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Tagungsberichte Umweltberatung Tagungsberichte Pestizide im Grundwasser* - Grenzwerte und Notwendigkeit der Oberwachung Fachveranstaltung des TOV Sfidwest e.V., Filderstadt, 21. Februar 1990 Die Teilnehmer kamen aus den Bereichen Beh6rde, Wasserwerk und Industrie; Vertreter des Umweltministeriums Baden-Wfirttemberg, des Bundesgesundheitsamtes Berlin und des TOV-Sfidwest nahmen Stellung. Im Einfiihrungsreferat (Dr. BERGMANN, TOV S/idwest e.V.) wur- den am Beispiel DDT und Atrazin die Probleme Persistenz, Resi- stenz, Bio- und Geoakkumulation erl/iutert. Besondere Bedeutung ffir die Kontamination des Grundwassers durch Konzentrationsfah- hen yon Pestiziden nnd ihren Folgeprodukten hat die Pufferkapazi- t~it des Bodens. Sie kann durch die allgemeine Belastung der B6den (Uberdfingung, pH-Erniedrigung durch sauren Regen etc.) immer mehr herabgesetzt werden und schlieglich den Durchbruch yon per- sistenten Pestiziden und ihren Folgeprodukten in den Grundwasser- strom begfinstigen, was Brunnenschliegungen, Erteilung yon Aus- nahmegenehmigungen und die Entwicklung yon Sanierungskonzep- ten zur Folge hat. Auf die rechtliche Seite dieser Folgen und insbesondere die Proble- matik bei der Ubertragung von EG-Richtlinien auf nationales Recht ging Dr. KELLERMANN v o m Umweltministerium Baden-Wfirttemberg ein. Baden-Wfirttemberg wird voraussichtlich als erstes Bundesland eine Verwaltungsvorschrift erlassen, welche die Sanierungsplanung den zust~indigen Beh6rden fiberrr~igt und damit die Wasserversorger entlastet. Das wtirde den Vorstellungen des Bundesgesundheitsamres entsprechen. Die toxikologische Beurteilung grolgfliichiger Pestizidverteilungen und langfristiger Kontaminationen ist nach Aussage yon Prof. DIETER vom Bundesgesundheitsamt Berlin iiugerst kompliziert. An einigen Beispielen erl/iuterte er die akut toxische und genotoxische Wirkung von Pestiziden und ihren Abbauprodukten. Vor allem die Summa- tionsproblematik wird noch untersch/itzt. Langzeit-Untersuchungen sind, laut Prof. DIETER, unbedingt erforderlich. Der Vorsorge sollte grunds/itzlich Vorrang gegeben werden vor der numerischen Sicher- heit von Grenzwerten. Wie k6nnen/iber 300 Pestizidwirkstoffe und ihre Abbauprodukte im Grundwasser nachgewiesen werden? Die Antwort heigt: Multikom- ponenten-Analyse. Dr. ROTHARD vom Bundesgesundheitsamt Berlin ffihrte aus, wie man diese Multikomponenten-Analyse angehen kann, welche Trennsysteme und Detektoren es gibt. Unbedingt erforderlich ist die Standardisierung der Pestizid-Analytik (die DIN-Normierung ist in Arbeit, vgl. auch -+ UWSF-Z. UmweItchem. Okotox. 2 (2), 85 - 88, 1990). Die Multikomponenten-Analyse ist aber aus zeitlichen und wirtschaft- lichen GrOnden nicht immer das Mittel der Wahl; sinnvolt sind Screening-Tests znr Eingrenzung der Hauptkomponenten. Welche biologischen und biochemischen Methoden sich da anbieten, wurde yon Dr. W. BELLMANN,TOV S/idwest e.V., ausgeffihrt. Aufberei- tungstechnologien und Fernwasserversorgungssysteme k6nnen nur Obergangsl6sungen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung sein. Grunds~itzlich sollte ffir das Lebensmittel Nr. 1 getten: Pr~ivention (Schutz vor Verseuchung) geht vor Kontamination und Sanierung. Dr. W. Bergmann, TOV Siidwestdeutschland e. V. Fachbereich Energietechnik und Umweltscbutz Postfach 13 80, D - 7024 Filderstadt Vgl. auch UWSF-Z. Umweltchem.Okotox. 