Donauschwaben

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Geschichte

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  • Geschichte Geschichte der deutder deutschenschenVVolksgruppenolksgruppen

    in Sdosteuropin Sdosteuropaa

    AnsiedlungAnsiedlungNationales ZusammenlebenNationales ZusammenlebenVVertreibungertreibungIntegrationIntegration

    Eine Einfhrung

  • Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa Ansiedlung, Nationales Zusammenleben, Vertreibung, Integration Reg.Nr. 84128 Impressum Medieninhaber: Dr. Karl Kummer Institut 1010 Wien

    Projektleitung: MR i.R. Dr. Walter Heginger

    Wissenschaftliche Beratung: Univ. Prof. Dr. Arnold Suppan

    Autor: Mag. Peter Wassertheurer

    Grafische Gestaltung: Branko Suznjevic

    Lektorat: Dr. Gerhard Schiel

    Bestelladresse: Verband der volksdeutschen Landsmannschaften sterreichs (VL) Steingasse 25, A-1030 [email protected]

    Druck: Bundesministerium fr Bildung, Wissenschaft und Kultur Minoritenplatz 5, 1014 Wien

  • Einleitung

    Das Bundesministerium fr Bildung, Wissenschaft und Kultur hat vor Jahren damitbegonnen, in einer mehrteiligen Serie die Geschichte der deutschen Volksgruppen inMittel- und Sdosteuropa an sterreichischen Schulen vorzustellen. In einem erstenTeil entstanden die drei Filme "Sdtirol - ein Modell fr Europa", "Karnien, Friaul,Krnten" und "tajerska - die andere Steiermark." Der zweite Teil der Serie widmetesich unter dem Titel "Sudetendeutsche und Tschechen" der sterreichisch-deutsch-tschechischen Geschichte in den bhmischen Lndern. Im jetzt vorliegenden drittenund letzten Teil beschftigt sich die Serie mit der deutschen Siedlungsgeschichte inSdosteuropa: "Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa" behandeltdie wichtigsten historischen Entwicklungen der Siebenbrger Sachsen, der Landler,der Bukowinadeutschen, der Dobrudscha- und Bessarabiendeutschen in Rumnien,der Karpatendeutschen in der Slowakei und der Donauschwaben, derenSiedlungsgebiet nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Ungarn, Jugoslawien undRumnien zur Aufteilung kam. Das fr die "Geschichte der deutschen Volksgruppen inSdosteuropa" hergestellte Begleitmaterial ist eine schriftliche Ergnzung zum Filmund versucht, den europischen Sdosten als multiethnischen Kulturraum zu prsen-tieren, in dem seit dem Mittelalter zahlreiche Vlker neben- und miteinander siedel-ten. Die Geschichte Sdosteuropas war von zahlreichen Berhrungspunkten zwischenslawischen, romanischen, germanischen und sogar auereuropischen Sprachen,Kulturen, Religionen und Nationen gekennzeichnet, aber ebenso von imperialenKriegen und nationalen Konflikten. Dieses Begleitheft mchte den SchlerInnen amBeispiel der deutschen Volksgruppen die soziale und geistige EntwicklungSdosteuropas, die Ursachen fr nationale Auseinandersetzungen und das gewaltsa-me Auseinanderbrechen historisch gewachsener Gesellschaften in einem multiethni-schen Umfeld aufzeigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Groteil der nach sterreich evakuierten,geflchteten oder vertriebenen "Volksdeutschen" nach Deutschland "repatriiert"(wiedereingebrgert). Nur 170.000 Personen konnten in sterreich bleiben und wurdemit der Verleihung der Staatsbrgerschaft von 1954 (Optionsgesetz) endgltig in diesterreichische Nachkriegsgesellschaft integriert. Der Begriff "Volksdeutsche" (in derenglischsprachigen Literatur existiert die Lehnbersetzung ethnic Germans) ent-stammte dem NS-Jargon und wurde nach 1945 in sterreich weiter verwendet, um sievon Reichsdeutschen (Wehrmachtsangehrige, reichsdeutsche Beamte) und fremd-sprachigen "Displaced Persons" (NS-Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, KZ-Inhaftierte) unterscheiden zu knnen. Im vorliegenden Unterrichtsbehelf wird dasBegriffspaar "volksdeutsch, Volksdeutsche" ausschlielich fr die Zwischenkriegszeitund fr den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen verwendet, um den ideologischenAnnherungsprozess der deutschen Volksgruppenfhrung ab den 1930er Jahren unddie NS-Gleichschaltungspolitik mittels der Volksdeutschen Mittelstelle (VOMI) zuunterstreichen. Beide Begriffe hatten aber nie wirklich im Sprachgebrauch der deut-schen Volksgruppen Eingang gefunden. Dort spricht man bis heute von denSchwaben, Sachsen, Landlern oder Karpatendeutschen.

    Univ. Prof. Dr. Arnold Suppan, Universitt WienWissenschaftlicher Betreuer

  • Inhaltsverzeichnis

    1. Herrschaft und Christianisierung der Magyaren in Pannonien S. 12. Deutsche Siedler im Knigreich Ungarn S. 2

    2.1. Das Andreanum und die Zipser Sachsen S. 42.2. Schsische Nationsuniversitt und das Eigen-Landrecht S. 5

    3. Reformation und Toleranz S. 64. Die osmanische Herrschaft S. 7

    4.1. Das Grofrstentum Siebenbrgen S. 94.2. Oberungarn unter den Habsburgern S. 10

    5. Habsburgs Aufstieg zur Gromacht S. 106. Die Neubesiedlung des Knigreichs Ungarn S. 11

    6.1. Die Privatkolonisation S. 136.2. Die staatliche Kolonisation S. 146.3. Die Donauschwaben S. 16

    7. Siebenbrgen nach der osmanischen Herrschaft S. 177.1. Protestantische Neusiedler in Siebenbrgen S. 187.2. Die Bukowina und die Dobrudscha S. 19

    8. Aufgeklrter Absolutismus und Nationalimus S. 208.1. Nationale Emanzipation und Magyarisierung S. 20

    9. Magyarisierung und die deutschen Volksgruppen S. 219.1. Die Siebenbrger Sachsen und die Magyarisierung S. 229.2. Die Karpatendeutschen und die Magyarisierung S. 229.3. Die Donauschwaben und die Magyarisierung S. 22

    10. Das Revolutionsjahr 1848/49 S. 2311. Der Ausgleich mit Ungarn 1867 S. 24

    11.1. Die Siebenbrger Sachsen im Knigreich Ungarn nach 1867 S. 2511.2. Die Donauschwaben im Knigreich Ungarn nach 1867 S. 26

    12. Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegsordnung S. 2812.1. Der Zusammenbruch der Donaumonarchie S. 3012.2. Das Schicksal der deutschen Volksgruppen S. 3112.3. Ungarn wird eine Rterepublik S. 31

    13. Die deutschen Minderheiten in der Zwischenkriegszeit S. 3213.1. Die deutsche Minderheit in Jugoslawien S. 3213.2. Die deutsche Minderheit in Rumnien S. 3513.3. Die deutsche Minderheit in Ungarn S. 3913.4. Die deutsche Minderheit im slowakischen Teil der Tschechoslowakei S. 41

    14. Der Zweite Weltkrieg und die Folgen S. 4214.1. Die Rumnien-Deutschen im Zweiten Weltkrieg S. 4414.2. Die Jugoslawien-Deutschen im Zweiten Weltkrieg S. 4614.3. Die Ungarn-Deutschen im Zweiten Weltkrieg S. 5014.4. Die Karpaten-Deutschen im Zweiten Weltkrieg S. 51

    15. Flucht, Vertreibung, Aussiedlung S. 5215. 1. Rumnien S. 5215. 2. Jugoslawien S. 5315. 3. Ungarn S. 5315. 4. Tschechoslowakei S. 54

  • 16. Die deutschen Minderheiten nach dem Zweiten Weltkrieg S. 5516. 1. Rumnien S. 5516. 2. Ungarn S. 5716. 3. Tschechoslowakei S. 5816. 4. Jugoslawien S. 59

    17. Der Neuanfang und die Charta der Heimatvertriebenen S. 60

    AnhangOrtsangaben

  • 1. Herrschaft und Christianisierung der Magyaren in Pannonien

    796 schlug Karl der Groe (742-814) die Awaren und gliederte denwestpannonischen Raum in das Karolingische Imperium ein. Dieeroberten Gebiete wurden im Rahmen des neu errichtetenBairischen Ostlandes als Grenzmark (Pannonische Mark) organi-siert und verwaltet, wo neben den im Land verbliebenen Awarenauch Angehrige slawischer Vlkerschaften siedelten. Bald warenauch deutsche Siedler in diese neue Grenzmark gefolgt, die sichbis zur Mitte des 9. Jahrhunderts vor allem um den Plattensee (ung.Balaton) und um die Gegend von Fnfkirchen (ung. Pcs) nieder-gelassen hatten. Bereits um 860 gab es in diesem Grenzgebietnicht weniger als 35 deutsche Siedlungen. Im Jahr 895 drang dasfinno-ugrische Reitervolk der Magyaren aus der Ukraine in denpannonischen Raum ein und stie bis zu Beginn des 10. Jahrhun-derts an die Grenzen des Gromhrischen Reichs und des Bairi-schen Ostlandes vor, das die Auengrenze des OstfrnkischenReichs bildete. Im Jahre 906 zerstrten die Magyaren das Gro-mhrische Reich und besiegten 907 bei Preburg (slow. Bratislava,ung. Pozsony) den Ostmarkgrafen Luitpold von Bayern (885-907).

    Erst mit der Nieder-lage gegen Otto denGroen (912-973)am Lechfeld beiAugsburg im Jahr955 wurde dem mili-trischen Vordrin-gen der Magyarennach Mitteleuropaein Ende bereitet.Die Magyaren zo-gen sich in den zen-tralpannonischenRaum zurck. Esfolgten die Siche-rung der dynasti-schen Herrschaftder rpden imInneren, die Festi-gung des Reichsnach auen undeine intensive Aus-einandersetzung mitabendlndischenKulturtradit ionen,die das ungarischeReich langsam fr

    die christliche Mission ffneten. Bereits Ende des 10.Jahrhunderts rief Frst Gza (971-997) hospites (Gste)aus dem Westen Europas ins Land. Der Einladung folg-

    ten auch deutsche Missionare aus dem Bistum Passau und Angehrige des deutschen Ritter-

    Stephan I. mit Prinzessin Gisela

    aus Bayern

    Die Magyarenzge im 10. Jhd. bis zurNiederlage am Lechfeld

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • adels, die enge Kontakte zum ungarischen Frstenhof in Gran (ung. Esztergom) pflegten. FrstGza leitete damit die Christianisierung der Magyaren ein und lie seinen Sohn Wajk auf denNamen des Passauer Patrons Stephan taufen. Stephan (969-1038) hatte unter der Obhut zweierdeutscher Ritter aus Schwaben eine hfische Erziehung genossen und wurde 996 mit der bay-rischen Prinzessin Gisela (985-1060), der Schwester des rmisch-deutschen Kaisers Heinrich II.(1002-1024), vermhlt. Mit Gisela war ihr ganzer deutscher Hofstab nach Ungarn mitgekommen.Stephan war ein sehr eifriger Frderer der christlichen Mission und erhielt am Weihnachtstag desJahres 1000 vom Papst Silvester II. (992-1003) die Knigswrde, die auch vom deutschenKaiser Otto III. (980-1002) anerkannt wurde. Knig Stephan I. hatte fr seinen Sohn in einemLibellus de institutione morum ad Emericum ducem Anleitungen fr die Regentschaft verfasstund darin die Ansiedlung von Fremden empfohlen, "weil sie manches mitbringen, was dem Landntze und den Knigshof ziere."1 Ab dem 11. Jahrhundert breiteten sich die Magyaren auch imspteren Siedlungsraum der Siebenbrger Sachsen aus und erreichten am bergang zum 13.Jahrhundert die Sd- und Ostkarpaten. Die Grenzen waren zunchst durch Grenzverhaue (ung.gyep) gesichert worden, spter siedelte man dort Hilfsvlker zum Grenzschutz an. Zu denbekanntesten gehrten die Szekler, die als Klientelvolk mit den Magyaren in den pannonischenRaum vorgedrungen waren. Unter der Regentschaft von Knig Gza II. (1141-1162) wurdenMitte des 12. Jahrhunderts mit der Ansiedlung der Siebenbrger Sachsen und Zipser Sachsendie beiden grten deutschen Siedlungsgebiete im Mittelalter errichtet. Die Ansiedlung erfolgteauf dem Knigsboden (lat. fundus regius), der als persnlicher Besitz des Knigs galt.

