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Duell auf der Totenwelt

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 221

Duell auf der Totenwelt

Kaperflug nach Hocatarr - derKristallprinz im Reich der Schatten

von Dirk Hess

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überra­schende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver­schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge­gangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmu­tigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba­naschol, den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Die große Chance eines neuen Schlages gegen den Thronräuber sieht Atlan in dem Moment, als Fartuloon, sein Erzieher und Lehrmeister, ihn darauf aufmerksam macht, daß er noch ein Lebenskügelchen besitze, mit dessen Hilfe er versuchen kön­ne, einen geliebten Toten ins Leben zurückzurufen.

Altan ergreift sofort die Chance. In Begleitung von Fartuloon und Ra, dem Barba­ren, fliegt er an den Ort, wo die Helden des Imperiums ihre letzte Ruhe gefunden ha­ben. Dort kommt es zum DUELL AUF DER TOTENWELT …

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3 Duell auf der Totenwelt

Die Hautpersonen des Romans:Atlan, Fartuloon und Ra - Der Kristallprinz und seine Gefährten besuchen die Totenwelt.Baylamor und Aytilaa del Gnoter - Zwei Plünderer und Grabräuber.Kejt Argalth, Jedim Kalore und Eigurd Terbakh - Leitende Offiziere der CRYSALGIRA.Arkanta - Eine Frau, deren Blicke töten.

1.

Baylamor Arham del Gnotor war profes­sioneller Plünderer und Grabräuber. Wäre man ihm eines Tages auf einer belebten Straße von Arkon I begegnet, so hätte man ihn kaum für einen Adligen gehalten. Del Gnotor war dick und unförmig. Er bewegte sich schleppend vorwärts. Seine Wurstfinger spielten ständig mit irgendeinem Glitzer­zeug. Del Gnotor liebte Schmuck in allen Variationen.

Del Gnotor durfte sich auf Arkon nicht mehr blicken lassen. Ihm waren all jene Ver­gnügungsstätten verschlossen, in denen der Hochadel von Arkon seinem zweifelhaften Treiben nachging. Aber Del Gnotor bedau­erte das keineswegs. Seine Streifzüge durch den Kugelsternhaufen des Großen Imperi­ums ließen ihn ausreichend Abenteuer erle­ben.

Der Plünderer gehörte einer uralten Adelsfamilie an. Doch kein Del Gnotor übte noch ein öffentliches Amt aus. Die Del Gno­tors waren gescheitert. Die Adelschronik nannte ihren Namen nicht mehr.

Baylamor Arham del Gnotor besaß ein Raumschiff. Er hatte es nach seiner Mutter getauft: AYTILAA DEL GNOTOR. Sie be­gleitete ihn auf allen Reisen. Sie bestimmte die Zielsterne und kümmerte sich um den Verkauf der Beute. Aytilaa del Gnotor war ein häßliches altes Weib. Ihr Gesicht war runzlig wie das einer Mumie. Schwere kri­stallene Ohrgehänge bewegten sich, als sie sich langsam herumdrehte.

»Die Maahks haben ganze Arbeit gelei­stet«, krächzte sie. »Zahlreiche Großkampf­schiffe. Einige nur leicht beschädigt. Sogar ein paar Kugelraumschiffe, deren Stützmas­senvorräte nicht reagierten. Wir haben

Glück, mein Sohn. Diesmal machen wir rei­che Beute.«

Del Gnotor zerrieb eine süßlich riechende Substanz zwischen den Fingern. Seine wul­startigen Lippen spannten sich. Seine klei­nen Augen, die unter den schweren Lidern hervorfunkelten, waren auf den Frontbild­schirm des sechzig Meter großen Schiffes gerichtet.

»Die Wachflotte kann jeden Augenblick erscheinen«, gab Baylamor zu bedenken.

»Unsinn! Du weißt genau, daß die Maahks im Chemi-Spieth-System ganze Ar­beit geleistet haben. Soll ich dir noch einmal die Funknachrichten vorspielen?«

Baylamor schnippte den Rest der aromati­schen Substanz ärgerlich vom Zeigefinger. »Du sollst mich nicht dauernd belehren, Mutter! Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich habe sämtliche Funksprüche selbst dechif­friert. Oder hast du das bereits vergessen?«

Aytilaa überhörte den Vorwurf ihres Soh­nes bewußt. Sie kannte die Rolle, die sie für ihn spielte. Sie brauchte ihn, er brauchte sie. So einfach war das, wenn man seit fünfzig Arkonjahren gemeinsam durchs All kreuzte. Ein paar treffende Worte genügten in der Regel, um Baylamor wieder gefügig zu ma­chen. Baylamor hatte nie etwas mit anderen Frauen gehabt. Er war ein verschlossener Einzelgänger. Er war im Grunde niemals selbständig geworden. Er tat nichts ohne sei­ne Mutter.

Dieses Verhältnis hatte Baylamor jedoch um die besten Jahre gebracht. Er hatte nie­mals in der Flotte gedient. Er hatte nie jenes aufregende Gefühl kennengelernt, wenn ar­konidische Jünglinge um ihre Liebste frei­ten. Er hatte auch niemals einen richtigen Freund besessen.

Aytilaa berührte einen Knopf auf der Oberseite ihrer Sessellehne. Der Konturses­

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sel schwang sich halb herum. Ihr zerfurchtes Gesicht war auf Baylamor gerichtet. Ihre rötlichen Augen versprühten ein merkwürdi­ges Feuer. Trotz ihres Alters besaß sie eine unglaubliche Zähigkeit.

»Du weißt, daß wir praktisch vogelfrei sind«, begann Baylamor. »Jeder Arkonide kann uns töten. Die ruhmreiche Geschichte unserer Ahnen nützt uns gar nichts.«

»Das wissen wir doch längst«, krächzte Aytilaa ungeduldig. »Verschon mich bitte mit diesem Unsinn. Wenn der gute Gonozal VII. noch lebte, wäre alles ganz anders. Aber unter Orbanaschol geht es bergab mit der Tradition. Alles Ehrwürdige wird von diesem Emporkömmling in den Schmutz ge­treten. Alte Namen gelten nichts mehr. Es ist eine Schande!«

Aytilaas Greisenaugen wurden wässerig. Die Erinnerung an die gute alte Zeit stimmte sie melancholisch.

»Was schlägst du vor, Mutter?« Baylamor wollte seine Mutter ablenken.

Wenn sie traurig war, geriet er ebenfalls in eine wehmütige Stimmung. Baylamors Ver­hältnis zu seiner Mutter ließ sich am ehesten mit dem symbiotischen Verhalten einiger pflanzlicher Schmarotzer vergleichen. Man konnte sich in diesem Fall jedoch darüber streiten, wer von beiden der Schmarotzer war – Baylamor oder seine Mutter Aytilaa. Fest stand, daß keiner ohne den anderen aus­kommen konnte. Baylamor, weil er nichts ohne sie unternahm; Aytilaa, weil sie alt und schwach war.

»Du brauchst nicht zum Wrack hinüber­zugehen, Sohn!«

Aytilaas Entscheidung erlöste Baylamor von der Ungewißheit, was die nächsten Stunden bringen würden. Er schob sich ein paar glitzernden Ringe über die Finger und blickte seine Mutter erwartungsvoll an.

»Und wie stellst du dir unser weiteres Vorgehen vor, Mutter?«

»Ich habe inzwischen unsere Flugkoordi­naten mit dem Katalog dieser Region vergli­chen«, begann Aytilaa. Sie deutete auf die erleuchtete Registeranzeige des Kartentanks.

Dirk Hess

»Wir besitzen zwar nicht die neuesten Un­terlagen, aber für eine annähernde Positions­bestimmung reicht es allemal. Die mittlere der drei nächststehenden Sonnen ist Kerra­tonkhs Stern. Du kennst doch Kerratonkh, oder etwa nicht?«

Baylamor machte ein unglückliches Ge­sicht. Über seine dicken Lippen lief rötlicher Speichel. Er kaute gerade aromatisierte Zalak-Nüsse. Ihr ätherischer Grundstoff übte eine berauschende Wirkung auf ihn aus. Baylamors Unwissen erregte Aytilaas Zorn.

»Wenn Vater noch lebte, würdest du dich ganz anders benehmen. Sagte ich dir nicht immer wieder, daß man die bekannten Adelsfamilien des Großen Imperiums ken­nen muß? Im Ernstfall wüßtest du nicht, wo­hin du fliehen müßtest! Du hast die Namen all jener vergessen, die uns helfen könnten. Es ist eine Schande!«

Baylamor versank im Kontursessel. Er wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die Mundwinkel. Wenn Aytilaa seinen Vater erwähnte, hatte ihre Stimmung meist einen Tiefpunkt erreicht. Die Erinnerung an seinen Vater bestand aus nebelhaften Frag­menten. Er war fünf Arkonjahre alt gewe­sen, als sein Vater im Kampf starb. Markh Hoctor del Gnotor hatte mit seinem Kom­mando einen ganzen Maahk-Verband aufge­rieben.

Aber vom Ruhm eines Toten konnte sich Baylamor nichts kaufen.

Aytilaa veränderte die Bildschirmanzeige. Sie richtete die Außenbordkamera auf ein Raumschiffswrack, das in einer Entfernung von zehntausend Meter antriebslos im All schwebte. Auf der zerschossenen Außenhül­le des Fünfhundert-Meter-Raumschiffs er­kannte man den Namen des Eigentümers. In großen Buchstaben stand dort KERRA­TONKH.

»Was habe ich dir gesagt«, keifte Aytilaa triumphierend. »Wir stehen dicht vor Kerra­tonkhs System. Die verdammten Maahks ha­ben hier wie die Wilden gehaust, um die Wachflotte vom Chemi-Spieth-System ab­zulenken.«

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»Und wenn sie nur Kerratonkh daran hin­dern wollten, in die Schlacht um das Chemi-Spieth-System einzugreifen?« wagte Baylamor zu fragen.

»Kerratonkh hätte freiwillig nie dort ein­gegriffen. Dazu ist er viel zu feige. Während seine Söhne in Orbanaschols Palastgarde dienen, hat sich Kerratonkh noch nie im Kampf hervorgetan. Seine Söhne haben in der Tat bessere Namen als ihr Vater.«

Aytilaa geriet ins Grübeln. Baylamor rieb sich die feisten Hände.

»Dieser Kerratonkh schwelgte also im Wohlstand. Na, wenn das kein Grund für uns ist, sein Raumschiff auszuplündern!«

Aytilaa antwortete ihm nicht sofort. Sie überprüfte gerade sämtliche Hyperfunkfre­quenzen. Doch außer dem statischen Rau­schen und dem schwachen Pfeifen einiger sich überlagernder Fernsignale war nichts zu hören.

»Wir sind allein in diesem Raumsektor«, stellte Aytilaa zufrieden fest.

»Dann plündern wir also doch die KER­RATONKH aus?«

»Was hast du nur mit diesem lächerlichen Raumschiff?« brauste Aytilaa auf. »Wenn das Flaggschiff Kerratonkhs ein einziger Schrotthaufen ist, sieht es auf seinem Plane­ten nicht viel anders aus. Oder meinst du, die Maahks würden halbe Arbeit leisten?«

»Was hast du dann vor?« »Ganz einfach, Baylamor … wir plündern

Kerratonkhs Planetenstützpunkt aus.« Baylamor blieb vor Überraschung die

Sprache weg. Die Entscheidung seiner Mut­ter überraschte ihn zutiefst. War die Alte größenwahnsinnig geworden? Ein ganzer Planet, der erst vor kurzem von seinen Be­wohnern fluchtartig verlassen worden war, konnte unmöglich von einem Mann allein geplündert werden.

»Wie stellst du dir das vor, Mutter?« »Wir sehen uns erst einmal an, wie groß

die Zerstörungen durch den Maahk-Angriff sind. Wenn der Palast unversehrt ist, neh­men wir uns Kerratonkhs Schatzkammer vor. Außerdem benötigen wir dringend Ein­

zelteile für unser Raumschiff. In den plane­tarischen Hangars dürfte alles vorhanden sein, was das Herz begehrt. Wenn wir Glück haben, finden wir sogar eine neue Positro­nik. Lange hält unser Bordgehirn der Bela­stung nicht mehr stand. Was das bedeutet, kannst du dir ja ausmalen.«

Baylamor nickte bedächtig. So abwegig war der Plan seiner Mutter gar nicht. Wenn sich die Verwüstungen, die von den Maahks angerichtet worden waren, in Grenzen hiel­ten, würden sie alles finden, was sie benötig­ten. Es war bekannt, daß die Maahks arkoni­dische Kostbarkeiten liegenließen. Der Men­talität der Methans war eine Anhäufung von Schätzen fremd. Desgleichen gab es keine vergnügungssüchtigen Maahks. Die Versu­che der arkonidischen Abwehr, Maahks mit Rauschgiften zu versorgen, um ihre Kampf­kraft zu schwächen, waren kläglich geschei­tert. Der einzige Lebensinhalt der Wasser­stoff-Methan-Atmer bestand in der Verteidi­gung der eigenen Rasse.

Es gab also Aussicht auf reiche Beute. Baylamors feiste Gestalt straffte sich. Er

sah zu, wie Aytilaa die Kurskoordinaten auf Kerratonkhs-System einstellte. Verschieden­farbige Lichter flammten auf dem Steuerpult auf. Die Positronik hatte sämtliche Funktio­nen übernommen. Wenn nichts Unvorherge­sehenes dazwischen kam, würden sie in knapp einer Stunde über dem Planeten des Adligen stehen. Dazu genügte eine kurze Transition. Die Distanz zu der kleinen gel­ben Sonne betrug jetzt exakt neun Lichtjah­re.

Baylamor begann sich vorzustellen, wie er in den Schätzen Kerratonkhs wühlen konnte. Er sah ganze Berge von kostbaren Kristallen vor sich liegen. Er stellte sich die auserlesenen Kostbarkeiten in Kerratonkhs Küchen vor. Baylamor spürte, wie ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Plötzlich ging ein Ruck durch das kleine Raumschiff. Baylamor wurde mitten in seiner Gedanken­schwelgerei unterbrochen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn. Das Schiff war in die Transition gegangen.

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*

Die blaue Scheibe von Kerratonkhs-Pla­net füllte den ganzen Sichtbereich des Bild­schirms aus. Dichte Wolkenfelder standen über den Meeren. An einigen Stellen ver­färbte sich das milchige Hellblau ins Graue.

Baylamor wußte sofort, was das zu be­deuten hatte. »Diese verdammten Methans«, entfuhr es ihm. »Sie haben sogar unbewohn­te Landstriche mit ihren Impulsgeschützen bestrichen.«

Die AYTILAA DEL GNOTOR senkte sich leicht wie eine Feder in die oberen At­mosphäreschichten des Planeten. Die Aus­schnittvergrößerungen auf dem Bildschirm verhießen nichts Gutes. Weite Landstriche standen in Flammen. Ganze Wälder waren zu Asche verbrannt. An vielen Stellen glüh­ten die Felsen. Die Radioaktivität hielt sich jedoch in Grenzen.

»Und wo finden wir Kerratonkhs Palast?« Aytilaa steuerte das Raumschiff über eine

ausgedehnte Ebene. In der Ferne zeichneten sich die gezackten Linien eines Gebirges vor dem verhangenen Himmel ab. Qualmwolken trieben über die Ebene. Der Boden war ris­sig und glühte an mehreren Stellen.

»Vielleicht hat Kerratonkh am Fuß des Gebirges gelebt. Dort dürften die klimati­schen Bedingungen am günstigsten gewesen sein.«

Jetzt kam ein heller Punkt ins Bild. Ay­tilaa hielt genau darauf zu. Wenig später konnte man die Einzelheiten genau ausma­chen. Es handelte sich um ein Raumschiff, das, noch am Boden stehend, von einem gegnerischen Impulsstrahl zusammenge­schmolzen worden war. Teile aus dem Stahlmantel, der das Schiff umgeben hatte, lagen überall verstreut am Boden. Das Zen­trum des Wracks glühte im atomaren Feuer. Qualmwolken trieben vorüber. Dort unten mußten unvorstellbare Hitzegrade herrschen.

Die Außenbordmikrophone übertrugen Donnergrollen in die Zentrale der AY­TILAA DEL GNOTOR.

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»Dort wird noch gekämpft«, meinte Baylamor unruhig.

»Unsinn! Wir sind die einzigen Arkoni­den auf dem Planeten. Das, was du jetzt hörst, sind Nachwirkungen der Schlacht. Die Impulsstrahlen haben das Wetter verändert. Die Hitze schmilzt die Polkappen ab. In we­nigen Stunden erinnert hier nichts mehr an den Aufenthalt von Arkoniden.«

Baylamor konnte sich nicht vorstellen, daß die Auswirkungen der Schlacht so enorm sein sollten. Er sah plötzlich seine Pläne in Gefahr. Wenn im Gebirge tatsäch­lich Wirbelstürme und Gewitter tobten, konnte er den Palast Kerratonkhs nicht mehr plündern.

»Sieh mal, Baylamor«, rief Aytilaa er­freut. »Die Maahks hatten auch ganz anstän­dige Verluste.«

Auf dem Bildschirm erschien das Wrack eines Walzenschiffs. Der mächtige Rumpf war mehrfach geborsten. Die stumpfe Heck­seite hatte sich zwischen riesigen Felsen ver­keilt. Die Trümmer aus dem Innern des Kampfschiffs waren von den Explosionen in alle Richtungen gewirbelt worden. Eine wei­ße Substanz verteilte sich auf der stählernen Schiffszelle.

Ammoniak, erkannte Baylamor folgerich­tig. Die Versorgungstanks hatten der Wucht des Aufpralls nicht widerstanden. Baylamor wagte sich nicht vorzustellen, wie es im In­nern des Kampfschiffs aussah.

Zahlreiche rötlich schimmernde Schnei­sen zogen sich über die düstere Ebene. Sie deuteten genau auf den Fuß des Gebirges. Dort trafen sie sich an einem Punkt. Ihre Oberfläche war gläsern. Kein Zweifel, daß dies die Schmelzspuren mehrerer Impulsent­ladungen waren.

»Dort … Kerratonkhs Palast«, schrie Ay­tilaa. Ihre zitternde Hand deutete auf den Bildschirm. »Die ganze Basis wurde ver­nichtet! Die Maahks haben mit allem, was ihnen zur Verfügung stand, auf den Palast gefeuert.«

Aytilaa landete das Schiff am Rand eines großen Kraters. Die Landestützen berührten

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den Boden, wippten noch einmal in der Hy­draulik und standen dann still. Aytilaa über­prüfte die Meßinstrumente mit der ihr eige­nen Routine.

»Du kannst nicht ohne den Raumanzug hinausgehen, Baylamor. Die Luft ist voll­kommen verseucht. Außerdem ist es noch viel zu heiß. Du würdest dir die Lungen ver­brennen.«

Baylamor knirschte mit den Zähnen. Die Enttäuschung über die sinnlose Zerstörung stand ihm offen im Gesicht geschrieben. »Diese Barbaren! Sie haben wie die Wahn­sinnigen gewütet.«

Die Hoffnung auf reiche Beute war wie eine Seifenblase zerplatzt.

»Nicht den Mut aufgeben«, meinte Ay­tilaa krächzend. »Erinnerst du dich noch an den Handelsstützpunkt Altamar? Die Bru­derkämpfe zwischen Händlern und Angesie­delten hatten zur Vernichtung des ganzen Stützpunkts geführt. Rein äußerlich sah es dort genauso aus wie hier. Aber unter den Ruinen fanden wir ganz auserlesene Kost­barkeiten.«

Vom Trichterbau des Palasts existierten nur noch Fragmente. Es sah aus, als hätte sich eine überdimensionale Faust in das fünfhundert Meter hohe Gebäude gebohrt. An mehreren Trümmerbrocken hingen ver­schmorte Einrichtungsgegenstände. Die Ver­bundstreben ragten wie Skelettfinger in den dunstigen Himmel. Die Seen, einst architek­tonische Mittelpunkte der Vergnügungs­parks, waren in der Hitze verdampft. Die Ziersträucher und Bäume waren verschwun­den.

»Nein«, sagte Baylamor leise, »hier wer­den wir nichts mehr finden. Kerratonkhs-Pla­net ist eine tote Welt. Auch in den nächsten paar tausend Jahren wird es nicht anders sein. Wo die Maahks einmal aufgeräumt ha­ben, wächst so schnell nichts mehr nach.«

Das düstere Halbdunkel auf dem Bild­schirm wurde von heftigen Lichterscheinun­gen durchbrochen. Aus den Bergen zog ein Gewitter heran. Die Blitze zuckten ununter­brochen. Heftige Windstöße trieben die

Rußwolken auseinander. Plötzlich zuckte Baylamor zusammen. Er

starrte entgeistert auf den Bildschirm. Auch Aytilaa reckte ihren mageren Körper hoch, um besser sehen zu können.

»Dort draußen ist doch noch jemand!« Aytilaa gab einen krächzenden Laut von

sich. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trau­en. Aber dort draußen kam tatsächlich ein Mann näher.

»Er hat unsere Landung beobachtet. Er kommt genau auf uns zu.«

Baylamor sah, wie der Fremde seine Rechte hob und ihnen zuwinkte. Nachdem Aytiiaa die Teleoptik auf den Näherkom­menden gerichtet hatte, erschien die Gestalt formatfüllend auf dem Zentralebildschirm. Qualm umgab den Mann wie ein Schleier. Hitzeflimmernde Luft verzerrte das Bild ein wenig, doch der Anblick war deutlich ge­nug, um Baylamor aufstöhnen zu lassen.

Dabei war Baylamor gewiß nicht feinfüh­lig oder empfindsam. Er hatte weit entsetzli­chere Dinge bei seinen Plünderungen gese­hen. Er kannte keine Skrupel, wenn es dar­um ging, Gräber zu öffnen und die kostbaren Grabbeigaben von den verwesten Leichen zu rauben. Daß er trotzdem geschockt war, ließ sich nur so erklären: Der Fremde sah wie ein wandelnder Leichnam aus. Baylamor fürchtete den Tod nicht. Aber er war bis zu einem gewissen Maß abergläu­bisch.

»Er … er kann doch gar nicht mehr le­ben«, stammelte Baylamor. »Dort draußen ist es viel zu heiß.«

Doch der Arkonide kam langsam auf das Raumschiff zu. Seine Stiefel waren ver­schmort. Die Haut hing in Fetzen von sei­nem mageren Leib herunter. Die Haare wa­ren verschwunden. Der kahle Schädel schimmerte im Licht der zuckenden Blitze.

Jetzt öffnete er seinen Mund. Baylamor erkannte nur eine rußgeschwärzte Öffnung, in der ein paar metallische Stifte glänzten. Die Stimme des Mannes wurde von den Au­ßenbordmikrophonen aufgenommen und di­rekt in den Lautsprecher der Zentrale über­

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tragen. In die Worte des Unheimlichen mischte

sich Donnergrollen. Dazwischen erklang das Peitschen der Blitze. Es war eine apokalypti­sche Szene, die Baylamor erschauern ließ.

