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Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 05.03.2012 1 Dossier „Ökonomie mit Energie“ Ausgabe 67, 2012 1. Artikel: An der Wende verdienen (21.02.2012) Der Ausbau der Netzstrukturen ist ein zentrales Element der Energiewende. Aller- dings kommt es in diesem Bereich immer wieder zu Verzögerungen, beispielsweise aufgrund von Protesten betroffener Bürger. Aktuell droht weiterer Streit, da viele Landwirte höhere Entschädigungen für Strommasten und Leitungen auf ihren Äckern fordern. Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Energiemix der Zukunft“ 1. Ermitteln Sie den Stellenwert des Netzausbaus im Rahmen der eingeleiteten Energiewende. Legen Sie dar, inwieweit diesem eine Schlüsselrolle zukommt. 2. Fassen Sie die bisherigen Regelungen bzgl. der Entschädigung von Grund- stückseigentümern bei der Errichtung von Strommasten zusammen. 3. Geben Sie die aktuellen Forderungen der Landwirtschaftsverbände wieder. Erschließen Sie deren wesentliche Motive und Zielsetzungen. 4. Erörtern Sie die hieraus ggf. resultierenden Probleme für die zeitgerechte Re- alisierung der Energiewende. 2. Artikel/Grafik: Teheran sucht neue Öl-Kunden (23.02.2012) Die aktuellen Sanktionsmaßnahmen der westlichen Staaten gegen Iran zeigen erste Wirkungen. Allerdings bemüht sich die iranische Staatsregierung, die ausfallenden Öl-Lieferungen in den Westen durch eine Erhöhung der Exportkapazitäten nach China und Indien zu kompensieren. Verortung v. a. im Themenbereich „Perspektiven der Weltenergieversorgung“ 1. Erläutern Sie den Hintergrund der westlichen Sanktionen gegen den Iran. Be- nennen Sie deren wesentliche Zielsetzungen. 2. Ermitteln Sie die bisherigen Wirkungen der Handelsmaßnahmen. Beschreiben Sie hierbei die Bedeutung des Erdölexports für den Iran. 3. Legen Sie die derzeitigen Reaktionen der iranischen Regierung auf die Sankti- onen dar. Überprüfen Sie, inwieweit diese erfolgversprechend zu sein scheinen.

Dossier „Ökonomie mit Energie“ · 2013-12-20 · Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 05.03.2012 1 Dossier „Ökonomie mit Energie“ Ausgabe 67, 2012 1. Artikel: An der

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Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 05.03.2012

1

Dossier „Ökonomie mit Energie“

Ausgabe 67, 2012

1. Artikel: An der Wende verdienen (21.02.2012)

Der Ausbau der Netzstrukturen ist ein zentrales Element der Energiewende. Aller-

dings kommt es in diesem Bereich immer wieder zu Verzögerungen, beispielsweise

aufgrund von Protesten betroffener Bürger. Aktuell droht weiterer Streit, da viele

Landwirte höhere Entschädigungen für Strommasten und Leitungen auf ihren Äckern

fordern.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Energiemix der

Zukunft“

1. Ermitteln Sie den Stellenwert des Netzausbaus im Rahmen der eingeleiteten Energiewende. Legen Sie dar, inwieweit diesem eine Schlüsselrolle zukommt.

2. Fassen Sie die bisherigen Regelungen bzgl. der Entschädigung von Grund-stückseigentümern bei der Errichtung von Strommasten zusammen.

3. Geben Sie die aktuellen Forderungen der Landwirtschaftsverbände wieder. Erschließen Sie deren wesentliche Motive und Zielsetzungen.

4. Erörtern Sie die hieraus ggf. resultierenden Probleme für die zeitgerechte Re-alisierung der Energiewende.

2. Artikel/Grafik: Teheran sucht neue Öl-Kunden (23.02.2012)

Die aktuellen Sanktionsmaßnahmen der westlichen Staaten gegen Iran zeigen erste

Wirkungen. Allerdings bemüht sich die iranische Staatsregierung, die ausfallenden

Öl-Lieferungen in den Westen durch eine Erhöhung der Exportkapazitäten nach China

und Indien zu kompensieren.

� Verortung v. a. im Themenbereich „Perspektiven der Weltenergieversorgung“

1. Erläutern Sie den Hintergrund der westlichen Sanktionen gegen den Iran. Be-nennen Sie deren wesentliche Zielsetzungen.

2. Ermitteln Sie die bisherigen Wirkungen der Handelsmaßnahmen. Beschreiben Sie hierbei die Bedeutung des Erdölexports für den Iran.

3. Legen Sie die derzeitigen Reaktionen der iranischen Regierung auf die Sankti-onen dar. Überprüfen Sie, inwieweit diese erfolgversprechend zu sein scheinen.

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Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 05.03.2012

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3. Artikel: Luftfahrt: Front gegen Emissionshandel (23.02.2012)

In diesem Jahr wurde der CO2-Emissionszertifikatehandel innerhalb der Europäischen

Union auf den Luftverkehr ausgeweitet. Die Nicht-EU-Staaten und ihre Fluglinien

verweigern sich jedoch diesen Vorgaben und gehen einen Konflikt ein.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Umweltschutz“

1. Erklären Sie die grundsätzliche Funktionsweise des CO2-Zertifikatehandels.

2. Beschreiben Sie die Wirkungen der Ausweitung des EU-Systems auf den Flug-verkehr. Ermitteln Sie die hieraus resultierenden Folgen für die Fluggesell-schaften.

3. Fassen Sie die Reaktionen der großen Nicht-EU-Staaten und ihrer Airlines auf die beschriebene Ausweitung des Zertifikatehandels zusammen. Geben Sie de-ren wesentliche Argumente und Drohungen wieder.

4. Stellen Sie diesen Reaktionen der EU gegenüber. Erschließen Sie die zu erken-nenden Konfliktlinien.

5. Diskutieren Sie Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der von der EU beschlosse-nen Systemausweitung. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

4. Artikel/Karikatur: Schrecken für die Solarbranche (24.02.2012) 5. Interview: Frank Asbeck: „Die Regierung opfert ohne Not 15 Jahre In-dustriegeschichte“ (24.02.2012)

Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen steigt in Deutschland seit den letzten

Jahren kontinuierlich an. Wesentliche Grundlage hierfür sind die im Erneuerbare-

Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Einspeisevergütungen, die von allen Stromkun-

den aufzubringen sind. Angesichts deutlich steigender Kosten forderte Bundeswirt-

schaftsminister Rösler eine Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, womit

er jedoch auf den Widerspruch des Bundesumweltministers Röttgen stieß. Aktuell

haben sich beide Minister auf eine deutliche sowie kurzfristige Kürzung der Einspei-

severgütungen verständigt, was den Widerspruch der betroffenen Branche hervorruft.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wettbewerbsstrukturen im Energie-

markt“ und „Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“

1. Ermitteln Sie die aktuelle Zusammensetzung des deutschen Strom-Mixes. Fas-sen Sie dabei die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland im letzten Jahr zusammen.