    2. Deutsche Siedler im Knigreich Ungarn

    1186 wurden erstmals in einer Urkunde von Knig Bla III. (1173-1196) Siedler fr den RaumSiebenbrgen (lat. Ultrasylvas) genannt. Damit waren wohl jene deutschen Siedler gemeint, dieder Einladung von Gza II. gefolgt waren. Die Vorfahren der Siebenbrger Sachsen stammtenaus mehreren Teilen des deutschen Reichsgebiets. Die frhesten deutschen Siedlungen inSiebenbrgen lagen um die Bischofsstadt Weienburg, spter Karlsburg (rum. Alba Iulia, ung.Gyulafehrvr). Ihre Bewohner stammten nach schriftlicher berlieferung aus dem flmischenRaum, weshalb in den Urkunden von den Flandrenses die Rede ist. Die moderne Dialektfor-schung nennt vor allem den frnkisch-luxemburgischen Sprachraum als Herkunftsgebiet derSiebenbrger Sachsen. Blas Chronisten berichten davon, dass die Magyaren noch vor derLandnahme in Pannonien in sieben Stmme gegliedert waren. Die Magyaren errichteten des-halb nach ihrer Sesshaftwerdung sieben Komitate. Die Bezeichnung Siebenbrgen bezog sichursprnglich nur auf die Hermannstdter Provinz (Hermannstadt: rum. Sibiu, ung. Nagyszeben)im Altland (Knigsboden), die in sieben Sthle (Verwaltungseinheiten) gegliedert war. Zu densieben Sthlen gehrten Schburg (rum. Sighioara, ung. Segesvr), Mhlbach (rum. Sebe,ung. Sebes), Groschenk (rum. Cincu, ung. Nagysink), Reumarkt (rum. Miercurea, ung.Szerdahely), Reps (rum. Rupea, ung. Khalom), Leschkirch (rum. Nocrih, ung. Ujegyhz) undBross (rum. Ortie, ung. Szszvros). Mit der Ansiedlung der Siebenbrger Sachsen ging auchdie Ansiedlung der Szekler einher, die auf dem Knigsboden weiter im Osten im sogenanntenLand der Szekler als Grenzwchter eine neue Heimat fanden. Gza II. garantierte denSiebenbrger Sachsen eine Reihe von Privilegien, die nur fr die deutschen Siedler auf demKnigsboden Gltigkeit hatten. Dazu zhlten vor allem die freie Wahl der Richter und steuerli-che Begnstigungen. Das Knigsgericht sollte nur in unlsbaren Streitfragen eingreifen. DieSiebenbrger Sachsen hatten auerdem das Recht zur alleinigen Besiedelung (lat. unus sit po-populus) ihres Gebiets zugesprochen bekommen. Neben diesen Sonderrechten waren die

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    1Gnter Schdl (Hg.), Land an der Donau. in: Deutsche Geschichte im Osten Europas. 1. Aufl. Berlin 1995, S. 27.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • deutschen Siedlerdem Knig gegen-ber zu Abgaben undzum militrischen Bei-stand verpflichtet. DieAnzahl der erstendeutschen Siedler inSiebenbrgen lagnach heutigen Unter-suchungen zwischen2.000-3.000 Personen.Die Ausbreitung derdeutschen Siedler inSiebenbrgen vollzogsich in einem Zeit-raum von 150 Jahrenbis ins 14. Jahrhun-dert, wobei sich fnfSiedlungsbewegun-gen voneinander un-terscheiden lassen:

    1.) zunchst er-folgte die Be-siedelung des Knigsbodens

    zwischen Broos (rum. Ortie, ung. Szszvros) undDraas (rum. Drueni, ung. Homorddarc), wo bis zur

    Hlfte des 12. Jahrhunderts deutsche Siedlungen in der Hermannstdter Provinz ent-standen waren,

    2.) bis zur Hlfte des 13. Jahrhunderts dehnte sich das Siedlungsgebiet der Siebenbrger Sachsen bis an die Groe Kokel (rum. Trnava Mare, ung. Nagy-Kkll) aus,

    3.) im 12. und 13. Jahrhundert entstanden deutsche Siedlungen auerhalb des Knigsbo-dens in Nordsiebenbrgen zwischen dem Reener Lndchen (rum. Depresiunea Reg-hin, ung. Rgeni medence) und dem Nsnerland um Bistritz (rum. Bistria, ung. Be-szterce),

    4.) 1211 wurde der Deutsche Ritterorden von Knig Andreas II. (1205-1235) zur berwa-chung der Grenzen ins Land gerufen und im Sdosten Siebenbrgens, im sogenann-ten Burzenland (rum.Tara Brsei, ung. Barcasg) angesiedelt. Der Deutsche Ritter-orden errichtete mchtige Ordensburgen, holte deutsche Siedler ins Burzenland undfrderte die Errichtung von Siedlungen. 1225 musste der deutsche Ritterorden dasLand wieder verlassen, die deutschen Siedlungen blieben aber bestehen,

    5.) am Ende des 13. Jahrhunderts erfolgte die Besiedlung des Gebiets zwischen Groer Kokel und Kleiner Kokel, die bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts abgeschlossen war.

    Mittelalterliche deutsche Siedlungenin Sdosteuropa

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • 2.1. Das Andreanum und die Zipser Sachsen

    1224 besttigte Knig Andreas II. im sogenannten Andreanum (Andreanischer Freibrief) dendeutschen Siedlern ihre Privilegien. Spter wurden die Privilegien auf die anderen deutschenSiedlungsgebiete in Siebenbrgen ausgeweitet, nmlich 1366 durch Knig Ludwig den Groen(1326-1382) auf das nordsiebenbrgische Nsnerland um Bistritz (rum. Bistria, ung. Beszterce)und 1422 durch Knig Sigismund (1368-1437) auf das Burzenland im Sdosten.Im Verlauf des 11. Jahrhunderts war es den Magyaren gegen den Widerstand der Polenknigegelungen, ihren machtpolitischen Einfluss bis in den Karpatenraum auszudehnen. Gza II. riefdeshalb Mitte des 12. Jahrhunderts deutsche Siedler aus dem mhrisch-schlesischen Raum alsGrenzwchter in die Zips (slow. Spi, ung. Szepes), um die Grenzen gegen polnische bergrif-fe zu sichern. Das Siedlungsgebiet im Zipser Becken und am Oberlauf der beiden Flsse Hornd(dt. Kundert) und Poprad (dt. Popper) war nur dnn mit Slawen und Magyaren besiedelt. Bereitsvor der Zeit der deutschen Kolonisation war in den oberungarischen Bergwerken vor allem nachZinn, Blei, Eisen, Kupfer, Gold und Silber gegraben worden. Im 12. Jahrhundert hatten sich bay-rische, schsische und schlesische Bergleute in der Nhe der slawischen BergwerkssiedlungenBansk tiavnica (dt. Schemnitz) und Gelnica (dt. Gllnitz) in der Zips niedergelassen. Mit dendeutschen Bergleuten waren neue Arbeitstechniken und Schrfmethoden in den oberungari-schen Raum gekommen, die eine deutliche Steigerung der Produktivitt ermglichten. Nebender Zips zhlten das Hauerland und das Preburger Umland zu den frhen deutschenSiedlungsgebieten Oberungarns.

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • Einen Bruch in der Entwicklung der deutschen Siedlungsgeschichte des Mittelalters inSdosteuropa gab es durch das Eindringen der Mongolen in den pannonischen Raum. 1241wurde das Heer des ungarischen Knigs Bla IV. (1235-1270) bei Mohi vernichtend geschlagen.Erst nach dem Abzug der Mongolen aus Ost- und Sdosteuropa setzte der ungarischeKnigshof seine Siedlungspolitik fort und rief neuerlich Siedler aus deutschen Lndern ins Land.Die deutschen Siedler genossen dieselben Privilegien wie die Siebenbrger Sachsen. 1271 wur-den diese Sonderrechte von Knig Stephan V. (1270-1272) auch den deutschen Gsten (lat.hospites saxones) in der Zips garantiert. Es gab auch andere Parallelen zu den SiebenbrgerSachsen. Auch die Zipser Sachsen wurden auf dem Knigsboden angesiedelt, wo sie ihre eige-ne Rechtssprechung, ihre Kultur und ihre religisen Traditionen frei ausben konnten. An ihrerSpitze stand ebenso ein Sachsengraf. Im 13. und 14. Jahrhundert erreichte der Zuzug an deut-schen Siedlern im oberungarischen Raum einen ersten Hhepunkt, wobei sie sich vorwiegendin den slawischen Siedlungen einrichteten. Damit waren nicht nur ein sprunghafter Anstieg derBevlkerung in diesen Wohngebieten verbunden, sondern auch die Verbreitung der deutschenRechtsordnung und der deutschen Wirtschaftspraktiken. Die zunehmende Urbanisierung(Verstdterung) im 14. Jahrhundert erforderte eine Kultivierung der gesellschaftlichen Ordnung,die auf dem Magdeburger Stadtrecht grndete. Das Magdeburger Stadtrecht griff vom geschlos-senen deutschen Siedlungsgebiet in Schlesien auf die Stdte im bhmisch-mhrischen und pan-nonischen Raum ber. In den schsischen Drfern der Zips und Siebenbrgens galt dasSachsenrecht.

    2.2. Schsische Nationsuniversitt und das Eigen-Landrecht

    Die stndischen Vertreter der Sachsen, Szekler und des ungarischen Adels wurden als Nationenbezeichnet. 1437 schlossen sich die drei Nationen zur Strkung ihrer gemeinsamen Interessenzu einer Union zusammen, aus der sich spter unter osmanischer Herrschaft im FrstentumSiebenbrgen der Landtag bildete. Die im Landtag vertretenen drei Landstnde hatten imFrstenrat ein Mitspracherecht und nahmen bei der Wahl des Frsten teil. Die Einheit derSiebenbrger Sachsen dokumentierte sich seit dem 15. Jahrhundert in der natio saxonica,

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • deren oberste Vertretungsinstanz die SchsischeNationsuniversitt (lat. Universitas Saxonum)war. Die Schsische Nationsuniversitt wargleichzeitig die politische und administrativeKrperschaft, der seit 1477 ein gewhlterSachsengraf (lat. Comes Saxonum) vorstand.1486 bertrug der ungarische Knig MatthiasCorvinus (1458-1490) die Privilegien auf alleSiedlungen der Siebenbrger Sachsen. Damitwar fr die deutsche Bevlkerung inSiebenbrgen ein einheitlicher Rechtsraum ent-standen, der wesentlich zur Bildung und Strkungeiner siebenbrgisch-schsischen Identitt bei-

    trug. Knig Matthias Corvinus war whrend seiner Regentschaft einer-seits um einen Ausgleich mit dem osmanischen Groreich bemht, dasmit der Eroberung von Konstantinopel 1453 immer deutlicher in den

    Blickwinkel der europischen Politik rckte. Anderseits bemhte sich Matthias Corvinus verge-blich um die Bildung einer europischen Verteidigungsallianz gegen die Osmanen. Erst 1583wurde unter dem Sachsengrafen Stefan Bthory (1571-1583) das gesprocheneGewohnheitsrecht der Siebenbrger Sachsen in einem Eigen-Landrecht niedergeschrieben.Das Eigen-Landrecht garantierte allen Mitgliedern in der Nationsuniversitt die gleichen Rechte.

    3. Reformation und Toleranz

    Die reformatorische Glaubenslehre von Martin Luther (1483-1546) wurde von deutschenKaufleuten und Studenten nach Siebenbrgen gebracht, wo sie sich sehr rasch und erfolgreichverbreiten konnte. Bereits im Herbst 1542 wurde in Kronstadt (rum. Braov, ung. Brass) diekatholische Liturgie nach dem Vorbild der Reformation abgendert. Kronstadt war auch dieGeburtsstadt von Johannes Honter(-us) (1498-1549), der mit seinen reformatorischen Schriftenwesentlich dazu beitrug, dass die Siebenbrger Sachsen 1544 geschlossen zum protestanti-schen Glauben Augsburger Bekenntnisses (Evangelisch AB) bertraten. 1550 wurde die neueKirchenordnung aller Deutschen in Sybembrgen eingefhrt und durch die SchsischeNationsuniversitt zum Gesetz erhoben.2 Der Sitz der evangelischen Bischfe war von 1572 bis1867 Birthlm (rum. Biertan, ung. Berethalom). Honter(-us) reformierte das schsischeSchulsystem nach humanistischen Idealen. In Kronstadt (rum. Braov, ung. Brass) wurden daserste humanistische Gymnasium auf sdosteuropischem Boden eingerichtet. DieSchulreformen festigten den Protestantismus in Siebenbrgen, der sich zu einer wichtigen Suleder ethnischen und kulturellen Identitt der Siebenbrger Sachsen entwickelte. Die kirchlichenErneuerungsbewegungen beschrnkten sich nicht nur auf die Siebenbrger Sachsen, sondernerfassten auch die magyarische Bevlkerung, die 1564 zum Teil zum calvinischen Bekenntnis(Jean Calvin, 1509-1564) bertrat. In Klausenburg (rum. Cluj, ung. Kolozsvr) entwickelte sichdas geistige Zentrum der Unitarier (Anti-Trinitarier), die vor allem bei den Szeklern und Rumnenzahlreiche Anhnger gewinnen konnten. Neben den reformatorischen Glaubensbekenntnissenbestand auch die katholische Kirche als gleichberechtigte Institution weiter. 1557 beschloss derSiebenbrgische Landtag zu Thorenburg (rum. Turda, ung. Torda) die Duldung aller christlichenKonfessionen. Im Jahre 1568 war die religise Freiheit in Siebenbrgen sogar in einem eigenenGesetz verankert worden. Der Thorenburger Landtag beschloss, dass "jeder den Glaubenbehalten knne, den er wolle, einschlielich der alten und neuen gottesdienstlichen Gebruche,