»Der ehrwürdige Kerratonkh grüßt das Große Imperium von Arkon. Ein langes Le­ben unserem gnädigen Imperator Orbana­schol III. Ruhm und Glorie für alle Adligen des Imperiums. Möge der Sieg über die Hor­den der Methans unser Sternenreich befrie­den. Der ehrwürdige Kerratonkh ist tot. Er hat sein Leben im Kampf gegen die barbari­schen Methans für den Sieg des Großen Im­periums geopfert. Es war ihm nicht ver­gönnt, an den Feiern zu den Katanen des Ca­pits teilzunehmen. Der ehrwürdige Kerra­tonkh grüßt seine Söhne, die in der Garde seiner Erhabenheit Orbanaschol III. ihre Pflicht tun. Raumfahrer, kommst du auf die Ruinenwelt des ehrwürdigen Kerratonkh, so sieh mit eigenen Augen, was die Barbaren angerichtet haben. Berichte es allen Arkoni­den. Gedenke des Heldentodes des ehrwür­digen Kerratonkh, der seine letzte Ruhe in der KARSEHRA fand …«

Baylamor schaltete den Lautsprecher aus. Draußen stand die halbverkohlte Gestalt und wiederholte ihre Hymne auf Kerratonkh.

»Ein lächerlicher Androide«, preßte Baylamor zwischen den Zähnen hervor. »Kerratonkh war ganz schön erpicht auf sei­nen guten Ruf! So wie ich den Burschen in Erinnerung habe, hat er sich höchstwahr­scheinlich vor dem Kampf gedrückt. Ich würde mich gar nicht wundern, wenn er ir­gendwo in einem gut gesicherten Bunker steckt.«

Der rußgeschwärzte Körper des Andro­iden stand jetzt wie ein Wächter vor der AY­TILAA DEL GNOTOR. Er würde dort noch stehen, wenn das Schiff der Plünderer längst gestartet war. Der Androide war darauf pro­grammiert worden, allen Fremden, die Ker­ratonkhs Planet erreichten, Auskunft über das Ende seines Besitzers zu geben.

»Glaubst du wirklich, Orbanaschol würde Kerratonkh in der KARSEHRA beisetzen?«

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fragte Baylamor. Aytilaa zog die Augenbrauen hoch. Um

ihre dünnen Lippen bildete sich ein gering­schätziger Zug. »Dein Vater liegt dort. Auch Gonozal VII. soll dort einbalsamiert worden sein. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, daß Kerrantonkh dort eine Bleibe finden wird. Kerrantonkh ist kein Held. Auch wenn der Androide dort draußen behauptet, Kerra­tonkh wäre im Kampf gestorben, so glaube ich das nicht. Wenn du dich in den Ruinen umsiehst, findest du vielleicht einen Hinweis auf Kerratonkhs Schicksal. Ist Kerratonkh jedoch tatsächlich auf dem Weg zur KAR­SEHRA, so hätten wir endlich eine Spur ge­funden, die uns dorthin bringen wird.«

Baylamor nickte bedächtig. Erst jetzt wur­de ihm die Tragweite dessen bewußt, was seiner Mutter eben gesagt hatte. Sie wollte zur KARSEHRA fliegen. Sie wollte die Hel­dengedenkstätte der Großen des Imperiums aufsuchen.

»Kennst du die Position der Totenwelt et­wa nicht, Mutter?«

Die Alte verzog ihr Gesicht. Baylamor hatte ihren wunden Punkt angesprochen. Trotzdem gab sie ihm die gewünschte Aus­kunft: »Nein, ich kenn die Position des Pla­neten Hocatarr nicht! Nur einige einflußrei­che Persönlichkeiten sind über die genaue Position informiert.«

»Aber Vater liegt doch dort begraben«, warf Baylamor ein.

»Das stimmt. Normalerweise müßte ich die Positionsdaten von Hocatarr kennen. Aber ich war nicht die einzige Frau deines Vaters.«

»Was?« schrie Baylamor. »Das hast du bisher noch mit keinem Wort erwähnt.«

»Dann erfährst du es eben jetzt. Ich habe es nie für wichtig gehalten. Es ist Gesetz, daß immer nur die erste Frau den Begräbni­sort ihres Gatten erfährt.«

Baylamor verzichtete auf weitere Fragen. Er sah, daß seine Mutter vor Erregung zitter­te. Sie schluckte eine grünlich schimmernde Kapsel. Hastig trank sie ein Erfrischungsge­tränk. Ihre Bewegungen wirkten fahrig und

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unkontrolliert. Baylamor mußte in diesem Augenblick wieder daran denken, daß seine Mutter praktisch täglich sterben konnte. Was würde er dann tun? Allein würde er die grenzenlose Einsamkeit des Weltraums nicht ertragen können.

Aber noch war es nicht soweit. Baylamor zog wortlos einen leichten Raumanzug an. Dann überprüfte er das Energiemagazin sei­nes Blasters. Er steckte die schwere Waffe in die Magnetöse und hakte die Sicherungs­leine aus stahlverstärktem Kunststoff ein. Jetzt ergriff er den kleinen Koffer, in dem er winzige Antigravscheiben aufbewahrte. Mit diesen kleinen Aggregaten pflegte er die Ausbeute seiner Plünderungen ins Raum­schiff zu bringen.

Baylamor verschloß den Raumanzug. Er hörte das leise Zischen der Sauerstoffversor­gung. Ein Blick auf die Temperaturanzeige genügte, um das einwandfreie Funktionieren der Geräte zu bestätigen. Er nickte seiner Mutter zu, die im Kontursessel kauerte und ihn nachdenklich anstarrte. Ihr gekräuseltes Haar stand grotesk von ihrem Kopf ab und ließ die Rundung ihres Schädels durchschei­nen.

Wie eine Tote, durchzuckte es Baylamor. Er ging sofort in die Schleusenkammer.

Summend schloß sich das innere Tor. Die Deckenbeleuchtung veränderte ihre Farbe. Während sich das äußere Tor öffnete, akti­vierte Baylamor seinen Helmsender.

»Kannst du mich hören, Mutter?« »Ganz deutlich«, krächzte es aus den

Helmlautsprechern. »Ich bleibe an den In­strumenten, Baylamor. Du kannst ganz beru­higt sein. Ich gebe dir sofort Bescheid, wenn die Ortung anspricht. Dort draußen hast du nichts zu befürchten. Wir sind allein auf die­ser Welt.«

Jetzt war das äußere Schleusentor offen. Qualmwolken trieben vorüber. Rechts unten stand der Androide bewegungslos da und berichtete monoton vom Ende Kerratonkhs. Die Stufenleiter klappte herunter und rastete in der Halterung ein. Baylamor hob den Kopf. Hinter den Trümmern des Trichterge­

bäudes zuckten die Blitze. Es war ein seltsa­mer Anblick. Über den Ruinen tobte ein gi­gantisches Unwetter. Das Licht der Entla­dungen reichte aus, um sich in dem Chaos zurechtzufinden.

»Ich suche einen Einstieg in die Funda­mente des Palasts«, sagte Baylamor, als er an dem Androiden vorbeiging.

»Viel Glück, mein Sohn!« kam die Ant­wort Aytilaas.

*

Baylamor war überrascht. Seine pessimi­stischen Ahnungen hatten sich glücklicher­weise nicht bewahrheitet. Fast fünfzig Meter unter der Erdoberfläche existierten noch völ­lig unbeschädigte Räume und Gänge. Hier brannte fast ausnahmslos die Notbeleuch­tung. Sofern die Lufterneuerungsanlagen die Gluthitze von der Oberfläche nicht ange­saugt hatten, herrschte hier unten normales Klima.

Baylamor überprüfte die Helminstrumen­te seines Raumanzugs. Die Werte zeigten normale Klimaverhältnisse an. Doch die Luftbeimengungen verrieten Baylamor, daß Giftgase von' der Oberfläche bis in diese Räume gelangt waren. Deshalb hielt er den Raumanzug geschlossen.

Er gab seine Entdeckung sofort an seine Mutter durch. Doch aus den Helmlautspre­chern kam nur ein verzerrtes Krächzen. Die stählernen Etagenebenen schränkten den Funkverkehr stark ein.

Also nicht, dachte Baylamor bei sich. Er ging geradewegs in den großen Vergnü­gungssaal hinein. In den Wandnischen spru­delten Springbrunnen. Kostbare Polster grenzten die einzelnen Sitzgruppen ab. Da­zwischen standen Programmierungspulte für die Lebensmittelpositronik. Von jedem Sitz­platz konnte man sich ein ganz individuelles Menü zusammenstellen. Die Zulieferung er­folgte über kleine Klappen, die dicht neben den Sessellehnen angebracht waren.

Baylamor ließ seinen Blick umherschwei­fen. Er nahm die auserlesenen Köstlichkei­

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ten gierig in sich auf. Er sortierte bereits aus, was er anschließend mitnehmen würde. Die kleinen goldenen Teller mit dem kristallenen Besteck reizten ihn ungemein. Er griff gierig danach. Dann erblickte er die Musikwürfel. Er berührte die kaum faustgroßen Objekte. Sie leuchteten sofort auf und pulsierten in einem hektischen Rhythmus. Die Akustik­sensoren seines Raumanzugs übertrugen die Musik über die Helmlautsprecher.

Baylamor hätte zu gern den Helm geöff­net, um die Speisepositronik auszuprobieren. Aber er fürchtete die verseuchte Luft. Er konnte es sich nicht leisten, fünfzig Meter unter der Ruinenlandschaft handlungsunfä­hig zu werden.

Die Bildschirme an den Wänden waren erloschen. Auf einigen Steuerpulten brann­ten Aktivierungslämpchen. Sie würden auch noch in hundert Jahren leuchten, denn die Speicherbatterien der unterirdischen Anla­gen enthielten ausreichend Energie.

Baylamor ließ die Musikwürfel los. Die Musik verstummte schlagartig. Es wurde wieder totenstill. Er hörte nur seinen eigenen Atem. Die geisterhafte Stille zerrte an seinen Nerven. Er ging langsam weiter. Er wußte, daß er hier unten keinem lebendigen Wesen mehr begegnen würde. Trotzdem ertappte er sich dabei, daß er mit der Rechten den Kol­ben seines Blasters berührte.

Plötzlich erstarrte er mitten in der Bewe­gung.

Unmittelbar vor ihm, zwischen hellgelb gefärbten Polstern, lag eine Frau. Sie ist tot, durchzuckte es Baylamor. Er umrundete die opulente Getränketafel mit ausgreifenden Schritten. Dann stand er vor der reglosen Gestalt. Die Frau hatte sich einen Schleier übers Gesicht gezogen. Ihre Finger, die sich in den feinen Stoff verkrallt hatten, waren mitten in der Bewegung erstarrt. Ihre edlen Gesichtszüge zeichneten sich geisterhaft un­ter dem Schleier ab. Das Weiß ihrer Augäp­fel schimmerte deutlich durch.

Sie ist noch jung, erkannte Baylamor. Mit einer entschlossenen Bewegung riß er den Schleier von ihrem Gesicht.

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Baylamor verzog angewidert den Mund, als er den geronnenen Blutfaden am Kinn der Toten bemerkte. Die Frau hatte sich ver­giftet. Winzige Glassplitter glänzten wie Tautropfen auf ihren bläulich angelaufenen Lippen. Ihre Augen starrten gebrochen ins Leere.

Warum mag sie sich getötet haben, fragte sich Baylamor. Sie war jung und äußerst reizvoll. Sie hätte nicht zu sterben brauchen, denn die Horden der Maahks waren nicht bis hierher vorgedrungen. Sie hätte den Angriff auf Kerratonkhs Palast überlebt, wenn sie sich hier unten eingeschlossen hätte. Die Atemluftreserven und die eingelagerten Le­bensmittelvorräte hätten für eine sehr lange Zeit ausgereicht. Sie hätte nur abzuwarten brauchen, bis die Maahks mit ihren Walzen­raumschiffen wieder von Kerratonkhs Planet gestartet waren. Über Hyperfunk hätte sie jederzeit ein Schiff von Arkon alarmieren können.

Welchen Grund kann sie für diesen Schritt gehabt haben? Baylamor geriet ins Grübeln. Der Tod stellte immer eine unab­wendbare Tatsache dar. Niemand war aus dem Jenseits zurückgekehrt. Keiner konnte sagen, ob etwas an den alten Legenden dar­an war, in denen von der Unsterblichkeit der Seele die Rede war. Baylamor hatte nie viel von diesen Geschichten gehalten. Dafür hat­te er den Tod viel zu oft kennengelernt. Sei­ne Grabplünderungen hatten ihn immer wie­der mit den grausamsten Erscheinungen konfrontiert.

Baylamor blickte die Tote lange nach­denklich an. Erst jetzt fiel ihm der kleine sil­berne Schlüssel auf, den sie zwischen den verkrampften Fingern festhielt. Es kostete ihn einige Mühe, die Finger zu lösen. Schließlich hielt er den Schlüssel in der Hand. Er hob ihn bis dicht vor seine Helm­scheibe. Als er die punktförmigen Markie­rungen aus Magnetstahl erkannte, pfiff er überrascht durch die Zähne.

Ein Allzweckschlüssel, durchzuckte es ihn. Er paßt zu allen Türen im Palast. Nor­malerweise besitzt nur der Eigentümer einer

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solchen planetaren Station Allzweckschlüs­sel dieser Art.

Wenn sie Kerratonkhs Frau war, stellte der Besitz eines solchen Schlüssels nichts Außergewöhnliches dar. Aber Baylamor er­innerte sich aus den Nachrichten, die unter den Raumfahrern kursierten, daß Kerratonkh nach dem Tode seiner Frau nicht wieder ge­heiratet hatte. Einer Geliebten hätte der Ad­lige diesen Schlüssel bestimmt nicht anver­traut.

Baylamor sah von der Toten weg. Er ließ seinen Blick über die Gehsteige schweifen, die sich zwischen den Polsterinseln erstreck­ten. Dicht vor einer Nischentür lag ein zer­splittertes Glas. Sie kam also durch diese Tür in den Saal, mutmaßte Baylamor.

Der Plünderer wurde vom Jagdfieber ge­packt. Er hatte schon oft solche Spuren re­konstruiert.

Schließlich war er immer wieder dort an­gelangt, wo die Schätze lagen. Rasch durch­schritt er den Saal. Er blieb vor der Tür ste­hen und steckte den silbernen Schlüssel in die Schloßöffnung. Er knackte, und die Tür schwang beiseite. Im dahinterliegenden Raum ging automatisch das Licht an.

Baylamor hielt erschrocken die Luft an. In der Mitte des runden Raumes lagen elf to­te Arkoniden. Sie waren durch Blasterschüs­se getötet worden.

*

Baylamor wußte sofort, daß diese Männer zur Palastwache Kerratonkhs gehörten. Ihre dunkelblauen Uniformkombinationen waren mit dem persönlichen Zeichen des Adligen versehen worden: Die Sonne mit dem Kome­tenschweif.

Baylamor erkannte ebenfalls sofort, daß diese Männer nicht von den Maahks getötet worden waren. Sie waren von einem arkoni­dischen Blaster ins Jenseits befördert wor­den.

Aber wer konnte seine eigenen Leute er­mordet haben, während die Maahks den Pla­neten im Würgegriff hielten? Die Rätsel wa­

ren noch größer geworden, wie sich Baylamor eingestehen mußte. Er dachte jetzt wieder an den halbverschmorten Androiden, der draußen auf dem Flugfeld vom Ende Kerratonkhs berichtete. Der Androide hatte behauptet, Kerratonkh befände sich auf dem Wege nach Hocatarr, um sich in der Helden­gedenkstätte KARSEHRA beisetzen zu las­sen. Kerratonkh war also tot. Ob sich die Frau und die Männer von der Palastwache selbst umgebracht hatten, weil sie keinen Sinn mehr zum Weiterleben sahen?

Aber wer hatte den toten Kerratonkh dann auf seiner letzten Reise begleitet?

Baylamor runzelte die Stirn, als er die ein­geschaltete Positronik erblickte. Derjenige, der diesen Raum als letzter verlassen hatte, war an den Schaltmechanismen gewesen. Dieser Arkonide konnte auch für den Tod der Männer hier verantwortlich sein. Baylamor erfaßte die Lage mit einem Blick. Auf dem Bildschirm der Positronik war im­mer noch das Ergebnis der letzten Hoch­rechnung eingeblendet. Dieses Ergebnis be­faßte sich mit der Lage, in der sich Kerra­tonkhs Planet während der Schlacht gegen die Maahks befunden hatte. Der Hochrech­nung sagte eindeutig aus, daß die Maahks den Kampf gewinnen würden. Sämtliche Anlagen auf der Planetenoberfläche waren vernichtet worden. Die Wachflotte existierte nicht mehr. Sogar das Flaggschiff war kampfunfähig geschossen worden. Die Po­sitronik sagte mit achtundneunzigprozenti­ger Sicherheit voraus, daß die Maahks den Planeten vernichten würden.

Wenn das kein Grund zur Panik ist, dach­te Baylamor.

Der Kartentank der Positronik war geöff­net. Es fehlte eine Karte.

Derjenige, der als letzter diesen Raum verlassen hatte, hatte die Position eines Pla­neten mitgenommen. Baylamor hatte auf einmal einen merkwürdigen Verdacht.

Wenn der Unbekannte nun Kerratonkh selbst gewesen war, so fügte sich jeder Mo­saikstein seiner bisherigen Kombinationen zu einem kompletten Ganzen. Kerratonkh

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war ein Feigling gewesen. Er hatte jeden of­fenen Kampf vermieden. Er hatte immer an­dere vorgeschickt. Bei seinen Söhnen war es nicht anders gewesen. Sie mußten den Ruf der Kerratonkhs am Hofe Orbanaschols ver­teidigen, während sich ihr Vater im Palast auf seinem Planeten vergnügte.

Kerratonkh hatte von der Positronik eine Hochrechnung erstellen lassen. Das Ergeb­nis war für ihn so niederschmetternd gewe­sen, daß er keinen anderen Ausweg als den Selbstmord gesehen hatte. Das erklärte auch den Tod der Palastwache. Kerratonkh hatte diese Männer selbst erschossen, weil sie das Unglaubliche verhindern wollten. Kerra­tonkh hatte die Position des Planeten Hoca­tarr abgerufen und sich in ein kleines Raum­schiff im Sicherheitshangar begeben. Dann mußte der Adlige seine Androiden umpro­grammiert haben. Sie sollten später bezeu­gen, daß ihr Besitzer im heldenmütigen Kampf gegen die Maahks gefallen war. Während ein Androide das Raumschiff durch die kämpfenden Linien steuerte – ein Schiff von geringer Größe kam eher durch die Ortung des Gegners –, hatte sich Kerra­tonkh vergiftet. Nach dem Ende seines Pla­neten wäre er für die arkonidische Gesell­schaft abgeschrieben gewesen. Kerratonkh hätte sich nirgendwo mehr blicken lassen können.

Kerratonkh wäre so oder so erledigt ge­wesen. Und da er den Selbstmord dem Hel­dentod vorgezogen hatte, wollte er wenig­stens den Namen seiner Familie reinhalten. Er wollte als Held in die KARSEHRA ein­gehen.

Baylamor lachte spöttisch auf. Das Ganze stand ihm plötzlich glasklar

vor Augen. Kerratonkhs Geliebte hatte nichts gegen den Entschluß ihres Herrn un­ternehmen können. Sie wäre allein im Stütz­punkt zurückgeblieben. Da sie ebenfalls mit der totalen Vernichtung des Planeten rech­nete, hatte sie keinen anderen Ausweg als den Freitod gesehen.

Aber eines hatte Kerratonkh vergessen. Baylamor mußte unwillkürlich grinsen, als

Dirk Hess

er die Hochrechnung vom Bildschirm lösch­te. Er berührte den Aktivierungsknopf des Klarschriftdruckers. Er wußte, daß von jeder Positionskarte ein positronisch gespeichertes Orginal existierte. Davon ließen sich belie­big viele Duplikate herstellen.

Ein Summen wurde hörbar. Auf dem Bildschirm erschienen dicht hintereinander navigatorische Symbole. Die Position des Planeten Hocatarr. Baylamor machte ein tri­umphierendes Gesicht. Seine feisten Lippen zitterten aufgeregt.

Dann ertönte ein Klicken. Im Kartentank erschien eine neue Programmkarte. Baylamor nahm sie hastig heraus. Er über­flog die positronischen Zeichen. Mit dieser kleinen Karte hatte er einen unbezahlbaren Schatz erbeutet. Die Karte war mehr wert als alle Reichtümer Kerratonkhs.

Baylamor besaß die galaktischen Positi­onsdaten der Totenwelt Hocatarr. Und der Plünderer wußte, daß dort Imperatoren aus der Frühzeit des arkonidischen Sternenreichs begraben worden waren. Wenn schon die Gruft eines einfachen Adligen große Reich­tümer enthielt, so mußten die Grabbeigaben eines Imperators unermeßlich sein.

Baylamcr war fest entschlossen, die To-tenwelt anzusteuern. Er verließ den Raum und kehrte schnell an die Oberfläche des Planeten zurück, um seiner Mutter von dem sensationellen Fund zu berichten.

2.

Auf Kraumon ging alles seinen geregelten Lauf.

Ich war endlich wieder zu Hause. Dabei war der Begriff »zu Hause« längst relativ für mich geworden. Im Grunde war ich überall dort zu Hause, wo sich auch meine Freunde aufhielten. Mein richtiges Zuhause hatte ich damals verloren, als die Verschwörer von Arkon meinen Vater ermordeten.

Ich war entschlossen, dem Treiben des Usurpators ein Ende zu bereiten. Das war al­les andere als leicht. Orbanaschol besaß alle Machtmittel, die nun mal einem Herren über

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ein riesiges Sternenreich zur Verfügung standen. Dazu gehörten Flottenstützpunkte, viele tausend Schiffseinheiten mit der mod­ernsten Bewaffnung, die die arkonidische Technologie zu bieten hatte, ein Millionen­heer von bestausgebildeten Raumsoldaten, mehrere Serien von nahezu perfekten Kampfrobotern, ein gut funktionierender Geheimdienst und zahlreiche Gefängnisse.

Nur mit Schaudern dachte ich an die Schreckenszeilen von Torren-Box. Die Fol­terknechte des Imperators quälten dort die politischen Widersacher Orbanaschols zu Tode. Torren-Box war ein Ort des Schreckens, von dem es kein Entrinnen mehr gab. Wurde ein Verurteilter erst mal nach Torren-Box gebracht, so bestand keine Aussicht mehr für ihn, jemals wieder in die arkonidische Gesellschaft zurückzukehren.

Du vergißt die fünf Greise aus dem Glaa­than-System, erinnerte mich mein Extrasinn. Sie konnten damals von Torren-Box fliehen.

