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Humangenetik 1,337--353 (1965) Aus dem Institut ffir Anthropologie und Humangenetik der Universit~t Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. F. VOGI~r.) und der Medizinischen Universit~ts-Poliklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. H. PLffGGS) Dominant erbliche Brachydaktylie mit Gelenksaplasien* Von W. FUnRMANN, Ch. STEFFENS, G. SCHW'ARZEnd A. WAGNER Mit 10 Textabbildungen (Eingegangen am 29. Januar 1965) Report of a syndrome consisting of hypo- and aplasia of several phalanges of fingers and toes, hypo- and aplasia of interphalangeal joints, synostoses of carpal and tarsal bones, and dysplasia of the cubital joints. The anomalies could be observed through three generations with regular manifestation. Specific patterns of dermatoglyphics were examined and compared with those described by DEGENttAI~DTand GEIPEL in a similar malformation syndrome and with observations in children with exogenous skeletal defects. The relationship of the malformations seen in this family to other known syndromes and our knowledge of the inheritance of such malformations are discussed. Es wird fiber ein Fehlbildungssyndrom mit Hypo- End Aplasie zahlreicher Phalangen an Fingern End Zehen, Hypo- End Aplasie zahlreicher Interphalangalgelenke, Synostosierung im Hand- End Fugwurzelbereich End Dysplasie im Bereich der Ellenbogengelenke berichtet, das in einer Sippe in drei Generationen in konstanter Ausprggung beobachtet werden konnte. Be- sonderheiten im Papillarleistenmuster yon Fingerbeeren, Handfliichen, Zehenbeeren End FuB- flgchen werden den von D~GE~-~ARDTU. GEIPEL bei einem ghnliehen Fehlbildungssyndrom diskutierten gegenfibergestellt. Die M5glichkeit einer Zuordnung der bier beobaehteten Sonderform zu bereits bekannten Syndromen End die Vorstellungen fiber die Erbgrundlagen dieser Fehlbildungen werden dis- kutiert. DEGENItARDT U. GEIPEI5 beschrieben 1954 eine Sippe mit dominant erblieher Perodaktylie bzw. IIypoplasie End Aplasie mehrerer Phalangen an Fingern End Zehen. Gleichzeitig fand sich Aplasie mehrerer Interphalangealgelenke. Die bevor- zugte Reihenfolge der Anomaliegrade der Fingerzah]en Each zunehmender Schwere geordnet war 3--2--4--5, seltener 2--3--4--5, 3--2--5--4 oder aueh 3--4 5--2, allgemein also ein l~berwiegen der ulnaren Strahlen in der geduktion der distalen Anteile. Das Merkmal konnte bei 28 Personen in vier Generationen festgestellt End bei 9 n/iher untersucht werden. Es zeigte hohe Penetranz bei variabler Expressiviti~t. Sehr regelm£gig waren Itypophalangie, tIypo- End Aplasien yon Mittel- End Endphalangen. Die Fehlbildungen waren an den oberen Extremit£ten st/irker ausgebi]det als an den unteren. Die Daumenendphalanx wies mehrfach versehiedene Grade yon Ubersehul3bildung End Verdoppelungs- tendenz auf. Weiterhin bestand bei einigen Probanden eine Mikrognathie. Die Autoren wiesen besonders auf bestimmte auff/~llige Veranderung des Hautleistenbildes an Fingern End Zehen hiE, die abet als zumeist sekundgr auf- * Herrn Professor Dr. Dr. h. c. HANs NAeHTSHEB~ zum 75. Geburtstag gewidmet.

Dominant crbliche Brachydaktylie mit Gelenksaplasien

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Humangenetik 1,337--353 (1965)

Aus dem Institut ffir Anthropologie und Humangenetik der Universit~t Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. F. VOGI~r.) und der Medizinischen Universit~ts-Poliklinik Heidelberg

(Direktor: Prof. Dr. H. PLffGGS)

Dominant erbliche Brachydaktylie mit Gelenksaplasien*

Von

W. FUnRMANN, Ch. STEFFENS, G. SCHW'ARZ End A. WAGNER

Mit 10 Textabbildungen

(Eingegangen am 29. Januar 1965)

Report of a syndrome consisting of hypo- and aplasia of several phalanges of fingers and toes, hypo- and aplasia of interphalangeal joints, synostoses of carpal and tarsal bones, and dysplasia of the cubital joints. The anomalies could be observed through three generations with regular manifestation.

Specific patterns of dermatoglyphics were examined and compared with those described by DEGENttAI~DT and GEIPEL in a similar malformation syndrome and with observations in children with exogenous skeletal defects. The relationship of the malformations seen in this family to other known syndromes and our knowledge of the inheritance of such malformations are discussed.

Es wird fiber ein Fehlbildungssyndrom mit Hypo- End Aplasie zahlreicher Phalangen an Fingern End Zehen, Hypo- End Aplasie zahlreicher Interphalangalgelenke, Synostosierung im Hand- End Fugwurzelbereich End Dysplasie im Bereich der Ellenbogengelenke berichtet, das in einer Sippe in drei Generationen in konstanter Ausprggung beobachtet werden konnte. Be- sonderheiten im Papillarleistenmuster yon Fingerbeeren, Handfliichen, Zehenbeeren End FuB- flgchen werden den von D~GE~-~ARDT U. GEIPEL bei einem ghnliehen Fehlbildungssyndrom diskutierten gegenfibergestellt.

Die M5glichkeit einer Zuordnung der bier beobaehteten Sonderform zu bereits bekannten Syndromen End die Vorstellungen fiber die Erbgrundlagen dieser Fehlbildungen werden dis- kutiert.

DEGENItARDT U. GEIPEI5 beschr ieben 1954 eine Sippe mi t d o m i n a n t erbl ieher Pe rodak ty l i e bzw. I Iypop las i e End Aplas ie mehrere r Pha langen an F ingern End Zehen. Gleichzeit ig fand sich Aplas ie mehrere r In te rpha langea lge lenke . Die bevor- zugte Reihenfolge der Anomal i eg rade der F ingerzah]en Each zunehmender Schwere geordne t war 3 - - 2 - - 4 - - 5 , sel tener 2 - - 3 - - 4 - - 5 , 3 - - 2 - - 5 - - 4 oder aueh 3 - - 4 5 - -2 , al lgemein also ein l~berwiegen der u lnaren S t rah len in der g e d u k t i o n der d is ta len Antei le . Das Merkmal konn te bei 28 Personen in vier Genera t ionen fes tgeste l l t End bei 9 n/iher un te r such t werden. Es zeigte hohe Pene t r anz bei va r iab le r Expressivit i~t . Sehr regelm£gig waren I t ypopha l ang i e , t I y p o - End Aplas ien yon Mittel- End Endpha langen . Die Feh lb i ldungen waren an den oberen E x t r e m i t £ t e n st / i rker ausgebi]det als an den unteren . Die D a u m e n e n d p h a l a n x wies mehr fach versehiedene Grade yon Ubersehul3bi ldung End Verdoppelungs- tendenz auf. We i t e rh in bes t and bei einigen P r o b a n d e n eine Mikrognathie .

Die Au to ren wiesen besonders au f be s t immte auff/~llige Veranderung des Hau t l e i s t enb i ldes an F inge rn End Zehen hiE, die abe t als zumeis t sekundgr auf-

* Herrn Professor Dr. Dr. h. c. HANs NAeHTSHEB~ zum 75. Geburtstag gewidmet.