    SiebenbrgischeKirchenburg Tartlau

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    2Annemie Schenk, Deutsche in Siebenbrgen. Ihre Geschichte und Kultur. Mnchen 1992, S. 47.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • haben wir es in Sachen des Glaubens ihrer Entscheidung berlas-sen, dass das geschehe, was ihnen beliebt. Dabei soll jedoch nichtirgendeinem anderen Unrecht zugefgt werden."3 Die Reformation inSiebenbrgen frderte demnach die religise Toleranz unter den ver-schiedenen Volksgruppen.

    hnlich wie in Siebenbrgen wurde auch im oberungarischenKarpatenraum die lutherische Lehre ber Kaufleute und Studentender Bevlkerung nahe gebracht. Die humanistischen Gedanken derReformation stieen vornehmlich in den Bergstdten auf ein positi-ves Echo. Die rasche Verbreitung der neuen Glaubenslehre erregteaber den Unmut der katholischen Geistlichkeit und veranlasste 1523den ungarischen Landtag zum Beschluss, Lutheraner ffentlich alsKetzer zu verurteilen. 1526 wurde vom Landtag sogar die Forderung,Lutheraner wie Hexen am Scheiterhaufen zu verbrennen, erhoben,doch sollte die Niederlage gegen die Osmanen bei Mohcs 1526 diepolitische Lage im Knigreich Ungarn vllig verndern. Das Vordringen der Osmanen machtenicht nur eine Verlegung des ungarischen Landtages von Ofen (ung. Buda) nach Preburg (slow.Bratislava, ung. Pozsony) notwendig, sondern fhrte auch zur Schlieung zahlreicher

    Kapitelschulen und Priesterseminare, wodurch sichbald ein Mangel an katholischen Priestern ergab.Auerdem fhrte der Streit um das Erbe derStephanskrone zu einer zunehmenden Schwchungdes ungarischen Adels, der in sich gespalten war. Indiesem machtpolitischen Vakuum konnte sich dasLuthertum ungehindert im gesamten Karpatenraumverbreiten. 1559 bergaben die sieben HauerlnderBergstdte Kremnitz (slow. Kremnica; ung.Krmcbnya), Schemnitz (slow. Bansk tiavnica,ung. Selmec-bnya), Neusohl (slow. BanskBystrica, ung. Besztercebnya), Libethen (slow.Lubietov, ung. Libetbnya), Puk(k)anz (slow.

    Pukanec, ung. Bakabnya), Knigsberg (slow. Nov Baa, ung. jb-nya) und Dilln (slow. Bansk Bela, ung. Belabnya) ihre ConfessioMontana (Heptapolitana) der kniglichen Kommission, um darin ihr

    Bekenntnis zum Luthertum zu dokumentieren. 1569 folgten die Stdte in der Zips mit einer eige-nen Confessio Scepusiana diesem Beispiel. Auf den beiden Synoden in Sillein (slow. ilina, ung.Zsolna) 1610 und Kirchdrauf (slow.Spisk Pohradie, ung. Szepesvralja) 1614 wurde schlie-lich die Einfhrung einer evangelischen Kirchenordnung nach dem Augsburger Bekenntnisbeschlossen. Der geistige Trger der Reformation in Oberungarn war Leonhard Stckel (1510-1560), der dort auch das Schulwesen reformierte.

    4. Die osmanische Herrschaft

    1490 whlten die ungarischen Stnde den bhmischen Knig Wladislaw II. (1456-1516) ausdem polnischen Geschlecht der Jagiellonen zum Nachfolger von Knig Matthias Corvinus. 1491hatte Wladislaw II. im Frieden von Preburg den Habsburgern die ungarisch-bhmischeErbfolge zugesagt, sollte er oder seine Shne ohne mnnliche Nachkommen bleiben. Im Jahr

    Johannes Honter(1498-1549), Reformator der

    Siebenbrger Sachsen

    Schemnitz im Hauerland

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    3Konrad Gndisch, Siebenbrger und die Siebenbrger Sachsen. in: Studienbuchreihe der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat. Bd. 8. Mnchen 1998, S. 87.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • 1515 verheiratete Kaiser Maximilian I. (1459-1519) seine beiden Enkelkinder Maria undFerdinand mit den beiden Kindern Wladislaws, Ludwig und Anna. Mit dieser Doppelhochzeitsicherten sich die Habsburger endgltig ihren Erbanspruch auf Ungarn und Bhmen. 1521eroberte Sultan Sleyman I. (1520-1566) Belgrad (serb. Beograd), nachdem sich Ungarn gewei-gert hatte, fr die Einhaltung eines Waffenstillstands erhhte Tributzahlungen an den Sultan zuleisten. 1526 stand Sleyman neuerlich mit einer Armee von 100.000 Mann zum Angriff auf dasKnigreich Ungarn bereit. Der ungarische Knig Ludwig II. (1516-1526) konnte mit seinemAufgebot von 25.000 Soldaten die Katastrophe nicht verhindern und unterlag der osmanischenbermacht in einer blutigen Schlacht bei Mohcs 1526; Ludwig II. ertrank auf der Flucht. Damitendete endgltig die Herrschaft der polnischen Jagiellonen in Ungarn, weil die Ehe von LudwigII. kinderlos geblieben war. In den nchsten Jahren entbrannte eine Auseinandersetzung um dasErbe der Stephanskrone. Ungarn war zu diesem Zeitpunkt eine Wahlmonarchie. Der HabsburgerFerdinand I. (1503-1564) pochte auf die ungarische Erbfolge, die er durch die Heirat mit derSchwerster von Ludwig II. beanspruchte. Aber schon im November 1526 war der Schwager despolnischen Knigs Sigismund I. (1467-1548), der Woiwode Johann Szapolyai (1510-1526), voneiner Adelspartei aus Ungarn, Siebenbrgen und Slawonien zum Nachfolger von Ludwig II.gewhlt worden. Nur wenige Wochen spter lie sich auch Ferdinand I. am 17. Dezember 1526in Preburg (slow. Bratislava, ung. Pozsony) mit den Stimmen der Siebenbrger Sachsen, derZipser Sachsen und der Kroaten zum ungarischen Gegenknig whlen. In dieser kritischenSituation ging Ferdinand I. in die Offensive und griff Johann Szapolyai an, der trotz osmanischerWaffenhilfe geschlagen nach Polen flchten musste. Die ungarische Stephanskrone fiel damitder Hausmacht der Habsburger zu. Ferdinand I. wurde am 3. November 1527 inStuhlweienburg (ung. Szkesfehrvr) zum ungarischen Knig gekrnt. Aber Sultan Sleymananerkannte den Anspruch der Habsburger auf die ungarische Krone nicht und verfolgte ener-gisch seine weiteren Eroberungsplne, die ihn 1529 mit Untersttzung Frankreichs schlielichbis vor die Tore Wiens brachten. Noch ehe das osmanische Heer Ende September 1529 einenBelagerungsring um die Stadt aufbauen konnte, war es den Verantwortlichen in Wien gelungen,18.000 Soldaten unter der Fhrung von Graf Niklas Salm (1459-1530) in der Stadt zu positionie-ren. Obwohl die Osmanen mehrmals mit Minensprengungen den Abwehrring zu durchbrechenversuchten, hielten die Verteidiger erfolgreich allen Sturmlufen stand. Am 14. Oktober 1529 tra-ten die Osmanen nach erfolgloser Belagerung und aufgrund der schlechtenWitterungsverhltnisse den Rckzug an. Ferdinand I. nutzte diese Schwche der Osmanen undstie bis Ungarn nach, wo er die strategisch wichtigen Festungen wie Raab (ung. Gyr),Komoron (slow. Komrno, ung. Komrom) und Gran (ung. Esztergom) erobern konnte. Dieanschlieenden Friedensverhandlungen, die Wien mit dem Sultan und Johann Szapolyai zufhren versucht hatte, blieben ergebnislos. 1537 bereiteten die Truppen Ferdinands I. eine neueOffensive vor und versuchten, die slawonische Stadt Esseg (kroat. Osijek) zu erobern, wurdenaber von den Osmanen empfindlich geschlagen. Daraufhin schloss Ferdinand I. am 24. Februar1538 mit Johann Szapolyai den Frieden von Growardein (rum. Oradea, ung. Nagyvrad), indem festgelegt wurde, dass Ferdinand I. nach dem Tod von Johann Szapolyai der alleinigeKnig von Ungarn sein sollte. Im Juli 1540 starb Johann Szapolyai. Um den Anspruch desHabsburgers auf die ungarische Knigskrone zu verhindern, rief ein Teil der Anhnger vonJohann Szapolyai seinen erst wenige Wochen alten Sohn Johann Siegmund (1540-1551) zumKnig aus. Sultan Slyeman stimmte dieser Wahl zwar zu, erklrte aber 1541 in Ofen (ung.Buda), dass er das ungarische Knigreich nicht einer Frau, gemeint war Isabella, die Witwe vonJohann Szapolyai, berantworten knne und wandelte den zentralungarischen Raum bis zurThei in ein sogenanntes Paschalyk (osmanische Provinz) um. Der Versuch Ferdinands I., dasZentrum von Ofen (ung. Buda) mit deutscher Waffenhilfe 1542 aus den Hnden der Osmanenzu entreien, scheiterte klglich. Der osmanische Gegenschlag von 1543 war hingegen erfolg-reich. Den Osmanen gelang es, Fnfkirchen (ung. Pcs), Stuhlweienburg (ung.Szkesfehrvr) und Gran (ung. Esztergom) ihrem Machtbereich einzuverleiben. Ferdinand I.

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  • sah sich angesichts dieser verlustreichen Niederlagen gezwungen, 1547 einen Waffenstillstandmit den Osmanen auszuverhandeln und sich die ungarische Knigswrde durch eine jhrlicheTributzahlung von 30.000 Dukaten an den Sultan zu sichern. Die Stabilisierung der osmanischenHerrschaft bedeutete fr den pannonischen Raum im 16. Jahrhundert eine Verschiebung dergeopolitischen Lage, die in der folgenden Form bis zum Ende des 17. Jahrhunderts bestand:

    1.) die Osmanen sicherten sich ihren Einflussbereich im Zentrum Ungarns, das als Pascha-lyk von einem Pascha verwaltet wurde,

    2.) die Habsburger mussten sich mit dem Gebiet westlich des Plattensees, dem Nordwesten Kroatiens und Oberungarn begngen,

    3.) im Osten Ungarns entstand unter osmanischer Oberhoheit ein autonomes Wahlfrsten-tum Siebenbrgen, das dem Sultan gegenber tributpflichtig war. Siebenbrgen war da-mit dem Machtbereich der Habsburger entzogen.

    4.1. Das Grofrstentum Siebenbrgen

    Erst 1551 bahnte sich wieder eine Wende im Machtkampf um Siebenbrgen an. Die FrstinIsabella fhrte nmlich Gesprche mit Wien und erklrte sich bereit, Siebenbrgen an dieHabsburger abzutreten. Aber noch ehe Ferdinand I. mit seinen Truppen in Siebenbrgen ein-rcken konnte, eroberten die Osmanen 1552 Temeschburg (rum. Timioara, ung. Temesvr).1564 folgte Maximilian (1527-1576) Ferdinand I. auch als ungarischer Knig nach. Nach demTod von Sultan Sleyman konnte 1568 ein Waffenstillstand ausverhandelt werden, der, abgese-hen von kleineren Grenzkonflikten, die oben angefhrte territoriale Dreiteilung des ungarischenKnigreichs besttigte. 1570 verzichtete schlielich Johann Siegmund Szapolyai zugunsten derHabsburger auf die ungarische Knigskrone und gab sich mit dem Titel eines Frsten vonSiebenbrgen zufrieden. Die Nachfolge des Siebenbrgischen Frstenstuhls bernahmSigismund Bthori (1572-1613). Siebenbrgen bildete als autonomes Frstentum dieSchnittstelle im bilateralen Beziehungsgeflecht zwischen Wien und Istanbul. 1594 tratSiebenbrgen der Heiligen Liga bei, die gegen die osmanische Herrschaft im ungarischen K-

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

    Dreiteilung Ungarns

  • nigreich gerichtet war. Die Folge waren schwere Kmpfe und Verwstungen auf siebenbrgi-schem Gebiet. 1572 erstieg Kaiser Rudolf II. (1552-1606) als Rudolf I. den ungarischenKnigsthron und ernannte den walachischen Woiwoden Michael den Tapferen (1593-1601) zumStatthalter von Siebenbrgen. 1600 besetzte Michael die Moldau und nannte sich bis zu seinerErmordung von 1601 Frst der Walachei, Siebenbrgens und der ganzen Moldau. DemSachsengrafen Gabriel Bethlen (1613-1629) gelang die Anerkennung des Frstentums durchdie Habsburger. Bethlen sicherte damit dem Frstentum seine Privilegien und fhrte zahlreicheReformen zur Strkung der Wirtschaft durch. Den auenpolitischen Hhepunkt erlangte das sie-benbrgische Frstentum unter seinem Frsten Gyrgy Rkczi (1630-1648) alsMitunterzeichner des Westflischen Friedens von 1648. Sein Sohn Gyrgy II. (1648-1660) streb-te sogar nach der Wiedererrichtung des ungarischen Knigreichs, die von Siebenbrgen ausorganisiert werden sollte. Gyrgy II. mischte sich zudem in den Kampf um die polnischeKnigskrone ein, die er fr das schsische Frstentum sichern wollte. Die Osmanen beobachte-ten diese auenpolitischen Aktivitten mit Argwohn und griffen 1661 militrisch in Siebenbrgenein. Erst die Niederlage der Osmanen bei Mogersdorf 1664 gegen den kaiserlichen FeldherrnGraf Raimund Montecuccoli (1583-1680) veranlassten den Grovezir Ahmed Kprl (1661-1676) zu Friedensverhandlungen. Der Friede von Eisenburg (ung. Vasvr) 1664 sicherte denOsmanen aber dennoch die grte territoriale Ausbreitung im ungarischen Knigreich.

