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DRUCKREIF SEPTEMBER 2010 UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM BDZV-ZEITUNGSKONGRESS 2010 HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND

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Dieses Magazin entstand auf dem BDZV-Zeitungskongress 2010 in Essen

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September 2010 Unabhängiges magazin zUm bdzv-zeitUngskongress 2010 heraUsgegeben von der jUgendpresse deUtschland

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inhalt

Wie die Butter auf dem Brot ...S.04die digitale Welt Wird schon lange nicht mehr als eine bedrohUng angesehen...

daS loveparade-unglück ...S.05 spaltet nicht nUr bei der schUldfrage. aUch die berichterstattUng darüber ist indie kritik geraten...

der neWS-mann ...S.06-07ohne ihn Wären tageszeitUngen leer. Wir hätten Weniger informationen über das, Was in der Welt gerade passiert - Wolfgang büchner ist chef der grössten deUtschen presseagentUr, der dpa...

netz-geBluBBer: Wird alleS anderS? ...S.08Wissen sie, Welchen Wandel die medien gerade dUrchmachen? glaUben sie, dass print eine zUkUnft hat?...

zu viele nachrichten ...S.09apps - jeder Will sie, aber nicht jeder hat sie. erfahrt jetzt, Was sie können, Was sie kosten Und Was man sonst noch alles damit erleben kann.

die papierrolle ...S.10internet ist die neUe zeitUng, frohlocken die digitalen denker, beleUchtet von einem bildschirm....

kleine räder, groSSe Wirkung ...S.11 Wie fUnktioniert zeitgemässe berichterstattUng? zWei joUrnalisten über gUte recherche Und die rolle von blogs in der deUtschen medienlandschaft.

Welcher zeitungStyp BiSt du?! ...S.12-13

regeln für mehr reSpekt ...S.14Wenn es Um amokläUfe geht, beWegen sich die medien oft aUf dünnem eis...

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generation mütter und medien ...S.15denn sie Wissen nicht, für Wen sie schreiben: Was nützt der aUfWand von der geschichte bis zUr fertigen zeitUng, Wenn sie niemand liest?...

ein tag Wird auf papier geBracht ...S.16-17stühlerücken, kaffeegeschirr klimpert, die karten der letzten skatrUnde Werden zUsammengekehrt...

print und online: rivalen oder geSchWiSter? ...S.18eine strikte trennUng von print- Und onlineinhalten ist bei vielen tageszeitUngen alltag...

tiefer, Breiter, Weiter? ...S.19bedarf es einer generalüberholUng? Wie steht es Um die alte papier-diva zeitUng?...

die herren Wollten anS Buffet ...S.20im rahmen des bdzv fand eine jUrysitzUng aller chefredakteUre statt.

SuchBild: finde die frau ...S.21

impreSSum ...S.22

Blogitive: ein ausBlick ...s.23die medienlandschaft blüht. zUm etablierten joUrnalismUs gesellensich private blogger Und bedienen ein Wachsendes pUblikUm...

der WeiSheit letzter SchluSS ...S.24zitate zU zeitUngen Und ihrer bedeUtUng zUsammengestellt.

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Lieber Leser!

Hast du noch alle Apps auf dem iPhone? Alle Freunde schon in deiner Buddylist bei Facebook? Und wenn wir schon dabei sind: Welche Feeds hast du eigentlich abonniert? Wann hast du zuletzt getwit-tert? Welche Zukunftschancen räumst du denn StudiVZ ein und welche Vermarktungsstrategie ist die beste in Sachen Social Media? Bist du immer online, und was hältst du von „Payback“?

Auch wenn die iPhone-Dichte erstaunlich hoch war auf dem Zeitungskongress 2010, so ist die Hoff-nung auf ein Überleben gedruckter Inhalte noch nicht erloschen. Doch es fehlt ein Patentrezept gegen den Auflagenrückgang. Statt nach Kreativität zu suchen, werden viele Verleger sehr unkreativ und fordern den Gesetzgeber.

Nun will man per Gesetz schützen, was geistig mühsam vollbracht und publiziert wurde: „Leistungs-schutzrecht“. Der seltsame Schachzug, der sich Drei-stufentest nennt, ist wohl noch nicht genug gewesen. Zur Erinnerung: Damit hatten die Verlage den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern verboten, in verlagseige-nen Nachrichten-Territorien zu wildern und Informati-onen zeitlos im Internet anzubieten. Was FAZ.net und Süddeutsche.de dürfen, darf tagesschau.de also noch lange nicht. Für Netznutzer eine absurde Vorstellung; Verleger aber denken nicht immer zuerst an die Nutzer.

Vielleicht verstellt das ständige Schielen auf „Paid Content“ die Sicht auf das Kerngeschäft der Verlage: Nachrichten liefern. Schnell, zuverlässig, auf die Leser-schaft zugeschnitten. Die Verlage machen sich selbst klein mit neidischen Blicken auf das böse Google-Im-perium, auf Facebook, auf Blogger und die Öffentlich-Rechtlichen. Man arbeite kontinuierlich an einer Quali-tätsverbesserung der Inhalte, heißt es von Springer bis dpa.

Doch Papier allein macht Inhalte noch längst nicht originell. Vieles sei in Mache, sagen die Führungseta-gen, doch nur selten lassen sich die Chefredakteure und Verleger wirklich in die Karten schauen. Überhaupt sind sie den Medienjournalisten gegenüber eher ver-schlossen. „Autorisierung“ lautet das Stichwort bei In-terviews. An dieser Stelle danken wir Fritz Pleitgen für sein mutiges Plädoyer gegen die Autorisierungspraxis in Deutschland. Pleitgen wechselte mit uns einige Worte, die er nachträglich nicht kontrollierte: Eine Meinungsäu-ßerungstat ohne Gegencheck. Gewagt!

Bei aller Pauschalkritik wollen wir aber nicht ver-gessen, dass die Zeitung noch längst nicht am Ende ist: Leidenschaftlich wollen wir mit dieser Publikation dafür werben, die Zeitung nicht ganz abzuschreiben. Wir gingen in die Druckerei, sprachen mit investigativen Print-Reportern und machten auf die gesellschaftliche Bedeutung des „alten Papiers“ aufmerksam. Und wir haben der Print-Vielfalt Rechnung getragen: Probier mal unser Spiel in der Heftmitte.

Die Zeit ist reif für einen grundlegenden Wandel. Das wollen wir mit unserer Titelseite zum Ausdruck brin-gen. Vielleicht hängen die Chancen der Zeitung bereits am Baum der Zukunft: Man muss sie nur zu pflücken wissen. In jedem Fall gilt: Wer reiche Ernte einfahren will, wird sich strecken müssen.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Nils Glück

Editorial

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Rekordfläche an Tagungsstätte, Rekordzahlen an Beteiligten – so sieht er aus, der Zeitungskongress vom BDZV 2010 in Essen. In Zeiten wachsender Digitali-sierung des Journalismus ist das Internet als eine der Hauptinformationsquellen nicht weg zu denken. Twitter, Facebook, Apps, so heißen sie, die Newsrooms der Zu-kunft. Naht ein Ende der Tageszeitungen?

„Nein“, beruhigt überwiegend die Antwort der zahlreichen Verleger und Teilnehmer auf dem Kongress. Der „ Glaube an unser Medium“ ist nach wie vor vor-handen, betont BDZV-Präsident Helmut Heinen. So wichtig wie die Butter auf dem Brot ist für Heinen auch das Erhalten des Tagesjournalismus. Zeitungen bleiben die erste Adresse für glaubwürdige und zuverlässige Re-cherche und Berichterstattung. Kein anderes Medium verbindet so gut über Altersgrenzen, Milieus und Inte-ressen hinweg. Printnachrichten gestatten ihrem Leser einen einzigartigen Freiheitsgrad.

Heinen ist sich sicher: „Es wird dauern, bis so et-was im Internet erreicht ist.“ Wichtig ist es jedoch, Gren-zen aufzuzeigen. Der Ruf nach einem Leistungsschutz-recht wird laut.

Der Kampf gegen die digitale Piraterie ist mittler-

weile nahezu unabdingbar, sagen die Verleger. Viele sprechen von einer Schutzlücke und treten mit der di-rekten Forderung nach dem verbindlichen Recht an die Regierung heran. „Dass das Internet freiheitlich ist, be-deutet nicht, dass es generell kostenlos ist“, betont der BDZV-Präsident in seiner Rede in der Essener Philharmo-nie. Vor ihm sitzen zahlreiche Verleger großer deutscher Tageszeitungen. Das Leistungsschutzrecht betitelt er als eine Prophylaxe.

Nur Akzeptanz und Respekt zeugt von guter Lei-stung. „Wir wollen nicht ein Medium gegenüber einem

anderen ausspielen. Dennoch müssen wir unsere Arbeit im Netz schützen.“

Politiker stehen daher vor der großen Aufgabe, dem Journalismus den nötigen Rechtsschutz zu geben. Bun-destagspräsident Norbert Lammert zeigte sich in seiner Rede auf dem Zeitungskongress verständig und zuver-sichtlich. Denn immerhin sind Politiker und Medienma-cher zwar verschieden, doch in einigen Punkten auch sehr ähnlich. Ein großes Ego haben sie beide.

Auch der Staatssekretär Max Stadler, Vertreter von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarren-berger, sieht das Leistungsschutzrecht als eine wichtige Maßnahme an. „Niemand will das Internet hemmen“, die Rede ist von einem effektiven Schutz. Denn auch nach 60 Jahren Grundgesetz gibt es immer noch Lücken bei der Sicherung der Pressefreiheit. Nur wenn wir sicher sein können, dass keine illegal geklauten Informationen Grundlage für Texte bieten, sichern wir dauerhaft eine kritische Recherche und Berichterstattung. „Die großen Verleger der Nachkriegszeit waren Pioniere. Jetzt brau-chen wir erneut Pioniere, die den Qualitätsjournalismus schützen“, so der Staatssekretär. Ob die Verlage sich den Gesetzgeber dabei als Verbündeten angeln können, bleibt abzuwarten.

Wie die Butter auf dem Brot die digitale Welt Wird schon lange nicht mehr als eine Bedrohung angesehen. gefahr geht dennoch von ihr aus, sagen die Zeitungsverle-ger - umso Wichtiger sei der rechtsschutZ. von Sophie hubbe

Foto: EvgEny Makarov

Sophie Hubbe, 19 Jahre, Magdeburg

checkt am liebsten ihre Studi-Nachrichten während der Geschichtsvorlesung.