Die fünf Greise lebten jetzt auf Kraumon. Sie hatten sich in den Bergen ein Fertighaus einrichten lassen. Ich hatte lange nichts mehr von ihnen gehört. Sie waren auch nicht bei meiner Landung erschienen. Trotzdem wußte ich, daß es ihnen gutging. Sie waren die einzigen, denen die Flucht aus dem Raumgefängnis gelungen war. Ich kannte sonst niemanden, der Torren-Box lebend überstanden hatte.

Was hatte ich also gegen die geballte Schlagkraft des Diktators zu bieten?

Ich besaß den unbeugsamen Willen, eines Tages mit dem Mörder meines Vaters abzu­rechnen. Wenn es soweit war, würde ich den Thron von Arkon beanspruchen. Ich war der Kristallprinz – mir gebührte die Nachfolge.

Und ich besaß eine Handvoll treu ergebe­ner Freunde. Ich bezweifelte, daß Orbana­schol im Ernstfall auf so zuverlässige Män­ner zurückgreifen konnte. Orbanaschol re­gierte durch Angst und Schrecken. Er nutzte die Schwächen und Leidenschaften seiner Untertanen skrupellos aus. Er spielte einen gegen den anderen aus, wenn es darum ging, die persönliche Macht zu vergrößern oder zu

festigen. Am Hof war jeder der Feind des anderen. Der Schwache trat den Nächst­schwächeren. Es war ein System des Schreckens. Aber es funktionierte.

Trotzdem war ich optimistisch. Fartuloon, der Leibarzt meines ermordeten Vaters, ent­wickelte gerade eine neue Strategie. In we­nigen Tagen würden wir Kraumon verlas­sen, um Orbanaschol zu attackieren. Morvo­ner Sprangk übernahm dann das Kommando über meinen Stützpunkt Kraumon. Er gehör­te noch zu jenen Kämpfern, die meinem Va­ter den Treueid geschworen hatten. Corpkor, der ehemalige Kopfjäger Orbanaschols, mußte seine Verletzungen auskurieren, die er in der Eisigen Sphäre der Varganen erlit­ten hatte. Später würde er mir jedoch wieder zusammen mit seiner Tierarmee zur Verfü­gung stehen. Corpkor war und blieb ein Meister der Tierpsychologie. Wenn ihm ei­ner das Wasser reichen konnte, war das höchstens noch Ra, der Barbar vom grünen Planeten. Ra besaß den naturhaften Instinkt eines Wilden. Dann war da noch Eiskralle, der Chretkor.

Ich saß im Wachturm am Landefeld. Die Panoramascheibe gestattete mir einen Aus­blick über die Hallen, Versorgungsbunker, Reparaturwerften und Startschächte. Mein Stützpunkt hatte sich verändert. Während unserer Odyssee durch den Mikrokosmos hatte Morvoner Sprangk den Ausbau weiter vorangetrieben.

Ich suchte irgend etwas. Ich hatte die gan­ze Zeit über etwas ganz Bestimmtes vorge­habt.

Ein schepperndes Geräusch unterbrach mich in meinen Gedanken.

Das war Vorry, signalisierte mir mein Ex­trasinn. Er wollte zu dir in den Turm kom­men und hat die schmale Leiter zum Ein­sturz gebracht.

Ich mußte unwillkürlich grinsen. Der Ma­gnetier hatte eine Abneigung gegen Fahr­stühle und Antigravschächte. Er zwängte sich immer wieder über schmale Leitern und durch enge Versorgungsschächte. Sein frem­der Metabolismus war mir immer noch ein

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Rätsel. Ich hatte sein Ei im All treibend ge­funden. Hätte ich damals gewußt, was eines Tages aus diesem Ei ausschlüpfen sollte, ich hätte es damals vielleicht nicht einge­schleust. Trotz aller Schwierigkeiten, die uns Vorry schon zugefügt hatte, war er uns allen aber ans Herz gewachsen. Unter seiner rauhen Schale verbarg sich ein sensibler Geist. Auch seine schreckliche Stimme konnte nicht darüber hinwegtäuschen. Vorry ernährte sich immerhin von Metallen aller Art.

Von unten tönte ein schrilles Kreischen herauf. Vorry zerteilte gerade die schmale Metalltreppe in freßgerechte Portionen.

Ich schaltete einen Überwachungsbild­schirm ein. Sekunden später erkannte ich das Ausmaß der Zerstörung, die Vorry ange­richtet hatte. Der schwarze Körper des Ma­gnetiers kauerte auf der zerstampften Trep­pe. Gierig schob er die zerkleinerten Stahl­spanten in sein breites Maul. Plötzlich hielt Vorry inne. Seine kleinen, gelben Augen hefteten sich auf die Aufnahmekamera.

»Du beobachtest mich also schon wie­der«, kam es grollend aus dem Lautsprecher. »Hast du unsere Verabredung vergessen? Du hast mir doch versprochen, zum Metall­berg am großen See zu starten. Ist ein Kri­stallprinz so vergeßlich?«

»Du hast recht, Vorry! Tut mir leid. Wir müssen unseren Ausflug auf ein anderes Mal verschieben. Außerdem bedienst du dich ge­rade selbst.«

Vorry grunzte vor Wohlbehagen. Er stopfte die Metallbruchstücke nur so in sich hinein. Ich konnte ihm einfach nicht böse sein. Wenn sich Fartuloon beim Anblick ei­nes köstlichen Mahls schon nicht mehr be­herrschen konnte, warum sollte ich dann von Vorry mehr verlangen? Der Magnetier sah in jedem metallischen Objekt einen Lecker­bissen.

Vorry hatte mich auf recht drastische Weise an einen geplanten Ausflug in die Bergwelt von Kraumon erinnert.

Jetzt wußte ich, was mich die ganze Zeit über beunruhigt hatte. Ich vermißte Ischtar.

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Die Varganin war mit meinem Sohn Chapat verschwunden.

Ich stellte die Verbindung zu Fartuloon her. Auf dem Bildschirm verschwand der Anblick Vorrys. Dafür erschien eine sparta­nisch eingerichtete Zelle. Der Raum befand sich tief unter der Oberfläche des Stütz­punkts. Der Lautsprecher knackte.

»Ja, Atlan … was gibt's?« fragte Fartu­loon.

»Hast du eine Ahnung, wo sich Ischtar gerade aufhält? Ich empfange die telepathi­schen Impulse meines Sohnes schon lange nicht mehr.«

»Dann will er im Augenblick nichts von dir wissen«, meinte Fartuloon grinsend. »Sowas soll zwischen Vater und Sohn vor­kommen.«

Fartuloon lachte. Für ihn war die Angele­genheit erledigt. Ischtar und Chapat überließ er lieber mir. Außerdem war ihm mein Sohn, der in der Gestalt eines neugeborenen Babys mehr Wissen und Geisteskräfte als je­der Erwachsene besaß, unheimlich.

Bevor ich die Verbindung unterbrach, er­kundigte ich mich nach dem Befinden unse­rer unfreiwilligen Gäste. Fartuloon ließ die Aufnahmeoptik zur Zelle abschwenken. Ich erkannte Parim und seine Clique auf der Pritsche. Parims Gesicht war zu einer wü­tenden Fratze verzerrt. Der Offizier des ar­konidischen Geheimdienstes hatte ursprüng­lich die Aufgabe, den Informationshandel auf Varlakor zu zerschlagen. Daß wir an ihn geraten waren, war reiner Zufall gewesen. Um von Varlakor wegzukommen, hatten wir uns seines Raumschiffs bedient. Parim und die anderen gerieten schließlich, nachdem wir ihre Gefangenen gewesen waren, in un­sere Gewalt.

»Sie schweigen«, meinte Fartuloon la­chend, »aber nicht mehr lange. Ich werde al­les aus ihnen herauskriegen, was uns bei späteren Aktionen gegen Orbanaschol nütz­lich sein kann.«

Der Bauchaufschneider würde Wort hal­ten. Er kannte genügend Tricks, um selbst den Widerstandsfähigsten zum Reden zu

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bringen. »Weiterhin viel Spaß«, meinte ich sarka­

stisch und schaltete ab. Ich starrte durch die Panoramascheibe

nacn draußen. Eben fuhr ein Lastengleiter vorüber und verschwand in einem Werfthan­gar. Der Blick auf die Bergwelt war von Wolken verschleiert. Der Wind trieb eine Regenfront näher. In einer knappen Stunde würde es regnen.

Du hast Angst, Ischtar würde dich verlas­sen, pulste mein Extrasinn mit schmerzhaf­ter Intensität.

Das stimmte haargenau. Ischtar war in den vergangenen Tagen sehr einsilbig gewe­sen. Sie ging mir aus dem Weg und küm­merte sich nur noch um unseren gemeinsa­men Sohn. Ich wurde das ungewisse Gefühl nicht los, Chapat würde seine Mutter terrori­sieren. Ich hätte ' schwören können, daß er irgendeinen geheimnisvollen Zwang auf Ischtar ausübte. Das war plausibel, wenn man die unglaublichen Fähigkeiten des Ba­bys berücksichtigte.

Vielleicht weiß Morvoner Sprangk, wo Ischtar geblieben ist.

Als Stützpunktleiter würde er mir sicher mehr sagen können. Er kontrollierte sämtli­che Gleiter. Er wußte alles, was im Stütz­punkt vor sich ging.

Als ich Morvoner Sprangk über Interkom ausrief, startete ein Einmanngleiter. Das kleine Fahrzeug beschrieb eine elegante Wende und schoß dann mit zunehmender Geschwindigkeit schräg nach oben in den dunstigen Himmel. Ein entgegenkommender Lastengleiter mußte ein Ausweichmanöver fliegen. Um ein Haar wären die beiden zu­sammengestoßen.

»He, Morvoner … welcher Idiot hat eben den Gleiter gestartet?«

Ein trockenes Husten kam aus dem Laut­sprecher. Im gleichen Augenblick erschien das narbige Gesicht des alten Raumsoldaten auf dem Bildschirm. Die roten Augen Mor­voner Sprangks funkelten spöttisch, als er mir antwortete: »Wenn einer von euch so riskante Manöver fliegt, dann solltest du

wissen, wer das ist. Ra hat sich vorhin einen Gleiter geschnappt und alle Minikomanrufe mißachtet. Er reagiert auch jetzt nicht auf unsere Funksprüche.«

Ra begehrt immer noch Ischtar, gab mir mein Extrasinn zu bedenken. Er hat sich niemals damit abgefunden, daß sie dir einen Sohn schenkte. Wenn Ra sich jetzt so regel­widrig verhält, bangt er ebenfalls um Ischt­ar.

»Vielleicht sucht er Ischtar«, meinte ich gedankenvoll.

»Was?« »Ach, nichts«, entgegnete ich. »Wenn je­

mand etwas von mir will, so richte ihm aus, ich sei für die nächsten Stunden nicht zu sprechen.«

Bevor Morvoner Sprangk seinem Erstau­nen Ausdruck verleihen konnte, hatte ich die Bild-Sprech-Verbindung abgeschaltet. Ich sprang über den Treppenabsatz in den schmalen Schacht, ergriff den Rest des Treppengeländers und schwang mich mit ei­nem Satz über die Stelle, die Vorry mit sei­nen ungeheuren Kräften zum Einsturz ge­bracht hatte.

Der Magnetier ließ sich bei seinem gro­tesken Mahl nicht stören. Er knurrte nur un­willig, als ich an ihm vorbeihastete.

Ich war fest entschlossen, Ra mit einem Gleiter einzuholen. Ich wußte zwar nicht, wo Ischtar in diesem Augenblick steckte, aber ich war sicher, daß mich der unfehlbare Instinkt des Barbaren Ra zu ihr führen wür­de.

*

Auf dem Instrumentenpult des Gleiters blinkte ein Lämpchen. Irgend jemand wollte mit mir sprechen. Vermutlich Fartuloon, der von meinem überstürzten Aufbruch Kennt­nis erhalten hatte. Aber ich schaltete das Funkgerät nicht ein. Ich starrte verbissen auf den Ortungsschirm. Eben senkte sich der kleine grüne Punkt, der Ras Gleiter darstell­te, herab und verhielt sich bewegungslos. Ein Pfeifen ertönte, und der grüne Punkt

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pulsierte in einem kurzen Rhythmus. Er ist gelandet, meinte mein Extrasinn da­

zu. Was sucht er hier oben in den Bergen,

fragte ich mich unruhig. Ischtar kann un­möglich mit dem kleinen Chapat in diese Höhe geflogen sein. Ich warf einen Blick auf den Höhenmesser. Ich schwebte in genau sechstausend Meter Höhe. Unter mir trieb eine Gewitterfront vorbei. Ab und zu kam eine vereiste Bergspitze in Sicht. Die kahlen Felsen ragten wie Inseln aus dem Wolken­meer.

Oder ist sie doch auf einen von diesen vereisten Gipfeln geflogen?

Ich hielt mit unverminderter Geschwin­digkeit auf den gelandeten Gleiter zu. Was bisher nur ein kleiner, grüner Punkt auf dem Ortungsschirm gewesen war, ließ sich jetzt durch die Sichtscheibe als Ras Gleiter aus­machen. Der Barbar war in einer windge­schützten Felsenmulde gelandet. Ich stoppte die Fahrt meines Gleiters ab und ging dicht neben dem anderen Fahrzeug nieder. Ich verankerte die Landekufen und riß das seitli­che Luk auf.

Ich prallte entsetzt zurück. Heulender Sturmwind drang in die enge Kapsel ein. Eiskristalle wehten herein. Er wurde schlag­artig kalt. Ich zog den Magnetsaum meiner Kombination hoch. Dann setzte ich vorsich­tig den rechten Fuß ins Freie. Die Felsen waren völlig vereist. Die geringste Unvor­sichtigkeit, und ich würde in eine Fels- oder Gletscherspalte stürzen.

Das Ganze wurde mir immer rätselhafter. Hier oben gab es keine wilden Tiere, die

Ra jagen konnte. Ra wußte also, daß Ischtar hier oben war. Ich wurde immer unruhiger. Ich fürchtete, daß Chapat etwas zustoßen könnte. Die Witterung war rauh, und ohne Schutzkleidung hielt man es hier oben höch­stens eine Stunde aus.

Ich fröstelte und rieb mir die Hände. Die Eiskristalle brannten in den Augen. Kleine Atemwölkchen verwehten vor meinem Ge­sicht. Ich sah mich suchend um. Unmittelbar vor mir teilten sich die Felsen. Ein schmaler

Dirk Hess

Durchbruch erstreckte sich über fast hundert Meter zu einem benachbarten Felsplateau. Dazwischen wirbelten Eiskristalle einen flir­renden Reigen.

Vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den anderen.

Er ist kurze Zeit vor dir hier durchgegan­gen, signalisierte mir mein Extrasinn.

Im verharschten Schnee zeichneten sich die Stiefelabdrücke Ras ganz deutlich ab. Er hatte den schmalen Durchgang durchquert und hielt sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem benachbarten Plateau auf.

Dann hättest du Ischtar von oben sehen müssen.

Mein Extrasinn hatte recht. Von oben war außer dem Gleiter nichts anderes zu sehen gewesen. Ich fragte mich, wie Ischtar hier­her gelangt war. Ich hätte wenigstens ihr Fahrzeug entdecken müssen. Ob Ra einen anderen Anhaltspunkt bei seiner Suche hatte als ich?

Die Felswände waren von glitzernden Adern durchzogen. Plötzlich machte der Gang einen Knick. Ich mußte mich bücken, um weitergehen zu können. Rechts von mir ging es steil abwärts. Ein spiegelglatter Hang fiel mindestens fünfhundert Meter ab­wärts. Ich schauderte, als sich unter meinen Stiefelspitzen kleine Eisbröckchen lösten und in die Tiefe rutschten.

Links ging es in eine weiträumige Höhle. Du bist nicht allein, warnte mich mein

Extrasinn. Die Gesuchten befinden sich in der Höhle.

Wie eine Bestätigung dessen, was mein Extrasinn meldete, ertönte unweit von mir Ras kehlige Stimme. Der Barbar redete var­ganisch. Also war Ischtar bei ihm. Die alte Rivalität erwachte wieder in mir. Ra war wieder mein Nebenbuhler, der die Goldene Göttin begehrte. In diesem Augenblick dachte ich nicht mehr an die Abenteuer, die wir gemeinsam erlebt hatten. Ich dachte nur noch an Ischtar und die Liebe, die uns einen Sohn geschenkt hatte. Ich ignorierte die Tat­sache, daß Ra die Varganin lange vor mir kennengelernt hatte.

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17 Duell auf der Totenwelt

Ein Telepathieimpuls von unglaublicher Stärke ließ mich innehalten.

Das war mein Sohn Chapat. Er hatte na­türlich längst mein Kommen gespürt. Aber er begrüßte mich nicht in der gewohnten Weise. Er begnügte sich damit, mich seine Stärke fühlen zu lassen. Meine ursprüngli­che Vermutung, daß Chapat längst die Wei­sungen für Ischtars Verhalten gab, fand neue Nahrung.

Ein telepathisches Lachen gellte durch mein Bewußtsein. Ich verzog das Gesicht und strich mir über die pochenden Schläfen. Chapat war meinen Gedanken gefolgt. Das ärgerte mich ungemein. Aber ich machte keinerlei Anstrengungen, mein Bewußtsein vor ihm zu verschließen. Ich sorgte mich um Ischtar. Deshalb drang ich vorsichtig tiefer in die Höhle ein.

Ras Stimme klang dumpf. Die Höhlen­wände warfen jeden Laut als Echo zurück.

Schräg über mir öffnete sich ein kreis­runder Kamin. Die Wände waren rissig. Eis­zapfen hingen an den Spalten. Der Sturm wehte ständig Eisflocken herein. Da blitzte es dicht vor mir metallisch auf. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit ge­wöhnt hatten, erkannte ich den Gleiter wie­der, mit dem Ischtar in den vergangenen Ta­gen mehrmals gestartet war. Die Luke war geschlossen, und die Aggregate waren abge­schaltet worden.

Als ich das Fahrzeug umrundet hatte, sah ich die Gesuchten endlich vor mir. Durch kleine Felslöcher drang Licht in den Hohl­raum. Bizarre Tropfsteine hingen von der Decke herunter. Unter diesen frostbereiften Gebilden hockte Ischtar mit überschlagenen Beinen am Boden. Sie hielt Chapat auf dem Schoß. Das Kind verhielt sich ganz still. Ich war jedoch sicher, daß es mich und Ra tele­pathisch überwachte.

Eben schrie Ra ungeduldig auf: »Du bleibst bei mir, Ischtar! Ich lasse dich nicht weggehen. Und wenn ich dich töten müßte!«

Ischtar reagierte überhaupt nicht darauf. In ihren großen, golden schimmernden Au­gen stand eine unsagbare Traurigkeit. Sie

sagte keinen einzigen Ton, sondern starrte nur ins Leere.

Dafür sprang ich zwischen sie und Ra. Der Barbar funkelte mich überrascht an. Während Ischtar meine Anwesenheit sicher schon lange erkannt hatte, war Ra von mei­nem Auftauchen vollkommen überrascht worden.

»Was suchst du hier, Atlan? Du hättest Ischtar niemals von allein gefunden. Du bist mir gefolgt. Ohne mich hättest du sie hier oben sterben lassen. Du verdienst die Golde­ne Göttin nicht.«

Ich nagte an meiner Unterlippe. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich verstand Ras Erregung sehr gut, konnte sei­nen Gefühlsausbruch aber nicht entschuldi­gen.

Und erst jetzt wurden mir die Worte des Barbaren völlig klar. Ischtar wollte uns ver­lassen. Meine Befürchtungen, die ich tage­lang beiseite gedrängt hatte, hatten sich be­stätigt.

»Ra muß sich irren«, stieß ich hervor. »Sag mir, daß er unrecht hat!«

Sekundenlang glaubte ich, in Chapats Au­gen ein spöttisches Funkeln zu erkennen. Dann wandte der Kleine abrupt sein Gesicht von mir ab.

»Ischtar«, begann ich von neuem, »sag mir endlich, was das alles zu bedeuten hat! Ich will wissen, warum du dich in diese Ein­samkeit geflüchtet hast.«

Die Varganin hob langsam den Kopf. Ihn ihre goldenen Augen trat ein flehender Aus­druck. Ich gewann immer mehr den Ein­druck, daß sie unter einem unheimlichen Bann stand.

»Ich verlange eine klare Antwort, Ischt­ar!«

»Die kannst du haben, Atlan. Ich kann es nicht ewig hinausschieben. Ich muß endlich den Mut dazu haben, dir und Ra meinen Entschluß mitzuteilen. Ich muß euch alle verlassen. Es tut mir leid, aber ich sehe kei­nen anderen Ausweg.«

In mir brach eine Welt zusammen. Ischtar wollte mich verlassen! Ich schüttelte den

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Kopf. Nein, das durfte die Varganin mir nicht antun.

Im gleichen Augenblick stieß Ra einen tierischen Schrei aus. Der Barbar trat gegen einen mächtigen Tropfstein. Er spaltete ihn und hob ihn mit Leichtigkeit auf. Sekunden später schwang er den schenkeldicken Stein wie eine Waffe durch die Luft.

Ich sprang geistesgegenwärtig zurück. In Ras Augen leuchtete Mordlust. Er will dich töten, warnte mich der Extrasinn. Er ist der irrigen Meinung, Ischtar durch deinen Tod an sich fesseln zu können.

*

Ra wirbelte den schweren Tropfstein ge­schickt durch die Luft. Er hielt das dumpfe Ende mit beiden Händen umklammert. In­dem er mehrmals um die eigene Achse wir­belte, brachte er noch mehr Schwung in sei­nen Angriff.

Jetzt kam das spitze Ding auf mich zu. Ich duckte mich. Dicht über meinem Kopf ruck­te der Tropfstein hinweg.

»Das ging daneben«, frohlockte ich. Als Ra neben mir die Felswand mit dem

Stein streifte, brach die Spitze der gefährli­chen Waffe ab. Der Barbar gab einen grol­lenden Laut von sich. Die Stammesnarben auf seiner breiten Stirn pulsierten. Ich wußte sofort, daß Ra jetzt keinem vernünftigen Ar­gument mehr zugänglich war. Er würde bis zum Tod kämpfen.

Aber ich wollte Ra nicht töten! Wenn ich das vorgehabt hätte, brauchte

ich jetzt nur meinen Blaster zu ziehen und abzudrücken. Aber Ra durfte nicht sterben. Er gehörte zu meiner Mannschaft, und ich verzichtete nur ungern auf seine Dienste.

»Aiiieeee!« Ras Kampfschrei dröhnte durch die Berg­

höhle. Der Barbar stürmte mit dem stumpfen Ende des Tropfsteins genau auf mich zu. Er benutzte das Ding als Rammbock, um mir die Brustplatte zu zerschmettern.