    4.2. Oberungarn unter den Habsburgern

    Im Gegensatz zu Siebenbrgen versuchte Wien die Gegenreformation im habsburgisch verwal-teten Oberungarn mit voller Hrte durchzusetzen. Das brutale Vorgehen der kaiserlichenTruppen gegen die Protestanten fhrte sogar zu Aufstnden. Die Gegenreformation imKarpatenraum stand anfangs unter der Leitung des Graner Erzbischofs Nikolaus Olh (1553-1568), der zur Umsetzung der katholischen Reformen, wie sie beim Konzil von Trient beschlos-sen worden waren, die Jesuiten ins Land holte. 1566 grndete Erzbischof Olh zurUntersttzung der Jesuiten ein Priesterseminar, forderte zudem die Rckgabe des katholischenKirchenvermgens und erbat sich dafr die Hilfe des Kaisers. Ferdinand I. kannte bei derRckfhrung des Kirchenvermgens keine Rcksicht, was dazu fhrte, dass dieGegenreformation wenig Erfolg brachte. Erst das umsichtige Wirken des Jesuiten PeterPzmny (1570-1637) brachte der Gegenreformation die ersten Erfolge. Pzmny wurde vomPapst zum Erzbischof von Gran mit Sitz in Tyrnau (slow.Trnava) bestellt und spter sogar zumKardinal ernannt. Ab 1666 beteiligten sich in Oberungarn auch die Piaristen an derGegenreformation. Mit Ausnahme einiger Zipser Stdte traten die ehemals lutherischenBergstdte wieder zum katholischen Glauben ber.

    5. Habsburgs Aufstieg zur Gromacht

    Die Erfolge der osmanischen Truppen bestrkten zunehmend jene Teile des ungarischen Adels,die sich gegen die Herrschaft der Habsburger im Knigreich Ungarn stellten. Die franzsischeDiplomatie unter Knig Ludwig XIV. (1638-1715) und der Anfhrer der oberungarischenAufstandsbewegung (Kuruzzenaufstand) gegen die Habsburger, Emmerich Tkli (1657-1705),motivierten Grovezir Kara Mustafa (1676-1683) zu einem Angriffskrieg gegen das sterreichi-sche Herrschaftsgebiet. Im Frhjahr 1683 zog Kara Mustafa mit einer Armee von ber 200.000Mann durch Ungarn gegen Wien. Schon am 2. Mai 1683 hatte Kaiser Leopold I. (1640-1705) mitdem polnischen Knig Jan III. Sobieski (1674-1696) ein Militrbndnis unterzeichnet, das vonPapst Innozenz XI. (1611-1689) grozgig mitfinanziert wurde. Militrische Hilfe sagten auchBayern und Sachsen zu. Die kaiserlichen Truppen standen zunchst unter dem Befehl des

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • Herzogs Karl von Lothringen (1643-1690). Am 14. Juni 1683 beganndie Belagerung Wiens, die mit 11.000 Soldaten und 5.000 Zivilistenunter dem Kommando von Rdiger von Starhemberg (1638-1701)erbitterten Widerstand leistete. Die erfolglose Belagerung Wienssollte sich fr die Osmanen zu einem militrischen Fiasko ent-wickeln. Am 12. September 1683 begann unter Fhrung von KnigJan III. Sobieski die Entsatzschlacht um Wien und fhrte noch amselben Tag zur vollstndigen Niederlage der Osmanen. Die HeiligeLiga, die sich als Militrbndnis zwischen sterreich, Polen, demPapst und Venedig gebildet hatte, schritt mit voller Wucht zurGegenoffensive und stie in einem unaufhaltsamen Siegeszugimmer tiefer in den pannonischen Raum vor. Im September 1686konnte unter der militrischen Fhrung von Max Emanuel vonBayern (1662-1726) und Karl von Lothringen (1643-1690) nach hef-tigen Kmpfen Ofen (ung. Buda) genommen werden. Diese Erfolgestrkten die Position der Habsburger, die bei den Verhandlungen auf

    dem ungarischen Reichstag in Preburg (slow. Bratislava, ung. Pozsony) 1687 das Erbrecht frden mnnlichen Stamm ihrer Dynastie durchsetzen konnten. Damit war das ungarischeWahlknigtum in eine Erbmonarchie umgewandelt worden. Das Haus Habsburg sicherte sichdamit die ungarische Knigswrde bis zum Auseinanderbrechen des sterreichischenVielvlkerstaates nach dem Ersten Weltkrieg. Nachdem 1687 Karlvon Lothringen und Max Emanuel von Bayern die Osmanen am 12.August 1687 bei Mohcs entscheidend geschlagen hatten, rcktendie kaiserlichen Truppen nach Siebenbrgen vor und eroberten imSeptember 1688 sogar Belgrad. (serb. Beograd). Als 1690 die erober-ten Gebiete sdlich der Save mit Belgrad wieder verloren gingen,konnten die ungarischen Gebiete dennoch gehalten werden. 1697wurde schlielich der Oberbefehl ber die kaiserliche Armee inUngarn auf Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736) bertragen. PrinzEugen schlug das osmanische Heer endgltig am 11. September1697 bei Zenta (serb. Senta) so vernichtend, dass er damit dieHabsburger fr die anstehenden Friedensverhandlungen in eine gn-stige Position brachte. Wien zeigte sich angesichts der drohendenAuseinandersetzungen um das spanische Erbe zum Frieden bereit.Der Friede von Karlowitz (serb. Sremski Karlovci) vom 26. Januar1699 war eine beeindruckende Machtdemonstration der Habsburger.Kaiser Leopold I. (1640-1705) wurde mit Ausnahme des Temescher Banats zum Herrscher berganz Ungarn, Siebenbrgen und einen Groteil Slawoniens.

    6. Die Neubesiedlung des Knigreichs Ungarn

    Die jahrzehntelangen militrischen Auseinandersetzungen zur Rckeroberung der ungarischenGebiete hatten unter der Zivilbevlkerung zu enormen Verlusten und Fluchtbewegungen gefhrt.Die Folge waren verdete Landstriche mit einer sehr dnnen Bevlkerungsdichte. KaiserLeopold I. lie deshalb von den zustndigen sterreichischen und ungarischen Verwaltungs-stellen Plne fr eine rasche wirtschaftliche Wiederbelebung, den Wiederaufbau der kriegszer-strten Infrastruktur und fr die Ansiedlung von Kolonisten zur Kultivierung des Bodens ausar-beiten. In Wien stellte Bischof Graf Leopold Kollonitsch (1613-1707) ein Gesamtkonzept vor, dasden konomischen Aufbau des ungarischen Knigreichs a.) durch den Abzug der kaiserlichenTruppen, b.) eine gerechtere Verteilung der Steuerlast auf alle gesellschaftlichen Gruppen und

    Max Emanuel von Bayern(1662-1726)

    Prinz Eugen von Savoyen(1663-1736)

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • c.) durch die Ansiedlung von deutschen Kolonisten ermglichen sollte. Bischof Kollonitsch emp-fahl in seinem Hungarischen Einrichtungs-Werk ausdrcklich deutsche Kolonisten, "damit dasKnigreich oder wenigist ein groer Theil dessen nach und nach germanisiret, das hungarischezu Revolutionen und Unruhen geneigte Geblt mit dem teutschen temperiret und mithin zurbestndigen Treu und Lieb ihres natrlichen Erbknigs und Herren ausgerichtet werden mch-ten."4 Am 11. August 1689 verabschiedete Leopold I. das erste Impopulationspatent (An-

    siedlungspatent) derHabsburger, das sichan alle Personen rich-tete, "welche sich ingedachten Knig-reich Hungarn unddemselben angehri-gen Landen Hulichnider zulassen Lustund Sinn haben,sowohl in Stdten, alsauff dem Landt, frfreye Burger undUnterthanen..."5 DasImpopulationspatentversprach eine Reihevon Vergnstigungenwie etwa eine 5-jhri-ge Steuerfreiheit frauslndische, eine 3-jhrige fr inlndi-sche Siedler, starkermigte Grund-stckspreise, ein Erb-

    recht auf Haus- und Grundbesitz sowie zahlreiche Frde-rungsmanahmen in Bereichen der Industrie und desBergbaus. Die Neukolonisation der rckerobertenGebiete erfolgte auf Grundlage privater Initiativen oder

    staatlicher Ansiedlungsprogramme. Das ungarische Einrichtungswerk nach der osmanischenHerrschaft konzentrierte sich vor allem auf die folgenden Gebiete:

    a.) das Mittelgebirge mit den Schwerpunkten Buchenwald (ung. Bkony), Schildgebirge (ung. Vrtes) und Ofner Bergland (ung. Budai Hegysg) mit den wichtigen Zentren Wesprim (ung. Veszprm), Stuhlweienburg (ung. Szkesfehrvr), Gran (ung. Esztergom), Ofen (ung. Buda) und Pest

    b.) die Komitate Tolnau (ung. Tolna), Branau (ung. Baranya) und Schomodei (ung. Somogy) in der sogenannten Schwbischen Trkei

    c.) das ostungarische Komitat Sathmard.) Slawonien und Syrmiene.) Batschka (ung. Bcska, serb. Baka)f. ) Banat

    Erstes Impopulationspatentvom 11. August 1689

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    4Schdl, S. 99.5Schdl, S. 101.

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  • 6.1. Die Privatkolonisation

    Teile des ungarischen Adels erhielten ihren ehemaligen Grundbesitz wieder zurck. Der Kaiserbertrug auerdem Lndereien an Personen, die sich bei der Rckeroberung des ungarischenKnigreichs besondere Verdienste erworben hatten. Dazu zhlten Persnlichkeiten wie PrinzEugen oder Graf Claudius Florimund Mercy (1666-1734), der sptere Gouverneur desTemescher Banats. Es gab aber auch die italienischen und franzsischen Feldherrn Veterani,Caprara und Souches, die grozgig mit Gtern belohnt wurden. Die neuen Grundherrn brauch-ten fr die Bewirtschaftung ihrer Lndereien Arbeitskrfte. Die erste Phase der Kolonisationwurde daher auf privater Initiative (Privatkolonisation) von ungarischen Grogrundbesitzernorganisiert und konzentrierte sich zunchst auf das Ofner Bergland und die Schwbische Trkei.In der Frhphase der Privatkolonisation wurden keine auslndischen Kolonisten angeworben,sondern Arbeitskrfte aus den dichter besiedelten Komitaten in West- und Oberungarn geholt.Die binnenlndische Kolonisation konnte aber den schnell wachsenden Bedarf an Arbeitskrftennicht befriedigen. 1688 richtete der Fnfkirchner Bischof Mtys Ignc Radanay (1687-1703) einSchreiben an die Wiener Hofkammer, in dem er sich bereit erklrt hatte, die durch denPflzischen Erbfolgekrieg ins Elend geratenen Schwaben in seinem Gebiet aufzunehmen, wobeisich das Angebot lediglich auf deutsche Katholiken bezog, "damit auch die katholische Religionein noch greres Wachstum erfahren konnte."6 1689 warb auch der Abt vom Stift Petschwar

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    6Schdl, S. 115.