BluMigE WortE voM BundEstagspräsidEntEn auF dEM BdZv-kongrEss

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das loveparade-unglück spaltet nicht nur Bei der schuldfrage. auch die Berichterstattung darüBer ist in die kritik geraten. verletZen erschreckende Bilder der massenpanik opfer und angehörige oder sind sie ein legitimes mittel, um die grausame realität Zu verdeutlichen? von Judith dauwalter

„Die Medien haben das hochgepusht“, sagt ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle, der anonym bleiben will. Er betreute Menschen, die Hilfe brauchten und mit den Erlebnissen der Loveparade fertig werden mussten. Doch oft meldeten sich am Telefon nicht Hilfesuchende, sondern Journalisten. Sie wollten exklusive Details, haut-nahe Zeugenaussagen, Tränen. Pressevertreter hätten sich erkundigt, wie sich Opfer in Gesprächen verhielten und nach dem dramatischsten Beratungsfall gefragt, be-richtet der Berater. „Das ist aus meiner Sicht unangemes-sen sensationsgierig“, beklagt er.

Dabei konnten sich die Medien über einen Mangel an Bildern nicht beklagen. Binnen weniger Stunden ha-ben unzählige Augenzeugen ihr privates Videomaterial im Internet hochgeladen – schnell hatten sie gemerkt, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Sie dokumen-tierten das, was sie sahen. Machten die Aufnahmen, die die Gesellschaft nach dem Unglück schockierten. Ein junger Mann, der sich über eine schmale Leiter aus der Menschenmasse unter ihm rettet. Videos, auf denen man aus der hin- und her wogenden Menge Hände winken sieht und verzweifelte Rufe hört. Nur zwei Beispiele von vielen.

ÖFFEntlichE rügE Für Bild.dE

Schnell wollten Journalisten die Schuldigen ausma-chen: Den Oberbürgermeister, den Veranstalter, die Po-lizei vielleicht? Vorhersehbar sei alles gewesen und ein schwerer Fehler der Verantwortlichen, die Großveranstal-tung überhaupt zu genehmigen. So klar im Nachhinein alles erscheint, so wenig wurde doch zuvor gewarnt. Auch Redakteure hätten Mängel übersehen, schrieb der Medienjournalist Stefan Niggemeier in der FAZ.

Insgesamt 241 Beschwerden gingen beim Deut-schen Presserat ein. Eine öffentliche Rüge handelte sich

die Onlineausgabe der Bild-Zeitung ein. Sie zeigte ein ungepixeltes Foto eines Opfers und Details über dessen Todesumstände.

Einige Missbilligungen und Hinweise wurden au-ßerdem ausgesprochen. Verstöße stellte der Presserat gegen die Kodex-Ziffern acht und elf fest: Unangemes-sen sensationelle Darstellung und die Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Besonders bedenklich ist auch die Vermutung, dass Journalisten die Fotos von Opfern aus Facebook verwendet haben. Noch hat sich der Presse-rat damit nicht befasst. Laut Pressemitteilungen soll dies aber „zeitnah“ nachgeholt werden.

vorschnEllE BErichtErstattung

Wo endet journalistische Aufklärung, wo beginnt Sensationsgier? Über Berichterstattung und ihre Motive wurde selten so emotional diskutiert wie in den vergan-genen Wochen. Georg Altrogge, Chefredakteur des Bran-chendienstes Meedia, schwimmt in seinem Blog gegen den Strom: Die Medien hätten eben deutlich machen müssen, was in Duisburg passiert sei. Als negatives Ge-genbeispiel führt er das Bahnunglück von Eschede an, eine „sterile Katastrophe“. „Zugedeckt von der Öffent-lichkeitsabteilung der Deutschen Bahn“ sei das damals gewesen. Durch zu viel Restriktion sieht er den investi-gativen Handlungsspielraum der Journalisten in Gefahr – und der sei bei den Loveparade-Recherchen unabding-bar.

Fritz Pleitgen, Vorsitzender der Geschäftsführung von Ruhr.2010, war nicht zufrieden mit der Berichterstat-tung zur Loveparade. In einer solchen Situation sollten Journalisten „Leser, Hörer sowie Zuschauer mit seriösen Informationen versorgen, die die aufgewühlte Stimmung nicht noch weiter aufheizen.“ Aus seiner Sicht haben die Medien vorschnell berichtet. „Bei so einem komplexen

Ereignis gibt es nicht nur eine, sondern hundert Wahr-heiten“, sagt Pleitgen.

arBEit als thErapiE

Über die Reporter vor Ort wurde bereits viel gere-det. Nur selten wird gefragt, wie es ihnen selbst geht: Auch sie waren als Berichterstatter persönlich von dem Unglück betroffen und mussten schreckliche Dinge beo-bachten. Sven Gösmann, Chefredakteur der Rheinischen Post, erzählt von seinen eigenen Mitarbeitern. Die Duis-burger Lokalredakteure kannten viele Betroffene persön-lich. „Aber ein guter Journalist muss das trennen“, sagt Gösmann.

„Für die eine oder andere Darstellung ist dieser per-sönliche Bezug nicht einmal problematisch“, so der Chef-redakteur. Im Gegenteil, die Nähe zum Thema sporne ge-rade dazu an, intensiver bei der Aufklärung mitzuhelfen. Natürlich seien Reporter, die sich auf ein „friedliches, fröhliches Fest“ eingestellt hatten, schockiert gewesen. Psychologische Betreuung habe im Nachhinein aber nie-mand gebraucht. „Arbeit war da fast die beste Therapie“, so Gösmann.

QuEllE: lopavEnt gMBh

Judith Dauwalter, 19 Jahre, Würzburg

liest gerne den „Spiegel“, ansonsten quer Beet: „Nürn-berger Nachrichten“, „SZ“, „FAZ“. „Viel hilft viel!“

EinE skiZZE dEs vEranstaltErs soll vErdEutlichEn, WiE Es Zur katastrophE koMMEn konntE.

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der neWs-mann ohne ihn Wären tagesZeitungen leer. Wir hätten Weniger informationen üBer das, Was in der Welt gerade passiert - Wolfgang Büchner ist chef der grössten deutschen presseagentur, der dpa. Zusammen mit den Zahlreichen redakteuren sorgt Büchner dafür, dass verlage im minutentakt mit aktuellenneWs versorgt Werden. politikorange hat nachgefragt, Wie die arBeit in der neuen Berliner Zentralredaktion funktioniert.von Sophie hubbe und nilS glück

Guten Tag, Herr Büchner. Die dpa ist ein Abo-Dienst. Was machen Sie mit Zeitungen, die illegalerweise aus ihren Meldungen klauen? Müssen diese Verlage mit Kon-sequenzen rechnen?Wir sind ein Abo-Dienst, das ist richtig. Aber fast alle Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsender zählen zu un-seren Kunden. Wir versuchen ein Produkt zu schaffen, das so gut ist, dass auch die wenigen, die nicht unsere Kunden sind, sagen „mit dpa müssen wir unbedingt zu-sammen arbeiten“. Und wenn das so ist, dann müssen wir uns über einzelne Fälle, wo sich Leute im Internet bedienen, keine Gedanken machen.

Als die WAZ aus ihrem Abonnement ausgestiegen ist, gab es eine zweifelhafte Äußerung von Ulrich Reiz: „Die Nachrichten gibt es ja auch sonst im Internet.“ Das sind alte Geschichten. Ich würde mich freuen, wenn die Kollegen sehen, dass die dpa sich verändert hat und so ein gutes Angebot bietet, dass sie gerne wieder mit der dpa arbeiten würden. Was da früher mal war, auch an Missverständnissen, das ist Vergangenheit. Ich un-terstelle niemandem von der WAZ, dass er dpa-Material unberechtigt nutzt.

Spielen wir kurz ein Szenario durch: Aus technischen Gründen fällt der dpa-Dienst für einen Tag aus. Könnten die Zeitungen ohne dpa eigentlich richtig recherchieren und das Nachrichtenvolumen aufbauen?Ich glaube tatsächlich, dass man Agenturen braucht, um einen Überblick über das weltweite und auch deutsche Nachrichtengeschehen zu bekommen. Man braucht sie um einen Blick in der Breite zu haben, der dann eine sinnvolle Auswahl beim Blattmachen ermöglicht. Es geht natürlich auch ohne einzelne Agenturen, wie sie sehen. Aber unser Anspruch ist, so gut zu sein, dass keiner da-rauf verzichten möchte.

Sie sind mit ihrer neuen Zentralredaktion nach Berlin in die Axel-Springer-Passage umgezogen. Dürfte man Sie jetzt als einen „Untermieter von Axel Springer“ betiteln?Dürfte man nicht. Ganz einfach deswegen, weil wir kein Untermieter, sondern ein Mieter bei einer Tochtergesell-schaft von Axel-Springer sind. Aber für uns stand nicht die Frage des Vermieters im Vordergrund. Ich halte diese Verknüpfung ehrlich gesagt für wenig sinnvoll. Die dpa

ist eine unabhängige, selbstbewusste Nachrichtenagen-tur. Die neutrale Bewertung von Nachrichten ist nicht in Gefahr, weil sie in dem oder dem Gebäude sind.

Gibt es in der Mittagspause dann Gespräche mit Mitar-beitern der „WELT“ oder worüber wird in der Kantine geredet?Es ist nicht so, wie sie sich das vorstellen. Zunächst ein-mal ist es so, dass wir als Agentur ganz andere Rhyth-men haben. Es ist nicht so, dass es feste Mittagszeiten gibt. Außerdem sind unsere Räume voneinander ge-trennt. Ich sage immer aus Spaß, die Luftlinie zur „taz“ ist kürzer als die in die Chefredaktion der Bildzeitung. Und es ist auch nicht gefährlich, wenn man Redakteure von Springer-Blättern trifft. Daraus entsteht keine Nähe, die Einfluss auf die Berichterstattung hätte.

Der Bundespräsident hat in seiner Rede zur Eröffnung zur Zentralredaktion in Berlin gesagt, man bräuchte neue Formen der Qualitätssicherung, zum Beispiel die ISO-Norm. Wie sieht die dpa-ISO-Norm zur Qualitätssi-cherung aus?Tatsächlich brauchen wir, da hat der Bundespräsident Recht, sehr gute Regeln zur Qualitätssicherung in Redak-tionen. Darüber haben wir bei der dpa auch viel nach-gedacht. Im letzten Jahr gab es einige Versuche - leider auch erfolgreiche - der dpa Falschmeldungen unterzu-schieben. Wir haben daraufhin intensiv an unseren Re-geln gearbeitet. Wie können wir Falschmeldungen finden und aufdecken, wie und welche Meldungen müssen wir überprüfen, wie gehen wir mit Webseiten um, die wir nicht kennen, wie mit unbekannten Absendern? Trotz-dem glaube ich nicht, dass wir unbedingt eine DIN-Norm benötigen. Die dpa steht für Qualitätssicherung und das muss auch künftig unser Anspruch sein.

