für eine Offenlegungspflicht Diese Umsetzung der clean hands-doctrine im amerikanischen Patentrecht könnte somit in doppelter Hinsicht als Grundlage für eine Offenlegungspflicht dienen: Zum 163 Vgl. Pra 93 (2004) Nr. 54. 164 Walker Process Equipment, Inc. v. Food Machinery and Chemical Corporation, 382 US 172, 177. 165 Vgl. die aktuelle Version dieses Title 37 des US Code of Federal Regulations, abrufbar unter

<http://www.access.gpo.gov/nara/cfr/waisidx_05/37cfrv1_05.html#101>.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 59

einen verlangt die Umsetzung dieses Grundsatzes im amerikanischen Patentrecht vom Erfinder bereits die Offenlegung jeglicher für die Frage der Patentierung relevanten Information. Zum anderen gebietet die Doktrin, dass das durch das Patent gewährte Monopol keinen betrügerischen oder unbilligen Hintergrund hat.

Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar vom Anmelder auch den Nachweis des CBD-konformen Ressourcenzugangs zu erbringen166. Der Anmelder kann dadurch zudem der Gefahr eines eventuellen Einwands der schmutzigen Hände vorab begegnen.

e) Umfang der Verpflichtung Gemäss der Technischen Studie der WIPO kann die Verpflichtung, welche einem Anmelder auferlegt werden kann, von einer simplen Ermahnung oder Ermutigung bis zu einer verbindlichen Offenlegungsverpflichtung, deren Nichteinhaltung einen potentiellen Widerspruchs- oder Widerrufsgrund des Patentes darstellt, reichen.

Parallel stellt sich gemäss der Studie die Frage, ob sich der Anmelder weitergehend informieren muss: muss er aktiv den Ursprung seiner Ressource aufspüren und den Umständen der Akquisition nachgehen oder darf er bei Unkenntnis der Herkunft sich darauf beschränken, diesen Umstand zu deklarieren. Dabei spricht die Studie in diesem Kontext auch die Frage der Beweislast an: Ist der Anmelder positiv ver-pflichtet, nachzuweisen, dass sein Zugang zu genetischen Ressourcen auf legitime Art und Weise erfolgt ist? Oder darf von der Legitimität des Zugangs ausgegangen werden, solange keine gegenteiligen Beweise vorliegen. Ein weiterer Punkt, der gemäss der Studie berücksichtigt werden könnte ist, ob der Anmelder in gutem Glauben handelte oder in betrügerischer Absicht167.

Die Studie identifiziert im Zusammenhang mit dieser Problemstellung eine der Schlüsselfragen: Soll ein Offenlegungserfordernis formeller oder materieller Natur sein? Dieser Unterschied sei nicht immer klar und die Unterscheidung könne sich nicht alleine auf die Frage nach der Konsequenz bei einer Nichterfüllung des Erfor-dernisses abstützen: Ein formelles Erfordernis sei ein wichtiger Bestandteil des Pa-tenterteilungsprozesses und es liege regelmässig nicht im Ermessen des Anmelders, dieses zu erfüllen. Als einfaches Beispiel nennt die Studie die Entrichtung von Ge-bühren. Substantielle rechtliche Normen des Patentrechts hingegen würden die Frage der Berechtigung des Anmelders zur Anmeldung und die Frage nach der Eig-

166 Dies ganz abgesehen davon, dass dieser Nachweis den Anmelder in einem Patenverletzungsprozess

gegen den Vorwurf, er klage mit schmutzigen Händen absichern würde. 167 Technical Study on Disclosure Requirements in Patent Systems Related to Genetic Resources and

Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD), S. 49.

1. Teil: Grundlagen 60

nung der Erfindung für eine Patenterteilung prüfen.

Die Studie fasst sodann zusammen, dass ein spezifisches Offenlegungserfordernis bezüglich genetischer Ressourcen drei mögliche Formen haben könne:

Es könne charakterisiert werden als pure Formalität, welche verlangt wird als Teil des Patenterteilungsverfahrens. In diesem Fall bestehe eine Verpflichtung zur Er-füllung des Erfordernisses nur während des Erteilungsprozesses. Ist das Patent ein-mal erteilt, so könne es in der Regel durch das Fehlen einer formellen Vorausset-zung nicht mehr aufgehoben werden.

Das Erfordernis könne als materiell rechtliches Kriterium für die Frage der Paten-tierbarkeit der Erfindung in das Patentrecht eingebaut werden. Die Einhaltung eines solchen materiellen Erfordernisses könne auch nach Patenterteilung überprüft wer-den und zur Aufhebung des Patents oder zur Einschränkung der Ansprüche führen.

Eine dritte Möglichkeit wäre, das Kriterium bei der Prüfung der Frage der mate-riellen Berechtigung an der Erfindung einzubauen. Stelle sich heraus, dass die Be-rechtigung zur Patentanmeldung nicht gegeben war, so könne dies zur Nichtigkeit des Patents oder zu dessen Übertragung auf den Berechtigten führen168.

f) Mögliche Sanktionen Die Konsequenz der Missachtung eines Offenlegungserfordernisses hängt gemäss der Studie davon ab, ob dieses Erfordernis formeller Natur oder ob es als substan-tielles (materielles) Kriterium ausgestaltet sei. Im erstem Fall habe die Nichtbeach-tung nicht notwendigerweise ernsthafte Folgen, vorausgesetzt die Missachtung der Vorschrift ist nicht in betrügerischer Absicht geschehen und kann innert nützlicher Frist behoben werden. Im zweiten Fall könne die Missachtung grössere Konsequen-zen für das Schicksal der Patentanmeldung oder ein bereits gewährtes Patent haben.

g) Schlussfolgerungen der Studie

(1) Allgemeines Die Studie hält in ihrer Schlussfolgerung zuerst allgemein fest, dass Offenlegungs-pflichten bezüglich genetischer Ressourcen drei Funktionen haben können. Die erste Funktion wird in der Offenlegung der genetischen Ressource, welche in der Entwicklung der Erfindung benutzt wurde, gesehen. Dies im Sinne einer deskripti-ven und Transparenz erhöhenden Funktion bezüglich der benutzten Genressourcen. 168 A.a.O., S. 48.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 61

Die zweite Funktion könne darin liegen, die Deklaration der Quelle der Ressourcen einzuverlangen. Dies kann die Angabe des Herkunftslandes betreffen, um zu klären, unter welcher Jurisdiktion das Material erlangt wurde. Die dritte Funktion kann ge-mäss der Studie sodann darin liegen, die Einhaltung der im jeweiligen Ursprungs-land anwendbaren Zugangsregeln zu den genetischen Ressourcen zu überprüfen oder sogar zu überprüfen, ob eine Patentanmeldung vom eingeholten Zugangsrecht zur Ressource mitumfasst war. Man spricht hier von der sogenannten "compliance function"169.

Weiter wird in der Studie explizit angemerkt, dass Transparenz und Offenlegung zur Essenz des Patentrechts gehören würden. Das Patentrecht habe Standards für die Offenlegung entwickelt, welche auf dem rechtlichen Fundament des Patentrechts beruhen würden. Die Erteilung eines Patents hänge von dem Prinzip der genügen-den Offenbarung der Erfindung ab und das Patentsystem als solches mache bereits durch seine Ausgestaltung viele detaillierte rechtliche, administrative und techni-sche Informationen öffentlich zugänglich.

(2) Neue Offenlegungserfordernisse Die Studie identifiziert drei Punkte bezüglich neuer Offenlegungserfordernisse, welche der weiteren Klärung bedürfen170: Der erste Punkt betrifft die bereits angesprochene Frage nach der Art und Weise des Konnexes, der zwischen Erfindung und Ressource gegeben sein muss, dass überhaupt eine Offenlegungspflicht entsteht. Den zweiten zu klärenden Punkt sieht die Studie in der Problematik der Frage nach der rechtlichen Grundlage: - Welcher Natur soll ein Offenlegungserfordernis sein? Soll es eine

Transparenzfunktion einnehmen zur Unterstützung der Überwachung der Einhaltung nicht patentrechtlicher Vorschriften oder soll das Erfordernis direkt die Einhaltung dieser Vorschriften einfordern?

- Wann dürfen nationale Behörden administrative, prozedurale oder materiell rechtliche Erfordernisse aufstellen und inwiefern sind solche Erfordernisse kompatibel mit den internationalen rechtlichen Standards, welche für Patentanmeldungen gelten?

- Welcher rechtlich und operationelle Unterschied besteht zwischen Patentformalitäten oder prozessualen Vorschriften und substantiellen

169 A.a.O., S. 65. 170 In den Schlussfolgerungen der Studie deklariert als "Some key issues", A.a.O., 66.

1. Teil: Grundlagen 62

(materiellen) Patentierbarkeitserfordernissen und welche rechtlichen Implikationen ergeben sich aus diesem Unterschied?171

Der dritte von der Schlussfolgerung der Studie hervorgehobene Punkt betrifft die Frage, welche Handlungen des Patentanmelders durch neue Offenlegungserforder-nisse überwacht werden sollen. Konkret wird die Frage aufgeworfen, ob die Nut-zung der genetischen Ressource kontrolliert werden soll oder der Akt der Patent-anmeldung. Die Studie erfragt somit, ob der policy concern der Massnahme darin läge, die Legitimität des Forschungsverhaltens sowie der kommerziellen Handlun-gen der Patentanmelder sicherzustellen. Sei dies die Absicht, so käme der Patent-anmeldung nur eine sekundäre Rolle bei der Erhältlichmachung dieser Informatio-nen zu. Gehe es jedoch bei diesen Massnahmen darum, den Akt der Patentanmel-dung selber hinsichtlich dessen Legitimität zu überprüfen, bspw. bei der Prüfung der Frage, ob das eingeholte Zugangseinverständnis die nachfolgende Anmeldung von geistigen Eigentumsrechten mitumfasse, so würde diese Frage im Rahmen der Patentprüfung zwar nicht als materielles Kriterium, jedoch im Rahmen der Prüfung der Anmeldeberechtigung bereits kontrolliert172.

6. Neue Untersuchung der WIPO zur Wechselbeziehung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und neuen Offenlegungserfordernissen bei Pa-tentanmeldungen

a) Zweite Einladung zur Zusammenarbeit Anlässlich des siebten Treffens der COP des CBD hatte diese, nach der wohlwol-lenden Kenntnisnahme der ersten technischen Studie sogleich eine neue Einladung an die WIPO formuliert. Die zweite Einladung hatte den Inhalt, verschiedene As-pekte der Wechselbeziehung zwischen dem Zugang zu genetischen Ressourcen und neuen Offenlegungserfordernissen in Patentanmeldungen zu untersuchen. Bei dieser Untersuchung sollte insbesondere sichergestellt werden, dass diese Arbeit die Ziele der CBD unterstützt und ihnen nicht zuwiderläuft. Zudem sollten u.a. Optionen für Modellbestimmungen für die vorgeschlagenen Offenlegungserfordernisse entwor-fen werden173.

171 A.a.O., S. 66 f. 172 A.a.O., S. 67. 173 Weitere Untersuchungsbereiche waren die Ausarbeitung von praktische Optionen für

Anmeldungsverfahren betreffend geistiger Eigentumsrechte mit Bezug auf den Auslösemechanismus von Offenlegungserfordernissen sowie die Identifizierung der Implikationen, welche praktikable Offenlegungserfordernisse in den verschiedenen von der WIPO verwalteten Vertragswerken vgl. dazu: Patent Disclosure Requirements Relating to Genetic Resources and Traditional Knowledge: Update, 15. Oktober 2004, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/7/10, S. 3, Par. 7.

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 63

Bezüglich des Vorgehens hatte man sich bei der WIPO darauf geeinigt, dass zuerst Stellungnahmen der Mitgliedstaaten eingeholt werden sollen und dann ein erster Entwurf mit Ergebnissen zur weiteren Vernehmlassung zirkulieren solle.174

b) Stellungnahmen einzelner Länder

(1) Brasilien Brasilien forderte vehement ein klares Bekenntnis zu einem verbindlichen neuen Offenlegungserfordernis, welches zwingend vom Anmelder einer Erfindung, der in irgendeiner Form biologische Ressourcen nutzt, verlangt, dass er die Herkunft der Ressource deklariert, dass er nachweist, dass er die informierte vorherige Zustim-mung eingeholt hat und dass ein fairer und ausgewogener Ausgleich der Vorteile der Nutzung erfolgt175.

(2) Afrika Die afrikanische Gruppe erklärte, dass nur internationale, rechtlich verbindliche Massnahmen effektiv einen Beitrag zum Kampf gegen die Entwendung genetischer Ressourcen leisten könnten. Dies habe man bereits wiederholt erklärt. Es sei nun nicht angezeigt, Modell-Bestimmungen zu entwickeln, da solche kein wirksames Mittel im Kampf gegen die Entwendung der Ressourcen seien. Nur obligatorische und universell eingeführte Offenlegungserfordernisse wären eine Lösung des Prob-lems176.

(3) USA Die Vereinigten Staaten von Amerika wiesen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die bestehenden Offenlegungserfordernisse (disclosure requirements) des Pa-tentrechts über einen Zeitraum von 200 Jahren entwickelt worden seien. Man sei überzeugt, dass diese bestehenden Normen zentral seien für die Ermittlung der Pa-tentierbarkeit. Diese Bestimmungen könnten als Modell-Normen aufgefasst werden, welche in angemessener Weise das öffentliche Interesse an einer vollen Offenle-

174 Diese Stellungnahmen sind elektronisch abrufbar auf der Homepage der WIPO:

"http://www.wipo.int/tk/en/genetic/proposals/index.html#proposals". 175 " Brazil is of the view that patent applicants for inventions relating to biological materials and/or

associated traditional knowledge, under the existing relevant international treaties, should be required, as a condition for acquiring patent rights, to disclose (i) the source and country of origin of the biological resources and associated traditional knowledge used in the invention, (ii) evidence of compliance with prior informed consent under the relevant national regime, and (iii) evidence of compliance with fair and equitable benefit sharing under the relevant national regime. " vgl. Brazil’s position on the principles and methodology of work that should be employed in the preparation of the response by WIPO, 16. Dezember 2004, S. 2.

176 Communication from the African Group on CBD's Invitation to WIPO, 15. Dezember 2004, S. 1.

1. Teil: Grundlagen 64

gung der beanspruchten Erfindung mit dem Wissen der Erfinder und deren Fähig-keit, Informationen offenzulegen, welche für die Frage der Patentierbarkeit von Be-deutung sind, ausbalanciere. Die USA würden die Ziele, den angemessenen Zugang und die Einholung der vorherigen informierten Zustimmung sicherzustellen unter-stützen. Auch würden sie das Ziel unterstützen, sicherzustellen, dass Vereinbarun-gen getroffen würden nach dem Prinzip der ausgewogenen und gerechten Auftei-lung der Vorteile. Auch wenn man diese Ziele unterstütze, sei man aber der festen Überzeugung, dass neue Offenlegungserfordernisse im Patentrecht (gemeint sind Angabe der Herkunft oder Quelle, Nachweis der eingeholten vorherigen informier-ten Zustimmung, und Nachweis der ausgewogenen Vorteilsausgleichung) keine geeigneten Mittel darstellen würden, um diese Ziele zu erreichen177.

(4) Europäische Union Im Rahmen der Darstellung der Bemühungen der WTO wurde die Position der EU bezüglich der Einführung einer Offenlegungspflicht der Herkunft genetischer Res-sourcen bereits kurz skizziert. In der Stellungnahme der EU zuhanden des TRIPS-Rats vom 17. Oktober 2002 hatte die EU festgehalten, dass man zwar bereit sei, die Einführung eines Systems zu prüfen, das allen Mitgliedstaaten auf einem globalen Level erlauben würde, Patentanmeldungen mit Bezug zu genetischen Ressourcen, für welche sie die Zustimmung zur Nutzung erteilt haben, zu verfolgen. Klar abge-lehnt werde jedoch, dass die Offenlegung der Quelle de facto oder de iure als mate-rielle oder formelle Patentierungsvoraussetzung fungieren würde178. Explizit hatte die EU festgehalten, dass rechtliche Konsequenzen bei einer Missachtung des Er-fordernisses ausserhalb des vom Patentrecht beherrschten Gebiets liegen sollten179.

In dem von der EU der WIPO am 17. Dezember 2004 eingereichten Vorschlag180 wurde von der EU unter dem Titel "Verbindliches Offenlegungserfordernis für alle Patentanmeldungen"181 eine leicht veränderte Position eingenommen: Es wurde ausgeführt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine Offenlegungspflicht in Be- 177 Die englische Fassung dieses Abschnitts der Stellungnahme lautet wie folgt: "While the United States

supports the goals of ensuring appropriate access and prior informed consent to genetic resources and equitable benefit sharing agreements and principles, we strongly believe that new disclosure requirements in the patent system are not an effective means of achieving these goals." Vgl. (Proposal by the) United States of America, 17. Dezember 2004, S. 1.

178 Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 2.

179 "Legal consequences to the non-respect of the requirement should lie outside the ambit of patent law", A.a.O.

180 Disclosure of origin or source of genetic resources and associated traditional knowledge in patent applications, Proposal of the European Community and its Member States to WIPO,17. Dezember 2004,

181 Engl.: " A binding disclosure requirement that should be applied to all patent applications".

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 65

tracht ziehen würden, welche verbindlich wäre. Man müsste diese Offenlegungs-pflicht - so die EU weiter - in einer rechtlich verbindlichen und universellen Art und Weise implementieren. Eine globale und obligatorische Verpflichtung würde für die Industrie Chancengleichheit herstellen. Zudem würde eine solche Verpflichtung den Ausgleich der Vorteile, welche sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben, auszugleichen. Gemäss dem EU Positionspapier sollte die Einführung dieses Schemas auf effiziente und rechtzeitige Art und Weise erfolgen und in Bezug stehen zum bestehenden internationalen Regelwerk im Patentrecht. Um solch ein verbindliches Offenlegungserfordernis einführen zu können, müssten der Patent-rechtsvertrag (PLT) und der Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT) sowie regionale Abkommen wie das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) abgeändert werden.

Der Vorschlag der EU enthält sodann konkrete Ideen zur Umsetzung. Folgende Punkte werden dabei vorgebracht: - Einführung einer obligatorischen Verpflichtung zur Offenlegung des Her-

kunftslandes oder der Quelle der genetischen Ressource bei der Patentan-meldung.

- Die Anforderung sollte für alle internationalen, regionalen und nationalen Patentanfragen gelten und dies jeweils zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

- Der Anmelder sollte das Herkunftsland angeben oder, wenn dieses nicht be-kannt ist, die Quelle der spezifischen Ressource zu welcher der Erfinder physischen Zugang hatte und welche ihm noch bekannt ist.

- Diese spezifische Offenlegungserfordernis kommt zur Anwendung, sofern die Erfindung direkt auf der genetischen Ressource aufbaut;

- Missachtet der Anmelder dieses Erfordernis und dauert diese Unterlassung trotz der gewährten Möglichkeit zur Nachbesserung an, so soll die Patent-anmeldung nicht weiter behandelt werden;

- Ist die angegebene Information nicht korrekt oder unvollständig, so sollen effektive, verhältnismässige und abschreckende Massnahmen ausserhalb des Patentrechts ins Auge gefasst werden. Aus Gründen der Rechtssicher-heit soll dadurch weder die Gültigkeit des erteilten Patentes noch die Durchsetzung des Patentes gegen Verletzer des Ausschlussrechtes tangiert werden.

- Ein einfaches Benachrichtigungsverfahren soll eingeführt werden. Die Patentämter sollen regelmässig, wenn in einer Anmeldung eine Herkunfts-angabe gemacht wird, den Clearing House Mechanism der CBD informie-ren und diesem die erhältlichen Informationen übermitteln.

1. Teil: Grundlagen 66

c) Verabschiedung und Weiterleitung der zweiten WIPO Studie Nach der Vernehmlassungsphase und einem eintägigen ad hoc intergovernmental meeting aller Mitgliedstaaten im Mai 2005 hat das Internationale Büro der WIPO im August 2005 einen Entwurf für diese zweite Studie der WIPO erarbeitet. Dieser Entwurf wurde an der 32. Generalversammlung der WIPO Mitgliedstaaten im Ok-tober 2005 zur Kenntnis genommen und man beschloss, diesen an die COP der CBD weiterzuleiten182.

d) Inhalt der zweiten Studie Der von der Generalversammlung an die COP der CBD weitergeleitete Entwurf der Studie trägt den Titel "Draft Examination of Issues Regarding the Interrelation of Access to Genetic Resources and Disclosure Requirements in Intellectual Property Rights Applications"183.

Wichtig erschien allen Beteiligten, dass diese Studie in keiner Art und Weise ver-bindliche Positionen darlegt. Entsprechend wurden globale Vorbehalte angebracht und u.a. angeführt, dass diese Studie lediglich als "technical input" aufgenommen werden solle.184. Die Studie selber beschränkte sich in der Folge auf eine Darstel-lung der verschiedenen Stellungnahmen und eine Beschreibung der verschiedenen Optionen bei der Einführung neuer Offenlegungserfordernisse. Dies ohne selber einen Weg zu benennen oder konkret zu empfehlen.

7. Würdigung

Die Arbeiten der WIPO zu der Frage neuer Offenlegungspflichten sind sehr um-fangreich. Dies ist grundsätzlich zu begrüssen. Umgekehrt zeigen die beiden technischen Studien zu dieser Frage, dass die WIPO kein unabhängiges Expertengremium ist, welches die offenen Fragen untersucht und beantwortet sondern als internationale Organisation auf die Interessen und Befindlichkeiten der Mitglieder Rücksicht nehmen muss. Im Einzelnen sei folgendes angemerkt:

Die beiden Studien werfen eine Vielzahl von Fragen auf, geben jedoch nur wenige bis keine Antworten. Die WIPO enthält sich jeglicher konkreten Äusserung, ob und auf welche Art und Weise neue Offenlegungserfordernisse implementiert werden sollen oder nicht. Sie beschränkt sich darauf, aufzuzeigen, welche rechtlichen und praktischen Fragen mit solchen neuen Erfordernissen verbunden wären. Zudem erfolgt die Diskussion dieser Fragen in der Studie auf sehr zurückhaltende Art. Es 182 Report of the 32nd Session of the WIPO General Assembly, September 26 to October 5, 5. Oktober

2005, WIPO Doc.: WO/GA/32/13, S. 59. 183 Invitation to WIPO from the Conference of the Parties of the CBD, WIPO Doc.: Wo/GA/32/8, Annex. 184 A.a.O., Annex, Par. 224

§ 2 Neue Offenlegungspflichten – Stand der internationalen Diskussion 67

werden die verschiedenen Möglichkeiten sowie die Konsequenzen der möglichen Szenarien aufgezeigt. Klare Stellungnahmen, welcher Weg eingeschlagen werden soll, respektive welcher Weg oder welche Lösung aus der Sicht der WIPO die "Richtige" wäre, finden sich in beiden Studien nicht. Der Beitrag der WIPO liegt deshalb nicht in pragmatischen Lösungsansätzen sondern in einer Vertiefung der Problemstellungen und Darstellung der möglichen Szenarien. Die WIPO äussert sich auch in beiden Studien nicht direkt zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein neues Offenlegungserfordernis mit dem TRIPS-Abkommen in seiner geltenden Fassung vereinbar ist. Hervorzuheben ist, dass die WIPO die Möglichkeit sieht, neue Offenlegungspflichten rechtlich auf bestehende patentrechtliche Vorgaben abzustützen, indem die Interaktion zwischen Patentrecht und dem Grundsatz des ordre public genutzt würde.

Anzumerken ist weiter, dass die Eingabe der EU 17. Dezember 2004 zuhanden der WIPO ohne Zweifel eine Abkehr von ihrer bisherigen Haltung darstellt. Dies des-halb, weil die EU damit ein spezifisches Erfordernis zur Angabe der Herkunft bei genetischen Ressourcen zumindest als formelles Kriterium der Patentierbarkeit ei-ner Erfindung, die auf solchen Ressourcen basiert, einführen will. Aufgrund des deutlichen Widerstandes aus den USA gegen jedwelches neues Kriterium ist es ver-ständlich, dass die EU eine universelle Einführung fordert. Anzumerken ist, dass die Kehrtwende nicht ganz unerwartet kam. Bereits in der Stellungnahme der Europäi-schen Kommission zur Umsetzung der Bonner Richtlinien vom 23. Dezember 2003 wurde dargelegt, dass man sich ein solches verbindliches, formelles Kriterium vor-stellen könne185.

185 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, 23.12.2003, EU Doc.: KOM (2003) 821

endgültig, 5; siehe auch unten.

1. Teil: Grundlagen 68

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze

A. Europäische Union

1. Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

a) Allgemeines Die EU hat 1998 bei der Verabschiedung der EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen186 bezüglich der Umsetzung der Vorgaben der Biodiversitätskonvention denselben Standpunkt eingenommen, den sie in ihrer bereits erwähnten Stellungnahme zuhanden des TRIPS Rates formuliert hat: In Er-wägungsgrund 27 der Richtlinie wurde dargelegt, dass die Patentanmeldung für eine Erfindung, bei der biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ur-sprungs verwendet wird, gegebenenfalls Angaben zum geographischen Herkunfts-ort dieses Materials, falls dieser bekannt ist, umfassen solle. Der zweite Satz des Erwägungsgrundes 27 zeigt deutlich die damalige Position der EU: Es wird dort explizit ausgeführt, dass sich das Fehlen dieser Zustimmung oder dieser Angaben nicht auf die Patentierbarkeit der betreffenden Erfindung auswirken solle.

b) Kontroverse Entstehungsgeschichte von Erwägungsgrund 27 der EU-Richtlinie

Hervorzuheben ist im Zusammenhang mit Erwägungsgrund 27 der Richtlinie, dass diese Position der Europäischen Union sehr umstritten war: Im Verfahren zum Er-lass dieser Richtlinie hatte einer der über 60 Änderungsanträge, mit welchen das Europäische Parlament (nach über zehn Jahren legislativen Seilziehens) den zwei-ten Richtlinienvorschlag187 der EU-Kommission angenommen hatte188, noch eine gänzlich andere Stossrichtung. Das Parlament hatte in Änderungsantrag 76 den Vorschlag gemacht, dass eine Bestimmung in die Richtlinie aufgenommen werden solle, welche die Notwendigkeit der Deklaration des Ursprungs von biologischem Material untermauern würde189. Art. 8 lit. a der Richtlinie sollte folgenden Wortlaut erhalten:

186 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.1998 über den rechtlichen

Schutz biotechnologischer Erfindungen (Amtsblatt Nr. L 213 vom 30.7.1998, 13 ff.). 187 (Zweiter) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den

rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 25.1.1996 (KOM(95) 0661; publ. auch in: Amtsblatt C 296 vom 8.10.1996, 4).

188 Die Richtlinie wurde im Mitbestimmungsverfahren gemäss Art. 189 lit. b EWG-Vertrag erlassen. 189 Vgl. Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 16. Juli 1997 (ABl. C 286 vom 22.9.1997, S. 87),

S. 99.

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 69

"Wenn das Objekt einer Erfindung aus biologischem Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs besteht oder derartiges Material verwendet wird, wird ein Pa-tent für eine Erfindung nur erteilt, wenn in der Patentspezifikation der geographi-sche Herkunftsort des Materials genannt ist und der Antragsteller den Patentbehör-den den Nachweis liefert, dass das Material im Einklang mit den geltenden Be-stimmungen über den rechtlichen Zugang und die Ausfuhr verwendet wurde"190.

Konkret sollte die Richtlinie somit eine Bestimmung erhalten, welche unmissver-ständlich Transparenz bezüglich der Herkunft des Materials sowie die Einhaltung von Zugangsvorschriften einfordert. Unzweifelhaft wollte das Europäische Parla-ment mit dieser Bestimmung sicherstellen, dass die neuen biologischen Patente nicht den Zielen der Biodiversitätskonvention entgegenstehen. Dies ergibt sich klar aus der vom Parlament ebenfalls eingebrachten Erwägung 33j, welche ausführte, dass die Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Bi-odiversitätskonvention bei der Anwendung der Richtlinie und dem nachfolgenden Patentrecht für biotechnologische Erfindungen anzuerkennen und zu berücksichti-gen seien191.

Auf diesen parlamentarischen Vorschlag folgte am 29. August 1997 ein modifi-zierter Vorschlag der EU-Kommission192. Den einzigen Änderungsantrag, welche die Kommission nicht übernommen hatte, betraf leider exakt die Bestimmung betreffend die Verpflichtung zur Angabe des Ursprungs des biologischen Materials. Die Kommission machte geltend, dass eine solche Vorschrift über die internationa-len Verpflichtungen hinausgehe, die die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten im Rahmen der Genehmigung und der Ratifikation des Übereinkommens über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992 eingegangen seien.

