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Humangenetik 3, 64--77 (1966) Dominant erbliche doppelseitige Dysplasie und Synostose des Ellenbogengelenks Mit symmetrischer Brachymesophalangie und Brachymetakarpie sowie Synostosen im Finger-, Hand- und FuSwurzelbereich W. FutI~Ma~N und CH. STEFI~EI~S Institut ffir Anthropologie und Humangenetik der Universitgt Heidelberg (Direktor : Prof. Dr. F. VOGEL) G. ROMPE Orthop~dische Anstalt der Universit~t Heidelberg, Heidelberg-Sehlierbach (Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. G. JE~TS0~RA) Eingegangen am31. August 1966 Symmetrical dysplasia of the elbow joint and humero-radial synostosis together with brachymesophalangism, shortening of metacarpale I, and synostosis of carpal and tarsal bones in a boy, his mother and most probably also his grandmother is described. The combined mal- formations resemble closely those reported in a father and his daughter by JOAeEIMSTR~and in a father and his son by Mouem~Tand SAIlqT-PIERRE. It is suggested that this may represent a distinct hereditary entity. In Humangenetik 1, 337 (1965) wurde fiber ein autosomal dominant erb- liehes Fehlbildungssyndrom mit Hyloo- und Aplasie zahlreicher Phalangen an Fingern und Zehen, Dysplasie und Aplasie zahlreieher Interphalangealgelenke, Synostosierung im Hand- und FuBwurzelbereieh sowie Dysplasie der Ellenbogen- gelenke beriehtet (FulzR~AN~ U. Mitarb.). Wir k6nnen unsere erste Mitteilung jetz~ dureh eine zweite, teilweise ghnliehe Familienbeobachtung erggnzen (Abb. 1). /V ! 13 .I Abb. 1. Starnmb~um der Familie L. ~ g 2 Der Proband, B. L., (IV, 3), geb. 8. 5. 1964, wurde erstmals im Alter yon 3 Mon~ten wegen einer Bewegungseinsehrgnkung im Bereieh beider Ellenbogen in der 0rthopgdischen Universit~tsklinik vorgestellt. Nach den an~mnestisehen Ang~ben der Mutter wurde das Kind naeh ungest6rtem Sehwangersehaftsverlauf 8 Tage nach dem errechneten Termin normal geboren. Die BewegungseLuschrgn- kung im Ellenbogenbereieh wurde gleieh naeh der Geburt festgestell~. Die Unter-

Dominant erbliche doppelseitige Dysplasie und Synostose des Ellenbogengelenks

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Humangenetik 3, 64--77 (1966)

Dominant erbliche doppelseitige Dysplasie und Synostose des Ellenbogengelenks

Mit symmetrischer Brachymesophalangie und Brachymetakarpie sowie Synostosen im Finger-, Hand- und FuSwurzelbereich

W. FutI~Ma~N und CH. STEFI~EI~S

Institut ffir Anthropologie und Humangenetik der Universitgt Heidelberg (Direktor : Prof. Dr. F. VOGEL)

G. ROMPE

Orthop~dische Anstalt der Universit~t Heidelberg, Heidelberg-Sehlierbach (Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. G. JE~TS0~RA)

Eingegangen am31. August 1966

Symmetrical dysplasia of the elbow joint and humero-radial synostosis together with brachymesophalangism, shortening of metacarpale I, and synostosis of carpal and tarsal bones in a boy, his mother and most probably also his grandmother is described. The combined mal- formations resemble closely those reported in a father and his daughter by JOAeEIMSTR~ and in a father and his son by Mouem~T and SAIlqT-PIERRE. It is suggested that this may represent a distinct hereditary entity.

In Humangenetik 1, 337 (1965) wurde fiber ein autosomal dominant erb- liehes Fehlbildungssyndrom mit Hyloo- und Aplasie zahlreicher Phalangen an Fingern und Zehen, Dysplasie und Aplasie zahlreieher Interphalangealgelenke, Synostosierung im Hand- und FuBwurzelbereieh sowie Dysplasie der Ellenbogen- gelenke beriehtet (FulzR~AN~ U. Mitarb.). Wir k6nnen unsere erste Mitteilung jetz~ dureh eine zweite, teilweise ghnliehe Familienbeobachtung erggnzen (Abb. 1).