338 W. FUHR~iNN, CH. STEFFENS, G. ScIvwA~z und A. WAGNE~:

geraint wurden. Das typisehe Mfl~bildungsmuster mit unterschiedlichem Schwere- grad der Merkmalsauspriigung in typiseher Reihenfolge lieB die Autoren bei dieser Familie an ein besonderes, genetisch selbsti~ndiges Syndrom denken, eine Auf- fassung, die auch yon GREBE (1964) vertreten wird.

i I I I I ~r Oz Oa Os 0~ O~ 8

i-1 x n 3 0 j I1~ n~-08 n7 ID8 1-18 Abb . 1. S t a m m b a u m tier Fami l ie St.

OI 7

Wir hat ten ki~rzlich Gelegenheit, Mutter und 8ohn aus einer Sippe mit sehr ghnliehen Fehlbildungen genauer zu untersuehen. Der k]inisehe Eindruck der Fehlbildungen ffihrte uns zungchst zu der Annahme, dal~ wir bier ein anderes Beispiel des yon DEGENKARDT U. GEIPEL beschriebenen Mfl~bildungstypus vor uns hgtten. Bestgrkt wurde diese Auffassung dadurch, dab auch die Tastleistenmuster charakteristisehe Besonderheiten aufwiesen, wie sie diese Autoren beschrieben hatten.

Die yon uns beobachtete Familie ist deutseher Abkunft und war bis 1956 in Jugoslawien ansgssig. Ffir Blutsverwandtenehen land sich kein Anhaltspunkt. Den S tammbaum gibt die Abb. i wieder.

i b b . g. L i ch tb i l d des Va te r s (II , 3) der P r o b a n d i n M. St. ( I I I , 6), der ebenfal ls a n be iden H&nden die Mi~b i ldung e r k e n n e n lgi~t (al te A u f n a h m e , s t a r k vergrSt~ert)

Der erste bekannte Merkmalstrgger ist der 1889 geborene und 1945 gestorbene Vater der Probandin. Die Fehlbildung an den Hgnden dieses Mannes ist auf einem alten Fami]ienphoto deut]ieh erkennbar (vgl. Abb. 2). Naoh den Angaben der Probandin waren die weiteren Vorfahren und Geschwister dieses Mannes gesund, so dab an eine Neumutat ion zu denken ist. Die Weitergabe des Merkmals ent-

Dominant erbliehe Braehydaktylie mit Gelenksaplasien 339

sp r i ch t m o n o m e r a u t o s o m a l d o m i n a n t e m E r b g a n g m i t ye l l e r P e n e t r a n z . N u r die

P e r s o n e n I I I , 6 u n d I V , 4 k o n n t e n k l in i seh u n d r 6 n t g e n o l o g i s c h u n t e r s u e h t werden .

I m e inze lnen w u r d e n fo lgende B e f u n d e e r h o b e n :

,3I. St. (III~ 6)" Bei der 52jghrigen Frau war wegen einer Polyposis eine subtotale Nagen- resektion durchgefiihrt worden. Wegen einer sieh im AnschluB daran entwiekelnden perni- eiosiformen, hyperehromen Angmie kam sie jetzt in poliklinisehe Behandlung.

Abb. 3a u. b. Hgnde der Probandin M. St. Die Streckseiten lassen sowohl die Hypoplasie der Fhlger~ glieder als auch der Fingernfigel erkennen

Sie zeigte die folgenden Fehlbildungen:

Hiinde (Abb. 3): Hypoplasien aller flint Finger beiderseits mit stgrkstem Befall der ulnaren StraMen. Die Daumen waren beiderseits verkiirzt, die Beugefurehen des Interphalangeal- gelenkes I sind nur angedeutet. Die Endphalanx I i s t nicht verbreitert. Beide Zeigefinger sind im proximalen Interphalangealgelenk versteift. Die diesem Gelenk entsprechenden dorsalen Beugefalten fehlen, velar sind sie angedeutet. Die distalen Interphalangealgelenke sind be- weglioh. Die Endglieder sind beiderseits verkiirzt mit Hypoplasie des Nagels. Der Befund der Mittdfinger entspricht dem weitgehend, nur ist die Hypoplasie der Endphalanx weniger aus- gesproehen.

Der vierte Finger reehts zeigt ebenfalls Versteifung des proximalen InterI0halangeal- gelenkes. Die hypoplastisehe Endphalanx ist naeh radial abgewinkelt und versteift. Von den Beugefurehen ist nur im Bereich des distalen Interphalangealgelenks auf der Volarseite eine Andeutung erhalten.

Linksseitig ist anstelle des Ringfingers nut ein kurzer, etwa der Grundphalanx entspre- ehender Fingerstummel ohne Nagel vorhanden, der im Grundgelenk beweglioh ist. Der fiinfte Finger erscheint beiderseits verkiirzt und zweigliedrig mit eingeschrgnkter Beugefghigkeit.

Die Bewegliehkeit der Hand im Handgelenk war vermindert. Im Ellenbogengelenk waren die Streckung und die Supination eingeschrgnkt, und zwar links stgrker als reehts.

Yiifle (Abb. 4a u. b): Die dritten bis fiinften Zehen waren beiderseits stark hypoplastisoh mit stgrkstem Befall der dritten und vierten Zehe. Die erste und zweite Zehe zeigten fast nor- male Lgnge. Die proximalen Interphalangealgelenke der zweiten Zehen waren versteift. Die dritten und vierten Zehen zeigten keine Nggel, die fiinften Zehen trugen nur rudimentgre Zehennggel.

340 W. FUttRMANN, CH. STEFFE:NS, G. ScHWAlCz und A. W~G~v~:

RSntgendarstellung des Handskelets gibt die Abb. 5 a wieder. Im einzelnen ergab der Be- fund:

Die Metacarpalia I sind beiderseits verkiirzt, das linke erscheint etwas verplumpt. Die Metacarpalia I I - - V sind normal lang und proportioniert, die GelenkkSpfchen zeigen eine re- la t iv flache Rundung. Am ersten Fingerstrahl sind Grund- und Endglieder links etwas kleiner als rechts, sonst aber gehSrig gestaltet. Am zweiten und dr i t ten Fingerstrahl besteht eine

Abb. 4 a--d. Ffil~e der Probandin l~I. St. (a u. b) uud ihres Sohnes A. St. (c u. d) mit deutlicher ttypoplasie der fibularen Zehen

Synostose zwischen Grund- und Mittelglied. In dem Bereich, in dem der Gelenkspalt zu er- warten w~re, ist die Knochens t ruktur fiber einen Abschni t t yon ca. 1 cm feinmaschig aufge- lockert, die Konturen laden etwas aus. Eine Compacta stellt sich hier n icht dar, w~thrend sie proximal und distal davon die Diaphysen in typischer Weise manschet tenar t ig umglbt. Die Gesamtl~nge des dr i t t en Fingerstrahles erscheint regelrecht, w~hrend der zweite Fingerstrahl infolge einer Verkfirzung des Abschnittes, der dem Mittelglied entspr~che, hinter der erwar- te ten Normall~nge zuriickbleibt. Die Ge]enkk5pfchen sind etwas verbrei ter t und abgeflacht. Die Endglieder zeigen normale Form und GrSBe. Geringgradige arthrotische Ausziehungen an den Gelenkflgchen der Endglieder. Am vierten Fingerstrahl bes teht rechts auch eine Synostose zwischen Grund- und Mittelglied, der distale Abschnit~ t r~gt hier aber keine Compacta-Mun- schette. Es besteht eine ziemlich gleichf6rmige, feinporige Knochenst ruktur . Das distale Ende

Dominant erbliche Brachydaktylie mit Gelenksaplasien 341

ist koniseh gestaltet, eine riehtige Gelenkfl~ehe ist nicht ausmodelliert. Das Endglied ist etwas verkiirzt und nach ventral subluxiert. An der linken Hand ist yore vierten Stmhl nut das Grundgtied in normaler L~nge angelegt. Es weist an seinem distalen Ende einen 4 mm langen,

Abb. 5 a u. b. RSntg'endurstellung der II~nde der Probandin 5[. St. (a) trod ihres Sohnes A. St. (b)

zapfenartigen Fortsatz auf. Vom fiinften Fingerstrahl sind beiderseits die Grundglieder in normMer L~nge angelegt. Das Gelenkk6pfehen ist naeh ulnar abgesehr~tgt, so dab die Aehse des distalen Skeletelementes nach ulnar abweieht. Mittel- und Endglied bilden am fiinften Strahl ein gemeinsames Skeletelement yon kegelf6rmiger Gestalt, das gegen/iber der Summe zweier normMer Glieder deutlich verkiirzt ist.