Diese Frage wurde daraufhin auch noch im gemeinsamen Standpunkt des Rates thematisiert. Dort wurde ausgeführt, dass der Rat die Bedenken der Kommission hinsichtlich dieser Änderung teile und es wurde darüber hinaus geltend gemacht, dass die Patentämter nicht in der Lage sein würden, die Einhaltung ausländischer Rechtsvorschriften zu überprüfen. Die in dieser Änderung vorgesehenen Anforde-rungen dürften daher keine Bedingungen für die Patentierbarkeit darstellen193. Demgemäss wurde in der Folge auf diesen Vorschlag des Parlamentes endgültig

190 Vgl. ROGGE, GRUR 1998, 308 sowie CALAME, S. 81. 191 Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 16. Juli 1997 (ABl. C 286 vom 22.9.1997, S. 87), S.

97. 192 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den

rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 29.8.1997 (KOM (97) 446 endg.). 193 Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 26.2.1998 (ABl. 1998, Nr. C 110/17).

1. Teil: Grundlagen 70

verzichtet und die Richtlinie ohne eine entsprechende Bestimmung verabschiedet.

c) Unterschiedliche Regelungen in den nationalen Umsetzungsgesetzen In der Richtlinie verblieben ist nur der Erwägungsgrund 27194. Interessanterweise finden sich im Rahmen der nationalen Umsetzung der Richtlinie nun aber unter-schiedliche Regelungsansätze dieser spezifischen Problematik. Dies zeigen die Bei-spiele Deutschland, Italien und Belgien.

2. Deutschland: Gesetz des deutschen Bundestages zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindun-gen195

Im deutschen Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, verabschiedet vom deutschen Bundestag am 21. Januar 2005, wird Erwägungsgrund 27 der Richtlinie umgesetzt, indem gemäss Art. 1 Ziffer 10 nach § 34 des deutschen Patentgesetzes neu folgender § 34a eingefügt wird:

"Hat eine Erfindung biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum Gegenstand oder wird dabei derartiges Material verwendet, so soll die Anmeldung Anga-ben zum geographischen Herkunftsort dieses Materials umfassen, soweit dieser bekannt ist. Die Prüfung der Anmeldung und die Gültigkeit der Rechte aufgrund der erteilten Pa-tente bleiben hiervon unberührt."

Diese Regelung steht in einer Linie mit der Vorgabe der EU-Richtlinie und deckt sich auch mit der Haltung der Europäischen Union, geäussert in deren Stellung-nahme zuhanden des TRIPS-Rats vom 17. Oktober 2002196.

3. Italien: Delega al Governo in materia di protezione giuridica delle invenzioni biotecnologiche197

In Italien hat die Regierung der Abgeordnetenkammer des Parlaments im Jahr 2001 ein grösseres Gesetzgebungsprojekt zur Unterstützung privater Initiativen und der

194 Erwägungsgrund 27 hat folgenden Wortlaut: "Hat eine Erfindung biologisches Material pflanzlichen

oder tierischen Ursprungs zum Gegenstand oder wird dabei derartiges Material verwendet, so sollte die Patentanmeldung gegebenenfalls Angaben zum geographischen Herkunftsort dieses Materials umfassen, falls dieser bekannt ist. Die Prüfung der Patentanmeldungen und die Gültigkeit der Rechte aufgrund der erteilten Patente bleiben hiervon unberührt."

195 Gesetz des deutschen Bundestages zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 21. Januar 2005.

196 Vgl. Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 2.

197 Vgl. Stampato Atto Senato n. 1745 und Stampato Atto Senato n. 1745-B; für den Gang der Gesetzgebung in Italien: vgl.: <http://www.senato.it/leg/14/BGT/Schede/Ddliter/18352.htm>.

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 71

Förderung der Konkurrenz unterbreitet198. Dieser Gesetzesentwurf enthielt neben verschiedenen Massnahmen zur Wirtschaftsförderung einen Artikel, mit welchem die Biotechnologie-Richtlinie der EU umgesetzt werden sollte. Mit dieser Bestim-mung erhielt die Regierung einerseits den Auftrag, ein Gesetzesdekret zu verab-schieden und andererseits klare Vorgaben, welche Kriterien und Prinzipien dabei zu berücksichtigen seien199. Bezüglich der hier interessierenden Frage nach der Offenlegung der Quelle bei Erfindungen, welche sich auf genetische Ressourcen stützen, enthielt dieser Entwurf folgenden Passus:

"prevedere che il richiedente il brevetto di un materiale di origine vegetale o ani-male indichi, ove conosciuto, il luogo geografico di origine del materiale"200.

Diese Regelung entsprach der Vorgabe der Biotechnologie-Richtlinie und ging auch nicht darüber hinaus. In der Folge beschloss jedoch die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments am 12. Februar 2002 den Regelungsbereich wegen dessen Komplexität vom Gesamtprojekt auszuklammern und separat zu beraten.201

Am 26. September 2002 wurden bei der Lesung dieses Entwurfs in der Abgeord-netenkammer verschiedene Modifikationen angebracht. Verabschiedet wurde schliesslich eine Fassung202, in welcher der bereits erwähnte Passus neu folgenden Wortlaut hatte:

"prevedere l’obbligo che la provenienza del materiale biologico di origine animale o vegetale, che sta alla base dell’invenzione, venga dichiarata all’atto della richiesta di brevetto sia in riferimento al Paese di origine, consentendo di accertare il rispetto della legislazione in materia di importazione e di esportazione, sia in relazione all’organismo biologico dal quale è stato isolato;"203

Diese Fassung war verbunden mit der Klausel, wonach das Gesetz auch die Nich-tigkeit sämtlicher juristischer Akte und Geschäftsoperationen vorsehen solle, wel-che nicht im Einklang mit den Bestimmungen des zweiten Absatzes von Artikel 1 erfolgen204.

198 Disegno di legge N. 2031 (Misure per favorire l’iniziativa privata e lo sviluppo della concorrenza) der

italienischen Regierung vom 28.11.2001. 199 Vgl. Art. 6 dieses Gesetzesentwurfs. 200 Art. 6 Abs. 2 lit. s. 201 Beraten wurde der Entwurf Disegno di Legge Stampato Camera N. 2031-ter. 202 Vgl. Stampato Atto Senato n. 1745; für den Gang der Gesetzgebung in Italien vgl. den elektronischen

Auftritt des italienischen Senats: <http://www.senato.it/leg/14/BGT/Schede/Ddliter/18352.htm>. 203 Artikel 1 Abs. 2 lit. i). 204 Artikel 1 Abs. 2 lit. u): "prevedere la nullità di tutti gli atti giuridici e delle operazioni negoziali compiuti

in violazione dei divieti previsti dal presente comma."

1. Teil: Grundlagen 72

In der Folge wurde die Vorlage von der zweiten Kammer beraten. Der Senat akzep-tierte am 2. April 2003 die obigen Bestimmungen, nahm jedoch an anderen Be-stimmungen Änderungen vor205. Die geänderte Fassung ging sodann zurück an die Abgeordnetenkammer. Diese verabschiedete die Regelung am 26. Juni 2003, wie-derum versehen mit kleinen Änderungen und der Entwurf ging zurück an den Se-nat206.

Die Beratungen dieser nochmaligen Änderungen in den Kommissionen des Senats wurden am 3. März 2004 abgeschlossen. Die Beratungen in Assemblea des Senats hätten am 29. September 2005 stattfinden sollen. Mangels einer genügenden Anzahl anwesender Mitglieder des Senats musste die Beratung jedoch wieder verschoben werden207.

Bereits am 16. Juni 2005 war Italien vom Gerichtshof der Europäischen Gemein-schaften wegen Unterlassung der Umsetzung der Biotechnologie-Richtlinie verur-teilt worden208. Dies führte dazu, dass der Ministerpräsident Italiens per Dekret am 10. Januar 2006 die dringliche "Attuazione della direttiva 98/44/CE in materia di protezione giuridica delle invenzioni biotecnologiche"209 erliess. Dieses Dekret ent-hält zur Frage der Offenlegung folgende Bestimmung:

"La provenienza del materiale biologico di origine animale o vegetale, che sta alla base dell'invenzione, e' dichiarata all'atto della richiesta di brevetto sia in riferimento al Paese di origine, consentendo di accertare il rispetto della legislazione in materia di importazione e di esportazione, sia in relazione all'organismo biologico dal quale e' stato isolato."210

Art. 7 des Dekrets statuiert zudem:

"Gli atti giuridici e le operazioni negoziali compiuti in violazione dei divieti previsti dal presente decreto sono nulli".

Mit dieser Regelung ist der italienische Gesetzgeber bzw. der Ministerpräsident Ita-liens weitergegangen als die Vorgaben der Biotechnologie-Richtlinie. Dies weil die Deklaration der Herkunft der biologischen Ressource nicht nur für wünschbar er-klärt wird, sondern das Dekret die Patentierbarkeit einer solchen Erfindung direkt von der Erfüllung der Deklarationspflicht abhängig macht. 205 Vgl. Atto Camera n. 2031-TER-B. 206 Vgl. Stampato Atto Senato n. 1745-B. 207 Vgl. dazu Senato della Repubblica, 873a Seduta Pubblica, Resoconto Sommario e Stenografico, 29.

September 2005, S. 20. 208 Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 16. Juni 2005, Commissione delle

Comunità Europee c. Repubblica italiana (C-456/03). 209 Vgl. Gazzetta Ufficiale Serie Generale N. 8 vom 11. Januar 2006. 210 Art. 5 Abs. 2 des Dekrets.

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 73

4. Belgien: Revisionsentwurf für das Belgische Patentgesetz

In Belgien war zur Umsetzung von Erwägungsgrund 27 der EU-Richtlinie ein Ent-wurf für eine Revision des belgischen Patentgesetzes in die Vernehmlassung ge-langt, welcher vorsah, dass bei unrechtmässigem Erwerb genetischer bzw. biologi-scher Ressourcen oder konventionswidrigem Zugang ein Verstoss gegen den pa-tentrechtlichen ordre public angenommen wird: Art 4 des belgischen Patentgeset-zes, welcher im Grundsatz festhält, dass Erfindungen, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen nicht patentiert werden, hätte dabei einen zusätzlichen Paragraph 4 mit dem nachfolgenden Wortlaut erhalten:

"L'exploitation d'une invention est contraire à l'ordre public et aux bonnes moeurs notam-ment lorsqu'il est établi que l'invention a été développée dans des conditions contraires à l'ordre public et aux bonnes moeurs. Tel est le cas par exemple: - lorsqu'une invention est développée à partir de matière biologique prélevée ou exportée en violation des disposi-tions des Articles 3, 8 j), 15 et 16 de la Convention de Rio sur la diversité biologique du 5 juin 1992."211

Der Entwurf sah zudem vor, Art. 2 des belgischen Patentgesetzes, welcher die pa-tentierbaren Erfindungen definiert, folgenden Wortlaut zu geben:

"Sous les conditions et dans les limites fixées par la présente loi, il est accordé sous le nom de «brevet d’invention», appelé ci-après brevet, un droit exclusif et temporaire d’exploitation pour toute invention qui est nouvelle, implique une activité inventive et est susceptible d’application industrielle, même lorsqu’elle porte sur un produit composé de matière biologique ou en contenant, ou sur un procédé permettant de produire, de traiter ou d’utiliser de la matière biologique. Une matière biologique isolée de son environnement naturel ou produite à l’aide d’un procédé technique peut être l’objet d’une invention, même lorsqu’elle préexistait à l’état naturel."

Dieser Passus wäre mit einem dritten Abschnitt ergänzt worden, welcher wie folgt gelautet hätte:

" L’invention portant sur une telle matière biologique ou une matière biologique produite à l’aide d’un procédé technique, devra, pour être brevetable, respecter strictement les dispo-sitions de l’article 4, § 4, en particulier les dispositions relatives à la Convention de Rio sur la diversité biologique du 5 juin 1992."212

Dieser Vorschlag hätte somit die Nichteinhaltung der Bestimmungen der CBD mit 211 Vgl. zu diesem belgischen Gesetzesprojekt auch VAN OVERWALLE, EIPR 2002, (5), 234; DOLDER, S.

39. 212 Vgl. Projet de loi modifiant la loi du 28 mars 1984 sur les brevets d’invention, en ce qui concerne la

brevetabilité des inventions biotechnologiques vom 21. Juni 2002 (DOC 50 1886/001), S. 36, Art. 3.

1. Teil: Grundlagen 74

einer Verweigerung der Patentierbarkeit für die daraus resultierende Erfindung ge-ahndet. Dies wohl nicht nur aufgrund der Überlegung, dass die Nichteinhaltung der Vorschriften der CBD bei der Entstehung der Erfindung einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung darstellt, sondern auch aufgrund der Überzeugung, dass der Erfinder, der im Bereich biologischer Materie tätig ist, die Vorschriften der CBD vorbehaltlos einzuhalten hat.

Dieser Ansatz ist jedoch in Belgien in der Vernehmlassung auf Widerstand213 gestossen. Aufgrund einer Auflösung des Parlaments und anschliessenden Neu-wahlen wurde dieser Entwurf von den beiden Kammern nicht beraten und nicht weiterverfolgt214.

Im September 2004 wurde dem belgischen Repräsentantenhaus ein neuer Gesetzes-vorschlag zur Umsetzung der EU-Richtlinie unterbreitet215. Dieses neue Gesetzge-bungsprojekt enthielt keine direkte Verbindung zwischen der Einhaltung der Vor-schriften der CBD und der Patentierbarkeit mehr. Geblieben ist bezüglich der Um-setzung der Vorgaben der CBD einzig ein Passus, welcher fordert, dass die Patent-anmeldung bei biologischen Erfindungen folgende Information beinhalten muss:

"(...) une mention de l’origine géographique de la matière biologique d’origine végétale ou animale à partir de laquelle l’invention a été développée, lorsque celle-ci est connue. Le Roi peut fixer les conditions et les mesures d’exécution applicables."216

Diese Vorlage wurde vom Repräsentantenhaus angenommen und am 11. März 2005 an den belgischen Senat überwiesen. Am 14. April hat der Senat die Vorlage ohne Änderungen angenommen und das Gesetz wurde am 13.5.2005 publiziert und ist am 23. Mai 2005 in Kraft getreten217.

Belgien hat damit die Idee, bei biologischen Erfindungen einen Konnex Einhaltung der Vorgaben der CBD und Patentvergabe zu schaffen, wieder fallengelassen.

213 Vgl. für eine Darstellung der Argumente gegen diesen Entwurf den Second National Report of Belgium

to the Convention on Biological Diversity, 31. Oktober 2001, S. 89. 214 Vgl. dazu die Darstellung der Chronologie dieses belgischen Gesetzesprojekts, abrufbar unter:

<http://www.senate.be/www/?MIval=/Dossiers/DossierFiche.html&LEG=51&NR=108&LANG=fr>. 215 Projet de loi modifiant la loi du 28 mars 1984 sur les brevets d’invention, en ce qui concerne la

brevetabilité des inventions biotechnologiques vom 21. September 2004 (DOC 51 1348/001). 216 Vgl. Art. 5 des Gesetzesvorschlags, welcher für Art. 15 des bestehenden Patentgesetzes eine neue Ziffer

6 vorsieht. 217 Projet de loi modifiant la loi du 28 mars 1984 sur les brevets d’invention, en ce qui concerne la

brevetabilité des inventions biotechnologiques vom 10. März 2005 (DOC 51 1348/008). Für den Stand der Beratungen der Gesetzesvorlage vgl. auch die Chronologie der Vorlage, abrufbar unter: <http://www.senate.be/www/?MIval=/Dossiers/DossierFiche.html&LEG=3&NR=1088&LANG=fr>.

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 75

5. Umsetzung der Bonner Richtlinien durch die Europäische Union

a) Allgemeines Im Zuge der Umsetzung der Bonner Richtlinie hat sich die Europäische Kommis-sion in einer Mitteilung an das Parlament und den Rat der EU zu neuen Offenle-gungserfordernissen sehr deutlich zu Wort gemeldet: In einem ersten Schritt wurde bezüglich Massnahmen zur Offenlegung des Ursprungslands bei der Anmeldung geistiger Eigentumsrechte dargelegt, dass der Zugang und der Vorteilsausgleich bereits in der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ausdrücklich berücksichtigt werde. Es sei bereits in Erwägung 27 der Richtlinie angeregt worden, dass Patentanmeldungen Angaben zum geographischen Ursprungsort von biologischem Material umfassen sollten. Diese Bestimmung för-dere die Einhaltung innerstaatlicher Vorschriften in Ursprungsländern von biologi-schem Material und von vertraglichen Vereinbarungen über den Erwerb und die Verwendung dieses Materials. Dies berühre jedoch in keiner Weise die Bearbeitung von Patentanmeldungen oder die Gültigkeit der gewährten Patentrechte218.

b) Rolle von Offenlegungspflichten bei der Umsetzung der Bonner Richtlinien Zur möglichen Rolle von Offenlegungspflichten erklärte die Kommission, dass die internationalen Gespräche im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz der CBD, im TRIPS-Rat und im zwischenstaatlichen Ausschuss der Weltorganisation für geisti-ges Eigentum (WIPO) sich insbesondere um Mechanismen für den Schutz geistigen Eigentums, bspw. um die Anforderung zur Offenlegung bei einer Patentanmeldung und um das Ursprungszeugnis für genetische Ressourcen drehen würden.219 Zur konkreten Frage zusätzlicher Offenlegungsvorschriften wurde sodann ausgeführt, dass im Rahmen der laufenden Gespräche im TRIPS-Rat über die Beziehungen zwischen dem TRIPS-Abkommen und der CBD die Gemeinschaft zugesagt habe, die Möglichkeit der Einführung einer eigenständigen Offenlegungspflicht zu prü-fen. Die Kommission erklärte sodann, man würde zwar eine multilaterale Lösung der Offenlegungsfrage bevorzugen, da die Offenlegungspflichten wirksamer wären, wenn sie möglichst weiträumig Geltung hätten. Darüber hinaus könnte eine multi-laterale Lösung gleiche Ausgangsbedingungen für alle Patentanmelder gewährleis-ten. Es wurde diesbezüglich von der Kommission eingeräumt, dass multilaterale Ansätze schwierig seien, gleichzeitig wurde aber erklärt, dass jemand die Führung übernehmen müsse. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Bonner Leitlinien könnten, so die Kommission weiter, die Vertragsparteien der CBD unabhängig von

218 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, 23.12.2003, EU Doc.: KOM (2003) 821

endgültig, S. 18. 219 A.a.O., S. 19.

1. Teil: Grundlagen 76

der internationalen Regelung unilateral eine Offenlegungspflicht in ihre Rechts-vorschriften einführen. Die Gemeinschaft sei ein regionaler Verbund von Industrie-staaten: Maßnahmen auf EG-Ebene würden zwar eine multilaterale Regelung nicht ersetzen, doch hätten sie wichtige Auswirkungen in der Praxis, da sie für sehr viele Patentanmeldungen gelten würden. In dieser Hinsicht wäre deshalb gemäss der Kommission eine Offenlegungspflicht nützlich, deren Rahmen so abgesteckt wäre, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie nicht beeinträchtigt würde. Länder, die Material zur Verfügung stellten, wüssten dann auch, dass die Offenlegungspflicht ihnen dabei helfen würde, ihre innerstaatlichen Vorschriften über die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung durchzuset-zen. Das, so die Kommission, könnte auch Bemühungen Vorschub leisten, den eu-ropäischen Unternehmen den Zugang zu erleichtern.

Die Kommission schloss aus dieser Betrachtung, dass die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten die Einführung einer europarechtlichen eigenständigen Verpflich-tung zur Offenlegung des Ursprungs genetischer Ressourcen bei Patentanmeldun-gen im Sinne der Vorschläge in der Mitteilung an den TRIPS-Rat in Erwägung zie-hen sollten. Die vom Anmelder vorzulegenden Informationen würden sich dabei auf den geographischen Ursprung der in der Erfindung verwendeten genetischen Res-sourcen und traditionellen Kenntnisse beschränken, wenn sie ihnen bekannt seien oder wenn sie sie kennen müssten. Wenn das Ursprungsland nicht bekannt ist, müsste der Anmelder die Forschungseinrichtung, Genbank oder Stelle angeben, von der er die Ressource erhalten hat.

c) Offenlegungspflicht als patentrechtliches Kriterium? Die Kommission lässt diesem Positionsbezug die Erklärung folgen, dass eine solche Offenlegungspflicht weder tatsächlich noch rechtlich als zusätzliches förmliches oder materielles Patentfähigkeitskriterium fungieren solle. Die rechtlichen Folgen der Nichteinhaltung der Pflicht würden gemäss der Kommission nicht durch das Patentrecht geregelt, sondern beispielsweise durch das Zivilrecht (Schadenersatz-forderungen) oder durch das Verwaltungsrecht (Strafgebühr für die Verweigerung der Vorlage von Informationen an Behörden oder für die Vorlage falscher Informa-tionen).

Interessanterweise wurde jedoch die Türe für Sanktionen innerhalb des Patentrechts nicht ganz zugestossen und zum Schluss erklärt, dass die Einführung einer Offenle-gungspflicht auf Ebene der Gemeinschaft diese nicht daran hindern solle, weiterhin konstruktiv an multilateralen Lösungen mitzuarbeiten. Nach Ansicht der Kommis-sion solle in den einschlägigen internationalen Foren darüber gesprochen werden, ob die Offenlegungspflicht auch als formale Voraussetzung für die Patentfähigkeit und nicht bloss als eigenständige Pflicht in das Immaterialgüterrecht eingeführt

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 77

werden sollte. Die Folgen der Nichteinhaltung einer solchen förmlichen Pflicht könnten gemäss der Kommission patentrechtlich oder durch andere Vorschriften geregelt werden. Patentrechtliche Folgen könnten dabei in der Nichtzulassung einer Patentanmeldung bis zur Vorlage der nötigen Erklärung oder in der Nichtigerklä-rung oder sogar im Widerruf des Patents bestehen, wenn die Falschangabe der Quelle auf betrügerische Absichten zurückzuführen ist220.

Die Europäische Kommission will somit auf regionaler Ebene eine Offenlegungsverpflichtung einführen ohne diese jedoch mit patentrechtlichen Fol-gen zu verknüpfen. Auf internationaler Ebene wäre die Europäische Kommission auch bereit, über eine neue Offenlegungspflicht als formale Voraussetzung für die Patentfähigkeit zu diskutieren.

B. Länder der Anden-Gemeinschaft

a) "Common System on Access to Genetic Resources" Bereits 1996, also vier Jahre nach der Verabschiedung der Biodiversitätskonven-tion, adoptierten die Anden-Pakt Länder Bolivien, Kolumbien, Equador, Peru und Venezuela ein gemeinsames System bezüglich des Zugangs zu genetischen Res-sourcen. Die Kommission des Cartagena Agreement221 verabschiedete das soge-nannte "Common System on Access to Genetic Resources"222.

Dieses System regelt auch einen Aspekt des geistigen Eigentums an den geneti-schen Ressourcen der Mitgliedstaaten und hält fest, dass keine Immaterialgüter-rechte an genetischen Ressourcen, bei welchen das Ursprungsmaterial nicht im Einklang mit der getroffenen Zugangsregelung erworben worden ist, anerkannt werden223.

b) "Common Intellectual Property Regime" Im Jahr 2000 haben die Anden-Staaten in Ergänzung zur ersten Regelung ein neues

220 A.a.O., S. 21 221 "Andean Subregional Integration Agreement" der Länder Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und

Venezuela vom 10. März 1996, genannt "Cartagena Agreement". 222 Decision 391 by the Commission of the Cartagena Agreement, "Common Regime on Access to Genetic

Resources" vom 2. Juli 1996. 223 Unter dem Titel "complementary measures" wird als zweite Massnahme folgendes postuliert: "The

Member Countries shall not acknowledge rights, including intellectual property rights, over genetic re-sources, by-products or synthesized products and associated intangible components, that were obtained or developed through an access activity that does not comply with the provisions of this Decision."

1. Teil: Grundlagen 78

gemeinsames Immaterialgüterrecht verabschiedet224. Die neuen Normen nehmen teilweise direkten Bezug auf die Biodiversitätskonvention. Hervorzuheben ist dabei vor allem Artikel 26. Dieser statuiert, dass der Patentanmeldung eine Kopie des Zu-gangsvertrages beizulegen ist, sofern das Erzeugnis oder das Verfahren, für welches um Patentschutz ersucht wird, auf genetischen Ressourcen aus einem der Mitglied-staaten der Andengemeinschaft basiert. Zudem wird in Artikel 3 dieses Regimes unmissverständlich klargestellt, dass Patente für Erfindungen, welche auf der Basis von genetischem Material entwickelt worden sind, nur gewährt werden können, sofern beim Zugang internationales und nationales Recht respektiert wurde225.

Art. 3 hat folgenden englischen Wortlaut:

"The Member Countries shall ensure that the protection granted to intellectual property elements shall be accorded while safeguarding and respecting their biological and genetic heritage, together with the traditional knowledge of their indigenous, African American, or local communities. As a result, the granting of patents on inventions that have been deve-loped on the basis of material obtained from that heritage or that knowledge shall be su-bordinated to the acquisition of that material in accordance with international, Andean Community, and national law."

C. Revision des Patentgesetzes in der Schweiz

1. Festhalten am Standpunkt

Die Schweiz hält bis dato trotz Kritik, insbesondere auch aus den USA, im Rahmen der Bemühungen der Revision von Art. 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS sowie im Rahmen der Klärung des Verhältnisses zwischen dem TRIPS-Abkommen und der Biodiver-sitätskonvention an ihrem bereits dargelegten Standpunkt fest. In ihrer letzten Mit-teilung an den TRIPS-Rat vom 14.6.2004 wurde die Haltung bestätigt, wonach die von der Schweiz geforderte Declaration of Source im Bereich der Access and Be-nefit-sharing-Problematik eine grössere Transparenz schaffen würde. Konkret 224 Decision 486 by the Commission of the Cartagena Agreement, "Common System on Intellectual

Property Rights" vom 14.9.2000. In der Zeitschrift GRUR Int. 2003, S. 138 ff. ist dieser Beschluss Nr. 486 der Kommission der Andenpaktstaaten über gemeinschaftliche Bestimmungen zum gewerblichen Rechtsschutz vom September 2000 in deutscher Sprache veröffentlicht. Der Beschluss ist am 1. Dezem-ber 2000 in Kraft getreten.

225 Art. 3 hat folgenden englischen Wortlaut: "The Member Countries shall ensure that the protection gran-ted to intellectual property elements shall be accorded while safeguarding and respecting their biological and genetic heritage, together with the traditional knowledge of their indigenous, African American, or local communities. As a result, the granting of patents on inventions that have been developed on the ba-sis of material obtained from that heritage or that knowledge shall be subordinated to the acquisition of that material in accordance with international, Andean Community, and national law."

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 79

wurde auch dargelegt, dass im Anwendungsbereich der Biodiversitätskonvention diese Pflicht insbesondere die Überprüfung erlauben soll, ob die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung derjenigen Partei vorliegt, welche die genetischen Ressourcen zur Verfügung stellt, und ob Vorkehrungen für die Auftei-lung der sich allenfalls aus der künftigen kommerziellen und sonstigen Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile getroffen wurden226.

2. Umsetzung der Idee in das nationale Recht

Die Schweiz plant denn auch, entsprechend ihrem Vorschlag zuhanden der WIPO und dem TRIPS-Rat, ihr nationales Patentrecht anzupassen227: Gemäss dem Vorent-wurf des Bundesrats vom 7. Juni 2004 muss neu bei Erfindungen, die genetische Ressourcen betreffen, das Patentgesuch Angaben enthalten über die Quelle der ge-netischen Ressourcen, zu welcher der Erfinder oder der Patentbewerber Zugang hatte, sofern die Erfindung direkt auf dieser Ressource basiert228. Der neue Artikel 49a des schweizerischen Patentgesetzes würde unter dem Randtitel "Angabe der Quelle" folgendes vorsehen: "1 Bei Erfindungen, die genetische Ressourcen oder traditionelles Wissen betreffen, muss das Patentgesuch Angaben enthalten über die Quelle: a. der genetischen Ressource, zu welcher der Erfinder oder der Patentbewerber Zu-

gang hatte, sofern seine Erfindung direkt auf dieser Ressource basiert;

b. (...)

2 Ist die Quelle weder dem Erfinder noch dem Patentbewerber bekannt, so muss der Pa-tentbewerber dies mit einer schriftlichen Erklärung bestätigen."229

Im erläuternden Bericht zu diesem Artikel wurde ausgeführt, dass der Begriff „Quelle“ (source) so weit wie möglich zu verstehen sei. Er soll den geographischen Herkunftsort gemäss Erwägungsgrund 27 der EG-Biotechnologie-Richtlinie, das „Ursprungsland der genetischen Ressourcen“ (country of origin) und das „geneti-sche Ressourcen zur Verfügung stellende Land“ im Sinn von Artikel 2 der Biodi-versitätskonvention sowie andere Quellen wie z.B. Genbanken, botanische Gärten, Datenbanken und wissenschaftliche Publikationen umfassen. Als Quelle der geneti-

226 Communication from Switzerland to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property

Rights, 14. Juni 2004, WTO Doc.: IP/C/W/423. 227 Vgl. Erläuternder Bericht zu Änderungen im Patentrecht vom 7. Juni 2004 sowie den dazugehörigen

Vorentwurf des Bundesrates für eine Teilrevision des Patentgesetzes vom 7. Juni 2004. Abrufbar unter <http://www.ige.ch/D/jurinfo/j100.shtm - 2>.