/V ! 1 3 . I

Abb. 1. Starnmb~um der Familie L.

~ g

2

Der Proband, B. L., (IV, 3), geb. 8. 5. 1964, wurde erstmals im Alter yon 3 Mon~ten wegen einer Bewegungseinsehrgnkung im Bereieh beider Ellenbogen in der 0rthopgdischen Universit~tsklinik vorgestellt. Nach den an~mnestisehen Ang~ben der Mutter wurde das Kind naeh ungest6rtem Sehwangersehaftsverlauf 8 Tage nach dem errechneten Termin normal geboren. Die BewegungseLuschrgn- kung im Ellenbogenbereieh wurde gleieh naeh der Geburt festgestell~. Die Unter-

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suchung im Alter yon 3 Monaten deckte d~riiber hinaus auch verminderte Beweg- liehkeit yon Knie-, Fug-, Finger- und Zehengelenken auf. In Unkenntnis der Befunde bei der Mutter wurde zungehst die Verd~chtsdiagnose einer ,,Arthro- grypose" gestellt.

Abb. 2 a - - d . E l l e n b o g e n g e l e n k e des P r o b a n d e n (IV, :~). a u. b r ech te s u n d l i nkes irn A l t e r y o n 3 M o n a t e n . c u. d r e eh t e s u n d l i nkes hrn A l t e r y o n 16 1VXonaten

Abgesehen yon der Bewegungsbehinderung entwickelte sich das Kind kSrper- lich und geistig altersentsprechend. Seit dem 16. Monat konnte es frei laufen.

Die Wiederholungsuntersuchung im Alter yon 16 Monaten erbraehte folgende Befunde: Die Beweglichkeit in beiden Schultern war eingeschr/~nkt, Seithebung

5 t t u m a n g e n e t i k , Bd. 3

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66 W. FU]tRMAN:N, G. ROMPE und Cm STEFFEI~S :

der Arme war ohne Mitbewegung des Schulterblatts um 60 °, mit Schulterblatt- bewegung bis 120 ° mSglich.

RSntgenologisch war das Schultergelenk unauffallig. Der rechte Ellenbogen war in einem Winkel yon etwa 160 °, der linke im Winkel yon etwa 1700 versteift und unbeweglieh. Ein Vergleich der RSntgenbilder (Abb. 2a - -d ) zeigte fortschreitende

Abb. 3. Linke IKand des Probanden (IV, 3)

Abb. 4. R 5 n t g e ~ b i l d der r ech ten H a n d des P r o b a n d e n

Verschmalerung des Gelenkspaltes, so dab rechts mit 16 Monaten eine humero- radiale Synostose resultiert. Links war der Gelenkspalt im Alter yon 16 Monaten noch angedeu~et erkcnnbar. Der Radius war atypisch geformt mit erheblicher Verbreiterung des proximalen Anteils und Verschm~lerung der distalen Meta- physe. Die Elle erschien im proximalen Teil hypoplastisch und nach ulnar und cranial verschoben.

Die histologische Untersuchung 1 eines excidierten Stfickehens aus dem Gebiet des Humeroradialspaltes links zeigte eine Synchondrosc zweier vorwiegend spon- giSs gebauter Knochenstiicke, die dutch Bin breites, hyalines Knorpelgewebe oder ein zellreiches knorpeliges Bindegewebe verbunden waren. Dieses reichte in die Markri~ume hinein und umsehloB ~eilweise nekrotisch gewordene Knochenbalkchen.

Die Hdnde (Abb. 3) zeigten eine Verkfirzung allcr Finger, am starksten waren der 2 , 4. und 5. Finger betroffen. Die NAgel aller Finger waren normal aus-

1 Einsendungsnummer 15478/65 des Pathologischen Instituts der Universit~t Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. W. DOERR).