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  • (ung. Pcsvrad), Ferenc Jany, deutsche Siedler an, die sich bereits ein Jahr spter in denDrfern um das Kloster ansiedelten. Im selben Jahr holte auch die Familie Zichy deutscheKolonisten ins Pester Komitat. Der Aufstand der Kuruzzen unter der Fhrung von Franz FrstRkczi (1676-1735) machte aber eine Fortfhrung der Ansiedlungspolitik unmglich. Viele derneu angesiedelten Kolonisten flchteten; lediglich in den greren Stdten wie Fnfkirchen (ung.Pcs) oder Mohcs konnte sich ein Teil der deutschen Neusiedler halten. Erst nach 1712 wareine Wiederaufnahme der grundherrschaftlichen Siedlungspolitik mglich. Graf AlexanderKrolyi (1668-1743) lie dazu ein Ansiedlungsprogramm ausarbeiten.Nach anfnglichen Schwierigkeiten konnte Graf Krolyi ber 2000deutsche Familien aus dem oberschwbischen Raum im KomitatSathmar (Sathmarer Schwaben) ansiedeln. Die Schwbische Trkeiwurde unter der Leitung der Grafen Esterhzy, Dry, Wallis und Mercykolonialisiert. Mercy ffnete seine Gebiete im Komitat Tolnau auchdeutschen Protestanten, wodurch sich dieses Komitat spter zumZentrum des Protestantismus im ungarischen Knigreich entwickelnkonnte. 1722 richtete der ungarische Landtag ein Bittschreiben an denKaiser, in dem um die Entsendung von deutschen Bauern undHandwerkern angesucht wurde. Die Besiedlung lag vornehmlich imInteresse der ungarischen Stnde, die dazu ein entsprechendesGesetz im Preburger Landtag zur Verabschiedung brachten. Damitwar es mglich, verstrkt auslndische Kolonisten anzuwerben. DieSiedler waren nicht nur Deutsche, sondern auch Spanier, Franzosenund Italiener. Neben Bauern und Handwerkern wurden im BanaterMontangebiet auch dringend Bergleute bentigt. 1717 richtete dieWiener Hofkammer dafr in Temeschburg (rum.Timioara, ung.Temesvr) eine Bergwerksein-richtungskommission ein, die fr den Ausbau des Httenwesens im Banat zustndig war. DerBergbau konzentrierte sich auf den Abbau von Gold, Silber, Kupfer und Eisenerz. Die deutschenBergleute kamen aus der Zips, der Steiermark, Tirol, Salzburg und Bhmen. Zum Zentrum derBanater Berglanddeutschen entwickelte sich am Ende des 18. Jahrhunderts Reschitz (rum.Reita), nachdem Maria Theresia dort 1768 den Bau des Eisenwerks Reschitz genehmigt hatte.

    6.2. Die staatliche Kolonisation

    Das staatlich gelenkte Kolonisationswerk der Habsburger vollzog sich whrend derRegierungszeiten von Karl VI. (1711-1740), Maria Theresia (1740-1780) und Joseph II. (1780-1790). In diese Zeit fallen die sogenannten Drei groen Schwabenzge, die nach der Befreiungdes Banats von der osmanischen Herrschaft im Frieden von Passarowitz (serb. Poarevac)1718 ihren Anfang nahmen.

    Der erste Schwabenzug (1722-1726)Der rckeroberte Banat wurde unter Protest der ungarischen Stnde nicht wieder dem ungari-schen Knigreich einverleibt, sondern stand als unmittelbares Reichsland (Krondomne Banat)bis 1751 unter der Verwaltung der Wiener Hofkammer und des Hofkriegsrats. Der Hofkriegsratbeschrnkte sich in seinem Wirken auf die Verwaltung der Militrgrenze. Bereits 1718 waren mitden kaiserlichen Truppen die ersten deutschen Kaufleute und Handwerker nach Temeschburg(rum.Timioara, ung.Temesvr) gekommen. Dem Militrgouvernement Banat stand Graf Mercyals Gouverneur vor, der bereits 1719 einen Ansiedlungsplan angefertigt hatte, nach welchem dieSiedler in den schon bestehenden Gemeinden untergebracht wurden. Der Banat wurde in 13Distrikte unterteilt, die von Verwaltungsmtern geleitet wurden, in deren Kompetenz dieAnsiedlungsmodalitten lagen. Unter Karl VI. konnten 46 Siedlungen fr 15.000 Kolonisten

    Graf Claudius Florimund von Mercy (1666-1734)

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • errichtet werden, die aus den westlichen Teilen des deutschen Reichsgebiets kamen. Einen wirt-schaftlichen Aufschwung erlebte Temeschburg (rum.Timioara, ung.Temesvr), das unter Mercygrozgig ausgebaut und industriell mit Seiden- und Tuchfabriken gefrdert wurde. 1733 nahmMercy am Italienfeldzug teil, wo er 1734 starb. Der Tod Mercys und die Kriege gegen dieOsmanen zwischen 1737 und 1739 unterbrachen die Kolonisation im Banat. Die Erfolge derersten Ansiedlungswelle waren durch die unwirtlichen Verhltnisse und schwierigenLebensbedingungen ernsthaft in Frage gestellt worden. Pest und Sumpffieber, das ungewohnteKlima und die anspruchsvolle Krperarbeit forderten ihre Opfer unter den Kolonisten. Viele fhl-ten sich an den Kolonistenspruch "Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten dasBrot" erinnert und verlieen enttuscht den Banat und suchten in der Schwbischen Trkei oderim Ofner Bergland ein neues Glck.

    Der zweite Schwabenzug (1763-1773)Die Thronbesteigung Maria Theresias (1740-1780) entfachte eine lange Auseinandersetzung umdie Anerkennung der weiblichen Erbfolge. Kaiser Karl VI. hatte 1713 fr seine Tochter MariaTheresia die Erbfolge auf Grundlage von Erbfolgegesetzen (Pragmatische Sanktion) gegenberden europischen Gromchten und den sterreichischen Kronlndern zu sichern versucht.Kurfrst Karl Albert von Bayern (1697-1745 ) anerkannte die Pragmatische Sanktion jedochnicht, erhob Erbansprche und regierte als Kaiser Karl VII. von 1742 bis zu seinem frhen Tod1745. Auch der Preuenknig Friedrich II. (1712-1786) beanspruchte groe Teile Schlesiensund entfachte mit seinem Einmarsch in Schlesien den sterreichischen Erbfolgekrieg, der erst1748 mit der Anerkennung der Pragmatischen Sanktion im Frieden von Aachen endete. Unterdiesen Umstnden war an eine Weiterfhrung der Kolonisation in Ungarn nicht zu denken. Erstnach dem Siebenjhrigen Krieg (Dritter Schlesischer Krieg 1756-1763) war eineWiederaufnahme der Neubesiedlung der Kronlnder im Sdosten der Monarchie mglich. Frden Banat beauftragte Maria Theresia General Friedrich Alois Kolowrat, der das Aufbauwerk desGrafen Mercy weiterfhren sollte. Seit 1766 arbeitete im Banat eine eigeneImpopulationskommission, um die Ansiedlung zwischen der Wiener Hofkammer und den verant-wortlichen Stellen im Banat besser zu koordinieren. Maria Theresia lie aber den Banat in eineStrafkolonie fr Rebellen, Kriegsgefangene, Dirnen und Schwerverbrecher umwandeln. 1778gab die Wiener Hofkammer den Banat wieder an die Ungarische Hofkammer zurck, die fortanfr die weitere Siedlungspolitik verantwortlich war. Der zweite Schwabenzug konzentrierte sichauf die Batschka, die von Beginn an der Ungarischen Hofkammer unterstellt war. Die Trger derKolonisation in der Batschka waren weltliche und geistliche Grundbesitzer, die ihre ungarischenLndereien nach der Befreiung von den Osmanen ber die in der Wiener Hofkammer eingerich-tete Neoacquistica commissio zurckerhalten hatten. Die Batschka warnach der osmanischen Regentschaft mit nur 32.000 Einwohnern sehrdnn mit Serben und Rumnen besiedelt. Maria Theresia erlie am 25.Februar 1763 ein Kolonisierungs-Patent, in dem sie zunchst die ausdem Siebenjhrigen Krieg entlassenen Soldaten aufforderte, sich inUngarn anzusiedeln. Dem zweiten Schwabenzug folgten dann bis1773 ber 40.000 deutsche Kolonisten aus Lothringen, Trier, derSchweiz, Schwaben und Tirol. Das erfolgreiche Siedlungsunternehmenin der Batschka stand unter der Leitung von Anton von Cothmann(1720 -1768). Aber schon 1771 stellte die Wiener Hofkammer ihrestaatlichen Subventionen fr weitere Siedlungsaktionen ein.

    Der dritte Schwabenzug (1782-1787)Die vom Staat finanziell getragene Siedlungspolitik fand erst wieder mitdem Impopulationspatent von Joseph II. vom 21. September 1782 eineWeiterfhrung. Der dritte Schwabenzug erstreckte sich ber alle

    Kaiser Joseph II(1741-1790)

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • Siedlungsgebiete im Knigreich Ungarn. Dem Ansiedlungsaufruf Josephs II. folgten 7.600 deut-sche Familien, wobei sich die Mehrheit von 6.000 im Banat ansiedelte.

    6.3. Die Donauschwaben

    Die staatlichen und privaten Ansiedlungs-aktionen - die auch hunderttausende Rum-nen, Slowaken und Ukrainer betrafen - fhrtenzu einer ethnografischen Neuordnung im un-garischen Knigreich. Die Angaben zur Ge-samtzahl der eingewanderten Deutschenbeliefen sich nach heutigen Schtzungen aufbis zu 200.000 Personen, wobei sich folgendeUnterteilung zeigt:

    Banat: 85.000Batschka: 35.000Sathmar: 7.000Syrmien-Slawonien: 15.000Schwbische Trkei: 30.000Mittelgebirge: 35.000

    Die Vorfahren der Donauschwaben fuhren mit derUlmer Schachtel auf der Donau in ihre neue Heimat

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    Modelle frAnsiedlungshuser

    Plan des imJahre 1785erbauten

    KameraldorfesTscherwenka,entworfen am 1. Dezember

    1784 von Ing. Joseph

    von Kiss

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  • Vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Bevlkerung des KnigreichsUngarn von 3,5 auf 9,2 Millionen angewachsen. Die deutschsprachige Bevlkerung war bis zudiesem Zeitpunkt auf 1,3 Millionen angestiegen; auerdem waren ber 200.000 Jiddisch spre-chende Juden aus Galizien ins Karpatenbecken eingewandert. Die Neusiedler waren in derberwiegenden Mehrheit Deutsche, die zum Groteil aus dem frnkisch-pflzischen, dem bai-risch-sterreichisch-bhmischen und zu einem kleineren Teil aus dem schwbischenSprachraum kamen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese deutschen Kolonistenals Donauschwaben bezeichnet. Die Donauschwaben waren daher nach den SiebenbrgerSachsen und den Zipser Sachsen die dritte groe deutsche Volksgruppe im ehemaligen Knig-reich Ungarn.

    7. Siebenbrgen nach der osmanischen Herrschaft

    1690 nahm Kaiser Leopold I. den Titel eines Frsten von Siebenbrgen an und besttigte 1691im sogenannten Leopoldinischen Diplom die Religionsfreiheit fr Siebenbrgen und dieLandesrechte fr die drei Nationen: "In den Angelegenheiten der daselbst rezipierten Religionen,Kirchen, Schulen, Pfarreien oder der Einfhrung irgend eines anderen geistlichen Standes oderkirchlicher Personen, als wie sie jetzt dort bestehen, soll nichts gendert werden."7 DasLeopoldinische Diplom blieb bis 1848 das Grundgesetz Siebenbrgens, das wieder ein festerBestandteil der Donaumonarchie geworden war. 1694 wurde in Wien die SiebenbrgischeHofkanzlei eingerichtet, in der die siebenbrgische Verwaltung geregelt wurde. Die Siebenbr-ger Sachsen hatten zwar wichtige Teile ihrer historischen Privilegien von Leopold I besttigtbekommen, die Politik Siebenbrgens wurde aber fortan in Wien bestimmt. Der Kaiser ernann-te dazu einen Kommandierenden General fr Siebenbrgen. Die Verwaltung und dieGerichtsbarkeit oblagen von 1703 bis 1790 dem sogenannten Gubernium mit Sitz inHermannstadt (rum. Sibiu, ung. Nagyszeben), das der Siebenbrgischen Hofkanzlei in Wiendirekt unterstellt war. An der Spitze des Guberniums stand ein Gubernator, der den Landtag ein-zuberufen hatte. 1790 wurde das Gubernium nach Klausenburg (rum. Cluj, ung. Kolozsvr) ver-legt. Unter dem Schutz der kaiserlichen Truppen konnte sich Siebenbrgen ab der zweitenHlfte des 18. Jahrhunderts von den Kriegswirren wirtschaftlich erholen. Einige Sorgen bereite-ten den Siebenbrger Sachsen die Manahmen der Gegenreformation, die zur Niederlassungkatholischer Orden und zum Bau katholischer Kirchen auf dem legendren Knigsboden fhr-ten. 1721 sah sich die Hermannstdter Brgerschaft auf Verlangen des kommandierendenGenerals sogar verpflichtet, ein Grundstck fr den Bau einer katholischen Kirche zur Verfgungzu stellen. Die Prsenz der kaiserlichen Verwaltungs- und Militreinrichtungen in Siebenbrgenbot anderseits der schsischen Bevlkerung die Mglichkeit, eine Karriere im sterreichischenStaatsdienst anzustreben. Zu den bekanntesten Persnlichkeiten zhlte Samuel Brukenthal(1721-1803), der es vom Gubernialsekretr bis zum Gouverneur von Siebenbrgen brachte.Brukenthal fand als persnlicher Finanzberater Maria Theresias sogar den Zugang zu den hch-sten Hofkreisen. In dieser Situation war er um eine Verteidigung der schsischen Privilegienbemht, was ihm in Wien sehr schnell den Vorwurf einbrachte, die Stellung der Monarchie imSdosten zugunsten eines schsischen Separatismus schwchen zu wollen. Brukenthal trat alsgrozgiger Frderer der siebenbrgischen Geschichtsschreibung und Mzen der siebenbrgi-schen Kunst auf. Auerdem war er bis zu seinem Lebensende mit der Errichtung einerSchsischen Soziett der Wissenschaften beschftigt. In den Jahren 1762-1770 wurde dieSiebenbrgische Militrgrenze eingerichtet, zu deren Verteidigung hauptschlich Szekler undRumnen als Wehrbauern eingestellt wurden. Whrend die Rumnen in dieser Aufgabe einegesellschaftliche Aufwertung sahen, lehnten sich die Szekler gegen diese Vereinnahmung auf.