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2. Erläutern Sie den Einfluss des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf die-sen Entwicklungsprozess. Stellen Sie hierzu dessen wesentliche Instrumente dar.

3. Fassen Sie die Diskussion der letzten Woche um die Höhe der Einspeisevergü-tungen bei Solarstrom zusammen. Legen Sie die Konfliktlinien zwischen dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesumweltministerium dar.

4. Erschließen Sie den jetzt geschlossenen Kompromiss bzw. die von der Bundes-regierung vorgeschlagenen Kürzungen. Analysieren Sie in diesem Zusammen-hang die angehängte Karikatur.

5. Erläutern Sie die hieraus resultierenden Folgen für die Solarbranche. Geben Sie dabei die zentralen Einschätzungen des Chefs von Solarworld, dem größten deutschen Solarkonzern, wieder.

6. Diskutieren Sie die Notwendigkeit der jetzt beschlossenen Kürzungen sowie denkbare Alternativen. Begründen Sie, inwiefern eine Umgestaltung der recht-lichen Rahmenvorgaben aus Ihrer Sicht notwendig erscheint bzw. widersinnig ist.

6. Artikel: Shell beginnt Ölsuche vor Alaska (27.02.2012)

Im Arktischen Ozean werden große Mengen Öl und Gas vermutet. Probebohrungen

sollen im Sommer starten, aber Umweltschützer wollen sie verhindern.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Wertschöpfung“ und „Perspektiven

der Weltenergieversorgung“

1. Fassen Sie die aktuellen Pläne des Shell-Konzerns zusammen. Beschreiben Sie die hiermit einhergehenden Herausforderungen.

2. Geben Sie die wesentlichen Argumente von Umweltschützern gegen die geplan-ten Probebohrungen vor Alaska wieder.

3. Erläutern Sie den in diesem Zusammenhang auftretenden Konflikt zwischen ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen.

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Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 05.03.2012

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7. Artikel: Kommt der Energiesparzwang? (29.02.2012)

EU-Kommission und -Parlament planen, gegen den Widerstand der Bundesregierung

und der deutschen Energiewirtschaft, die Fixierung eindeutiger Vorgaben für Energie-

einsparungen in den EU-Staaten.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Energiepolitik“ und „Energiesparen“

1. Fassen Sie die aktuellen Pläne von EU-Kommission und -Parlament zusam-men. Benennen Sie deren wesentliche Zielsetzungen.

2. Erläutern Sie, inwieweit beide Institutionen einen „Sparzwang“ einführen wol-len.

3. Geben Sie die Position der Bundesregierung und der Energiewirtschaft in der beschriebenen Diskussion wieder. Ermitteln Sie deren zentrale Interessen.

4. Diskutieren Sie, inwieweit Zwangs- bzw. Anreizstrukturen zur Erhöhung der Energieeffizienz und des Energiesparens sinnvoll sind. Begründen Sie Ihre Aus-führungen mit Rückgriff auf das ökonomische Verhaltensmodell.

8. Artikel/Grafik: Energiewende lässt Preise steigen (05.03.2012) 9. Interview: Hildegard Müller: „Dieses Jahr ist entscheidend“ (05.03.2012)

Die Realisierung der politisch entschiedenen Energiewende sorgt weiterhin für vielfäl-

tige Diskussionen. Aktuell errechnet der Verband der Industriellen Energie- und

Kraftwirtschaft (VIK) eine deutliche Strompreissteigerung aufgrund des beschleunig-

ten Ausstiegs aus der Kernkraft, während gleichzeitig die Geschäftsführerin des Inter-

essenverbandes der Energiewirtschaft die fehlende Koordination der notwendigen po-

litischen Schritte moniert.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Angebot/Nachfrage/Preisbildung“,

„Energiepolitik“, „Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft“ und „Ener-

giemix der Zukunft“

1. Erklären Sie, was unter der Energiewende in Deutschland verstanden wird. Be-nennen Sie die im Wesentlichen verfolgten Zielsetzungen.

2. Fassen Sie die Ergebnisse der genannten VIK-Studie zur derzeitigen Preisent-wicklung im deutschen Strommarkt zusammen. Ermitteln Sie dieser Einschät-zung entgegenstehende Aussagen von Institutionen, die derzeit keinen Einfluss des Atomausstiegs auf die Preisentwicklung sehen.

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3. Geben Sie die Einschätzungen der Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hinsichtlich des Status der Ener-giewende wieder. Legen Sie dar, welche Herausforderungen ihrer Meinung nach vordringlich zu bewältigen sind.

4. Setzen Sie sich kritisch mit dem bisherigen Voranschreiten der „Energie-wende“ auseinander. Erörtern Sie die Ihrer Meinung nach größten Probleme.

10. Artikel: BP lässt sich auf Vergleich mit knapp 120.000 Ölpestopfern ein (05.03.2012)

Kurz vor der geplanten Verhandlung der Schadensersatzklagen der Opfer der Ölkatas-

trophe im Golf von Mexiko kann der BP-Konzern einen Vergleich mit den Klägern

erzielen, in dem er sich zur Zahlung von ca. 8 Milliarden US-Dollar bereit erklärt.

� Verortung v. a. in den Themenbereichen „Rahmenbedingungen der Energie-

wirtschaft“ und „Umweltschutz“

1. Beschreiben Sie kurz Ursachen und Folgen des Unfalls auf der Öl-Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko.

2. Benennen Sie die im Wesentlichen durch die Ölkatastrophe betroffenen Akteu-re. Legen Sie die von diesen zu tragenden Folgen konkret dar.

3. Fassen Sie die Eckpunkte des aktuellen Vergleichs zwischen dem BP-Konzern und den Ölpestopfern zusammen. Geben Sie die Bewertung der Einigung von der Seite der Analysten wieder.

4. Ermitteln Sie weiterhin bestehende Unsicherheiten für das Unternehmen im vorliegenden Fall.

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An der Wende verdienen Die Bauern entdecken die Energiewende. Sie wollen höhere Entschädigungen für Strommasten und Leitungen auf ihren Äckern. Das alarmiert die Netzbetreiber. 5

Peter Ramsauer ist als CSU-Politiker ein Freund der in seiner bayerischen Heimat sehr mächtigen Agrarlobby. So nutzte er den Neujahrsempfang des Bundesverbands Er-neuerbare Energie (BEE) Anfang Februar, um für die Interessen der Landwirte zu werben: Die Entschädigungszahlungen für Bauern, die ihre Äcker für Strommasten zur Verfügungen stellten, seien zu niedrig. Daran müsse sich etwas ändern, sagte Peter 10