Ischtar hatte sich aufgerichtet. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit geöffnet. Sie hielt

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Chapat dicht an sich gepreßt. »Nehmt endlich Vernunft an«, stieß sie

erregt hervor. »Ihr könnt mich nicht festhal­ten. Ich werde euch verlassen, ob ihr euch gegenseitig umbringt oder nicht.«

Ra schien sie nicht zu hören. Er hielt kurz inne und funkelte mich zornig an. Sein Mund verzerrte sich, als er erneut den Kampf schrei seiner steinzeitlichen Sippe ausstieß. So hatte Ra dem gefährlichen Wollnashorn gegenübergestanden, nur einen Faustkeil in der Rechten und das unerschüt­terliche Vertrauen auf seine Kraft und Ge­wandtheit im Bewußtsein.

Ich duckte mich blitzschnell ab und unter­lief den losstürmenden Barbaren. Dabei er­wischte ich beide Beine meines Gegners. Ra gab einen verblüfften Ausruf von sich, als ich seine Knöchel mit stählernem Griff um­faßte. Ich ließ nicht mehr los, sondern riß ihn mit einem Ruck auf den Boden. Dabei verlor er den Tropfstein. Das Ding krachte haarscharf neben mir auf den Boden und zersplitterte.

»Jetzt stehen die Chancen schon besser«, sagte ich. »Du sollst mich kennenlernen, Barbar!«

Während ich ihn mit einem Bein am Bo­den niederhielt, langte ich mit der Rechten nach seiner Schulter. Ich bekam ihn am Auf­schlag seiner Kombination zu fassen und riß ihn hoch. Gleichzeitig schmetterte ich ihm meine Linke vors Kinn.

Ich ließ meinen Gegner schweratmend los. Aber Ra schüttelte nur benommen den Kopf. Er kam schwankend hoch und schnellte mit unvermuteter Geschwindigkeit auf mich zu.

Ich ließ ihn aber nicht erst an mich heran­kommen. Ich streckte meinen Arm aus und packte ihn zwischen Schulter und Schlüssel­bein. Mein Daumen preßte sich in die Kno­chenvertiefung. Ich wußte, daß der Dagor-Griff augenblicklich wirkte. Ra blieb stehen, als wäre er gegen eine Wand geprallt, dann sackte er ohnmächtig in sich zusammen. Ich fing seinen schlaff werdenden Körper mit beiden Armen auf und hielt ihn fest.

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19 Duell auf der Totenwelt

Ischtar war unserer Auseinandersetzung voller Abscheu gefolgt. Sie schwankte zwi­schen Zorn und Selbstmitleid. Aber sie wuß­te auch, daß sie an unserem Streit schuld war.

Ich sah sie lange nachdenklich an. Ich liebte diese Frau immer noch. Ich konnte sie nicht hassen. Deshalb sagte ich nur knapp: »Folge mir in den Stützpunkt, Ischtar. Bevor du uns verläßt, solltest du uns eine Erklä­rung abgeben.«

*

Ischtar hatte sich nicht einmal eine Minu­te von Chapat getrennt. Sie hielt das Kind in den Armen und strich ihm mehrmals beruhi­gend über die Stirn. Mir war aufgefallen, daß die Schläfenadern des Kleinen unnatür­lich weit abstanden. Ich sah das Blut in ih­nen pulsieren.

Ersteht unter starker Anspannung, meinte mein Extrasinn dazu.

Ich wäre jede Wette eingegangen, daß Chapat mit seiner Mutter in ständigen tele­pathischen Kontakt stand. War er es wo­möglich, der sie zum überraschenden Auf­bruch veranlaßt hatte?

Um das herauszufinden, war es bereits zu spät.

Ischtar stand vor der Schleuse des sechzig Meter großen Kugelraumschiffs, das wir für sie ausgerüstet hatten. Die Besatzung erhielt von mir persönlich den Auftrag, alles für Ischtar zu tun und sie überall dorthin zu bringen, wohin sie wollte.

Gresta Hankort war ein erfahrener Raum­mann. Er war noch nicht lange bei uns. Aber Morvoner Sprangk kannte ihn sehr gut. Das genügte für mich, um diesem Mann vorbe­haltlos zu vertrauen.

»Ich darf dich also nicht begleiten?« Ischtar schüttelte den Kopf. »Willst du mir nicht wenigstens sagen,

weshalb du Kraumon verlassen willst?« »Von wollen kann nicht die Rede sein,

Atlan. Ich muß mit Chapat ins All starten. Es bleibt mir gar keine andere Wahl. Dein Sohn

hat eine Entwicklungsstufe erreicht, die be­sondere Maßnahmen erfordert. Ich muß ihn auf eine Welt bringen, auf der er unter ange­brachten Bedingungen aufwachsen kann.«

Ischtar sprach meiner Meinung nach in Rätseln. Das Ganze war doch absurd. Wa­rum konnte Chapat nicht auf Kraumon auf­wachsen. Uns stand jeder technische Kom­fort zur Verfügung, den man sich nur den­ken konnte.

»Kraumon ist eine ideale Welt, um Cha­pat erwachsen werden zu lassen«, begann ich ohne viel Hoffnung, Ischtar doch noch umstimmen zu können. »Wie sehen die von dir zitierten Bedingungen aus, unter denen Chapat aufwachsen soll?«

»Ich könnte dir jetzt einiges über vargani­sche Entwicklungsprozesse verraten, Atlan. Aber du würdest doch nur nach einer Mög­lichkeit suchen, mich in deiner Nähe zu be­halten. Aber gerade das ist unmöglich. Wir müssen uns wegen Chapat trennen.«

Ich zog sie mit einem Ruck näher. Jetzt trennte uns nur noch Chapat, den sie mit der Linken an sich preßte. Ich mußte lächeln. Es war ein ironisches Lächeln, das sie sofort richtig deutete.

»Ja, Atlan … dein Sohn steht zwischen uns beiden.«

Jemand war lautlos hinter mich getreten. Es war Fartuloon. Der Bauchaufschneider legte mir seine Hand auf die Schulter.

»Quäl dich nicht unnötig, Atlan. Ischtar hat sich entschlossen, noch in dieser Stunde zu starten. Du wirst sie nicht umstimmen können.«

»Ich kann sie nicht umstimmen.« Ich hob erneut den Kopf und sah Ischtar in die Au­gen. »Leb wohl! Paß auf Chapat auf. Wenn du die Zeit für gekommen hältst, gib mir ein Lebenszeichen. Ich werde der erste sein, der zu dir kommt.«

»Das weiß ich, Atlan! Eines Tages wer­den wir uns wiedersehen.«

Dann drehte sie sich um und betrat das kleine Kugelraumschiff. Ohne sich noch ein­mal umzudrehen, verschwand sie in ihrer Kabine. Gresta Hankort legte grüßend die

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Rechte an die Stirn. Dann schloß er die äu­ßere Schleusentür.

»Wir gehen in den Stützpunkt zurück«, meinte Fartuloon.

Doch ich beachtete den Bauchaufschnei­der nicht. Meine Gedanken weilten bei Isch­tar, der Goldenen Göttin. Als ich mich zum Gehen umwandte, hob das Schiff mit Hilfe seiner Antigravprojektoren vom Boden ab. Es wurde schneller und verschwand am wol­kenbedeckten Himmel. Wenig später schal­tete Gresta Hankort die Impulstriebwerke ein. Das Brausen ließ den Luftraum über un­serem Stützpunkt erzittern, und ganz weit oben verschwand ein leuchtender Stern.

Weit hinten auf der freien Startbahn er­blickte ich eine einsame Gestalt. Ra hatte den Start Ischtars ebenfalls beobachtet. Er stand da, den Kopf in den Nacken gelegt und die Arme schlaff herunterhängend. Er starrte aus brennenden Augen in die Höhe. Er verharrte fast zehn Minuten völlig re­gungslos.

Genauso mußte Ra damals hinter dem Doppelpyramidenraumschiff hergesehen ha­ben. Damals, als Ischtar den grünen Planeten der steinzeitlichen Jäger besucht und Ra zu sich ins Schiff gelockt hatte. Der erste Be­richt des Barbaren stand plastisch vor mei­nem geistigen Auge. Ich konnte mich ganz deutlich an die Szenen erinnern, die Ra uns geschildert hatte, bevor wir Ischtar über­haupt kennengelernt hatten. Ich war von An­fang an von dieser Frau fasziniert gewesen. Ra war es nicht anders gegangen. Er liebte sie mit dem Ungestüm eines Barbaren. Ich aber hatte zwischen Ischtar und mir eine Art Seelenverwandtschaft entdeckt. Ischtar hatte mir bestimmt nicht grundlos einen Sohn ge­schenkt.

Plötzlich zuckte ich zusammen. Ein ste­chender Schmerz durchfuhr mein Innerstes.

Das ist Chapat, meinte mein Extrasinn. Er verabschiedet sich auf seine Weise von dir.

Ein höhnisches Gelächter raste durch mein Bewußtsein. Chapat hatte mein Be­wußtsein angepeilt und die telepathischen

Dirk Hess

Impulse direkt in meine Gedanken abge­strahlt. Die anderen hörten nichts. Sie inter­pretierten mein merkwürdiges Verhalten als Schmerz über die Trennung von der Varga­nin.

Schließlich verstummten die telepathi­schen Impulse. Um mich herum wurde es to­tenstill. Die anderen waren schon in den Stützpunkt zurückgekehrt. Sie wußten, daß ich jetzt allein sein wollte.

3.

Ich war eine Woche ziellos durch die Wälder von Kraumon gestreift. Jetzt kehrte ich zu Fuß zum Stützpunkt zurück. Ich trug nur einen einfachen Lederschurz. Im Gürtel steckte ein Vibratordolch. Das war die einzi­ge Waffe, die ich die ganzen Tage bei mir gehabt hatte. Ich war von der Sonne braun­gebrannt. Die Dornen, die in den Fußsohlen steckten, nahm ich schon gar nicht mehr wahr. Ich fühlte mich prächtig. Ich hatte wil­de Tiere gejagt und gefährliche Schluchten durchquert.

Mit jedem Tag, der verstrich, verblaßte die Erinnerung an die letzten Tage. Der Schmerz über die abrupte Trennung von Ischtar verschwand. Jetzt brannte ich darauf, meinen Kampf gegen Orbanaschol fortzuset­zen.

Vor dem Ausrüstungshangar sah ich die CRYSALGIRA stehen. Das hundert Meter große Kugelraumschiff wurde beladen. Klei­ne Lastengleiter schwebten mit Ersatzteilen bis zu den oberen Schleusen hinauf. Es war ein ständiges Kommen und Gehen.

Langsam ließ ich die erlegte Graufell-Ga­zelle zu Boden gleiten.

Fartuloon läßt die CRYSALGIRA startbe­reit machen, stellte ich verblüfft fest. Was mochte der Bauchaufschneider vorhaben? Er wollte doch nicht etwa ohne mich von Krau­mon ins All starten?

Bevor ich mir die Gazelle wieder über die Schulter werfen konnte, rauschte es hinter mir auf. Ich drehte mich erschrocken um.

»Der Kristallprinz beehrt uns wieder!«

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21 Duell auf der Totenwelt

kam es aus dem Außenbordlautsprecher des Personengleiters. Ich erkannte sofort Fartu­loons Stimme wieder. Der Bauchaufschnei­der landete dicht vor mir.

»Komm endlich rein. Wie ich sehe, hast du mir einen Braten mitgebracht!«

Ich verzichtete auf eine Antwort und stieg durch das aufgleitende Luk ins Innere des Gleiters. Fartuloon drehte sich lachend zu mir um. Ra war auch anwesend. Der Barbar grinste übers ganze Gesicht. Er schien unse­ren Zweikampf vollkommen vergessen zu haben.

»Du hast mir immer versprochen, mich auf die Jagd mitzunehmen«, begann der Bar­bar. »Wir hätten den ganzen Stützpunkt mit Frischfleisch versorgen können.«

»Das kann ich mir lebhaft vorstellen, Ra … Aber sag mir eins: warum rüstet ihr die CRYSALGIRA aus?«

»Es wird Zeit, Orbanaschol eins auszuwi­schen«, entgegnete Fartuloon anstelle von Ra.

»Dann hast du also bereits einen Plan aus­gearbeitet?«

Fartuloon amüsierte sich über meine Neu­gier.

»In den letzten Tagen warst du ja mehr oder weniger verschollen. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, daß ich in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben bin. Wir fingen recht interessante Funksprüche auf. Im Imperium ist die Hölle los.«

»Funksprüche?« fragte ich, als überrasch­te es mich überhaupt nicht, von katastropha­len Vorgängen im Sternenreich der Arkoni­den zu hören.

»Ja! Du hast richtig gehört. Aus den Nachrichtensprüchen des Obersten Flotten­kommandos ging hervor, daß die Maahks im Chemi-Spieth-System eine Raumschlacht gewannen. Vermutlich hat dabei ein Flotten­kommandeur versagt. Es war die Rede von einem hochnotpeinlichen Prozeß. Orbana­schol geriet jedenfalls ziemlich unter Druck. Denn auch in anderen Sonnensystemen kam es zu Kämpfen mit den Maahks. Die Kerle haben an mehreren strategisch wichtigen

Punkten gleichzeitig zugeschlagen.« »Also haben wir's mit einer ganz neuen

Strategie der Maahks zu tun. Bisher griffen sie meist nur schwerpunktmäßig an.«

»Scheint so«, war Fartuloons lakonische Entgegnung.

Wir landeten vor der offenstehenden Schleuse der CRYSALGIRA. Kejt Argalth trieb gerade den Magnetier Vorry aus dem Schiff. Der knapp fünfzig Jahre alte Raum­fahrer gehörte zum Kreis um Morvoner Sprangk. Ich kannte ihn als äußerst ge­schickten Navigator. Er trug die Haare kurz­geschnitten. Die winzigen Fältchen um seine Augen ließen den Betrachter meist denken, es mit einem humorvollen Mann zu tun zu haben. Das genaue Gegenteil war der Fall. Kejt Argalth tat nichts Unnötiges. Aber das, was er in Angriff nahm, führte er perfekt aus.

Fartuloon deutete auf Argalth, als das Luk des Gleiters aufschwang:

»Er wird das Kommando über die CRYS­ALGIRA übernehmen.«

Fartuloons Entgegnung überraschte mich nicht mehr. Der Bauchaufschneider schien während meiner Abwesenheit einen detail­lierten Plan ausgearbeitet zu haben.

»Du hast also schon die Mannschaft ein­geteilt«, stellte ich fest. »Wie ich dich ken­ne, rüstest du kein Schiff aus, ohne dir über Flugziel und Projekt genau im klaren zu sein.«

Fartuloon grinste übers ganze Gesicht. Meine Ungeduld amüsierte ihn köstlich. Ke­jt Argalth lächelte, als er uns näher kommen sah. Er wußte also auch über Fartuloons Un­ternehmen Bescheid.

»Natürlich habe ich mir über unser Unter­nehmen Gedanken gemacht«, begann Fartu­loon von neuem. »Aber ich konnte nicht oh­ne dich starten, Atlan. Außerdem wäre da noch ein Punkt zu klären, an dem alles hängt.«

»Und der wäre?« »Du spielst die Hauptrolle in diesem Un­

ternehmen. Ohne deine Einwilligung wird nichts geschehen.«

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»Ich habe nichts anderes erwartet. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß dies der strittige Punkt ist.«

Fartuloon räusperte sich. Er wurde schlag­artig ernst. Auf seiner Stirn erschien eine steile Falte, als er sagte: »Ich brauche deine Erlaubnis zur Anwendung des letzten Le­benskügelchens!«

Ich erstarrte. Automatisch griff ich nach meinem Gürtel. Ich bewahrte das Kügelchen in der kleinen Ledertasche neben dem Vi­bratordolch auf. Aber die Tasche war leer. Das kostbare Kleinod aus dem Mikrokos­mos war verschwunden.

»Ich habe es nicht mehr«, hörte ich mich stammeln.

*

Nachdem ich mir eine neue Kombination besorgt hatte, trafen wir uns im Konferenz­saal des Stützpunkts. Ich brannte darauf, daß Fartuloon die Gesprächsrunde eröffnen wür­de.

Eben kamen Morvoner Sprangk, Ra, Kejt Argalth und dessen zwei Stellvertreter Jedim Kalore und Eigurd Terbakh herein.

Ich spürte eine starke Unruhe in mir. Der Verlust des Lebenskügelchens hatte mich schwer getroffen. Innerhalb weniger Sekun­den zogen die Ereignisse vor meinem geisti­gen Auge ab, die mit dem Lebenskügelchen verbunden waren. Die Odyssee durch den Mikrokosmos hatte mich auf Vruumys' Pla­net verschlagen. Ich war auf der Suche nach Crysalgira durch den geheimnisvollen Dschungel einer chaotischen Welt geirrt. Ich lag verletzt zwischen erwachenden Riesen­raupen, die mit einer ganz bestimmten Pflanzenart durch Symbiose verbunden wa­ren. Und genau diese Pflanzen sonderten einen Samen ab, der lebenserneuernd wirkte. Kleine, rote Samenkügelchen, die jede Wun­de in kurzer Zeit schlossen, oder bereits Ge­storbene wieder zum Leben erwecken konn­ten.

Ein einziges Kügelchen war mir noch ge­blieben. Ich konnte nicht begreifen, daß ich

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es verloren haben sollte. Fartuloon unter­brach meine Gedanken, indem er sein Skarg auf die Tischplatte schmetterte. Der Bauch­aufschneider blickte mich unternehmungslu­stig an.

»Schade, daß du nur noch ein Kügelchen besessen hast. Die biochemische Analyse wäre bestimmt hochinteressant gewesen. Womöglich hätten wir endlich den Stoff des ewigen Lebens entdeckt. Aber ein Kügel­chen ist zu wertvoll, als daß wir es für einen Laborversuch vergeuden könnten.«

»Du sprichst, als wäre das Kügelchen noch vorhanden«, meinte ich ungeduldig. Ich wußte nicht, worauf Fartuloon hinaus­wollte.

»Vielleicht«, entgegnete der Bauchauf­schneider geheimnisvoll. »Aber zuerst will dir verraten, welchen Plan ich ausgearbeitet habe. Dir und allen anderen, die mit im Mi­krokosmos waren, ist ja bekannt, daß jene Kügelchen Tote zum Leben erwecken kön­nen. Du hast am eigenen Körper gespürt, wie stark die Heilkraft der roten Samenkör­ner ist. Ohne sie wärst du im Dschungel von Vruumys Planet elend zugrunde gegangen. Ich will Crysalgira nicht vergessen, der du mit Hilfe jener Kügelchen das Leben geret­tet hast …«

Ich unterbrach den Bauchaufschneider. »An wen hast du gedacht, als du deinen Plan entwickeltest? Wen wolltest du zum Leben erwecken?«

»Eine hochgestellte Persönlichkeit, deren Wiederauftauchen große Verwirrung im Im­perium verursachen würde! Ein Mann, den alle noch sehr gut kennen. Ein Mann, den Orbanaschol wie nichts auf der Welt haßte und fürchtete. Ich glaube, Atlan weiß genau, wen ich meine.«

»Meinen Vater«, schrie ich. »Du willst meinen Vater zum Leben erwecken, um ihn auf seinen Thron zurückkehren zu lassen!«

Ich war sofort von dieser Idee begeistert. Eine heftige Diskussion setzte ein. Jeder

gab das Für und Wider zu diesem kühnen Plan zum Besten. Im Grunde waren aber alle von Fartuloons Idee eingenommen.

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»Das würde einen Aufruhr verursachen«, rief ich. »Stellt euch vor, was geschehe, wenn Gonozal VII. plötzlich mitten im Thronsaal erschiene! Orbanaschol kann es sich nicht leisten, meinen Vater zum zweiten Mal töten zu lassen. Aber was rede ich da, das letzte Lebenskügelchen habe ich ja ver­loren.«

»Irrtum«, stieß Fartuloon hervor und pla­zierte eine kleine Schachtel vor mir auf dem Tisch. »Mach auf!«

Ich griff danach. Als ich es in Händen hielt, wußte ich, was Fartuloon mitgebracht hatte.

»Das Lebenskügelchen!« »Ja. Vor deinem Ausflug nahm ich es dir

vorsichtshalber weg«, erklärte der Bauch­aufschneider.

Ich drehte die kleine karmesinrote Perle zwischen den Fingern.

»Du hast recht daran getan, Fartuloon!« sagte ich. Jetzt konnte das Unternehmen starten. Ich brannte darauf, in einem gefähr­lichen Abenteuer die Goldene Göttin und meinen Sohn Chapat vergessen zu können. »Wann geht's los?«

»Langsam, langsam«, rief Morvoner Sprangk amüsiert. »Du solltest dir erst mal Fartuloons Vortrag über Hocatarr anhören. Es gibt mehrere Dinge, die wir berücksichti­gen müssen. Ohne Einwilligung der Toten­priesterin kann kein Raumfahrer auf Hoca­tarr landen.«

Ich runzelte die Stirn. »Wurde mein Vater nach dem Anschlag, der ihm das Leben ko­stete, denn nicht auf dem Jagdplaneten Ers­komier begraben?«

»Nein … nur wenige wissen, daß der Im­perator in der KARSEHRA beigesetzt wur­de. Ich habe das veranlaßt, bevor Orbana­schol mir dazwischenfunken konnte. Es war das letzte, was ich für deinen Vater tun konnte. Wie du sicher weißt, werden alle Helden des Großen Imperiums in der KAR­SEHRA beigesetzt, die im Kampfe fielen. Dort ruhen alle Würdenträger und Raumfah­rer, die das Große Imperium zur Blüte brachten. Dein Vater hat sich diesen Platz

verdient. Aber das war es nicht, worauf ich hinauswollte. Die Totenwelt Hocatarr wird von einer Priestergruppe beherrscht. Ich weiß auch nicht weshalb, aber die Gründe dafür werden wir sicher noch erfahren. Fest steht, daß diese Priesterinnen – es handelt sich ausnahmlos um weibliche Personen – über eine große Macht verfügen. Bei der Grablegung deines Vaters zeigte sich die Hohepriesterin Arkanta nur vermummt. Ein Mann aus meiner damaligen Mannschaft wollte ihr Gesicht sehen. Ich habe seinen Todesschrei noch immer in den Ohren. Ich konnte ihm nicht mehr helfen. Er war in Se­kundenschnelle erstarrt.«

»Das soll die Priesterin getan haben?« fragte ich ungläubig. »Als Bauchaufschnei­der hättest du den armen Kerl wieder auf die Beine bringen können.«

»Leider nicht, Atlan! Die Gesetze der Priesterinnen sind sehr streng. Ihnen haben wir es auf der anderen Seite zu verdanken, daß die Heldengedenkstätte die Stürme der Zeiten überdauert hat. Es wurde in den ver­gangenen Jahrtausenden kein einziger Fall von Grabräuberei bekannt. Der Tempel der Ahnen steht noch genauso da, wie in den Anfängen des Großen Imperiums.«

»Schön und gut«, meinte ich respektlos. »Aber es muß doch einen Weg geben, um dort zu landen. Wir sind immerhin keine ge­meinen Grabräuber, sondern Rebellen gegen den Gewaltherrscher Orbanaschol. Wir wol­len meinen Vater zum Leben erwecken, um endlich in aller Öffentlichkeit Orbanaschol als Mörder zu demaskieren.«

»Auf normale Weise können wir nicht auf Hocatarr landen. Die Priesterinnen sind Or­banaschol treu ergeben. In ihren Augen sind wir nichts anderes als Vogelfreie.«

Ich dachte kurz nach. Obgleich die Schwierigkeiten, die Fartuloon andeutete, nicht von der Hand zu weisen waren, wollte ich sofort handeln. Schließlich meinte ich kurzentschlossen: »Wir starten! Du kannst mir unterwegs alles Wichtige über die To-tenwelt erzählen. Uns wird schon etwas ein­fallen, wie wir die Priesterinnen überlisten

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können. Bisher hatten wir auch keine Skru­pel, wenn es darum ging, Orbanaschol und seinen Helfershelfern eins auszuwischen.«

4.