Führen Sie Statistiken darüber, wie oft Korrekturen he-rausgeschickt werden müssen?Ja, aber ich finde die Zahl der Korrekturen ist kein Aus-weis von mangelnder Qualität, sondern ein Ausweis von Professionalität. Wenn man einen Fehler entdeckt, dann muss man ihn korrigieren und zwar schnell. Wir müssen natürlich versuchen, die Zahl von Fehlern sehr gering zu halten. Aber es geht nicht darum, die Zahl der Korrek-turen zu senken, sondern darum, Fehler zu vermeiden.

Sie haben jetzt ein neues Feedback-Portal eingerichtet, ein Online-Portal für die Redakteure. Wie ist da der Zu-lauf, funktioniert diese Social-Media-Kommunikation mit den Redaktionen? Ja, es funktioniert immer besser. Es ist natürlich neu und deshalb muss es in den Redaktionen erst einmal ankom-men und angenommen werden. Es gibt Redaktionen, die sind völlig begeistert davon. Andere nutzen es mehr, um sich einen Überblick zu schaffen. Andere finden es inte-ressant, die Fragen und Antworten von anderen Kunden mit zu verfolgen. Das ist der Vorteil einer öffentlichen Diskussion, es ist ein bisschen wie bei eBay. Wenn je-mand fragt, ob ein anderer am gleichen Tag noch liefert, dann ist die Antwort für alle sichtbar.

Zum Schluss noch eine Frage zur Umstrukturierung und Zentralisierung nach Berlin. Hätte man in Zeiten des In-ternets und sehr schneller Leitungen nicht auch sagen können, wir belassen die Abteilungen dort, wo sie sind, und kommunizieren via Web?Nein, hätte man nicht. Je schneller und vielfältiger die digitalen Informationsströmungen werden, desto wich-tiger wird zugleich der persönliche Kontakt: Einfach mal zu einem anderen Tisch gehen. Das ist tatsächlich noch einmal schneller und direkter als jede Videokonferenz und E-Mail, die sie hin und her schicken. Im Newsroom sitzt der Nachrichtenchef in einem Raum mit dem Chef der Infografik. Beide drehen sich auf ihren Drehstühlen um, reichen sich die Grafik, gucken darauf und fragen: „Geht das so oder nicht?“. Und dann ist das abgespro-chen – fertig. Das ist durch kein elektronisches Mittel zu schlagen. Wenn sie schnell, kreativ und präzise arbeiten wollen, ist nichts besser als persönlich miteinander zu-sammen zu arbeiten.

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7 // Foto: EvgEny Makarov

WolFgang BüchnEr sitZt BEi QualitätssichErung nicht allEinE da.

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netZ-geBluBBer: Wird alles anders? Wissen sie, Welchen Wandel die medien gerade durchmachen? glauBen sie, dass print eine Zukunft hat? haBen sie eventuell ahnung, aBer Wahrscheinlich nur hoffnung? oder sind sie sogar in der lage, ein iphone Zu halten? dann sind sie medienexperte. eine Zitatsammlung, inspiriert durch den Branchendienst turi2. von nilS glück

„Manchmal glaube ich, wir werden das letzte Magazin auf der Welt sein,das gedruckt erscheint.“ toM standagE, digital Editor dEs „EconoMist“

„Wir wollen in den Social Media empfohlen werden. Und das kriegt man nur mit Qualität hin.“ Jan-Eric pEtErs, „WElt“-chEFrEdaktEur

„Apps sind die neuen Verbündeten der Verlage. Smartphones und Tablets sind die Zeitungen der Zukunft.“ springEr-chEF Mathias dÖpFnEr

„Allein der Glaube, etwas hätte im Internet eine Rolle gespielt, löst durch die Beachtung in traditionellen Medien eine Lupenverstärkung aus, die zu wirklicher Relevanz führt.“ sascha loBo, BloggEr

„Wir sind keine Papierhändler, wir handeln mit Informationen und Orientierungswissen.“ WErnEr d‘inka, „FaZ“-hErausgEBEr

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Zu viele nachrichten apps - jeder Will sie, aBer nicht jeder hat sie. erfahrt jetZt, Was sie können, Was sie kosten und Was man sonst noch alles damit erleBen kann. von Max patzig

Der Begriff „Apps“ kommt von Applications – klei-ne Programme, die man sich auf sein Smartphone her-runterladen kann. Apps erfreuen sich seit einiger Zeit besonders großer Beliebtheit, denn sie sind nicht nur auf dem iPhone nutzbar. Samsung, Nokia, Microsoft und an-dere ziehen nach.

das nEuE EntErtainMEnt-WundEr

Man kann sich Taxis rufen lassen, Essen bestellen, gucken, wann die Bahn fährt, Musik hören, schreiben, malen. Die Tendenz: steigend. Viele Apps sind kosten-los. Andere schlagen mit über 700 Euro zu Buche. Eine solche ist „I Am Rich“ von Armin Heinrich. Einen Tag lang war sie im App-Store von Apple käuflich. Wer 799 Euro bezahlte, bekam einen roten Rubin – acht iPhone-Nutzer taten dies. Dabei bestand der Sinn des Programms lediglich darin, einen virtuellen Rubin auf dem Display angezeigt zu bekommen. Abzüglich der Apple-Gebühren blieben 4.475 Euro.

Wer dauerhaft mit Apps Geld verdienen will, spe-zialisiert sich und kann hohe Preise für die kleinen Pro-gramme verlangen. Oder er setzt auf Massenunterhal-tung und verramscht seine Ware. So wie die Entwickler des Spiele-Herstellers iShoot, die schon mal an einem Tag 35.000 Dollar, rund 26.700 Euro, umsetzen. Dafür ver-kauften sie bis zu 17.000 Mal ihre virtuellen Ballerspiele.

Auch für die großen Brüder der Smartphones, die Tablett-Rechner, gibt es schon Apps. iPad-User etwa su-chen sich ihre Lieblings-Software aus einem Angebot von über 20.000 Apps aus.

diE ErnüchtErung dEr vErlagE

Doch was können die alten Verlage von dem App-Hype abschöpfen? Geld verdienen mit Nachrichten und das auch noch online – klingt wie ein Märchen. „Apps können anders sein“, sagt Mercedes Bunz vom Londoner

„Guardian“. Verlage müssten bereit sein, außer Nachrich-ten auch unterhaltende oder praktische Elemente anzu-bieten – was spricht etwa gegen ein kleines Rätsel neben dem Leitartikel? Was gegen ein Spielchen zwischen zwei Meldungen?

„Apps werden keine Abonnements ersetzen“, bremst Bunz die Euphorie. Sie sieht noch keine durch-schlagende Kreativität am deutschen Markt für Nachrich-ten-Apps. „Die Zeitungsverlage sind noch ganz am An-fang und werden sich viel überlegen müssen“, so Bunz.

Nicht nur viel, sondern auch schnell sollten die Verlage planen, denn die Konkurrenz von Funk und Fernsehen schläft nicht. Der Nachrichtensender „N-TV“ hat bereits eine kostenlose App veröffentlicht. Und die kann mehr als nur Nachrichten. Nutzer können sich Bil-der und Videos, Börsenkurse und Wetterdaten ansehen. Die Ressorts Sport, Politik, Wirtschaft, Panorama, Leute, Auto und Technik sind auch enthalten.

Gegen diese privatwirtschaftliche Konkurrenz hilft auch kein Sticheln gegen die öffentlich-rechtlichen Sen-der, die ebenfalls mit Apps gestartet sind. Der Heraus-geber der „FAZ“, Frank Schirrmacher, klagt, „die ‚ARD‘ wird wie eine Zeitung“. Damit trifft er das Kernproblem: Nachrichten bieten Viele, einen guten Grund zum Geld-ausgeben allerdings nur die Wenigsten.

diE ZEitungEn – diE apps

Die „Süddeutsche“ gibt es gratis mit den aktuellen Nachrichtenmeldungen. Für den gesamten Zeitungsin-halt muss der Nutzer 1,59 Euro je Ausgabe bezahlen.

Wen Nachrichten aus Wirtschaft, Finanzen, Politik und Technologie interessieren, der sollte die kostenlose „Handelsblatt“-App besitzen.

Im „Spiegel“-Abo hat man jedes Heft für 3,99 Euro. Es gibt den gesamten „Spiegel“ bereits samstags um

22 Uhr. In der Gratisversion gibt es nur Nachrichten – und auch erst ab Montag. Wer sie abonniert hat, be-kommt die App gratis dazu.

Von der kostenlosen „Financial Times“-App erfährt man die aktuellen Kursinformationen für Aktien, Devi-sen und Rohstoffe. Es gibt eine Beobachtungsliste und interaktive Tests. Geeignet für Kleinanleger, für Profis eher nicht.

Die „Zeit“ gibt es nur für Abonnenten gratis. Vor-teil: Man erhält die ganze Ausgabe viermal, bereits einen Tag vor Erscheinungstermin, danach muss man warten, bis sie auch am Kiosk liegt.

Beim „Stern“ gibt es den Tag im Überblick, man kann die Schriftgrößen ändern und aktuelle Nachrichten kostenlos lesen.

Die „Bild“ gibt es für 79 Cent in der Einzelausgabe oder mit verschiedenen Abo-Modellen, die verhältnismä-ßig günstig sind. Man erhält die Ausgabe am Tag davor um 22 Uhr. Sport, Videos und Nachrichten gehören zum Inhalt. Leidenschaftliche Leser-Reporter interessiert viel-leicht, dass der Fotoupload mit der App einfacher geht.

In diesem Sinne, auf zum nächsten App-Shop.

Foto: Marc sEElE

Max Patzig, 17 Jahre, Dresden

liest den „Chip“ in Schul-pausen und wenn in der Redaktion nichts los ist.

apps Wohin das augE rEicht, aBEr WElchE applikation hilFt dEn vErlagEn?

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fruchtfleisch „gEBEn siE Mir EinE ZEitung und ich...“

BEttina nEisEs

Journalistin dEr FachZEitschriFt

„horiZont“

„...würde Sofort zuM

Sportteil blättern.“

„Sportlich“

sÖnkE JEssEn

auFlagEnoptiMiErEr dEr

tBM MarkEting gMBh

„...gehe inS internet und leSe online.“

„digital“

WolFgang k. lEMBach

lEitEr dEs rEFErats Für MEdiEnpolitik in

dEr MainZEr staatskanZlEi

„...bin MindeStenS eine halbe

Stunde Sehr fröhlich.“

„glücklich“

die papierrolle internet ist die neue Zeitung, frohlocken die digitalen denker, Beleuchtet von einem Bildschirm. daBei Werden das WeB und sein ZuBehör das nachrichtenpapier in manchen situationen nie ersetZen. eine kleine anachronistische argumentation. von andi weiland

„Wir drucken das Internet aus“, prangte auf dem Titel der „Welt Kompakt“ vom 1. Juli. Tolles Ding, dachte sich wohl der Springer-Verlag, wenn man einfach mal Blog-ger die Zeitung machen lässt. Die aus dem Internet sollten mal ran und somit auch beweisen, dass die Zeitung noch wichtig ist. Natürlich ist die Zeitung wichtig, da waren sich auch so gut wie alle auf dem BDZV-Kongress einig. Aber muss man deswegen das „Internet ausdrucken“, um „Content“ zu haben?