Ramsauer. Den Landwirten spricht er damit aus der Seele. Wenn die üblichen Entschädigungsmodalitäten nach oben angepasst würden, könnte auf die Bauern ein Geldregen niedergehen. Denn in den kommenden Jahren werden voraussichtlich mehrere Tausend Kilometer neuer Höchstspannungsleitungen entste-15

hen. Diese „Stromautobahnen“ sind dringend nötig, um den im Norden und Nordosten Deutschlands produzierten Windstrom in die Verbrauchszentren im Westen und Sü-den zu transportieren. Das bestehende Netz ist an seine Kapazitätsgrenze gelangt. Be-trieben wird das Höchstspannungsnetz von vier Netzgesellschaften, die jeweils für eine bestimmte Region verantwortlich sind. 20

Bislang wird die Entschädigung so berechnet: Der Eigentümer erhält eine einmalige Entschädigung von 20 Prozent des Verkehrswerts der beanspruchten Grundstücksflä-che. Dabei wird bei einer Höchstspannungsleitung ein 70 Meter breiter „Schutzstrei-fen“ unterstellt. Führt also eine Leitung auf einer Länge von einem Kilometer über ein 25

Feld, erhält der Besitzer eine Entschädigung für 70.000 Quadratmeter. Bei einem Ver-kehrswert von 4,50 Euro je Quadratmeter und einer Entschädigungshöhe von 20 Pro-zent erhält er demnach 63.000 Euro Entschädigung. Hinzu kommen 4.000 Euro je Maststandort. Auf einen Kilometer kommen in der Regel drei Maste, macht weitere 12.000 Euro. Insgesamt ergibt sich so eine Entschädigung von 75.000 Euro für einen 30

Kilometer Leitung. Da voraussichtlich bis zu 3.500 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen erforder-lich sind, könnten Steigerungen der Entschädigungssätze große Auswirkungen haben. Außerdem steigt der Preis für landwirtschaftliche Flächen in einzelnen Regionen 35

enorm. Die Entschädigungen dürften also schon aus diesem Grund anziehen. Die Netzbetreiber befürchten bereits, dass die Landwirte im Windschatten der Ener-giewende „in andere Dimensionen der Entschädigung vorstoßen“ wollen. Das Druck-potenzial sei enorm. Lange Debatten über die Höhe der Entschädigungen könnten den 40

Bau der Leitungen verzögern und spürbar verteuern. Zum letzten Mittel, der Enteig-nung, wolle man nur in äußersten Notfällen greifen.

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Der Bauernverband lässt sich davon nicht beeindrucken und greift das Thema offensiv auf. Verbandschef Gerd Sonnleitner ist davon überzeugt, dass die 20 Prozent Entschä-45

digung nicht ausreichen. Inzwischen hat das Thema auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle (FDP) erreicht. Der Bauern-verband geht auch auf Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zu. Er muss den gesetzlichen Rahmen dafür schaffen, dass der Netzausbau zügig vorangeht. 50

Aus Sicht der Bauern könnte man auch das System Entschädigung ganz aufgeben und stattdessen eine Art jährlicher Konzessionsabgabe erheben, wie sie Kommunen von Energieversorgern für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen verlangen. Auch eine Beteiligung an der Durchflussmenge im Stromnetz wurde bereits ins Spiel ge-bracht. 55

Quelle: Delhaes, D./Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 037, 21.02.2012, 16

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Teheran sucht neue Öl-Kunden Das Embargo des Westens trifft Iran hart. Und der Druck wächst weiter. Nun suchen die Perser vor allem in Asien nach Abnehmern für das Öl, das nicht mehr nach Euro-pa fließt. 5

Am Horizont zeichnen sich die Umrisse von Tankern ab: Das Meer ist glatt wie ein Spiegel, die Sonne brennt, und ein Nebel aus Wüstensand und Chemieabgasen lässt die Szenerie gelblich flimmern. 10

Irgendwo auf dem Festland lodern Flammen, als würden die Berge des Küstengebir-ges Feuer speien. Die Rauchsäulen steigen kilometerhoch in den Himmel. Wenn man ihnen entgegenfährt, werden rostige Schlote sichtbar, die aussehen wie Industrie-schrott. 15

Auf South Pars, dem größten Gasfeld der Welt, zeigt sich der Zustand von Irans Ener-giewirtschaft. Wo einst der französische Total-Konzern, Shell, BP und andere westli-che Branchenriesen investieren wollten, sind nun zumeist iranische Öl- und Gasfirmen im Einsatz – unterstützt von technisch wenig fortschrittlichen Konzernen wie Chinas CNPC, Angolas Sonangol sowie Venezuelas PDVSA-Konzern. 20

Irans Öl- und Gasindustrie leidet massiv unter den immer schärferen Sanktionen des Westens. Das sei „ein regelrechter Krieg“, sagte Irans Notenbankchef Mahmud Bahmani. „Diese Sanktionen haben eine Lage geschaffen, die sogar weit härter ist als ein physischer Krieg.“ 25

Der durch die Sanktionen erzwungene westliche Investitionsstopp hat dazu geführt, dass die Ölproduktion des zweitgrößten Opec-Förderlands von über vier Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag 2009 auf 3,6 Millionen Fass täglich (mbpd) gefallen ist. Im laufenden Jahr rechnen Iran-Experten mit einem weiteren Rückgang um neun Pro-30

zent. Grund: „Irans Ölindustrie bekommt nicht genügend Investitionen“, meint Robin Mill, Ölanalyst in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Wenn weiter keine Investi-tionen fließen, wird das Bild immer trüber.“ Aber das Regime lässt seine Muskeln spielen. Statt abzuwarten, bis das von der EU 35

beschlossene Importverbot für iranisches Rohöl ab 1. Juli greift, hat Teheran bereits jetzt Frankreich und England den Ölhahn zugedreht. Sechs andere EU-Staaten bekamen über deren Botschafter mitgeteilt, ihnen drohe das-selbe Schicksal – wenn sie die abgeschlossenen Verträge kündigen oder Zahlungen 40

nicht mehr garantieren sollten. EU-Raffineriebetreiber und Ölfirmen müssen aber ihre Kontrakte bis Sommer beenden. Das erlegen die von der EU beschlossenen neuen Sanktionen den Firmen auf.