342 W. FUHI~ANN, CH. STEFFENS, G. SCIIWARZ und A. WAGNEE:

Beurteilung: Perodaktylie (Fehlen des Mittel- und Endgliedes IV links). Assimilations- hypophalangie (Grund- und Mittelglied) des zweiten und vierten Fingers rechts und zweiten und dritten Fingers links sowie des Mittel- und Endgliedes des fiinften Fingers beiderseits. Subluxation des Endgliedes des vierten Fingers rechts. Brachymetacarpie I beiderseits.

Handwurzel: Die proxima]e Handwurzelreihe ist links regelreeht angelegt. Anstelle der distalen Handwurzelknochen finden wir einen 31/2 zu 2 em messenden Knochen etwa in der

Form eines auf dem Kopf stehenden Dreiecks. Er diirfte durch Synostose der Anlagen fiir Multangulum minus, Ca- pitatum und Hamatum ent- standen sein. Der Hamu]us ossis hamati stellt sich breit- basig und plump dar. Das Multangulum majus ist mit der Basis des Metacarpale I synostosiert. Rechts sind yon der proximalen Handwurzel- reihe nur Naviculare, Luna- tum und Pisiforme als freie Skeletelemente vorhanden. Der Raum der distalen Hand- wurzelknoehen wird yon el- hem solitaren Skeletelement eingenommen, in dessen ulna- ten Abschnitt wohl auch die Anlage des Triquetrum mit einbezogen zu sein scheint. Zwischen der Capitatum- und Hamatumanlage besteht proximal zwar eine Einker- bung, doch zieht nach der Ubersichtsaufnahme dieser Spalt nicht durch den ganzen Knochen. Neben dam Hamu- lus ossis hamati bildet sich noch ein erbsgroBes accesso- risches Skeletelement ab, des- sen genaue Zuordnung auf der [_?bersichtsaufnahme jedoch nicht mSglich ist. Das Multan- gulum majus ist wie auf der linken Seite mit dem Meta-

Abb. 6 a u. b. RSntgendarstellung tier FiiBe der Probandin IV[. St. (a) carpale I synostosiert. mad ihres Sohnes A. St. (b) Die distalen Radius- und

Ulnaepiphysen sind an der einander zugekehrten Seite hypoplastisch, die Gelenkflachen daher starker abgeschr~gt. Ein Processus styloides ulnae ist nieht ange]egt.

Beurteilung: Synostose des Multangulum minus, Capitatum und Hamatum ]inks sowie zwischen Multangulum minus, Capitatum, I-Iamatum und Triquetrum rechts. Das Multan- gulum majus ist auf beiden Seiten mit der Basis des Metacarpale I synostosiert.

Ellenbogen: Der Condylus radialis des Humerus ist beiderseits hypoplastisch. Im seitliehen Bild fallt auf, daBdas dista]eHumerusendedie physiologischeAbknickung nach ventral vermissenli~Bt. Die Ulna weicht beiderseits im Sinne einer Cubitus valgus-Stellung nach radial ab. Das proximale Ende ist kr£ftig gestaltet.Die Incisura semilunaris zeigt in der Mitre eine kleine Stufe.Der Radius ist beiderseits naeh ventral luxiert, das Radiusk5pfchen stemmt sich gegenden Condylus radi- alis humeri und hat auf der rechten Seite dort zu einer Pseudopfannenbildung AnlaB gegeben.

Dominant erbliehe Brachydaktylie mit Gelenksaplasien 343

Beurteilung: Congenitale ventrale Radiusluxation, Cubitus valgus, Ellenbogengelenks- dysplasie (PFEIF~E~).

Fi~[3e (Abb. 6 a) : Grund- und Endglied des ersten Zehenstrahles sind regelrecht. Am zweiten Zehenstrahl ist es zur Synostose zwischen dem normal langen und gehSrig gestalteten Grund- glied und einem rudiment/iren, 8 mm langen Mittelglied gekommen. Das Endglied ist klein und normal gestaltet. Vom dritten und vierten Strahl sind beiderseits nur die normal geformten Grundglieder angelegt. Am fiinften Zehenstrahl besteht eine Synostose zwischen den rudimen- t/~ren Mittel- und Endgliedern. Das Metatarsale I I I ist auf beiden Seiten hypoplastisch. Die Basen der sonst unauff/illigen iibrigen Metatarsalia sind mit den angrenzenden Cuneiformia bzw. dem Os euboideum synostosiert. Auch im Bereieh der proximalen FuBwurzelknochen feMen einige Interarticularspalten, doch sind die Verh/iltnisse auf der Ubersichtsaufnahme nicht ausreichend zu fibersehen.

Beurteilung: Perophalangie (vom dritten und vierten Zehenstrahl nur Grundglied an- gelegt) und Assimilationshypophalangie (II = Grund- und Mittelglied, V -- Mittel- und End- glied assimiliert). Ausgedehntere Synostosierung zwisehen den FuBwurzelknochen.

A. St. (IV, 4 ) : D e r 12j/ ihrige S o h n der P r o b a n d i n w a r a l t e r s e n t s p r e c h e n d ent -

w icke l t u n d v o n n o r m a l e r GrSl3e. E i n e B l u t b i l d k o n t r o l l e e rgab n o r m a l e Be funde .

Hgnde (Abb. 7): Alle Finger beider Hgnde lieBen ttypoplasien versehiedener Ausprggung erkennen. Bei beiden Daumen ersehienen vor allem die Endglieder verkiirzt und die Beweg- liehkeit eingeschr/~nkt. Beim Zeigefinger war beiderseits das Endglied stark hypoplastisch, nut

Abb. 7a u. b. H~mde des Sohnes A. St. Bezfiglich tier Hypoplasie der Fingerglieder ergibt sich ein ~thnliches Bfld wie bei der Mutter

reehts waren die Beugefalten des distalen Interphalangealgelenkes erkennbar, die Beweglich- keit dieses Gelenkes war stark vermindert. Das distale Interphalangealgelenk des linken Zeige- fingers war ebenso wie die proximalen Interphalangealgelenke beiderseits versteift. Die Mittel- finger zeigten beiderseits versteifte proximale Interphalangealgelenke bei erhaltener Beweg- lichkeit der distalen Interphalangealgelenke. Die proximalen Interphalangealgelenke der vier- ten Finger beiderseits waren versteift und ohne erkennbare Beugefurchen, links erfolgte in] Bereieh dieses Gelenkes eine Abwinkelung naeh radial. Am versteiften distalen Interphalangeal- gelenk war links keine Beugefurche erkennbar, reehts waren die Beugefalten erhalten, das Endglied dabei scharf nach radial abgeknickt. Der fiinfte Finger war reehts zweigliedrig und verkiirzt, links fand sich bei plumper Grundlohalanx ein nur rudiment~res Endglied.

Humangenetik, Bd. 1 24

344 W. FVn~MANN, Cm STIFFENS, G. SC~WA~Z und A. WXGNnR:

Im ]~ereich des Handgelenkes und im Ellenbogengelen]c war die Beweglichkeit in ~hnlicher Weise wie bei der Mutter eingeschr~nkt.