228 Vgl. Art. 49a des Vorentwurfs. 229 Vgl. Vorentwurf des Bundesrates für eine Teilrevision des Patentgesetzes vom 7. Juni 2004.

1. Teil: Grundlagen 80

schen Ressource kann gemäss dem Bericht schliesslich auch das durch den Interna-tionalen Vertrag der Food and Agriculture Organization (FAO) geschaffene multi-laterale System angegeben werden230.

Anders als beim Gebot der Angabe des geographischen Herkunftsortes von biologi-schem Material gemäss Erwägungsgrund 27 der EU-Biotechnologierichtlinie, wel-cher weder für den Fall der Nichterfüllung der Offenlegungspflicht noch bei vor-sätzlicher Falschangabe patent- oder strafrechtliche Sanktionen vorsieht, würde bei dieser neuen Regelung die Nichterfüllung der Offenlegungspflicht zur Zurückwei-sung der Patentanmeldung führen. Die vorsätzliche Falschangabe einer bekannten Quelle würde zudem strafrechtlich geahndet. Explizit hält Art 81 Abs. 1 des neuen Entwurfes des eidgenössischen PatG dazu unter dem Randtitel "Falsche Angaben über die Quelle" fest:

"Wer vorsätzlich falsche Angaben nach Artikel 49a macht, wird mit Busse bis zu 100 000 Franken bestraft."

3. Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Die Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen in Patentanmeldungen wurde in der Vernehmlassung von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer als transparenzförderndes Instrument grundsätzlich begrüsst. Die geäusserten Meinungen gingen jedoch auseinander hinsichtlich der Frage, ob die Schweiz ein solches Erfordernis ohne internationale Verpflichtung bzw. ohne international harmonisierte Regelung in das Patentgesetz aufnehmen soll. Uneinigkeit bestand auch bei der Frage, ob bei einer Unvereinbarkeit dieser Rege-lung mit dem Patentrechtsvertrag der Ratifikation dieses Vertrages oder der Einfüh-rung von Pflichten zur Offenlegung der Quelle der Vorrang zu geben sei231. Das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum gab deshalb ein Gutachten in Auftrag zur Frage, ob trotz der Einführung der Offenlegungspflicht der Patentrechtsvertrag (PLT) der WIPO ratifiziert werden könne. Dieses Gutachten kommt zum Schluss, dass aufgrund des Umstandes, dass der Vertrag vom 19. Juni 1970 über die interna-tionale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) in seiner aktuellen Fassung der Einführung einer Offenlegungspflicht nicht entgegenstehe und deshalb der PLT ratifiziert werden könne232. Dabei führt der Gutachter folgendes aus:

"L’obligation de déclarer la source se rapproche ainsi de ce que l’on appelle le « droit au

230 Erläuternder Bericht zu Änderungen im Patentrecht vom 7. Juni 2004, S. 85. 231 Vgl. Änderungen im Patentrecht - Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, Januar

2005, S. 4 f.; Der Bericht ist abrufbar unter : <http://www.ige.ch/D/jurinfo/j100.shtm - 2>. 232 Vgl. die Schlussfolgerung des Gutachtens, CURCHOD, S. 16.

§ 3 Einzelne regionale und nationale Lösungsansätze 81

brevet », qui vise à ce qu’un brevet ne soit pas accordé à une personne qui n’y a pas droit, par exemple parce qu’elle s’est appropriée l’invention par un vol ou, dans le cas d’une in-vention de salarié, en violation des règles légales ou contractuelles qui déterminent à qui appartient une telle invention. Certes, ce n’est pas l’invention elle-même qui aura fait l’objet de l’appropriation indue mais l’élément indispensable et irremplaçable – la res-source génétique – qui en aura rendu possible la réalisation. Il n’en reste pas moins que la problématique est fondamentalement la même: dans les deux exemples qui viennent d’être cités comme dans le cas d’une invention fondée sur une ressource génétique indûment ac-quise, c’est bel est bien le droit au brevet qui n’est pas respecté."

Daraus schliesst der Gutachter, dass, obwohl die Offenlegungspflicht für sich eine formelle Voraussetzung sei, sie gleichzeitig eng an die Grundvoraussetzung, wo-nach nur der Berechtigte Anspruch auf ein Patent hat, anknüpfe. Deshalb könne gar nicht von einer Formvoraussetzung gesprochen werden und entsprechend seien die Vorschriften des PCT gar nicht relevant233.

4. Botschaft des Bundesrats

Am 23. November 2005 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes234. Die neuen Offenlegungspflichten bezüglich der Quelle von genetischen Ressourcen aus dem Vorentwurf wurden beibehalten. Zur Frage betreffend der Kompatibilität dieser neuen Anforderungen mit dem PLT wurde mit Verweis auf das Gutachten erklärt, dass, obschon dieses Erfordernis grundsätzlich formeller Natur sei, es im Zusammenhang mit Anforderungen des materiellen Patentrechts stehe. Daher falle es nicht in die Kategorie der Erforder-nisse zu Form und Inhalt der Anmeldung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 PLT, die im Patentrechtsvertrag abschliessend geregelt seien, und entsprechend stehe die Einführung einer Vorschrift zur Offenlegung der Quelle (Artikel 49a E-PatG) der

233 A.a.O., S. 14: "Pour en revenir à l’obligation de déclarer la source, il est évident qu’elle est en soi une

exigence formelle, mais elle est si étroitement liée à la condition de fond que constitue le respect du droit au brevet qu’elle échappe en réalité à la notion de forme ou de contenu de la demande".

234 Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrages und der Ausführungsordnung vom 23. November 2005.

1. Teil: Grundlagen 82

Ratifizierung des Patentrechtsvertrags nicht entgegen235.

235 A.a.O., S. 28.

§ 4 Zwischenergebnis 83

§ 4 Zwischenergebnis

A. Internationale Diskussion

Neue Offenlegungspflichten werden in drei internationalen Foren intensiv disku-tiert. Konsens besteht bis dato einzig dahingehend, dass die Bestimmungen der CBD und des TRIPS-Abkommens in einer sich gegenseitig unterstützenden Art und Weise implementiert werden sollen.

Die Diskussion zeigt auf, dass auf internationaler Ebene konkrete Bestrebungen bestehen, neue Offenlegungspflichten zu implementieren, was zu begrüssen ist. Im Vordergrund steht die Forderung, dass ein Patentanmelder hinsichtlich seiner Erfin-dung die Quelle jeglichen genetischen Materials, welches in der beanspruchten Er-findung verwendet wurde, offenbaren soll. Der Lösungsvorschlag der Schweiz und die neuen Ansätze in der EU sind diesbezüglich hervorzuheben. Weitere Offenle-gungspflichten, welche vor allem von den Geberländern zusätzlich gefordert wer-den, sind, der Nachweis des Erfinders, dass er die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete und informierte Zustimmung durch die zuständige nationale Behörde des Herkunftslandes eingeholt hat (prior informed consent - PIC) und der Nachweis einer einvernehmlichen Regelung über die Aufteilung der Vorteile zwi-schen Ursprungsland und Erfinder, welche sich aus der Nutzung der Ressourcen ergeben (mutually agreed terms – MAT).

Im Rahmen dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass ein inhärenter Kon-flikt zwischen den Vorgaben des TRIPS-Abkommens und der Biodiversitätskon-vention besteht: Solange das TRIPS-Abkommen, verstanden als Korsett für natio-nale Patentrechte, mit dem Argument benutzt wird, dass dessen Vorgaben keinerlei Rücksichtnahme auf die Besonderheiten von Erfindungen, die auf genetischen Res-sourcen basieren, nehmen darf, kann ein Konflikt nicht in Abrede gestellt werden. Ein solches Verständnis der Vorgaben des TRIPS-Abkommens läuft unzweifelhaft dem Ziel der Biodiversitätskonvention, eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile sicherzustellen, zuwider. Ob dieses Verständnis der TRIPS Vorgaben auch einer näheren Prüfung standhält, wird noch zu untersuchen sein. Es ist nach der hier vertretenen Ansicht jedoch richtig, aufgrund des geschilderten Verständnisses des TRIPS-Abkommens einen grundsätzlichen Zielkonflikt anzuerkennen.

Dabei genügt die Anerkennung, dass das TRIPS-Abkommen die Ziele der CBD solange nicht unterstützt, als aufgrund der TRIPS-Normen bei der Gewährung geis-tiger Eigentumsrechte für Erfindungen, die auf genetischen Ressourcen basieren, nicht sichergestellt werden darf, dass der Ressourcenzugang konventionskonform

1. Teil: Grundlagen 84

erfolgt ist.

Damit ist auch gesagt, dass die im Rahmen der von der WIPO aufgeworfenen Frage nach dem policy concern aufgrund der Ausgangslage der Problematik klar beant-wortet werden kann. Der Zweck der neuen Offenlegungspflichten soll und muss darin bestehen, die CBD bei der Umsetzung ihrer Ziele zu unterstützen. Dies wie-derum bedeutet, dass die neuen Massnahmen die Stossrichtung haben sollten, kon-ventionskonformes Verhalten der Nutzer von genetischen Ressourcen nicht nur zu fördern, sondern möglichst umfassend zu gewährleisten.

Diese Sicherstellung kann zweifelsohne auf unterschiedliche Art und Weise erfol-gen. Dem Patentrecht kommt dabei jedoch, entgegen den Ausführungen der WIPO, keinesfalls eine bloss sekundäre Rolle zu. Dies deshalb, weil die Schaffung von maximaler Transparenz unzweifelhaft zur besseren Gewährleistung legitimen Ver-haltens der Benutzer von genetischen Ressourcen beiträgt. Transparenz und Offen-legung gehören, wie die WIPO selber betont, zur Essenz des Patentrechts und dem Patentrecht kann dort eine primäre Rolle zukommen. Dies auch gerade deswegen, weil die Nutzung genetischer Ressourcen regelmässig nur dann kommerziell und effektiv betrieben werden kann, wenn durch Patente für eine gewisse Dauer Dritte von der Nachahmung ausgeschlossen werden können.

Es verwundert, dass die grosse Chance für eine faire und gerechte Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd, welche die Konstellation der Ressourcenverteilung und die Normen der CBD in diesem speziellen Bereich der Nutzung des genetischen Mate-rials bietet, bisher nicht mit mehr Enthusiasmus aufgegriffen wurde. Die Ressour-cen-Situation würde es den weniger entwickelten Ländern grundsätzlich erlauben, aus einer Position der Stärke in die Verhandlungen mit den Industrienationen über den Zugang und die faire und gerechte Aufteilung der Vorteile aus dieser Nutzung zu treten. Einzig die Problematik der drohenden Nichteinhaltung der Zugangs- und Vorteilsausgleichsbestimmungen durch die Nutzer trübt die für die Entwicklungs-länder gute Ausgangslage. Weshalb in dieser spezifischen Situation die Sicherstel-lung der Einhaltung dieser Vorschriften bei Patentanmeldungen, die genetische Ressourcen betreffen, nicht von der Weltgemeinschaft als sinnvolle Massnahme zur Verhinderung von neuen Ungerechtigkeiten unisono begrüsst wird, ist unverständ-lich.

Dass ausgerechnet die Vereinigten Staaten, welche über starke pharmazeutische und agrochemische Industrien verfügen, sich derart vehement gegen neue Offenle-gungspflichten im Patentrecht stemmen, sei an dieser Stelle nicht weiter kommen-tiert, zumal sich die USA bisher nicht durchringen konnten, die Biodiversi-tätskonvention zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

§ 4 Zwischenergebnis 85

B. Regionale und nationale Umsetzung

Aus den geschilderten Stellungnahmen der Ursprungsländer genetischer Ressourcen zuhanden des TRIPS-Rats geht unmissverständlich hervor, dass die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben der Biodiversitätskonvention bei der Patenterteilung als zwingend erachtet wird. Es wird – wie bereits dargelegt - gefordert, dass vom Pa-tentanmelder im Sinne zusätzlicher Patentierungsvoraussetzungen verlangt werden soll, dass dieser die Quelle jeglichen genetischen Materials, welches in der bean-spruchten Erfindung verwendet wurde, offenbart, dass er den Nachweis erbringt, dass er die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete (informierte) Zustim-mung durch die zuständige nationale Behörde des Herkunftslandes eingeholt hat, sowie dass er die faire und gerechte Aufteilung der Vorteile zwischen Ursprungs-land und ihm, welche sich aus der Nutzung der Ressourcen ergeben (fair and equi-table benefit-sharing), nachweist236. Entsprechend haben einzelne Länder begonnen, ihr nationales oder supranationales Immaterialgüterrecht mit eben diesen Patentie-rungsvoraussetzungen zu versehen237.

Diametral entgegengesetzt erscheinen in den Stellungnahmen zuhanden des TRIPS-Rats die Positionen der Industrienationen. Diese verweisen auf das TRIPS-Abkom-men und erklären zusätzliche Patentierungserfordernisse - seien diese materieller oder formeller Natur - als nicht vereinbar mit den aktuellen Vorgaben des TRIPS-Abkommens. In der Stellungnahme der Europäischen Union zuhanden des TRIPS-Rats wurde diesbezüglich explizit ausgeführt, dass das Immaterialgüterrecht nicht dazu benutzt werden solle, die Nicht-Einhaltung von heimischen Access and Bene-fit-sharing requirements, durch die Zurückweisung oder die Aufhebung von Paten-ten zu sanktionieren238. Einzige Ausnahme war die Schweiz, welche eine formelle Offenlegungspflicht der Quelle des genetischen Materials als transparenzerhöhen-des Instrument einführen möchte.

Die Verabschiedung der Europäischen Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Par- 236 Note by the Secretariat of the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 8.

August 2002, WTO Doc.: IP/C/W/368, S. 6. 237 Vgl. das neue Immaterialgüterrecht der Staaten des Andenpaktes (vgl. oben § 4, C.). 238 Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-

Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 10 f.: "... the concept of making the patentability of an invention subject to the respect of a requirement to disclose the geographical origin of genetic resources used in the invention (in cases where this information is not required under Article 29.1 TRIPS) or of a requirement to provide evidence of the access and benefit sharing rules constitutes a clear step beyond the current provisions of the TRIPS Agreement." und " Patent law should not be used to sanction non-respect of domestic access and benefit-sharing requirements through the rejection of the patent application or the invalidation of the patent".

1. Teil: Grundlagen 86

laments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologi-scher Erfindungen liess aufgrund des Erwägungsgrundes 27 noch vermuten, dass in der Europäischen Union keine neuen materiellen oder formellen neuen Offenle-gungspflichten erwünscht sind. Dies insbesondere aufgrund der Entstehungsge-schichte dieses Erwägungsgrundes.

Die weitere Entwicklung in Europa hat jedoch, dies muss in aller Deutlichkeit konstatiert werden, eine gewisse Kehrtwende gebracht. Einzelne Länder haben zu-erst versucht, sich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie den Erwägungsgrund 27 zu Herzen zu nehmen und verbindliche Offenlegungspflichten einzuführen. Hervorzu-heben ist vor allem, dass die Europäische Kommission als eine der Massnahmen zur Umsetzung der Bonn-Guidelines vorschlug, die Möglichkeit der Einführung einer eigenständigen Offenlegungspflicht zu prüfen. Zudem erklärte sich die Europäische Kommission bereit, auf internationaler Ebene die Frage einer Offenlegungspflicht im Sinne einer formalen Voraussetzung für die Patentfähigkeit zu erörtern. Patent-rechtliche Folgen könnten gemäss der Kommission dabei von der Nichtzulassung einer Patentanmeldung bis zur Vorlage der nötigen Erklärung oder in der Nichtiger-klärung oder sogar im Widerruf des Patents bestehen, wenn die Falschangabe der Quelle auf betrügerische Absichten zurückzuführen ist. Konsequenterweise erfolgte im Dezember 2004 eine Stellungnahme der Europäischen Union zuhanden der WIPO, in welcher ausgeführt wurde, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine Of-fenlegungspflicht in Betracht ziehen würden, die verbindlich wäre. Man müsste diese Offenlegungspflicht in einer rechtlich verbindlichen und universellen Art und Weise implementieren. Eine globale und obligatorische Verpflichtung würde Chan-cengleichheit für die Industrie kreieren und würde es erleichtern, gemäss Art. 15 Abs. 7 CBD die Vorteile, welche sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben, auszugleichen. Gemäss dem EU Positionspapier sollte die Einführung dieses Schemas auf effiziente und rechtzeitige Art und Weise erfolgen und in Bezug stehen zum bestehenden internationalen Regelwerk im Patentrecht.

Was bleibt ist der Widerstand aus den Vereinigten Staaten. Der Vorschlag der Schweiz ist in der Zwischenzeit auch dort bereits auf Widerstand gestossen. In der Eingabe zuhanden des TRIPS-Rats vom 24.6.2004 erklärte die USA unter anderem unter Bezugnahme auf den Vorschlag der Schweiz, dass zusätzliche formale Offen-barungserfordernisse das sorgfältig balancierte Patent-System gefährden könnten und dass jeglichem Vorschlag, welcher im Patentrecht zu Unsicherheiten führen

§ 4 Zwischenergebnis 87

würde, mit grösster Vorsicht begegnet werden müsse239. In der weiteren Diskussion zur Frage neuer Offenlegungspflichten werden die von der EU zuhanden des TRIPS-Rats vorgebrachten Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit solcher Vor-schriften mit dem TRIPS-Abkommen - trotz der neuen Haltung der EU - somit ein gewichtiges Argument bleiben240.

Eine zentrale Frage, ist somit, ob die Einführung einer verbindlichen Deklarations-pflicht der Herkunft und der Quelle genetischer Ressourcen, bei Erfindungen, wel-che solche Ressourcen betreffen, mit den Vorgaben des TRIPS-Abkommen in Ein-klang zu bringen sind oder nicht. Sollte man zum Schluss kommen, dass dies nicht möglich ist, würde eine verbindliche Einführung solcher Pflichten eine Revision des TRIPS-Abkommen notwendig machen. Ein Szenario, dass, nicht zuletzt aufgrund der amerikanischen Haltung zu neuen Patentierbarkeitskriterien, wenig wahrschein-lich ist.

239 Neben der generellen Kritik an neuen "disclosure requirements" hält die USA explizit folgendes fest:

" Thus, the Swiss, apparently aware of the shortcomings of a disclosure of source requirement, per se, go so far as to suggest that it be implemented in conjunction with an apparently multilateral system of notification, in which national patent offices would identify and notify points of contact designated to receive such information in other governments. This would be coordinated through an office at WIPO that would create a list of notified contact points for each government. Notwithstanding the complexity of issues surrounding the creation of such a system, including its associated costs and effectiveness, such an apparently multilateral notification system still does not address legal uncertainties in the patent system and consequent negative effects created by a disclosure of source and/or origin requirement nor does it address the fact that an access and benefit-sharing infrastructure in a country is necessary to enable the sharing of such benefits." Vgl. Communication from the United States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 26. November 2004, WTO Doc.: IP/C/W/434, S. 5.

240 Vgl. CARVALHO, Washington University Journal of Law & Policy 2000, 2, 389, welcher die Auffassung vertritt, dass Art. 62 TRIPS formellen Offenlegungspflichten entgegensteht.

1. Teil: Grundlagen 88

§ 5 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Ansatz zur Harmonisierung 89

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen

§ 5 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Ansatz zur Harmonisie-

rung

A. Eigene These

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird versucht eine eigene These zur Frage der TRIPS-Kompatibilität neuer Offenlegungspflichten zu erarbeiten und zu überprü-fen. Die Grundidee der These ist, dass Art. 27 Abs. 2 TRIPS, welcher es unter be-stimmten Voraussetzungen erlaubt, die materiellen Vorgaben von Art. 27 Abs. 1 TRIPS zu durchbrechen, als Brücke zwischen Biodiversitätskonvention und TRIPS-Abkommen fungieren kann und dass damit die beiden Vertragswerke koordiniert werden können.

B. Abgrenzungen

Die zu entwickelnde These geht nicht nur von den rechtlichen Grundlagen der Bio-diversitätskonvention und des TRIPS-Abkommen aus, sondern berücksichtigt auch die Ausgestaltung der Ordre public-Klausel im Europäischen Patentrecht. Im Rah-men dieser Arbeit ist es deshalb sinnvoll, sich auf die Ausschlussklausel des Euro-päischen Patentübereinkommens zu konzentrieren und die eigenen Überlegungen im europäischen Kontext anzusiedeln.

C. Begriffsbestimmungen

Gewisse Begriffe, welche nachfolgend eine Rolle spielen, müssen zum besseren Verständnis genauer bestimmt werden:

1. Substantive Conditions of Patentability

In der internationalen Diskussion ist immer wieder die Rede von substantive condi-tions of patentabiliy. Dieser englische Begriff bezeichnet diejenigen Patentierungs-voraussetzungen, welche die Substanz der Erfindung, das heisst die Essenz der er-finderischen Aktivität definieren. Zu übersetzen ist dieser Begriff mit Vorausset-zungen der Patentfähigkeit. Der Inhalt dieses Begriffs kann auch aufgrund des TRIPS-Abkommens klar bestimmt werden. Gemäss Art. 27 Abs. 1 TRIPS ist jede Erfindung auf allen Gebieten der Technik, gleichgültig ob es sich um ein Erzeugnis

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 90

oder ein Verfahren handelt, patentfähig soweit sie neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (d.h. nicht naheliegend ist) und gewerblich anwendbar ist241.

2. Materielle und formelle Patentierungsvoraussetzungen

Terminologisch wäre es naheliegend, die drei substantiellen Patentfähigkeitsvoraus-setzungen von Art. 27 Abs. 1 TRIPS (Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerb-liche Anwendbarkeit) mit dem Begriff der materiellen Patentierbarkeitsvorausset-zungen gleichzusetzen.

Gemäss dem hier vertretenen Verständnis sind jedoch die materiellen Patentierbar-keitsvoraussetzungen diejenigen Voraussetzungen, welche in einem patentrechtli-chen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren als Einspruchs- oder Nichtigkeits-gründe vorgebracht werden können242. Neben den in Art. 27. Abs. 1 TRIPS erwähn-ten substantiellen Patentfähigkeitsvoraussetzungen gehören dazu auch die Abwe-senheit von Ausschlussgründen zu den materiellen Patentierungsvoraussetzungen. Dies im Gegensatz zu bloss formellen Patentierungsvoraussetzungen, deren Nicht-erfüllung zum Zeitpunkt der Patentanmeldung durch eine Verweigerung der weite-ren Behandlung der Anmeldung sanktioniert werden kann, jedoch nur von den Pa-tentprüfungsbehörden und nicht von Dritten.

Eine separate Kategorie bildet das Offenbarungserfordernis. Auch wenn die man-gelnde Offenbarung als Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund angerufen werden kann, stellt diese streng genommen kein materielles Patentierbarkeitserfordernis dar. Dies deshalb, weil sie keine Eigenschaft der Erfindung darstellt, sondern einen von aussen hinzukommenden Akt. Die Offenbarung erlaubt in diesem Sinne zu-sammen mit den formellen Voraussetzungen erst die Prüfung, ob die materiellen Patentierbarkeitskriterien erfüllt sind. Prüfungsgegenstand ist einzig die genügend offenbarte Erfindung.

D. Vorgehen

In einem ersten Schritt wird aufgezeigt, inwiefern neue Offenlegungspflichten in einen Konflikt mit den Vorgaben des TRIPS-Abkommens treten können. Um die Konfliktlage exakt beurteilen zu können, müssen dabei die unterschiedlichen For-men der neuen Offenlegungspflichten berücksichtigt werden.

241 STAEHELIN, S. 142, welcher ergänzt, dass, obwohl diese Voraussetzungen bereits in zahlreichen

nationalen Patentgesetzen vorgesehen seien, man es als notwendig erachtet habe, diese auch international festzulegen.

242 Vgl. SCHULTE, S. 263, N. 59.02.

§ 5 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Ansatz zur Harmonisierung 91

In einem zweiten Schritt wird die mögliche Relevanz von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, respektive dessen konkrete Umsetzung im Europäischen Patentrecht (Art. 53 lit. a EPÜ) bezüglich dieser Konfliktlage erörtert. Dies um eine eigene These bezüglich der Möglichkeit zur Koordination der beiden Vertragswerke zu entwickeln.

In einem dritten und letzten Schritt wird die These untersucht. Dies anhand der Überprüfung der zentralen Prämissen der These.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 92

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt?

A. Anerkennung der Problematik durch die internationale Staatengemeinschaft

Die grossen internationalen Bemühungen, die Frage der Einführung neuer Offenlegungspflichten zu erörtern und konkrete Lösungen zu finden, zeigen auf, dass die Mehrheit der Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft243 anerkannt hat, dass ein Spannungsverhältnis zwischen den Zielen der Biodiversi-tätskonvention und den Vorgaben des TRIPS-Abkommens besteht. Entsprechend ist auch eine Bereitschaft entstanden, dieses Problem zu lösen.

1. Spannungsverhältnis

Die Spannung244 zwischen den beiden Regelwerken liegt in folgender Konstella-tion: Auf der einen Seite will die Biodiversitätskonvention ihre Ziele erreichen, in-dem sie den Vertragsparteien das souveräne Recht einräumt, über ihre genetischen Ressourcen verfügen zu können. Dazu wird den Vertragsstaaten die Möglichkeit gewährt, durch den Erlass von Zugangs- und Vorteilsausgleichsnormen sicherzu-stellen, dass diese Rechte respektiert werden. Auf der anderen Seite wirken die gel-tenden TRIPS-Bestimmungen diesem Ziel insofern entgegen, als diese die inhären-ten Besonderheiten, welche bei der gewerblichen Nutzung der in der CBD adres-sierten genetischen Ressourcen regelmässig auftreten, in keiner Weise berücksichti-gen. Verschärft wird diese Problematik dadurch, dass die Normen des TRIPS-Abkommen jegliche Rücksichtnahme auf diese Besonderheiten im Bereich genetischer Erfindungen zu verbieten scheinen245. Dies, obwohl es augenscheinlich zur Unterstützung der Ziele der CBD wichtig wäre, sicherzustellen, dass keine patentrechtlichen Ausschlussrechte für Produkte oder Prozesse, die auf genetischen Ressourcen basieren, gewährt werden, ohne dass geklärt ist, ob der Anmelder die

243 Die USA verneinen jeglichen Konflikt der beiden Regelwerke: "The provisions of the TRIPS Agreement

would not preclude countries from providing that those seeking access to genetic resources for research and development enter into arm's-length contracts providing, inter alia, for a sharing of the benefits of any patents that might be granted for inventions developed from those genetic resources, including by providing access to the technology. The provisions of Articles 15 and 16 of the CBD and the provisions of the TRIPS Agreement are, therefore, mutually supportive, not conflicting." Communication from the United States, 13. Juni 2001, WTO Doc.: IP/C/W/257, S. 5.

244 Es besteht kein Konsens, die CBD dahingehend zu interpretieren, dass geistige Eigentumsrechte für genetische Ressourcen nur in eingeschränkter Form gewährt werden dürften. Eine solche Interpretation der Normen der CBD würde in klarem Widerspruch zu den Normen des TRIPS-Abkommens stehen. Bezüglich dieser radikalen Position besteht jedoch keinerlei Einigkeit. Vgl. auch oben § 1, E.

245 Vgl. das Diskriminierungsverbot in Art. 27 Abs. 1 Satz 2 TRIPS.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 93

relevanten Zugangs- und Vorteilsausgleichsbestimmungen eingehalten hat. Diese Transparenz erscheint umso notwendiger, als dass es sich beim Patentrecht um ein Institut handelt, welches sich an einer Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gemeinwohl befindet246. Auch ist heute allgemein anerkannt, dass das Institut des Patentrechts als Teil der geltenden Rechtsordnung nicht wertneutral sein kann. Wie andere Gesetze unterliegt auch die Patengesetze den systemimmanenten Schranken, die ihnen durch die Verfassung, die öffentlichen Schranken, die öffentliche Ordnung und die guten Sitten gezogen werden247.

2. Wille zur Problemlösung

Die Darstellung der internationalen Diskussion in den verschiedenen Foren hat auf-gezeigt, dass bei denjenigen, die eine Problematik anerkennen, auch der Wille be-steht, diesen Konflikt zu beseitigen. Es wird nach Wegen gesucht, wie die beiden Regelwerke in einer sich wechselseitig unterstützenden Art und Weise implemen-tiert werden könnten248. Dies ergibt sich aus der Erklärung der vierten Ministerkonferenz der WTO in Doha, welche dem TRIPS-Rat das unmissverständ-liche Mandat erteilte, das Verhältnis von CBD und TRIPS-Abkommen zu untersu-chen249. Dieser Wille manifestiert sich zudem in den dargestellten intensiven Bemü-hungen der WIPO und der Conference of the Parties der Biodiversitätskonvention. Dieselbe Bereitschaft, die Problematik einer konstruktiven Lösung zuzuführen, zei-gen schliesslich auch die dargestellten regionalen und nationalen Bestrebungen, nicht zuletzt die Bemühungen der Schweiz.