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Den Wegfall der EU-Exporte zu verkraften sei „kein Problem“, behauptet Irans Ölmi-45

nister Rustam Qasemi. Sein Land verhandele aktuell über neue Verträge mit den Großkunden China und Indien. Tatsächlich haben China und Indien erklärt, sich nur an UN-Sanktionen gegen Iran zu halten, die bisher kein Ölembargo beinhalten, nicht aber an Strafmaßnahmen der EU und Amerikas. „Indien kauft weiter iranisches Öl“, sagte Außenminister Ranjan Mathaj kürzlich. Aber wie viel? 50

Bisher bekommt Indien für 9,5 Milliarden Dollar jährlich Öl aus dem Mullahstaat. Aber seit der Westen die iranische Zentralbank auf die Sanktionslisten gesetzt hat, stocken die Zahlungen. Nun soll Indien, das bisher für 2,5 Milliarden Dollar Waren nach Iran liefert, sich mehr engagieren: Eine indische Delegation solle in Kürze in 55

Iran Projekte für Investitionen im Energie-, Bahn- und Infrastruktursektor erkunden, so Aman Chadha, Chef des Engineering Export Promotion Council of India. So will Teheran mehr Bartergeschäfte abwickeln. Zudem verlangt es von Indien, statt immer mehr Rupien künftig mehr Yen zu bezahlen. Zugleich lockt Teheran derzeit 60

zwar noch nicht mit niedrigeren Preisen, wohl aber mit günstigeren Zahlungsbedin-gungen. Diese genoss schon Griechenland, wie Geheimdienstberichte und Informationen aus Israel belegen. Danach erhalten die großen griechischen Raffineriebetreiber Hellenic 65

Petroleum und Motor Oil Hellas persisches Öl auf Kreditbasis, was andere Ölförder-länder dem klammen Land nicht mehr einräumen. Auch Chinas Ölkonzerne wie Unipec und Sinopec führten laut der Agentur Bloomberg derzeit Verhandlungen mit Iran über die weiteren Importe. Diese waren im Januar auf 493.000 bpd von 575.000 bpd im Dezember gefallen. 70

Doch trotz der erheblichen Probleme seiner Ölindustrie will Irans Religions- und Re-volutionsführer Ajatollah Ali Chamenei im Atomstreit keinesfalls einlenken: „Nichts und keine Hürde kann Irans Atomarbeit aufhalten“, sagte Chamenei gestern in Tehe-ran. Noch kann Iran sich das laut dem weltgrößten Ölhändler leisten: Der stark gestie-75

gene Ölpreis gleiche bisher Einnahmeausfälle durch Exportmengenverluste aus, so Vitol-Chef Ian Taylor. Rohöl und Atom 80

Öleinnahmen: Iran finanziert bisher 60 Prozent seines Staatshaushalts aus den Ölein-nahmen. Diese sind erheblich in Gefahr, seit die EU ein Ölimport-Embargo gegen das Mullahregime ab dem 1. Juli verhängt hat. Atomprogramm: Die Uno-Atomenergiebehörde IAEA verdächtigt Iran, unter dem 85

Deckmantel des Ausbaus der Atomkraft ein geheimes Nuklearwaffenprogramm zu betreiben. Teheran bestreitet das. Iran setze nur, wie derzeit auch die Nachbarn Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate, auf die zivile Nutzung der Kernkraft.

Quelle: Brüggmann, M., Handelsblatt, Nr. 039, 23.02.2012, 17 90

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Luftfahrt: Front gegen Emissionshandel Unter Führung Russlands gehen mehr als 20 Staaten gegen die EU-Klimaschutzregeln für den Luftverkehr vor. Eine „Koalition der Unwilligen“ machte gestern in Moskau mobil gegen die Pflicht für Fluggesellschaften, für einen Teil ihrer Kohlendioxid-5

Emissionen bei Flügen von und nach Europa zu zahlen. Sie müssen ab diesem Jahr nach geltendem EU-Recht am Emissionshandel (ETS) teil-nehmen. „Wir haben unsere Entschlossenheit demonstriert, um eine Abschaffung oder Verschiebung des EU-ETS zu erreichen“, sagte der stellvertretende Verkehrsminister 10

Valeri Okulow nach dem zweitägigen Treffen von insgesamt 26 Staaten, darunter auch China und Indien. Die Teilnehmerländer hätten die Verabschiedung eines Geset-zes zugesagt, mit dem sie ihren nationalen Fluglinien verbieten, die Emissionsabgabe zu bezahlen, sagte er der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. 15

Der Sprecher von EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard erklärte, die EU werde ihre Gesetzgebung gegen mögliche Beschwerden bei der internationalen Luft-fahrtorganisation ICAO verteidigen. „Statt uns zu kritisieren, sollten die anderen Länder lieber konstruktive Vorschläge machen, wenn sie es ernst meinen mit einem globalen Abkommen zum Klimaschutz“, erklärte der Sprecher in Brüssel. 20

Die EU hat als einzige Weltregion seit 2005 für die Industrie den Handel mit CO2-Zertifikaten eingeführt, ab diesem Jahr müssen auch Airlines teilnehmen. Die Unter-nehmen bekommen einen großen Teil der Verschmutzungsrechte kostenlos zugeteilt, müssen für die darüber hinausgehenden Emissionen aber Zertifikate kaufen. 25

Dazu wären die Fluggesellschaften erstmals 2013 verpflichtet. Weigern sie sich, dro-hen Strafzahlungen und als letzte Konsequenz sogar ein Start- und Landeverbot in Europa. 30

Die USA, China, Russland, Brasilien und andere Staaten machen schon länger mobil gegen die EU-Klimavorschriften. Nun vereinbarten sie erstmals, gemeinsam gegen den EU-Emissionshandel vorzugehen. Quelle: ap/Reuters, Handelsblatt, Nr. 039, 23.02.2012, 22 35

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Schrecken für die Solarbranche Die Bundesregierung kürzt die Subventionen der Photovoltaik-Industrie drastisch. Die Branche muss umdenken, vielen Unternehmen stehen schwere Zeiten bevor. 5

Für Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Nor-bert Röttgen (CDU) war es ein Befreiungsschlag: Nach langem Streit präsentierten die Minister gestern ein Konzept für die Kürzung der Photovoltaik-Vergütungen, das die Stromverbraucher langfristig um Milliardenbeträge entlasten wird. Für die Branche al-lerdings hat das Ende des Streits erhebliche Konsequenzen. 10

Die geplanten Einschnitte, die bereits ab dem 9. März gelten sollen, seien „entschie-den zu scharf“, sagte Holger von Hebel, Chef von Bosch Solar Energy, einem der be-deutendsten deutschen Solarunternehmen. Die Pläne würden die Solarwirtschaft „massiv erschüttern und gravierende Auswirkungen haben“, sagte er. Juwi-Chef Fred 15

Jung nannte die Pläne unverantwortlich. Es werde einen Kahlschlag geben – Juwi plant und baut Wind- und Solaranlagen und gehört den großen Unternehmen der Öko-strom-Branche. Bedroht seien einige Tausend Arbeitsplätze, auch Juwi werde sich Ge-danken darüber machen, welche Konsequenzen gezogen werden müssten. 20