Jedim Kalore und Eigurd Terbakh saßen am Massetaster der CRYSALGIRA. Sie ver­traten Kejt Argalth, den Kommandanten, der die Pause vor der letzten Transition in seiner Kabine zubrachte. Jedim Kalore war sechs­undzwanzig Arkonjahre alt, etwas untersetzt und als tollkühner Draufgänger bekannt. Er hatte mich einmal im Ringkampf geschla­gen. Auch Eigurd Terbakh, der gerade ein­unddreißig Jahre alt geworden war, hatte sich in den regelmäßig stattfindenden Trai­ningswettkämpfen auf Kraumon hervorge­tan. Er war im Grunde ein farbloser Typ, den man eher in einem großen Rechenzen­trum als in der Zentrale eines Kugelraumers erwartet hätte. Terbakh war ein Meister im Bogenschießen. Kaum einer konnte es ihm in dieser Waffengattung an Treffsicherheit nachtun.

»Das kleine Raumschiff ist schon wieder auf dem Massetasterschirm«, sagte Eigurd Terbakh zu seinem Partner.

»Die Wanze wird uns nicht gefährlich«, entgegnete Kalore in seiner burschikosen Art. »Außerdem ist das Schiff mindestens acht Millionen Kilometer von uns entfernt. Wir stehen im Ortungsschatten der Sonne. Die Fremden können uns also nicht ent­decken.«

»Ich würde das nicht so auf die leichte Schulter nehmen, Jedim. Ich habe nämlich den Kurs des Schiffes aufgezeichnet und sein wahrscheinliches Ziel errechnen kön­nen.«

»Alter Pedant«, spottete Kalore. »Das ist wirklich unnötige Arbeit. Wir müssen nur aufpassen, daß uns keine Schiffe der arkoni­dischen Flotte zu nahe kommen. Ich verste­he die Aufregung nicht ganz. Das kleine Schiff erledigen wir im Ernstfall mit einem einzigen Impulstreffer.«

»Mag sein«, entgegnete Eigurd Terbakh

Dirk Hess

knapp. »Aber die fremde Schiffseinheit steu­ert Hocatarr an.«

Einen Augenblick lang war Jedim Kalore sprachlos.

Ich war der Unterhaltung mit halbem Ohr gefolgt. Als Terbakh den Totenplaneten Hocatarr erwähnte, schwang ich mich in meinem Kontursessel herum. Fartuloon wur­de ebenfalls auf den Mann am Massetaster aufmerksam.

»Was hörte ich da eben? Es sind noch an­dere nach Hocatarr unterwegs?«

Ich fügte hinzu: »Kann man auf diese Entfernung sagen, um welchen Schiffstyp es sich handelt?«

Eigurd Terbakh blickte kurz auf seine Aufzeichnungen herunter. Er korrigierte die Meßdaten mit dem Leuchtstift auf der Matt­scheibe neben dem Massetasterschirm.

»Ein Kugelraumer. Sechzig Meter Durch­messer. Dieselben Triebwerksemissionen wie bei uns. Anstonsten keine besonderen Messungen. Anscheinend ist das Schiff nur mit einer kleinkalibrigen Impulswaffe be­stückt. Solche Raumschiffe wurden noch vor einigen Jahren mit Vorliebe von Adligen ge­flogen.«

»Ich bin dafür«, sagte ich, »das wir die­sem Schiff im Sicherheitsabstand folgen sollten. Was meinst du dazu, Fartuloon?«

Der Bauchaufschneider nickte. Er blickte zum Chronometer hinüber.

»Es ist ohnehin Zeit für die Transition, die uns in die Nähe von Hocatarr bringen wird. Wenn wir es ganz geschickt anstellen, pas­sen wir den Zeitpunkt ab, zu dem das frem­de Schiff in den Hyperraum geht. Wenn wir fast gleichzeitig über Hocatarr wieder ins Normaluniversum eintauchen, fällt das nicht so sehr auf, als wenn zwei Schiffe getrennt voneinander erscheinen.«

Eigurd Terbakh kratzte sich am Kinn. Er tippte mehrere Daten in die Positronik und wartete. Sekunden später erschienen die ge­wünschten Symbole auf dem Bildschirm des Bordrechners.

»Das könnte klappen«, rief Eigurd Ter­bakh erfreut. »Das andere Schiff beschleu­

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nigt gerade. Wir können mit einer Zeitdiffe­renz von einer halben Sekunde grobgerech­net mit den Fremden vor Hocatarr aus dem Hyperraum kommen.«

»Das müßte reichen, um die Ortung der Priesterinnen zu überlisten«, sagte Fartu­loon. »Ich verlasse mich auf die Richtigkeit Ihrer Messungen, Terbakh. Programmieren Sie den neuen Kurs und veranlassen Sie al­les Weitere zur Transition.«

Sekunden später hatte die Bordpositronik die neuen Daten gespeichert und bereits den Kurs der CRYSALGIRA geändert. Die ein­zige Aufgabe der beiden Arkoniden am Steuerpult des Schiffes bestand eigentlich nur noch darin, die laufend durchgegebenen Messungen zu überprüfen.

Ich legte mich im Kontursessel zurück. Ich spürte, wie der Boden der Zentrale vi­brierte. Die CRYSALGI-RA beschleunigte, um den Transitionspunkt zu erreichen.

Dann war es soweit. Ein zerrender Schmerz raubte mir fast das Bewußtsein. Die CRYSALGIRA überwand in Sekunden­bruchteilen eine Entfernung von annähernd sechzig Lichtjahren.

*

Im Hocatarr-System war die Hölle los. Ich knetete mir mit der Rechten den

Nacken. Der Transitionsschmerz legte sich rasch.

»Der reinste Jahrmarkt«, bemerkte Fartu­loon treffend. »Bis jetzt habe ich mindestens neunzig andere Schiffseinheiten auf dem Bildschirm gehabt. Wenn noch mehr hinzu­kommen, fallen wir überhaupt nicht auf.«

Auf dem Zentralebildschirm kamen meh­rere Kugelraumschiffe näher. Sie steuerten mit geringer Geschwindigkeit Hocatarr an. Zwischen ihnen und der planetaren Basis wurden ständig Funksprüche gewechselt.

»Bis jetzt wurden wir noch nicht ange­funkt«, stellte ich erleichert fest. »Die Prie­sterinnen werden alle Hände voll damit zu haben, dieses Aufgebot an Schiffen in die richtige Kreisbahn zu lenken.«

Sämtliche Schiffe, die Hocatarr ansteuer­ten, trugen auf ihrer Außenfläche das arko­nidische Sonnensymbol. Damit qualifizier­ten sie sich automatisch als Pilger zur Toten­welt.

»Nach jeder Schlacht ist es dasselbe«, meinte Fartuloon verbissen. »Die Kämpfe haben ihren Tribut gefordert. Zahlreiche Ad­lige mußten den Kampf mit dem Leben be­zahlen. Jetzt erwarten sie die Aufnahme in die KARSEHRA. Aber nicht jeder wird dort seine letzte Ruhestätte finden. Die Priesterin Arkanta entscheidet darüber. Viele haben ih­ren toten Angehörigen umsonst ins Hoca­tarr-System gebracht. Sie werden ihn an­derswo bestatten müssen.«

»Das ist barbarisch«, stieß ich hervor. »Nach welchen Prinzipien entscheidet die Hohepriesterin? Etwa nach Maßstäben, die ihr Orbanaschol gesetzt hat?«

Fartuloon schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein, Atlan! Die Priesterinnen achten zwar den jeweiligen Herrscher über das Große Imperium. Aber sie leben nach dem ehernen Gesetz unserer Ahnen. Und davon weichen sie keinen Deut ab.«

Ich gab mich mit der Erklärung nicht zu­frieden.

»Wie wollen die Priesterinnen wissen, wer die Aufnahme in die KARSEHRA ver­dient hat und wer nicht?« fragte ich. »Die Kriegsberichte sind oft falsch. Viele Flotten­kommandeure vertuschen ihre eigene Unfä­higkeit und münzen ihre Feigheit in Mut und Selbstaufgabe um. Für einen Platz in der KARSEHRA lügt doch jeder.«

Fartuloon nickte. »Du hast natürlich recht, Atlan. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber die Priesterinnen sind nicht mit den üblichen Maßstäben zu messen. Sie be­sitzen die Kraft der absoluten Weisheit. Ihre Entscheidungen sind immer gerecht.«

»Gerecht?« brauste ich auf. »Seit wann ist der Bauchaufschneider meines Vaters so kleinmütig? Es gibt keine absolute Weisheit. Niemand kann hinter die Stirn seines Näch­stensehen …«

»Du irrst dich, Atlan«, unterbrach mich

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Fartuloon schroff. »Die Priesterinnen kön­nen das sehr wohl. Sie besitzen übersinnli­che Fähigkeiten. Oder weshalb glaubst du, hätten sie sich bisher gegen jegliche Bevor­mundung durch Obanaschol erfolgreich wehren können?«

Das war in der Tat ein Argument, das für die Macht der Priesterinnen auf Hocatarr sprach. Ich würde selbst herausfinden, wie es darum bestellt war. Vielleicht erlebten wir alle eine große Überraschung auf der Totenwelt. Zunächst einmal mußten wir dort unten Fuß fassen. Alles Weitere würde sich aus der Situation heraus ergeben.

Du wischst zu viele Unsicherheitfaktoren beiseite, warnte mich mein Extrasinn. Toll­kühnheit ist bei diesem Unternehmen fehl am Platze.

»Auf einmal so nachdenklich?« stichelte Ra. »Wenn du mich fragst, so sollten wir erst einmal auf Beobachtungsstation gehen. Ohne Tricks kommen wir sowieso nicht nach Hocatarr.«

»Du hast recht«, gab ich zu. »Wir beob­achten die Zeremonie, und vielleicht ent­decken wir eine Lücke, durch die wir schlüpfen können. Los, Freunde! Jeder nimmt jetzt seinen Platz ein. Ich erwarte ständig Bericht über die Vorgänge im Hoca­tarr-System.«

*

Die sechzig Mann starke CRYSALGIRA reihte sich in den Pulk der Raumschiffe ein, die auf ein riesiges Diskusschiff zusteuerten. Der Schiffsgigant besaß einen Durchmesser von annähernd zwölfhundert Metern. Am äußeren Rand seines abgeflachten Ellipsen­körpers waren Stege abgeklappt worden, auf denen die Schiffe der Trauernden landeten. Dicht dahinter öffneten sich Schleusentore, durch die aller Wahrscheinlichkeit nach die toten Helden des Imperiums gebracht wur­den.

Meine Mannschaft saß an den Instrumen­ten. Den Männern entging, nicht das gering­ste. Kejt Argalt verstand sein Handwerk wie

Dirk Hess

kein anderer. Ich konnte mir keinen besseren Navigator wünschen.

Eben drehte sich das riesige Diskusschiff. Über den angeklappten Randstegen schoben sich plötzlich weitere Landungsstege heraus. Das Totenschiff war also für den Ansturm der Trauergäste gewappnet.

»Ein gigantisches Sargschiff«, sagte Far­tuloon. »Normale Sterbliche dürfen den Pla­neten nicht betreten. Sie übergeben ihre To-ten diesem Schiff und erleben die Bestattung über Videobild mit. Als ich Gonozal VII. auf seiner letzten Fahrt begleitete, war das anders. Als engster Vertrauter des Impera­tors durfte ich mit meiner Mannschaft die KARSEHRA betreten. Ein Imperator stirbt nicht jeden Tag. Das Gesetz der Priesterin­nen sieht für diesen Fall besondere Maßnah­men vor.«

Das leuchtete mir ein. Trotzdem mußten wir jetzt unbedingt eine Möglichkeit finden, auf Hocatarr zu landen.

Eigurd Kalore saß am Funkdekoder. Der junge Techniker überwachte sämtliche Funksprüche, die zwischen der Bodenstation und den ankommenden Raumschiffen aus­getauscht wurden.

»Atlan … kommen Sie doch mal zu mir 'rüber«, meldete sich Kalore. »Ich glaube, dieser Funkspruch dürfte Sie interessieren. Ein kleines Schiff verlangt die Landekoordi­naten. Es will unbedingt in der KARSEHRA landen. Sein Besitzer erkennt das strenge Reglement der Priesterinnen nicht an.«

Ich ließ den Verstärker auf maximale Lei­stung schalten. Jetzt konnten wir alle das Funkgespräch mitverfolgen.

»… Kerratonkh im heldenmütigen Kampf gegen die Maahks gefallen. Seine Söhne verlangen die Aufbahrung ihres toten Vaters in der KARSEHRA. Die Genehmigung sei­ner Erhabenheit Orbanaschol III. liegt vor und kann der Hohenpriesterin ausgehändigt werden.«

Es verging nicht einmal eine Sekunde, bis die Antwort von Hocatarr kam: »Ihre Heilig­keit Arkanta würdigt den Wunsch seiner Er­habenheit Orbanaschol III. Dennoch kann

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unter keinen Umständen eine Ausnahme ge­macht werden. Ihre Heiligkeit muß zuerst die näheren Umstände erfahren, die zum To­de des Sonnenträgers Kerratonkh führten. Ausnahmegenehmigungen werden grund­sätzlich nicht erteilt. Wir bitten Sie, die an­gebene Warteposition einzunehmen. Der Körper des Verstorbenen wird in das Robot­schiff eingeschleust. Bitte steuern Sie ohne Verzug die Warteposition an …«

Es folgten die Kurskoordinaten für Ker­ratpnkhs Schiff, dann schaltete sich die Bo­denstation der Priesterinnen aus dem Kom­munikationsnetz aus.

Auf dem Bildschirm konnte ich mitverfol­gen, wie das kleine Kugelraumschiff auf den Landesteg des Sargschiffs herabschwebte. Wenig später wurden seine ausgefahrenen Landestützen magnetisch verankert.

»Ich hätte nie für möglich gehalten, daß Kerratonkh eines Tages im Kampf fallen würde«, meinte Fartuloon. »Die einzigen, die in seiner Familie Tapferkeit bewiesen, waren seine Söhne. Sie leisten übrigens Dienst in Orbanaschols Palastwache. Alles ganz ausgezeichnete Burschen. Sie sind ganz anders als ihr verweichlichter Vater. Der alte Kerratonkh hätte wohl bis ins hohe Greisenalter hinein weiter in Saus und Braus leben können, wenn die Maahks seinen Pla­neten verschont hätten.«

Inzwischen war eine gewisse Ordnung in die Phalanx der Trauerschiffe gekommen. Die meisten Schiffseinheiten waren auf den Landestegen verankert worden. Nur ein paar – wir gehörten dazu – trieben nahezu ohne Antrieb durchs All. Hocatarr war genau sechzehntausend Kilometer von uns ent­fernt. Die Totenwelt offenbarte sich dem Betrachter als düstere, verhangene Toten­welt. Nur an einigen Punkten gestattete die dichte Wolkendecke einen Blick auf die Oberfläche. Die Ausschnittvergrößerung un­serer Teleskope brachte ein deprimierendes Bild auf den Schirm.

»Nicht gerade gemütlich dort unten«, meinte Kejt Argalth. »Kahle Felsenberge, modrige Schluchten und ausgedehnte

Sumpfflächen. Freiwillig würde ich dort nie­mals landen. Das Klima dürfte auch alles an­dere als angenehm sein. Wenn die Werte stimmen, die der Bordrechner angibt, herrscht dort unten eine Tagesdurchschnitt­stemperatur von 10 Grad. Die relative Luft­feuchtigkeit ist extrem hoch …«

Eigurd Terbakh unterbrach seinen Kom­mandanten. Der ewig wachsame Techniker hatte wieder ein wichtiges Detail entdeckt.

»Ich habe das Schiff wieder auf dem Or­tungsschirm, mit dem wir vorhin fast gleich­zeitig durch den Hyperraum gesprungen sind.«

»Wie wollen Sie das wissen?« fragte Far­tuloon.

»Ich habe sofort nach unserem Hyper­raumsprung sämtliche Ortungsergebnisse speichern lassen. Die Auswertung war rela­tiv einfach. Auf diese Weise brauchte ich das fremde Schiff nicht lange zu suchen.«

Ich spendete dem jungen Techniker einen zustimmenden Blick. Terbakh hatte uns viel Arbeit erspart.

»Merkwürdig«, stieß Fartuloon hervor. »Jetzt geht das Schiff ganz dicht längsseits an Kerratonkhs Totenschiff. Rasch eine Bildvergrößerung um fünfzig Prozent.«

Kalore berührte ein paar Knöpfe, und im gleichen Augenblick erschienen die beiden Schiffe zum Greifen nahe auf dem Front­bildschirm der Zentrale. Das fremde Schiff schwebte in der gleichen Höhe wie Kerra­tonkhs Schiff. Jetzt verdeckte es die Schleu­se. Wir konnten nicht sehen, was sich dort drüben abspielte.

»Was haltet ihr davon?« Fartuloon blickte mich kurz an. »Grundlos führt der fremde Raumfahrer

dieses riskante Manöver bestimmt nicht durch …«

Eben sprach die Funkortung an. Die Bo­denstation richtete eine Anfrage an das fremde Schiff.

»Es antwortet nicht! Es reagiert überhaupt nicht auf den Funkspruch.«

Plötzlich hatte ich eine Idee. Wenn irgend jemand aus einem ganz speziellen Grund an

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Bord von Kerratonkhs Schiff gehen wollte, mußte er das jetzt tun. War der Tote erst ein­mal im Robotschiff, hatte die Mission des Unbekannten keinen Sinn mehr.

»Kurskorrektur!« verlangte ich. »Sofort um siebzig Grad wenden! Ich will sehen, was dort gespielt wird.«

Kejt Argalth manövrierte die CRYSAL­GIRA innerhalb von Sekunden in die ge­wünschte Position. Jetzt konnten wir auf dem Bildschirm den schmalen Zwischen­raum erkennen, der die beiden Raumschiffe voneinander trennte. Ich pfiff erstaunt durch die Zähne, als ich die geöffnete Schleuse an der Unterseite von Kerratonkhs Schiff er­blickte.

»Jemand ist eben in das Totenschiff ein­gedrungen.«

Wir starrten gebannt auf den Bildschirm. Die Funkortung bewies uns, daß die Boden­station den fremden Raumer noch immer an­funkte. Doch ohne Erfolg. Der Fremde mel­detete sich nicht. Nachdem sich die Schleuse an Kerratonkhs Schiff geschlossen hatte, entfernte sich das fremde Schiff sofort wie­der. Es trieb langsam an den wartenden Raumschiffen vorbei und verschwand schließlich im Gewimmel der Sterne.

»Versteht ihr das?« fragte Fartuloon und blickte ratlos in die Runde.

Ich zuckte nur mit den Schultern. »Ich bin leider kein Gedankenleser, Fartu­

loon. Aber der Fremde hat uns eben vorexer­ziert, wie man ohne Schwierigkeiten an Bord des Robotschiffs kommen kann. Das wäre der erste Schritt für eine Landung auf Hocatarr. Ich bin dafür, daß wir es wagen sollten. Es fällt nicht weiter auf, wenn die CRYSALGIRA im Orbit von Hocatarr ver­bleibt. Wer begleitet mich?«

Fartuloon und Ra sprangen fast gleichzei­tig auf.

»Wir schnappen uns Raumanzüge, wäh­rend Argalth die CRYSALGIRA an Kerra­tonkhs Schiff heransteuert.«

*

Dirk Hess

Unter uns öffnete sich der tiefschwarze Abgrund aus Raum und Zeit. Irgendwo in der samtenen Schwärze funkelten ein paar Lichtpünktchen. Die Sterne standen hier draußen weit auseinander. Hocatarr lag am Rand des Kugelsternhaufens, der das Herr­schaftsgebiet des Großen Imperiums dar­stellte.

Dicht vor uns kam die Landeplattform des Robotschiffes in Sicht.

Fartuloon winkte mit der Rechten. Wir sollten zusammenbleiben. Die Gefahr, daß wir uns verloren, war außerordentlich groß. Aus Sicherheitsgründen verzichteten wir auf die Helmfunkkommunikation.

Ich erreichte die Schleuse von Kerratonk­hs Schiff als erster. Der kantige Griff brauchte nur hochgeschoben werden, wenn der Mechanismus nicht von innen verriegelt worden war.

Um mich herum herrschte Totenstille. Ich hörte nur mein Atmen und das leise Zischen der Sauerstoff anläge. Langsam schob ich den Griff in der Mulde hoch. Es ruckte ein wenig, und dann glitt das Schleusentor auf. Ra schwebte an mir vorbei. Unter seiner Helmscheibe erkannte ich, wie er grinste. Unser Unternehmen verlief allem Anschein nach ohne Komplikationen. Als Fartuloon den Schleusenraum erreicht hatte, drehte die CRYSALGIRA hinter uns ab. Das äußere Schleusentor verschloß sich sofort wieder. Ich erhaschte gerade noch einen Blick auf die davonschießende CRYSALGIRA.

Über uns flammte ein rotes Licht auf. Die Schleusenautomatik pumpte den Raum voll Atemluft. Wenig später zeigten uns die In­strumente unserer Raumanzüge an, daß uns ein atembares Gasgemisch umgab. Wir konnten Kerratonkhs Schiff betreten.

Wir öffneten unsere Raumanzüge fast gleichzeitig.

»Wenn die Besatzung nicht mit der Über­gabe des Toten beschäftigt ist, ist unser Ein­dringen bestimmt bemerkt worden«, flüster­te ich.

»Vergiß den Fremden nicht, der kurz vor uns hier eingedrungen ist«, fügte Fartuloon

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29 Duell auf der Totenwelt

hinzu. »Wir müssen besonders vorsichtig sein.«

Ra nickte. Der Barbar hatte auf Kraumon zusätzliche Hypnoschulungen und Trai­ningsprogramme absolviert. Seine Kenntnis­se und seine Fähigkeiten entsprachen denen eines arkonidischen Raumfahrers. Ra schien den Sprung aus dem Steinzeitalter in die Su­pertechnik des arkonidischen Imperiums oh­ne Schwierigkeiten überstanden zu haben.