2 (i) 20-22 (1990) sowie 2 (2) 85-88 (1990) Dritte Bielefelder Aktuelle Woche zur Umweltberatung Bielefeld, 6.-8. Juni 1990 Im Rahmen des Weiterbildenden Studiums Umweltberamng der Universitiit Bielefeld findet in jedem Semester die Aktuelle Wo- che statt, eine Tagung, auf der Experten der beruflichen Praxis, aus Politik und Wissenschaft fiber aktuelle Themen des Umwelt- schutzes referieren und diskutieren. Die Tagung wendet sich an berufst~itige Umweltberater und an Interessenten aus Wirtschaft, Administration und Verbanden, die mit Aufgaben des Umweltschutzes befa~t sind. Die Dritte Bielefelder Aktuelle Woche behandelte schwerpunkt- m~itgig die Themenbereiche - Aktuelle Probleme des Trinkwasserschutzes - Belastung und Reinhaltung yon Oberfliichengew/issern - M6glichkeiten der Trinkwasser-Einsparung. Das Thema ,Wasser ~ wird eines der umweltpolitischen Themen der 90er Jahre werden, darin waren sich die Experten dieser Ta- gung einig, denn um die Qualitfit des nutzbaren Wassers ist es schlecht bestellt. Zun~ichst wurden aktuelle Probleme des Trinkwasserschutzes erfrtert. Das Spektrum der Vortr/ige reichte yon der Umsetzung der europ~iischen Trinkwasserrichtlinie in nationales Recht, fiber die Besch~iftigung mit Schadstoffbelastungen des Trink- wassers, bis hin zur praktischen Umsetzung des Grundwasser- schutzes in der Kommune. Einig warensich die Referenten darin, datg das Verursacherprinzip auch im Gewiisserschutz strikt anzuwenden ist und die Verunreinigungen des Trinkwas- sers an ihrer Quelle beseitigt werden mfissen. Es folgte die Besch/iftigung mit Be&stung und Reinhaltung yon Oberfldchengewdssern. Diskutiert wurden u.a. neue Perspekti- ven bei der Planung kommunaler Abwasseranlagen, der Einsatz von Pfla'nzenkl/iranlagen, M6glichkeiten der Verbesserung der Wasserqualit~t durch die Renaturierung yon Oberfl5chenge- wfissern sowie die dritte Novelle des Abwasserabgaben- Gesetzes. Fazit: statt der erfordertichen Prophytaxe herrscht im Wasserschutz zumeist Krisenmanagement vor. Schlief~lich wurden die praktischen Mfglichkeiten des Wasser- sparens behandelt. Berichtet wurde fiber Methoden der rationet- len Wasserverwendung in 6ffentlichen Geb~uden und privaten Haushalten, den beruflichen Alltag einer Wasserberaterin sowie Strategien der Offentlichkeitsarbeit zur Einsparung yon Trink- wasser. Fazit: bei allen, die Wasser nutzen, sollte das Bewuf~t- sein fiir den verantwortungsvollen Umgang mit dem Grund- baustein unseres Lebens gef6rdert werden. Eine Tagungsdokumentation ist in Vorbereitung und kann demniichst bezogen werden bei der Universit/it Bielefeld, Kon- taktstette Wissenschaftliche Weiterbildung, Postfach 86 40, 4800 Bielefeld 1. Dr. Erich Schdfer, Universitdt Bielefeld M odellversuck Umweltberatung Postfach 86 40, D- 4800 Bielefeld UWSF-Z. Umweltchem, Okotox. 2 (3)1990 179