B. Konkreter Ansatzpunkt: neue Offenlegungspflichten

Exemplarisch für den Weg, welcher bei diesen gegenwärtigen Bemühungen von der internationalen Staatengemeinschaft verfolgt wird, ist ohne Zweifel die zweite Ein-ladung der CBD an die Adresse die WIPO250. Mit dieser wurde, wie gesehen, die WIPO gebeten, die Frage der Wechselbeziehung zwischen dem Zugang zu geneti- 246 Vgl. Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 21.2.1995,

"Pflanzenzellen/PLANT GENETIC SYSTEM", GRUR Int. 1995, 978 ff. (979. Ziff. 18.1 ff.). 247 STRAUS, Optionen bei der Umsetzung, S. 29. 248 Joint Communication from the African Group, to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual

Property Rights, 26. Juni 2003, WTO Doc.: IP/C/W/404, S. 3: "Both the TRIPS Agreement and the Convention on Biological Diversity as well as the International Treaty on Plant Genetic Resources should be implemented in a mutually supportive and consistent manner."

249 Ministerial Declaration, Ministerial Conference of the World Trade Organization (WTO), Fourth Session, Doha, 2001, (WT/MIN(01)/DEC/1).

250 Patent Disclosure Requirements Relating to Genetic Resources and Traditional Knowledge: Update, 15. Oktober 2004, WIPO Doc.: WIPO/GRTKF/IC/7/10, S. 3, Par. 7; vgl. auch oben § 2, C., 6.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 94

schen Ressourcen und Offenlegungspflichten bei Patentanmeldungen zu untersu-chen.

Diese Einladung, die Diskussionen im TRIPS-Rat, die Beschlüsse der COP der Bi-odiversitätskonvention, der regionale Lösungsansatz der Europäischen Union und der konkrete Vorschlag der Schweiz zeigen auf, dass die Stossrichtung zur Beseiti-gung des Konflikts zwischen den beiden Regelwerken in allen Gremien in dieselbe Richtung geht: Zur Debatte steht die Einführung von Offenlegungspflichten bei der Patentanmeldung, welche die Einhaltung der relevanten Zugangs- und Vorteilsaus-gleichsbestimmungen sicherstellen sollen. Nicht mehr ernsthaft diskutiert wird eine pauschale Einschränkung des Patentschutzes für genetische Erfindungen.

Es muss jedoch auch konstatiert werden, dass bis dato kein Konsens gefunden wer-den konnte zur Frage, welchen Umfang und welche Ausgestaltung diese neuen Pflichten haben sollen. Dies hat die Darstellung des Diskussionsstands klar aufge-zeigt. Die Grundidee aller Ansätze ist zwar überall dieselbe: vom Anmelder soll verlangt werden können, dass er Informationen über seine Erfindung offenlegt. Diese Informationen sollen nicht nur wie bisher die Prüfung der Erfindung hin-sichtlich der Erfüllung der drei substantiellen Patentierungsvoraussetzungen einer Erfindung (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit) zulassen, sondern neu auch die Prüfung der Frage, ob der Erfinder sich konform zu den Vor-gaben der Biodiversitätskonvention verhalten hat, bzw. konform zu den nationalen Umsetzungsgesetzen derselben. Unterschiedlich sind jedoch die Wünsche und Vor-stellungen hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltungen dieser Pflicht. Dabei diver-gieren die Ideen hauptsächlich zur Frage des Umfangs der neuen Offenlegungs-pflichten sowie zur Frage der Konsequenzen der Nichteinhaltung derselben.

1. Umfang der Verpflichtung

Es existieren zwei Grundkonzepte zum Umfang der Verpflichtung: Die eine Vari-ante verlangt als Minimal-Lösung lediglich die Angabe der Quelle der genetischen Ressource. Das zweite Modell geht weiter und verlangt vom Anmelder zusätzlich den Nachweis, dass er alle Vorschriften beim Zugang zur Ressource eingehalten hat.

a) Herkunftsdeklaration (Declaration of Source) als Minimallösung Dieses Konzept verlangt vom Patentanmelder im Sinne einer transparency mea-sure, die Offenlegung der Quelle jeglichen genetischen Materials, welches in der beanspruchten Erfindung verwendet wurde. Der dargelegte Vorschlag der Schweiz kann darunter subsumiert werden.

b) Nachweis des konventionskonformen Zugangs

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 95

Bei diesem zweiten Konzept muss der Anmelder neben der Herkunftsangabe zwei weitere Pflichten erfüllen: Er muss den Nachweis erbringen, dass er die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete und informierte Zustimmung durch die zu-ständige nationale Behörde des Herkunftslandes eingeholt hat (prior informed con-sent - PIC) sowie, dass er mit dem Ursprungsland eine einvernehmliche Regelung über die Aufteilung der Vorteile getroffen hat (mutually agreed terms – MAT).

Diese weitergehenden Offenlegungspflichten werden vor allem von den Geberlän-dern in Afrika, in Mittel- und Südamerika sowie in Asien gefordert251.

c) Würdigung Es ist augenscheinlich, dass beide Varianten zur Transparenz beitragen. Allerdings wird es bei der blossen Herkunftsdeklaration letztlich der betroffenen Interessen-gruppe überlassen, zu überprüfen, ob der deklarierte Zugang zur genetischen Res-source auch konventionskonform erfolgt ist oder nicht. Bei der Nachweisvariante hingegen wird effektiv sichergestellt, dass der Erfinder sich bei der Ressourcenbe-schaffung konventionskonform verhalten hat.

Auf dem Weg die beiden Regelwerke in einer sich wechselseitig unterstützenden Art und Weise zu implementieren ist nach der hier vertretenen Auffassung der Nachweisvariante der Vorzug zu geben. Nur mit ihr kann das Patentrecht effizient die Ziele der CBD unterstützen.

2. Konsequenzen der Nichteinhaltung

Bezüglich der rechtlichen Ausgestaltung der Konsequenzen der Nichteinhaltung neuer Offenlegungserfordernisse müssen drei verschiedene Modelle unterschieden werden:

Gemäss dem ersten radikalen Modell, portiert von den Ursprungsländern geneti-scher Ressourcen, sind die Offenlegungspflichten so zu formulieren und in die Pa-tentgesetze zu implementieren, dass die Einhaltung der neuen Erfordernisse condi-tio sine qua non für die Patenterteilung ist. Die Erfüllung der Offenlegungspflichten würde gemäss diesem Ansatz zu den sogenannten substantive patent requirements oder conditions to patentability gehören.

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die neuen Pflichten als formelle Patentie-rungserfordernisse auszugestalten. Das hiesse, dass die Einhaltung der Pflicht zwar verbindlich vorgeschrieben wäre, die Nichteinhaltung der Vorschrift jedoch weni-

251 Exemplarisch dazu Submission by Bolivia, Brazil, Cuba, Dominican Republic, Ecuador, India, Peru,

Thailand, Venezuela to the Council for Trade-Related Apects of Intellectual Property Rights of the WTO, 24. Juni 2003, WTO Doc.: IP/C/W/403, S. 1.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 96

ger gravierende Konsequenzen hätte, als beim ersten Modell. Die Konsequenzen lägen jedoch immer noch innerhalb des Patentrechts.

Eine dritte Möglichkeit ist die Ausgestaltung der Offenlegungspflicht als Pflicht, deren Verletzung keinerlei Konsequenzen innerhalb des Patentrechts hätte, sondern lediglich durch Normen ausserhalb des Immaterialgüterrechts sanktioniert würde.

Diese drei Möglichkeiten sind nachfolgend näher zu erörtern.

a) Implementierung der Offenlegungserfordernisse als substantielle Vorausset-zungen für eine Patenterteilung

Nicht von ungefähr kommt die Forderung nach verbindlichen Offenlegungspflich-ten, welche als substantielle Patentierungsvoraussetzungen fungieren, vor allem von Ländern mit grosser intakter biologischer Vielfalt. Diese Länder wollen verständli-cherweise sicherstellen, dass keine immaterialgüterrechtlichen Ausschlussrechte gewährt werden, ohne dass ihre Zugangsrechte und ihre Vorteilsausgleichsvor-schriften respektiert werden. Dabei versprechen sie sich die beste compliance der kommerziellen Nutzer genetischer Ressourcen, wenn weltweit klar ist, dass geistige Eigentumsrechte für Erfindungen, die auf solchen Ressourcen basieren, nur erteilt werden, wenn der Anmelder seinen Offenlegungspflichten nachkommt. Die Forde-rung diese Länder ist deshalb, die Einführung der Offenlegungspflichten als neue materielle Patentierungsvoraussetzungen.

Diese Form der Implementierung würde die Erteilung des Patents für eine solche Erfindung vom Nachweis der berechtigten Nutzung der genetischen Ressourcen abhängig machen. Die Einhaltung der Offenlegungspflichten wäre in diesem Fall von den Patentämtern im Rahmen der Sachprüfung zu kontrollieren. Zudem be-stünde für Dritte auch noch nach der Patenterteilung die Möglichkeit, mit rechtli-chen Instrumenten vom Erfinder CBD-konformes Verhalten einzufordern252.

Es ist klar, dass die sachliche Kontrolle der Einhaltung des konventionskonformen Zugangs durch die Patentämter von den Geberländern begrüsst würde. Auch wäre unzweifelhaft die Klage- oder Einspruchsmöglichkeit dieser Länder, sollten sie erst später von einer Missachtung ihrer Ressourcenrechte erfahren, ein gewichtiges In-strument in den Händen der Geberländer, um ihren Ansprüchen Gehör zu verschaf-fen.

Ein Beispiel für eine solche Regelung ist das neue Patentrecht der Länder des An-denpakts. Wie dargestellt, wurde dort das Immaterialgüterrecht nicht nur mit neuen

252 Dies zumindest dann, wenn die Offenlegungspflichten insofern als klassische materielle

Voraussetzungen der Patentierbarkeit implementiert werden, bei deren Nichteinhaltung Dritte mit einem Einspruch gegen das Patent oder mit einer Nichtigkeitsklage gegen den Patentinhaber vorgehen können.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 97

Offenlegungspflichten ausgestattet, sondern deren Nichteinhaltung wurde gleich-zeitig mit der Verweigerung der Patenterteilung sanktioniert: Artikel 3 dieses Re-gimes stellt klar, dass Patente für Erfindungen, welche auf der Basis von geneti-schem Material entwickelt worden sind, nur gewährt werden können, sofern beim Zugang internationales und nationales Recht respektiert wurde253.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb die Ursprungsländer ge-netischer Ressourcen Bolivien, Brasilien, Kuba, Dominikanische Republik, Ecua-dor, Indien, Peru, Thailand und Venezuela in ihrer Eingabe an den TRIPS-Rat254 die gemeinsame Forderung erhoben haben, es müsse den Mitgliedstaaten erlaubt sein, bei einer Patentanmeldung vom Anmelder im Sinne materieller Patentierungs-voraussetzungen die Offenlegung der Quelle, den Nachweis der eingeholten infor-mierten Zugangszustimmung sowie den Nachweis einer einvernehmlichen Rege-lung betreffend Vorteilsausgleich zu verlangen255. Dieser Vorschlag kombiniert den maximalen Umfang der Offenlegungspflicht mit den grösstmöglichen Konsequen-zen. Für ein Land, das von der Missachtung seiner Ressourcenrechte bedroht ist, stellt diese Kombination die wünschenswerteste Lösung dar.

b) Implementierung formeller Offenlegungspflichten Die oben dargelegte Forderung der Ursprungsländer, die Offenlegungspflichten als substantielle, materielle Patentierungsvoraussetzungen einzuführen, traf von Anfang an auf den Widerstand der Industrienationen. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union sahen vorerst keine Möglichkeit, solche substantiellen Offenlegungspflichten einzuführen. Die USA erklärten zur Begründung, es seien grundsätzlich keine neuen Pflichten notwendig; die EU erklärte, die Idee neuer Offenlegungspflichten sei zwar prüfenswert, die Konsequenzen der Nichteinhaltung

253 Art.3 der Decision 486 by the Commission of the Cartagena Agreement, "Common System on

Intellectual Property Rights" vom 14.9.2000 hat folgenden englischen Wortlaut: "The Member Countries shall ensure that the protection granted to intellectual property elements shall be accorded while safeguarding and respecting their biological and genetic heritage, together with the traditional knowledge of their indigenous, African American, or local communities. As a result, the granting of patents on inventions that have been developed on the basis of material obtained from that heritage or that knowledge shall be subordinated to the acquisition of that material in accordance with international, Andean Community, and national law."

254 Submission by Bolivia, Brazil, Cuba, Dominican Republic, Ecuador, India, Peru, Thailand, Venezuela to the Council for Trade-Related Apects of Intellectual Property Rights of the WTO, 24. Juni 2003, WTO Doc.: IP/C/W/403, S. 1.

255 Vgl. A.a.O., S. 6, Par. 21:"Amendments to the TRIPS Agreement to include an obligation to disclose the origin of genetic resources and associated traditional knowledge and to provide evidence of PIC and fair and equitable benefit sharing are imperative to implement the TRIPS Agreement and the CBD in a mutually supportive and complementary way. This obligation would ensure transparency as regards the origin of biological materials that are used in the patent claim, as well as make the CBD provisions on PIC and fair and equitable benefit sharing more effective."

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 98

müssten jedoch klarerweise ausserhalb des Patentrechts liegen256.

Die Darstellung der Entwicklung der internationalen Diskussion hat gezeigt, dass sich die Situation seit diesen ersten Stellungnahmen verändert hat. Einige Industrie-nationen sind nicht mehr bloss bereit, anzuerkennen, dass es notwendig ist, nach Wegen zu suchen, wie die beiden Regelwerke TRIPS-Abkommen und Biodiversi-tätskonvention in einer sich wechselseitig unterstützenden Art und Weise imple-mentiert werden können. Sie können sich zwischenzeitlich durchaus vorstellen, zu-mindest Offenlegungspflichten formeller Natur in die Patentgesetze einzuarbeiten. Formeller Natur in dem Sinne, dass die Nichteinhaltung der neuen Offenlegungs-pflichten keinen Widerrufs- oder Einspruchsgrund gegen das Patent darstellen würde, die Konsequenzen eines Verstosses gegen die Vorschriften jedoch innerhalb des Patentrechts lägen257.

(1) Offenlegungspflichten formeller Natur im Vorschlag der Schweiz Eindrucksvolles Zeugnis dieser Entwicklung ist das Vorgehen der Schweiz. Sie ver-sucht einerseits im Rahmen der internationalen Debatte mit ihrem Vorschlag zur Abänderung der Ausführungsordnung des Patent Cooperation Treaty Hindernisse für die Einführung eines Offenlegungserfordernisses auf nationaler Ebene auszu-räumen. Andererseits hat die Schweiz auf nationaler Ebene einen Entwurf in die Vernehmlassung gegeben, welcher den internationalen Vorstoss für das schweizeri-sche Patentrecht umsetzen will. Der erläuternde Bericht zu diesem Entwurf hält fest, dass dieses Erfordernis im Bereich der Access and Benefit-sharing-Problema-tik grössere Transparenz schaffen würde. Gemäss dem Bericht soll diese Transpa-renz im Anwendungsbereich der CBD insbesondere die Überprüfung erlauben, ob die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung der Vertragspartei vorliegt, welche die genetischen Ressourcen zur Verfügung stellt, und Vorkehrun-gen für die Aufteilung der sich allenfalls aus der künftigen kommerziellen und sonstigen Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile getroffen wurden258. Diese schweizerische Offenlegungspflicht sieht vor, dass der Anmelder innerhalb von 30 Monaten nach dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum Angaben über die Quelle einzureichen hat. Ist dem Erfinder oder dem Patentanmelder die Quelle der

256 Zur Erinnerung: die EU erklärte in ihrer Stellungnahme zuhanden des TRIPS-Rats vom 17. Oktober

2002 noch folgendes: "Under such a system, the information to be provided by patent applicants should be limited to information on the geographic origin of genetic resources or TK used in the invention, while such a disclosure requirement should not act, de facto or de jure, as an additional formal or substantial patentability criterion. Legal consequences to the non-respect of the requirement should lie outside the ambit of patent law." vgl. oben § 2, A., 4.

257 Zur Terminologie vgl. oben § 5, C., 2. 258 Erläuternder Bericht zu Änderungen im Patentrecht vom 7. Juni 2004, S. 86.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 99

fraglichen genetischen Ressource bzw. des traditionellen Wissens nicht bekannt, so hat er eine entsprechende Erklärung abzugeben259. Enthält die Patentanmeldung keine Erklärung über die Quelle der genetischen Ressource, so wird dem Patentan-melder eine Frist zur Behebung dieses Mangels angesetzt. Bei unbenutztem Frist-ablauf würde das Patentgesuch zurückgewiesen.

Formeller Natur im Sinne der dargelegten Terminologie ist der Vorschlag somit deshalb, weil die neuen Pflichten als Teil der formellen Vorgaben der Patentanmel-dung eingeführt würden, und somit ein Verstoss nicht als Widerrufs- oder Ein-spruchsgrund vorgebracht werden könnte260. Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass zur Frage, welcher Natur die Pflicht zur Offenlegung der Quelle ist, in der Li-teratur auch ausgeführt wird, dass, auch wenn diese Pflicht als formelles Erfordernis ausgestaltet sei, dieses Erfordernis derart eng mit der materiellen Frage nach dem Patentberechtigten verknüpft sei, dass gar nicht mehr von einem formellen Erfor-dernis gesprochen werden könnte261.

(2) Formelle Offenlegungspflichten in der Europäischen Union Die Europäische Union erklärte ursprünglich, dass sie sich nicht vorstellen könne, formelle Offenlegungspflichten einzuführen. Erst die Verabschiedung der Bonn Guidelines hat jedoch eine Kehrtwende der EU bewirkt. In der Stellungnahme zur Frage neuer Offenlegungspflichten vom 17. Dezember 2004 (zuhanden der WIPO) befürwortete die EU neu die Einführung einer obligatorischen Verpflichtung zur Offenlegung des Herkunftslandes oder der Quelle der genetischen Ressource bei der Patentanmeldung. Diese Anforderung sollte für alle internationalen, regionalen und nationalen Patentanfragen gelten und dies jeweils zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Als Konsequenz für die Nichteinhaltung sähe der neue Ansatz der EU vor, dass die Patentanmeldung nicht weiter behandelt wird, sofern der Anmelder dieses Erforder-nis missachtet und diese Unterlassung trotz der gewährten Möglichkeit zur Nach-besserung andauert. Allerdings wurde auch klargestellt, dass, wenn die angegebene Information nicht korrekt oder unvollständig ist, effektive, verhältnismässige und abschreckende Massnahmen ausserhalb des Patentrechts ins Auge gefasst werden müssten. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten gemäss der Stellungnahme der EU die neuen Pflichten weder die Gültigkeit des erteilten Patentes noch die Durch-setzung des Patentes gegen Verletzer des Ausschlussrechtes tangieren. Dieser Vor-

259 Damit soll verhindert werden, dass in denjenigen Ausnahmefällen, in denen der Patentanmelder die

Quelle nicht kennt, das Patent aufgrund dieses Nichtbekanntseins verwehrt bleibt. 260 Vgl. Art. 101 und Art. 26 des Schweizerischen Patentgesetzes. Diese Normen würden bei der geplanten

Revision lediglich redaktionell angepasst. Materiell blieben sie unverändert. 261 Vgl. CURCHOD, S. 14.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 100

schlag wäre somit, sollte er denn umgesetzt werden, ebenso wie der schweizerische Vorschlag, ein klassisches Beispiel für ein sogenanntes formelles Patentierungser-fordernis.

c) Implementierung rein administrativer Offenlegungspflichten Die dritte Möglichkeit, die Nichteinhaltung von Offenlegungspflichten zu sanktio-nieren, ist den Verstoss mit Administrativmassnahmen zu ahnden. Dabei würde die Nichterfüllung der Pflicht keinerlei patentrechtliche Konsequenzen mit sich brin-gen, sondern zeitigte ihre Konsequenzen nur ausserhalb der geistigen Eigentums-rechte.

Ein Beispiel für eine solche Lösung ist das dänische Patentgesetz. Bereits im Jahr 200O trat in Dänemark eine Herkunftsdeklarationsklausel in Kraft. Die "Ministerial Regulation on Patents" erhielt einen neuen Paragraph 3 mit folgendem Wortlaut:

"If an invention concerns or makes use of biological material of vegetable or animal ori-gin, the patent application shall include information on the geographical origin of the mate-rial, if known. If the applicant does not know the geographical origin of the material, this shall be indicated in the application. Lack of information on the geographical origin of the material or on the ignorance hereon does not affect the assessment of the patent application or the validity of the rights resulting from the granted patent."

Der letzte Satz dieses Paragraphen stellt klar, dass die Nichteinhaltung dieser De-klarationspflicht nicht einmal zu einer Verzögerung der Bearbeitung der Patentan-meldung führen würde. Jegliche negativen Konsequenzen bei Nichteinhaltung die-ser Pflicht liegen ausserhalb des Patentrechts262.

3. Begriffliches: Nachweisoption und Veröffentlichungsoption

Terminologisch findet sich für diese unterschiedlichen Optionen bei der Implemen-tierung der neuen Offenlegungspflichten in der Literatur die Unterscheidung zwi-schen Nachweisoption und Veröffentlichungsoption263. Bei dieser Unterscheidung wurde der Blick darauf gerichtet, mit welchen Methoden Offenlegungspflichten das Ziel, die Missachtung von Ressourcenrechten zu verhindern, erreichen können. Die sogenannte Nachweisoption würde dabei vorsehen, die Erteilung des Patents von dem Nachweis der berechtigten Nutzung der entsprechenden genetischen Ressour-cen abhängig zu machen und es wäre die Aufgabe der Patentämter, zu prüfen, ob der Nachweis erbracht ist oder nicht. Diese Option entspricht dem Maximalmodell 262 The Role of Intellectual Property Rigths in Access and Benefit-Sharing Arrangements, including

National and Regional Experiences, 20. Oktober 2003, CBD Doc.: UNEP/CBD/WG-ABS/2/3, Annex B, 2., Par. 23.

263 WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 105.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 101

der Ursprungsländer, welche durch die Kombination von Umfang der Offenle-gungspflicht und Ausgestaltung der Pflicht als substantielles Patentierbarkeitskrite-rium genau dies bewirken wollen.

Der in der Literatur beschriebenen Veröffentlichungsoption liegt die Idee zugrunde, dass im Anmeldeverfahren lediglich die Veröffentlichung der Quelle erreicht wer-den soll und dass keinerlei materielle Prüfung durch das Patentamt stattfinden soll. Es wäre nach dieser Option vielmehr Sache der Öffentlichkeit bzw. interessierter Ressourcenrechtsinhaber, aufgrund der veröffentlichten Angaben selbst zu prüfen, ob ihre Rechte gewahrt sind.

Unbestreitbar lehnt sich das dargelegte europäische Modell an die Idee der Veröf-fentlichungsoption an: Deutlich zum Ausdruck kommt dies beim bereits ausgear-beiteten Schweizerischen Vorschlag, wenn von transparency measures die Rede ist. Aber auch der aktuellste Vorschlag der EU geht klar in diese Richtung.

Es macht deshalb Sinn, im Rahmen dieser Arbeit keine neuen Begriffe einzuführen, sondern auf die bestehenden zurückzugreifen. Das dargelegte Maximalmodell der Ursprungsländer wird deshalb nachfolgend begrifflich als Nachweisoption bezeich-net, der Kompromissvorschlag der Europäer als Veröffentlichungsoption.

4. Zwischenergebnis

Der Lösungsansatz, die Ziele der Biodiversitätskonvention durch neue Offenle-gungspflichten im Patentrecht zu unterstützen, kann auf verschiedene Art und Weise umgesetzt werden. Die Umsetzung unterscheidet sich hinsichtlich des Um-fangs der Pflichten, die dem Anmelder auferlegt werden und hinsichtlich der Kon-sequenzen bei Nichteinhaltung. Die Ursprungsländer setzen sich für ein Maximal-modell (Nachweisoption) ein. Sie verlangen möglichst breite Offenlegungspflichten und möglichst schwerwiegende Konsequenzen: verlangt wird neben der Angabe der Herkunft auch der Nachweis gesetzeskonformen Zugangs. Dabei sollen diese Be-stimmungen als substantielle Patentierungsvoraussetzungen ausgestaltet sein.

Die europäischen Industrieländer setzen sich für weniger umfangreiche Pflichten ein. Es soll vom Patentanmelder lediglich die Herkunftsangabe der Quelle verlangt werden (Veröffentlichungsoption). Zudem sollen diese Pflichten nur als formelle Patentierungsvoraussetzungen fungieren. Mit dieser "europäischen" Lösung haben diejenigen Industriestaaten, die sie unterstützen, einen Schritt auf die Ursprungslän-der zu gemacht. Die ursprüngliche Haltung, welche jegliche Sanktion nur ausser-halb des Patentrechts zulassen wollte, wurde damit zwar aufgegeben, ganz auf die Linie der Ursprungsländer wurde jedoch nicht umgeschwenkt.

Es kann offen bleiben, welcher dieser beiden Möglichkeiten zur Ausgestaltung

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 102

neuer Offenlegungserfordernisse der Vorzug zu geben ist. Interessant ist jedoch, zu prüfen, ob die TRIPS-Bestimmungen diese beiden Lösungsansätze zulassen oder nicht.

Nach der hier vertretenen Auffassung sollte die Implementierung reiner Administ-rativmassnahmen nicht weiter verfolgt werden. Dies aufgrund folgender Überle-gung: Wenn sämtliche Konsequenzen und Sanktionen der Nichteinhaltung einer Offenlegungspflicht ausserhalb des Patentrechts liegen, ist nicht einsehbar, weshalb dieses Institut überhaupt beigezogen werden soll. Massnahmen dieser Art können mit der gleichen Effektivität auch bei der Zulassung der kommerziellen Nutzung genetischer Ressourcen eingeführt werden.

Die Stärke der Idee der Implementierung neuer Offenlegungspflichten im Patent-recht liegt aber gerade darin, dass es einerseits zur Essenz des Patentrechts gehört, Transparenz zu schaffen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gemein-wohl, und dass es andererseits für jede kommerzielle Nutzungsabsicht einen gros-sen Anreiz darstellt, die Zugangs- und Beteiligungsvorschriften des Geberlandes genau einzuhalten, wenn Sanktionen innerhalb des Patentrechts drohen. Denn nie-mand will riskieren, seine geistigen Eigentumsrechte zu verlieren, weil er Ressour-cenrechte missachtet hat.

C. TRIPS - Schranken für neue Offenlegungserfordernisse

1. Allgemeines

Das TRIPS-Abkommen stellt für die Vertragsparteien verbindliche Vorgaben be-züglich der Ausgestaltung des Immaterialgüterrechts auf. Bei der Umsetzung der Ziele der CBD durch die Einführung neuer patentrechtlicher Offenlegungserforder-nisse stellt sich somit zwangsläufig die Frage der Kompatibilität dieses Vorgehens mit dem TRIPS-Abkommen.

Nachfolgend werden deshalb diejenigen Bestimmungen des TRIPS-Abkommens untersucht, die eine Schranke für die Einführung darstellen können. Dies vorerst ohne auf die Frage einzugehen, welche Rolle Art. 27 Abs. 2 TRIPS dabei mögli-cherweise einnehmen kann. Im Kontext dieser Arbeit geht es dabei konkret darum, die beiden erwähnten Modelle (Nachweisoption und Veröffentlichungsoption) auf ihre TRIPS-Kompatibilität hin zu analysieren.

2. Relevante TRIPS Normen

a) Art. 27. Abs. 1 TRIPS Eine mögliche Schranke für neue Offenlegungserfordernisse ist ohne Zweifel Art.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 103

27 Abs. 1 des TRIPS, eine der sogenannten Basisnormen des Abkommens264. Es stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit der beiden Optionen mit dieser Norm.

(1) Nachweisoption Gemäss Art. 27 Abs. 1 TRIPS muss jede Erfindung, die neu ist, eine erfinderische Tätigkeit beinhaltet und gewerblich anwendbar ist, dem Patentschutz zugänglich sein. Zudem muss der Patentschutz grundsätzlich ohne Diskriminierung in Hinblick auf Ort der Erfindung, Gebiet der Technik oder Herstellungsort des zu patentieren-den Produkts gewährt werden265. Diese Vorgaben statuieren ein allgemeines Prinzip der Patentfähigkeit, von dem jede Abweichung als eine Ausnahme anzusehen ist266. Entsprechend werden auch die im Europäischen Patentübereinkommen genannten materiellen Anforderungen, Vorliegen einer Erfindung, Neuheit, erfinderische Tä-tigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit als abschliessend erachtet. Von anderen als diesen gesetzlich vorgesehenen Erfordernissen darf die Patenterteilung nicht abhän-gig gemacht werden.