Rösler und Röttgen wollen die Solarförderung früher und stärker kürzen als im Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) bislang vorgesehen. Grund ist der rasante Ausbau der Photovoltaik. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Anlagen mit einer Leis-tung von 7.500 Megawatt (MW) installiert – mehr als je zuvor. Für jede Anlage garan-tiert das EEG über 20 Jahre feste Vergütungssätze, die deutlich über den Großhandels-25

preisen für Strom liegen. Die Mehrkosten werden auf die Stromverbraucher umgelegt. Ausnahmen gelten für die Industrie. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen hatten die Bundesregierung bereits Ende vergan-genen Jahres gedrängt, die Vergütungssätze zu kürzen, um den Kostenanstieg zu be-30

grenzen. Lange konnten sich die beiden Minister nicht einigen. Wirtschaftsminister Rösler plädierte für radikale Einschnitte und sogar für starre Obergrenzen beim Zubau; Umweltminister Röttgen wehrte sich dagegen. Nach den Plänen beider Res-sorts erhalten Betreiber von Solarstromanlagen – abhängig von der Größe der Anlage – künftig noch zwischen 13,5 Cent und 19,5 Cent pro Kilowattstunde Strom. Derzeit 35

sind es 17,94 bis 24,43 Cent. Zudem soll künftig nicht mehr der komplett erzeugte Strom gefördert werden: Bei den größeren Anlagen werden nur 90 Prozent des Stroms zu den garantierten Vergütungssätzen abgenommen, bei Kleinanlagen sogar nur 85 Prozent. Der Rest des produzierten Stroms muss selbst verbraucht oder vermarktet werden. 40

Rösler sprach von einem Systemwechsel und lobte dies als ersten Schritt zu einer Marktintegration der Photovoltaik. Nach Angaben des Umweltministers soll das Kabi-nett kommende Woche das Konzept absegnen.

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Dossier „Ökonomie mit Energie“ vom 05.03.2012

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Während die Industrie über die Pläne schimpft, hält Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt das Konzept für noch nicht weitreichend genug. Mit den geplanten Veränderungen würden die planwirtschaftlichen Defizite des bestehenden Fördermo-dells nur geringfügig gedämpft, sagte Mundt dem Handelsblatt. „Besser als hohe Sub-ventionen für eine einzelne, in Deutschland wenig effiziente Technologie wäre es, die 50

erneuerbaren Energien technologieunabhängig zu fördern. Dann würde derjenige prä-miert, der sauberen Strom effizient zu den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten er-zeugt“, sagte Mundt. Es werde höchste Zeit, bei den erneuerbaren Energien wettbe-werbliche und damit kostendämpfende Elemente einzuziehen. 55

Für die Industrie kommen die Pläne zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Fast alle Unter-nehmen schreiben rote Zahlen, selbst die preisgünstigen Chinesen sind tief im Minus. Grund dafür sind hohe Überkapazitäten – im Branchenschnitt sind die Werke nur zur Hälfte ausgelastet. Die Unternehmen liefern sich einen harten Preiskampf. Solaranla-gen haben sich 2011 um rund ein Drittel verbilligt. Den Preiswettbewerb konnte so 60

manches Unternehmen nicht mitgehen. In Deutschland musste mit Solon eine der Traditionsfirmen Insolvenz anmelden, weitere Pleiten werden aus Sicht von Experten folgen. Mit Finanzproblemen ringt etwa Q-Cells aus Sachsen-Anhalt, einst welt-größter Solarzellenproduzent. 65

Quelle: Buchenau, M.-W./Murphy, M./Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 040, 24.02.2012, 15

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Frank Asbeck: „Die Regierung opfert ohne Not 15 Jahre Industrie-geschichte“ Der Chef von Solarworld, dem größten deutschen Solarkonzern, fürchtet eine Pleite-welle. Mit ihm sprach Martin Murphy. 5

Handelsblatt: Die Bundesregierung wird die Förderung von Solarstrom deutlich zu-rückfahren. Herr Asbeck, was halten Sie von den Plänen? Frank Asbeck: Die Kürzungen sind eine Katastrophe. Die geplante Absenkung von 30 Prozent können wir in der Branche nicht mehr mitgehen. Schon heute schreiben viele 10

Solarfirmen rote Zahlen. Für uns ist der Umfang der Kürzungen nicht nachvollzieh-bar. Nach dem Rekordzubau von Solaranlagen im Jahr 2011 blieb der Politik doch keine Alternative als auf die Bremse zu treten. 15

Sicherlich, wir haben uns daher von uns aus für eine Kürzung ausgesprochen. Aber der Umfang der nun geplanten Einschnitte ist viel zu groß. Wir werden einen massi-ven Abbau von Arbeitsplätzen sehen. Zehntausende von Stellen stehen auf dem Spiel. Dieses Argument wurde auch im vergangenen Jahr von der Branche angeführt, als 20

die Förderung um 27 Prozent gesenkt wurde. Die Situation heute ist doch nicht mit der von vor einem Jahr vergleichbar. In der Pro-duktion gab es 2011 noch erhebliches Einsparpotenzial, etwa bei Vorprodukten. Jetzt sind diese ausgeschöpft. Die Industrie kann die Kosten nicht einfach so um 30 Prozent kürzen. Dafür bräuchten wir mehr Zeit. 25

Die wird es nicht geben. Worauf muss sich die Branche einstellen? Wir werden in den kommenden Monaten eine Pleitewelle sehen, die deutsche, aber auch ausländische Firmen trifft. Mit dem zu erwartenden Markteinbruch werden 30 Jahre Forschung und 15 Jahre Industriegeschichte ohne Not geopfert. 30

Gibt es denn keine anderen Länder, in denen die deutsche Industrie exportieren kann? Wir als Solarworld sind glücklicherweise mit einer Produktion stark in den USA ver-treten. Wachstum sehen wir auch in Indien und den Ländern in der Golfregion. Das Wegbrechen des deutschen Marktes kann aber kein anderer Absatzmarkt ausgleichen. 35

Ist die Energiewende trotzdem zu schaffen? Die Energiewende ist eine Worthülse, wenn der Bund die Solarindustrie kaputtmacht. Gerade das starke Wachstum beim Solarstrom zeigt, dass es mit der Wende funktio-niert. Mit den nun verkündeten Plänen soll wohl gezeigt werden, dass sie unmöglich 40

ist.

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Ist der Fingerzeig auf die Politik nicht zu einfach? Hat die Solarindustrie nicht auch Fehler gemacht? Wir haben über Jahre investiert, alleine bei Solarworld ist es ein hoher dreistelliger 45

Millionenbetrag. Unser Fehler war, dass wir aufrichtig gesagt haben, welche Kürzun-gen wir mitgehen können. Da hat die Politik einen draufgesattelt und versetzt uns jetzt den Todesstoß. Quelle: Murphy, M., Handelsblatt, Nr. 040, 24.02.2012, 15 50

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Shell beginnt Ölsuche vor Alaska Im Arktischen Ozean werden große Mengen Öl und Gas vermutet. Probebohrungen sollen im Sommer starten, aber Umweltschützer wollen sie verhindern. 5