    17

    7Gndisch, S. 105.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • Der Widerstand der Szekler wurde mit Untersttzung der kaiserlichen Truppen blutig niederge-schlagen.

    7.1. Protestantische Neusiedler in Siebenbrgen

    Die Geschichte der Landler in Siebenbrgen beginnt mit der zwangsweisen Umsiedlung vonProtestanten aus dem Land ob der Enns, dem Salzkammergut, Krnten und der Steiermark. DerBegriff Landler ist als Sammelbegriff erst seit dem 19. Jahrhundert im Gebrauch. Zunchstwaren damit nur die vertriebenen Protestanten aus dem Land ob der Enns, vor allem aus demGebiet um Gmunden, Vcklabruck und Wels gemeint. Die sogenannten Transmigrationen ausdiesen sterreichischen Lndern waren im 18. Jahrhundert unter Karl VI. und Maria Theresiadurchgefhrt worden. Der Begriff Transmigration entstammte der Wiener Kanzleisprache desfrhen 18. Jahrhunderts und meinte eine innerterritoriale Zwangsumsiedlung. Die Transmigran-ten waren als Protestanten gezwungen, ihren Besitz zu verkaufen und nach Siebenbrgen zuziehen. Die Kinder mussten jedoch zurckbleiben und wurden bei katholischen Bauern unterge-bracht. Die Verkaufserlse verwaltete bis zur Ankunft der Protestanten in Siebenbrgen ein eige-nes Transmigranten-Inspektorat. In zahlreichen Fllen gelangte das Geld versptet oder garnicht zur Auszahlung, wodurch ein Teil der Neuankmmlinge ber Jahre hinweg unter schwierig-sten Bedingungen in Massenquartieren leben musste. So wurde dem Groteil der erstenTransmigranten aus Krnten berhaupt kein Geld in Siebenbrgen ausbezahlt, was eineVerelendung dieser Menschen zur Folge hatte. Das Magistrat in Hermannstadt (rum. Sibiu, ung.Nagyszeben) informierte die verantwortlichen Stellen in Wien und erklrte zur Situation, dass

    18

    Deutsche Siedlungsgebiete in Sdosteuropa nach

    der Trkenzeit

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • "die armen Emigranten zwar berhaupt, insbesondere aber die elendenCrnthner sehr stark mit dem allhier grassierenden Fieber befallen wor-den, und grtenteils wegen Sehnsucht nach ihren Kindern und Mangelan Nahrung dahinsterben... so wissen wir leyder nicht, wie wir solchebloo und leeren Hnden zu uns kommenden Leuten ernhren sollen...wozu noch dieses kommet, dass vielleicht die Mehrist drauen wohlha-bende und nhrhafte Leuthe drften gewesen seyn, sie allhier gleichsamals Bettler ansehen und dadurch ihren Kummer und Nothstand nur umsogrer machen."8 Die Landler unterschieden sich deutlich in ihrenDialekten und Gebruchen von der schsischen Bevlkerung und lebtenvor allem in den Ortschaften Groau (rum. Cristian, ung.Keresztnysziget), Neppendorf (rum. Tunior, ung. Kistorony) undGropold (rum. Apoldu de Sus, ung. Nagyapold).

    7.2. Die Bukowina und die Dobrudscha

    Unter Joseph II. wurde 1775 die zum rumnischen Frstentum Moldau gehrige und unterosmanischer Oberhoheit stehende Bukowina (Buchenland) dem Habsburgerreich einverleibt. Inmehreren Einwanderungswellen strmten deutsche Siedler um 1780 aus dem Banat,Sdwestdeutschland, der Zips und aus dem Bhmerwald in die Bukowina. Gemeinsam mit dengroteils ebenso zugewanderten Juden, Ukrainern und Rumnen entstand eine multiethnischeund multikonfessionelle Landesbevlkerung. In den Stdten der Bukowina entwickelte sich ins-besondere in Czernowitz (ukr. ernivci, rum. Cernuti) bis zum Zweiten Weltkrieg ein deutsch-jdisches Brgertum, das hohe kulturelle Leistungen vollbrachte. Als letztes historisches Beispiel

    der sdostdeutschen Kolonisationsei die Dobrudscha am SchwarzenMeer genannt. Die Dobrudschawar als Grenzgebiet zwischen derDonau im Westen und demSchwarzen Meer schon lange einWohngebiet fr viele Volksgrup-pen: Bulgaren und Walachen,Trken und Tataren. Zar AlexanderI. von Russland (1801-1825) holte1804 deutsche Siedler aus Elsass-Lothringen und dem pflzisch-wrttembergischen Raum nachSdrussland und das nrdlich derDobrudscha gelegene Bessara-bien. Nach dem russisch-osmani-schen Krieg von 1827/28 wander-ten deutsche Siedler aus Bessara-bien und Sdrussland in dieDobrudscha ein, um dem russi-schen Militrdienst zu entgehen.

    Landler

    19

    8Erich Buchinger, Die "Landler" in Siebenbrgen. Vorgeschichte, Durchfhrung und Ergebnis einer Zwangsumsie-dlung im 18. Jahrhundert. Mnchen 1980, S.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • 8. Aufgeklrter Absolutismus und Nationalimus

    Joseph II. zeigte als aufgeklrter Monarch wenig Verstndnis fr die Sonderprivilegien derSiebenbrger Sachsen und kndigte das Leopoldinische Diplom auf. Joseph II. wollte einenstraff organisierten und zentral gelenkten Beamtenstaat mit deutscher Amtssprache, in dem alleBrger, unabhngig von ihrer ethnischen und religisen Herkunft, dieselben Pflichten undRechte beanspruchen sollten. Mit dem sogenannten Konzivilittsreskript vom 4. Juli 1781 hobJoseph II. das ausschlieliche Besitzrecht der Siebenbrger Sachsen auf dem Knigsboden auf.Damit konnten sich nunmehr auch Rumnen und Ungarn im schsischen Altland ansiedeln.1784 erwirkte die Verwaltungsreform das Ende der Eigengerichtsbarkeit und Selbstverwaltungder schsischen Nationsuniversitt. Obwohl Joseph II. kurz vor seinem Tod die Manahmengegen die Siebenbrger Sachsen widerrufen hatte, konnten die Auswirkungen der Reformennicht mehr rckgngig gemacht werden. Immerhin war 1790 die Nationsuniversitt mit ihrenFhrungsstrukturen und Entscheidungsgremien wieder hergestellt worden. Nach der Rckgabedes Banats an die Ungarische Hofkammer wurde im Banat 1779 die ungarischeKomitatsverwaltung eingefhrt. Die noch von der Wiener Hofkammer eingerichtete TemescherKameraladministration blieb aber bestehen, wodurch der Magyarierungsdruck in der ffentlichenVerwaltung abgeschwcht werden konnte. Auerdem wurde bereits 1780 die ungarischeKomitatsverwaltung durch die josephinische Reform wieder aufgehoben. Die josephinischeSprachverordnung von 1784 strkte vor allem das kulturelle Selbstbewusstsein der deutschenBevlkerung in den Stdten des Banats. Nach dem Tod von Joseph II. trat aber 1790 die unga-rische Komitatsverwaltung wieder in Kraft.

    8.1. Nationale Emanzipation und Magyarisierung

    Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hatten die national-liberalen Ideale der FranzsischenRevolution und der deutschen Romantik auch auf das Knigreich Ungarn bergegriffen. Die auf-geklrten Reformen des Josephinismus waren vom magyarischen Adel als massiver Eingriff indie traditionellen Verwaltungs- und Fhrungsstrukturen empfunden worden und provozierteneine nationale Gegenbewegung, die sich anfangs vornehmlich auf dem Gebiet der Literaturbehaupten konnte. Die geistig von Gyrgy Bessenyei (1747-1811) getragene Reformbewegungstrebte eine Renaissance der ungarischen Sprache als Literatursprache nach klassischemVorbild an. Die Erneuerung der ungarischen Sprache diente den Reformern als intellektuellesMittel zur Verbreitung der ungarischen Aufklrung. Die magyarische Reformbewegung fand nichtnur in den literarischen und wissenschaftlichen Kreisen eine breite Zustimmung, sondern kriti-sierte ab 1825 die soziale und wirtschaftliche Notlage groer Teile der magyarischenBevlkerung. An vorderster Front der Modernisierungsbestrebungen stand zu diesem ZeitpunktGraf Istvn Sechenyi (1791-1860), der sich in seinen politischen Schriften fr eine tiefgreifen-de Liberalisierung der Wirtschaft, eine Neustrukturierung der ungarischen Landwirtschaft unddie Beseitigung der Adelsprivilegien aussprach. Noch radikaler waren die politischen Ziele derliberalen magyarischen Opposition, die unter der Fhrung von Lajos Kossuth (1802-1894) dienationale Selbstbestimmung und die volle Gleichberechtigung der Magyaren imHabsburgerreich forderte. Unter Kossuth hatte sich die ungarische Aufklrung zu einer politi-schen Reformbewegung entwickelt, die neben sozialen, kulturellen und wirtschaftspolitischennderungen eine Magyarisierung der Gesellschaft verlangte. Die Strkung des Magyarentumsim Knigreich Ungarn sollte nach den Plnen der radikalen Reformer ber die ungarischeSprache gesichert werden und zu einem ungarischen Nationalstaat fhren. In diesem engennationalpolitischen Rahmen blieb fr die nichtmagyarischen Volksgruppen, die den sozialenForderungen der ungarischen Sozialbewegung durchaus nahe standen, kaum Platz fr eineEntfaltung der eigenen Identitt. 1843/44 verabschiedete der ungarische Landtag ein Sprachen-

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • gesetz, das die lateinische Amtssprache durch die ungarische ersetzte. Mitdiesem Schritt sollte erreicht werden, dass in der Gesetzgebung, im gesam-ten Staats- und Bildungswesen und im kirchlichen Bereich nur mehr dasUngarische zur Anwendung komme. Die Einfhrung der ungarischenAmtssprache erhhte den Druck auf die Sprachen der anderenNationalitten im Knigreich Ungarn, die einen verstrkten Assimilations-druck befrchteten. Die Magyarisierung war eine bewusste Reaktion auf diedemografischen Verhltnisse im Knigreich Ungarn um 1840. Von den 14Millionen Einwohnern waren nur 6 Millionen Magyaren, die sich gegenberden nichtmagyarischen Bevlkerungsgruppen in der Minderheit befanden.Die deutschen Volksgruppen umfassten zu diesem Zeitpunkt eineGrenordnung von 1,3 bis 1,5 Millionen, die Rumnen von 2,2 Millionen,die Slowaken von 1,7 Millionen, die Kroaten von 1, 2 Millionen und dieSerben von 800.000 Bewohnern.

    9. Magyarisierung und die deutschen Volksgruppen

    Die deutschen Volksgruppen reagierten auf die zunehmende Magyarisierung unterschiedlich.Die uneinheitliche Haltung der deutschen Volksgruppen resultierte aus der geografischenStreulage der deutschen Siedlungsgebiete, der unterschiedlichen sozialen Zugehrigkeit unddem sehr differenzierten Zugang zum Magyarentum. Die ersten Bewegungen gegen die

    Magyarisierung kamen in den Stdten auf, wo in Budapest von EduardGlatz (1812-1889) die deutschsprachige Pester Zeitung herausgege-ben wurde. Glatz konnte mit seiner Schrift Das deutsche Element inUngarn erste wichtige Impulse fr ein deutsches Nationalbewusstseinunter Teilen des deutschen Stadtbrgertums entwickeln, ohne freilich diedeutschen Volksgruppen in denlndlichen Gebieten zu erreichen.Der Preburger Gelehrte GottfriedSchrer (1791-1850) beschftigtesich ebenfalls in seiner Arbeit berErziehung und Unterricht in Ungarnmit dem Fortschreiten der Magya-risierung im Bildungswesen desungarischen Knigreichs. Die deut-schen Intellektuellen hatten derMagyarisierung aber wenig entge-gen zu setzen. Zu den Deutsch-

    sprachigen zhlten sich teilweise auch die 240.000 Juden,die groteils dem gebildeten Stadtbrgertum angehrtenund wesentlich zum deutschen Kulturleben beitrugen. Dieungarischen Sprachgesetze von 1843/44 und die wirt-schaftliche Emanzipation der Juden beschleunigte aberderen Assimilation und ihre kulturelle Hinwendung zumMagyarentum. War das ungarische Deutschtum noch zuBeginn des 19. Jahrhunderts der wirtschaftliche und kultu-relle Motor im Knigreich Ungarn gewesen, so verschobensich bis zur Jahrhundertmitte die Verhltnisse zugunstendes Magyarentums.