Fi~fle (Abb. 4 e u. d) : Die ersten Zehen waren kliniseh wenig auff~llig. Die Beugef~higkeit der zweiten und dritten Zehen war eingeschr~nkt. Der Zwischenraum zwisehen erster und zwei- ter Zehe links erschien auff~llig weir. Die vierten Zehen waren beiderseits stark hypoplastiseh mit Fehlen der Endglieder undNagelanlagen. Die ffinften Zehen beiderseits erschienen verkiirzt und versteift mit nur kleinen vorhandenen Zehenn~geln. Am MittelfuB waren beiderseits aus- gedehnte Operationsnarben erkennbar, der preoperative Befund der behandelnden orthop~- dischen Klinik konnte leider nicht mehr beschafft werden.

Der ]~efund der r6ntgeno]ogisehen Untersuehung ergab im einzelnen:

Hgnde (vgl. Abb. 5b): MetacarpMia I beiderseits verkiirzt. W~hrend die Epiphysen bei dem ll j~hrigen sonst often sind, ist an der Basis des Metaearpale I lediglieh eine yon ulnar kommende Incisur im Sinne einer Pseudoepiphyse nachweisbar. Auch am distalen Ende finden wit yon radial her eine Einkerbung als Ausdruck einer Pseudoepiphysenbildung. Die Basis des Metacarpale I ist mit dem Multangulmn majus synostosiert. Grund- und Endglied des ersten FingerstraMes sind normal. Am zweiten und dritten Fingerstrahl sind die Grundglieder regel- reeht. Das Mittelgelenk fehlt, d. h. die Epiphysen des Mittelgliedes sind mit dem Grundglied vereinigt. Die Epiphysenfugen dieser den Mittelgliedern entsprechenden Skeletabsehnitte sind, wenn auch sehmal und unregelm~Big begrenzt, angelegt. Der dem Mittelglied entsprechende Anteil am zweiten Fingerstrahl rechts ist verkiirzt, der des dritten Strahles rechts und des zweiten und dritten Strahles links yon normaler L~nge. Die Endglieder I I und I I I rechts und I I I links sind normal, das Endglied ][I links ist hypoplastiseh und ohne Epiphyse. Am vierten Fingerstrahl sind die normal langen Grundglieder gleichfM]s mit dem Mittelglied synostosiert. Die Epiphysenfugen dieser Abschnitte sind aber nut angedeutet. Die Anomalie ist hier auch insofern ausgepr~gter als bei I I und I I I , als der dem Mittelglied entsprechende Abschnitt ver- kiirzt und plump ist, keine Compacta-Mansehette aufweist und ira Bereich des K6pfchens nach radial abgesehr~gt ist, so dab die Achse des Endgliedes nach radial abweieht. Das Endglied IV ist rechts normal, links hypoplastiseh und ohne Epiphyse. Am ffinften Fingerstrah] ist rechts das Grundglied regelrecht angelegt, anstelle des Mittelgliedes finden wir ein rudiment~res, 1 cm lunges Skeleteleraent ohne Epiphyse und ohne Compaeta-Mansehette, das Endglied ist yon ihm nur durch einen schmMen Gelenkspalt getrennt, es ist hypoplastisch und weist keine Epiphyse aufi Auf der ]inken Seite ist nur das Grundglied angelegt, das einen 5 mm langen, konusartigen Aufsatz hat.

Beurteilung: Perodaktylie (am fiinften Fingerstrahl links fehlen Mittel- und Endglied). Assimilationshypophalangie (Grund- und Mittelglied) I I - - IV . Brachymesophalangie V reehts. Brachytelephalangie I I und IV links und V rechts. Klinodaktylie IV beiderseits. Brachymeta- earpie I mit Pseudoepiphysenbildung.

Handwurzel: Von der proximalen Handwurzelreihe sind beiderseits nur Naviculare, Lu- natum und Pisiforme angelegt. Anstelle der distalen Handwurzelknochen finden wir beider- seits je zwei dreieekfSrmige Skeletelemente, von denen das radial gelegene dutch die Ver- einigung der Anlagen des Multangulum minus und Capitatum, das ulnar gelegene durch Ver- einigung des Hamatum und des Triquetrum entstanden sind. Das Multangulum majus ist beiderseits mit der Basis des Metacarpale I synostosiert.

Fi~/3e (vgl. Abb. 6b): Grund- und Endglied des ersten Zehenstrahles sind o. B. Am zweiten und dritten Zehenstrahl sind die Grundglieder regelrecht, die Mittelglieder nur rudiment~r yon etwa ZitronenkerngrSBe angelegt. Sie weisen wie die gleichfalls rudimentgzen Endglieder keine Epiphysen auf. Vom vierten Zehenstrahl sind beiderseits nur die Grundglieder angelegt. Am fiinften Zehenstrahl links sehen wit distal vom Grundglied einen erbsgroBen Knochenkern, rechts ist neben einem hypoplastisehen, epiphysenfreien Mittelglied noch ein rudiment~res linsengroBes Endglied knSchern angelegt. Im Bereich der Fugwurzelknochen bestehen auch hier ausgedehnte Knochenverschmelzungen, doeh sind sie auch hier auf der ~Jbersichtsauf- nahme nicht ausreichend zu iibersehen.

Beurteilung: Perophalangie (yore vierten Zehenstrahl fehlen Mittel- und Endglied). Braehymeso- und -telephalangie I I und I I I sowie Brachyhypophalangie V. Synostosen der Ful~wurzelknoehen.

Dominant erbliche Brachydaktylie mit Gelenksaplasien 345

Die v e r s t o r b e n e n Gesehwis te r

der M u t t e r I I I , 2 u n d I I I , 4 zeig- t e n n~eh Ang~be y o n I I I , 6 die g le iehen H ~ n d - u n d FuBfehlb i l - d u n g e n wie die P r o b a n d i n u n d ihr S o h n A n t o n sie aufweisen . Sowohl I I I , 1 als a u c h I I I , 2 , wie die Zwil l inge I I I , 4 u n d I I I , 5 s t a r b e n i m Al t e r v o n etw~ 16 Mon~ten . U b e r die Todes- u r sache k o n n t e ke ine A u s k u n f t e rh~ l t en werden .

Die B e f u n d e a n d en Leis ten- m u s t e r n der F i n g e r b e e r e n , t I a n d - fl/ichen, Z e h e n b e e r e n u n d FuB- fl/~chen w a r e n wie fo lg t :

Leistenmuster der Fingerbeeren (Tabelle 1) : Bei Anton St. und seiner Mutter sind ganz iiberwiegend Wir- bel ausgebildet, nKmlich 16 Wirbel (in der Tabelle mit W bezeichnet, 3 Schleifen, und zwar Ulnarschleifen (U) und 1 Bogen (B) ~. Bei dem nicht yon der Perodaktylie befallenen Vater yon Anton St. finden sich 3 Wirbel und 7 U]narschleifen. Ins- gesamt lassen damit die drei Per- sonen 19 Wirbel (63,3°/o), 10 Ulnar- schleifen (33,3%) und 1 Bogen- muster (3,3%) erkennen. In der yon D E G E ~ H A R D T U. GE][I~:EL b e s c h r i e b e -

nen Perod~kty]iefamilie fanden sich dagegen 32,2% Wirbel, 45,6% Sehlei- fen und 22,2% Bogen. Eine so un- gewShnlich hohe Bogenzahl hi~tte zun~chst den Eindruck entstehen l~ssen kSnnen, als w~re sie eine Be- gleiterscheinung der Perodaktylie. Das neue Beispiel yon Mutter und Sohn St. mit einer deutlich abwei- chenden Musterverteilung zeigt je- doch, dab die Perodaktylie die Mustermanifestation nicht beein- fluBt. Entsprechend der seinerzeiti- gen Beobachtung yon DEGE~H~RDT U. GEI2EL ist auch bei Anton St. und seiner Mutter auf allen Fingern apikal ein normales Muster angelegt. Auf

Im Interesse der Vergleichb~r- keit der Befunde wurde bewuBt die- selbe Nomenklatur wie in der Arbeit v o n D E G E ~ t t A R D T U. G E I F E L benutzt.