Im Arktischen Ozean soll die Suche nach Öl wieder aufgenommen werden. Nachdem zwanzig Jahre lang nahezu völlig auf Explorationsarbeiten verzichtet worden ist, will der Ölkonzern Shell in diesem Sommer in der Tschuktschen-See zwischen Alaska und Sibirien und in der Beaufort-See Probebohrungen vornehmen. Im Meer vor Alaska werden mehrere Milliarden Barrel Öl und große Mengen Gas vermutet. Umwelt-10

schützer fürchten, dass Shells Vorhaben den Startschuss für einen massiven Ansturm auf Eismeer-Öl darstellen und das Ökosystem bedrohen könnte. Shell Gulf of Mexico Inc. hofft nach Aussage seines für Alaska zuständigen Vizeprä-sidenten Pete Slaiby, im Juli mit den Bohrungen beginnen zu können. Noch fehlen 15

einige Genehmigungen. Die grundsätzliche Erlaubnis hatte das US-“Bureau of Ocean Energy Management“ (BOEM) im August und Dezember gegeben, als es den Explo-rationsplänen von Shell für beide Meeresgebiete zustimmte. Jetzt genehmigte das US-Innenministerium den Notfallplan von Shell im Falle eines Ölunglücks in der Tschuktschen-See. Für die Beaufort-See steht die Entscheidung noch aus. Die Lektio-20

nen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko seien berücksichtigt worden, sagt Innen-minister Ken Salazar. Zurzeit ist die Tschuktschen-See noch eisbedeckt. Erst im Sommer wird dieser Teil des Arktismeers eisfrei sein. Das Fenster für die Probebohrungen ist klein: Rund um 25

den 24. September müssen in der Tschuktschen-See die Bohrungen bereits wieder ein-gestellt werden, etwa fünf Wochen vor der Rückkehr des Eises. In den 80er-Jahren gab es zahlreiche Bohrungen im Festlandsockel in der Beaufort- und der Tschuktschen-See und in dem zur Bering-See gehörenden Nord-Aleuten-30

Becken. Nach einigen unbefriedigenden Testergebnissen und dem Rückgang des Öl-preises 1986 zog sich die Industrie zurück. In der Tschuktschen-See fanden letzte Pro-bebohrungen 1992 statt. In der Beaufort-See wurde nach 1993 nur noch an zwei Stel-len gebohrt, dies aber nahe an der Küste in flachem Wasser. In solchen Fällen wird von Offshore-Bohrungen meist nicht gesprochen. Aber mit dem starken Rückgang des 35

Sommer-Meereises in der Arktis durch Klimaveränderungen in den vergangenen Jahren und der wachsenden Nachfrage nach Öl ist das Interesse an einer Ölförderung im Meer gestiegen. Öl wird in Alaska bisher vor allem auf dem Land gefördert. Es gibt einige küstennahe Förderstellen, die wegen der geringen Wassertiefe auf ange-schütteten Inseln errichtet wurden. 40

Nun will Shell weiter aufs Meer hinausgehen. Das Explorationsgebiet in der Tschuktschen-See liegt etwa 110 Kilometer von der Küste entfernt, aber in einer Wassertiefe von nur 140 Fuß (40 bis 50 Meter). Im Kontinentalschelf Alaskas vermutet das BOEM unentdeckte, technisch abbaubare Ölreserven in der Größenord-45

nung von 26 Milliarden Barrel und Gasreserven von 3,7 Billionen Kubikmeter. Das entspricht etwa einem Viertel des derzeitigen Ölvorkommens in Kuwait. Hinzu

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kommen 3,7 Billionen Kubikmeter Gasreserven. Der Shell-Konzern verspricht „Neues Öl für die Trans-Alaska-Pipeline“ und Zehntausende Jobs. 50

Aber das Gebiet ist auch Lebensraum von Eisbären, Walen, Robben und Meeresvö-geln. Gegner der Ölförderung blicken auf den Golf von Mexiko, wo 2010 nach dem Desaster der „Deepwater Horizon“ mehr als vier Millionen Barrel Öl ins Meer flos-sen. „Die hässliche Wahrheit“ sei, dass sich seitdem nur wenig verändert habe und Offshore-Bohrungen weiterhin gefährlich seien, sagt Lois Epstein von der Wilderness 55

Society in Anchorage. Umweltschützer fürchten verheerende Folgen für das Ökosys-tem, wenn sich Öl im Meer und dem Eis ausdehnt. Der Einsatz von Lösungsmittel würde zwar verhindern, dass Öl die Küste erreicht, bedrohe aber die Lebensgrundla-gen der Menschen in den Arktisgemeinden, die von Fischfang und Jagd lebten. „Shell und anderen Ölunternehmen sollte nicht erlaubt werden, ihre riskanten, gefährlichen 60

Pläne für Bohrungen in unberührten Gebieten fortzusetzen“, meint auch der Sierra Club. Mit Klagen vor Gerichten versuchen die Organisationen, die Bohrungen noch zu stoppen. Greenpeace hat auf der anderen Seite des Erdballs den Kampf aufgenommen. 65

Das für die Shell-Bohrungen vorgesehene Schiff Nobel Discoverer, das derzeit noch in Neuseeland liegt, soll sich jetzt auf den Weg in die Arktis machen. Ende vergange-ner Woche wurde es aber an der Ausfahrt aus dem Hafen von Taranaki durch Green-peace-Aktivisten gehindert. 70

Ölreichtum vor Alaska Ölreserven Im äußeren Kontinentalschelf Alaskas werden derzeit technisch abbaubare Ölreserven in der mittleren Größenordnung von 26 Milliarden Barrel und Gasreserven von 3,7 Billionen Kubikmeter vermutet (132 Billionen Kubikfuß). 75

Lizenzen Die Versteigerung von Lizenzen zur Ölsuche in dem Gebiet vor Alaska brachte 2008 den Rekordbetrag von fast 2,7 Milliarden Dollar. Shell ersteigerte Lizen-zen für rund zwei Milliarden Dollar. 80

Quelle: Braune, G., Handelsblatt, Nr. 041, 27.02.2012, 28

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Kommt der Energiesparzwang? Nach der Kommission spricht sich auch das Europaparlament für verbindliche Ziele beim Energiesparen aus – und stellt sich damit gegen Deutschland. 5

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte gestern einen guten Tag: Sein umstrittener Richtlinienentwurf zur Energieeffizienz bekam Unterstützung. Der Indus-trieausschuss des Europaparlaments befürwortete die verbindlichen Energiesparziele. Demnach sollen die Energieversorger sicherstellen, dass ihre Kunden jährlich 1,5 Pro-zent weniger Energie verbrauchen. 10

EU-Kommission und Parlament wollen so dafür sorgen, dass Europa seine Klimaschutzziele auch tatsächlich erreicht. Die EU-Regierungschefs hatten sich auf das sogenannte 20-20-20-Ziel festgelegt: 20 Prozent weniger Treibhausgase, 20 Pro-zent mehr erneuerbare Energien und 20 Prozent mehr Energieeffizienz bis 2020. Die 15

beiden ersten Ziele wird die EU erreichen, doch bei der Energieeffizienz hapert es. Deshalb will der Energiekommissar das Energiesparen zur Pflicht machen. Die Bundesregierung lehnt dies ab. Nachdem sich Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lange über das Thema gestritten 20

hatten, verständigten sie sich schließlich vergangene Woche auf einen wachsweichen Kompromiss. Demnach sollen die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten bekommen: entweder senken sie den Energieverbrauch in einem Zeitraum von drei Jahren um 4,5 Prozent. Oder sie erhöhen die Energieeffizienz im selben Zeitraum um 6,3 Prozent. 25