Im Schiff war es völlig still. »Trauer hin, Trauer her«, stieß Fartuloon

hervor. »Üblicherweise spielen die Hinter­bliebenen zum Trauermarsch auf. Wenn sich Kerratonkh schon keine eigene Kapelle lei­sten kann, so müßte die Übertragung vom Robotschiff über die Verstärkerkanäle zu hören sein.«

»Vielleicht wollen die armen Hinterblie­benen unter sich sein … oder vielleicht strei­ten sie sich um das Erbe?«

Fartuloon überhörte meine geschmacklose Bemerkung und ging durch den breiten Gang zur Zentrale. Wir folgten ihm. Unsere Schritte klangen merkwürdig hohl auf dem Plastikbelag. Fartuloon legte die Rechte auf die Wärmeautomatik des Zentraleschotts. Zischend glitt die schwere Tür in die Fas­sung zurück.

Ich griff unwillkürlich nach dem Blaster. Aber als ich die starr und reglos dastehende Gestalt bemerkte, ließ ich die Waffe wieder in die Taschegleiten.

»Kerratonkhs Leiche wurde von einem Androiden hergebracht«, stellte Fartuloon fest. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Ich hatte angenommen, Kerratonkhs Söhne hätten ihrem Vater das letzte Geleit gegeben.«

Wir blickten uns suchend um. Bis auf uns und den Androiden war niemand an Bord. Von dem Fremden, der vor uns hier einge­drungen war, sahen wir keine Spur.

Plötzlich meldete sich mein Extrasinn: Ein Androide versieht seinen Dienst, bis er entweder vernichtet oder abgeschaltet wird. Dieser Androide wurde erst kürzlich ausge­schaltet.

Ich spürte ein frostiges Gefühl im Nacken. Das Ganze wurde mir langsam un­heimlich. Wir befanden uns in einem verlas­senen Raumschiff, das eben noch einen To-ten beherbergt hatte. Die Stützelemente des Katafalks standen mitten in der Zentrale. Der Androide befand sich dicht daneben. Seine Rechte war angewinkelt.

»Warum könnte der Fremde den Andro­iden abgeschaltet haben?« fragte Fartuloon.

»Vielleicht weil er genau wie wir in das Robotschiff der Priesterinnen eindringen will, um ungesehen auf Hocatarr landen zu können. Etwas anderes kann ich mir einfach nicht vorstellen.«

Im gleichen Augenblick knackten die ein­geschalteten Verstärker der Funkanlage: »Hier Bodenstation Hocatarr. Die Ein­schleusung der sterblichen Hülle des Son­nenträgers Kerratonkh ist beendet. Die fern­analytische Untersuchung ergab, daß Kerra­tonkh nicht im Kampf gegen die Maahks ge­fallen ist. Kerratonkh beging auf seinem Pla­neten Selbstmord …«

Ich sah Fartuloon erstaunt an. Der Bauch­aufschneider war genauso überrascht wie ich.

»… daher kann Ihre Heiligkeit, die Hohe­priesterin Arkanta, die Beisetzung Kerra­tonkhs in der KARSEHRA nicht gestatten. Für Selbstmörder ist kein Platz in der ruhm­reichen Gedenkstätte aller arkonidischen Helden. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird Kerratonkh im Grab des un­bekannten Soldaten beigesetzt, oder seine Angehörigen nehmen den Leichnam wieder mit sich. Wir erwarten ihre Entscheidung in drei Minuten.«

Der Lautsprecher knackte, als sich die Sprecherin abschaltete.

»Kerratonkh soll ein Selbstmörder sein«, gab Ra überrascht von sich.

»Das paßt zu dem Bild, das ich mir von dem Mann machte. Aber ich hätte trotzdem nicht gedacht, daß er vor seinem Tod noch die Androiden programmierte, die ihn nach Hocatarr verfrachten sollten.«

»Selbstmörder treffen oft die merkwür­

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digsten Entscheidungen«, sinnierte ich. »Möglicherweise stellte die Tatsache, nach seinem Ableben in die Heldengedenkstätte aufgenommen zu werden, so etwas wie eine Erleichterung für ihn dar. Ein Ausblick, der ihm das Sterben erleichtern sollte. Anderer­seits sind seine Söhne gesellschaftlich erle­digt, wenn der Hof etwas vom Selbstmord Kerratonkhs erfährt.«

»Letzteres dürfte den Ausschlag für Ker­ratonkhs Bemühungen abgegeben haben.«

Plötzlich meldete sich die Boden-Station noch einmal.

»Wie haben Sie sich entschieden? Bitte geben Sie uns ihre Nachricht sofort durch. Andernfalls lösen wir die magnetische Ver­ankerung. Wir brauchen den Landeplatz für ein wartendes Raumschiff. Bitte melden Sie sich!«

Wir sahen uns an. Wenn wir jetzt nicht die Initiative ergreifen, kamen wir nie in das Robotschiff hinein.

»Los, wir verschwinden aus diesem Kahn! Raumanzüge schließen und sofort in den Diskus überwechseln!«

Fartuloon und Ra folgten mir wortlos. Im Laufen schlossen wir unsere Raumanzüge. Im gleichen Augenblick ging ein Ruck durch Kerratonksh Schiff. Die Magnetveran­kerung war soeben gelöst worden. Ich spür­te, wie mir der Schweiß ausbrach. Wir hat­ten zuviel Zeit in der Zentrale verloren. Wenn wir uns jetzt nicht beeilten, waren un­sere Bemühungen umsonst gewesen.

Endlich spie uns die Schleuse von Kerra­tonkhs Raumschiff aus. Wir schwebten dicht über der Landeplattform. Hinter uns trieb das Schiff steuerlos davon. Es würde auch in tausend Jahren noch durch das Hocatarr-Sy­stem treiben, wenn es nicht vorher von ei­nem anderen Schiff gekapert wurde. Das schmale Luk hinter der Landeplattform glitt wie in Zeitlupe zu.

Schnell den Antigravprojektor auf Höchstleistung schalten, sagte ich zu mir selbst. Das kleine Aggregat vibrierte heftig, als ich neben meinem Gürtel die Schaltun­gen berührte. Im Augenblick schoß ich wie

Dirk Hess

ein Pfeil auf den immer enger werdenden Spalt zu. Fartuloon und Ra taten dasselbe.

Ich hielt den Atem an, als ich zwischen den Türhälften hindurchschnellte. Fartuloon schaffte es auch noch. Nur Ra wäre um ein Haar zerquetscht worden, wenn wir ihn nicht blitzschnell zu uns hereingezerrt hät­ten. Ich sah, wie Fartuloon erleichtert aufat­mete. Der Bauchaufschneider wollte sich den Schweiß von der Stirn wischen, doch der transparente Helm war ihm dabei im Wege. Ich sah, wie er sein bärtiges Gesicht zu einem Grinsen verzog.

Plötzlich ging ein grelles Leuchten durch das düstere Halbdunkel.

Die Toten werden von einem Transmitter auf die Oberfläche Hocatarrs verfrachtet, si­gnalisierte mir mein Extrasinn.

Wir gingen an den aufgereihten Bahren vorbei. In der Mitte des großen Saales zuck­te ein Transportfeld auf. Mächtige Generato­ren speisten den Transmitter. An den Spit­zen glühten die seitlichen Schenkel des Ge­räts. Mehrere Überladungsblitze zuckten durch den Raum. Unsere Akustiksensoren übertrugen ein energetisches Knistern in un­sere Helmlautsprecher.

Ich deutete mit dem Daumen auf den Transmitter. Fartuloon und Ra nickten unter ihren Helmen. Meine Freunde würden mich auf den Weg ins Ungewisse begleiten. Ob­wohl mich mein Extrasinn warnte, ging ich auf die rote Trennlinie des Transmitters zu. Wenn die Priesterinnen den Transmitteraus­gang überwachten, hatten wir kaum Chan­cen, den Körper meines Vaters zu bergen.

Ich wagte es trotzdem. Sekunden später hüllte mich das energetische Flimmern des Transmitters ein. Die komplizierte Maschine zerlegte meinen Körper – und die Körper meiner Begleiter – in ihre atomaren Be­standteile. Praktisch in Nullzeit überwanden wir die Entfernung zwischen dem Robot­schiff und der Heldengedenkstätte auf Hoca­tarr.

5.

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31 Duell auf der Totenwelt

Düstere Nebelschwaden trieben durch das nach oben spitz zulaufende Tor in den Transmittersaal. Robotgreifer hoben die Bahren auf ein Transportband. Die lange Reihe der toten Helden des Imperiums wur­de ins Freie geschafft.

Wir verbargen uns hinter dem Deckel­wulst von Kerratonkhs Bahre. Nachdem die Priesterinnen keine Weisung erhalten hatten, wurde Kerratonkhs Leichnam automatisch für das Gräberfeld des »unbekannten Solda­ten« vorgesehen.

»Was bedeutet das Grab des unbekannten Soldaten eigentlich?« fragte ich Fartuloon und klappte meinen Helm zurück. Die Luft war kalt. Es roch nach Moder und Fäulnis. Der Nebel griff mit schleimigen Fingern nach uns. Er nistete sich in den Falten unse­rer Raumanzüge ein und ließ uns frösteln. In der Ferne tauchten die Schemen bizarrer Bauwerke auf.

»Der unbekannte Soldat symbolisiert die Tapferkeit und die Selbstaufgabe all jener Kämpfer, die namenlos im Kampf starben. Zu Ehren all jener, die nie ein Grab beka­men, weil sie mit ihrem Schiff desintegriert wurden, wurde auf Hocatarr das Grab des unbekannten Soldaten angelegt. Dort finden jetzt die Toten eine letzte Bleibe, deren An­gehörigen die Aufnahme in die KAR­SEHRA nicht bezahlen können.«

»Also eine Art Massengrab!« Fartuloon nickte. Zur Linken wie auch zur

Rechten erschienen die zernarbten Stämme hochwachsender Bäume. Die Äste trugen rostrote Blätter. Sie neigten sich schwer über das Transportband und bildeten eine Art Laubengang. Der undurchdringliche Nebel war allgegenwärtig. Irgendwo in der Ferne ertönte ein Gongschlag. Fremdartig anmu­tende Stimmen erreichten unsere Ohren.

»Die Priesterinnen weihen im Tempel der KARSEHRA die neuhinzukommenden To-ten«, flüsterte Fartuloon dicht neben mir. »Das feierliche Zeremoniell geht auf die Überlieferung unserer Ahnen zurück. Alles ist noch genauso wie damals in der Anfangs­zeit des Großen Imperiums.«

Das Transportband hielt plötzlich an. Es gab einen starken Ruck, dann schwenkte es auf einer Drehbühne nach rechts ab. Jetzt ging es wesentlich langsamer voran. Ich reckte mich über den Rand der Bahre. Außer einem eisernen Tor war nichts zu sehen. Der Nebel schien eher noch stärker geworden zu sein.

»Wo sind wir hier?« fragte ich den Bauchaufschneider.

Fartuloon machte ein ratloses Gesicht. »Damals habe ich nur den Bereich der KARSEHRA und den Tempel der toten See­len kennengelernt. Vermutlich gehört diese Anlage zum Grab des unbekannten Solda­ten.«

Plötzlich hob Ra den Kopf. Der Barbar kniff die Augen zusammen und blähte die Nasenflügel.

»Was hast du?« fragte ich. »Es riecht verbrannt. Ich spüre ein großes

Feuer. Es muß ganz in der Nähe sein.« Ras Augen glänzten vor Aufregung. Trotz

seiner intensiven Hypnoschulungen hatte er den Instinkt des barbarischen Jägers nicht verloren. Er erkannte Dinge, die uns verbor­gen blieben, weil wir das enge Verhältnis zur Natur und ihren Phänomenen nicht mehr besaßen.

»Ich sehe nichts!« »Doch, Atlan … der feurige Atem einer

entsetzlichen Höllenglut lauert auf uns. Laß uns von der Bahre springen, solange noch Zeit dazu vorhanden ist.«

Ich blickte in die Fahrtrichtung des Trans­portbands. Das eiserne Tor war höchstens noch zehn Meter von uns entfernt. Die Bah­ren wurden durch einen Greifmechanismus dicht übereinandergestapelt. In wenigen Au­genblicken würden die Robotarme auch un­sere Bahre emporheben.

Ein merkwürdiges Gefühl ergriff von mir Besitz. Jeden Augenblick konnte etwas Ent­setzliches passieren. Trotzdem verharrte ich bewegungslos auf dem Sockel der Toten­bahre.

Dann geschahen drei Dinge fast gleichzei­tig.

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Unmittelbar vor uns sprang eine düstere Gestalt vom Transportband. Der Fremde war dick und unförmig. Er trug einen leichten Raumanzug.

Im gleichen Augenblick dröhnte eine oh-renbetäubende Musik los. Ein überirdisches Brausen schwoll gewaltig an, hämmernde Bässe ließen die Bahren erzittern, und Blas­instrumente schrillten dazwischen. Ich preß­te entsetzt beide Hände gegen die Ohren. Ich wußte, daß dies erst der Anfang von etwas weit Grausamerem war. Der Fremde hatte nicht umsonst fluchtartig das Transportband verlassen. Während ich noch darüber nach­dachte, was der höllische Lärm zu bedeuten hätte, öffnete sich das eiserne Tor. Im glei­chen Augenblick schloß ich geblendet die Augen. Eine grelle Lichtflut schoß ins Freie, umloderte die aufgestapelten Bahren und riß sie in das flammende Inferno eines weiträu­migen Konverters.

In diesem Augenblick wußte ich, was mit den Toten geschah, die für das Grab des un­bekannten Soldaten bestimmt waren: Sie wurden in den atomaren Gluten eines Kon­verters desintegriert. Dasselbe Schicksal stand uns bevor, wenn wir nicht sofort rea­gierten.

*

Ra war vor Angst wie gelähmt. Der Barbar, der er im Grunde seines Her­

zens geblieben war, besaß eine tief verwur­zelte Ehrfurcht vor dem Feuer. Die Flamme symbolisierte für ihn Leben und Vergäng­lichkeit zugleich. Wer die Macht über das Feuer besaß, war in den Augen seiner stein­zeitlichen Brüder ein Gott.

Jetzt stammelte der Barbar wie ein kleines Kind. Die Glut des Höllenfeuers irrlichterte über seine schweißnasse Stirn. Plötzlich ruckte der Bahrensockel hoch. Der Greifarm wollte uns in den Konverter schleudern. Far­tuloon sprang in Sicherheit.

»Spring doch endlich!« schrie ich Ra an. Aber ich wußte, daß die heulende Musik lauter war. Der Barbar verstand mich nicht

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mehr. Plötzlich war der Fremde wieder da. Er

stürmte aus den Büschen, die das Transport­band auf beiden Seiten umgaben. Sekunden­lang trafen sich unsere Blicke. Er war ein Arkonide. Sein dickes Gesicht wirkte schwammig und aufgedunsen. Er rief mir et­was zu und streckte seine Hand nach mir aus. Ich verstand ihn nicht. Bei jedem Atem­zug schmerzten mir die Lungen. Die Hitze war entsetzlich geworden.

Das ist deine letzte Chance. Spring end­lich, pulste mein Extrasinn.

Ich packte Ra mit der Linken. Gleichzei­tig ergriff ich die dargebotene Rechte des Fremden. Er zog uns beide buchstäblich in letzter Sekunde vom Transportband. Noch im gleichen Atemzug verging die Bahre mit den sterblichen Überresten des Sonnenträ­gers Kerratonkh im Inferno des Konverters.

Ich landete mit Ra auf dem feuchten Erd­reich.

Das brachte den Barbaren wieder zur Be­sinnung. Er blickte sich verwirrt um. Der dicke Arkonide wollte gerade wieder im Buschwerk verschwinden. Ich hielt ihn fest.

»Du hast uns das Leben gerettet. Warum willst du jetzt verschwinden?«

Die Musik war noch immer dröhnend. Ich war nicht sicher, ob er mich verstanden hat­te. Fartuloon war näher getreten. Als er den Dicken erblickte, zog er die Stirn kraus.

Der Bauchaufschneider scheint den Frem­den zu kennen, schoß es mir durch den Kopf.

Wir kämpften uns durch das dichtstehen­de Gestrüpp. Je weiter wir uns vom eisernen Tor des Konverters entfernten, desto erträg­licher wurde die furchtbare Musik. Ein kal­ter Hauch wehte uns entgegen.

Ich atmete tief durch. Es roch wieder nach faulendem Laub und brackigem Wasser. Ir­gendwo schrillte der Ruf eines Vogels durch den Wald. Es war dunkel. Der Nebel schien sich auf dieser Welt niemals zu lichten. Ich wollte Fartuloon fragen, ob er den fremden Raumfahrer tatsächlich kannte. Doch der Bauchaufschneider winkte ab. Er deutete auf

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einen hellen Fleck. Die Nebelschwaden ver­schoben sich wie Vorhänge vor dem grünli­chen Leuchten. Je näher wir herankamen, desto klarer wurden die Eindrücke. Blattlo­ses Gestrüpp umgab die Lichtung. Darüber spannte sich das kahle Geäst der Bäume. Das geheimnisvolle Leuchten hatte auf der Lichtung seinen Ursprung.

»Was ist das?« fragte ich Fartuloon. »Anscheinend eine uralte Heldengedenk­

stätte. Aber frage mich nicht, wem zu Ehren sie errichtet wurde. Bei der Beisetzung dei­nes Vaters lernte ich nur einen kleinen Aus­schnitt der ausgedehnten Anlagen kennen.«

Der fremde Arkonide war schon voraus­gegangen. Jetzt blieb er abwartend stehen. Er drehte sich kurz zu uns um. Sein Verhal­ten kam mir merkwürdig vor. Jeder andere hätte längst seinen Namen genannt. Der Fremde hüllte sich jedoch in Schweigen. Er war ein typischer Einzelgänger.

Was wußte Fartuloon über diesen Mann? Ich war mir ganz sicher, daß Fartuloon ihn schon einmal gesehen hatte.

Erst jetzt erblickte ich die mächtigen Steinquader, die etwa fünf Meter voneinan­der entfernt auf der Lichtung standen. Sie bilden einen Halbkreis um die mächtige Kupferschale, in der würzige Kräuter ver­brannt wurden. Jeder einzelne Quader war annähernd fünfzehn Meter hoch und fast drei Meter dick. Die Oberfläche der Steingi­ganten war rissig und voller Fäulnispilze. Oben lagen mächtige Querblöcke, die der gesamten Anlage etwas Monolithisches ver­liehen. Der Halbkreis war an keiner Stelle unterbrochen.

»Das könnte zum Tempel der toten Seelen gehören«, meinte Fartuloon fast unhörbar. »Wir müssen uns jetzt vorsehen. Die Prie­sterinnen verfügen über geheimnisvolle Fä­higkeiten. Daß sie uns noch nicht entdeckt haben, dürfte damit zusammenhängen, daß sie mit der Begräbnisflotte alle Hände zu tun haben. Ich will dennoch nicht das geringste Risiko eingehen.«

Wir standen neben dem Fremden. Jetzt deutete er auf den schmalen Durchgang, der

von der Kupferschale aus in schnurgerader Linie auf ein düsteres Bauwerk führte. Die Vorderfront des Gemäuers wirkte brüchig und zerfallen. Zahlreiche Standbilder und Fresken zierten die Mauer. In düsteren Ni­schen glühten kleine Lichter. Die wogenden Nebel – Schwaden verliehen diesem Gebäu­de etwas Gespenstisches.

»Das kann nur die KARSEHRA sein«, sagte er. »Welches Ziel habt ihr?«

Fartuloon hielt den Zeitpunkt für gekom­men, den Fremden auszufragen. Außer uns schien kein lebendes Wesen in der Nähe zu sein.

»Dein Profil kommt mir bekannt vor, Fremder«, eröffnete Fartuloon das Gespräch.

»Ich bin sicher, daß wir uns noch nie zu­vor begegneten.«

»Du hast sehr wenig von deinem Vater, del Gnotor!«

Der Fremde zuckte zusammen. Sein schwammiges Gesicht zitterte plötzlich. Ich sah, wie seine rötlichen Augen vor Erregung tränten. Fartuloon hatte also genau ins Schwarze getroffen. Wieder einmal bewun­derte ich das Gedächtnis des Bauchauf­schneiders.

»Ich bin Baylamor Arham del Gnotor«, gab der Arkonide zu. »Ich wußte gleich, daß ihr dieselben Raumfahrer seid, die meine Mutter vor unserer letzten Transition ortete. Ihr seid uns ins Hocatarr-System gefolgt. Ich warnte meine Mutter, aber sie hielt das Gan­ze für einen Zufall. Hätte ich bloß auf sie ge­hört …«

»Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn du uns nicht störst, hast du nichts zu befürchten.«

Das schien den Dicken zu beruhigen. Trotzdem hatte er die Überraschung über seine Identifizierung durch Fartuloon noch nicht überwunden.

»Was sucht ihr auf Hocatarr?« fragte Baylamor zögernd.

»Dasselbe könnten wir dich fragen«, gab Fartuloon zurück. »Du hast dich wie ein Dieb auf die Totenwelt geschlichen. Ich wußte gar nicht, daß del Gnotors zweite

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Frau einen Sohn hatte.« Fartuloons Bemerkung war wie neben­

sächlich gefallen. Aber sie genügte, um Baylamors Herzschlag erneut zu beschleuni­gen. Er hatte erst vor kurzer Zeit erfahren, daß sein Vater eine andere Frau gehabt hat­te.

Sie dir seine Hände an, verlangte mein Extrasinn. Er trägt Ringe. Er scheint diese Schmuckstücke über alles zu lieben. Er trägt sogar unter seinem Raumanzug allerlei Glit­zerkram.

Ein plötzlicher Verdacht ließ mich nicht mehr los. Wenn dieser Schmuckfan nach Hocatarr gekommen war, konnte er zu jenen Raumfahrern gehören, die Begräbnisstätten ausplünderten. Vorerst behielt ich diesen Verdacht für mich. Er erschien mir so unge­heuerlich, daß ich die weitere Entwicklung abwarten wollte.

Bist du etwa kein Grabräuber, spottete mein Extrasinn.

Ich preßte die Lippen zusammen. Mein Extrasinn hatte nicht unrecht. Wir wollten die Totenruhe meines Vaters stören. Wir waren nach Hocatarr gekommen, um ihn durch ein zweifelhaftes Experiment wieder ins Leben zurückzurufen.