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24*

346 W. FUIIR~ANN, CH. STEFFEINS, G. SCYIWARZ und A. WAGNER:

den am st~rksten verkfirzten Fingern (linker ffinfter Finger bei Anton St. und linker vierter Finger bei seiner Mutter) finden sich Wirbelmuster, deren beide Triradien gegenfiber der Norm deutlich nach distal verschoben sind und die proximal gegen die Leisten des nachsten Fingergliedes nicht abgegrenzt werden kSnnen (Abb. 8a u. b). Der bei GEIPEL erSrterte Zu- sammenhang dieser Anomalie mit den] Ausfall oder der Verschiebung der Gelenkfurche be- s tat igt sich bei Anton St. und seiner Mut ter insofern, als am ffinften Finger bzw. vierten Finger ihrer l inken H a n d die EndN und auch die Mittelgelenkfurche f iberhaupt fehlen. Aul~erdem

Abb. 8. a--g. Fingerleistenmuster yon M. St. und A. St. a u. b YVirbelmuster mit distalw~irts ver- sehobenen Tr i radien und fehlender Abgrenzung gegen die Leisten der Mi t te lpha lanx auf s t a rk hypo- p]astischen Fingern. e Niedriges Bogenmus te r auf Finger ]nit hypoplas t i schem EndgHed. d u. e Wirbcl- mus t e r m i t v e r m e h r t e n Basalleisten bei Proximalw~irts verschobener Endgelenkfurehe. f u. g Wirbel mus t e r m i t fehlender Ab2Tenzung gegen Leisten der Mit te lpha]anx bei fehlender Endgelenkfurche

fehlen an beiden Fingern nach dem l~Sntgenbild aber auch jeweils die knSchernen Mittel- und Endphalangen. An dem bei der Mutter ebenfalls deutlich verkfirzten vier ten Finger der rechten Hand, der ein auffallig breites und niedriges Bogenmuster t rag t (Abb. 8c), ist nach dem l~Sntgenbild die Mit telphalanx zwar noch vorhanden (wenn auch lest verwachsen mi t der Grundphalanx). Jedoch ist die Endpha lanx weitgehend reduziert. Somit sind an den drei Fingern yon Anton St. und seiner Mut ter mi t den auffalligsten Besonderheiten der Leisten- muster auch die knSchernen Phalangen am s tarksten reduziert. Unseres Erachtens stfi tzt diese Tatsache die schon yon GEIPEL ge~u]erte Ansicht, dab die gestSrten Muster n icht die Folge einer genetischen StSrung der Hau t seien, sondern eine Folge der gestSrten Umwelt, wobei naeh dem Befund bei Anton St. und seiner Mut ter unter , ,Umwelt" das Wachs tum der knSchernen Phalangen zu verstehen w~re. Nun betrifft jedoch die StSrung des Knochenwachs- turns bei Mut ter und Sohn St. auch die fibrigen Finger und lassen demzufolge auch die Leisten- muster der letzteren Besonderheiten erkennen. Zun~chst sind hier der ffinfte Finger rechts yon Anton St. und der erste Finger links yon der Mut ter zu erwahnen, bei denen das RSntgenbild eine deutlich verkfirzte Mit te lphalanx aufweist, die Endgelenkfurche naeh proximal verscho- ben ist und an dem Wirbelmuster der Fingerbeere eine merklich erh6hte Zahl yon Basalleisten auff~llt (Abb. 8d u. e). Am zweiten und vier ten Finger links yon Anton St. fehlen beide Ge- lenkfurehen und gehen somit die Basalleisten der Fingerbeerenmuster ohne Absatz in die Leisten der Mitte]- und dann aueh der Grundphalanx fiber (Abb. 8f u. g). Weiterhin auff~llig ist bei Anton St. und seiner Mut ter das Vorkommen yon links gedrehten Wirbeln auf Fingern der l inken H a n d und yon rechts gedrehten Wirbeln auf Fingern der rechten Hand, wahrend in der Regel - - wie im vorliegenden Fall auch beim Vater St. - - Wirbelmuster yon Fingern der l inken Hand eine t~eehtsdrehung erkennen lassen, dagegen die Wirbelmuster auf den Fingern

Dominant erbliehe Brachydaktylie mit Gelenksaplasien 3¢7

der reehten Hand links gedreht sind. Zusgtzlich zu dem entgegengesetzten Drehungssinn fin- det sieh auf dem zweiten linken Finger yon Anton St. und seiner Mutter auch eine Um- kehrung der Aehsenrichtung, die bewirkt, dab der Wirbel als guBerer Wirbel (g.W.) in Ersehei- nung trit t , w/ihrend in der Regel links innere Wirbel (i.W.) ausgebildet sind. Des Vorkommen von guBeren Wirbeln ist dagegen in der fiberwiegenden Mehrzah] auf Finger der reehten Hand beschrgnkL Eine Umkehrung der Aehsenriehtung der Wirbel jedoch mit regelreehtem Dre- hungssinn findet sieh aul~er auf dem zweiten linken Finger yon Anton St. und seiner Mutter bei der letzteren auch bei dem Wirbelmuster auf ihrem rechten ersten Finger und bei ihrem Sohn auf dem vierten Finger rechts und links. DEGENHARDT U. GEII°EL haben ebenfalls in ihrer Perodaktyliefamilie Inversion yon Drehungssinn und Achsenrichtung beobachtet. Sie halten dieses Merkma] zwar ffir erblieh, aber nicht fiir eine Anomglie. Uns erscheint es jedoch immerhin bemerkenswert, dab sieh dieses Merkmal auch bei Anton St. und seiner mut ter findet.

Abb. 9 a ~ . Bemusterung der Grund- und Mittelphalangen bei A. St. a Triradius auf radialer Finger- seite, b Triradius und nach radial offenes Bogenmuster auf radialer Fingerseite. c Radialschleife

Weiterhin weis~n aueh die Hautleisten der Grund- und Mittelphalangen der Finger bei Anton St. und seiner Mutter gewisse Besonderheiten auf (Abb. 9). So ist bei der Mutter reehts auf der Grundphalanx des vierten Fingers ein deutlich ausgeprggtes, naeh radial offenes Sehleifenmuster mit einem Triradius ~n der ulnaren Fingerseite vorhanden, ghnlich wie auf beiden vierten Fingern ihres Sohnes Anton St., bei dem die Radialschleifen und die zugehSrigen Triradien lediglieh etwas naeh distal versehoben sind und damit eher im Bereieh der Mittel- phalanx liegen. Diese ~[usterbildungen zeigen eine gewisse Ahnlichkeit zu dem von PLOECZ- RADMA~N (1937) beschriebenen ,,radialen Einsehlul3muster", die sie bei ca. 1% der yon ihr untersuehten Finger auf der Grundphalanx fend, jedoch war bei diesen Einschlul~mustern, die zwischen einem proximalen und einem distalen Leistenzug liegen, der Sehleifeneharakter lediglieh angedeutet. Nach der Abbildung in der Arbeit von PLO~TZ-RADMA~ ZU schliel~en, handelte es sieh dabei im wesentlichen nm eine sog. ,,Querfigur", also um eine Gruppe yon parallel verlaufenden Leisten, die allenfalls yon einer einzigen umkehrenden Leiste umsehlos- sen waren. Abweichend hiervon sind bei Anton St. und seiner Mutter yell ausgebildete Schleifenmuster vorhanden mit zahlreichen umk~hrenden Leisten. Eine ghnliche Musterbil- dung wit auf dem vierten Finger liegt u. E. aueh auf dem reehten drit ten Finger yon Anton St. und seiner mut ter sowie auf dem reehten Zeigefinger yon Anton St. vor, der auf der radialen Seite etwa in der Gegend der Mittelgelenkfurehe einen Triradius erkennen lgl~t. Der sich an den letzteren nach radial ansehlie]]ende Leistenstrom sieht zungchst wie ein naeh radial offenes Bogenmuster aus. Es wgre jedoeh ebenfalls denkbar, dab es sieh aueh hierbei um den Rest bzw. den peripheren Antei] eines naeh radial offenen Schleifenmusters handelt. Der Vater yon Anton St. lgBt auf den Mittel- und Grundphalangen seiner Finger entspreehende Muster- bildungen nicht erkennen. Im Zusammenhang mit der auf dem RSntgenbild zu erkennenden Synostosierung der Mehrzahl der Mittel- und Endgelenke an den Fingern yon Mutter und