Ja, denn ohne bedrucktes Papier würde unsere Welt zusammenbrechen, kom-plette Märkte würde es nicht mehr geben. Hausmänner und Hausfrauen würden ver-zweifeln, wenn es keine Zeitung mehr gäbe.

Es fängt schon an bei einem Umzug, wenn die Zeitung zur Porzellanpolsterung wird und später zum Spritzschutz beim Renovieren. Wenn es keine Zeitung mehr gäbe, wie sollten dann Kinder ihr Taschengeld aufbessern – wenn sie keine gerollten Nach-richtenträger in den Vorgarten werfen? Viele Grillfeste im Sommer würden ausfallen, weil keine Anzünder mehr da wären. Geburtstagsfeiern wären um ein Event ärmer, wenn kein Zeitungstanz mehr zwischen Blinde Kuh und Topfschlagen die Zeit ver-treibt. Worüber soll man sich in der Bahn noch aufregen, wenn der Sitznachbar nicht mehr beim Umblättern knistert?

Kurzum - ohne Zeitungen wäre unsere Welt um ein sehr nützliches Produkt ärmer. Es wäre nur eine Frage der Zeit, wann dieses Internet noch das Rad abschaffen will. Nein, so weit darf es nicht kommen und in aller Verzweiflung sollten auch Sponti-Sprüche neu gedichtet werden:

„Erst wenn es keine Zeitung mehr gibt, werdet ihr merken, dass man Fisch in kein iPad einrollen kann.“

Foto: EvgEny Makarov

papiErBÖtchEn gaB Es schon als das intErnEt noch das FunkEln in dEn augEn ZWEiEr prograMMiErEr War.

Andi Weiland, 25 Jahre, Münster

liest keine Nachrichten, die länger als 140 Zeichen sind.

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kleine räder, grosse Wirkung Wie funktioniert Zeitgemässe Berichterstattung? ZWei journalisten üBer gute recherche und die rolle von Blogs in der deutschen medienlandschaft. von Marc becker

David Schraven arbeitet investigativ. Seit er sich mit 17 Jahren entschied Jour-nalist zu werden, hat er beschlossen das „zu drucken, was ein anderer lieber nicht gedruckt sehen will“. Mit intensiver Recherche möchte der 39-Jährige Missstände auf-decken. Entsprechend hart müssen seine Geschichten sein.

Sein Weg führte über „taz“ und „WELT“ zur „WAZ“, wo Schraven heute das Recherche-Ressort leitet. Er unterstützt Kollegen bei der Recherche, seine Arbeit der investigativen Berichterstattung führt er dabei dennoch weiter.

Bei der „WAZ“ sieht Schraven „gute Möglichkeiten“, kritisch zu berichten. Das sei vom Leser und von der Redaktion so gewünscht: „Wir müssen schreiben, was Sache ist, nicht was wir gerne hätten.“ Trotzdem hätten viele Journalisten immer noch Angst vor dem Anecken. Sie wollen sich nicht angreifbar machen. So entstünden in vielen Tageszeitungen unkritische Berichte über Politiker.

Bis zu seinem Wechsel zur „WAZ“ sorgte Schraven als Blogger bei den „Ruhrba-ronen“ für Furore. Weil er mehr und detaillierter über das Ruhrgebiet berichten wollte, gründete er im Dezember 2007 mit weiteren Journalisten das Blog. „Wir wollten die Debatten weitertreiben“, sagt Schraven. „Wenn ich in der ,WELT‘ 200 Zeilen über ein Thema geschrieben hatte, konnte ich im Blog 500 Zeilen schreiben.“

Und diese Zeilen hatten es oft in sich: Berichtet hat Schraven für die „Ruhrba-rone“ unter anderem über einen Giftmüllskandal und dubiose Hinterzimmerpolitik auf kommunaler und Landesebene.

Alfons Pieper, 69, hat den umgekehrten Weg gewählt. Er ist seit 35 Jahren Jour-nalist und war von 1994 bis 2006 stellvertretender Chefredakteur der „WAZ“. Jetzt, im Ruhestand, betreibt er das politische Blog „Wir in NRW“.

Im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen ärgerte sich Pieper über eine „zunehmend gefällige und einseitige Berichterstattung“. „Da wurden täglich Blumensträuße an Rüttgers geschickt.“ Pieper sieht die Zeitungen in Abhängigkeiten von Parteien, Wirtschaftsverbänden und Anzeigenkunden. Die Medienkrise und der Aufl agenrückgang führten zu zahlreichen Stellenstreichungen. „Da entsteht ein gro-ßer Druck“, sagt Pieper: Für die Redakteure sei unkritische Berichterstattung einfach sicherer.

Zusammen mit anderen erfahrenen Journalisten gründete er sein Blog, um „die Dinge wieder auf die Füße zu stellen“. Die, die oben stehen, sollten kritisiert werden,

so habe er es als junger Journalist gelernt. Er und eine Handvoll Kollegen, die ehren-amtlich und unter Pseudonymen schreiben, nutzen ihre weit verzweigten Netzwerke, um an Informationen zu kommen.

So veröffentlichte das Blog brisante Dokumente, die Pieper von einem Infor-manten aus der CDU-Parteizentrale zugespielt wurden. Die „Miet-mich-Rüttgers“-Affä-re kam dadurch ins Rollen: Zahlungskräftige Firmen konnten den Landesfürsten gegen ein bisschen Kleingeld an ihre Messestände locken. In zwei Fällen seien dem Blog Dokumente angeboten worden, die von großen Zeitungen abgelehnt wurden - nach der Veröffentlichung im Blog mussten die Zeitungen nachziehen.

Blogs könnten so ein neues Kontrollsystem für andere Medien werden: Über das Internet können sich die Leser informieren, wie ausgewogen in der Zeitung berichtet wird. Die Leser wollen sehr wohl kritische Berichterstattung, es gehe daher um die Glaubwürdigkeit der Zeitungen, sagen die beiden Journalisten.

Gleichwohl ist der Einfluss von Blogs auf die Meinungsbildung begrenzt. Nach eigenen Angaben wird „Wir in NRW“ im Monat etwa 250.000 Mal geklickt. Blogs seien eine Ergänzung der klassischen Medien, meint Pieper, „nicht mehr und nicht weniger“.

Auch Schraven sieht den Einfluss von Blogs begrenzt, da kein Massenmarkt be-dient werden könne. Sie könnten aber zielgenauer informieren und „kleine Räder sein, die große Räder bewegen“. Letztlich hängen sie damit aber von den Zeitungen ab.

Eine Gefahr für die Verlage sind Blogs daher keineswegs. Vielmehr beobachtet Schraven sogar, dass die Blog-Welt langsam zusammenbreche. Die Zahl der Verlin-kungen sei rückläufig. Woran das liegt? „Viele Blogs haben schlichtweg nicht viel zu sagen“, meint der ehemalige Blogger. Es handele sich oft nur um Meinungsmache. Eine Meinungsbildung, die schnell zu publizieren, aber oftmals wenig hintergründig ist.

Foto: Max patZig

Marc Becker, 19 Jahre, Kassel

macht bald Abitur und liest „Zeit“ – weil ihm die Zeit für Tageszeitungen fehlt.

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WElchEr ZEitungstyp Bist du?!

A. Der Nostalgiker: Neues Deutschland Du wohnst im Osten, rot, rot, rot ist alles, was Dir lieb ist. Auch wenn Du das Neue Deutschland liest, fandest Du das alte System bei Dir und Deinen Genossen nicht schlecht.

B. Der Freidenker: Junge Freiheit Du gibst Dich nicht zufrieden mit der Meinung einer breiten Masse, willst Dir Dein eigenes Bild vom Geschehen machen. Anstatt von objektiven Zusammenfassungen, beißt Du dich lieber durch Interviews und Live-Berichte am rechten Rand.

C. Der Informierte: FAZ Fakten, Fakten, Fakten, aber bitte im Detail. Du vermeidest Wissenslücken, denn Du willst am aktuellen Zeitgeschehen teilhaben und bei den Themen des Tages mitsprechen können.

C: Als erstes wird bei mir die Kritik der Opern-

aufführung vom Vorabend aufgeschlagen.

D: Marktberichte, Anlagestrategien –

die Börse steht schon an erster Stelle.

F: Themen? Große Bilder, das zählt.

Welchen teil ihrer tageszeitung liest du zuerst?

F: Ich habe keine politische Meinung!

A: Unter der Dusche singe ich am liebsten

„Die Internationale“.

B: Freiheitlich-national

auf der politischen skala, wo stehst du?

C/D: Für eine gute Tageszeitung bezahle ich gerne

2 Euro.

F: Viele Bilder, dafür bezahle ich gerne ein

paar Pfennig.

E: Der aktuelle Dollarkurs ermöglicht es gerade

so, ein paar Groschen mehr zu zahlen.

schau doch mal in dein portemonnaie, wie viel geld gibst du für deine tageszeitung aus?

F: Besonders ihre Kolumnen.

D: Eine streitbare Provokateurin...

B: Bin immer für eine Revolution zu haben!

magst du alice schwarzer?

C/D: Ehrlich gesagt ist mir egal, ob Bilder farbig

gedruckt sind oder nicht. Hauptsache die Texte

stimmen.

F: Bunt, groß und plakativ muss es sein.

B: Schwarz-weiß: wenn ich bunte Farben will,

schlag ich ein Bilderbuch auf.

magst du es bunt?

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?

D. Der Allrounder: Süddeutsche Du bist der aufgeklärte Bayer. Dabei bist Du natürlich immer objektiv und sachlich, nicht zu emotional und gerne intellektuell. Eigentlich magst Du alles so ein bisschen, viel Kultur, eine große Portion Politik und ordentlich Wirtschaft. Du hast jeden Tag Zeit und Geld für „Qualität“.

E. Der Banker: Handelsblatt Dein Sessel steht in der Chefetage. Geld beherrscht Deine Welt. Du lebst inmitten einer schnelllebigen Wirtschaftswelt - Zahlen, Daten, Fakten: Was auf den Märkten passiert, steht für Dich an erster Stelle.

F. Der Sensationslustige: BILD Du wohnst überall und weißt bescheid über die spannendsten Neuigkeiten rund um den Erdball. Schön bunt und aufregend muss es sein. Bilder und kurze Schlagzeilen ersetzen für Dich lange Texte - zumindest gibst Du Dich mit den Informationen auf einen Blick zufrieden.