Baylamor Arham del Gnotor stand in der Pforte des düsteren Gebäudes. Fartuloon und Ra waren ihm gefolgt. Ich betrachtete die verschnörkelte Außenwand. Die riesigen Dachaufbauten verschwanden völlig im Ne­bel. Irgendwie übte das Bauwerk einen mor­biden Reiz auf mich aus. So hatte ich mir in meinen Träumen das Tor zum Totenreich vorgestellt. Die komplizierte Architektur ließ sich nicht mit Worten beschreiben. La­byrinthische Gänge wechselten sich mit aus­gedehnten Sälen und zahlreichen Sakralräu­men ab. Überall brannten kleine Lichter. In Kupferpfannen verbrannten exotische Kräu­ter. Und aus den tiefergelegenen Gewölben wehte ein fauliger Geruch empor.

Aromatisierte Duftwolken umhüllten uns, als wir zögernd durch die Pforte ins Innere des Tempels traten. Zu beiden Seiten waren steinerne Becken in die Wand eingelassen.

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Sie waren mit einer rötlichen Flüssigkeit ge­füllt.

»Das könnte tatsächlich der Tempel der toten Seelen sein«, meinte Fartuloon flü­sternd.

An den Eingang schloß sich ein säule­numrahmter Vorhof an, von dem mehrere Gänge abzweigten. Immer wieder flackerten kleine Lichter in den Nischen auf. So merk­würdig es klang, aber dieses uralte Bauwerk war mit einem gut funktionierenden Netz elektronischer Bauteile durchsetzt. Energie­verbindungen sorgten für die Beleuchtung, und automatische Auswurfschächte versorg­ten die Kupferpfannen mit frischen Kräu­tern.

Wir gingen in den ersten großen Saal, der vor uns lag. Sein Durchmesser betrug unge­fähr neunzig bis hundert Meter. Er war fast ebenso hoch. Die steinernen Stützbögen wa­ren über und über mit Fresken verziert. Aber das war nicht das Ungewöhnliche dieses Saales. An den Wänden erkannten wir eine Vielzahl von Bildschirmen. Darunter erho­ben sich Schaltpulte, an deren Kante dreidi­mensionale Bilder hingen.

»Ja«, murmelte Fartuloon, »das muß der Tempel der toten Seelen sein. Hier werden die persönlichen Erinnerungen aller großen arkonidischen Raumfahrer aufbewahrt.«

Als ich die plastischen Bilder mit den Konterfeis längst gestorbener Arkoniden er­blickte, erfaßte mich eine unerklärliche Scheu. Diese Männer hatten das Große Im­perium aufgebaut. Sie waren für Arkon mit ihren Raumschiffen in unerforschte Regio­nen des Alls vorgedrungen, um neue Plane­ten und neue Rassen zu entdecken. Sie hat­ten alles aufs Spiel gesetzt, um das Sternen­reich meines Volkes zu begründen.

Ich sah das scharfgeschnittene Gesicht ei­nes alten Arkoniden lange an. Seine Augen leuchteten hellrot. In ihnen spiegelte sich die unglaubliche Energie all jener wieder, die Arkon groß und mächtig gemacht hatten. Das Gesicht des Alten war zernarbt, und doch zeugte es von einer Spannkraft, die man heute nicht einmal bei den Zwanzigjäh­

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rigen fand. Ein rubinroter Umhang bedeckte die Schultern des Raumfahrers. Eine Span­ge, die aus dem mattschimmernden Arkon­stahl geformt war, hielt das Kleidungsstück zusammen.

»Das ist Nart Amharin, der Entdecker der Sycliden-Sterne«, erklärte mir Fartuloon. »Heute ist er längst vergessen. Niemand weiß mehr, daß dieser Mann mit einem klei­nen Raumer ein ganzes Sonnensystem er­obert hat.«

»Und dieser Mann?« fragte ich und deute­te auf das Bildnis eines durchgeistigt wir­kenden Arkoniden. Das schmale Gesicht wurde von schulterlangem Silberhaar um­rahmt. Eine geschwungene Hakennase be­herrschte das Gesicht.

»Tjeolos, der Bauchaufschneider des Im­perators Inkar I«, stieß Fartuloon aufgeregt hervor. »Tjeolos war ein meisterhafter Be­herrscher des tiokischen Fiebers. Er entdeck­te auch ein Mittel gegen die gefährliche Käl­te-Stern-Pest. Wenn einer den Titel Bauch­aufschneider verdiente, dann war es dieser Tjeolos. Ich will hören, wie er seine Erinne­rungen formulierte.«

Fartuloon berührte einen roten Knopf auf dem kleinen Schaltpult. Im gleichen Augen­blick belebte sich der Bildschirm über Tjeo­los' Bildnis.

»Hast du unsere Mission vergessen?« fragte ich.

Der Bauchaufschneider reagierte nicht. Er starrte wie gebannt auf den kleinen Bild­schirm. Eben schälte sich die hochgewach­sene Gestalt des Arkoniden Tjeolos aus den verwirrenden Farblinien. Das Bild stabili­sierte sich rasch. Aus einem verborgenen Lautsprecher ertönte die akzentuierte Stim­me eines Mannes, der schon über tausend Jahre tot war.

Plötzlich gellte ein Schrei durch den Saal. Das Echo wurde mehrfach von den Wänden zurückgeworfen.

»Das war Baylamor Arham del Gnotor«, rief Ra entsetzt.

*

Der Grabräuber kauerte am Boden und umfaßte die Gelenkstütze des Schaltpults mit beiden Händen. Er zitterte am ganzen Körper.

»Was ist los, Baylamor! Du hast uns einen gehörigen Schrecken eingejagt.«

Ich berührte die Schulter des Mannes. Es war, als würde man in ein schwabbliges Pol­ster greifen. Plötzlich hob Baylamor den Kopf. Er sah mich lange an. Sein Gesicht war voller roter Flecken. Dann deutete er auf das Bild eines Raumfahrers. Die Neigung zur Körperfülle war unübersehbar. Sein Mund und die Stellung der Augen ließen die Verwandtschaft zu Baylamor ahnen.

Fartuloon deutete auf das kleine Schild und sagte: »Markh Hoctor del Gnotor, Baylamors Vater!«

Baylamor richtete sich schweratmend auf. »Ich kann mich selbst nicht mehr an mei­

nen Vater erinnern. Ich war fünf Arkonjahre alt, als er starb. Kurze Zeit später mußte ich mit meiner Mutter fliehen. Wenn ich an mei­nen Vater denke, so habe ich immer den Eindruck, er war der mutigste und tapferste Mann in der Flotte des Imperiums.«

Fartuloon nickte. »Das ist nicht übertrie­ben. Ich kenne das Schicksal Markh Hoctor del Gnotors. Dein Vater starb als Held. Er hielt einen Maahk-Verband so lange hin, bis Verstärkung vom Obersten Flottenkomman­do geschickt wurde. Ihm haben wir es zu verdanken, daß die Kanza-Kasa­torp-Planeten vom Zugriff der Methans ver­schont blieben.

Wenige Sekunden, bevor die Verstär­kungseinheiten aus dem Hyperraum kamen, verging das Schiff deines Vaters in den Im­pulsgluten des Gegners. Das letzte, was man von ihm vernahm, war ein Videospruch an das Oberste Flottenkommando, dann bra­chen die Schutzschirme zusammen.«

Baylamor berührte den Aktivierungs­knopf für das Memoband. Er sah auf den Bildschirm, auf dem wenige Augenblicke später das Gesicht seines Vaters erschien. Markh Hoctor del Gnotor trug sämtliche Auszeichnungen. Die Kometenspange war

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dabei, das arkonidische Sonnensiegel und der posthum verliehene Kristallstern für be­sondere Tapferkeit.

»Wie kommt es, daß Vater diesen Orden trägt«, fragte Baylamor und deutete auf den Kristallstern, »obwohl er bei der Aufzeich­nung dieses Memobands längst tot war?«

Fartuloon kannte die Tricks, die man bei positronischen Videokompositionen und ­rekonstruktionen anwandte.

»Es genügen ein paar Bilder, alte Memo­bänder oder Zeugenaussagen seiner Kamera-den, um einen solchen Film zu rekonstruie­ren. Auch die Stimme, die wir jetzt hören, ist akustisch völlig identisch mit der Stimme deines Vaters. Auch wenn er das Memoband nie persönlich besprechen konnte, so ist die­se Stimme nicht von der Stimme deines Va­ters zu unterscheiden.«

»Faszinierend«, mußte ich mir eingeste­hen. »Dieses Verfahren wird also immer dann angewandt, wenn die Toten zu Lebzei­ten nicht mehr ihre persönlichen Gedanken und Vorstellungen formulieren konnten. Auf diese Weise bleiben die Erkenntnisse unse­rer Helden auch der Nachwelt erhalten.«

Wir waren den Ausführungen des Raum­helden bisher mit halbem Ohr gefolgt. Baylamor dagegen nahm jedes Wort gierig in sich auf. Kurz bevor das Band zu Ende war, gab es für Baylamor folgenschwere Zu­sammenhänge wieder, die sein ganzes bishe­riges Leben in einem anderen Licht erschei­nen lassen sollten.

»… war ich nur während meiner kurzen Landungen auf Arkon in der Nähe meiner Frau Nadira. Sie gebar mir einen Sohn. Wir nannten ihn Baylamor Arham. Ich setzte alle meine Hoffnungen auf ihn. Er sollte eines Tages mein Erbe antreten, um genauso wie ich für Arkon und seine Erhabenheit, den Imperator, zu kämpfen. Vielleicht würde er den Sieg über die barbarischen Horden der Methans miterleben. Das hoffte ich – bis mich ein grausamer Schlag ereilte. Während eines längeren Aufenthalts im nördlichen Bereich des Kugelsternhaufens wurde meine Gattin ermordet. Es gab keine Zeugen für

Dirk Hess

diese furchtbare Tat. Ich war auf Vermutun­gen angewiesen. Den ersten konkreten Hin­weis erhielt ich durch Ihre Heiligkeit, die Hohepriesterin Arkanta. Sie gewährte mir diese Gunst bei der Bestattung meiner ge­liebten Gattin. Arkanta warnte mich vor der Kinderzofe Aytilaa. Mehr erfuhr ich damals nicht. Ich beschloß, auf das Drängen Ay­tilaas einzugehen. Ich ließ sie meine zweite Frau werden. Auf diese Weise konnte ich sie unbemerkt einem Hypnoverhör unterziehen. Das Ergebnis war niederschmetternd und traurig zugleich, denn Aytilaa hatte meine geliebte Gattin ermordet, um eines Tages an meine Reichtümer heranzukommen. Bevor ich sie der gerechten Strafe überantworten konnte, floh sie mit meinem Raumschiff von Arkon I. Sie entführte meinen kleinen Sohn Baylamor Arham …«

»Die elende Hexe!« schrie Baylamor heu­lend auf. »Sie hat mich das ganze Leben hindurch an der Nase herumgeführt. Sie hat die treusorgende Mutter für mich gespielt. Sie hat mich im Raumschiff gefangengehal­ten. Ich mußte für sie die Gräber ausplün­dern. Ich führte ein schreckliches Leben.«

Baylamor sank erschüttert in sich zusam­men. Er konnte es einfach nicht begreifen, daß sein ganzes Leben ein Irrtum gewesen sein sollte. Er war zu einem Einzelgänger und Plünderer geworden, weil seine Zofe ei­ne brutale Mörderin war.

»Wo steckt Aytilaa jetzt?« fragte ich den Arkoniden.

»Sie erwartet meinen Funkspruch. Ich sollte hier mehrere Gräber ausplündern und dann wieder an Bord der AYTILAA DEL GNOTOR zurückkehren. Wir hatten ausge­macht, daß ich mich nach genau zehn Stun­den melde. Wenn ich bis dahin noch nichts Wertvolles gefunden haben sollte, würde sie mir die Rückkehr befehlen.«

»Ihr werdet Hocatarr niemals wieder verlassen!«

Die Stimme klang schrill und gehässig. Plötzlich war überall das Rascheln seidener Gewänder zu vernehmen. Schritte ertönten. Unterdrücktes Stimmengemurmel erfüllte

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37 Duell auf der Totenwelt

den Tempel der toten Seelen. Bevor wir die Sprecherin sehen konnten, huschten große, graubepelzte Tiere heran. Die Biester waren fast zwei Meter lang. Sie besaßen kräftige Sprungbeine und einen langen, haarlosen Schwanz, mit dem sie die Richtung be­stimmten. Ihre Köpfe wirkten langgestreckt und schmal.

Schwarze Schnauzen glänzten über den halbmondförmigen Körpern, in denen ge­fährlich aussehende Reißzähne schimmer­ten.

»Die heiligen Vrinks«, schrie Fartuloon entgeistert. »Sie reißen uns in Stücke, wenn wir hier nicht rechtzeitig 'rauskommen.«

Schaudernd blickte ich den dunkelgrauen Bestien entgegen. Ich riß den Blaster heraus und zielte auf die heranjagenden Schemen. Aber ich drückte noch nicht ab. Ich sah, wie einzelne Tiere witternd stehenblieben. Sie hoben ihre schmalen Köpfe und nickten mehrmals auf und ab. Erst jetzt erkannte ich die kleinen, kaum fingerlangen Fühler, die dicht hinter ihren Ohren abstanden. Eine Schar von schwarzen Faltern flatterte jetzt um die Köpfe. Einige setzten sich auf die Fühler und gaben dabei summende Ge­räusche von sich.

»Die Vrinks leben mit den Faltern in Symbiose. Die Vrinks besitzen keine Augen. Die Falter geben ihnen Orientierungshinwei­se. Dafür saugen sie ihnen irgendein Sekret aus den Fühlern. Paß auf, gleich rücken uns die ersten Biester auf den Pelz.«

Fartuloon hatte recht. Nur wenige Atem­züge später stürmten fünf Vrinks im Höllen­tempo auf mich zu. Einige Tiere hatten Schaum vor den Mäulern. Ihre hornigen Krallen schrammten über den Boden. Bei je-dem Satz, der sie näher an mich heranbrach­te, stießen sie Zischlaute aus.

Du darfst sie nicht näher herankommen lassen, warnte mich mein Extrasinn mit schmerzhafter Intensität.

Ich drückte ab. Die grelle Impulsglut hüll­te die ersten drei Vrinks total ein. Die Tiere erschienen von einer Sekunde zur anderen als grellweiße Schemen, während die sym­

biotischen Falter zischend in der Glut ver­brannten.

»Einer von uns muß den Rückweg si­chern! Ra, das ist deine Aufgabe.«

Der Barbar nickte mir beruhigend zu. Er erwischte eben die anderen zwei Vrinks, die mich bedrängten. Wenige Meter vor mir lös­ten sie sich im Energiestrahl aus Ras Waffe in ihre atomaren Bestandteile auf.

»Wir ziehen uns langsam zurück«, schrie Fartuloon. Der Bauchaufschneider hatte sein Skarg gezogen. Mit wuchtigen Schlägen trieb er zwei angriffslustige Vrinks vor sich her. Als ein Tier den Ausfall wagte, um den Bauchaufschneider von der Seite zu at­tackieren, ließ Fartuloon das Skarg halb­schräg durch die Luft sausen. Es gab einen singenden Ton, als die blitzende Klinge den Kopf der Bestie vom Rumpf trennte.

Plötzlich war die schrille Stimme wieder da.

»Ihr armseligen Vogerknechte! Ihr tötet die heiligen Vrinks. Das wagte vor euch noch keiner. Aber ihr werdet alles hundert­fach heimgezahlt bekommen. Ihr werdet euch wünschen, niemals geboren worden zu sein. Eure Qualen werden unbeschreiblich sein …«

Die Stimme der Unsichtbaren überschlug sich.

Ich schoß immer noch auf die Scharen der heranjagenden Vrinks. Für jedes erlegte Tier tauchten mindestens fünf weitere auf. Ich fragte mich, wo sich die Scharen bisher ver­steckt gehalten hatten. Mein Blaster wurde bereits warm. Die Mündung aus Arkonstahl glühte dunkelrot. Lange war die Waffe nicht mehr zu gebrauchen.

»Wenn wir nicht bald eine Deckung fin­den, erwischen sie uns noch«, schrie Baylamor. Der dicke Grabräuber entwickel­te eine bewundernswürdige Kampftechnik. Er schoß, erledigte einen Vrink, wirbelte mit unerwarteter Schnelligkeit um die eigene Achse und schoß auf jene Tiere, die ihn aus der anderen Richtung angriffen.

Plötzlich versagte mein Blaster. Jetzt ist alles aus, schoß es mir durch den

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Kopf. Ich drückte immer wieder auf den Ak­tivierungsschalter, doch es löste sich kein einziger Schuß mehr. Ein Vrink hockte we­nige Meter von mir entfernt am Boden. Jetzt duckte er sich auf seinen langen Hinterbei­nen ab und schnellte sich vom Boden ab. Ich packte den Blaster und schleuderte ihn der Bestie mit aller Kraft entgegen. Es gab einen knackenden Ton, und der Vrink stürzte rö­chelnd zu Boden. Aus seinem halbmondför­migen Maul sickerte eine dunkelrote Flüs­sigkeit.

Den hast du erwischt, kommentierte mein Extrasinn das Kampf geschehen. Aber dafür hast du fünf andere auf dem Hals.

Sie griffen mich aus allen Richtungen an. Ein Seitenblick zu Fartuloon und Ra genüg­te, um mir zu zeigen, daß meine Freunde sich in einer ähnlichen schlechten Lage be­fanden. Fartuloon teilte immer wieder tödli­che Schläge mit dem Skarg aus. Ras Blaster funktionierte noch. Fragte sich, wie lange das so bleiben würde.

Ich riß den Vibratordolch aus dem Gürtel. Jetzt sprangen die fünf Vrinks auf mich

los. Sekundenbruchteile später berührten mich die schweren, bepelzten Körper. Der Aufprall war so wuchtig, daß ich in die Knie ging. Ich rammte dem ersten den Vibrator­dolch in den Leib, riß die surrende Waffe aus dem Körper und erledigte damit noch ei­ne zweite Bestie. Bevor ich die Waffe aus dem schlaff werdenden Körper ziehen konn­te, preßte das Gewicht eines Vrinks meinen rechten Arm nieder. Dasselbe geschah mit meinem linken Arm. Plötzlich konnte ich mich nicht mehr bewegen. Das Gewicht ei­nes dritten Vrinks legte sich auf meine Brust. Ich konnte kaum noch atmen. Es war entsetzlich. Plötzlich wurde mir schwarz vor Augen. Der faulige Geruch, der den ab­scheulichen Mäulern entströmte, würgte mich. Das weiße, schaumige Sekret der Vrinks tropfte auf mich herab.

Ich hörte Fartuloon schreien. Sein Skarg fiel zu Boden und rutschte bis zu den Kon­solen der Memobänder hinüber. Gleich dar­auf vernahm ich Ras Keuchen. Der Barbar

Dirk Hess

lag ebenfalls am Boden. Mehrere Vrinks standen über ihm und hielten ihn am Boden fest. Von Baylamor sah und hörte ich nichts mehr. Entweder war der Grabräuber tot, oder er war vor Schreck ohnmächtig gewor­den.

Ich erwartete praktisch jede Sekunde den Tod. Die grauenvollen Mäuler waren so dicht über mir, daß ich ihnen nicht mehr ausweichen konnte.

Sie hätten dich längst töten können, machte mich mein Extrasinn aufmerksam.

Warum warteten die Biester noch? Woll­ten sie unsere Qual unnötig hinauszögern?

Ich sollte euch von den heiligen Vrinks zerreißen lassen, schrillte die Stimme jener Unbekannten, die die Vrinks auf uns gehetzt hatte. Aber das wäre ein zu schneller Tod für euch. Ihr seid Grabräuber, die sich heimtückisch in die KARSEHRA geschlichen haben. Ihr werdet in der Arena der Großen Mutter sterben. Vorwärts meine Dienerin­nen, ergreift sie und fesselt sie! Ihr haftet mir dafür, daß sie lebend und unverletzt in der Arena ankommen.

Der Druck der Vrinks auf meine Brust ließ etwas nach. Ich spannte die Muskeln an, um bei der nächsten Gelegenheit aufzusprin­gen. Aber ich hatte keine Chance.

Das Rascheln schwerer, seidener Gewän­der wurde wieder laut. Mehrere Frauen, die ihre Gesichter mit schwarzen Schleiern be­deckt hatten, tauchten auf. Sie hielten elek­tronische Fesseln in den Händen.

6.

Die Arena der Großen Mutter bildete das Kernstück der berühmten arkonidischen Heldengedenkstätte, die von den Priesterin­nen KARSEHRA genannt wurde. Das impo­sante Rund der Arena wurde von hohen Rängen umgeben. Hier war für mindestens zweihundert Personen Platz. Eine breite Freitreppe führte von der Empore zur Arena hinunter. Ganz oben standen marmorne Frauenfiguren.

Die Priesterinnen hatten uns in die Mitte

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der Arena geführt. Dann wandten sie sich wortlos ab und stiegen auf die Ränge, von wo aus sie uns schweigend beobachteten. Ich hatte bisher von keiner einzigen Prieste­rin das Gesicht gesehen. Alle verhüllten sich mit schwarzen Seidenschleiern.

»Es war ein Fehler, auf Hocatarr zu lan­den«, stieß Fartuloon hervor. »Jetzt sitzen wir in der Patsche. Die Priesterinnen besit­zen hier die absolute Befehlsgewalt. Sie können mit uns machen, was sie wollen. Man erzählt sich nicht gerade angenehme Dinge über die Urteile der Hohepriesterin.«

»Kann es überhaupt noch schlimmer wer­den?« fragte ich gepreßt. Ich konnte nur noch flach atmen, so sehr schnürte mich die elektronische Fessel zusammen.

Meinen Freunden ging es nicht anders. Von den Rängen der Priesterinnen ertönte

ritueller Singsang. Einige von den Frauen ließen kleine Rasseln erklingen, die sie an den Handgelenken trugen. Dann wurde es wieder still. Ganz oben knarrte ein metalle­nes Tor. Wie auf ein Kommando erhoben sich die Priesterinnen von ihren Plätzen.

»Die Hohepriesterin kommt!« Wir starrten gebannt zur Empore hoch.

Die schwarze Gestalt schien zwischen den Statuen hindurchzuschweben, so leichtfüßig ging sie über die breiten Stufen herunter. Sie wirkte etwas kleiner als die anderen Frauen. Über ihrem Gesichtsschleier glänzte eine Kristallkrone, die den Körper der Priesterin mit einer schimmernden Aura umgab. Ein leichter Windstoß bauschte ihrem Umhang weit auf, so daß die Konturen ihres hageren Körpers hindurchschienen.

»Ihr wißt, daß euch der Tod erwartet«, schrillte die Stimme der Hohepriesterin durch die Arena. »Ihr seid das Risiko be­wußt eingegangen, als ihr auf Hocatarr ge­landet seid. Ich kenne eure Gründe dafür. Die Gesetze der Großen Mutter lassen keine Ausnahme zu. Ihr seid zum Tode verdammt …«

»Üblicherweise gibt man jedem Gefange­nen die Chance, sich zu verteidigen«, schrie ich, obwohl mir die Lungen durch die straffe

Fesselung schmerzten. »Große Worte, Kristallprinz!« Die Prie­

sterin brach in meckerndes Lachen aus. Bei Arkon, schoß es mir durch den Kopf.