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gebildet. Die Mittelgelenke des 2.--5. Fingers beider Hgnde waren versteift, beim 5. Finger der rechten Hand war aueh im distalen Gelenk keine sichere Beweglich- keit erkennbar, links war sie in diesem Gelenk stark eingeschrgnkt.

A b b . 5 a u . b. a L i n k e r F u 2 des P r o b a n d e n i n s e i t i i c h e m S t r a h l e n g a n g . b R e c h t e r Fula des P r o b a n d e n in c r a n i o - c a u d a l e m S t r a h l e n g a n g

RSntgenologisch (Abb. 4) land sich bereits im 3. Monat eine partielle Synostose des Os capitatum und des Os hamatum. Diese war auf den Aufnahmen im Alter yon 16 Monaten komplett. Das verkfirzte und p]umpe Os metaearpale I zeigte eine bogenfSrmige Ulnarabweichung der Basis, ohne dal3 es in die t tandwurzel hineinreiehte. Die Mittelglieder des Mittel- und Ringfingers liel3en zunehmende Synostosierung mit den Grundgliedern erkennen. Am Zeigefinger waren Mittel- und Grundphalanx bereits vSllig verschmolzen. Die Mittelphalanx des 5. Fingers war a]s hypoplastisct]er Knochenkern erkennbar.

Die Wirbels~tule war klinisch unauff~tllig; eine leichte Spreizbehinderung in der linken Htifte war mit keinera auff~lligen RSntgenbefund verbunden und konnte dutch entspreehende Therapie leieht behoben werden.

5*

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68 W . FUItI~IHAI~N, G. ROMPE und C~. STErFE~S :

Die Kniegelenke waren klinisch und r6ntgenologisch unauff/illJg, aber nar bis 175 ° streckbar. Die Bewegliehkeit im oberen Sprunggelenk betrug 70/110 °, im unteren Sprunggelenk war die Pronation erheblieh eingeschr£nkt. I m Bereieh der Fi~fie waren die Zehen verkfirzt und nur zweigliedrig bei unauffglligem Nagelglied.

RSntgenologiseh land sieh eine fortsehreitende Synostose zwisehen Caleaneus, Os euboides und der Basis des Os metacarpale IV (Abb. 5a u. b). Weiter bildete sieh eine Koaleszenz zwischen Talus, Os navieulare und 0s cuneiforme I I I . Die ungew6hnlich langgestreekte Form des Talus lal~t eine Fusion yon Talus und Navieulare vermuten (vgl. hierzu auch Abb. 6 bei STRAS~l~GE~ U. Mitarb.). Der

Abb . 6 a u. b. Rech t e s bzw. l inkes E l l enbogenge l enk der M u t t e r des P r o b a n d e n (III , 4)

Knochenkern des Os cuneiforme I war isoliert angelegt. Das Os metatarsale IV war bei normaler L/~nge proximal verlagert. Es bestand eine I-Iypoplasie des Os metatarsale I sowie eine Hypoplasie der Zehenendglieder 2--5. Das Grundglied der 2. Zehe reehts zeigte eine distale Zapfenepiphyse; die Mitte]glieder waren r6ntgenologisch nicht nachweisbar. Die Form der fibrigen Grund- und Endglieder entsprach tier Altersnorm. Al]e Ver~tnderungen waren symmetriseh ausgepragt.

Die Mutter des Probanden, H. L., ( I I I , d), geb. 18.1. 1936, gab an, nit ernst- haft krank gewesen zu sein. Ihr war bis dahin nur eine Bewegungseinsehr/~nkung des 1.--4. Fingers bekannt.

Bei eingehender Untersuehung wurden Wirbels~ule, Schulter-, Hfift- und Knie- gelenke unauffgllig befunden. Beide Ellenbogengelenke waren nur yon 170 bis 70 ° beweglich, die Unterarmumwendbewegungen waren aus der Mittelstellung heraus in beiden Richtungen deutlieh eingeschr~nkt. Es bestand ein Cubitus valgus yon 30%

RSntgenologisch land sieh neben einer Dysplasie des Humero-ulnar-Gelenks eine Radiusk6pfchenluxation (Abb. 6a u. b). I m Bereieh der Hiinde war die Be- wegliehkeit im Handgelenk eingesehr~nkt. Der Daumenabgang erfolgte auffallend proximal. Die Mittelfingergelenke 2- -5 fehlten ebenso wie die Mittelg]ieder (Abb.7).