C/D: ... ist mir sehr wichtig, daher bin ich für

objektive Berichterstattung.

A: ... gut, aber bitte dann auch nur meine.

E: … gut und schön, zählen dazu auch Produktbe-

wertungen?

meinungsbildung …

F: … das Wichtige wissen, aber schnell!

C: … alles wissen und habe Zeit.

A: … bloß keine „Systempresse“!

ich will …

D: Aktuell und von jedem Thema etwas dabei – das ist

genau das, was ich von einer Tageszeitung erwarte.

E: Was interessiert mich Sport oder Kultur – Ich will

Fakten – gebündelt und kompakt.

Qualität oder Quantität?

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Judith Dauwalter, 19 Jahre, Würzburg

liest gerne den „Spiegel“, ansonsten quer Beet: „Nürn-berger Nachrichten“, „SZ“, „FAZ“. „Viel hilft viel!“

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regeln für mehr respekt Wenn es um amokläufe geht, BeWegen sich die medien oft auf dünnem eis. Was darf Berichtet Werden, Wer geZeigt und Wer genannt? um etWas mehr klarheit Zu schaffen, hat der presserat am 6. septemBer einen leitfaden Zur Berichterstattung üBer amokläufe herausgegeBen. von Judith dauwalter

Erst vor ein paar Tagen ging durch die Presse wie-der eine erschütternde Tat: Eine Frau tötete erst ihren Mann und ihren Sohn, verletzte anschließend auf dem Weg in eine Klinik Passanten und tötete dort einen Pfle-ger. Sie selbst starb im Feuergefecht und schoss zuvor noch einen Polizisten an.

Wie sind die Medien nun angesichts der neuen Empfehlungen mit dem Ereignis umgegangen?

Bild dEs sohnEs anonyMisiErt

In der „Welt“ vom 21. September wird der Artikel über den Amoklauf mit einem großen Bild der Amok-läuferin, die auf dem Arm ihren Sohn trägt, illustriert. Sie ist ungepixelt zu sehen – der Junge dagegen ist nicht mehr erkennbar. Eine vertretbare Darstellung, liest man

die neuen Empfehlungen: „Besondere Begleitumstände“, wenn sich wie hier beispielsweise „die Tat vor den Augen der Öffentlichkeit abgespielt“, rechtfertigen demnach die Veröffentlichung. Das stufe „den Täter als relative Person der Zeitgeschichte“ ein.

Das Gesicht ihres Sohnes dagegen ist für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht von Be-deutung. Auch das Foto eines Verletzten ist mit dessen vollen Namen abgedruckt worden. Dies ist allerdings offensichtlich mit dem Einverständnis des Mannes ge-schehen – Zitate lassen erkennen, dass mit ihm persön-lich gesprochen wurde.

Ein Pastor, der von der Frau angeschossen wurde, ist ebenfalls mit vollem Namen genannt; hier ist nicht fraglich, ob dies mit ihm abgesprochen war. Fragwürdig

sind auch nähere Angaben zur Täterin wie ihr Alter, Beruf und Charakter, den Leute aus dem Umfeld beschreiben. Da sie durch ihre Tat zu einer Person des öffentlichen In-teresses wurde, könnte man aber auch dies rechtfertigen.

dEtailliErtE inForMationEn üBEr haus und hoBBys

Die „Bild“ vom gleichen Tag zeigt das Foto der Frau und ihres Sohnes auf der Titelseite. Der Junge ist hier un-gepixelt zu sehen, die Amokläuferin, sowie ihr Mann und das Kind sind mit vollständigem Vor- und abgekürztem Nachnamen genannt. Mögliche Motive für die Tat aus dem privaten Umfeld werden angeführt und „Bild“ stellt einen Bezug zum Krankenhaus her.

Detaillierte Informationen gibt die Zeitung auch über Haus und Garten des Ehepaars, sowie über deren Hobbys. Ziffer 8.2 des Pressekodex sagt hierzu: „Der private Wohnsitz genießt besonderen Schutz.“ Für das öffentliche Interesse sind Wohnort und Urlaubsvorlieben der Täterin und ihrer Familie demnach irrelevant.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet ebenfalls über das Geschehen. Der Ablauf der Tat, mögliche Motive, Einschätzungen von Bekannten und Meinungen über das Waffenrecht bleiben im Rahmen der neuen Leitlinien.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom selben Tag widmet der Tat eine dreiviertel Seite. Auch sie nennt den Beruf und das Alter der Amokläuferin, sowie das Alter ihres Mannes und des Sohnes. Vermutliche Motive sowie Beschreibungen von Nachbarn werden ebenfalls aufgenommen. Die Zeitung hält sich somit weitgehend an die Empfehlungen des Presserats.

aBWägung von intErEssEn

Zu den Empfehlungen in den neuen Leitlinien sind konkrete Beispiele der Berichterstattung über vergangene Amokläufe dokumentiert. Reporter sollen eine Orientie-rung darüber bekommen, was in Ordnung ist und welche Informationen sehr sensibel beurteilt werden müssen. Die wichtigste Entscheidung muss der Journalist aber immer wieder selbst treffen: Was dient dem öffentlichen Interesse, was verletzt die Privatsphäre von Opfern und möglichen Hinterbliebenen?

gEradE BEi aMokläuFEn solltEn JournalistEn diE privatsphärE von opFErn und angEhÖrigEn achtEn

QuEllE: „liv stEphan“ / WWW.JugEndFotos.dE

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15 //

Leserforschung ist teuer und aufwändig, doch sie verspricht eine Antwort auf diese Fragen. Die „Main-Post aus Würzburg war 2004 die erste deutsche Zeitung, die mit der ReaderScan-Methode versuchte das Leseverhalten ihrer Kunden zu erforschen. Chefredakteur Michael Reinhard erklärt: „ Die Leser bekommen einen Stift, den kann man sich wie einen Textmarker vorstellen. Mit diesem markieren sie, welche Zeilen das Artikels sie gelesen haben. Anschließend kommt der elektrische Stift in eine Station, die das Ergebnis auswertet.“

Die „Main-Post“ hatte Erfolg mit dieser Methode. Die Zeitung passt sich den For-schungsergebnissen an, und das müsste sie auch, meint Reinhard. Er ist der Meinung, dass es möglich ist, sowohl auf die Interessen der Leser einzugehen, als auch eine hohe Qualität beizubehalten. Kritiker sehen das nicht so, „Qualität vor Quote“ lautet ihre Devise.

Befürworter wollen es den Lesern einfach „passender“ machen. Dass Vorder- und Rückseite der Zeitung gleich wichtig sind, haben sie gelernt. Wer bislang dachte, durch ausgefallene Überschriften die Leser anzulocken, hat sich geirrt: Bevorzugt werden klare, informative Überschriften. Verwirrende Formulierungen führen dazu, dass Texte ungelesen bleiben.

JugEnd Will’s WissEn

Das Verhalten der jungen Leser ist erstaunlich: Spezielle Jugendseiten werden eher abgelehnt. Neben dem „Vermischten“ genießt Politisches großes Interesse. Au-ßerdem wollen die Leser statt „purer Sachlichkeit“ einen Wegweiser. Wenn sie einen Sachverhalt gelesen haben, wollen sie wissen, was dieser bedeutet und was für Aus-wirkungen sich daraus ergeben.

ZEitung: glEichnis Für das lEBEn

„Die Zeitung hilft uns mit unserem eigenen Leben klar zu kommen“. Dieser An-sicht ist Stephan Grünewald, Diplom-Psychologe und einer der beiden Gründer des renommierten Rheingold-Instituts für qualitative Markt- und Medienforschung. „Zei-tungslesen dient der Bewältigung persönlicher Probleme“, sagt Grünewald und meint das ernst. „Wir picken uns die Artikel heraus, die in unserem derzeitigen Leben eine Rolle spielen. Nach einer Trennung beispielsweise lesen wir die Klatschspalte über Trennungen von Promis, Artikel über eine Firma die in die Brüche geht“. Was der Leser kennt, was ihn betrifft, das interessiert ihn auch - er liest es.

Die Sportseite mit ihrer Thematik von Aufstieg und Niedergang spricht Menschen in vielen Situationen an. Auch für die Beliebtheit von Boulevardzeitungen hat Grüne-wald eine Erklärung: „Wir alle spielen mit dem Traum der Verwandlung.“ Viele Men-schen würden sich gerne ändern können und auch einmal reich und schön sein. Das Leben der Promis bewundern sie.

Diese Erkenntnisse lässt sich das Institut so einiges an Aufwand kosten: Hier setzt man nicht auf oberflächliche Massenbefragungen, sondern geht ins Detail und befragt dafür weniger Leser. Qualitative statt quantitative Umfragen also – das geht so weit, dass die Probanden auf die Couch gebeten werden zur tiefenpsychologischen Analyse. 5000 bis 6000 Personen ergeht es bei Rheingold jedes Jahr so: Ganz freiwillig werden sie zu ihrem Alltag, den Wünschen und Ängsten befragt. Mit reiner Statistik und Zah-lenreihen kommt man da nicht sehr weit. Das Institut will „schauen, was hinter der vordergründigen Fassade eine Rolle spielt“, wie Grünewald sagt. Durch Ängste und Befindlichkeiten der Probanden versuchen die Psychologen deren Lebensgefühl und Lebensstrategien zu verstehen.

gEnEration BiEdErMEiEr

Im Ergebnis sieht das so aus: Einige Tage vor der Shell-Studie 2010 veröffentlichte auch das Rheingold Institut eine Studie zur heutigen Jugend. „Generation Biedermeier“ nannten sie die Zeitungen wenig später. Während die Shell-Studie von einer optimisti-schen Generation spricht, nennt Grünewald sie „zweckoptimistisch“.

Stephan Grünewald hat intensiv geforscht. Die Generation der Eltern litt demnach

an Strenge und Regeln. Sie kämpfte für Freiheit. Jetzt ist es genau gegenteilig: „Alles ist brüchig, alles ist zerrissen. Wir wissen nicht mehr, was uns trägt und hält. Familien brechen auseinander, der Staat fällt von einem Krisenloch ins andere“, sagt Grünewald. Es entwickle sich eine Wut auf diese „Zerrissenheit“, und die brüchigen Verhältnisse. Der Grund dafür, dass die Wut nicht zu Rebellion sondern zu strikter Vernunft und Fleiß führt ist, „die große Angst vor Misserfolgen. Die Jugend fürchtet sich vor Arbeits-losigkeit und sozialem Abstieg“.