348 W. FUHRMANN, CH. STEFFENS, G. SCHWARZ und A. WAGNER:

Sohn St. steht auch die gegeniiber der Norm deutlich verminderte Anzahl yon Beugefurchen der Finger, und zwar insbesondere der Mittelgelenkfurchen (Tabelle 2).

Tabelle 2. Gelenlc]urchen der .Finger

Links Reehts

V IV III II I I II III IV V GME GME GME G1V£E GE GE GME GI~IE GME GlVIE

Sohn A. ST. I - - -

Mutter M. ST. I I [

Vater S. ST. . I ]

G = Grundgelenk M Mittelgelenk E = Endgelenk

TT T 7 I I--I

I I I r- I I l l I

vorhanden -- fehlend

I--I I I I I l l II

II1 III II]

Das Leistenbfld der Handfldchen li~fit bei Anton St., seiner Mutter und seinem Vater nennenswerte Besonderheiten nieht erkennen. Die Handformeln lauten ffir die drei Personen:

Reehts : Links:

A n t o n S t . 9 . 7 . 5 ' 3 - - t - - 0 . 0 . 0 . 0 . L 7 . 6 . 5 ' . 3 - - t - - A n . 0 . 0 . 0 . L Mutter 1 1 . 9 . 7 . 4 - - t - - 0 . 0 . 0 . L . 0 9 . 7 . 5 " . 3 - - t - - 0 . 0 . 0 . 0 . 0 Vater 1 1 . 9 . 7 . 5 ' - - t t ' - - L u . 0 . 0 . L . 0 9 . X . 5 " . 3 - - t - - L r . 0 . 0 . 0 . 0

Das yon DEGE~HARDT u. GEIeEL beschriebene Fehlen der langs verlaufenden Beuge/urchen au/den Handfltichen finder sich bei Anton St. und seiner Mutter nicht. Dagegen zeigen die quer die PMma durchziehenden Beugefurchen Besonderheiten im Sinne yon Gabelungen, in denen sich z. T. aueh gewisse Ahnlichkeiten zwischen Mutter und Sohn St. ergeben. Aus Platzmangel wird bier auf eine Beschreibung der Einzelheiten verzichtet, zumal sich auch die Frage stellt, wie weir nieht die Besonderheiten der Beugefurchen auf den Handfli~chen yon Mutter und Sohn in urs~chlichem Zusammenhang stehen mit der StSrung des Knochenwachstums an ihren H~nden.

Tabelle 3. Die Zehenmuster

V IV I I

Sohn A. ST. F (F)

Mutter M. ST. F - -

W Wirbel R = Rechtsdrehung L = Linksdrehung

Links

III ] l I I I i

WRDS WRDS F WLDS

WRSp WRDS F F

Sp = Spiralwirbel DS = Doppelsehleife F = Fibularsehleife

]Rechts

II I III IV V I I

F WLDS (F) F

WLDS ! WLSp - - F

Leistenmuster der Zehenbeeren (Tabelle 3) : Auf den Zehenbeeren yon Anton St. und seiner Mutter finden sich nach fibular offene Sehleifen (F) und Wirbel (W). Entspreehend der Tat- sache, dab bei beiden Personen auBer den Fingern auch die Zehen yon der Perodaktylie betrof- fen sind, weisen auch die Leistenmuster ihrer Zehenbeeren ~hnliche Besonderheiten auf wie die Muster ihrer Fingerbeeren (Abb. 10). Bei Anton St. wirkt sich die Perodaktylie nur beiderseits am vierten Zeh aus, der jeweils ein gedrficktes Leistenmuster erkennen l~Bt, das am ehesten an eine querliegende Fibularschleife erinnert. An den noch sti~rker als bei ihrem Sohn mi l l bfideten bzw. verkfirzten beiden vierten Zehen der Mutter sind Leistenmuster i iberhaupt nicht entwickelt. Jedoch ist bei der Mutter auch der rechte und linke dritte Zeh yon der Perodaktylie betroffen und zeigt jewefls ein charakteristisches niedriges SpirMwirbelmnster, das u. E. eine Parallele darstellt zu dem breiten SpirMwirbelmuster auf dem verkiirzten linken fiinften Finger yon Anton St. Die Leistenmuster auf den iibrigen Zehen yon Mutter und Sohn lassen dagegen

Dominunt erbliche Braehydaktylie mit Gelenks~pl~sien 349

nennenswerte Besonderheiten vermissen. Wie in der Regel zeigen die Wirbel bei beiden Per- sonen an den Zehen des linken FuBes eine Rechtsdrehung, wiihrend sie an den rechten Zehen links gedreht sind.

]:)as Leistenbild der tZufisohlen ist bei Anton St. und seiner Mutter deutlich Khnlich, ins- besondere auch in bezug auf das Vorkommen und die Lokalisation yon Wirbeln (W) und

Abb. 10a--d. Bemusterung hypoplastischer Zehen yon A. St. und M. St. a u. b querliegende Fibular- schleifen, c u. d kreisrunde Wh'be]m~ster

Proximalschleifen (LP). Ausnahmslos unbemustert sind bei beiden Personen die thenaren und calearen Regionen. Ihre Ful~formeln lauten:

Rechts: Links : Sohn A. St. W. LP. W. LP. L t. 0 . 0 . 0 W. LP. W. LP. L t. 0 . 0 . 0 MutterM. St. W . L P . W . 0 .L t . 0 . 0 . 0 W . L P . W . 0 . L t . 0 . 0 . 0

Diskussion

Mehrfach wurde versucht, ffir die menschlichen Gliedmai3enfehlbildungen all- gemein gfiltige Ordnungsprinzipien zu finden. Besonders sei hier auf die Arbeiten von GRVBER (1937), MffLLER (1937) und WERTHEMAN~ (1952) verwiesen, die auch yon DEGENHARDT U. GEYPEL nigher diskutiert wurden. Die Einteilung der Hypo- und Aplasien der Phalangen und der Interphalangealgelenke ist un- befriedigend und schwierig. Auch die Frage der Zuordnung von Gelenksaplasien an anderen Stellen insbesondere im Bereich der Hand- und FuBwurzel und der Ellenbogengelenke st6Bt auf Schwierigkeiten. Auf die Sehwierigkeit der Einteilung besonders auch der St6rungen der Epiphysen- und Gelenksentwicklung weist GREBE (1964) in seiner zusammenfassenden Darstellung ausdrficklich hin. Inner- halb best immter Sippen wiederholen sich recht konstant typische Fehlbildungs- muster. Es ist deshalb auch immer wieder versucht worden, Obergruppen ab- zugrenzen, in die sich diese einzelnen Familienbeobachtungen einffigen lieBen. GREBE stellt rfickli~ufige Bildungen mit Fehlen der Fingerendglieder als Pero- daktyl ien anderen erblichen Brachydaktylieformen, bei denen die Fingerend- glieder immer angelegt seien, gegenfiber. Als Beispiel der Perodaktyl ien wer- den eine Sippe yon LEHMANN (1953) und eine Familie yon 1V~cA~T~UR und McCuLLOUG~ (1932) mit ,,apical dys t rophy" genannt. Daneben wird als besonderer familigrer Typ die bereits erwghnte Beschreibung yon DEGENttARDT U. GEIPEL (1954) aufgeffihrt. Eine Einordnung unserer Familie an dieser Stelle schien zu- ni~chst m6glich: Der Erbgang ist ebenso autosomal dominant, klinisch schienen die Verteflung und das Ausmag der Finger und Zehenfehlbildungen sehr i~hnlich, ~Jbereinstimmungen in den Papil larmustern waren deutlich. Die ni~here Analyse deckte jedoeh folgende Differenzen auf: Die Synostosierung bet raf in unserer Fami]ie im Bereieh der zweiten bis vierten Finger vor allem die proxima]en Inter- phalangealgelenkc. Die Redukt ion der Mittelphalangen ersehicn ausgepriigter a]s die der Endphalangen, die zumindest im Bereich der H~nde, sofern die Mittel- phalanx erhalten war, stets wenigstens rudiment~tr nachweisbar blieben. W o e s