R6ntgenologiseh (Abb. 8) fand sieh eine Handwurzelsynostose unter Auslassung des Os navieulare und des Os lunatum, die isoliert mit ann/ihernd regelreehter Form entwiekelt waren und zwisehen die sich ein Zapfen des iibrigen Handwurzel-

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70 W. FUHRMANE, G. ROMPE und CH. STEFFENS ;

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72 W. FUHRMANN, G. I~OMPE und CH. STEFFENS:

blocks vorschob. Das Os m u l t a n g u l u m majus schien mi t dem verkfirzten u n d ver- p lumpten ersten Mit te lhandknochen, der proximal eine ulnare Abwink lung zeigte, verschmolzen. Das Os metaearpale V der l inkcn H a n d war gering, das der reehten H a n d s tark verkiirzt. Am 5. F inger bes tand eine Assimilat ionshypophalangie zwisehen Mittel- u n d E n d p h a l a n x bciderseits. Die Finger 2 - - 4 wiesen nu r e incn mi t dem distalen Grundgl ied vcrschmolzenen Rest des Mit tdgl iedes auf. Ab- weichend veto Bcfund beim K i n d war hier die Mi t te lphalanx des 3. Fingers gleieh s tark reduzier t wie die des 2. u n d 4. Fingers. Die Endglieder entspraehen der Norm (Biphalangie vom Typ der Braehymesohypophalangie) .

An den Fi~fien war die Bewegl ichkdt im oberen Sprunggelenk unauffgllig. I)as untere 8prunggelenk war n ieht sichcr beweglich. Besonders die 1., 3., 4. u n d 5. Zehe waren beiderseits auffgllig verkiirzt. Aueh an den Zehen 2 - - 5 war kein Mittelglied und -gelenk e rkennbar (Abb. 9).

RSntgenologisch (Abb. 10) kam eine Synostose dcr FuBwurzelknochen zu einem Block zur Darstel lung, ausgenommen war nur das Os cunciformc I, das mi t der Basis des verki i rz ten Metatarsale I synostosiert war. Synostosen sehienen aueh zwisehen den Metatarsal ia I I - - V u n d dem Os cuneiformc I I , I I I bzw. dem Os cuboides zu bestehen. I)er Gclenkspalt zwischen dem Os euneiforme I I u n d I I I n n d dem Os navieulare blieb dabei rud imen tg r erkennbar . Die Grundpha l anx I war verkiirzt, die Grundglieder 2 - - 5 ersehienen regelrecht. Zwischcn Mittel- u n d E n d p h a l a n x der 2. Zehc schien eine Assimila~ionssynostose zu bestehen, wghrend an der 3 . - -5 . Zehe der Mittelgl icdantei l n icht abgrenzbar war. Die Endglieder der 1. u n d 3.--5. Zehe waren unauffgllig. Auch bei dieser P a t i e n t i n bes tand auffgllige Symmetr ic aller Vergnderungen.

Die Konstellation der Leiatenmuster au] den _Fingerbeeren des Kindes und seiner Mutter (1 bzw. 2 Wirbdmuster, 2 Radialschleifen, 7 bzw. 6 Ulnarschleifen) war nicht auffgllig. Eine gewisse Besonderheit stellte lediglich die deutlich asymmetrische Form und l~adialriehtung des einer ,,Zentraltasche" iihnliohen Wirbelmusters auf dem reehten Dig. I des Kindes dar.