FluchtWEgE

Zwei Wege hat die junge Generation gefunden um mit dem Gefühl der „Zerrissen-heit“ umzugehen. Den einen nennt der Psychologe eine „Versüßlichung“. Die jungen Menschen seien eine Generation der „Mütter und Medien“. MP3-Player ermöglichten ihnen eine „Dauerumsäuselung“, und die Liebe der Mutter ist ohnehin bedingungslos. In der heilen Welt kurzer Filme kann man sich bequem einlullen. Der andere Weg ist der des „Strebertums“. Jugendliche häufen Fremdsprachenkenntnisse und Praktika an. Ihre Angst zu versagen treibt sie zu Disziplin, Vernunft und ständiger Kontrolle.

Beide Wege sind eine Flucht ins Innere.

generation mütter und medien denn sie Wissen nicht, für Wen sie schreiBen: Was nütZt der aufWand von der geschichte Bis Zur fertigen Zeitung, Wenn sie niemand liest? Wie Wirkt Was auf Wen? Wie schreiBt man ansprechend? und Was Wollen die leser eigentlich? von anne kratzer

Foto: Max patZig

Anne Kratzer, 19 Jahre, Regensburg

studiert zur Zeit Psychologie. Sie verreist stets mit Fahrrad, Zug und Zeitung.

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ein tag Wird auf papier geBracht stühlerücken, kaffeegeschirr klimpert, die karten der letZten skatrunde Werden Zusammengekehrt. Während sich die journalisten der tagesZeitungen in ihren feieraBend BegeBen, Beginnt in der essener druckerei die arBeit. dann gehen die männer in den Blauen anZügen Zurück an ihre leitstände. von anni bluMenStock

Wir befinden uns im „Paparazzi“, der Cafeteria der Druckerei Essen-Kettwig, die zum Springer-Verlag gehört. Hier werden heute schon die Nachrichten von morgen gedruckt, sie laufen auf endlos wirkenden Pa-pierbahnen durch riesige Hallen, digitale Produktionszel-len, um am nächsten Tag von den Bewohner des west-deutschen Raumes gelesen zu werden.

Noch steht der Nachricht ein langer Weg bevor. Zeitungsfetzen auf den Gängen führen zum Startpunkt der Maschinerie. Auf den Geländern hat sich eine feine Staubschicht mit etwas Druckerschwärze angesetzt. Wir nähern uns dem Papierlager.

Stapelweise Rollen unberührten Papiers türmen sich in der Lagerhalle auf. Hier ist alles still, die Rollen warten auf den Gabelstapler. Die Ruhe vor dem Sturm. Dem Blättersturm. Denn mit einer neuen Ladung Papier kommt Bewegung ins Spiel. Langsam öffnet sich das Tor, um weiteren Rollen Einlass zu gewähren. Ein Lkw hat sie an ihren Bestimmungsort gebracht. Quietschend setzt sich ein Fließband in Bewegung und trägt die Ladung hinfort.

Wir wollen schneller sein und eilen ihm voraus. Auf ewig breite und noch viel längere Wege begeben wir uns, vorbei an gewaltigen Maschinen, zum Herz der Dru-ckerei. Hinter einer gläsernen Lärmschutzwand kontrol-lieren die Arbeiter den Ablauf. Von draußen dröhnen die Maschinen, nun aber gedämpfter. Hier werden die hoch-komplexen maschinellen Drucker von ihren menschli-chen Kollegen zum Leben erweckt.

FErtig gEsEtZt ErrEichEn diE nachrichtEn von MorgEn

diE rEchnEr in dEr „ZEntralE“

„Da ist die Seite zwei. Jetzt kann‘s losgehen“, sagt ein Mitarbeiter in Latzhose und begibt sich an eine ver-gleichsweise kleine Maschine, die in gleichmäßigem Takt Metallplatten mit Bild und Text ausspuckt. Wortlos. Nur ab und an werfen sich die Arbeiter Zahlen, Aufforde-

rungen und immer mal wieder auch Sprüche entgegen. Mehr ist nicht nötig an einem Arbeitsplatz, an dem jeder seinen eigenen Plan hat und seine Aufgaben seit Jahren kennt. „War‘s das?“ - „Das war‘s“, nickt man uns entge-gen, während auch „draußen“ die Arbeit beginnt.

Und die ist ganz und gar nicht schweigsam. In den Werkstätten herrscht Hochbetrieb. Wie in einem Pup-penhaus, in dem in verschiedenen Räumen auf mehreren Etagen jeder seine Arbeit verrichtet, wuseln die Arbeiter, setzen Druckplatten ein. Ist die Platte eingesetzt, drü-cken sie auf einen roten Knopf, und schon verschlingt die Maschine die Vorlage. Nach wenigen Minuten sind alle Platten in Position.

Jetzt sind die Maschinen am Zug. Langsam läuft die große Rotationsmaschine an, sie ist bestückt mit den eingesetzten Informationen. Kilometerweise zieht sie das weiße Papier ein. Rolle um Rolle, Seite für Seite. Nun sind schon Farben zu erkennen, auf Seite zwei prangt Frau Merkel in violettem Jackett. Voller und bunter werden die Seiten. Die Maschine macht Tempo: Immer schneller und lauter frisst sie das Papier.

Ob die vielen Signale aus allen Ecken überhaupt als solche von den Arbeitern wahrgenommen werden? Der monotone Lärm der Maschinen füllt den Raum. Aus Papier wird ein Informationsträger.

Aus einem Maschinenzwischenraum kommt ein Drucker hervorgestürzt. „Das war der Börsenschluss“, erklärt er. Damit ist die Zeitung jetzt komplett. Die fertig gefalteten Zeitungen werden von der Maschine in Win-deseile ausgespuckt. Arbeiter kommen, nehmen sich scheinbar wahllos je ein Probeexemplar aus der Reihe, blättern und prüfen, gehen ihrer Wege. Nun wird opti-miert, kontrolliert, retuschiert. Natürlich digital und fern-gesteuert, über die Rechner in der „Zentrale“. Alles in Ordnung.

So kann die Reise weiter gehen. Über die Köpfe der Arbeiter hinweg schlängelt sich bereits ein Band aus Zei-

tungen in den nächsten Raum, wo mit der Verarbeitung zu versandfertigen Paketen die letzte Station der Produk-tion erreicht wird. Wir folgen diesem Weg.

pünktlichEs ErschEinEn ErFordErt gElungEnEs ZEitMa-

nagEMEnt

In dieser Halle, so hoch wie ein dreistöckiges Haus, ist es leiser. Oben an der Kette flattern sie, wie aufgehan-gene, aneinandergereihte Aktenmappen - die Zeitungen. Links „Die Welt“, rechts die „Süddeutsche“, ein externer Auftrag. Alles ist in Bewegung. Weiter vorne legen Ma-schinen noch schnell vorgedruckte Anzeigenblätter ein. Die komplettierten Nachrichtenblätter werden stapelwei-se in Folie eingepackt, zusammengezurrt. All das läuft scheinbar automatisch. Nur ab und an taucht zwischen Platten, Bändern und Schienen ein menschlicher Arbei-ter auf. Noch liegt die Verantwortung nicht gänzlich im Greifarm der Maschinen.

Am Ende der Halle fällt Tageslicht durch die Fen-ster. Mehrere Öffnungen erlauben den Blick in Koffer- und Laderäume, die den Platz für die Zeitungspakete freigehalten haben. Klappe zu, die Lieferung ist unter-wegs. Der letzte Weg der Reise findet auf Rädern statt. Das Nachrichtenfutter soll frisch an den Frühstückstisch geliefert werden. Die große Maschine hat mit dem An-druck für die nächste Zeitung schon begonnen.

Anni Blumenstock, 20 Jahre, Chemnitz

studiert European Studies und genießt die Thüringer Regio-nalnachrichten mit Nutella und Kaffee am Samstagmorgen.

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17 // Fotos: EvgEny Makarov

durchlEuchtEt: hiEr Wird noch auF diE Qualität gEachtEt - Egal BEi WElchEr ZEitung.

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Die Verlage haben es nicht leicht. Sie müssen mo-mentan zwei Kanäle gleichzeitig bedienen: die Zeitung und das Internet. Das ist teuer. Dabei ließen sich eine Menge Kosten einsparen, behauptet eine Studie, wenn Synergien besser genutzt würden.

Der Journalist Pit Gottschalk hat die Konvergenz zwischen den Print- und Onlineproduktionen von 59 deutschen Tageszeitungen ausgewertet. Das Ergebnis: Sie liegt erst bei 65 Prozent. Das Ideal sieht Gottschalk in einer völligen Verschmelzung von Online und Print.

Eine engere Vernetzung werde zunehmend wich-tiger, sie biete Vorteile für beide Redaktionen. Die Arbeit im Newsroom werde bis zu 30 Prozent effizienter, „wenn das Herz der Zeitung online schlägt“.

onlinE auF dEM vorMarsch

In vielen Tageszeitungen müssten eigenständige Online-Redaktionen vom Print subventioniert werden. Langfristig werde der Online-Bereich aber die größeren Erlöse erzielen, sagen Experten. Es sei daher sinnvoll, Informationen zentral zu verwalten. So können Kosten gespart werden.

Bei der „WAZ“ hat beispielsweise Chefredakteur Ulrich Reitz im Dezember 2009 auch die Leitung des On-line-Portals „DerWesten“ übernommen. Seitdem sitzen Print- und Onlineredakteure gemeinsam am Newsdesk.

Die Lokal- und Mantel-Redakteure stellen teilweise Print-Inhalte selbst online, Überschriften und Teaser wer-den an das Internet-Layout angepasst. Ergänzend kom-men Links, Fotostrecken, Videos oder Umfragen hinzu. Als „Online-Sahnehäubchen“ bezeichnet das Andreas Fettig, der Chef vom Dienst am Newsdesk von „DerWe-sten“.

Zehn fest angestellte Redakteure in der WAZ-Zentralredaktion kümmern sich ausschließlich um das Online-Portal, sie halten das Echtzeit-Medium aktuell, suchen Geschichten aus und koordinieren die Zusam-menarbeit mit den Print-Kollegen.

Seit dem letzen Relaunch im Frühjahr hat sich auch das „DerWesten“-Layout verändert. In einer Wechselbox werden nun fünf Themen groß bebildert und als Hingu-cker präsentiert. Darunter wird klar getrennt in „Unsere Region“ und „Der Rest der Welt“.

Reitz habe Wert gelegt auf diese strenge Trennung zwischen Weltnachrichten und regionaler Berichterstat-tung, auf der jetzt der Schwerpunkt liegt, sagt Andreas Fetten. Lokale Kernkompetenzen sollen betont werden.