Dritte Bielefelder Aktuelle Woche zur Umweltberatung

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Tagungsberichte Umweltberatung

Tagungsberichte

Pestizide im Grundwasser*

- Grenzwerte und Notwendigkeit der Oberwachung Fachveranstaltung des TOV Sfidwest e.V., Filderstadt, 21. Februar 1990

Die Teilnehmer kamen aus den Bereichen Beh6rde, Wasserwerk und Industrie; Vertreter des Umweltministeriums Baden-Wfirttemberg, des Bundesgesundheitsamtes Berlin und des TOV-Sfidwest nahmen Stellung.

Im Einfiihrungsreferat (Dr. BERGMANN, TOV S/idwest e.V.) wur- den am Beispiel DDT und Atrazin die Probleme Persistenz, Resi- stenz, Bio- und Geoakkumulation erl/iutert. Besondere Bedeutung ffir die Kontamination des Grundwassers durch Konzentrationsfah- hen yon Pestiziden nnd ihren Folgeprodukten hat die Pufferkapazi- t~it des Bodens. Sie kann durch die allgemeine Belastung der B6den (Uberdfingung, pH-Erniedrigung durch sauren Regen etc.) immer mehr herabgesetzt werden und schlieglich den Durchbruch yon per- sistenten Pestiziden und ihren Folgeprodukten in den Grundwasser- strom begfinstigen, was Brunnenschliegungen, Erteilung yon Aus- nahmegenehmigungen und die Entwicklung yon Sanierungskonzep- ten zur Folge hat.

Auf die rechtliche Seite dieser Folgen und insbesondere die Proble- matik bei der Ubertragung von EG-Richtlinien auf nationales Recht ging Dr. KELLERMANN v o m Umweltministerium Baden-Wfirttemberg ein. Baden-Wfirttemberg wird voraussichtlich als erstes Bundesland eine Verwaltungsvorschrift erlassen, welche die Sanierungsplanung den zust~indigen Beh6rden fiberrr~igt und damit die Wasserversorger entlastet. Das wtirde den Vorstellungen des Bundesgesundheitsamres entsprechen.

Die toxikologische Beurteilung grolgfliichiger Pestizidverteilungen und langfristiger Kontaminationen ist nach Aussage yon Prof. DIETER vom Bundesgesundheitsamt Berlin iiugerst kompliziert. An einigen Beispielen erl/iuterte er die akut toxische und genotoxische Wirkung

von Pestiziden und ihren Abbauprodukten. Vor allem die Summa- tionsproblematik wird noch untersch/itzt. Langzeit-Untersuchungen sind, laut Prof. DIETER, unbedingt erforderlich. Der Vorsorge sollte grunds/itzlich Vorrang gegeben werden vor der numerischen Sicher- heit von Grenzwerten.

Wie k6nnen/iber 300 Pestizidwirkstoffe und ihre Abbauprodukte im Grundwasser nachgewiesen werden? Die Antwort heigt: Multikom- ponenten-Analyse. Dr. ROTHARD v o m Bundesgesundheitsamt Berlin ffihrte aus, wie man diese Multikomponenten-Analyse angehen kann, welche Trennsysteme und Detektoren es gibt. Unbedingt erforderlich ist die Standardisierung der Pestizid-Analytik (die DIN-Normierung ist in Arbeit, vgl. auch -+ UWSF-Z. UmweItchem. Okotox. 2 (2), 85 - 88, 1990).

Die Multikomponenten-Analyse ist aber aus zeitlichen und wirtschaft- lichen GrOnden nicht immer das Mittel der Wahl; sinnvolt sind Screening-Tests znr Eingrenzung der Hauptkomponenten. Welche biologischen und biochemischen Methoden sich da anbieten, wurde yon Dr. W. BELLMANN, TOV S/idwest e.V., ausgeffihrt. Aufberei- tungstechnologien und Fernwasserversorgungssysteme k6nnen nur Obergangsl6sungen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung sein. Grunds~itzlich sollte ffir das Lebensmittel Nr. 1 getten: Pr~ivention (Schutz vor Verseuchung) geht vor Kontamination und Sanierung.