Von den auf der Volarflgehe der Finger in der Regel vorhandenen Gelenk- bzw. Beuge- /urchen war an allen Fingern bei dem Kind und seiner Mutter die distale Gdenkfurche deutlieh entwiekelt. Dagegen war die proximale Gelenkfurehe bei dem Kind nur beiderseits an Dig. V deutlieh ausgeprggt, an Dig. I I und IV rudimentgr und an Dig. I I I nieht vorhanden. Bei der Mutter land sieh demgegeniiber nur an Dig. II beider I-Ignde eine normal entwiekelte proximale Gdenkfurche, wghrend eine solehe an Dig. I I I und IV rudimentgr und an Dig. V nicht ausge- bildet war.

])as Leistenbild der Handfl~chen (Abb. 11) zeichnete sich bei dem Kind beiderseits und bei der Mutter links durch das Fehlen eines distalen Triradius aus. Und zwar war im Zusammen- hang mit der bei Mutter und Sohn hohen Teilung yon Dig. I I I und IV ffir beide Finger nur ein gemeinsamer und in der Mitre gdegener distaler Triradius vorhanden, w~hrend sieh in der Regel an der Basis beider Finger jeweils ein eigener zugeh6riger distaler Triradius findet. Aueh auf der reehten I-Iandfl~che der Mutter waren die Verhgltnisse ghnlich. Zwar waren hier, be- dingt dutch ein kleines Wirbelmuster in der Verlgngerung der Teilungslinie zwischen Dig. ]II und IV, proximal noeh 2 Triradien vorhanden, die jedoch sehr nah benaehbart lagen und deren distale Radianten ebenfalls nur in den 2. und 4., nicht jedoch in den 3. Zwisehenfinger- raum miindeten. Der proximale Abschnitt der Palma war nut bei der Mufter speziell links dutch das Vorhandensein eines deutlich ausgepragten Par&thenarmusters (Distoradialschleife) gekermzeichnet.

Von den Beugefurchen der I-Iandktgche war insbesondere bei dem Kind die Dreifingerfurche deutlich abgeflacht und in ihrem ulnaren Anteil nach distal verschoben. Die Fiinffingerfurche durehzog speziell rechts bei der Mutter und links bei ihrem 8ohn ~hnlich wie eine Vierfinger- furehe praktiseh die gesamte Handflgche in transversaler l~ichtung.

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Die Grogzehenballen wiesen bei Mutter und Sohn auf beiden Fu[3fliichen Wirbelmuster auf. Ebenfalls iibereinstimmend bei beiden Personen fanden sieh auf den 1. und 2. seitliehen FuB- bMlen durehweg naeh distal gesehlossene, d. h. Proximalschleifen oder Wirbelmuster.

Die weitere Familienanamnese war vi~terlieherseits ohne Besonderheiten. Naeh den Angaben der Mutter des Probanden war deren Vater (II, 3) frfih an

einem Magen-Careinom verstorben, aueh ihre Mutter verstarb friih, angeblieh an einer Blutvergiftung. Die Mutter unseres Probartden konnte sieh aber mit gToBer Best immtheit erinnern, dab ihre Mutter (II, l ) Versteifungen der Finger hatte, die ihr beim Fleehten der Z6pfe Sehwierigkeiten maehten. Ihre Grogeltern (I, 1 und I, 2), d .h . die UrgroBeltern des Probanden, mit denen sie als Kind engeren Kontak t hatte, sollen keine entspreehenden Einsehr/~nkungen aufgewiesen haben.

Zusammen/assend betrachtet, ergaben sieh bei Mutter und Sohn fast tiberein- st immende symmetrisehe Ver~tnderungen an Handwurzel, Mittelhand und Fingern sowie Fugwurzel, Mittelfu6 und Zehen im Sinne einer Synostosierung, Braehy- metakarpie und Braehymesophalangie. Bei beiden bestand augerdem eine doppel- seitige Dysplasie im Ellenbogengelenk.