„diE ZEitung WEitErEntWickEln“

Der Verlag habe das Gewicht des digitalen Markts verstanden, sagt Fettig. Das Kerngeschäft bleibe aber bis auf weiteres das Zeitungsmachen: „Das Internet ist da-bei ein neuer, zusätzlicher Distributionsweg von Nach-

richten.“ Insofern sehe sich die Online-Redaktion als Teil einer Produktionseinheit der gesamten Mediengruppe. Man müsse eben die Nachrichten, die im Hause pro-duziert werden, überall dahin bringen, wo Leser sind. „Auch das gehört zur Weiterentwicklung der Zeitung.“

Mit etwa acht Millionen Besuchen im Monat gehört „DerWesten“ nach eigenen Angaben zu den Top-15 der deutschen Nachrichten-Portale. Derzeit werde intensiv an Strategien für die nächsten Jahre gearbeitet, berichtet Fettig.

Die weitere Entwicklung des Internets bleibt dabei die große Unbekannte: „Niemand weiß genau, welche Rolle Bezahlinhalte in Zukunft spielen werden.“ Klar ist für Fettig jedoch: Bei dem großen Angebot an Zeitungen und Zeitschriften müssten bei der „WAZ“ noch weitere Synergien vorhanden sein. Pit Gottschalk würde dem wohl zustimmen.

Frisst das intErnEt diE ZEitung auF?

print und online: rivalen oder geschWister? eine strikte trennung von print- und onlineinhalten ist Bei vielen tagesZeitungen alltag. in Zukunft könnten aBer die redaktionen grosse vorteile haBen, die schon jetZt auf eine starke vernetZung setZen. von Marc becker

Marc Becker, 19 Jahre, Kassel

macht bald Abitur und liest „Die Zeit“ – weil ihm die Zeit für Tageszeitungen fehlt.

Foto: EvgEny Makarov

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tiefer, Breiter, Weiter? Bedarf es einer generalüBerholung? Wie steht es um die alte papier-diva Zeitung? politiker, jour-nalisten und vertreter der kirche diskutieren und fragen: ist die Zeitung viel-leicht doch ein retter der gesellschaft? von alexander ilg

Ein Podium, fünf Referenten, ein Problem – wie sieht es aus mit der Zukunft der Zeitungen.

In einer immer schneller werdenden Gesellschaft braucht der Bürger einen Platz zum Abschalten. Die Möglichkeit sich Zeit zu nehmen, eine Auszeit von der Hektik des Alltags.

Für den Landesbischof der Evangelischen Landes-kirche Baden dient „die Zeitungslektüre als Ruhepol“. Für Ulrich Fischer sei die Zeitung ein Mittel der Ent-schleunigung. Ein Pluspunkt nicht nur für den Bischof, sondern auch für viele andere Tageszeitungsabonnenten.

Die tägliche Lektüre von 32 Seiten ausgewählten Informationen vermittelt aktuelles Wissen kompakt und umfangreich und fordert auf sich in Ruhe dem Blatt zu widmen. Im Jahr 2010 gab es keinen Morgen, ohne neue Berichte über Loveparade, Atomendlager und Rücktritten in den Zeitungen.

hohE glauBWürdigkEit dEs MEdiuMs ZEitung

Auch der Bundestagspräsident zieht ein Fazit. Es gibt einen statistisch-signifikanten Befund zwischen dem artikulierten politischen Interesse und dem Konsum von Tageszeitungen, so Bundestagspräsident Norbert Lam-mert (CDU). Er fügt Erkenntnisse einer Umfrage der Ge-sellschaft für Konsumforschung aus dem Jahr 2008 hin-zu. Danach vertrauen die Befragten im Alter von zwölf bis 19 Jahren den Tageszeitungen am meisten, wenn es um die Glaubwürdigkeit bei widersprüchlichen Informa-tionen geht. 44 Prozent trauen den Tageszeitungen, nur zwölf Prozent dem Internet in diesem Fall. Die restlichen Anteile entfallen auf das Fernsehen mit 31 und den Rund-funk mit 13 Prozent.

Es bleibt die Frage: Können Medien wirklich hel-fen, Missstände zu beseitigen und der Gesellschaft zu

nützen? Angestoßen durch das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen am Berliner Canisiuskolleg kamen in diesem Jahr Schritt für Schritt mehr Ereignisse ans Licht. Nicht nur innerhalb der Katholischen Kirche, auch an der Odenwald-Schule in Heppenheim kamen Übergriffe zu-tage. Die betreffenden Institutionen klärten auf wie nie zuvor in so einem Falle gesehen. Zeitungen begleiteten den Prozess kritisch.

Redaktionen wurden zur Anlaufstelle für Betrof-fene. Die Konsequenzen aus längst verjährten, aber immer noch traumatisierenden Taten forderten die Jour-nalisten. Zeitungen waren Ermittler und Vermittler – Amtsträger und Politiker handelten, weil der öffentliche Druck zu groß wurde.

Ein ähnlicher Fall ist die Berichterstattung um die Finanzkrise: Zeitungen berichteten auch hier kritisch über die EU-Finanzhilfen für Griechenland. Sie zeigten die Bilder streikender Beamter, Rentner und Studenten in Athen im Frühjahr 2010. Weitgehend ist jedoch im Dunkeln geblieben, warum die globale Wirtschaftskri-se die Griechen besonders stark traf. Kann sich eine Fi-nanzkrise wiederholen und welche Folgen hätte das für Deutschland? Wenig Aufschluss bringen die Nachrichten über diese zukünftigen Fragen. Genießen wir also nur Sensationsgier oder können wir auch auf Spekulations-thesen hoffen?

Der Leser bleibt zurück mit seinen Fragen, muss sich selbst auf die Suche machen nach einer schlüssigen Antwort. Die Gefahr droht, dass oberflächliche Bericht-erstattung zu voreiligen und falschen Eindrücken führt.

invEstigativEr JournalisMus als chancE

Was unterscheidet also zwischen dem berichten-den und dem hinterfragenden Journalismus? In jedem Fall brauchen die Reporter handwerkliche Fähigkeiten,

um ihren Job richtig ausüben zu können. Neugierde und Hartnäckigkeit sind zwei davon, die für den investiga-tiver Journalismus zählt. Er könnte helfen, das Ansehen der Tageszeitungen zu steigern. Mehr Hintergrundbe-richterstattung mahnt auch Tissy Bruns vom Berliner „Tagesspiegel“ an. Die Hürde sind Widerstände, die von den Reportern überwunden werden müssen. “Arbeitsbe-dingungen haben sich zur Jahrtausendwende geändert. Die Beschleunigung durch das Internet und die digitalen Medien ist ein großer Faktor. Zeit droht zur Mangelware zu werden. Leiden dürfen darunter allerdings nicht die Redaktionen.

Ganze Themenpakete mit aktuellen, analytischen und kommentierenden Elementen hätten eine Zukunft, sagt Bruns. Regelmäßig gebe es Themen, die Tiefe ver-langten: aktuell die Abschaffung der Wehrpflicht etwa und ihre Auswirkungen auf den Sozialstaat. Denn um zu verstehen, warum es heftigen Protest gegen diese Etatkürzungen gibt, muss man die Hintergründe kennen. Eine gut recherchierte Reportage könne die Sachlage ver-anschaulichen. Will eine Zeitung also überleben, braucht sie Professionalität und klare Schwerpunkte. Die Rede ist vom Qualitätsjournalismus. Denn ohne Zeitungen fehlt der Gesellschaft eine der wichtigsten Anlaufstelle für In-formationen und Nachrichten.

Alexander Ilg, 25 Jahre, Stuttgart

findet, zum Frühstück gehören sowohl eine gute Zeitung als auch Kaffee.

Foto: Max patZig

WEr sind nun diE rEttEr dEr gEsEllschaFt?

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die herren Wollten ans Buffet im rahmen des BdZv fand eine jurysitZung aller chefredakteure statt. verliehen Wurde der Bürgerpreis der deutschen Zeitungen. offenBart haBen sich üBerraschende einBlicke.von Sarah delere

Mehr als 250 Chefredakteure waren Jurymitglieder, nur 36 erschienen zu Beginn, ein paar wenige kamen später. Dennoch blieb es übersichtlich in der internen Sitzung. Hier sollte eigentlich in größerem Rahmen über den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen entschieden werden.

Die Jurysitzung war eine Premiere, und der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Nominiert werden durften Bür-ger, die sich in Deutschland in herausragendem Maße für die Gesellschaft eingesetzt hatten. Als vorschlagsberech-tigt erachteten sich die Zeitungen des BDVZ, die dieses Recht auch rege nutzten, so dass am Ende immerhin 34 Nominierungen zu verzeichnen waren. Zur Debatte stan-den in der entscheidenden Sitzung der Chefredakteure dann nur noch die zehn Kandidaten mit den meisten Stimmen.

Unter denjenigen, die für preiswürdig befunden worden waren, fanden sich neben bekannten Persön-lichkeiten wie Joachim Gauck auch viele eher regional bekannte Initiativen, die sich etwa um Mittagstische für Kinder aus sozial schwächeren Familien kümmern.

Die Herrschaften – keine einzige Chefredakteurin war zugegen – hatten an diesem Tage bereits einige an-spruchsvolle Programme hinter sich gebracht und muss-ten auch angesichts des nahenden Abendprogramms eine zügige Entscheidung fällen: Bitte keine weiteren Umstände und Verzögerungen.

Bedenken einiger, dass der Preisträger bekannt sein sollte um auch dem Preis Aufmerksamkeit zu sichern

wurden schnell weggewischt. In einer lockeren Grund-stimmung hieß es als Antwort, sie seien schließlich die Meinungsmacher und hätten einen derartigen Prominen-tenfaktor doch nicht nötig.

Durch den Einsatz von Geschäftsordnungsanträgen

auf Probeabstimmungen und weiteren Auswahlrunden wurde die Entscheidung beschleunigt. Auch die sich wie-derholende Anmerkung des Moderators, dass das Buffet schließlich nicht ohne die anwesenden Herren eröffnet werden sollte, schien die Entscheidung manchem nach-haltig zu erleichtern.

Trotz der entspannten Atmosphäre, vermutlich auch dem Umstand geschuldet, dass einige der Herren sich bereits zu schätzen schienen, wurde auf übermäßi-ges Palaver während der Sitzung verzichtet. So wurden zwar regelmäßig kurze Gruppen-Absprachen Gleichge-sinnter getroffen, abgesehen hiervon war die Konzentra-tion aber auf den Sachverhalt gelenkt – es sollte ja zügig gehen.

Am Ende stand die Wahl fest: Der erste Bürger-preis der deutschen Zeitungen wird an den Düsseldorfer Cellisten Thomas Beckmann gehen, der sich mit Bene-fizkonzerten und Kampagnen für Menschen ohne feste Bleibe einsetzt. Der Preisträger und sein Projekt dürfen sich nun auf das Preisgeld freuen und sicherlich auch auf die Unterstützung durch die Chefredakteure zählen.