Für diesen Kompromiss erntete die Regierung zwar viel Lob von den Energieversor-gern. „Die Einigung der Bundesregierung geht genau in die richtige Richtung“, erklär-te etwa der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Doch das Europaparlament will den Energieunternehmen keine Wahlmöglichkeiten einräumen. Der Industrieaus-schuss hielt am verbindlichen 1,5-Prozent-Einsparziel pro Jahr fest – was die Energie-30

branche mit Kritik quittierte. Die Position des Parlaments bereite „an einigen Stellen erhebliche Sorgen“, konkret beim 1,5-Prozent-Ziel, erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft in Berlin. Die Fraktionen des Europaparlaments äußerten sich hingegen fast alle zufrieden mit 35

dem Beschluss des Industrieausschusses. „Die Europaabgeordneten haben sich für ein verbindliches 20-Prozent-Effizienzziel zum Horizont 2020 ausgesprochen, mit klaren nationalen Unterzielen und transparenten und kontrollierten nationalen Effizienz-Ver-laufskurven“, freute sich der für das Thema federführend zuständige Grünen-Abge-ordnete Claude Turmes aus Luxemburg. Der CDU-Abgeordnete Markus Pieper wies 40

darauf hin, dass es für kleinere Versorger wie Stadtwerke Ausnahmen geben solle.

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Das Europaparlament unterstützt im Wesentlichen auch das zweite Kernelement des Richtlinienentwurfs: die neuen Vorschriften zur energetischen Gebäudesanierung. Die EU-Staaten sollen sicherstellen, dass jährlich 2,5 Prozent der öffentlichen Gebäude 45

energiesparend renoviert werden. Das Parlament wich nur leicht vom Kommissions-entwurf ab, der eine jährliche Renovierungsquote von drei Prozent vorsieht. Aller-dings will das Parlament eine Alternative zur Renovierung erlauben: Stattdessen kön-nen auch energiesparende Heizungsanlagen eingebaut werden. 50

EU-Industriekommissar Antonio Tajani warnt davor, die Wirtschaft mit zu hohen Klimaauflagen zu belasten. Eine künstliche Verknappung der CO2-Zertifikate, um die Preise im Emissionshandel hoch zu halten, entspreche nicht dem marktwirtschaft-lichen Prinzip, für das man sich beim Handel mit Verschmutzungsrechten entschieden habe, sagte er. Der Klimaschutz dürfe „die Genesung der Realwirtschaft in Zeiten der 55

Krise jedoch nicht gefährden“. Energiespar-Zeitplan Sommer 2011 Die EU-Kommission legt ihren Richtlinienentwurf zur Energieeffizienz 60

vor. Damit sollen erstmals verbindliche Energiesparziele in Europa vorgeschrieben werden. Februar 2012 Der Industrieausschuss des Europaparlaments beschließt seine Position zu dem Entwurf der Kommission. 65

Frühjahr 2012 Der EU-Energieministerrat beschließt seine Position zu dem Entwurf. Ob sich die Bundesregierung dabei mit ihrer Forderung nach mehr Flexibilität durch-setzt, ist nicht sicher. 70

Sommer 2012 Die dänische EU-Ratspräsidentschaft will die Beratungen über die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz abschließen. Bis dahin müssen sich die drei gesetzge-benden EU-Institutionen Kommission, Parlament und Energieministerrat also einigen. Quelle: Berschens, R./ Ludwig, T., Handelsblatt, Nr. 43, 29.02.2012, 18 75

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Energiewende lässt Preise steigen Der schnelle Atomausstieg kostet 2,6 Milliarden Euro im Jahr. Der beschleunigte Kernenergieausstieg erhöht die Strompreise in Deutschland aufs 5

Jahr gerechnet um 2,6 Milliarden Euro. Das ergeben Berechnungen des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), die dem Handelsblatt vorliegen. Der VIK steht für 80 Prozent des industriellen Energieeinsatzes in Deutschland. Der Verband hat die Preisentwicklung in Deutschland mit der in Großbritannien und 10

in Skandinavien verglichen. Die Preise auf diesen beiden Märkten korrelierten bis zur Abschaltung der acht Kernkraftwerke kurz nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 traditionell sehr stark mit den Preisen in Deutschland. Seit März 2011 gilt das nicht mehr. Der Preis in Deutschland hat gegenüber dem britischen um vier Euro je Megawattstunde zugelegt, gegenüber dem skandinavischen um sechs Euro. 15

Auf Basis des Mittelwerts dieser Ergebnisse ergibt sich laut VIK ein Preiseffekt, der sich auf 2,6 Milliarden Euro pro Jahr beläuft, dabei entfallen 1,1 Milliarden Euro auf die Industrie. Damit sei die Behauptung widerlegt, „der deutsche Strompreis sei vom beschleunigten Kernenergieausstieg unbeeindruckt geblieben“, sagte VIK-Hauptge-schäftsführerin Annette Loske. 20

Der preistreibende Effekt hat auch Folgen für die französische Stromwirtschaft. Nach Berechnungen des französischen Beratungsunternehmens SIA hat die Abschaltung der acht Kernkraftwerke französischen Unternehmen durch erhöhte Stromexporte zwischen März und Dezember 360 Millionen Euro zusätzlich in die Kassen gespült. 25

Weitere Preissteigerungen sind wahrscheinlich: „Ich sehe in jedem Bereich der Ener-giewende preistreibende Effekte“, sagte Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, dem Handelsblatt. Die Energie-wende werde „die Bürger über viele Jahre finanziell in die Verantwortung nehmen“. 30

Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 046, 05.03.2012, 5

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Hildegard Müller: „Dieses Jahr ist entscheidend“ Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des BDEW, fordert im Gespräch mit Klaus Stratmann, die Energiewende besser zu koordinieren. 5

Handelsblatt: Frau Müller, die Reaktorkatastrophe von Fukushima vor einem Jahr war Auslöser der Energiewende in Deutschland. Hat die Bundesregierung die Wei-chen nach Fukushima richtig gestellt? Müller: Die Energiewende ist ein Generationenprojekt, das nicht mit einem Feder-strich auf den Weg gebracht werden kann. Die Bundesregierung hat mit dem im Som-10

mer verabschiedeten Gesetzespaket zwar bereits viel geleistet und dafür über die Grenzen von Parteien und Bundesländern hinweg große Zustimmung erfahren. Den-noch wird man in den nächsten Jahren immer wieder nachjustieren und Prioritäten set-zen müssen. 15