350 W. FVHR~AN~, CH. STEFFENS, G. SCHWA~Z und A. WAGNER:

zu einer Versehmelzung und Assimilationshypophalangie zwisehen End- und Mittelphalanx gekommen war, war aueh das proximale Interphalangealgelenk stark hypoplastiseh und versteift. Wie der Vergleieh der gSntgenbilder der Hand yon Mutter und Sohn erkennen lgBt, scheint die Synostosierung bei dieser Form des Leidens erst postnata] einzusetzen und langsam fortzusehreiten. In der Familie von DEGE~HA~OT u. GEn'~L liegt, hiervon abweiehend, in erster Linie Versehmelznng der distalen Phalangen mit stgrkerer t~tiekbildung der End- phalanx im Bereieh der Finger vor, allerdings seheint die Endphalanx aueh hier in den meisten Fg]len wenigstens als l~udiment erkennbar. Eine Verdoppelungs- tendenz der Endphalanx des Daumens fand sieh in der Sippe von DEGE~C~ZAgDT u. GEIPEr, und fehlte bei unserer Sippe. Keine Parallele fanden vor allem die yon uns gefundenen BildungsstSrungen im Bereieh der Hand- und FuBwurzd und des Ellenbogengelenks.

Die eharakteristisehen Vergnderungen in dem Papillarleistenmuster wurden sehon yon DEG~NKARI)T U. GEIeEL f/ir sekundgr angesehen. Wir versuehten diese Deutung zu bestgtigen dureh die Untersuehnng der Fingerbeerenmuster yon Dys- meliekindern mit thalidomidbedingter Dysmelie. Bei drei von den untersuehten Kindern lieBen die Fingerbeerenmnster auffgllige Besonderheiten nieht erkennen. Jedoeh fanden sieh bei einem vierten Kind gewisse Parallelen zn den Leisten- musterverhgltnissen bei Anton St. und seiner Mutter. Es handelt sieh hierbei um ein vierjghriges Mgdehen mit beiderseits unmit telbar unter den Sehultergelenken ansetzenden stark hypoplastisehen Hgnden. Stat t des ersten und zweiten Fingers war beiderseits lediglieh d n einzelner stark reduzierter Strahl vorhanden, dessen Leistenmuster nieht zu analysieren waren. Die iibrigen drei Finger waren versteift und ihre Gelenkfurchen nut angedeutet. Aueh hier zeigten die Leistenmuster der entsprechenden Fingerbeeren ghnliehe Besonderheiten wie bei Anton St. und seiner Mutter im Sinne einer deutlichen Vermehrung der Basalleisten bzw. eines mehr oder weniger kontinuierlichen ]~berganges des Leistenmusters der Fingerbeeren und der Mittelphalangen ineinander.

Welt besser ist die hier besehriebene Familie den Brachydaktylien mit Inter- phalangealgelenks-Hypoplasien zuzuordnen. Die Aplasie oder Hypoplasie der Interpha]angealgelenke geht fast stets mit einer Verkiirzung der Mittelphalanx einher. Die am stgrksten befallenen Gelenke sind in dieser Sippe die proximalen Interphalangealgelenke, wie das aueh bei der klassisehen Sippe Talbot-Shrewsbury der Fall war (DEINKWATEt~ 1917). Von dieser weieht die hier mitgeteilte Beob- achtung in der stgrkeren Reduktionstendenz der Mittel- und Endphalangen ab. Sie steht hierin der yon WALKER verSffentlichten Familie nahe, bei der Aplasie der proximalen, z. T. am ffinften Finger aueh der distalen Interphalangealgelenke mit Assimilationshypophalangie und vereinzelt Peromelie des vierten uncl f~nften Fingers gefunden wurde.

Abweiehend yon den bisher diskutierten Sippen zeigten unsere Patienten Synostosierung im Bereich der Hand- und Ful~wurzel und schliel~]ich auch eine Dysplasie des Ellenbogengelenks. Die Kombinat ion von Interphalangealaplasie und Synostosierung im Bereieh der Hand- und Ful~wurzel finder sich bei der Familie O. yon MEESTERIV (1934). Auch hier lag einfaeh dominanter Erbgang mit hoher Penetranz vor. Die Interphalangealaplasie betraf an der Hand vor allem die Ge]enke zwischen Grund- und Mittelphalanx, mitunter auch Mittel- und End-

Dominant erbliehe Braehydaktylie mit Gelenksaplasien 351

phalanx. Gleichzeitig bestanden Braehybasophalangie und Brachymesophalangie sowie ausgedehnte Synostosen im Handwurzelbereieh (z. B. Os multangulum minus, Capitatum und I-Iamatum, in einem Falle aueh Lunatum und Triquetrum, Synostose zwisehen Os metaearpale I und Os multangulum majus). Synostosen bestanden aueh im Bereieh der Fugwurzel (z. B. Os euboideum I u n d Talus, Talus und Navieulare aueh Metatarsale I I und Os euneiforme). Die Zehen zeigten eben- falls ausgedehnte Interphalangealaplasien, Assimilationshypophalangien und in einzelnen Fgllen Fehlen yon Mittel- und Endglied. Die Hypoplasien im Bereieh der Finger waren in dieser Familie nieht so ausgepr/~gt wie bei unserer Beobaehtung.

F/ir die Gesamtkombination yon erblieher interphalangealgelenksaplasie, Braehydaktylie bis zum klinisehen Eindruck der Perodaktylie, Synostosierung im Hand- und Fugwurzelbereieh und Ellenbogengelenksdysplasien fanden wit in der Literatur auger vielleieht der weiter unten erw/~hnten Beobaehtung von LE~z keine Parallele. GREBE zitiert eine Beobaehtung yon JO~C~I~STHAL mit Ellen- bogenankylose und Braehymesophalangie bei Vater und Toehter. ROCtILIN U. SIMONSON (1932) besehrieben Gelenksversteifungen ohne Synostose im proximalen Interphalangealgelenk des dritten und vierten Fingers bei gleiehzeitiger Verk/irzung des dritten Fingers und Klinodaktylie des ftinften Fingers zusammen mit einer Be- wegungseinsehr/~nkung im Ellenbogengelenk bei Gesehwistern.