Lag es wirklich nur an der ungünstigen termin-lichen Lage der Sitzung, dass nur so wenige Chefredak-teure teilnahmen, oder lag es wohl auch am Thema?

Wenn das so gewesen sein sollte, so ist es schade, denn ein wenig mehr Aufmerksamkeit - auch von viel beschäf-tigten Chefredakteuren - hätten diese lobenswerten Initi-ativen mehr als verdient.

ExpErtEn BEi kandidatEnkür und MuFFinWahl

Foto: Max patZig

inForMation

Bei dem Bürgerpreis der deutschen Zeitungen handelt es sich um einen 2010 erstmals ausgeschrie-benen Preis des BDZV mit dem bürgerschaftliches Engagement gewürdigt werden soll. Nominiert werden dürfen Menschen und ihre Aktionen, die sich in Deutschland für das Allgemeinwohl einset-zen. Mögliche Kandidaten und Initiativen werden von den Zeitungen des BDVZ vorgeschlagen. Über die Vergabe des mit 20.000 Euro dotierte Preis wird von den Chefredakteuren der Zeitungen in einer gemein-samen Jurysitzung entschieden.

Sarah Delere,19 Jahre, Dortmund

liest unter anderem die „Zeit“ und das „Time Magazine“ in Bus, Bahn, sowie im heimischen Garten.

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Frauen bildeten in diesen Kongresstagen eine Aus-nahme. Dafür waren die Podiumsdiskussionen ein glän-zendes Beispiel: Zwischen vier Männern saß jeweils eine Frau. Genauso sieht es in den Chefredaktionen der Re-publik aus, fand Siegfried Weischenberg in seiner Studie zum Journalismus in Deutschland 2005 heraus.

Fünf Jahre später hat sich offenbar wenig verän-dert. In der Jurysitzung zum Bürgerpreis ist eine einzige Dame anwesend. Sie ist mit der Aufgabe vertraut, die Handzeichen der Abstimmenden zu zählen.

Dabei sind doch 37 Prozent aller Journalisten weib-lich, bei den Volontären und Berufseinsteigern sogar über

die Hälfte. Mehr als dieser Hinweis von Frau Tissy Bruns, Chefkorrespondentin des „Tagesspiegels“, war dazu auf dem Podium allerdings nicht zu finden. Es sind andere Themen, die Verleger interessieren.

Versuchen Sie doch selbst, in diesem Bild eine Frau zu finden. Aber Achtung: Wenn Sie eine vermeintliche Chefredakteurin entdecken, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Mitarbeiterin des Service-Personals.

PS: Eine einzige überregionale Tageszeitung in Deutschland wird von einer Chefredakteurin geleitet. Dass gerade diese Zeitung sich als Genossenschaft be-

greift und nicht Mitglied im BDZV ist, macht unser kleines Spiel nicht gerade einfacher.

suchBild: finde die frau

David F. Fasold,19 Jahre, Bremen

liest entweder Nachrichten am Computer oder „Zeit“ überall sonst.

auFlÖsung: kEinE Frau ist in diEsEM Bild Zu FindEn.

Foto: EvgEny Makarov

Page 22: Druckreif

Frisch, Fruchtig, sElBstgEprEsst - [email protected] iMprEssuM

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Als Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk po-litikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fort-schritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – po-litikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, an-deren Perspektive.

politikorangE – das MultiMEdiuM

politikorange wurde 2002 als Veranstaltungsma-gazin ins Leben gerufen. Seit den Politiktagen gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Print und Online-Programm. 2004 erschienen die er-sten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Wäh-rend der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.

WiE koMM’ ich da ran?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veran-staltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. Radiosendungen strahlen wir mit wechselnden Sende-partnern aus. Auf www.politikorange.de berichten wir live von Kongressen und Großveranstaltungen. Dort ste-hen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen im Archiv zum Download bereit.

WaruM EigEntlich politikorangE?

In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begei-stern wir für eigenständiges Denken und Handeln. poli-tikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Engagement – denn politikorange ist frisch, fruchtig und selbstgepresst.

WEr Macht politikorangE?

Junge Journalisten – sie recherchieren, berich-ten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sor-gen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpres-se stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Wer heiß aufs schreiben, fotografieren, mitschnei-den ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen unter www.politikorange.de oder schreibt einfach an [email protected]. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.

Diese Ausgabe von politikorange entstand auf dem BDZV

Zeitungskongress, der vom 19. bis 21.September 2010 in

Essen stattfand.

Herausgeber und Redaktion: politikorange – Netzwerk

Demokratieoffensive, c/ o Jugendpresse Deutschland e.V.,

Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.jugendpresse.de

Chefredaktion (V.i.S.d.P.) : Nils Glück ([email protected]),

Sophie Hubbe ([email protected])

Redaktion: Judith Dauwalter, Sarah Delere, Anni Blumenstock,

David Fasold, Marc Becker, Anne Kratzer, Alexander Ilg,

Andi Weiland, Max Patzig

Bildredaktion: Evgeny Makarov ([email protected]),

Max Patzig ([email protected])

Layout: Marc Seele ([email protected])

Koordination: Jenny Buchwald, Sebastian Serafin

([email protected])

Druck: Berliner Zeitungsdruck

Auflage: 5.000 Exemplare

Wir bedanken uns beim BDZV für die freundliche

Unterstützung während des Zeitungskongress in Essen.

Ein besonderer Dank geht dabei an die Pressesprecherin

AnjaPasquay und Jochen Dieckow, Leiter des Bereichs

Veranstaltungen.

Ebenfalls bedanken wir uns bei dem Sprecher der Axel

Springer AG, Michael Schneider.

Foto: EvgEny Makarov

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fruchtfleisch Was Macht siE EigEntlich vErlEgEn?

christian Erhorn

stEllv. gEschäFtsFührEr dEr

„saarBrückEnEr ZEitung“

„wenn Meine frau Mich beiM

rauchen erwiScht.“

„ertappt“

gEsinE gläsEr

Journalistin dEr „BiEtighEiMEr ZEitung“

„wenn Meine kleine tochter

Mehr verSteht, alS ich Meine.“

„überruMpelt“

Matthias graBEn

FotograF dEr „WaZ“

„wenn über perSönliche Schwächen von

anderen geSprochen wird.“

„verraten“

Blogitive: ein ausBlick die medienlandschaft Blüht. Zum etaBlierten journalismus gesellen sich private Blogger und Bedienen ein Wachsendes puBlikum. inWiefern können laien die staatsgeWalten kontrollieren, Wie es die presse tut?von david faSold

Wer sich der Öffentlichkeit mitteilen will, der hat es heute einfach. Über einen eigenen Blog kann er seine Texte in Sekunden weltweit zur Verfügung stellen. Ob er damit unbedingt eine öffentliche Aufgabe erfüllt, bleibt fraglich. Fakt ist: Er mag „in Angelegenheit von öffent-lichem Interesse Nachrichten beschaffen und verbreiten, Stellung nehmen, Kritik üben oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirken“, wie es das Grundge-setz vorsieht. Aber kann die Summe einzelner Meinun-gen eine Kontrollfunktion ausüben?

Dass die Presse ein Wächter sein soll über Politik, Gesetz und Justiz, ist nicht in der Verfassung verankert. Gerade diese Unabhängigkeit sichert ihr aber de facto eine Hüterrolle der Demokratie. Information und Kritik ist essentieller Bestandteil einer demokratischen Gesell-schaft, unabhängiger Journalismus ihr Garant.

Ein Blog muss nicht immer von öffentlicher Rele-vanz sein. Wo öffentliches Interesse beginnt, ist Defini-tionssache – es kann allerdings nur dort stattfinden, wo informiert wird. Medien kontrollieren nicht nur Politik, sondern auch Gesellschaft: Sie bestimmen Themen und Meinungen im öffentlichen Diskurs. Blogs, als neues Massenmedium, sind ein Teil davon. Die Anzahl der In-ternetanschlüsse übersteigt in Deutschland die Auflagen der Tageszeitungen.

Dennoch: Eine tatsächliche Alternative zur Presse ist der Blogger sicherlich nicht. Basisdemokratie im Inter-net – oft gepriesen – kostet Übersicht. Bundespräsident Christian Wulff ziert sich nicht, von „Informationsmüll“ zu sprechen. Bürgerjournalismus bleibt Randphänomen. Es sind die Großen, die den User mit aktuellen und ko-stenlosen Informationen versorgen: Fast 18 Millionen Besucher konnten die Top-20-Nachrichtenseiten durch-schnittlich pro Tag im vergangenen Jahr verzeichnen. An erster Stelle steht „Spiegel Online“ mit einem Marktanteil von 21,8 Prozent.

Mehr denn je ist es Pflicht der Zeitung, nicht mit exklusiver Aktualität zu überzeugen, sondern mit rele-vanten Analysen: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Die wöchentlich erscheinende Presse macht es heute schon vor – mit zunehmender Beschleunigung der Gesellschaft werden auch Tageszeitungen diesen Weg gehen müssen, wenn sie ihrer Funktion gerecht bleiben wollen.

Letztlich bleibt es ein Versuch, Zukünftiges mit Alt-bekanntem auszudrücken. Die digitale Revolution ver-ändert die Gesellschaft. Eine einfache Übersetzung ge-druckter Tageszeitungen in digitale Form würde Potential verschenken. Dass jetzt qualitativ hochwertiger, informa-tiver und investigativer Journalismus weiterhin existiert, ist für die Arbeit einer Demokratie dringend erforderlich. Fähige Journalisten gibt es jedenfalls genug.

Foto: Max patZig

David F. Fasold,19 Jahre, Bremen

liest entweder Nachrichten am Computer oder „Die Zeit“ überall sonst.

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Foto: Willi hEidElBach Foto: Joy rEissnEr / WWW.JugEndFotos.dE

Foto: WikipEdia Foto: philipp linstädtEr / WWW.JugEndFotos.dE

„Wenn ich zu wählen hätte zwischen einem Land mit einer Regierung, aber ohne Zeitung, und einem Land mit Zeitung, aber ohne Regierung, dann würde ich mich für das Land ohne Regierung entscheiden.“thoMas JEFFErson

„Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verändert, und mehr als das Blei in der Flinte jenes im Setzkasten der Drucker.“ gEorg christoph lichtEnBErg

„Der sicherste Weg, in die Zeitung zu kommen, besteht darin, eine zu lesen, wäh-rend man die Straße überquert.“alBErto sordi

„Zeit und Zeitung A Sag mir, warum dich keine Zeitung freut?B Ich liebe sie nicht, sie dienen der Zeit.“

Johann WolFgang von goEthE

der Weisheit letZter schluss Zitate Zu Zeitungen und ihrer Bedeutung. von anne kratzer Und jenny bUchWald