Dr. W. Bergmann, TOV Siidwestdeutschland e. V. Fachbereich Energietechnik und Umweltscbutz Postfach 13 80, D - 7024 Filderstadt

Vgl. auch UWSF-Z. Umweltchem. Okotox. 2 (i) 20-22 (1990) sowie 2 (2) 85-88 (1990)

Dritte Bielefelder Aktuelle Woche zur Umweltberatung

Bielefeld, 6 . -8 . Juni 1990 Im Rahmen des Weiterbildenden Studiums Umweltberamng der Universitiit Bielefeld findet in jedem Semester die Aktuelle Wo- che statt, eine Tagung, auf der Experten der beruflichen Praxis, aus Politik und Wissenschaft fiber aktuelle Themen des Umwelt- schutzes referieren und diskutieren. Die Tagung wendet sich an berufst~itige Umweltberater und an Interessenten aus Wirtschaft, Administration und Verbanden, die mit Aufgaben des Umweltschutzes befa~t sind. Die Dritte Bielefelder Aktuelle Woche behandelte schwerpunkt- m~itgig die Themenbereiche - Aktuelle Probleme des Trinkwasserschutzes - Belastung und Reinhaltung yon Oberfliichengew/issern - M6glichkeiten der Trinkwasser-Einsparung. Das Thema ,Wasser ~ wird eines der umweltpolitischen Themen der 90er Jahre werden, darin waren sich die Experten dieser Ta- gung einig, denn um die Qualitfit des nutzbaren Wassers ist es schlecht bestellt. Zun~ichst wurden aktuelle Probleme des Trinkwasserschutzes erfrtert. Das Spektrum der Vortr/ige reichte yon der Umsetzung der europ~iischen Trinkwasserrichtlinie in nationales Recht, fiber die Besch~iftigung mit Schadstoffbelastungen des Trink- wassers, bis hin zur praktischen Umsetzung des Grundwasser- schutzes in der Kommune. Einig warensich die Referenten darin, datg das Verursacherprinzip auch im Gewiisserschutz strikt anzuwenden ist und die Verunreinigungen des Trinkwas- sers an ihrer Quelle beseitigt werden mfissen.

Es folgte die Besch/iftigung mit Be&stung und Reinhaltung yon Oberfldchengewdssern. Diskutiert wurden u.a. neue Perspekti- ven bei der Planung kommunaler Abwasseranlagen, der Einsatz von Pfla'nzenkl/iranlagen, M6glichkeiten der Verbesserung der Wasserqualit~t durch die Renaturierung yon Oberfl5chenge- wfissern sowie die dritte Novelle des Abwasserabgaben- Gesetzes. Fazit: statt der erfordertichen Prophytaxe herrscht im Wasserschutz zumeist Krisenmanagement vor. Schlief~lich wurden die praktischen Mfglichkeiten des Wasser- sparens behandelt. Berichtet wurde fiber Methoden der rationet- len Wasserverwendung in 6ffentlichen Geb~uden und privaten Haushalten, den beruflichen Alltag einer Wasserberaterin sowie Strategien der Offentlichkeitsarbeit zur Einsparung yon Trink- wasser. Fazit: bei allen, die Wasser nutzen, sollte das Bewuf~t- sein fiir den verantwortungsvollen Umgang mit dem Grund- baustein unseres Lebens gef6rdert werden.

Eine Tagungsdokumentation ist in Vorbereitung und kann demniichst bezogen werden bei der Universit/it Bielefeld, Kon- taktstette Wissenschaftliche Weiterbildung, Postfach 86 40, 4800 Bielefeld 1.

Dr. Erich Schdfer, Universitdt Bielefeld M odellversuck Umweltberatung Postfach 86 40, D - 4800 Bielefeld

UWSF-Z. Umweltchem, Okotox. 2 (3)1990 179