Diese Vorgaben zeigen, dass neue Offenlegungserfordernisse, welche als Nach-weisoption ausgestaltet würden, klar in Widerspruch stehen zu den konkreten Vor-gaben von Art. 27 Abs. 1 TRIPS. Zusätzliche Erfordernisse scheinen unter der Ägide dieses Basisartikels nur zulässig zu sein, sofern sie keinerlei Auswirkung auf den Massstab der Prüfung der Patentfähigkeit haben.

In diesem Zusammenhang wird auch argumentiert, dass die Art und Weise des Er-halts der genetischen Ressource als äusserer Umstand der Erfindung klarerweise irrelevant für die Beurteilung der Frage sei, ob die angemeldete Erfindung die sub-stantiellen Voraussetzungen der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit, und der ge-werblichen Anwendbarkeit erfülle. Diese Voraussetzungen seien Hürden, welche sich auf die Erfindung als solche beziehen, unabhängig davon, ob bei der Entwick-lung der Erfindung Ressourcenrechte missachtet wurden oder nicht267.

264 Für diese Terminologie vgl. SPRANGER, GRUR 2001, 90. 265 Art. 27 Abs. 1 TRIPS hat folgenden Wortlaut: "Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 werden Patente für

Erfindungen, ob es sich um Erzeugnisse oder Verfahren handelt, auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Vorbehaltlich des Artikels 65 Absatz 4, des Artikels 70 Absatz 8 und des Absatzes 3 erfolgt die Erteilung von Patenten und die Ausübung von Patentrechten unabhängig vom Ort der Erfindung, vom Gebiet der Technik oder davon, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land selber hergestellt werden."

266 VON HAHN, S. 343, m.w.H. 267 Vgl. CARVALHO, Washington University Journal of Law & Policy 2000, 2, 379; VON HAHN, S. 343;

WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 106; zu bemerken ist aber auch, dass SHERMAN, EIPR 2003, (Issue 7), 307 zwar auch auf dieses Problem hinweist, gleichzeitig aber erklärt: "While the hermeneutics of TRIPS is a topic that need further inquiry, it is certainly not as clear cut as some have suggested. In particular it is possible to read TRIPS that it is consistent with the proposals outlined."

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 104

Die von den Ursprungsländern eingeforderte Ausgestaltung der neuen Erfordernisse als Nachweisoption ist somit unter dem Gesichtspunkt dieser Vorgaben von Art. 27 Abs. 1 TRIPS nicht TRIPS-konform268.

(2) Veröffentlichungsoption Es stellt sich die Frage, ob eine Ausgestaltung der zusätzlichen Offenlegungserfor-dernisse in der Form der Veröffentlichungsoption unter Art. 27 Abs. 1 TRIPS un-problematisch wäre.

Bei der Veröffentlichungsoption werden keine neuen substantiellen Erfordernisse geschaffen. Es wird zum Zweck der Transparenz vom Anmelder im Sinne einer Formalität verlangt, dass er die Herkunft der genetischen Ressource angibt. Ein sol-ches Erfordernis steht nach der hier vertretenen Auffassung nicht im Widerspruch zu Art. 27 Abs. 1 TRIPS. Denn die Ausgestaltung des Erfordernisses als Formalität tangiert die Patentfähigkeit der Erfindung nicht und fällt somit nicht unter diesen Aspekt des Regelungsbereichs von Art 27 Abs. 1 TRIPS.

Bezüglich der Veröffentlichungsoption stellt sich jedoch aufgrund des Diskriminie-rungsverbots von Art. 27 Absatz 1 Satz 2 TRIPS die konkrete Frage, ob es zulässig ist, für eine spezifische Kategorie von Erfindungen zusätzliche Hürden formeller Natur aufzustellen, welche für andere Erfindungen nicht gelten. In der Literatur wird die Meinung vertreten, neue Offenlegungspflichten in der Form der Veröf-fentlichungsoption würden de facto nur für Erfindungen auf dem Gebiet der Biolo-gie gelte. Diese würden deshalb eine unzulässige Diskriminierung dieses Gebiets der Technik gegenüber anderen Gebieten darstellen269. Es findet sich zu dieser Frage aber auch die Meinung, dass das Prinzip der Nicht-Diskriminierung nicht verletzt sei, wenn die Unterscheidung sachlich begründet ist. Argumentiert wird, dass wenn die Natur der Erfindung spezielle Massnahmen verlange, wie es bei-spielsweise der Fall sei bei der Patentierung von Mikroorganismen, welche zur Of-fenbarung hinterlegt werden müssen, eine unterschiedliche Behandlung keineswegs

268 In diese Richtung ging auch die oben schon dargelegte Stellungnahme der Europäischen Union vom 17.

Oktober 2002 zuhanden des TRIPS-Rats: "Substantive patentability criteria are set out in Article 27.1 of the TRIPS Agreement, while Article 29 lays down obligations that can or must be imposed on the patent-holder in order to check whether the patentability criteria are met. Compatibility with TRIPS depends on the consequences arising from non-compliance. Thus, the concept of making the patentability of an invention subject to the respect of a requirement to disclose the geographical origin of genetic resources used in the invention (in cases where this information is not required under Article 29.1 TRIPS) or of a requirement to provide evidence of the access and benefit-sharing rules constitutes a clear step beyond the current provisions of the TRIPS Agreement."; vgl. auch Communication from the European Communities and their Member States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 17. Oktober 2002, WTO Doc.: IP/C/W/383, S. 10.

269 VON HAHN, S. 343.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 105

diskriminierend sei. Ähnlich verhalte es sich auch bei der Patentierung biologischer Ressourcen, bei welchen die besonderen Umstände der Ressourcenrechte es sach-lich rechtfertigen, zu verlangen, dass zusätzliche Offenlegungserfordernisse zu er-füllen seien270.

Dieser Auslegung des Diskriminierungsverbots ist klar der Vorzug zu geben, denn nach der hier vertretenen Auffassung ist die Ungleichbehandlung von Erfindungen, welche auf genetischen Ressourcen basieren, sachlich gerechtfertigt. Sie verstösst deshalb nicht prinzipiell gegen den zweiten Satz von Art. 27 Abs.1 TRIPS.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Art. 27 Abs. 1 TRIPS der Ein-führung neuer Offenlegungspflichten in der Form der Veröffentlichungsoption nicht entgegensteht.

b) Art 62 TRIPS Gemäss Art. 62 TRIPS sind die Mitgliedstaaten der WTO befugt, als Voraussetzung für den Erwerb der geistigen Eigentumsrechte die Beachtung angemessener Verfah-ren und Förmlichkeiten vorzuschreiben. Solche Verfahren und Förmlichkeiten müs-sen mit den Bestimmungen des Abkommens im Einklang stehen.

Unbestreitbar ist die Veröffentlichungsoption von dieser Bestimmung erfasst. Es stellt sich hier konkret die Frage, ob die Pflicht zur Angabe der Herkunft der geneti-schen Ressource bei der Patentanmeldung eine angemessene Formalität im Sinne dieser Bestimmung ist oder nicht.

Zu dieser Frage wird zum einen im Schrifttum vorgebracht, ein formelles Her-kunftsdeklarationserfordernis könnte auch eine Behinderung des Rechtsanspruchs auf Patenterteilung darstellen271. Dieses Argument überzeugt nicht, denn es ist klar, dass jede formelle Pflicht, die der Anmelder zu erfüllen hat, in einem gewissen Sinne eine Behinderung seines Rechtsanspruchs darstellen kann.

Überzeugender erscheint die Überlegung, dass aufgrund des Verweises in Art. 62 TRIPS auf die anderen Bestimmungen des Abkommens, diese Norm so ver-standen werden müsse, dass das Patenterteilungsverfahren sich an den in Art. 27 Abs. 1 TRIPS abschliessend aufgeführten Patentvoraussetzungen orientieren müsse und in engerem Sinn nur der Prüfung dieser Voraussetzungen dienen dürfe272.

270 Vgl. dazu DHAR/ANURADHA, The Journal of World Intellectual Property 2004, 7(5), 613, welcher

zudem ausführt: "It is an established principle of interpretation that treating dissimilar fields of technologies differently will not be contrary to the non-discrimination principle".

271 VON HAHN, S. 345. 272 WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 106.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 106

Angemessene formelle Voraussetzungen wären demnach nur diejenigen, welche für die Patentbehörden notwendig sind, um die Frage prüfen zu können, ob die sub-stantiellen Patentierungsvoraussetzungen bei der eingereichten Patentanmeldung erfüllt sind. Zulässig wäre daneben einzig eine Gebührenpflicht273.

Dem entgegengehalten wird die Auffassung, dass es aufgrund der Besonderheiten der Nutzung genetischer Ressourcen und aufgrund der klaren Vorgaben der CBD angemessen, angezeigt und notwendig sei, solche Offenlegungspflichten einzufüh-ren. Dies auch um schwierige und komplizierte rechtliche Auseinandersetzungen bei Fällen, in denen Ressourcenrechte missachtet wurden, zu verhindern274.

Es kann deshalb festgehalten werden, dass den formellen Plänen der Schweiz und der Europäischen Union möglicherweise auch das Argument eines Verstosses ge-gen Art. 62 Abs. 1 TRIPS entgegengehalten wird.

c) Art. 29 TRIPS Gemäss Art. 29 Abs. 1 TRIPS können die Mitglieder der WTO vom Anmelder ei-nes Patents verlangen, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass eine Fachperson sie ausführen kann. Die Pflicht zur Offenbarung ist Teil des Sys-tems des Patentrechts: Das Ausschliessungsrecht, welches das Patent für eine be-schränkte Dauer gewährt, bildet die Gegenleistung für die Offenbarung der Erfin-dung durch den Patentanmelder. Die Offenbarung ermöglicht es der Allgemeinheit, die technische Lehre nach Ablauf des Patents frei und unentgeltlich zu nutzen. In diesem Sinne ist die Offenbarung der Erfindung die wesentliche Obliegenheit der Erfindung. Ohne sie verdient der Erfinder kein Patent, und er verdient das Patent nur im Umfang des Offenbarten275.

In der technischen Studie der WIPO wurde in diesem Kontext explizit angemerkt, dass Transparenz und Offenlegung zur Essenz des Patentrechts gehören würde. Das Patentrecht habe Standards für die Offenlegung entwickelt, welche auf dem rechtli-chen Fundament des Patentrechts beruhen würden276. Es muss somit überprüft wer-den, ob Art. 29 TRIPS, welcher diese Offenbarung ermöglicht, eine Grundlage für die neuen Offenlegungserfordernisse sein kann.

273 CARVALHO, Washington University Journal of Law & Policy 2000, 2, 382, welcher diese Position auch

auf die Entstehungsgeschichte von Art. 62 TRIPS abstützt. 274 User Measures, Options for Developing Measures in User Countries to Implement the Access and

Benefit-Sharing Provisions of the Convention on Biological Diversity, S. 32. 275 HEINRICH, N. 50.01. 276 Technical Study on Disclosure Requirements in Patent Systems Related to Genetic Resources and

Traditional Knowledge, 9. Februar 2004, WIPO Doc.: UNEP/CBD/COP/7/INF/17 (Draft circulated at 7th Meeting of the COP of the CBD), S. 65.

§ 6 Echter völkervertraglicher Normenkonflikt? 107

Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Umfang der Offenbarungsverpflich-tung durch den Wortlaut von Art. 29 TRIPS klar eingeschränkt. Art. 29 TRIPS er-möglicht es den Mitgliedern der WTO, vom Anmelder eines Patents zu verlangen, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass eine Fachperson sie ausführen kann. Die Stossrichtung und der Zweck dieser Pflicht liegen unbestreitbar darin, mit der Offenbarungspflicht sicherzustellen, dass die Erfindung ausgeführt werden kann, auch ohne die Kenntnisse des Erfinders. Die Angabe der Herkunft der genetischen Ressource oder der Nachweis der Respektierung der Ressourcenrechte wird jedoch aufgrund der Doppelstruktur der genetischen Ressourcen regelmässig nicht Voraussetzung der Ausführung der Erfindung sein. Dies deshalb, weil bei der Nutzung genetischer Ressourcen aufgrund der neuen Technik zukünftig nicht die Nutzung des physischen biologischen Materials im Vordergrund stehen wird, son-dern die in der DNA des biologischen Materials enthaltene Erbinformation. Diese ist heute, sobald sie aus einer seltenen Pflanze isoliert ist, beliebig vervielfältigbar.

Art. 29 TRIPS kann somit aufgrund seines Wortlauts nur für diejenigen Erfindun-gen, bei welchen die Kenntnis der Herkunft der Ressource unabdingbare Vorausset-zung der Ausführung der Erfindung ist, eine Grundlage für Offenlegungserforder-nisse sein.

Dies bedeutet, dass Art. 29 TRIPS für keine der beiden Optionen eine genügende Grundlage darstellt.

D. Fazit: Echter Normenkonflikt

Sofern Art. 27 Abs. 1 TRIPS tatsächlich der Einführung neuer materieller Offenle-gungspflichten in der Form der Nachweisoption entgegensteht und Art. 62 Abs. 1 TRIPS die Einführung neuer formelle Pflichten, wie bspw. die von der Schweiz geplante Verpflichtung zur Quellenangabe, verbietet, stellt sich die Frage, ob zwi-schen CBD und TRIPS-Abkommen ein echter völkervertragsrechtlicher Normen-konflikt besteht.

Einem echten Normenkonflikt liegt die Situation zugrunde, dass eine Norm eine Verpflichtung auferlegt, die mit der Verpflichtung aus der anderen Norm unverein-bar ist, sodass die Beachtung einer Norm notwendigerweise die Verletzung der an-deren beinhaltet277.

In casu statuiert Art. 15 CBD nicht nur explizit die Souveränität der Staaten bezüg-lich der genetischen Ressourcen auf ihrem Hoheitsgebiet, sondern gibt gleichzeitig

277 MATZ, S. 11.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 108

vor, welche Bedingungen die Herkunftsländer für einen sogenannten konventions-gemässen Zugang einfordern können. Aufgrund des Umstandes dass genetische Ressourcen auf der einen Seite physisches, biologisches Material darstellen und auf der anderen Seite Träger vervielfältigbarer Erbinformationen sind, ergibt sich bei dieser Regelung des Zugangs ein besonderes Problem: der wirtschaftliche Wert von genetischen Ressourcen liegt aufgrund der Entwicklung der Biotechnologie weniger im biologischen Material selber, als in der immateriellen genetischen Information. Entsprechend werden der Zugang und die Nutzung der genetischen Ressource nicht nur durch nationale Zugangsvorschriften kontrolliert, sondern auch durch geistige Eigentumsrechte. Dies hat nach der hier vertretenen Auffassung die Konsequenz, dass die in Art. 15 CBD statuierte Befugnis der Staaten, den Zugang zu ihren natür-lichen genetischen Ressourcen zu bestimmen, solange nicht effektiv umzusetzen ist, als dass die vorbehaltlose Einhaltung der Zugangsrechte bei der Erteilung von geis-tigen Eigentumsrechten nicht gewährleistet ist278.

Sollte somit die Einführung neuer Offenlegungserfordernisse tatsächlich gegen das TRIPS-Abkommen verstossen, so verunmöglicht dieses die effektive Umsetzung der CBD-Vorgaben und es darf durchaus von einem echten völkervertraglichen Normenkonflikt gesprochen werden.

278 Vorstellbar ist, dass einem Staat die Nutzung seiner eigenen genetischen Ressourcen, für die er den

Zugang nie freigegeben, durch ein Patent verwehrt wird. Dies ist dann der Fall, wenn der Erfinder die nationalen Zugangsvorschriften missachtet hat und in der Folge für seine Erfindung, welche auf der konventionswidrig erhaltenen Ressource basiert, ein Patent erhält.

§ 7 Koordination von TRIPS und CBD durch harmonisierende Auslegung 109

§ 7 Koordination von TRIPS und CBD durch harmonisierende Auslegung

A. Revision des TRIPS-Abkommens

Sollte dieser Nomenkonflikt unauflösbar sein, wäre wohl der Weg, mittels neuer Offenlegungspflichten die beiden Regelwerke TRIPS und CBD in einer sich wech-selseitig unterstützenden Art und Weise zu implementieren blockiert, solange nicht ein breiter internationaler Konsens zustande kommt, dass es sinnvoll und angemes-sen wäre, international verbindliche neue Offenlegungspflichten zumindest in der Form der Veröffentlichungsoption einzuführen. Diesfalls käme unter Umständen auch eine inhaltliche Revision von TRIPS in Betracht. Es verhält sich nun aber so, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer Stellungnahme zuhanden der WIPO vom 17. Dezember 2004 gegen jede Form neuer Offenlegungspflichten aus-gesprochen haben279. Auch ist der konkrete Vorschlag der Schweiz bereits auf Widerstand gestossen. In der Eingabe zuhanden des TRIPS-Rats vom 24. Juni 2004 erklären die USA unter anderem unter Bezugnahme auf den Vorschlag der Schweiz, zusätzliche formale Offenbarungserfordernisse würden das sorgfältig balancierte Patent-System gefährden könnten und jeglichem Vorschlag, der im Patentrecht zu Unsicherheiten führen würde, müsse mit grösster Vorsicht begegnet werden280.

Augenscheinlich ist weiter, dass in dieser Situation eine Lösung durch völkerrecht-liche Derogationsregeln zu keinem befriedigenden Resultat führen kann: geht man gestützt auf Art. 30 WVK von einem Vorrang des TRIPS-Abkommens aus, bleibt der Weg, die beiden Regelwerke in einer sich wechselseitig unterstützenden Art und

279 Proposals and Suggestions by the United States of America related to Decision VII/19 of the Conference

of the Parties of the Convention on Biological Diversity, 17.12.2004, S. 1: " ..., new patent disclosure requirements would add new uncertainties in the patent system. Particularly where the sanctions for non-compliance include invalidation of a patent, this would create a "cloud" of uncertainty over the patent right by opening a new avenue for litigation and other uncertainties that would undermine the role of the patent system in promoting innovation and technological development."

280 Neben der generellen Kritik an neuen "disclosure requirements" hielt die USA folgendes fest: " Thus, the Swiss, apparently aware of the shortcomings of a disclosure of source requirement, per se, go so far as to suggest that it be implemented in conjunction with an apparently multilateral system of notification, in which national patent offices would identify and notify points of contact designated to receive such information in other governments. This would be coordinated through an office at WIPO that would create a list of notified contact points for each government. Notwithstanding the complexity of issues surrounding the creation of such a system, including its associated costs and effectiveness, such an apparently multilateral notification system still does not address legal uncertainties in the patent system and consequent negative effects created by a disclosure of source and/or origin requirement nor does it address the fact that an access and benefit-sharing infrastructure in a country is necessary to enable the sharing of such benefits." Vgl. Communication from the United States to the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, 26. November 2004, WTO Doc.: IP/C/W/434, S. 5.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 110

Weise umzusetzen, versperrt281.

B. Koordination durch Auslegung

Ein anderer Ansatz der Konfliktlösung im Völkerrecht liegt darin, einen inhaltli-chen Ausgleich von Normen zu suchen. Dabei soll auf die Beibehaltung grösst-möglichen Anwendungsspielraums besonderen Wert gelegt werden, d.h. ein solcher Ansatz legt nicht von vornherein den Vorrang einer der beiden Regelungen zu las-ten der kollidierenden Norm zugrunde, sondern er versucht zu koordinieren und im Idealfall ein widerspruchsfreies Regelungssystem zu schaffen282.

Ist ein Ausgleich durch inhaltliche Änderung eines der beiden Regelwerke nicht möglich oder politisch nicht realisierbar, so kann möglicherweise die Vertragsaus-legung ein Mittel zur Koordinierung der beiden Verträge sein. Dieser Weg kann durchaus ein geeignetes Mittel sein, kollidierende Abkommen im obenerwähnten Sinne zu koordinieren. Eine Schwierigkeit dieses Vorgehens ist die Problematik, innerhalb der engen Grenzen der Vertragsauslegung einen Anknüpfungspunkt zu finden, durch deren Interpretation sich der Konflikt lösen lässt283.

Im Rahmen dieser Arbeit wird nachfolgend versucht, dem Argument, dass das TRIPS-Abkommen die Einführung neuer Offenlegungspflichten nicht zulässt, eine eigene These entgegengehalten, welche unter anderem diesen Lösungsansatz der Auslegung als Mittel zur Koordinierung von Verträgen aufnimmt.

Diese ist nachfolgend zu entwickeln und darzulegen.

281 Vgl. oben, § 1, E., 4. 282 Vgl für diesen überzeugenden Ansatz: MATZ, S. 239. 283 A.a.O., S. 310.

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied? 111

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied?

A. Schutz der öffentlichen Ordnung als Ansatzpunkt

Bei den vorangegangenen Ausführungen zu möglichen Schranken des TRIPS-Ab-kommens wurde die Rolle und Bedeutung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS noch nicht erörtert. Diese Norm kann jedoch möglicherweise als Ansatzpunkt für eine Koordi-nation der beiden Abkommen fungieren:

Belgien wollte, wie oben bereits dargestellt284, die Nichteinhaltung der Bestimmun-gen der Biodiversitätskonvention mit einer Verweigerung der Patentierbarkeit für die daraus resultierende Erfindung ahnden, indem die Nichteinhaltung der CBD Vorgaben einem Verstoss gegen die öffentliche Ordnung gleichgesetzt worden wäre285.

Es soll deshalb nachfolgend untersucht werden, ob nicht Art. 27 Abs. 2 TRIPS im Sinne einer Ausnahme zu den Schranken des TRIPS-Abkommens Offenlegungs-pflichten als Massnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung zulässt.

B. Inhalt von Art. 27 Abs. 2 TRIPS

Der erste Absatz von Art. 27 TRIPS nennt im Sinne eines Patentierungsgebots die-jenigen positiven Voraussetzungen, deren Erfüllung von einem Patentanmelder verlangt werden dürfen. Daraus wird geschlossen, dass es den WTO Mitgliedstaaten nicht erlaubt ist, zusätzlich zu den materiellen Patentierungsvoraussetzungen (Vor-liegen einer Erfindung, Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwend-barkeit) weitere Voraussetzungen zu vorzusehen286.

Gerne wird übersehen, dass die Vorgaben von Art. 27 Abs. 1 TRIPS unter dem Vorbehalt von Absatz zwei dieser Norm stehen287.Dieser Absatz folgenden Wort-laut:

"Die Mitglieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschliessen, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öf-

284 Vgl. oben, § 3, A., 4. 285 Vgl. für diesen Ansatz auch DOLDER, S. 39 sowie DOLDER, Mitt. 2003, 349 ff. 286 Vgl. STRAUS, Optionen bei der Umsetzung, S. 63. 287 Art. 27 Abs. 1 TRIPS hat folgenden Wortlaut: Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 werden Patente für

Erfindungen, ob es sich um Erzeugnisse oder Verfahren handelt, auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind" (Hervorhebung durch den Verfasser).

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 112

fentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliesslich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt notwendig ist, sofern der Ausschluss nicht allein deshalb vorge-nommen wird, weil das Landesrecht die Verwertung verbietet."

Aufgrund des Wortlauts des Abkommens kann festgehalten werden, dass Art. 27 Abs. 1 TRIPS diejenigen Voraussetzungen nennt, deren Erfüllung von ei-nem Patentanmelder zur Beurteilung der Patentfähigkeit verlangt werden dürfen, dass aber gleichzeitig gestützt auf den Vorbehalt von Art. 27 Abs. 2 TRIPS der Ausschluss von Erfindungen zulässig ist, sofern die Verhinderung der gewerblichen Verwertung der Erfindung zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten notwendig ist.

Diese Ausschlussmöglichkeit gewährt somit explizit die Möglichkeit zum Erlass von Normen, welche den Zweck haben, Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstösst, von der Patentierung auszu-schliessen, selbst wenn die vier substantiellen Patentierungsvoraussetzungen erfüllt sind288. Damit öffnet Art. 27 Abs. 2 TRIPS eine Tor für den Erlass von Patentie-rungsverboten aus Gründen der Sicherstellung der grundsätzlichen Kohärenz der Rechtsordnung289, der Ethik und der Moral und trägt dem Umstand Rechnung, dass auch die Patentgesetze den systemimmanenten Schranken, die ihnen durch Verfas-sung, die öffentliche Ordnung und die guten Sitten gezogen werden unterliegen290.

C. Geschichtliche Entwicklung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS

Ausschlussklauseln, welche diesen dargelegten Spielraum von Art. 27 Abs. 2 TRIPS nutzen, finden sich in praktisch sämtlichen Patentgesetzen der Welt291. Es muss jedoch präzisiert werden, dass keineswegs erst das TRIPS-Abkommen solche Klauseln ermöglicht hat.

Bereits das englische Statute of Monopolies von 1624 nahm Erfindungen vom Pa-tentschutz aus, die dem Gesetz zuwiderliefen oder dem Gemeinwohl schädlich wa-ren292. Lange Zeit waren in Europa gesetzeswidrige Erfindungen von der Patentie-rung ausgeschlossen. Dies führte jedoch dazu, dass wertvollen Erfindungen der Pa-tentschutz versagt blieb, obwohl bei einer späteren Anpassung der einschlägigen

288 STAEHELIN, S. 146. 289 CALAME, S. 119. 290 STRAUS, Optionen bei der Umsetzung, S. 30. 291 Europäisches Patentrecht (EPÜ), Praxis des europ. Übereinkommens, S. 12, N. 31. 292 CALAME, S. 68, m.w.H.

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied? 113

Gesetze an den Stand der Technik die Verwertung doch noch zulässig wurde. Dies führte auf internationaler Ebene 1958 dazu, dass anlässlich der Revision der Pariser Verbandsübereinkunft ein Art. 4 quater neu in dieses Abkommen aufgenommen wurde. Gemäss dieser Bestimmung konnte die Erteilung eines Patents nicht mehr verweigert werden, weil der Vertrieb des patentierten Erzeugnisses Beschränkungen durch innerstaatliche Vorschriften unterstand. Trotz dieser Neuregelung blieb es ein Bedürfnis, dass trotz der Patenterteilung für Erfindungen, die gegen einfaches Ge-setzesrecht verstossen, die Rechtsordnung zumindest im Grundsätzlichen kohärent bleibt. Dies zeigt das Strassburger Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des Patentrechts der Erfindungspatente vom 27. November 1963, welches in Art. 2 lit. a folgendes statuierte: "Die Vertragsstaaten sind nicht verpflichtet, die Erteilung von Patenten vorzusehen für:

a) Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ord-nung oder die guten Sitten verstossen würde, wobei ein solcher Verstoss nicht al-lein aus der Tatsache hergeleitet werden kann, dass die Verwertung dieser Erfin-dung durch ein Gesetz oder eine Verwaltungsvorschrift verboten ist."

Acht Jahre später, als auf der Münchner Diplomatischen Konferenz das Europäi-sche Patentrechtsübereinkommen ausgehandelt wurde, gab die Verabschiedung ei-ner Bestimmung, welche diese Regelung des Strassburger Übereinkommens über-nahm, keinen Anlass zu grösseren Diskussionen mehr293.

Entsprechend erhielt das Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ)294 eine Aus-schlussklausel, welche sich eng an die Vorgabe des Strassburger Übereinkommens anlehnte: Art. 53 EPÜ statuiert unter dem Titel "Ausnahmen von der Patentierbar-keit" folgendes: "Europäische Patente werden nicht erteilt für:

a) Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ord-nung oder die guten Sitten verstossen würde; ein solcher Verstoss kann nicht al-lein aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die Verwertung der Erfindung in allen oder einem Teil der Vertragsstaaten durch Gesetz oder Verwaltungsvor-schrift verboten ist."295

293 LAUSMANN-MURR, S. 48. 294 Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung Europäischer Patente [Europäisches

Patentübereinkommen] (0.232.142.2). 295 Da das EPÜ auf die nationalen Patentrechte harmonisierend eingewirkt hat, findet sich die

Ausschlussbestimmung des Art. 53 lit. a EPÜ in nahezu allen Patentgesetzen der EPÜ-Vertragsstaaten, CALAME, S. 61.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 114

Im Zug der TRIPS-Verhandlungen forderten die Entwicklungsländer296, aber auch die Europäische Gemeinschaft, dass ein analoger Patentausschlussgrund in das TRIPS-Abkommen aufzunehmen sei297. Nach längeren Verhandlungen erhielt die Vorschrift schliesslich im sogenannten Dunkel-Draft diejenige Textfassung, die schlussendlich als Art. 27 Abs. 2 Bestandteil des TRIPS-Abkommens werden sollte. Dabei wurde in Anlehnung an Art. 53 lit. a EPÜ klargestellt, dass Verwertungsver-bote des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten nicht ausreichen, um einen Patentie-rungsausschluss zu rechtfertigen. Im Unterschied zum Wortlaut Art. 53 lit. a EPÜ wurde jedoch der Begriff der Veröffentlichung gestrichen.