Wghrend sonst die meisten Differenzen zwisehen Mutter und Sohn rein alters- bedingt zu erkl&ren waren, lassen sieh eehte Unterschiede der Manifestation sehon zum Zeitpunkt der Untersuehung in folgenden Merkmalen sieher abgrenzen: Die Mittelphalanx des 3. Fingers beiderseits war beim Kind weniger reduziert. Es fehlte beim Kind die Braehymetakarpie V. Vor allem aber war beim Kind die Dysplasie im Ellenbogengelenk wesentlieh st/trker und hatte bereits zu einer humero-radialen Synostose geffihrt. Bemerkenswert ist dabei, dal3 diese intra- familii~ren Sehwankungen der Ausprggung nieht yon entspreehenden Seiten- differenzen bei der gleiehen Person begleitet waren. Die erste bekannte Tr/~gerin der autosomal dominanten Mutation in dieser Familie war die Grol~mutter des Probanden.

Diskussion

Fiir die Diskussion k6nnen wit auf unsere eingangs zitierte Arbeit verweisen. Das klinisehe Bild dieser zweiten Sippe entsprieht weitgehend dem seinerzeit besehriebenen. Es sind im wesentliehen die gleiehen Gelenke betroffen, jedoeh ist der Sehweregrad untersehiedlieh. Abweiehend ist in der zweiten Familie vor allem die ausgedehnte Dysplasie der I~adiohnmeralgelenke beim Probanden, die bis zur kn6ehernen Versehmelzung yon Radius und Humerus gefiihrt hat. Anderer- seits ist die Fingerfehlbildung weniger sehwer, die Endglieder und Fingern/igel an H/inden und Fiigen waren stets erhalten. Ausgepr~gter ist dagegen in der zweiten Familie die l~eduktionstendenz der Mesolohalangen. Ubereinstimmend war wieder- um in beiden Familien der 3. Finger stets am wenigsten betroffen. Bemerkenswert /~hnlich sind welter die Braehymetakarpie I und die Synostosierungstendenz im tIand- und Fugwurzelbereieh bei allen vier untersuehten Personen aus beiden Famflien.

~¥ir k6nnen STOECKENIUS (1966) nicht zustimmen, die darin, dab auf R6ntgen- bildern yon S/~uglingen und KleinMndern mit typisehen Gelenkversteffungen noeh keine Synostosierung zu erkennen ist, sondern diese erst spi~ter in zunehmendem Mate auftritt , einen Beweis daffir sieht, dag nieht eine Gelenksaplasie, sondern sekund&re Versehmelzung vorliegt. •bereinstimmend u. a. mit MEE STn~N (1934 a und b) sowie WITT u. Mitarb. (1965) sind wir der Ansieht, dag such bei der Aplasie

5 a H u m a n g e n e t i k , B d . 3

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die Verbindung im Bereieh des aplastisehen Gelenks zun/~chst als Synchondrose vorhanden ist, die im RSntgenbild naturgem~g nicht zur Darstellung kommt. Die Gelenksteife besteht aber yon Geburt an (vgl. hierzu aueh v. OEWCqgAUS]~). MurPHY u. HANSON beschrieben einen sporadisehen Fall mit gleiehzeitigem Feh- ] ende r linken Clavieula, bei dem nach der Besehreibung bei der Geburt bereits eine beidseitige kn6cherne Synostose yon Humerus und Radius ausgebildet war.

Die in unserer Familie beobaehtete Handfehlbildung ist in der vorliegenden Kombination ihrer Komponenten keinem der yon PoT, (1937) in seiner Tafel auf- geffihrten Typen widerspruehslos zuzuordnen. Sie findet jedoch eine iiberraschend gute Entsprechung in einer yon JOACHIIVISTHAL (1900) auf Seite 24 seines Atlas besehriebenen Beobachtung v. BE~GMA~S. Die entspreehenden R6ntgenbilder der Hand yon Vater und Toehter finden sieh dort auf Tafel VI (Abb. 4 u. 5). Die Abbildung 1/~Bt auch die im Text nieht genannte Synostosierung im Handge]enk und die Braehymetakarpie I bei beiden Personen erkennen. Beide litten aueh an einer stumpfwinkligen Ankylose der Ellenbogen. Leider liegen keine l~6ntgen- befunde der Ellenbogengelenke vor. Aueh fehlt eine Aussage fiber die Befunde im FuBbereieh. Es liegt jedoeh die Vermutung nahe, dab es sieh hier um das gleiche Syndrom wie bei unserer Familie gehandelt hat.