Sie sind also insgesamt zufrieden mit der Art und Weise, wie die Bundesregierung mit der Energiewende umgeht? Dringend notwendig ist eine bessere Koordinierung. Die Bundesregierung hat ein Energiekonzept, die EU hat eine energiepolitische „Roadmap 2050“ formuliert, gleichzeitig entwickeln 16 Bundesländer eigene Energiekonzepte. Wer koordiniert 20

dies über Landes- und Ländergrenzen hinweg? Ich schlage deshalb vor, dass die Bund-Länder-Koordination der Bundesregierung den Steuerungsprozess der Energie-wende in die Hand nimmt. Besteht nicht die Gefahr, dass der Staat immer mehr regelt und vom Markt am Ende 25

nicht viel übrig bleibt? Tatsächlich gibt es die Tendenz, dass sich der Staat immer stärker einmischt. Darüber sind wir nicht glücklich. Es ist aus meiner Sicht grundfalsch, wenn der Staat nicht nur Ziele vorschreibt, sondern auch noch Maßnahmen zu deren Umsetzung. 30

Welche Herausforderung der Energiewende muss zuerst bewältigt werden? Der Ausbau der Netze ist vordringlich. Dabei wird dieses Jahr entscheidend sein. Wir warten auf den Netzentwicklungsplan, der klar definieren wird, welche Übertragungs-netze entstehen müssen und welche Offshore-Netzanbindungen Priorität haben. Au-ßerdem ist die mit der Energiewende einhergehende Dezentralisierung zwingend mit 35

massiven Investitionen in die Verteilnetze verbunden. Das wird oft unterschätzt. Gerade bei der Anbindung der Offshore-Windparks scheint es große Probleme zu ge-ben, die sich durch Planung und Regulierung allein nicht lösen lassen. Das stimmt. Der Bau und die Netzanbindung der Windparks in Nord- und Ostsee ist 40

technisch sehr aufwendig und teuer, weil die Anlagen Dutzende Kilometer vor der Küste liegen. Die besondere Situation in Deutschland führt zu einer Reihe von Proble-men. Ich bin froh darüber, dass alle Akteure in einer vom Wirtschaftsministerium eingerichteten Arbeitsgruppe zusammensitzen und nach Lösungen für die Probleme bei der Netzanbindung suchen. Wir rechnen Ende März mit ersten Ergebnissen. 45

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Wer soll in welchem Umfang dafür haften, wenn ein Netzanschluss verspätet fertigge-stellt wird, die Windräder aber bereits installiert sind? Das ist eine sehr schwierige Frage, auf die wir noch keine Antwort gefunden haben. 50

Einerseits lassen sich die Kosten nicht einfach sozialisieren, andererseits reden wir hier über Haftungsrisiken, die man einem einzelnen Unternehmen kaum zumuten kann. Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet regt an, die Risiken auf mehrere Schultern zu 55

verteilen und eine Deutsche Netz AG zu gründen. Was halten Sie davon? Das ist ein interessanter Vorschlag. Allerdings bewegt mich bei den Stromnetzen viel mehr. Wir stehen in einem harten Wettbewerb um Kapital. Die Renditen im deutschen Netzgeschäft sowohl im Übertragungs- als auch im Verteilnetzbereich spiegeln das nicht wider. Die Bundesnetzagentur hat bislang eine reine Kostenregulierung betrie-60

ben. Mit der Energiewende muss sie Aspekte wie Netzintegration, Speicher sowie Forschung und Entwicklung stärker berücksichtigen. Wie wird die Energiewende die Preise beeinflussen? Ich sehe in jedem Bereich der Energiewende preistreibende Effekte. Die Energie-65

wende wird die Bürger über viele Jahre finanziell in die Verantwortung nehmen. Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 046, 05.03.2012, 18

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BP lässt sich auf Vergleich mit knapp 120.000 Ölpestopfern ein Konzern will acht Milliarden Dollar zahlen. Einigung mit US-Regierung steht noch aus. 5

Der britische Ölmulti BP kommt offenbar um einen langwierigen Rechtsstreit mit knapp 120.000 Opfern der Katastrophe im Golf von Mexiko herum. Der Konzern hat sich auf einen Vergleich mit den Klägern, darunter Restaurant- und Hotelbesitzer, Fischer und Krabbenzüchter, eingelassen und will diese mit voraussichtlich knapp acht Milliarden Dollar (rund sechs Milliarden Euro) entschädigen. Dies teilte BP am 10

Wochenende mit. Damit kommt das Unternehmen einen entscheidenden Schritt voran, den finanziellen Schaden der Ölpest zu begrenzen. Zwei große Hürden muss der Kon-zern aber noch nehmen: Eine Einigung mit der US-Regierung, die Milliardenstrafen gegen BP wegen des Verstoßes gegen Umweltgesetze verhängen kann, steht bisher aus – ebenso wie mit den anderen an dem Desaster beteiligten Firmen. 15

Das Geld für den Vergleich mit den Privatklägern soll aus einem staatlich verwalteten Kompensationsfonds kommen, den BP vor gut eineinhalb Jahren auf Druck der amerikanischen Regierung eingerichtet hat und der 20 Milliarden Dollar umfasst. Gut 13 Milliarden Dollar davon sind bislang noch nicht ausgegeben worden. Der Fonds ist 20

Teil der insgesamt 37,2 Milliarden Dollar, die BP bislang schon für das Unglück ein-kalkuliert hat. Analysten begrüßten den Vergleich: Er sei positiv für BP, sagte Fadel Gheit von der New Yorker Investmentbank Oppenheimer der „Washington Post“. Die Einigung mit den Privatklägern könne jetzt eine außergerichtliche Lösung mit der Re-gierung beschleunigen und so die Ungewissheit über die Gesamtkosten des Unglücks 25

beseitigen, die seit fast zwei Jahren auf dem Konzern laste. Ein Zivilgericht in New Orleans, das die Sammelklagen der fast 120.000 Ölpestopfer ab heute verhandeln sollte, muss den Vergleich in den nächsten 45 Tagen absegnen. Die endgültige Höhe der gesamten Entschädigungssumme ist allerdings noch unklar, 30

weil Beobachter damit rechnen, dass einige Opfer sich am Ende doch nicht auf die Ei-nigung einlassen und auf dem Klageweg beharren werden. BP hat von den 37,2 Mil-liarden Dollar, die der Konzern für das Unglück reserviert hat, bisher knapp zwei Drit-tel ausgegeben: Das schließt die Entschädigung für Ölpestopfer ein, die sich von vorn-herein gegen eine Klage entschieden hatten, sowie die Ausgaben für Aufräumarbeiten 35

an der Golfküste und das Abdichten des Lecks am Meeresgrund, um die verheerendste Ölpest in der US-Geschichte zu beenden. Für Strafen wegen des Verstoßes gegen das Wasserschutzgesetz hat BP bislang 3,5 Milliarden Dollar zur Seite gelegt. Doch sollte die US-Regierung dem Konzern grobe 40

Fahrlässigkeit als Unglücksursache nachweisen, wird das nicht reichen. Die Bußgel-der könnten dann auf bis zu 20 Milliarden Dollar steigen. Quelle: Slodczyk, K., Handelsblatt, Nr. 046, 05.03.2012, 25

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