Ohne Zweifel wollte das TRIPS-Abkommen somit Ausschlussklauseln in den Grenzen des Wortlauts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS weiterhin zulassen.

D. Weitere Konkretisierungen der Ausschlussklauseln

1. EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

Durch die Verabschiedung der EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen298 wurde auch die Ausschlussklausel des EPÜ konkretisiert. Art. 6 der EU-RL statuiert: (1) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder

die guten Sitten verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist.

(2) Im Sinne von Absatz 1 gelten unter anderem als nicht patentierbar:

a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;

b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens;

c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;

d) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den

296 A.a.O., S. 72, FAUPEL, GRUR Int. 1990, 258. 297 CALAME, S. 73, der die Entstehungsgeschichte von Art. 27 Abs. 2 ausführlich darlegt. 298 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.1998 über den rechtlichen

Schutz biotechnologischer Erfindungen (Amtsblatt Nr. L 213 vom 30.7.1998, 13 ff.).

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied? 115

Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.

Diese Vorgaben sind aufgrund einer Änderung der Ausführungsordnung des EPÜ bei der Auslegung von Art 53 lit. a EPÜ ergänzend heranzuziehen299.

2. Neue Ausschlussklausel in der Schweiz

Das eidgenössische Patentgesetz hat seit dem 1. März 2005 aufgrund der Annahme eines neuen Stammzellenforschungsgesetzes auch eine neue Ausschlussklausel erhalten. Der neue Art. 2 B. PatG statuiert unter dem Titel "Ausschluss von der Patentierung folgendes: "1 Von der Patentierung ausgeschlossen sind Erfindungen, deren Verwertung gegen

die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen würde. Insbesondere werden keine Patente erteilt für:

a. Verfahren zum Klonen menschlicher Lebewesen und die damit gewonnenen Klone;

b. Verfahren zur Bildung von Chimären und Hybriden unter Verwendung menschlicher Keimzellen oder menschlicher totipotenter Zellen und die damit gewonnenen Wesen;

c. Verfahren der Parthenogenese unter Verwendung menschlichen Keimguts und die damit erzeugten Parthenoten;

d. Verfahren zur Veränderung der in der Keimbahn enthaltenen genetischen Identität des menschlichen Lebewesens und die damit gewonnenen Keimbahnzellen;

e. unveränderte menschliche embryonale Stammzellen und Stammzelllinien.

2 Von der Patentierung ebenfalls ausgeschlossen sind Verfahren der Chirurgie, Therapie und Diagnostik, die am menschlichen oder tierischen Körper angewen-det werden."300

Der neue Absatz 1 der Auschlussklausel schliesst somit unter dem Dach des Verstosses gegen die öffentliche Ordnung gewisse Bereiche kategorisch vom Patentschutz aus. Der Fokus liegt dabei jedoch weniger auf der Frage, ob die

299 Vgl. dazu die Regel 23b der Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung Europäischer

Patente vom 5. Oktober 1973, zuletzt geändert durch den Beschluss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation vom 13. Dezember 2001, abrufbar unter: http://www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ma2.html - REG.

300 Art. 2 B. PatG, in der Fassung gemäss Art. 27 des Stammzellenforschungsgesetzes vom 19. Dez. 2003, in Kraft seit 1. März 2005 (SR 810.31).

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 116

Verwertung einer solchen Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten vertösst, sondern darin, dass bereits im Gegenstand der Erfindung ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung gesehen wird. So ist beispielsweise nicht einsehbar, inwiefern die Verwertung von unveränderten embryonalen Stammzellen gegen die öffentliche Ordnung verstossen soll (und deshalb diese Erfindung keinen Patentschutz erhält), hingegen veränderte embryonalen Stammzellen ohne weiteres zum Patent zugelassen bleiben301.

E. Die Einhaltung der öffentlichen Ordnung als Patentierungs-

voraussetzung

1. Verbotsnormen als zusätzliche Patentierungserfordernisse

Die Beispiele der Konkretisierung der Ausschlussbestimmungen zeigen den Spiel-raum von Art. 27 Abs. 2 TRIPS auf. Es ist auch augenscheinlich, dass die Verbots-normen die Konsequenz haben, dass eine Erfindung neben den substantiellen Pa-tentierungserfordernissen auch die Voraussetzung erfüllen muss, dass sie nicht von der Ausschlussbestimmung erfasst ist. Diese Bestimmungen stellen somit unbe-streitbar Patentierungserfordernisse dar. Dies deshalb, weil ein Patent nur erteilt werden kann, wenn die Erfindung nicht unter diese Auschlussklausel fällt. Die TRIPS-Kompatibilität dieser Klauseln steht ausser Frage, da sich diese direkt auf den Vorbehalt von Art. 27 Abs. 2 TRIPS abstützen.

2. Rechtliche Ausgestaltung

Es stellt sich nun die Frage, ob dieser Vorbehalt nur die Formulierung von Verbots- oder Ausschlussklauseln ermöglicht, oder ob diese Norm den Erlass von Vor-schriften gestattet, welche, ohne dass sie als Verbotsklauseln formuliert werden, sicherstellen sollen, dass bestimmte Erfindungen zum Schutz der öffentlichen Ord-nung von der Patentierbarkeit ausgeschlossen bleiben.

Nach der hier vertretenen Auffassung sollte dies möglich sein. Der Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 TRIPS erklärt lediglich, dass die Mitglieder Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschliessen können, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten notwendig ist. Die Bestimmung gibt nicht vor, wie dieser Ausschluss rechtstechnisch zu lösen ist. Es macht keinen Unterschied, ob ein Patentierungsverbot negativ mittels Verbot formuliert wird oder positiv mittels Bedingungen. Folgendes Beispiel mag dies ver- 301 Dies umso mehr, als dass das erwähnte Stammzellenforschungsgesetz den kommerzielle Verkauf von

embryonalen Stammzellen generell untersagt (Vgl Art. 4 StFG).

§ 8 Art. 27 Abs. 2 TRIPS als Bindeglied? 117

deutlichen:

Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. d EU-RL gelten Verfahren zur Veränderung der geneti-schen Identität von Tieren als nicht patentierbar, wenn diese Verfahren geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Men-schen oder das Tier zu verursachen. Diese Regel könnte mit dem identischen Inhalt auch umgekehrt formuliert werden. Die Erklärung würde genügen, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität dürften nur patentiert werden, wenn sicher-gestellt ist, dass diese Verfahren entweder keine Leiden dieser Tiere verursachen, oder aber, sofern sie Leiden verursachen, ein wesentlicher medizinischer Nutzen für Mensch oder Tier gegeben sein muss.

3. Würdigung

Art. 27. Abs. 2 TRIPS gewährt somit in dessen engen Grenzen die Möglichkeit der Formulierung zusätzlicher Patentierungserfordernisse. Es darf vom Patentanmelder verlangt werden, dass die gewerbliche Verwertung seiner Erfindung nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstösst. Wie dieses Erfordernis ausges-taltet wird, ist von der TRIPS-Norm nicht vorgegeben.

F. These

Gestützt auf diese Ausgangslage vertritt der Verfasser dieser Arbeit folgende These:

Neue Offenlegungspflichten, ausgestaltet in der Form der Nachweisoption oder der Veröffentlichungsoption verstossen nicht gegen die Vorgaben des TRIPS-Abkom-mens, weil diese zusätzlichen Offenlegungspflichten weder neue substantielle Pa-tentierungserfordernisse darstellen, noch unangemessene formelle Pflichten sind. Vielmehr nutzen diese Offenlegungspflichten den Spielraum von Art. 27 Abs. 2 TRIPS indem sie sicherstellen sollen, dass keine Patente erteilt werden für Erfin-dungen, welche unter Missachtung der durch die CBD gewährleisteten Ressourcen-rechten entstanden sind. Demnach stellen neue Offenlegungspflichten Massnahmen dar, die das Ziel haben, Erfindungen, die unter Missachtung der geltenden Ressour-cenrechte zustandegekommen sind, von der Patentierbarkeit auszuschliessen.

Massnahmen, die gestützt auf Art. 27 Abs. 2 TRIPS zulässig sind, weil diese Norm nicht nur den Ausschluss von Erfindungen ermöglicht, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öffentlichen Ord-nung notwendig ist sondern auch den Ausschluss von Erfindungen zulässt, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht.

Diese These geht von zwei zentralen Prämissen aus:

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 118

Zum einen geht sie davon aus, dass die vorbehaltlose Achtung und der unbedingte Respekt der Souveränität der Ressourcenrechte der Ursprungsländer zur öffentli-chen Ordnung gehören.

Zum zweiten legt sie Art. 27 Abs. 2 TRIPS im Sinne einer inhaltlichen Koordina-tion von CBD und TRIPS so aus, dass diese Norm nicht nur ermöglicht, Erfindun-gen von der Patentierung auszuschliessen bei denen sich der Konflikt mit der öf-fentlichen Ordnung aus deren zukünftigen Verwertung ergibt, sondern auch Erfin-dungen, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht.

Diese beiden Prämissen sind nicht unumstritten. Sie sind nachfolgend zu untersu-chen.

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung 119

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung

A. Allgemeines

Art. 27 Abs. 2 TRIPS enthält, wie gesehen, die Möglichkeit die Patentierbarkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung auszuschliessen. Entsprechende Ausschlüsse finden sich in ähnlichen Formulierungen im nationalen, regionalen und internatio-nalen Patentrecht. Diese Bestimmung ermöglicht den Mitgliedern der WTO den Patentschutz im Hinblick auf einzelne, besonders umschriebene, öffentliche Interes-sen einen Patentschutz zu verwehren. Art. 27 Abs. 2 TRIPS nennt, durchaus parallel zur europäischen Rechtslage, die öffentliche Ordnung und die guten Sitten als po-tentielle Schranken des Patentschutzes302.

Zur Klärung der Frage, ob Vorgaben der CBD zur öffentlichen Ordnung gehören, ist in einem ersten Schritt der Begriff der öffentlichen Ordnung näher zu bestim-men, um dann in einem zweiten Schritt entscheiden zu können, ob und in welchem Ausmass die Normen der CBD zur öffentlichen Ordnung gehören.

B. Begriff der öffentlichen Ordnung

1. Vorgaben von Art. 27 Abs. 2 TRIPS

a) Grundsatz Zumindest teilweise konkretisiert die TRIPS-Vorschrift selber, welche Vorschriften zur öffentlichen Ordnung gehören, nämlich solche, die zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung der Umwelt notwendig sind. Blosse Verwertungsverbote des nationalen Rechts reichen hingegen nicht aus. Dies ergibt sich klar aus der For-mulierung in der Bestimmung "... sofern der Ausschluss nicht allein deshalb vorge-nommen wird, weil das Landesrecht die Verwertung verbietet"303.

Die Aufzählung der Vorschriften, die zur öffentlichen Ordnung gehören, ist jedoch nicht als abschliessend anzusehen. Dies ergibt sich klar aus dem Wortlaut: Die Mit-glieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschliessen, wenn die Ver-hinderung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliesslich des Schutzes des Lebens

302 WTO-Handbuch, S. 590. 303 Vgl. STRAUS, GRUR Int. 1996, 189.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 120

oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt notwendig ist. Im Vordergrund steht somit die öffentliche Ordnung. Zu dieser gehören gemäss der TRIPS-Bestimmung die genannten Rechtsgüter, aufgrund des Wortes einschliesslich ist diese Aufzählung jedoch nicht abschliessend.

b) Inhalt der öffentlichen Ordnung Es stellt sich die Frage, wie der Inhalt der öffentlichen Ordnung weiter zu bestim-men ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob es zur weiteren Bestimmung des In-halts der öffentlichen Ordnung zulässig ist, auf die Lehre und Rechtsprechung zur europäischen Auschlussklausel von Art. 53 lit. a EPÜ, welche ebenfalls den Begriff der öffentlichen Ordnung verwendet, zurückzugreifen.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies im konkreten Fall möglich: Zum ei-nen stellt Art. 53 lit. a EPÜ die europäische Umsetzung und Ausgestaltung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS dar. Diese Klausel ist, in der zwar noch nicht in Kraft getretenen, jedoch bereits verabschiedeten revidierten Fassung, im Verständnis der Vertrags-staaten des EPÜ ganz TRIPS-konform304. Zum anderen steht Art. 27 Abs. 2 TRIPS zwar heute als Kompetenznorm für die europäische Ausschlussklausel da, es verhält sich jedoch unbestreitbar so, dass diese Kompetenznorm ursprünglich in Anlehnung an diese Europäische Klausel ausgestaltet wurde305.

Aus diesen Gründen erscheint es in casu zulässig den Inhalt des Begriffs der öffent-lichen Ordnung in Anlehnung an die Lehre und Rechtsprechung zu Art. 53 lit. a EPÜ zu bestimmen.

Nach der herrschenden Auffassung umfasst die öffentliche Ordnung (ordre public) die tragenden Grundsätze der Rechtsordnung306. Die Umschreibung deckt sich mit der Verwendung des ordre public im internationalen Privatrecht und es kann für ein Begriffsverständnis an dessen Grundsätze angeknüpft werden. Dieses Normver-ständnis findet ausserdem eine Stütze in den Materialien zum EPÜ, aus denen sich ergibt, dass ursprünglich für die Auschlussklausel vorgesehen war, den Ausdruck

304 In der revidierten Fassung können Erfindungen nicht mehr ausgeschlossen werden, wenn deren

Veröffentlichung gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstossen. Dieser Konfliktsfall wurde aufgrund der TRIPS Vorgabe aus der Ausschlussklausel entfernt. Vgl. Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991 (GRUR Int. 2001, 309 ff.).

305 Vgl. oben § 7, C. 306 SCHULTE, § 2, N. 17; ROGGE, GRUR 1998, 304; CALAME, S. 133, welcher von einer nahezu

einhelligen Ansicht in der deutschen, schweizerischen und europäischen Patentrechtslehre spricht.

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung 121

"die tragenden Grundsätze der öffentlichen Ordnung" zu verwenden307.

Damit ist jedoch die Frage noch nicht beantwortet, welche Rechtspostulate einer Rechtsordnung als tragende Grundsätze angesehen werden müssen. Nach einhelli-ger Auffassung sind die tragenden Grundsätze einer Rechtsordnung diejenigen, in denen grundsätzliche gesellschaftliche Wertentscheidungen zum Ausdruck kom-men308. Diese Wertentscheidungen können in der Verfassung, insbesondere in de-ren Grundrechtsteil zum Ausdruck kommen, sie können sich aber auch aus anderen Rechtsquellen ergeben, wie internationalen Abkommen oder einfachem Gesetzes-recht. Elementar ist, dass diese Normen durch Wertgehalt und grundlegende Be-deutung gekennzeichnet sind und Normen sind, die der Verwirklichung und dem Schutz grundlegender Werte und Güter für das Leben in der Gemeinschaft die-nen309.

Blosse Vertriebs- oder Ordnungsvorschriften, die ein gewisses Mass an Beliebigkeit haben und deren Änderung man sich ohne weiteres jederzeit vorstellen kann, gehö-ren hingegen klar nicht zur öffentlichen Ordnung310.

Zusammengefasst kann somit festgehalten werden, dass die öffentliche Ordnung der Inbegriff ist der tragenden Grundsätze einer Rechtsordnung, in denen grundsätzli-che gesellschaftliche Wertentscheidungen zum Ausdruck kommen311. Anhalts-punkte geben dabei vor allem die Wertentscheidungen, die in staatlichen Verfas-sungen oder in internationalen Abkommen getroffen werden312.

c) Weltweit einheitlicher Massstab? Bei der Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Ordnung des TRIPS-Abkom-mens ergibt sich eine besondere Problematik daraus, dass das TRIPS-Abkommen für eine Vielzahl von Ländern mit unterschiedlichen Rechts- und Sittenordnungen gilt und sich die Frage stellt, auf welche "öffentliche Ordnung" denn abzustellen ist.

Im Rahmen der europäischen Auschlussklausel von Art. 53 lit. a EPÜ stellt sich dasselbe Problem. Genügt es für die Verweigerung eines Patents, wenn dessen Verwertung nur gegen die öffentliche Ordnung eines Landes verstösst, oder muss, umgekehrt formuliert, die Verwertung der Erfindung gegen alle öffentlichen Ord-nungen der Vertragsstaaten des EPÜ verstossen, damit ein Ausschluss zulässig ist. 307 CALAME, S. 133, welcher erklärt, dass die damaligen Sachverständigen der vorberatenden Kommission

erklärt hätten, die öffentliche Ordnung beruhe immer auf tragenden Grundsätzen. 308 BERTSCHINGER, S. 110, N. 4.55; CALAME, S. 134. 309 KRASSER, S. 249. 310 ROGGE, GRUR 1998, 304. 311 BERTSCHINGER, S. 100, N. 4.55. 312 KRASSER, S. 249.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 122

Nach der wohl herrschenden Auffassung, lässt sich im Geltungsbereich des EPÜ ein Patentausschluss nicht allein damit rechtfertigen, dass der Anmeldegegenstand die öffentliche Ordnung eines einzigen Vertragsstaates verletzt. Ebenso wenig wird die Patenterteilung ausgeschlossen, wenn eine Mehrzahl der betroffenen Staaten die Patenterteilung nach nationalen Massstäben versagen müsste. Art. 53 lit. a EPÜ steht nur dann einer Patenterteilung entgegen, wenn sich die patenthindernden Rechtsprinzipien in allen Vertragsstaaten, für welche ein europäisches Patent anbe-gehrt wird, nachweisen lassen313.

Es stellt sich somit die Frage, ob das TRIPS-Abkommen einen Ausschluss ebenfalls nur zulassen will, wenn der Anmeldegegenstand weltweit gegen die öffentliche Ordnung verstösst. Dies ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht der Fall.

Art. 27 Abs. 2 TRIPS ist eine Norm, welche den Mitgliedern der WTO einen Rah-men zur Verfügung stellt, innerhalb dessen Ausschlussklauseln formuliert werden können. Die Mitglieder können zum Schutz der öffentlichen Ordnung Erfindungen vom Patentschutz ausschliessen und dies kann nur so verstanden werden, dass die Mitglieder Erfindungen zum Schutz ihrer öffentlichen Ordnung ausschliessen kön-nen. TRIPS-konform sind somit Ausschlussklauseln in einem nationalen Gesetz auch, wenn sie nur zum Schutz der konkreten nationalen öffentlichen Ordnung er-lassen wurden. Es ist deshalb nicht notwendig, dass diese Ordnung weltweite Gel-tung haben muss.

C. Die Biodiversitätskonvention als Teil der öffentlichen

Ordnung

1. Grundsatz

Es stellt sich die Frage, ob die zentralen Normen der Biodiversitätskonvention zu den tragenden Grundsätzen der Rechtsordnung der Vertragsstaaten gehören. Die Biodiversitätskonvention regelt als internationales Abkommen den Schutz der Bio-diversität und trifft dazu grundlegende Wertentscheidungen:

Dies ergibt sich einerseits aus den Zielen der Konvention. Art. 1 CBD formuliert als Ziele dieses Übereinkommens, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nach-haltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung, der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, insbe-sondere durch angemessenen Zugang zu genetischen Ressourcen und angemessene Weitergabe der einschlägigen Technologien unter Berücksichtigung aller Rechte an 313 Vgl. CALAME, S. 149, welcher diese Problematik ausführlich darlegt.

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung 123

diesen Ressourcen und Technologien.

Ebenfalls eine grundlegende Wertentscheidung ergibt sich aus der Definition und der Zuordnung der genetischen Ressourcen in Artikel 2 der Konvention. Dort wer-den genetische Ressourcen als genetisches Material von tatsächlichem oder poten-tiellem Wert definiert. Ergänzt wird diese Regel in Art. 3 CBD, wonach die Staaten nach der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht haben, ihre eigenen Ressourcen gemäss ihrer eigenen Umweltpo-litik zu nutzen. Zudem wird die Verfügungsmacht über diese genetischen Ressour-cen in Art. 15 Abs. 1 unmissverständlich geregelt, indem statuiert wird, dass in An-betracht der souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen Ressour-cen die Befugnis, über den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Regierungen der einzelnen Staaten liege. Damit findet nicht nur eine "In-Wert-Setzung" der genetischen Ressourcen statt, sondern diese werden auch zugeordnet. Die Regeln stellen in einem gewissen Sinn eine Güterordnung dar, welche auf ele-mentaren Wertentscheidungen der internationalen Gemeinschaft beruht.

Schliesslich ist anzumerken, dass die CBD dem Schutz der Biodiversität und der ausgewogenen und gerechten Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile dienen soll.

Insgesamt gehören die zentralen Normen der CBD somit ohne jeden Zweifel zu tragende Grundsätze der Rechtsordnung dar, kommt ihnen doch unbestreitbar in-nerhalb der internationalen Rechtsordnung eine herausragende Bedeutung zu. Dies nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen grundlegenden Wertentscheidungen, die die CBD vornimmt.

2. Konkrete Vorgaben für die Vertragsstaaten

a) Fragestellung Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, ob sich aus den Regeln der CBD, welche zur öffentlichen Ordnung gehören, auch direkt ableiten lässt, dass die vor-behaltlose Achtung und der unbedingte Respekt der Souveränität der Ressourcen-rechte der Ursprungsländer Teil dieser tragenden Grundsätze der Rechtsordnung sind.

b) Art. 15 Abs. 1 CBD Wie gesehen statuiert Art. 15 Abs. 1 CBD unmissverständlich, dass in Anbetracht der souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen Ressourcen die Befugnis, über den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Re-gierungen der einzelnen Staaten liegt.

Diese souveränen Rechte der Vertragsstaaten bezüglich der genetischen Ressourcen

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 124

auf ihrem Hoheitsgebiet sind von allen Vertragsstaaten ohne Einschränkung zu res-pektieren. Dies lässt sich direkt aus der Biodiversitätskonvention schliessen.

Die Missachtung dieser Ressourcenrechte stellt unbestreitbar einen Verstoss gegen dieses Prinzip dar und bedeutet eine Verletzung der Konvention.

c) Art. 15 Abs. 4 und 5 CBD Gemäss Art. 15 Abs. 4 CBD erfolgt der Ressourcenzugang, sofern er gewährt wird, zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen. Gemäss Art. 15 Abs. 5 CBD bedarf der Zugang zu genetischen Ressourcen zudem der auf Kenntnis der Sachlage ge-gründeten vorherigen Zustimmung der Vertragspartei, die diese Ressourcen zur Verfügung stellt, sofern diese Vertragspartei nichts anderes bestimmt hat.

Für den Ressourcenzugang bedeutet dies, dass der Nutzer, will er konventionskon-form handeln, zum einen die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zu-stimmung des Ursprungslandes, in welchem sich die genetischen Ressourcen befin-den, einholen muss. Zum anderen muss er die Bedingungen des Zugangs einver-nehmlich mit dem Ursprungsland regeln.

Nur ein Ressourcenzugang, der diese Voraussetzungen einhält, kann somit aufgrund der Bestimmungen der CBD als konventionskonform betrachtet werden314.

Unterlässt der Nutzer die Einholung der Zustimmung oder die einvernehmliche Re-gelung der Zugangsbedingungen, so liegt ein Verstoss gegen die Biodiversitätskon-vention vor.

d) Schlussfolgerung Die Biodiversitätskonvention gewährleistet die souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen genetischen Ressourcen. Sie enthält konkrete Regeln, die beim Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Ursprungsland zu befolgen sind.

Die vorbehaltlose Achtung und der unbedingte Respekt vor der Souveränität der Ressourcenrechte der Ursprungsländer sowie die kompromisslose Einhaltung der Zugangsregeln können somit direkt aus der Konvention entnommen werden.

e) Doppelte Problematik bei der Missachtung der Ressourcenrechte Zwei Aspekte erschweren die Durchsetzung dieser Vorgaben. Sie werden nachfolgend kurz erörtert.

(1) Keine Verfügungsgewalt über die genetische Information Wie oben bereits ausgeführt worden ist, definiert die CBD genetische Ressourcen 314 Eine Ausnahme von der Voraussetzung der Einholung der vorherigen Zustimmung gäbe es einzig, wenn

ein Vertragstaat explizit auf dieses Zugangserfordernis verzichtet (vgl. Art. 15 Abs. 5 CBD).

§ 9 Die Vorgaben der CBD als Teil der öffentlichen Ordnung 125

als biologisches Material mit Erbeigenschaften, dem ein aktueller oder potentieller Wert zukommt315. Daran ist auch das beschriebene staatliche Ressourcenrecht ge-knüpft. Es schützt damit die Verfügungsgewalt über das genetische Material, nicht aber die darin enthaltene genetische Information. Die möglicherweise wertvollen Erbinformationen im genetischen Material sind in Form von DNA gespeichert.

Aufgrund der Fähigkeit zur Selbstreplikation von DNA ist deshalb der Anspruch der Vertragsstaaten der CBD auf eine Vorteilsausgleichung im Gegenzug für den gewährten Ressourcenzugang regelmässig eng an die Möglichkeit geknüpft, den Zugang zum genetischen Material kontrollieren und steuern zu können. Dies ist je-doch nicht ganz einfach, weil für die Erschliessung der Erbinformation geringe Mengen des biologischen Materials bereits genügen können und eine Weiterverfol-gung des genetischen Materials schwierig ist316.

(2) Keine Möglichkeit der internationalen Rechtsdurchsetzung Besonders problematisch ist die Missachtung dieser Ressourcen- und Zugangs-rechte, wenn die genetischen Ressourcen in ein anderes Land verbracht werden. Die Frage, ob dem Ursprungsstaat noch Rechte zukommen, nachdem ihm genetische Ressourcen gegen den Willen abhanden gekommen sind, wird im Schrifttum klar verneint. Das staatliche Recht an den genetischen Ressourcen ist nicht als ein ding-liches Recht ausgestaltet, gemäss dem das Ressourcenrecht am genetischen Material erhalten bleiben würde, wenn das Material konventionswidrig in andere Staaten verbracht wird317.

In diesem Sinn ist das System der Güterzuordnung der CBD unvollständig. Dies deshalb, weil es keine Regelung für den Fall vorsieht, dass Ressourcen konventi-onswidrig ein- und ausgeführt werden. Es ist in diesem Fall weder dem Staat, in welchen die konventionswidrig verbrachten Ressourcen befinden, noch dem Ur-sprungsstaat gestützt auf Art. 15 CBD möglich, Zugangsregeln zu erlassen. Es ver-hält sich somit so, dass in dem Fall, in dem genetische Ressourcen entwendet und ohne Zustimmung des entsprechenden Staates ausser Landes gebracht werden, der Ursprungsstaat sein Ressourcenrechte und seine Zugangsregelung nicht durchsetzen kann. Dieser Umstand ist deswegen besonders bedeutsam, weil für die Erschlies-sung der Erbinformationen geringe Mengen des Materials ausreichen und eine

315 Vgl. oben § 8, C., 1. 316 WOLFRUM/KLEPPER/STOLL/FRANCK, S. 83. 317 WOLFRUM/STOLL, S. 33, mit dem Verweis auf GLOWKA/BURHENNE-GUILMIN/SYNGE, S. 76, wo

folgendes ausgeführt wird: "while reaffirming a State's right to exercise jurisdiction over genetic resources, Art. 15 does not grant the State a property right over these resources...".

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 126

Weiterverfolgung des genetischen Materials schwer möglich ist318.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Staaten nicht andere Regelungen treffen kön-nen und möglicherweise aufgrund anderer Prinzipien des Übereinkommens auch treffen müssen, um die Rechte von Staaten, denen genetische Ressourcen konventi-onswidrig entzogen worden sind, zu wahren und solches Verhalten zu sanktionie-ren319.

D. Fazit

Die Vorgaben der Biodiversitätskonvention gehören zu den tragenden Grundsätzen der Rechtsordnung und sind somit Teil der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 TRIPS. Die Biodiversitätskonvention gewährleistet die souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen genetischen Ressourcen und ent-hält konkrete Regeln, die beim Zugang zu genetischen Ressourcen in einem Ur-sprungsland zu befolgen sind. Die Missachtung der Ressourcenrechte der Ur-sprungsländer durch konventionswidrigen Zugang und konventionswidriges Verbringen der Ressourcen in einen Drittstaat stellt deshalb einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung dar.

Die dargelegte These setzt jedoch nicht nur voraus, dass die Vorgaben der CBD zu der einzuhaltenden öffentlichen Ordnung gehören, sondern zudem, dass Art. 27 Abs. 2 TRIPS erlaubt, Erfindungen von der Patentierung auszuschliessen, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht. Diese Frage ist nachfolgend zu untersuchen.