    Istvn GrafSechenyi

    (1792-1860)

    Eduard Glatz(1812-1889)

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    Preburger Zeitungvon 14. Juli 1764

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • 9.1. Die Siebenbrger Sachsen und die Magyarisierung

    Siebenbrgen war zu diesem Zeitpunkt noch ein autonomes Grofrstentum, das direkt demsterreichischen Kaiserhaus unterstand. Der magyarische Adel forderte aber eine EingliederungSiebenbrgens in das ungarische Knigreich. Diese Forderung spaltete die SiebenbrgerSachsen in zwei Lager. Die sogenannten Unionisten befrworteten die magyarischenReformbewegungen und erhofften sich von einer Eingliederung eine Strkung der Brgerrechte.Die Gegner der Union zeigten ebenfalls Sympathien fr die ungarische Reformbewegung,befrchteten aber bei einer Vereinigung mit Ungarn den Verlust der kulturellen und sprachlichenIdentitt der Siebenbrger Sachsen. Auf breite Ablehnung unter den Siebenbrger Sachsenstie die Ankndigung des magyarischen Adels auf dem Landtag in Klausenburg von 1842, dasUngarische zur allgemeinen Landessprache in Siebenbrgen zu machen. Eine zentrale Rollenahm in dieser Auseinandersetzung der schsische Pfarrer undPdagoge Stephan Ludwig Roth (1796-1849) ein, der in seiner SchriftDer Sprachenkampf in Siebenbrgen eine Gleichbehandlung aller inSiebenbrgen gesprochenen Landessprachen einforderte. Anspruchauf die allgemeine Landessprache in Siebenbrgen htte nach Rothnur die rumnische Landessprache stellen knnen, weil sie von einerMehrheit der Bevlkerung in Siebenbrgen gesprochen wurde: "Siehtman auf die Anzahl der Sprechenden, so muss der allergndigsteKaiser walachisch zu den Siebenbrgern sprechen."9 Eine gesell-schaftspolitisch relevante Rolle zur Pflege der eigenen Identitt kamdem schsischen Vereinsleben zu. 1842 wurde der Verein fr sieben-brgische Landeskunde zur Frderung des nationalen Zusammen-halts der Sachsen gegrndet. Daneben gab es eine Reihe von Musik-und Brgervereinen, die sich zum Erhalt und zur Weitergabe der eige-nen kulturellen Traditionen verpflichtet hatten. Eine zentrale Rolle spiel-te dabei die evangelische Kirche in Siebenbrgen.

    9.2. Die Karpatendeutschen und die Magyarisierung

    Der oberungarische Karpatenraum setzte der Magyarisierung kaum Widerstand entgegen. 1824war am Ksmarker Kollegium der magyarische Selbstbildungsverein gegrndet worden, um dennichtmagyarischen Volksgruppen den Zugang zur ungarischen Sprache und Literatur zu ffnen.Eine wichtige Rolle spielte dabei die deutsche lutherische Geistlichkeit, die durch die gesetz-lichen Verordnungen von 1840 und 1844 den Gebrauch der ungarischen Sprache im innerkirch-lichen Schriftverkehr und im Schulunterricht zu pflegen hatte.

    9.3. Die Donauschwaben und die Magyarisierung

    In den sdungarischen Siedlungsgebieten der Donauschwaben war es hingegen der katholischeKlerus donauschwbischer Abstammung, der die Magyarisierung des geistigen Lebens mit gro-em Eifer betrieb. Anstze fr eine gezielte Magyarisierung gab es auch im Schulbereich, jedochkonnten die Donauschwaben in den lndlichen Gemeinden ihre deutsche Unterrichtssprachebewahren. Die Donauschwaben entwickelten erst nach 1848 ein reges deutsches Vereinsleben,das zumindest im drflichen Beziehungsgeflecht die Entwicklung eines donauschwbischenVolksbewusstseins anregte. Nach 1850 stie das Vereinsleben auch in den deutschen Gemein-

    Stephan Ludwig Roth(1796-1849)

    22

    9Schdl, S. 235.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • den des Banats auf eine hohe gesellschaftliche Wertschtzung. Es waren vor allemMuttergottes- und Rosenkranzvereine, die zur Vertiefung des religisen Lebens in denGemeinden gegrndet wurden. In den Banater Stdten entstanden auerdem Gesangsvereineund Brgerliche Schtzenvereine, die vornehmlich die Wehr- und Verteidigungsfhigkeit dermnnlichen Einwohnerschaft schulten.

    10. Das Revolutionsjahr 1848/49

    Nach dem Ausbruch der Revolution in Wien war es zwar auch in Budapest am 15. Mrz 1848zu kurzen, revolutionren Ausschreitungen gekommen, aber vorerst dominierte die Politik. DieVerhandlungen mit Wien fhrten schlielich zur Verabschiedung der sogenannten Aprilgesetzevon 1848, die den langsamen Wandel des ungarischen Feudalsystems in eine liberaleBrgergesellschaft ermglichen sollten. Die verfassungsmige Verankerung derGrundfreiheiten strkte die nationalen Ansprche breiter magyarischer Gesellschaftsschichten.Die Aprilgesetze von 1848 bercksichtigten aber nicht die nationalen Bedrfnisse der nichtma-gyarischen Volksgruppen, vornehmlich die der Serben, Kroaten und Rumnen. Die Haltung derdeutschen Bevlkerung zu den revolutionren Vorgngen in Ungarn war uneinheitlich. Whrenddas eher liberal gesinnte deutsche Stadtbrgertum seine Sympathien fr das ungarischeFreiheitsstreben offen dokumentierte, stand die deutsche Landbevlkerung in ihrem traditionel-len Loyalittsbewusstsein ziemlich geschlossen auf Seiten des Kaisers. Groes Misstrauenherrschte bei den Siebenbrger Sachsen vor, nachdem der ungarische Landtag gegenberWien die Union mit Siebenbrgen eingefordert hatte. Die Siebenbrger Sachsen frchteten umihre Privilegien und entsandten am 25. April 1848 eine Delegation zum Kaiser nach Wien, umgegen die Union mit Ungarn zu protestieren. Am 29. Mai 1848 stimmte dennoch die Mehrheit derAbgeordneten im schsischen Landtag der Union zu. In dieser angespannten Atmosphrewurde Stephan Ludwig Roth wegen seiner kritischen Haltung gegenber der Magyarenpolitikvon den Anhngern Kossuths verhaftet, wegen Hochverrats von einem ungarischenStandgericht in Klausenburg zum Tode verurteilt und 1849 hingerichtet. Die Revolution von 1848hatte auch unter der deutschen Bevlkerung die Forderung nach nationaler Gleichberechtigungim Knigreich Ungarn verstrkt. Am 2. Oktober 1849 formulierte eine Delegation von 133Donauschwaben eine Petition an den Kaiser, die vom Dechanten Josef Nowak (1803-1880)geleitet wurde. Die Serben hatten nmlich die Errichtung einer eigenen Woiwodschaft gefordert,die auch groe Teile des Siedlungsgebiets der Donauschwaben beanspruchte. In der sogenann-te Bogaroscher Petition versicherten die Donauschwaben ihre volle Loyalitt gegenber demHerrscherhaus. Sollten aber die Serben "zum Schutz ihrer Nationalitt einen Woiwoden, dieRumnen einen Kapitn, die Slowaken Oberungarns ein eigenes Oberhaupt erhalten, so bittenwir im Namen aller deutschen Gemeinden auch uns unter dem Namen eines Deutschen Grafennach dem Vorbilde des Sachsengrafen ein unmittelbares Oberhaupt einzusetzen, unter dessenSchutz unsere Angelegenheiten, Gerichtspflege und ffentliche Verwaltung in deutscherSprache und nach deutscher Sitte behandelt, gepflogen und geleitet werde."10 Der Wiener Hofreagierte jedoch mit Zurckhaltung auf solche Forderungen, weil die Aufteilung der Macht denabsoluten, zentralistischen Ansprchen Wiens widersprachen. Die Deutschen im Banat und inder Batschka gerieten schlielich in die Auseinandersetzungen der ungarischen Regierung undin den Sog der nationalen Forderungen der Serben und Kroaten. Im Sommer 1848 kam es umWeikirchen (ung. Fehrtemplom, serb. Bela Crkva) zu heftigen Kmpfen, bei denen auchschwbische Nationalgardisten beteiligt waren. Die Donauschwaben verhielten sich in derRevolution nicht einheitlich. Die donauschwbische Landbevlkerung vertraute ihr Schicksalgeschlossen jener kaiserlichen Macht an, die den deutschen Kolonisten bei deren Ansiedlung

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    10Ingomar Senz, Die Donauschwaben. in: Studienreihe der Stiftung ostdeutscher Kulturrat. Bd. 5. Mnchen 1994, S. 44.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • als freie Untertanen Hilfe und Schutz garantiert hatte. Anhnger fr die revolutionren Idealefanden sich lediglich in den greren Stdten. Immer weniger Sympathien genoss die ungari-sche Nationalbewegung bei den sdslawischen Vlkern, galt doch Lajos Kossuth als Gegnereiner unabhngigen serbischen Nation. So sprach sich Kossuth im April 1848 in Preburg (slow.Bratislava, ung. Pozsony) gegenber einer serbischen Delegation gegen jede Form einer serbi-schen Autonomie aus und erklrte: "In Ungarn gibt es nur eine Nation, die magyarische, alleanderen sind nur anderssprechende Volksstmme."11 Nach der militrischen Niederschlagungdes Aufstandes in Ungarn wurde auf Anordnung von Kaiser Franz Joseph am 18. November1849 fr die Serben die Serbische Woiwodschaft und Temescher Banat eingerichtet, die bis1861 bestand. Die Serben, die seit dem 16. Jahrhundert an den sterreichisch-osmanischenGrenzen als Wehrbauern im Dienste der Habsburger ttig waren, verfgten damit zum erstenMal in ihrer Geschichte ber ein autonomes Verwaltungsgebiet, dessen Administration nach derkaiserlichen Anordnung "unabhngig von jener Ungarns durch unmittelbar Unserem Ministeriumunterstehende Landesbehrden zu leiten ist."12 Die Serbische Woiwodschaft war aber keinmehrheitlich von Serben bewohntes Territorium, sondern ein multiethnisches Gebiet, in demnach der 1850/51 durchgefhrten Volkszhlung 400.279 Rumnen, 384.046 Serben, 335.080Deutsche, 221.845 Magyaren, 25.607 Tschechen und Slowaken, 22.780 Bulgaren, 15.507Juden, 11.400 Roma, 6.777 Ruthenen, 2.860 Kroaten und 2.820 Griechen lebten.

    11. Der Ausgleich mit Ungarn 1867

    Die militrische Niederlage gegen die italienische Nationalbewegung in Solferino 1859 schwch-te das absolutistische Herrschaftssystem der Habsburgermonarchie, das nach der Niederlagegegen Preuen bei Kniggrtz (tsch. Hradec Krlov) von 1866 dem Knigreich Ungarnumfangreiche Zugestndnisse machen musste, um die national-ungarischen Unabhngigkeit-bestrebungen erfolgreich einbinden zu knnen. Die Habsburgermonarchie wurde in ein dualesStaatsgebilde (sterreichisch-Ungarische Monarchie) mit zwei unterschiedlichen Staatsgrund-gesetzen umgebaut, in dem sich nun die im Reichsrate vertretenen Knigreiche und Lnder denLndern der Ungarischen Krone gegenber standen. Der Ausgleich mit Ungarn war eingeschickter Schachzug des Kaisers, um das Knigreich Ungarn staatspolitisch strker an dieMonarchie zu binden. Die gemeinsamen Agenden der sterreichischen Reichshlfte und desungarischen Knigreichs blieben die Auen-, Kriegs- und dafr erforderliche Finanzpolitik. FranzJoseph (1830-1916) wurde am 8. Juni 1867 zum Knig von Ungarn gekrnt. Im selben Jahrwurde Siebenbrgen auf der Grundlage des Unionsgesetzes in den Staatsverband des ungari-schen Knigreichs eingegliedert, bis 1881 auch die gesamte Militrgrenze. Am 25. Juni 1868kam es dann zum ungarisch-kroatischen Ausgleich, der die Anbindung von Kroatien-Slawonienals politische Nation an Ungarn regelte. Nach dem sterreichisch-ungarischen Ausgleich verab-schiedete das Knigreich Ungarn ein eigenes Staatsgrundgesetz, das alle Einwohner zur unga-rischen Staatsnation verpflichtete und das Ungarische zur Staatssprache deklarierte. Zumindestdas Nationalittengesetz von 1868 garantierte den Gebrauch der eigenen Muttersprache imSchulunterricht, in der Kirche und gegenber den Behrden. Die deutschen Volksgruppen ver-fgten aber ber keinen einheitlichen Siedlungsraum, wodurch eine Vereinheitlichung derInteressen kaum mglich war. Im Bewusstsein vieler Magyaren waren die Deutschen aufgrundder engen Verflechtungen keine Minderheit, sondern Ungarn mit deutscher Abstammung. 1879und 1883 verabschiedete das ungarische Parlament Schulgesetze, die den verpflichtendenGebrauch der ungarischen Unterrichtssprache auch in den deutschen Volksschulen und Gymna-

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    11zit. nach Horst Haselsteiner, Die Serben und der Ausgleich. Zur politischen und staatsrechtlichen Stellung der Serben Sdungarns in den Jahren 1860-1867. Wien 1976, S. 20.