Besonders auffallende 1Jbereinstimmung mit nnserer Beobaehtung in fast allen Einzelheiten bietet ein aueh rSntgenologiseh sehr gut dokumentierter Befund bei Vater und Sohn yon MO~JCHET u. SAINT-PI]~t~]S (1931). Einen ebenfalls sehr /~hnliehen Fall ohne Familienanamnese besehrieb und dokumentierte DE GENNARO (1947). Soweit auf der uns vorliegenden Kopie erkennbar ist, war j edoeh bei letzte- rem das Sprunggelenk stgrker in Mitleidensehaft gezogen.

Die gleichartige Manifestation des komplizierten Fehlbildungsmusters bei den hier yon uns besehriebenen Patienten, den Patienten yon JOACHIMST~AL und der Beobaehtung yon MOUCHET u. SAICqT-PIERRv~ bei in allen genannten F/~llen offen- bar voll penetrantem, autosomal dominantem Erbgang legen es nahe, eineu besonderen, abgrenzbaren Erbtypus anzunehmen. Die Abgrenzung mug unseres Eraehtens vor allem gegenfiber dem Typ der erbliehen isolierten radio-humeralen Synostose und gegenfiber der sieher heterogenen Gruppe der radio-humeralen Synostosen mit gleiehzeitiger Ektromelie bzw. Peromelie erfolgen. Eine Sonder- form der radio-humerMen Synostose mit gleiehzeitiger Fehlbildung oder Aplasie der Patella and Nephropathie wurde bisher nur yon FRANKEL bei 4 yon 7 Ge- schwistern einer Familie besehrieben.

Doppelseitige radio-humerale Synostosen gelten als sehr selten. Eme klassisehe Besehreibung der erbliehen iso]ierten Form verdanken wit SIwoN (1928), der eine radio-humerale Synostose ohne sonstige Fehlbildungen bei Mutter und Toehter und Dysplasie des Ellenbogengelenkes mit gadiusk6pfchenluxation bei Tante und Grogtante der Mutter besehrieb. Isolierte radio-humerale Synostose mit z. T. gleiehzeitiger Synostosierung der Ulna sah FgOSTAD (1940) bei einem 72]ghrigen Mann sowie dessen Schwester und Bruder. Drei weitere Gesehwister waren gesnnd. Die gleiche Fehlbildung fand sieh bei 2 yon 7 Kindern einer be- naehbarten Familie (einem 19j/ihrigem Mann und dessen 12j~hriger Schwester), ohne dag verwandtschaftliche Beziehungen zwisehen den Fami]ien bekannt waren. Die beschriebenen Umst/inde lassen eine Vatersehaft des Probanden nicht ausgesehlossen erseheinen.

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Eine Reihe sporadischer F~l le mat gleichzei t igen anderwei t igen MiBbildungen z i t ier te bere i ts S Iwo~. Eine umfangre iche Zusammens te l lung yon (ebenfalls meis t sporadischen) F~l len der zwei tea Gruppe finder sich be i ROMA~gS (1933) und F~AN~: (1937).

I n ]e tz ter Zei t ver6ffent l ichten ST~ASBTS~GE~ U. Mitarb . eine sehr umfangre iche Sippe mi t d o m i n a n t erbl ieher In te rpha l~ngea lge lenksap las ie und Synos tosen im H a n d - und FuBwurzelbereieh, jedoch ohne Bete i ] igung der El lenbogengelenke . Eine bemerkenswer te zus~tzliche Mani fes ta t ion in dieser Sippe war eine dureh Synos tosen der Geh6rkn6chelehen bed ing te Sch~llei~ungsschwerh6rigkeit .

E ine eingehende Diskuss ion angeborener Synos tosea im Handwurze lbe re i ch sowie angeborener Fugwurze ] synos tosen g~ben an H~nd z~hlreieher Fg]le D~EWE S u. Gt~TS[]~.

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