318 WOLFRUM/STOLL, S. 70. 319 A.a.O., S. 35.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 127

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS

A. Allgemeines

Der Inhalt der öffentlichen Ordnung, sozusagen der Massstab für die Möglichkeit eines Patentausschlusses gestützt auf Art. 27 Abs. 2 TRIPS, wurde bereits bestimmt. Zur Klärung der Frage, ob Art. 27 Abs. 2 TRIPS erlaubt, Erfindungen von der Patentierung auszuschliessen, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht, ist nun zu untersuchen, welchen Tatbestand Art. 27 Abs. 2 TRIPS der Prüfung eines möglichen Verstosses gegen die guten Sitten unterstellt.

Der englische Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 TRIPS ist folgender:

"Members may exclude from patentability inventions, the prevention within their territory of the commercial exploitation of which is necessary to protect ordre public or morality, including to protect human, animal or plant life or health or to avoid serious prejudice to the environment, provided that such exclusion is not made merely because the exploitation is prohibited by their law."320

Die Mitglieder können somit Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschliessen, wenn die Verhinderung ihrer kommerziellen Verwertung zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig ist.

Die These dieser Arbeit geht im Sinne einer inhaltlichen Koordination von CBD und TRIPS davon aus, dass die Formulierung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS nicht nur ermöglicht, Erfindungen von der Patentierung auszuschliessen bei denen sich der Konflikt mit der öffentlichen Ordnung direkt aus deren zukünftiger Verwertung ergibt, sondern auch Erfindungen, deren Entstehungsprozess im Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht.

Ein Teil der Lehre tritt im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 53 lit. a EPÜ, welcher diese Ausschlussmöglichkeit von TRIPS für das Europäische Recht umsetzt, für eine enge Auslegung ein und will einzig zulassen, dass in der Zukunft liegende Benutzungshandlungen der Erfindung auf ihre Konformität mit den

320 Für den gleichermassen verbindlichen spanischen und französischen Wortlaut der Norm vgl. die

offizielle Webseite der WTO <http://www.wto.org/spanish/docs_s/legal_s/27-trips_04c_s.htm>. Der übersetzte Wortlaut gemäss der amtlichen Sammlung des Bundesrechts lautet: " Die Mitglieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschliessen, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliesslich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt notwendig ist, sofern der Ausschluss nicht allein deshalb vorgenommen wird, weil das Landesrecht die Verwertung verbietet.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 128

tragenden Grundsätzen der Rechtsordnung überprüft werden können321. Andere Autoren sprechen sich für eine grosszügigere Interpretation der Generalklausel aus und lehnen diese enge Auslegung ab322.

Es macht aufgrund dieser Ausgangslage Sinn, mittels eigener Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS zu klären, ob eine weite Auslegung dieser Norm mit dem Ziel einer inhaltlichen Koordination der beiden Abkommen richtig und vertretbar ist.

B. Vorgaben des Völkerrechts bei der Auslegung von Verträgen

1. Zulässigkeit der Auslegung

Ein eindeutiger Text, über dessen Bedeutung keine Unsicherheiten oder Streitig-keiten zwischen den Parteien bestehen, ist der Auslegung nicht zugänglich323. Dies hat zur Konsequenz, dass bei Konflikten, die von den Parteien während der Ver-handlung eines völkerrechtlichen Vertrags erkannt und gebilligt wurden (und diese Billigung sich in einem unmissverständlichen Text niedergeschlagen hat) die Aus-legung keine Koordinierung herbeiführen kann.

In casu besteht kein Anlass zu vermuten, dass beim Abschluss des TRIPS-Abkom-mens der Normenkonflikt mit der CBD erkannt und gebilligt wurde. Zudem besteht ein internationaler Konsens, dass die Bestimmungen der Biodiversitätskonvention und des TRIPS-Abkommens in einer sich gegenseitig unterstützenden Art und Weise implementiert werden sollen. Es spricht somit unter diesem Gesichtspunkt nichts gegen eine Auslegung einer Norm des TRIPS-Abkommens mit der Idee, dadurch die beiden Abkommen zu koordinieren.

Zudem ist nach der hier vertretenen Auffassung aufgrund des Textes von Art. 27 Abs. 2 TRIPS nicht eindeutig zu bestimmen, ob damit den Vertragsstaaten nur ermöglicht werden soll, Erfindungen von der Patentierung auszuschliessen bei denen sich der Konflikt mit der öffentlichen Ordnung aus deren zukünftigen Verwertung ergibt, oder ob diese Norm auch erlaubt, Erfindungen, bei welchen bereits deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht,

321 HILF/OETER, S. 455, N. 61; STRAUS, GRUR Int. 1996, 189; SPRANGER, Archiv des Völkerrechts

2002, 75. 322 MOUFANG, GRUR int. 1993, 439;OHLY, S. 428; Vgl. auch GÖTTING, GRUR Int. 2004, 736, welcher

im Zusammenhang mit dem Verhältnis von TRIPS und CBD ausführt, dass der Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 TRIPS immerhin einen Ansatzpunkt biete, um grobe Verstösse gegen gesetzliche Bestimmungen, die auf die Einhaltung der in der Biodiversitätskonvention geregelten Zugangs- und Beteiligungsrechte gerichtet sind, durch Versagung des Patentschutzes zu ahnden.

323 KÖCK, Zeitschrift für öffentliches Recht 1998, (53), 220.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 129

von der Patentierung auszuschliessen324.

2. Anwendbares Recht

Gemäss Art. 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Regeln und Verfahren für die Streitbeilegung der WTO325 sollen die bestehenden Bestimmungen der WTO-Abkommen nach den üblichen Regeln für die Auslegung des Völkerrechts geklärt werden.

Die Vertragsauslegung im Völkerrecht gibt seit Jahrzehnten Anlass zu Diskussio-nen. Es treffen in diesem Bereich die Bestimmungen des Übereinkommens über die Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK326), die völkerrechtliche Praxis und eine umfangreiche Rechtsprechung des internationalen Gerichtshofs zusam-men. Dabei hat der internationale Gerichtshof zunehmend anerkannt, dass die Re-geln des Wiener Übereinkommens über die Verträge zur Auslegung auch Völker-gewohnheitsrecht darstellen327.

Nachfolgend stehen deshalb bei der Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS die Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention im Vordergrund328.

3. Grundregeln der WVK

Gemäss Art. 31 Abs. 1 WVK ist ein (internationaler) Vertrag nach Treu und Glau-ben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung, und im Lichte seines Zieles und Zwe-ckes auszulegen329. Damit folgt die WVK bezüglich der Auslegungsmethode vor-erst dem objektiven Ansatz, wonach davon ausgegangen wird, dass sich der Wille der Parteien im Text widerspiegelt und dass das vorrangige Ziel der Auslegung die Bestätigung der Bedeutung des Textes ist330. Dies im Gegensatz zum subjektiven Ansatz, welcher in erster Linie auf die Absichten der Vertragsparteien abstellt oder zum teleologischen Ansatz, welcher davon ausgeht, dass die Auslegung zuerst Sinn 324 KRAMER, S. 73, welcher ausführt, dass selbst wenn der Wortlaut eindeutig sein sollte, der daraus

abgeleitete Normsinn jeweils kritisch hinterfragt werden muss. 325 Vereinbarung über Regeln und Verfahren für die Streitbeilegung, Anhang 2 des Abkommens zur

Errichtung der Welthandelsorganisation (SR. 0.632.20). 326 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (SR 0.111), in Kraft getreten

für die Schweiz am 6. Juni 1990. 327 MATZ, S. 277. 328 Vgl. auch SLONIA, Beiträge zum transnationalen Wirtschaftsrecht 2003, (Heft 20), S. 14. 329 Vgl. STRAUS, GRUR Int. 1998, 2, welcher vorab den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien

als entscheidend erachtet. 330 Dies im Gegensatz zum subjektiven Ansatz, welcher in erster Linie auf die Absichten der

Vertragsparteien abstellt, vgl. MATZ, S. 281, m.w.H.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 130

und Zweck des Vertrages bestimmen muss, bevor der Text im Geist des Sinns und Zwecks des Vertrages ausgelegt werden kann. Allerdings folgt die WVK keines-wegs strikte dem objektiven Ansatz. Die Auslegungsregeln der WVK enthalten auch subjektive und teleologische Elemente: gemäss Art. 32 WVK können die Vor-arbeiten und die Umstände, unter denen der Vertrag zustande kam, als zusätzliche Interpretationsmittel berücksichtigt werden (subjektiver Ansatz) und Art. 31 Abs. 1 enthält mit dem Verweis auf die Auslegung des Vertrags "im Lichte seines Zieles und Zweckes" auch einen teleologischen Aspekt331. Gemäss Art. 31 Abs. 3 WVK sind zudem in gleicher Weise zu berücksichtigen: spätere Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen; spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Über-einstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht und jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völker-rechtssatz.

C. Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS gemäss den Vorgaben

der WVK

1. Sprachlich-grammatikalische Interpretation

Der Wortlaut des geschriebenen Rechts und der ihm zu entnehmende Wortsinn sind "starting point" auch bei der Auslegung nach den Vorgaben der WVK "starting point" jeder Interpretation und der Wortsinn ist das wichtigste Indiz für die Ermitt-lung des Normsinns.

Gemäss Kramer wird in der heutigen Methodenlehre zwischen eigentlicher Interpretation und dem Bereich des Richterrechts unterschieden. Jene bewegt sich im Rahmen des noch möglichen Wortsinns der Norm, diese geht über die Wortsinngrenze hinaus332.

Im Zug der Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, erscheint es richtig, zu versuchen, eine erklärende und entwickelnde Auslegung innerhalb des Wortsinns vorzunehmen. Dies auch aufgrund der Vorgaben der WVK, wonach der internationale Vertrag in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung auszulegen ist.

331 Gemäss Matz dokumentieren die Regeln der WVK ein Zusammenspiel der drei Ansätze, A.a.O., S. 282. 332 KRAMER, S. 47 ff.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 131

2. Gewöhnliche, dem Begriff commercial exploitation in dessen Zusammenhang zukommende Bedeutung

Der englische333 Text von Art. 27 Abs. 2 TRIPS statuiert:

"Members may exclude from patentability inventions, the prevention (…) of the commer-cial exploitation of which is necessary to protect ordre public or morality (…)."

Es ist demnach den Vertragstaaten gestattet, Erfindungen, deren Verhinderung der kommerziellen Verwertung (commercial exploitation)334 zum Schutz der öffentli-chen Ordnung notwendig ist, vom Patentschutz auszuschliessen.

Dem Begriff der commercial exploitation kommt deshalb bei der Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS eine wichtige Bedeutung zu.

Der englische Begriff exploitation ist offener als der deutsche und kann auch mit Nutzung übersetzt werden. Er ist insofern weniger eng als der in der deutschen Übersetzung verwandte Begriff der Verwertung. Keinen weiteren Aufschluss geben die spanische und die französische Fassung von TRIPS. Verwendet werden die Begriffe exploitation commerciale (franz.) und explotación comercial (span.).

Es stellt sich somit die Frage, ob der Begriff commercial exploitation ausreichend weit ist, um auch Patentierungsausschlüsse für Erfindungen zuzulassen, bei denen der Konflikt mit der öffentlichen Ordnung auf die Entstehungsgeschichte der Erfin-dung zurückzuführen ist.

Dabei erscheint klar, dass Handlungen im Zusammenhang mit der Entstehung einer Erfindung nicht unter die Begriffe der wirtschaftlichen Nutzung oder der gewerbli-chen Verwertung subsumiert werden können. Eine solche würde über die Wortsinngrenze hinausgehen. Um mit der Terminologie von Kramer zu sprechen Handlungen im Zuge der Entstehung der Erfindung sind negative Kandidaten zum Begriff der Verwertung der Erfindung335.

Eine rein isolierte Betrachtung und Auslegung des Begriffs commercial exploitation führt deshalb zum Schluss, dass Art. 27 Abs. 2 TRIPS keinen Raum für Patentierungsverbote von Erfindungen gewährt, deren Entstehungsprozess durch eine rechtsethisch zu missbilligende Vorgehensweise geprägt wurde.

333 Gemäss Art. XV des Abkommens zur Errichtung des Welthandelsabkommens existiert eine Urschrift des

Abkommens in englischer, französischer und spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

334 Der Begriff commercial exploitation der englischen Fassung des TRIPS-Abkommens wird in der amtlichen deutschen Übersetzung in der schweizerischen Gesetzessammlung mit dem Begriff kommerzielle Verwertung übersetzt.

335 KRAMER, S. 54.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 132

3. Notwendigkeit der Verhinderung der kommerziellen Verwertung einer Erfindung zum Schutz der öffentlichen Ordnung

Zu einer anderen Schlussfolgerung führt jedoch eine gesamthafte Betrachtung des Wortlauts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS.

Art. 27 Abs. 2 TRIPS ist eine klassische Generalklausel. Sie ermöglicht den Vertragsstaaten im Hinblick auf einzelne besonders umschriebene besondere öffentliche Interessen einen Patentschutz zu verweigern. Dabei ist hervorzuheben, dass ein Ausschluss der Patentierung nach dieser Vorschrift über das Vorliegen eines öffentlichen Interesses hinaus voraussetzt, dass der Ausschluss des Patentschutzes notwendig ist, um dem öffentlichen Interesse Rechnung zu tragen und dass ein solcher Ausschluss nicht schon deshalb vorgenommen werden kann, weil die Verwertung der entsprechenden Erfindung verboten ist.336.

Betrachtet man im Lichte dieser Ausführungen den Wortlaut der Norm, so ergibt sich, dass der Normsinn nur ermittelt und bestimmt werden kann, wenn der gesamte Wortlaut der Norm zur Bestimmung dieses Sinns beigezogen wird.

Der Wortlaut der Norm bestimmt, dass immer dann, wenn die Verhinderung der kommerziellen Verwertung einer Erfindung zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig ist, diese von der Patentierung ausgeschlossen werden darf.

Es stellt sich bei dieser Lesart die Frage, in welchen Fällen es notwendig ist, zum Schutz der öffentlichen Ordnung die kommerzielle Verwertung einer Erfindung zu verhindern337. Dabei ist durchaus vorstellbar, dass es zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig ist, die kommerzielle Verwertung einer Erfindung, bei deren Entstehung gegen die öffentliche Ordnung verstossen wurde, zu verhindern.

In der Literatur wird folgendes Beispielt erwähnt: Ein Medikament, das auf Grund von Zwangsexperimenten an Häftlingen entwickelt wird, wäre aufgrund des Ver-stosses gegen die öffentliche Ordnung nicht patentfähig338. Eine Zulassung der kommerziellen Nutzung dieser konkreten, auf illegalen Methoden basierenden Erfindung, würde wohl dem grundsätzlich geforderten Schutz der öffentlichen Ord-nung zuwiderlaufen und entsprechend ist es notwendig, diese Verwertung zu ver-hindern.

Auch kann argumentiert werden, dass Art. 7 TRIPS, welcher die Ziele (engl.: ob-

336 Vgl. WTO-Handbuch, S. 591, N. 75. 337 Vgl. DUTFIELD, EIPR 2003, (11), 492, welcher die Frage diskutiert, ob der Terminator-Technologie im

Pflanzensektor unter Berufung auf die öffentliche Ordnung der Zugang zum Patentschutz verwehrt werden soll oder nicht.

338 OHLY, S. 428.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 133

jectives) des Abkommens formuliert, zu den tragenden Grundsätzen der Rechtsord-nungen der Vertragsstaaten gehört und entsprechend Bestandteil der öffentlichen Ordnung ist. Art. 7 TRIPS formuliert folgende Ziele für das Abkommen:

"The protection and enforcement of intellectual property rights should contribute to the promotion of technological innovation and to the transfer and dissemination of technology, to the mutual advantage of producers and users of technological knowledge and in a man-ner conducive to social and economic welfare, and to a balance of rights and obligations."

Es leuchtet ein, dass es zum Schutze dieser Ziele von TRIPS dringend notwendig ist, dass das Patentrecht, welches den Innovationswettbewerb fördern soll, nicht denjenigen Erfinder belohnen darf, der sich seinen Vorsprung unter Verstoss gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung verschafft hat339.

Andernfalls würde man die Interessen aller übrigen am Forschungs- und Innovati-onsprozess Beteiligten kompromittieren. Gleichzeitig würde das Ziel von TRIPS, wonach geistige Eigentumsrechte ihren Beitrag zur Förderung der technischen Innovation auf eine dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohl zuträgliche Art und Weise leisten sollen, in jeglicher Hinsicht verfehlt.

Es darf deshalb festgehalten werden, dass der Wortsinn von Art. 27 Abs. 2 TRIPS die Schlussfolgerung erlaubt, dass nach dem Normsinn von Art. 27 Abs. 2 auch Verstösse gegen die öffentliche Ordnung im Zuge der Entstehung einer Erfindung, Patentauschlüsse zu deren Verhinderung zulassen.

Abschliessend gilt es anzumerken, dass selbst wenn man zur Auffassung gelänge, der Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 zufolge des dort verwendeten Begriffs der commercial exploitation, diesem Normsinn entgegenstünde, damit der Diskurs nicht beendet wäre. Zumindest für das schweizerische Recht wurde in BGE 121 II 219 festgehalten, dass wertorientierte Rechtsfindung dazu führen könne, dass selbst ein vordergründig klarer Wortlaut auf dem Analogieweg auf einen davon nicht erfassten Wortlaut ausgedehnt werden könne.

Dies wäre dann ein Fall von Auslegung praeter verba legis, wobei dies bei der Konkretisierung von Generalklauseln insofern weniger bedenklich ist, als dass diese im Ergebnis stets zu eigentlichem Richterrecht führt340.

339 MOUFANG, GRUR int. 1993, S. 446. 340 Vgl. dazu KRAMER, S. 49, insbesondere dessen Ausführungen zur Problematik der Unterscheidung

zwischen Richterrecht und eigentlicher Interpretation bei Generalklauseln.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 134

4. Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS im Lichte des Zieles und Zweckes der Norm

Es war sicherlich nicht das Ziel von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, den WTO-Mitgliedern zu ermöglichen, eigene Patentierungsverbote nach Belieben zu erlassen. Vielmehr war es eines der zentralen Anliegen des TRIPS-Abkommens, die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten daran zu hindern, aufgrund von Eigeninteresse Patentauschlüsse vorzusehen. Patentauschlusstatbestände waren vor der Verabschiedung des TRIPS-Abkommens gerade auf dem Gebiet der pharmazeutischen Produkte, bei der Gen-technik und bei der Nahrungsmittelproduktion weit verbreitet und es war unter an-derem die Absicht des TRIPS-Abkommens, dies zu ändern341. Es war jedoch auch nicht das Ziel des Abkommens, sämtliche Patentauschlüsse zu unterbinden. Insbe-sondere die bewährte europäische Lösung, wonach Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung von der Patentierbarkeit ausgeschlossen bleiben, sollte beibehalten werden können342.

Vor diesem Hintergrund ist das Ziel von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, dass die Mitglied-staaten durch Erlass von Ausschlussbestimmungen sicherstellen können, dass die Kohärenz der Rechtsordnung gewahrt bleibt. Dies ist nicht im absoluten Sinne zu verstehen, wonach keinerlei Widersprüche zu einfachem Gesetzesrecht zu dulden wären. Vielmehr sollten die Mitglieder sicherstellen dürfen, dass keine Rechtsnor-men von tragender Bedeutung durch Patenterteilungen verletzt werden.

Dies ergibt sich u.a. aus dem zweiten Satz von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, wonach ein Patentierungsausschluss nicht schon deshalb vorgenommen werden kann, weil die Verwertung einer entsprechenden Erfindung verboten ist: Es wird eine Unterschei-dung gemacht zwischen der allgemeinen Rechtmässigkeit eines bestimmten Han-delns und der Frage der Patentierbarkeit der entsprechenden Verfahren und Erzeug-nisse. Danach rechtfertigt die Rechtswidrigkeit entsprechender Handlungen oder Erfolge den Ausschluss der Patentierbarkeit noch nicht. Erforderlich ist vielmehr ein enger Zweckzusammenhang, wonach die Verfolgung der besonderen öffentli-chen Interessen über das Verbot entsprechender Tätigkeiten hinausgehend, gerade auch den Ausschluss der Patentierbarkeit erforderlich und notwendig erscheinen lässt343.

Insofern besteht nach der hier vertretenen Auffassung ein Ziel von Art. 27 Abs. 2 TRIPS darin, dass die Mitglieder die Kohärenz der Rechtsordnung zumindest im 341 WTO-Handbuch, S. 590, VON HAHN, S. 150. 342 Vgl. CALAME, S. 72, welcher auch darlegt, dass die letztlich verabschiedete Fassung sich direkt an

Art. 53 lit. a EPÜ anlehnte, auch wenn die Bestimmung nicht wortwörtlich übernommen wurde. 343 WTO-Handbuch, S. 591.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 135

Grundsätzlichen gewährleisten können.

Ein zweites Ziel besteht darin, den Mitgliedern dort eine Möglichkeit zum Aus-schluss der Patentierbarkeit zu gewähren, wo dies zur Gewährleistung der in Art. 27 Abs. 2 TRIPS genannten öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ord-nung oder der guten Sitten (einschliesslich des Schutzes des Lebens oder der Ge-sundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt) notwendig ist.

Diese beiden Ziele konsequent vor Augen zu haben, bedeutet nach der hier vertre-tenen Auffassung jedoch, dass der Anwendungsbereich von Art. 27 Abs. 2 TRIPS den Vertragsstaaten auch erlaubt, sicherzustellen, dass im Zuge der Entwicklung einer Erfindung nicht gegen die öffentliche Ordnung verstossen wird.

Einzig ein solches Normverständnis gewährleistet zuverlässig die Verwirklichung der geschilderten Ziele von Art. 27 Abs. 2 TRIPS.

Eine enge und formalistische Lesart von Art. 27 Abs. TRIPS wonach nur Erfindun-gen, bei denen der Konflikt mit öffentlichen Ordnung direkt durch die kommerzielle Verwertung hervorgerufen wird hätte zur Konsequenz, dass ein Erfinder durch die Verleihung geistiger Eigentumsrechte belohnt wird, obwohl er bei der Entwicklung der Erfindung gegen tragende Grundsätze der Rechtsordnung verstossen hat. Dies wäre insbesondere im Lichte der Ziele von Art. 27 Abs. 2 TRIPS ein unerträglicher Zustand. Es erscheint nur richtig und konsequent, den Mitgliedern zu erlauben, dies durch entsprechende Ausschlusstatbestände zu verhindern.

Gerade auch die Konstellation bei konventionswidrigem Erwerb von genetischen Ressourcen verlangt nach einer Sanktionsmöglichkeit: Das Patenrecht fördert den Innovationswettbewerb, indem es für neue technische Lehren zeitlich limitierte Ausschlussrechte gewährt. Der Innovationswettbewerb setzt voraus, dass die Be-dingungen, unter denen er vonstatten geht, nicht durch ein rechtsethisch in hohem Masse zu missbilligendes Verhalten eines der Beteiligten zuungunsten aller anderen verändert werden kann344. Wenn ein Erfinder sich beim Zugang zu genetischen Ressourcen einen unrechtmässigen Vorteil verschafft, indem der unter Missachtung der Zugangs- und Vorteilsausgleichsvorgaben sich sein genetisches Ursprungsmate-rial konventionswidrig beschafft, muss auch eine patentrechtliche Sanktion zur Ver-fügung stehen. Andernfalls würde man die Interessen aller übrigen Stakeholder in dem Erforschungs- und Nutzungsprozess der genetischen Ressourcen in eklatanter Art und Weise vernachlässigt.

344 MOUFANG, GRUR int. 1993, 446.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 136

5. Auslegung des Begriffs der Verwertung im Lichte späterer Übung bei der Anwendung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS

Es wurde einleitend dargelegt, dass gemäss Art. 31 Abs. 3 WVK bei der Auslegung einer Bestimmung auch jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht, zu berücksichtigen ist. Die Bedeutung der späteren Praxis ergibt sich daraus, dass sie ein gesichertes Indiz darstellt, wie die Parteien den Vertrag einvernehmlich verste-hen und als Recht anwenden. Es braucht dazu kein förmliches Abkommen und die spätere Übung bei der Anwendung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 (b) ist auch dann als Auslegungsfaktor zu betrachten, wenn sich an ihr nicht jeder Vertragsstaat beteiligt hat345.

Prominente Beispiele aus der Praxis der Vertragsanwendung sind im fraglichen Kontext ohne Zweifel die Verabschiedung der EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen346 sowie die Revision des Europäischen Patentübereinkommens347, welche unter anderem erfolgte, um die bestehenden Be-stimmungen des EPÜ TRIPS-konform auszugestalten.

Nachfolgend sind deshalb zuerst Aspekte der EU-RL hinsichtlich möglicher An-haltspunkte für die Bestimmung des Prüfungsgegenstandes von Art. 27 Abs. 2 TRIPS zu untersuchen. Danach ist die Revision des EPÜ einer näheren Betrachtung zu unterziehen.

Bezüglich der EU-RL sind im konkreten Kontext zwei Aspekte von Interesse: Zum einen konkretisiert die EU-RL die Ausschlussklausel von Art. 53 lit. a EPÜ sowie die entsprechenden nationalen Ausschlussklauseln und macht damit konkret Gebrauch von der Möglichkeit von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, Ausschlussbestimmun-gen zu erlassen348. Zum andern regelt Erwägungsgrund 26 der Richtlinie die Frage, ob bei einer Patenterteilung für biologisches Material menschlichen Ursprungs, die Person, bei der Entnahmen vorgenommen werden, die Gelegenheit erhalten haben muss, gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nach erfolgter Information

345 Vgl STRAUS, GRUR Int. 1998, 4, welcher allerdings ergänzt, dass sie von allen Vertragstaaten

akzeptiert worden sein muss, wobei bei Stilschweigen dessen Rechtserheblichkeit zu überprüfen ist. 346 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.7.1998 über den rechtlichen

Schutz biotechnologischer Erfindungen (Amtsblatt Nr. L 213 vom 30.7.1998, 13 ff.). 347 Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches

Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991 (GRUR Int. 2001, 309 ff.), Die Akte kann auch unter dem folgenden Hyperlink abgerufen werden: http://www.european-patent-office.org/epo/dipl_conf/documents_d.htm Diese revidierte Fassung tritt erst zwei Jahre nach der Hinterlegung der 15. Ratifikationsurkunde in Kraft.

348 Vgl. auch Erwägungsgrund 36 der EU-RL, welcher den Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 TRIPS aufnimmt.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 137

freiwillig der Entnahme zuzustimmen. Diese beiden Punkte sind nachfolgend zu betrachten:

a) Die Ausschlussklausel von Art. 6 EU-RL Art. 6 der EU-RL ist als Ausschlussbestimmung formuliert und macht von der Möglichkeit von Art. 27 Abs. 2 TRIPS Gebrauch. Art. 6 EU-RL hat folgenden Wortlaut:

"(1) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Ver-waltungsvorschriften verboten ist.

(2) Im Sinne von Absatz 1 gelten unter anderem als nicht patentierbar: a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; c) die Verwendung von menschli-chen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken; d) Verfahren zur Verän-derung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere."

Diese Bestimmung nimmt kategorisch gewisse Erfindungen von der Patentierbar-keit aus. Abgestellt wird dabei weniger auf den Konflikt zur öffentlichen Ordnung, der aus der Verwertung der Erfindung entstehen kann, als auf den Inhalt der Erfin-dung selber.

So ist beispielsweise, eine Erfindung nicht patentierbar wenn diese menschliche Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken verwendet. Prüfungsge-genstand dieser Auschlussklausel ist offensichtlich nicht die zukünftige Verwertung der Erfindung, sondern der Inhalt der Erfindung selber. Die entscheidende Frage ist, ob die Erfindung Embryonen verwendet oder nicht. Verwendet sie solche, bleibt ein Patent versagt, unabhängig davon, ob auch die Verwertung der Erfindung gegen tragende Grundsätze der Rechtsordnung verstösst oder nicht.

Diese Ausschlussklausel legt somit Art. 27 Abs. 2 TRIPS insofern weit aus, als dass Prüfungsgegenstand nicht die Frage der Zulässigkeit der zukünftige Nutzung der Erfindung ist, sondern der Inhalt der Erfindung selber.

Im Sinne der Berücksichtigung späterer Praxis bei der Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS kann dies zumindest als Indiz für einen weiten Anwendungsbereich der Norm gewertet werden.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 138

b) Informierte Zustimmung bei menschlichem Ursprungsmaterial (Erwägungs-grund 26 der EU-RL)

Die EU-RL enthält neben der dargelegten Konkretisierung der Ausschlussklausel auch einen Erwägungsgrund, der die Frage der Zustimmung bei der Patentierung von menschlichem biologischem Material regelt:

Erwägungsgrund 26 der EU-RL hat folgenden Wortlaut:

"Hat eine Erfindung biologisches Material menschlichen Ursprungs zum Gegenstand oder wird dabei derartiges Material verwendet, so muss bei einer Patentanmeldung die Person, bei der Entnahmen vorgenommen werden, die Gelegenheit erhalten haben, gemäss den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nach Inkenntnissetzung und freiwillig der Entnahme zuzustimmen".