In dieser Familie waren yon 9 Kindern 6 verstorben, yon den iiberlebenden zeigte ein bei der Untersuehung neunj~hriger Junge normale Verh~ltnisse. Der ~ilteste lebende Sohn war 16 Jahre alt und zeigte Versteifung im proximMen InterphMangeMgelenk des dritten und vierten Fingers der linken Hand ohne Synostose und Klinodaktylie beider fiinfter Finger. Die Interphalangealr~ume der befallenen Gelenke waren versehm~ilert. Die K6pfehen der Grund- phal~ngen der befallenen Gelenke und der Metaearpalia sowie die ~Ietatarsalia I--V beider H~inde und FfiBe zeigten anomale Ausbildung. Beiderseits bestand eine Subluxation des Radiusk6pfehens naeh hinten und radialw~rts, weitere Anomalien betmfen die XII; Brust- und alle Lendenwirbel sowie die Intervertebralr~iume im Sinne einer Flatispondylie. Bei einer Sehwester betraf die niehtknSeherne Ankylose die vierten und fiinften Finger beider }I~nde, die zweiten Finger waren verkiirzt, die fiinften Finger zeigten Klinodaktylie. Die Gelenksspal- ten der betroffenen Gelenke waren stark verengt. An den Grundphalangen fanden sieh iiber- zghlige Epiphysen. Die KSpfchen der ltIetaeari0alia und ~etatarsalia II V waren abgeflaeht und am Ellenbogengelenk war eine angeborene doppelseitige Luxation des RadiuskSpfehens feststellbar.

L]~'z (1961) erw/thnt eine Sippe mit dominant erblieher PhMangealgelenks- synostose, bei der die Synostosierung wie bei unserer Sippe vorwiegend die proxL malen Interphala~gealgelenke betraf und bei der die vierten und fiinften Finger der abgebildeten Hand ebenfalls hoehgradige Reduktion der Mittel- und End- phalanx mit Assimilationshypoplasie zeigen. Eine Synostosierung von Hand- oder Fugwurzelknoehen wird yon ihm nieht erw/~hnt, jedoeh wird die Beobaehtung aueh nut als Beispiel aufgefiihrt und die Befunde werden im einzelnen nieht mitgeteilt. Aus dem abgebildeten R6ntgenbild einer Hand ist eine Versehmelzung zwisehen dem Os hamatum und dem Multangulum minus zu vermuten. Wie LEXZ weiter angibt, seien ,,nur bei einigen Mitgliedern der Familie aueh die Ellenbogen ver- steift" gewesen. MSglieherweise bietet die Fehlbildung in dieser Sippe eine sehr enge Entspreehung zu unserer Beobaehtung. ~

1 Naeh persSnlieher Mitteilung yon tterrn Professor W. L]~'z liegt in dieser und zwei wei- teren von ihm beobaehteten, noeh unver5ffentliehten Familien wahrseheinlieh das gleiehe Syndrom vor.

ttumangenetJk, Bd. 1 2~a

352 W. FU~MA~, Cm ST~F~S, G. Scnw~z und A. WAGNEr:

In der Literatur herrscht die Meinung vor, da ] die erbliehen Perodaktylien von den erblichen Interphalangealaplasien als eigene genetisehe Gruppe zu trennen sind. STeinBErG U. REYNOLDS (1948) nehmen fiir die Gruppe der Interphalangeal- aplasien wenigstens drei, wahrseheinlich aber mehr versehiedene Genloci an, ins- besondere trennen diese Autoren zwei genetisch verschiedene Unterformen: Eine mit Beteiligung nur der Ge]enke zwischen End- und Mittelphalanx und eine die nur die Gelenke zwischen Gruud- und Mittelphalanx betrifft. Diese Autoren konn- ten in der Literatur kein Beispiel ffir gemischtes Vorkommen beider Formen finden. Mehrere F~lle, darunter unsere Beobachtung und die yon L ] ~ z zeigen ]e- doch an der gleichen Hand bei einigen Strahlen bevorzugtes oder aussehliel~liches Befallensein der proximalen Interphalangealgelenke und an anderen Assimilations- hypophalangie der Mittel- und Endphalanx bei rSntgenologisch erhaltenen proxi- malen Gelenksspalten. Ffir die DifferenzierungsstSrung im Hand- und Ful]wurzel- bereieh wurde ebenfalls Heterogenie angenommen.

WAhrend das Vorkommen spezifiseher Typen in einzelnen Familien auger Frage steht und die VariabilitAt innerhalb einzelner Familien durehweg geringer ist als die zwisehen versehiedenen Fami]ien, erseheint die Annahme verschiedener Gene an verschiedenen Loci ffir die einzelnen familiar vorkommenden phAno- typischen Varianten nieht ausreiehend begrfindet. Das bei unseren FAllen erkenn- bare gemeinsame Vorkommen yon Fehlbildungen, die sonst einzelnen versehie- denen Gruppen zugeordnet werden, 1Al~t sieh zusammen mit der Kasuistik der Literatur zwangloser deuten, wenn man die einze]nen phAnotypischen Varianten als verschieden sehweren Ausdruek einer GrundstSrung auffa~t.

Eine Unterteilung wfirde dann befriedigender mSglieh, wenn wir fiber die Pathogenese der Einzelformen besser unterrichtet w~ren. Sind hier schon unsere Grundlagenkenntnisse diirftig, so ist im Einzelfall veto fertigen Endstadium hAufig nur ein sehr bedingter Riieksehlul~ auf den Ablauf des Geschehens mSglieh. PoL (1937) fiihrt z. B. aus, dab bei der Assimilationshypophalangie start zwei ge- trennter ,,Knorpel" ffir End- und Mittelphalanx fiberhaupt primer nur ein Knorpel- kern sieh finder. Bei der Gelenksaplasie dagegen werden noch getrennte Kerne entsprechend einer End-, Mittel- und Gruudphalanx differenziert, die Synostose erfolgt oft erst im extrauterinen Leben gegen den Absehlul~ der Wachstumsperiode. Dadurch entstehen dann der Assimilationshypophalangie sehr nahestehende Be- funde. Hier kSnnten zwei aueh genetisch prinzipiell zu unterseheidende Formen vor]iegen, die aber im speziellen Fa]l oft nieht mehr sieher zu trennen wAren. In unserem Falle spricht der Vergleieh der I~Sntgenbilder yon Mutter und Sohn ein- deutig fiir eine sekund~re Synostosierung ankylosierter syndesmotiseher Gelenke. SekundAre Ausbfldung der Synostose wiesen aueh I~OCHLIN U. S~O~SON (1932) sowie STEI_~B]~lZG u. I%EY~OLDS (1948) nach. Die Reduktion der Phalangen und die z. T. eehten Assimflationshypophalangien lassen aber auch in diesen FAllen eine fiber die Gelenksbildung hinausgreifende StSrung deutlich werden und stellen die oben angedeuteten EinteilungsmSgliehkeiten wieder in Frage.

Beim gegenwArtigen Stand unserer Kenntnis kSnnen wir zunAehst nur die familiAren Sonderformen registrieren. Mutationen an verschiedenen Genloei kSn- nen als Erbgrundlage in Erw~gung gezogen werden, ebenso berechtigt wAre aber die Vermutung, da~ wi res zumindest in der Mehrzahl dieser F~lle mit der Aus. wirkung yon Mutationen am gleichen Genort zu tun haben, die in verschieden

Dominant erbliche Braehydaktylie mit Gelenksaplasien 353

sehwerer Weise einen Grundvorgang bei der Epiphysen- u n d Gelenksbi ldung be- eintr/~ehtigen. Die weehselnde Auspr/~gung k a n n d a n n dureh die A nna hme ver-

sehiedener Allele oder modifizierender Einflfisse anderer Fak t e r en des Genoms der jeweiligen Famflie gedeutet werden. Das Material reicht zu einer En t sche idung n ieh t aus.

L i t e r a t u r

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Priv.-Doz. Dr. W. Fum~MANN, 69 Heidelberg, MSnchhofstral~e 15A, Institut fiir Anthropologie und tIumangenetik