    12Haselsteiner, Die Serben und der Ausgleich, S. 23.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • sien verlangten. Auerdem hatte sich die deutsche Lehrerschaft einer ungarischenSprachprfung zu unterziehen.

    11.1. Die Siebenbrger Sachsen im Knigreich Ungarn nach 1867

    Mit der Auflsung der Nationsuniversitt von 1872 sah sich auch die schsische Volksgruppeeiner verstrkten Magyarisierung ausgesetzt. 1876 kam es zur Auflsung der schsischenAutonomie. Im Gegenzug wurde im selben Jahr die Schsische Volkspartei gegrndet. Dieungarischen Schulgesetze waren ein tiefer Einschnitt im autonomen Schulsystem derSiebenbrger Sachsen, das traditionell von der evangelischen Kirche geleitet wurde. Die unga-rische Schulgesetzgebung belastete das Verhltnis zwischen der ungarischen Zentralgewalt undden deutschen Volksgruppen und fhrte dazu, dass etwa der Allgemeine Deutsche Schulvereindie ffentlichkeit im deutschen Ausland ber die ungarische Minderheitenpraxis kritisch infor-mierte. Immerhin war das Schicksal der deutschen Volksgruppen in Ost- und Sdosteuropa imRahmen der deutschen Nationsbildung von 1871 vornehmlich in den nationalkonservativenKreisen Berlins und Wiens zu einem wichtigen nationalideologischen Thema geworden. DasDeutschtum in Ost- und Sdosteuropa wurde als Kulturtrgerbezeichnet, das in seiner Geschichte einen entscheidenden Beitragzur historischen Mission der Deutschen im Osten Europas leistete.Die Fhrungselite in der Schsischen Volkspartei versuchte in die-ser heiklen Situation die Konfrontation mit der ungarischenRegierung zu vermeiden und arrangierte sich mit der ungarischenRegierungspartei des Grafen Klmn Tisza (1830-1902), der beiParlamentswahlen schsische Abgeordnete auf seine Listen setzte.Dadurch konnten die Siebenbrger Sachsen 12 Vertreter ins unga-rische Parlament entsenden. Die beiden schsischen Abgeordnetenim ungarischen Parlament, Carl Wolff (1849-1929) und derSachsenbischof Georg D. Teutsch (1817-1893), opponierten den-noch gegen die ungarische Schulgesetzgebung, stellten dabei aberihre Loyalitt zum ungarischen Knigreich auer Frage. 1890 verab-schiedete die Schsische Volkspartei am Zweiten Sachsentag einVolksprogramm, das darauf ausgerichtet war, "das siebenbrgisch-schsische Volk seiner Kulturbestimmung auch unter den vernder-ten Zeitverhltnissen als ein entwicklungs- und leistungsfhigesGlied des ungarischen Staatsganzen, mit dessen Bestand seinGeschick eng verknpft ist, zu erhalten."13 Die Siebenbrger Sachsen anerkannten damit dieneuen Herrschaftsverhltnisse und trachteten nach einem Ausgleich, der ihnen das kulturelleberleben sichern sollte. Die Regierung unter Ministerprsident Dezs Bnffy (1895-99) setztejedoch unvermindert die Magyarisierungspolitik fort und erlie neue Sprachenverordnungen, dieselbst im Kindergarten den verpflichtenden Gebrauch der ungarischen Sprache vorschrieben.Ein weiterer Einschnitt in das schsische Rechtsleben war die Einfhrung der obligatorischenZivilehe. Damit griff die ungarische Regierung in die Autonomie des schsischen Kirchenrechtsein. Die Manahmen der ungarischen Schulgesetzgebung provozierten in erster Linie unter denJungsachen (Grne) Widerstand, der sich nicht nur gegen das ungarische Regime richtete, son-dern ebenso die gemigte Politik und Kompromissbereitschaft der Altsachsen in derSchsischen Volkspartei in Frage stellte. Die Grnen grndeten 1894 die Burzenlnder schsi-sche Brger- und Bauernpartei und verlangten den sofortigen Austritt der schsischenAbgeordneten aus dem ungarischen Reichstag, denen politischer Opportunismus vorgeworfen

    Graf Klmn Tisza (1830-1902)

    25

    13Gndisch, S. 160.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • wurde. Die Grnen setzten sich fr einen Zusammenschluss aller deutschen Volksgruppen imungarischen Knigreich ein und waren deshalb um einen verstrkten Kontakt zu den deutschenVolksgruppen in Sdungarn (Donauschwaben) und in Oberungarn (Karpatendeutsche) bemht.1895 veranstalteten die Slowaken, Serben und Rumnen einen Nationalittenkongress inBudapest, um gegen die Magyarisierungspolitik der Regierung zu protestieren. Die deut-

    schen Volksgruppen Ungarns waren jedoch nicht vertreten, weil sichzu diesem Zeitpunkt das Bewusstsein fr eine einheitliche deutscheMinderheitenpolitik erst in Anstzen zu entwickeln begonnen hatte. Dasungarische Ortsnamengesetz von 1898 und das sogenannte Apponyi-sche Schulgesetz des ungarischen Unterrichtsministers Albert Apponyi(1906-1910) von 1907 stieen selbst bei den Altsachsen auf herbeKritik. Dieses Schulgesetz verpflichtete nmlich alle Schulen undKindergrten, "in der Seele der Kinder den Geist der Anhnglichkeit andas ungarische Vaterland und das Bewusstsein der Angehrigkeit zurungarischen Nation"14 mit Nachdruck zu frdern. Es war neuerlich derdonauschwbische Klerus, der diesem bildungs- und nationalpoliti-schen Auftrag in den deutschen Gebieten Sd-und Oberungarns mit groem Eifer folgte.Lediglich den Siebenbrger Sachsen gelang es,Teile ihrer Schulautonomie durch das Wirken derevangelischen Kirche und der Nationsuniversittzu sichern, weil ihre Stiftungen eine weitgehende

    finanzielle Unabhngigkeit von Budapest ermglichten. Der schsischeJunglehrer aus protestantischem Haus, Rudolf Brandsch (1880-1953),grndete den Hermannstdter Brgerabend, um einen Zusammen-schluss des Deutschtums in Ungarn programmatisch vorzubereiten.Brandsch suchte in seinen Bemhungen den Kontakt zu dem aus derZips stammenden Protestanten Edmund Steinacker (1839-1929), der sichder Karpatendeutschen Bewegung angeschlossen hatte, deren Ziel eswar, alle deutschen Volksgruppen in den nichtdeutschen Kronlndern dersterreichisch-ungarischen Monarchie zu organisieren.

    11.2. Die Donauschwaben im Knigreich Ungarn nach 1867

    Die Bemhungen Wiens um einen Ausgleich mit Ungarn fhrten 1861 zur Auflsung derSerbischen Woiwodschaft und des Temescher Banats, wodurch die Deutschen mit den anderenVolksgruppen in der Vojvodina wieder strker in den nationalen Sog der Magyaren gerieten. ImUnterschied zu den Siebenbrger Sachsen passten sich die Donauschwaben den neuenMachtverhltnissen an, verhielten sich eher unpolitisch und untersttzten die jeweiligenRegierungsparteien. Die Donauschwaben hatten nmlich keine eigenen Volksvertreter im unga-rischen Parlament, obwohl 1880 bereits ber 800.000 Donauschwaben im Knigreich Ungarnlebten. Die sogenannten Regierungsschwaben waren zumeist Magyaren, die keine Politik imInteresse der deutschen Volksgruppe verfolgten. Die deutschsprachige Presse verhielt sich ganzhnlich, indem sie in einem vllig unpolitischen Ton einen auf die Staatsmacht ausgerichtetenungarischen Landespatriotismus verbreitete. In diesem Umfeld war das Bewusstsein fr eineeinheitliche deutsche Volksgruppenpolitik kaum vorhanden. Einen zentralen Einfluss auf dasvornehmlich buerlich strukturierte Gemeinwesen der Donauschwaben bte der deutscheKlerus aus, der zwar um eine Verbreitung geistlicher Literatur in deutscher Sprache fr den pri-

    Albert Apponyi(1846-1933)

    Rudolf Brandsch(1880-1953)

    26

    14Gndisch, S. 162.

    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • vaten und huslichen Zweck bemht war, sich aber energisch gegen jede Form derDeutschtmelei richtete, weil gerade in der liberalen ra im letzten Drittel des 19. Jahrhundertsdas Streben nach nationaler Eigenstndigkeit als Verrat am Vaterland und als Gefahr fr dieStaatsmacht bekmpft wurde. Edmund Steinacker bemhte sich deshalb um eine Ausweitungseiner Kontakte zu den schsischen Grnen, um gemeinsam eine berregionale, ungarndeut-sche Minderheitenpolitik aufzubauen. Steinacker und Brandsch erarbeiteten ein Minderheiten-programm fr die Deutschen im Knigreich Ungarn, das folgende Schwerpunkte enthielt:

    a.) strikte Ablehnung der magyarischen Assimilation, ohne dabei die Loyalitt gegenber der ungarischen Staatsmacht aufzukndigen,

    b.) Frderung eines deutschen Nationalbewusstseins in Ungarn durch eine verstrkte Presse- und Kulturarbeit und

    c.) Ausbau eines genossenschaftlichen Agrarsystems nach Vorbild des Deutschen Reichs.

    Beim bergang ins 20. Jahrhundert konnte bei den Donauschwa-ben im sdungarischen Raum eine leichte Abschwchung derMagyarisierung festgestellt werden. Zu den eifrigsten MitstreiternSteinackers zhlte der donauschwbische Schriftsteller undKulturpolitiker Adam Mller-Guttenbrunn (1852-1923) aus demBanat, der die Geschichte und die Traditionen der Donauschwabenzum Gegenstand seines literarischen Schaffens machte. Am 16.Dezember 1900 erschien erstmals das Deutsche Tagblatt frUngarn. 1906 grndete Steinacker in Werschetz (serb. Vrac, ung.Versecz) im Banat die Ungarlndische Deutsche Partei, die LudwigKremling (1861-1928) als Vorsitzender leitete. Steinackers Parteikonnte sich aber keine groen Erfolge erwarten, weil die Mehrheitder deutschen Bevlkerung Ungarns nicht wahlberechtigt war.Auerdem konnte Steinacker sein politisches Wirken nur von Wienaus entfalten, weil er wegen seiner Kontakte zu alldeutschenKreisen von den ungarischen Behrden in seiner politischen Arbeitbehindert wurde. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhundertshatte sich unter den Donauschwaben eine breite Schicht an Gro- und Mittelbauern herausge-

    bildet. Neben derLandwirtschaft bilde-ten das Handwerkund Gewerbe einensehr wichtigen Wirt-schaftsfaktor, wobeivor allem die Verar-beitung und Ver-marktung von Lehm,Hanf, Zuckerrben,Getreide und Tierendominierten.

    Ludwig Kremling (1861-1928)

    Hanfmarktin

    Hodschag

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    Geschichte der deutschen Volksgruppen in Sdosteuropa

  • 12. Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegsordnung

    Am 28. Juli 1914 erklr-te sterreich-UngarnSerbien den Krieg,nachdem der sterrei-chische ThronfolgerFranz Ferdinand (1863-1914) und seine Gattinam 28. Juni 1914 imbosnischen Sarajewoermordet worden wa-ren. sterreich-Ungarnhatte ein Ultimatum andie serbische Regie-rung gerichtet und dieEinbeziehung sterrei-chischer Beamter in dieUntersuchungen zumAttentat gefordert. Ser-bien hatte aber dieseForderung mit dem Ver-weis auf seine Sou-

    vernitt abgelehnt. Vor der Kriegserklrung ster-reich-Ungarns an Serbien hatte der deutsche KaiserWilhelm Wien seine volle Untersttzung zugesagt. DieKriegserklrung an Serbien lste nach dem 28. Juli 1918

    zwischen den europischen Staaten eine Kettenreaktion an Ultimaten und Kriegserklrungenaus, so dass sich binnen einer Woche alle europischen Gromchte gegeneinander imKriegszustand befanden. Am 12. August 1914 begann die sterreichisch-ungarischeOffensive gegen Serbien, fr die auch zehntausende schsische und donauschwbischeSoldaten mobilisiert wurden, die in k.u.k. sowie in Honvd-Regimentern kmpften. Dieerste Offensive gegen Serbien endetejedoch mit einer schweren Niederlage beiArandjelovac, die ber 22.000 Gefallene,Verwundete und Gefangene forderte.Mitentscheidend fr die Niederlage war,dass Teile der k.u.k. Truppen nach Galizienfr die Offensive auf dem russischenKriegsschauplatz verlegt worden waren.Die August- und Septemberkmpfe von1914 verlangten an der Front in Galizienvon den stereichisch-ungarischen Truppenabermals einen hohen Blutzoll. Erst im Mai1915 gelang die militrische RumungGaliziens vom russischen Kriegsgegner.Jetzt drohte aber im Sden mit der Aufgabeder wohlwollenden Neutralitt Italiens einneuer Frontabschnitt zu entstehen. Am 23. Mai 1915 tratItalien schlielic