Ursprünglich hatte das Europäische Parlament den Vorschlag gemacht, dieses Prin-zip nicht nur in einem Erwägungsgrund, sondern in der Richtlinie selber zu veran-kern. In der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 16. Juli 1997349 wurde ein Art. 8a Abs. 2 vorgeschlagen. Diese Bestimmung hätte für Erfindungen, die aus biologischem Material menschlichen Ursprungs bestehen oder derartiges Material verwenden, ein Patent nur gewährt, wenn im Patentantrag Name und An-schrift der Ursprungsperson genannt sind und wenn der Antragssteller den Behör-den den Nachweis dafür erbringt, dass die Verwendung des Materials und der An-trag auf Erteilung eines Patents mit freiwilliger und in voller Kenntnis der Sachlage erteilter Zustimmung der Ursprungsperson erfolgt ist350.

Prior informed consent und mutually agreed terms spielen auch hier eine Rolle und sie sollten offenbar konkret als Patentierungsvoraussetzungen ausgestaltet werden. Es lohnt deshalb ein Exkurs in diese Problematik, unter besonderer Berücksichti-gung der Frage, inwiefern dort die Frage der Auslegung des Begriffs der Verwer-tung beantwortet wurde.

Der obige Vorschlag eines Art. 8a Abs. 2 wurde in der Folge von der Kommission abgewiesen. Dies jedoch nicht etwa wegen eines möglichen Verstosses gegen Art. 27 Abs. 2 TRIPS, sondern mit der Begründung, er verstosse gegen die Anfor-derungen hinsichtlich des Schutzes personenbezogenener Daten351.

Nach der Verabschiedung der EU-RL hatte die Niederlande, unter anderem weil

349 Vgl. Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 16. Juli 1997 (ABl. C 286 vom 22.9.1997, S. 87

ff.) 350 A.a.O., S. 100. 351 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den

rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 29.8.1997 (KOM (97) 446 endg.), S. 1.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 139

besagter Art. 8a Abs. 2 endgültig gestrichen worden war, zusammen mit Italien und Norwegen beim Europäischen Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der EU-RL eingereicht352. Vorgebracht wurde, dass die EU-RL gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verstosse, weil sie keine Bestimmung enthalte, welche sicherstelle, dass bei Erfindungen, die biologisches Material menschlichen Ur-sprungs zum Gegenstand haben, die informierte Zustimmung von der Ursprungs-person eingeholt werden müsse.

Der EuGH wies diese Klage ab. Dies unter anderem mit der Begründung dass das Grundrecht auf Unversehrtheit der Person, soweit es im Bereich der Medizin und der Biologie die unbeeinflusste Zustimmung des Spenders und des Empfängers in voller Kenntnis der Sachlage umfasse, nicht gegen eine Richtlinie angeführt werden könne, die sich nur mit der Erteilung von Patenten befasse und deren Anwendungs-bereich sich daher nicht auf Vorgänge vor und nach dieser Erteilung - sei es die Forschung oder die Verwendung der patentierten Erzeugnisse - erstrecke353.

In den Schlussanträgen in diesem Verfahren hatte der Generalanwalt Jacobs erklärt, es sei fundamental, dass die Einwilligung eingeholt werde, das Patentrecht sei je-doch nicht der geeignete Ort sei, dieses Erfordernis zu implementieren und zu überwachen354.

Dieses Urteil und die obigen Ausführungen des Generalanwalts Jacobs, welcher die Europäische Gemeinschaft in diesem Verfahren vertreten hatte, führten zu einer Auseinandersetzung im Schrifttum über die Frage der Notwendigkeit der infor-mierten Zustimmung in diesen Fällen355. Es wurde u.a. dargelegt, dass die Position des Gerichts und des Generalanwalts blosses Lippenbekenntnis sei zur Pflicht die

352 Vgl. Urteil des EuGH vom 9. Oktober 2001, Rechtssache C-377/98. 353 Aufgrund der Konkretisierung von Art. 53 lit. a EPÜ durch die EU-RL erstreckt sich diese nach der hier

vertretenen Auffassung auch auf Vorgänge nach der Patentierung. Dies weil die EU-RL in diesem Zusammenhang die gewerbliche Verwertung gewisser spezifischer Erfindungen als Verstoss gegen die öffentliche Ordnung qualifiziert (vgl. Art. 6 EU-RL).

354 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Francis G. Jacobs vom 14. Juni 2001, Rechtssache C-377/98 Königreich der Niederlande gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union; Generalanwalt Jacobs machte folgende Anmerkung: "Auch wenn das Erfordernis der Zustimmung zu allen potenziellen Verwendungen menschlichen Materials als grundlegend betrachtet werden kann, ist doch meines Erachtens das Patentrecht nicht der angemessene Ort, um ein solches Erfordernis aufzustellen und durchzusetzen. Ein Patent überträgt, wie bereits erörtert, lediglich das Recht, andere an der Verwendung oder sonstigen Nutzung der patentierten Erfindung zu hindern; wie der Patentinhaber diese Erfindung nutzt oder verwendet, ist nicht im Patentrecht geregelt, sondern Gegenstand von Recht und Praxis des betreffenden Staates für diesen Bereich. Auch könnte es in meinen Augen möglicherweise undurchführbar sein, den Nachweis einer solchen Zustimmung - wahrscheinlich über den Grundsatz der guten Sitten - zur Voraussetzung für die Erteilung eines biotechnologischen Patents zu machen."

355 STRAUS, Optionen bei der Umsetzung, S. 47; DOLDER, Mitt. 2003, 349 ff.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 140

informierte Zustimmung bei der Ursprungsperson einzuholen, weil dadurch die Verantwortung für die Kontrolle dieser Pflicht ausserhalb des Patentrechts angesie-delt werde356.

In dieser Diskussion kamen verschiedene Autoren zum Schluss, es liege bei einer Erfindung, welche biologisches Material menschlichen Ursprungs zum Gegenstand habe, eine Erfindung vor, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstösst, sofern keine wirksame Einwilligung des Betroffenen vorliegt357.

Dieser Schluss erfolgte durchaus im Bewusstsein, dass damit die Generalklausel des Art. 53 lit. a EPÜ weit ausgelegt wird. Es wurde ausgeführt, dass selbst wenn die alleinige Verwertung der Erfindung nicht gegen die öffentliche Ordnung verstossen würde, bei einem derart schweren Verstoss gegen subjektive Rechte der Ursprungs-person von einem Nachhall der Verletzung ausgegangen werden müsse, der die Er-teilung eines Ausschlussrechts verhindern würde358.

Es muss allerdings angemerkt werden, dass in dieser Frage keine Einigkeit herrscht. Mit dem expliziten Hinweis auf Art. 27 Abs. 2 TRIPS wurde auch die Position ver-treten, dass man zwar eine Verletzung des Art. 53 lit. a EPÜ auch in sittenwidrigen Umständen des "Zustandekommens" einer Erfindung erblicken könne, jedoch er-fordere deren Ausschluss von der Patentierbarkeit zwingend, dass auch deren ge-werbliche Verwertung, Kommerzialisierung in dem Hoheitsgebiet des betreffenden Staates zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliesslich des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen, verboten oder jeden-falls nicht erlaubt sei359.

Die dargelegte Auseinandersetzung widerspiegelt keine klare spätere Praxis, die konkreten Aufschluss über den Anwendungsbereich von Art. 27 Abs. 2 TRIPS ge-ben könnte. Die dargestellten Positionen zeigen aber, dass in Bezug auf die Ausle-gung des Begriffs der Verwertung von Art. 53 lit. a EPÜ eine Interpretation, welche über den Wortlaut hinausgeht, auf dem Vormarsch ist.

c) Revision des Europäischen Patentübereinkommens Anlässlich der diplomatischen Konferenz vom 20.-29. November 2000 in München wurde die Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer

356 BEYLEVELD/BROWNSWORD, Intellectual Property Quarterly 2003, (1), S. 97. 357 LAUSMANN-MURR, S. 141; KREFFT, S. 106; OHLY, S. 428, CALAME, S. 227. 358 KREFFT, S. 106. Für eine ausführliche Darstellung der Auseinandersetzung vgl. STRAUS, Optionen bei

der Umsetzung, S. 51. 359 STRAUS, Optionen bei der Umsetzung, S. 54.

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 141

Patente (Europäisches Patentübereinkommen) verabschiedet360. Gemäss Ziffer 18 dieser Akte erhält Art. 53 lit. a EPÜ folgende neue Fassung:

"Europäische Patente werden nicht erteilt für:

a) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen würde; ein solcher Verstoss kann nicht allein aus der Tatsache her-geleitet werden, dass die Verwertung in allen oder einigen Vertragsstaaten durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift verboten ist."

Die einzige Änderung welche die Generalklausel des EPÜ bei der Anpassung dieser Norm an die TRIPS Vorgaben erhalten hat, ist diejenige, dass die Veröffentlichung nicht mehr Prüfungsgegenstand ist. Man erachtet es offensichtlich nicht für not-wendig, aufgrund von Art. 27 Abs. 2 TRIPS weitere Änderungen vorzunehmen.

Dies, obwohl gestützt auf den Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 TRIPS vorgebracht wor-den war, dass die Patentierung von Erfindungen nur ausgeschlossen werden könne, wenn sich ein Land der Verwertung solcher Erfindungen verschliesse. Dies mit der Begründung, der Ausschluss von der Patentierbarkeit nach Art. 27 Abs. 2 TRIPS setze eindeutig voraus, dass die gewerbliche Verwertung der betreffenden Erfin-dung in dem fraglichen Mitgliedsstaat zum einen nicht erlaubt sei und zum anderen dies zum Schutz der in Art. 27 Abs. 2 TRIPS näher bestimmten Interessen notwen-dig sei361. Auch findet sich im Schrifttum die Meinung, aus der TRIPS-Formel müsse geschlossen werden, dass ein Vermarktungsverbot eine zentrale Tatbe-standsvoraussetzung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS sei, ansonsten würde das Patentver-bot seine Schutzwirkung verfehlen, da nicht das Immaterialgüterrecht sondern seine Verkörperungen eine Gefahr für den ordre public darstellen würden. Das Pa-tentverbot könne allein den Schutz des ordre public nicht gewährleisten. Hinzutre-ten müsse ein Vermarktungsverbot362.

Diese Meinungen vor Augen, erstaunt es doch ein wenig, dass die diplomatische Konferenz einzig den Prüfungsgegenstand der Veröffentlichung entfernt hat und ansonsten die alttradierte Europäische Generalklausel unverändert im EPÜ belassen hat. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dem Begriff der Verwertung des EPÜ gemäss der vordringenden Meinung der Mehrzahl der Kommentatoren nicht entnommen

360 Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches

Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991 (GRUR Int. 2001, 309 ff.), Die Akte kann auch unter dem folgenden Hyperlink abgerufen werden: <http://www.european-patent-office.org/epo/dipl_conf/documents_d.htm>; diese revidierte Fassung tritt erst zwei Jahre nach der Hinterlegung der 15. Ratifikationsurkunde in Kraft.

361 STRAUS, GRUR Int. 1996, 189. 362 HILF/OETER, S. 455.

2. Teil: Koordination der beiden Abkommen 142

werden kann, dass damit einzig zukünftige Nutzungshandlungen gemeint seien. Der Begriff der Verwertung von Art. 53 lit. a EPÜ wird im Schrifttum von verschiede-nen Autoren als ausreichend weit angesehen, um auch Anmeldungsgegenstände von der Patentierbarkeit auszuschliessen, bei denen sich der Konflikt mit dem ordre public nicht aus der Benutzung selbst ergibt. Eine Anwendung der Ausschlussvor-schrift kommt nach diesen Meinungen auch für solche Erfindungen in Betracht, deren Entstehungsgeschichte durch eine ethisch fragwürdige Vorgehensweise oder durch einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung massgeblich geprägt wurde363.

Auch wenn es Gegenmeinungen zu diesem Verständnis von Art. 53 lit. a EPÜ gibt, so muss doch konstatiert werden, dass bei der Revision des EPÜ offenbar kein Be-dürfnis bestand, klarzustellen, dass zufolge der TRIPS-Bestimmung diese Meinun-gen aufgegeben werden müssten.

Dass dies offensichtlich nicht geschehen ist, kann zumindest als Indiz gewertet werden, dass die Mitgliedstaaten den Begriff der Verwertung des TRIPS-Abkom-mens analog zum Begriff der Verwertung in Art. 53 lit. a EPÜ auslegen.

6. Bedeutung der travaux préparatoires für die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 TRIPS

Eine historische Besonderheit des Verhältnisses von Art. 27 Abs. 2 TRIPS und Art. 53 lit. a EPÜ liegt unbestreitbar darin, dass die TRIPS Norm, welche in gewisser Weise eine Kompetenznorm für Art. 53 lit. a EPÜ darstellt, nicht nur zeitlich nach der Ausschlussklausel des EPÜ Art. 53 lit. a EPÜ entstanden ist sondern überdies in direkter Anlehnung an diese Bestimmung364. Diese Ausgangslage spricht für ein deckungsgleiches Verständnis des Anwendungsbereichs der Normen im Rahmen der jeweiligen Regelwerke. D. Fazit

Die vorliegende Arbeit tritt im Lichte der dargelegten Auslegungsfaktoren dafür ein, dass der Text von Art. 27 Abs. 2 TRIPS weit ausgelegt werden darf. Dement-sprechend ermöglicht die Norm den Vertragsstaaten, Erfindungen, bei welchen be-reits deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht, von der Patentierung auszuschliessen.

Aus teleologischer Sicht kann es nicht darauf ankommen, ob sich der fundamentale Konflikt mit der Rechtsordnung aus der zukünftigen Nutzung der Erfindung ergibt

363 MOUFANG, GRUR int. 1993, 466; CALAME, S. 160; KREFFT, S. 106; LAUSMANN-MURR, S. 142;

BEYLEVELD/BROWNSWORD, S. 51. 364 Vgl. CALAME, S. 74

§ 10 Bestimmung des Inhalts von Art. 27 Abs. 2 TRIPS 143

oder ob dieser Konflikt sich ergibt, weil bei der Entstehung und Erarbeitung der Erfindung gegen die öffentliche Ordnung verstossen wurde.

Dies gebietet die Vorgabe, dass die Rechtsordnung zumindest im Grundsätzlichen kohärent bleibt. Aber auch das Ziel von Art. 27 Abs. 2 TRIPS, wonach den Ver-tragsstaaten dort eine Möglichkeit zum Ausschluss der Patentierbarkeit zu geben ist, wo dies zur Gewährleistung der in Art. 27 Abs. 2 TRIPS genannten öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliess-lich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt notwendig ist, gebietet keineswegs eine enge Auslegung des Begriffes der Verwertung. Im Ge-genteil, es ist nicht einzusehen, weshalb die zu schützenden Güter zum Zeitpunkt der Entstehung der Erfindung keinen Schutz erhalten und dieser erst bei der Ver-marktung einsetzen soll.

Es stellt sich die Frage, ob auch bei einer weiten Auslegung des Textes von Art. 27 Abs. 2 TRIPS für einen TRIPS-konformen Patentierungsausschluss neben dem Verstoss gegen die öffentliche Ordnung im Zuge der Entwicklung der Erfindung gleichzeitig die zukünftige Nutzung der Erfindung verboten sein muss. Nach der hier vertretenen Auffassung führt die weite Auslegung des Textes von Art. 27 Abs. 2 TRIPS dazu, dass es den Vertragsstaaten erlaubt ist, sicherzustellen, dass der Ent-stehungsprozess im Einklang mit der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten ist. Dies mit der Konsequenz, dass Erfindungen, bei welchen im Zuge des Zustande-kommens gegen tragende Grundsätze der Rechtsordnung verstossen wurde, vom Patentschutz ausgeschlossen bleiben, auch wenn die Erfindung für sich alleine ver-wertet werden dürfte oder nicht.

Betrachtet man den gesamten Wortlaut der Norm, so ergibt sich, dass immer dann, wenn die Verhinderung der kommerziellen Verwertung einer Erfindung zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig ist, diese von der Patentierung ausgeschlossen werden darf. Dies Notwendigkeit kann sich ergeben, wenn die Verwertung einer Erfindung gegen die öffentliche Ordnung verstösst, sich kann sich jedoch gleicher-massen ergeben, wenn im Zuge der Entstehung der Erfindung gegen tragende Grundsätze der Rechtsordnung verstossen wurde. Dies gebietet nicht zuletzt die Zielvorgabe des TRIPS-Abkommens selber, wonach geistige Eigentumsrechte ihren Beitrag zur Förderung der technischen Innovation auf eine dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohl zuträgliche Art und Weise leisten sollen. Das Patent-recht muss zur Förderung des fairen Innovationswettbewerbs sicherstellen können, dass nicht diejenigen Erfinder belohnt werden, die sich ihren Vorsprung unter Ver-stoss gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung verschafft hat.

Schlussbetrachtung 144

§ 11 Ergebnis

Die vorbehaltlose Achtung und der unbedingte Respekt der Souveränität der Res-sourcenrechte der Ursprungsländer sowie die Einhaltung der Zugangs- und Vor-teilsausgleichsbestimmungen gehören zur öffentlichen Ordnung.

Der Text von Art. 27 Abs. 2 TRIPS erlaubt nicht nur, Erfindungen von der Patentie-rung auszuschliessen bei denen sich der Konflikt mit der öffentlichen Ordnung aus deren zukünftigen Verwertung ergibt, sondern die Norm ermöglicht auch, Erfin-dungen von der Patentierung auszuschliessen, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht.

Es darf somit im Zusammenhang mit der Frage der TRIPS-Kompatibilität neuer Offenlegungspflichten argumentiert werden, dass diese neuen Offenlegungspflich-ten, ausgestaltet in der Form der Nachweisoption oder der Veröffentlichungsoption, nicht gegen die Vorgaben des TRIPS-Abkommens verstossen, weil diese Offenle-gungspflichten den Spielraum von Art. 27 Abs. 2 TRIPS nutzen, indem sie versu-chen sicherzustellen, dass keine Patente erteilt werden für Erfindungen, welche un-ter Missachtung der durch die CBD gewährleisteten Ressourcenrechte entstanden sind.

Die umstrittenen Offenlegungspflichten stellen deshalb weder neue substantielle Patentfähigkeitsvoraussetzungen dar (bei der Nachweisoption) noch unangemessene neue formelle Pflichten (bei der Veröffentlichungsoption) sondern zulässige Massnahmen, die das durchaus TRIPS-konforme Ziel haben, Erfindungen, die biodiversitätskonventionswidrig zustandegekommen sind, von der Patentierbarkeit auszuschliessen.

Schlussbetrachtung 145

Schlussbetrachtung

Es besteht ein internationaler Konsens, dass die Bestimmungen der Biodiversi-tätskonvention und des TRIPS-Abkommens in einer sich gegenseitig unterstützen-den Art und Weise implementiert werden sollen.

Ein Aspekt wie das TRIPS-Abkommen die Ziele der CBD unterstützen kann ist, den Vertragsstaaten zu ermöglichen, sicherzustellen, dass keine patentrechtlichen Ausschlussrechte für Produkte oder Prozesse, die auf genetischen Ressourcen basie-ren, gewährt werden, ohne dass geklärt ist, ob der Anmelder die relevanten Zu-gangs- und Vorteilsausgleichsbestimmungen eingehalten hat. Dies umso mehr, als es sich beim Patentrecht um ein Institut handelt, welches sich an einer Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gemeinwohl befindet365 und es heute allgemein aner-kannt ist, dass, auch wenn es sich beim Patentschutz in erster Linie um ein techno-logie- und wirtschaftspolitisches Instrument handelt, dieses Institut des Patentrechts als Teil der geltenden Rechtsordnung nicht wertneutral sein kann366.

Im Zusammenhang mit dieser Sicherstellung bestehen auf breiter internationaler Ebene konkrete Bestrebungen, neue Offenlegungspflichten in den Patentgesetzen zu implementieren. Im Vordergrund steht die Forderung, dass ein Patentanmelder hin-sichtlich seiner Erfindung die Quelle jeglichen genetischen Materials, welches in der beanspruchten Erfindung verwendet wurde, offenbaren soll. Der Lösungsvor-schlag der Schweiz und die neuen Ansätze in der EU sind diesbezüglich hervorzu-heben. Weitere Offenlegungspflichten, welche vor allem von den Geberländern zu-sätzlich gefordert werden, sind, dass der Erfinder den Nachweis erbringt, dass er beim Zugang die vorherige, auf Kenntnis der Sachlage gegründete und informierte Zustimmung durch die zuständige nationale Behörde des Herkunftslandes eingeholt hat (prior informed consent - PIC) und dass er nachweist, dass er eine einvernehm-liche Regelung über die Aufteilung der Vorteile, welche sich aus der Nutzung der Ressourcen ergeben (mutually agreed terms – MAT), mit dem Ursprungsland ge-troffen hat.

Das TRIPS-Abkommen läuft den Zielen der CBD zuwider, wenn es bei der Gewäh-rung geistiger Eigentumsrechte für Erfindungen, die auf genetischen Ressourcen basieren, verhindert, dass bei der Patentanmeldung sichergestellt werden kann, dass der Zugang konventionskonform erfolgt ist. Es besteht in diesem Fall ein echter völkervertraglicher Normenkonflikt. 365 Vgl. Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 21. Februar 1995,

"Pflanzenzellen/PLANT GENETIC SYSTEM", GRUR Int. 1995, 979. 366 STRAUS, Optionen bei der Umsetzung, S. 29.

Schlussbetrachtung 146

Ausgehend von dieser Ausgangslage wurde Art. 27 Abs. 2 TRIPS als mögliche Brücke zwischen den beiden Abkommen ins Auge gefasst und folgende These ent-wickelt:

Neue Offenlegungspflichten, ausgestaltet in der Form der Nachweisoption oder der Veröffentlichungsoption, verstossen nicht gegen die Vorgaben des TRIPS-Abkom-mens, weil diese zusätzlichen Offenlegungspflichten weder neue substantielle Pa-tentierungserfordernisse darstellen, noch unangemessene formelle Pflichten sind. Vielmehr nutzen diese Offenlegungspflichten den Spielraum von Art. 27 Abs. 2 TRIPS indem sie sicherzustellen versuchen, dass keine Patente erteilt werden für Erfindungen, welche unter Missachtung der durch die CBD gewährleisteten Res-sourcenrechte entstanden sind. Demnach stellen neue Offenlegungspflichten Mass-nahmen dar, die das Ziel haben, Erfindungen, die unter Missachtung der geltenden Ressourcenrechte zustandegekommen sind, von der Patentierbarkeit auszuschlies-sen. Massnahmen, die gestützt auf Art. 27 Abs. 2 TRIPS zulässig sind, weil diese Norm nicht nur den Ausschluss von Erfindungen ermöglicht, wenn die Verhinde-rung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öffent-lichen Ordnung notwendig ist, sondern auch den Ausschluss von Erfindungen zu-lässt, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht.

Die Problematik dieser These liegt darin, dass sie von zwei zentralen Prämissen ausgeht:

Zum einen geht sie davon aus, dass die vorbehaltlose Achtung und der unbedingte Respekt der Souveränität der Ressourcenrechte der Ursprungsländer zur öffentli-chen Ordnung gehören. Die Untersuchung dieser Prämisse zeigte, dass diese Posi-tion wohlbegründet ist.

Die zweite Prämisse der These geht davon aus dass Art. 27 Abs. 2 TRIPS nicht nur erlaubt, Erfindungen von der Patentierung auszuschliessen bei denen sich der Kon-flikt mit der öffentlichen Ordnung aus deren zukünftigen Verwertung ergibt, son-dern dass diese Bestimmung insofern weit auszulegen ist, als es auch erlaubt sein soll, Erfindungen von der Patentierung auszuschliessen, deren Entstehungsprozess in Konflikt mit der öffentlichen Ordnung steht.

Die Untersuchung dieser Prämisse hat aufgezeigt, dass es richtig ist, den Text von Art. 27 Abs. 2 TRIPS weit auszulegen.

Betrachtet man den gesamten Wortlaut der Norm, so ergibt sich, dass immer dann, wenn die Verhinderung der kommerziellen Verwertung einer Erfindung zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig ist, diese von der Patentierung ausgeschlossen werden darf. Dies Notwendigkeit kann sich ergeben, wenn die Verwertung einer Erfindung gegen die öffentliche Ordnung verstösst, sich kann sich jedoch gleicher-

Schlussbetrachtung 147

massen ergeben, wenn im Zuge der Entstehung der Erfindung gegen tragende Grundsätze der Rechtsordnung verstossen wurde. Dies gebietet nicht zuletzt die Zielvorgabe des TRIPS-Abkommens selber, wonach geistige Eigentumsrechte ihren Beitrag zur Förderung der technischen Innovation auf eine dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohl zuträgliche Art und Weise leisten sollen. Es leuchtet ein, dass es zum Schutze dieses Ziels von TRIPS dringend notwendig ist, dass das Patentrecht, welches den Innovationswettbewerb fördern soll, nicht denjenigen Er-finder belohnen darf, der sich seinen Vorsprung unter Verstoss gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung verschafft hat367. Andernfalls würde man die Interes-sen aller übrigen am Forschungs- und Innovationsprozess Beteiligten kompromittie-ren. Der Wortsinn von Art. 27 Abs. 2 TRIPS erlaubt somit die Schlussfolgerung, dass nach dem Normsinn von Art. 27 Abs. 2 TRIPS auch Verstösse gegen die öffentliche Ordnung im Zuge der Entstehung einer Erfindung, Patentauschlüsse zu deren Verhinderung zulassen.

Aus teleologischer Sicht ist weiter anzumerken, dass es nicht darauf ankommen kann, ob sich der fundamentale Konflikt mit der Rechtsordnung aus der zukünftigen Nutzung der Erfindung ergibt oder ob bei der Entstehung und Erarbeitung der Er-findung gegen die öffentliche Ordnung verstossen wurde. Das Ziel von Art. 27 Abs. 2 TRIPS ist es, den Vertragsstaaten dort zu ermöglichen, Erfindungen von der Pa-tentierbarkeit auszuschliessen, wo dies zur Gewährleistung der in Art. 27 Abs. 2 TRIPS genannten öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschliesslich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer schweren Schädigung der Umwelt notwendig ist. Dieser Zweck gebietet keineswegs eine Beschränkung der Norm auf einen Konflikte mit der öffentlichen Ordnung erst zum Vermarktungszeitpunkt. Im Gegenteil, es ist nicht einzusehen, weshalb die zu schützenden Güter zum Zeitpunkt der Entstehung der Erfindung keinen Schutz erhalten sollen und dieser erst bei der Vermarktung einsetzen soll.

Für eine weite Auslegung der Norm spricht schliesslich das Gebot, dass die Rechts-ordnung zumindest im Grundsätzlichen kohärent bleibt.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass in der Auseinandersetzung um neue Offenlegungs-pflichten mit guten Gründen argumentiert werden kann, dass Art. 27 Abs. 2 TRIPS eine neue Möglichkeit eröffnet, das TRIPS-Abkommen und die Biodiversitätskon-vention inhaltlich zu koordinieren. Diese Koordination ermöglicht den Vertrags-staaten, patentrechtliche Offenlegungspflichten zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben der Biodiversitätskonvention einzuführen, ohne dabei die TRIPS- 367 MOUFANG, GRUR int. 1993, S. 446.

Schlussbetrachtung 148

Vorgaben zu verletzen. Auf diesem Weg können die beiden Regelwerke von den Vertragsstaaten in einer sich wechselseitig unterstützenden Art und Weise umge-setzt werden.

149

Lebenslauf Christian von Wartburg, geb. 2.8.1967 Ausbildung

1974 - 1978 Besuch der Primarschule in Riehen bei Basel

1978 - 1983 Besuch des Gymnasiums Bäumlihof in Basel

1983 - 1984 Highschool in Canton, Ohio, USA Schüleraustauschjahr organisiert durch das Rotary Youth Exchange Program

1986 Maturitätsabschluss am Gymnasium Bäumlihof; Typus B 8

1986 Besuch der Schule für italienische Sprache, und Kultur "Società Dante Alleghieri" in Bologna, Italien

1987 Rekrutenschule

1987 - 1993 Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Genf und Basel

1993 Lizenziat der Rechtswissenschaften an der Universität Basel

1997 Anwaltsexamen im Kanton Baselland

2006 Abschluss Doktorandenstudium an der Universität St. Gallen Berufliche Erfahrungen

1992 Zusammenstellung einer Dokumentation bezüglich der Problematik der "Patentierung von Leben" im Auftrag der Ciba-Geigy AG

1995 Mitbegründer einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zum Thema Gentechnik

1995 Praktikum am Bezirksgericht Sissach

1995 - 1996 Anwaltspraktikum

1997 Advokaturbüro Janiak, Freivogel und Schweighauser

2002 Partner Advokaturbüro Janiak, Freivogel, Schweighauser und von Wartburg

2006 Präsident der Fachgruppe Strafrecht der Advokatenkammer Basel-Stadt

2006 Vorstand DJS Basel