Sie weiß, daß du Gonozals Sohn bist. »Warum lieferst du mich nicht an Orbana­

schol aus?« Das Lachen der Hohepriesterin brach ab­

rupt ab. Ihre Gestalt straffte sich. »Ich habe mich vorhin anscheinend nicht richtig aus­gedrückt, Kristallprinz. Auf Hocatarr gelten meine Gesetze. Und meine Gesetze sind die unumstößlichen Grundsätze einer jahrtau­sendealten Tradition, die auf den Kult der Großen Mutter zurückgeht.«

Arkanta hob beide Arme. Die Priesterin­nen auf den Rängen neigten sich ihr zu. Be­schwörungsformeln erklangen.

»Baylamor Arham del Gnotor«, schrie die Hohepriesterin und deutete mit ausgestreck­tem Arm auf den zitternden Grabräuber. »Du hast an der Seite der Mörderin Aytilaa ein unwürdiges Leben geführt. Du hast auf vielen Planeten Gräber ausgeplündert. Du bist hergekommen, um auch die Grabstätte der großen Helden des Imperiums zu ent­weihen. Du hast den Tod verdient. Aber ich will, daß du lebst …«

Baylamors Gesicht entspannte sich. Der Grabräuber schöpfte plötzlich neue Hoff­nung.

»… du sollst dir bewußt werden, wie ab­scheulich dein bisheriges Leben war. Du sollst so lange einsam durch den Weltraum kreuzen, bis du deinem erbärmlichen Leben selbst ein Ende setzen wirst. In genau die­sem Augenblick geht ein Funkspruch an die Mörderin Aytilaa ab. Darin wird der Alten erklärt, daß du hinter ihr Geheimnis gekom­men bist. Sie soll wissen, daß du das Memo­band deines Vaters abgehört hast. Dieser Funkspruch wird sie töten. Wenn du in die AYTILAA DEL GNOTOR zurückkehrst, findest du eine Tote in der Zentrale!«

»Nein«, schrie Baylamor. »Ich allein habe das Recht, die Mörderin meiner Mutter zu richten.«

»Recht?« spottete die Hohepriesterin.

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Dann winkte sie zwei Priesterinnen zu sich heran. »Schafft ihn zum Transmitter zurück. Er wird in das Robotschiff verfrachtet, von wo aus ihn ein Roboter in die AYTILAA DEL GNOTOR bringt.«

Baylamor schrie, als ihn die beiden Prie­sterinnen aus der Arena zerrten. Er drehte sich zu uns um und rollte wild mit den Au­gen. Ich verstand nicht, was er stammelte. Aber ich wußte, daß Baylamor am Ende war. Das Leben war für ihn eine schlimmere Strafe als der Tod.

Jetzt wandte sich Arkanta wieder uns zu. »Fartuloon, Bauchaufschneider des ver­

storbenen Imperators! Es war dein Plan, Go­nozal VII. wieder zum Leben zu erwecken, um Orbanaschol vom Thron zu fegen. Ein kühner Plan, aber er wird niemals verwirk­licht werden. Die Toten auf Hocatarr dürfen in ihrer ewigen Ruhe nicht gestört werden. Es gibt keine schlimmere Verfehlung nach dem Gesetz der Großen Mutter …«

»Sag doch gleich, daß du uns hinrichten lassen willst, Arkanta!«

Wir waren der Priesterin mit Haut und Haaren ausgeliefert. Ich zerrte verzweifelt an der elektronischen Fesselung. Doch das nützte Überhauptnichts.

Ich fragte mich erneut, woher Arkanta un­sere Identität kannte. War vielleicht doch et­was Wahres an dem Gerücht, die Priesterin­nen würden über übersinnliche Fähigkeiten verfügen?

Arkanta lachte wie eine Wahnsinnige. »Ja … ihr werdet sterben. Doch zunächst will ich über Ra Gericht halten. Er ist kein Arko­nide. Seine Gedanken sind rein und unver­fälscht. Er kann nicht nach den Maßstäben beurteilt werden, die für euch gelten. Daher wird Ra auch nicht sterben. Ich werde ihn im Tempel der Großen Mutter fasten lassen. Wenn die dafür vorgesehene Zeitspanne um ist, lösche ich ihm selbst jede Erinnerung an sein bisheriges Leben aus. Anschließend wird Ra als Tempelsklave eingesetzt wer­den. Erst dann ist dem Gesetz der Großen Mutter Genüge getan. Schafft ihn jetzt auf die Empore. Er soll das Ende seiner Freunde

Dirk Hess

miterleben.« Zwei Priesterinnen kamen eilfertig herbei

und zerrten den Barbaren mit sich und war­fen ihn brutal zu Boden. Aus eigener Kraft konnte sich Ra nicht mehr erheben. Die Fes­selbänder hielten ihn nieder. Jetzt stieß Ra zum letztenmal den Kampfschrei der stein­zeitlichen Jäger aus. Er legte seine ganze Wut und Verzweiflung in diesen Schrei. Se­kundenlang dröhnte es gellend durch die Arena, dann sah ich, wie der Barbar zwi­schen den Sitzreihen ohnmächtig zu Boden sank.

»Nun zu euch«, keifte Arkanta gehässig. »Ihr werdet eure eigenen Henker sein. Ihr werdet euch gegenseitig töten!«

Ich war sprachlos vor Entsetzen. So sah also der Wahnsinnsplan aus, den die Hohe­priesterin ausgeheckt hatte. Aber sie sollte sich verrechnet haben. Ich würde niemals die Hand gegen meinen väterlichen Freund Fartuloon erheben. Genausowenig würde mich Fatuloon jemals ernstlich verletzen können. Dessen war ich mir ganz sicher.

»Du mußt wahnsinnig oder dumm sein«, bestätigte Fartuloon meine Gedanken. »Wie kannst du erwarten, daß ich den Kristallprin­zen töte, nachdem ich ihn bis jetzt beschützt habe?«

Arkanta stieß zornige Zischlaute aus. Far­tuloon hatte sie zutiefst beleidigt. Das allein war schon ein todeswürdiges Vergehen. Aber Arkanta würde das einmal gefällte Ur­teil nicht mehr ändern. Diese Gnade erwies sie uns bestimmt nicht. Denn ein Strahl­schuß wäre ein viel zu schnelles Ende für uns gewesen. Wir sollten möglichst lange leiden.

*

Eine Priesterin schleuderte dem Bauch­aufschneider das Skarg vor die Füße. Fartu­loon sollte also mit seiner eigenen Waffe ge­gen mich antreten. Eine andere Vermummte warf einen blitzenden Schild zu Boden.

»Damit tötest du den Kristallprinzen«, war die lakonische Aufforderung.

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»Irrtum, meine Teuerste«, stieß der Bauchaufschneider hervor. »Sobald ich mei­ne Fesseln los bin, schlitze ich dir den Schleier auf. Aber von Kopf bis Fuß. Dann vergesse ich meine angeborene Höflichkeit Weibern gegenüber!«

Arkanta ging überhaupt nicht auf Fartulo­ons Wutausbruch ein. Sie winkte zwei Prie­sterinnen herbei.

»Das ist für den Kristallprinzen! Beeilt euch, ich will das Duell endlich anfangen lassen.«

Als jetzt das scharf geschliffene Schwert und der blankpolierte Schild vor mir lagen, zogen sich die Priesterinnen auf die Ränge zurück.

»So ganz scheinen sie uns wohl doch nicht zu trauen«, raunte mir Fartuloon amü­siert zu.

Ich teilte den Optimismus des Bauchauf­schneiders nicht im geringsten. Die Prieste­rinnen hatten bestimmt noch ein paar Trümpfe in der Hand. Dessen war ich mir ganz sicher. Es genügten zwei Fesselfeld­projektoren, um die Ränge vom Kampfplatz abzuschirmen.

Plötzlich lockerten sich unsere Fesseln. Die Hohepriesterin hatte per Funk die Lö­sung der Magnetsperre befohlen. Die Bänder fielen zu Boden. Ich spürte ein unangeneh­mes Krippeln. Das Blut schoß wieder in die fast abgestorbenen Armgelenke. Ich mas­sierte meine Muskeln, so gut es ging.

»Hebt die Waffen auf«, schrie Arkanta uns zu. Ihre schrille Stimme hatte einen sug­gestiven Klang angenommen.

Wir rührten uns nicht von der Stelle. Far­tuloon lachte und massierte sich die schmer­zenden Arme weiter.

»Du kannst lange warten, elende Hexe! Wir werden nicht kämpfen.«

»Zum letzten Mal … hebt die Waffen auf!«

Ich schüttelte den Kopf. »Niemals, Ar­kanta!«

Anscheinend hatte die Hohepriesterin mit unserer Weigerung gerechnet. Sie winkte nur, und sechs Priesterinnen tauchten mit

schweren Geräten auf. Als ich die spiralig gewundenen Anten­

nen auf den Gerätehauben erblickte, durch­zuckte es mich siedendheiß.

Die Hohepriesterin will euch mit den Im-pulsen der Psychogeneratoren bombardie­ren, meldete sich der Logiksektor meines aktivierten Extrahirns. Du wirst alle Kraft brauchen, wenn du dich dagegen erfolgreich zur Wehr setzen willst.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Ho­hepriesterin wollte uns mit Haßimpulsen überschütten, damit wir unsere Freundschaft vergaßen und uns gegenseitig zerstückelten. Ich fröstelte. Fartuloon besaß kein aktivier­tes Extrahirn. Er war den Psychogeneratoren hilflos ausgeliefert. Er würde genau das tun, was Arkanta von ihm verlangte. Wenn ich nicht sterben wollte, mußte ich das Schwert gegen Fartuloon erheben.

»Schnell, Fartuloon«, stieß ich hervor. »Schnapp dir dein Skarg! Wir müssen ver­hindern, daß sie die Pschogeneratoren ein­schalten.«

Wir reagierten wie ein hundertfach einge­spieltes Team. Jeder packte seinen Schild und riß das Schwert an sich, das für ihn be­reit lag. Dann rannten wir so schnell, wie wir nur konnten, auf die breite Treppe zu. Die Priesterinnen sprangen erregt auf. Eini­ge schrien entsetzt. Doch Arkanta blieb ganz ruhig. Sie lachte, als ginge sie das Gesche­hen Überhauptnichts an.

»Sie muß wahnsinnig sein«, keuchte ich. »Ja … und deshalb muß sie einer von uns

töten. Ihr Leben gegen unseres.« Wir hatten gerade den Fuß der Treppe er­

reicht, als sich links und rechts Klappen öff­neten. Mehrere Vrinks sprangen heraus und versperrten uns den Weg nach oben. Die kleinen, schwarzen Falter surrten aufgeregt um die Köpfe der blinden Bestien. Sie wie­sen ihnen den Weg.

»Ich halte dir die Biester vom Leib«, schrie Fartuloon. »Schlag dich zu den Psy­chogeneratoren durch.«

Aber es war schon zu spät. Arkanta hatte das die ganze Zeit über gewußt. Ihr war klar,

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daß wir es nicht schaffen würden. Sie hatte die kurze Frist zwischen dem Lösen der Fes­seln und der Aktivierung der Psychogenera­toren benutzt, um uns für wenige Augen­blicke in Sicherheit zu wiegen. Die Nieder­lage, die wir jetzt erlitten, wog doppelt schwer.

Fartuloon blieb plötzlich stehen. Auch die Vrinks verhielten sich abwartend. Der Bauchaufschneider krümmte sich zusam­men. Er stöhnte schwer. Er bohrte die Spitze des Skargs in den harten Bodenbelag und stützte sich auf den Schwertgriff. Der Schild hing locker in seiner Linken.

Du kannst die Impulse des Psychogenera­tors bis zu einer gewissen Stärke abwehren. Anschließend beginnt der Spießrutenlauf, pochte mein Extrasinn.

Sekundenlang verschwamm alles vor mei­nen Augen. Die Sitzreihen mit den Prieste­rinnen lösten sich in einen grauen Nebel auf. Etwas Fremdes schob sich in mein Bewußt­sein. Der fremde Zwang ließ sich nicht ab­schütteln; er war einfach da und wurde im­mer stärker.

Töte Fartuloon! Töte ihn! Ich schüttelte den Kopf. Die Impulse des

Psychogenerators tobten in meinem Inner­sten. Nur mein Extrahirn half mir noch, sie abzuwehren. Noch besaß ich allein die Ge­walt über meinen Körper. Aber wenn die Impulse stärker wurden, würde ich jegliche Kontrolle über mich verhören.

In diesem Augenblick hob Fartuloon den Kopf. Seine Gestalt straffte sich. Der Bauch­aufschneider packte das Skarg fester und riß das Schild vor die Brust. Über dem Rand des blankpolierten Schildes erblickte ich die Augen meines Freundes. Sie waren blutun­terlaufen und starrten mich voller Mordlust an.

*

Das Skarg beschrieb einen Bogen über meinem Kopf. Ich hatte mich blitzschnell geduckt und war einem Schwertschlag ent­gangen, der mir den Kopf vom Rumpf ge-

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trennt hätte. Fartuloon sprang nach rechts und machte

einen Ausfall. Sein Skarg sollte mich in die ungeschützte Seite treffen. Ich riß meinen Schild herum. Funkensprühend schrammte das Skarg dagegen. Die Wucht ließ mich taumeln.

»Fartuloon … komme endlich zur Besin­nung! Du willst mich doch nicht töten, oder?«

Der Bauchaufschneider antwortete mir nicht. Er verzerrte sein Gesicht zu einer ab­scheulichen Grimasse. Sein dunkler Bart sträubte sich, und die Augen brannten wie glühende Kohlen.

Nein, der Bauchaufschneider würde mich nicht schonen. Er befand sich völlig in der Gewalt der abgestrahlten Haßimpulse. Bei der geringsten Blöße, die ich mir jetzt gab, würde er mich töten. Fartuloon war ein per­fekter Schwertkämpfer. Er hatte mir als Knabe die besten Tricks damit beigebracht. Er war mein Lehrmeister gewesen, und jetzt standen wir uns als Todfeinde gegenüber, weil es die wahnsinnige Hohepriesterin so wünschte.

Fartuloon trieb mich mit einer Flut von Schwertschlägen vor sich her. Ich parierte jeden Schlag. Eisen klirrte auf Eisen. Die Funken sprühten nur so.

Ich fühlte, daß mein Blut zu sieden be­gann. Mein Bewußtsein wurde unaufhörlich mit Haßimpulsen überschwemmt. Gleichzei­tig mußte ich Fartuloons Attacken abweh­ren. Ich konnte nichts dagegen tun, aber ich spürte, wie mein Zorn wuchs.

Fartuloon sprang einen Schritt zurück. Er hob seinen Schild und stieß mir mit der spitz zulaufenden Unterseite derb in die Seite. Im gleichen Augenblick schlug er mit dem Skarg zu. Ich konnte der mörderisch schar­fen Klinge nicht mehr ausweichen. Haar­scharf über der Oberkante meines Schildes blitzte das Skarg vorbei und zog einen bluti­gen Streifen über meine Brust.

Ich empfand den brennenden Schmerz dieser Verwundung erst viel später. Verwun­dert sah ich, wie mir das warme Blut am

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Körper herunterlief. Die Wunde ist nicht tödlich, pochte mein

Extrasinn. Laß dir jetzt keine Schwäche an­merken.

Fartuloon kämpfte wie eine Maschine. Er sprang vor, schlug mit dem Skarg zu und tänzelte geschickt auf und ab. Er trieb mich mit seinem Schild vor sich her, um dann mit dem Schwert zuschlagen zu können. Für ein paar Atemzüge drängten wir uns ganz dicht aneinander. Jeder versuchte den anderen zu Boden zu drücken. Unser Keuchen wurde lauter. Ich bekam einen roten Kopf vor An­strengung, und ich sah, wie die Halsschlag­ader des Bauchaufschneiders zuckte.

Wir waren schweißüberströmt. Ich stemmte mich verzweifelt gegen den Schild Fartuloons an. Unsere Schwertgriffe hatten sich ineinander verkeilt. Ein paar Sekunden lang sah es so aus, als wären wir gleichstark. Dann ließ Fartuloon sich unverhofft nach hinten zurückfallen. Er schob gleichzeitig seinen Fuß zwischen meine Beine und riß mich mit sich zu Boden. Mein Schwert klirr­te auf den harten Belag. Ich fiel so unglück­lich auf meinen Schild, daß mir der Atem wegblieb. Während mir grellrote Schemen vor den Augen umhertanzten, sprang Fartu­loon geschickt auf.

»Nein, Fartuloon! Halt … laß den Wahn­sinn!«

Ich richtete mich halb auf. Ein glühender Schmerz raste durch meine Brustplatte. Ge­brochen hatte ich mir zum Glück nichts, aber es schmerzte trotzdem teuflisch.

Fartuloon stand dicht vor mir. Jetzt hob er seinen Skarg zum tödlichen Schlag. Ich sah die Klinge auf mich niedersausen und rollte mich automatisch zur Seite. Nicht einmal ein Zentimeter neben meinem Kopf spaltete das Skarg den Bodenbelag. Dabei trennte es eine Haarsträhne von mir ab.

»Nein«, keuchte ich. »Wie lange soll die­ser Wahnsinn denn noch dauern?«

»So lange, bis ihr beide tödlich verwundet seid!« kam es von den Rängen. »Ihr könnt selbst bestimmen, wie lange ihr noch leiden wollt.«

Ich kam wieder auf die Beine. Ich wußte, daß ich meine freundschaftlichen Gefühle für den Bauchaufschneider bald über Bord werfen würde. Der Selbsterhaltungstrieb war nun einmal stärker als alles andere.

Ich brauchte dringend eine Verschnauf­pause. Doch weder Fartuloon noch die Prie­sterinnen würden sie mir gewähren. Fartu­loon war nicht mehr Herr über sich selbst. Die Haßimpulse der Psychogeneratoren be­herrschten ihn jetzt völlig. Und die Prieste­rinnen steigerten sich immer mehr in die selbstgewählte Raserei hinein. Ihre Schreie gellten durch die Arena.

Ich fühlte, daß ich immer schwächer wur­de. Das Schwert wurde immer schwerer, und der Schild schien das doppelte Gewicht zu besitzen.

Die Priesterinnen stießen mit den Armen vor. Dabei erzeugten sie mit ihren Rasseln ein höllisches Geräusch. Sie symbolisierten jedesmal den tödlichen Schwertstoß. Jetzt stimmten sie lautstark in den Gesang ihrer Hohepriesterin ein. Sie behandelten uns wie Tiere, die man durch Drogen in einen Blut­rausch ohnegleichen versetzt hatte.

Fartuloon schien keine Müdigkeit zu ken­nen. Ich mußte ihn verletzen, wenn ich die nächsten Minuten überleben wollte.

Jetzt, riet mir mein Extrasinn. Er bereitet einen Ausfall vor.

Ich stieß mehrmals kurz hintereinander mit dem Schwert zu. Dabei verletzte ich Far­tuloon an der Brust und am Arm. Winzige Einschnitte erschienen auf der gebräunten Haut des Bauchaufschneiders. Aber Fartulo­ons Kampfeseifer war nicht zu schwächen. Er gab nicht einmal einen Wehlaut von sich. Er drang nur noch verbissener auf mich ein.

Das hältst du nicht mehr lange durch, wisperte mein Extrasinn. Du mußt dich ent­scheiden: Entweder er oder du!

*

Es war reiner Zufall, daß ich zu den Rän­gen hochblickte. Die Sitzreihen mit den to­benden Priesterinnen wirkten auf mich wie

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Dampfkessel kurz vor der Explosion. Ganz oben erblickte ich die Silhouetten zweier Männer.

Ra und Baylamor, bestätigte mein Extra­sinn die Beobachtung. Sie müssen sich be­freit haben.

Bevor ich diese Erkenntnis richtig verdaut hatte, verschwamm mir alles vor Augen. Die Impulse der Psychogeneratoren wirkten jetzt auch voll auf mich. Eine unbeschreibliche Wut stieg in mir auf. Ich wollte jetzt nur noch den Kampf zu meinen Gunsten ent­scheiden. Was danach kam, war mir völlig gleichgültig.

Ich trieb Fartuloon mit einem Hagel kraft­voll geführter Schwertschläge vor mir her. Im Augenblick konnte der Bauchaufschnei­der die Schläge noch parieren. Aber auch seine Kraftreserven waren einmal erschöpft. Ich merkte sofort, daß er nicht mehr so gleichmäßig abwehrte wie zu Anfang.

»Jetzt habe ich dich«, hörte ich mich keu­chen.

Du irrst dich, rief irgendwo eine Stimme. »Du hast mich lange genug gedemütigt.

Ich bin der Kristallprinz. Du hast dein Leben verwirkt, Elender!«

Du bist in der Gewalt von Psychogenera­toren, kam die Stimme erneut.

»Willst du mich verspotten, Bauchauf­schneider?«

Tief in meinem Innersten wußte ich, daß nicht Fartuloon, sondern das aktivierte Ex­trahirn mit mir gesprochen hatte. Aber ich wehrte alle Logikimpulse meines Extrahirns ab.

Meine Schläge kamen gezielter. Ich ver­folgte jetzt eine ganz bestimmte Taktik: Ich wollte Fartuloon zuerst entwaffnen, um ihn dann mit einem einzigen Schlag ins Jenseits zu befördern.

»Das gefällt dir gar nicht, was?« Fartuloon grollte. Schweiß lief in Strömen

über seinen Körper. In diesem Augenblick zuckte sein Schwert völlig unvermutet hoch. Der Bauchaufschneider hatte den Stoß so tief wie möglich angesetzt. Die Klinge des Skargs zuckte über meinen Körper hinweg

Dirk Hess

und durchtrennte die Griffgurte meines Schildes. Entsetzt sah ich, wie Blut aus einer Wunde sprudelte. Aber viel schlimmer war, daß ich den Schild nicht mehr benutzen konnte.

Wütend schleuderte ich Fartuloon den nutzlos gewordenen Schild entgegen. Der Bauchaufschneider stieß ihn von sich.

Klirrend rutschte das Ding über den Aren­aboden.

Ich stand breitbeinig da und erwartete den letzten Angriff meines Gegners.

Als Fartuloon triumphierend sein Skarg hob, blitzte es plötzlich grell auf. Ich schloß instinktiv die Augen. Der Lichtblitz kam vom höchsten Punkt der Empore. Ganz in der Nähe gab es einen schmetternden Schlag. Es stank bestialisch nach verschmo­renden Plastikteilen.

In genau derselben Sekunde ließ der hyp­notische Zwang nach.

Komm endlich wieder zu dir, rüttelten mich die Impulse meines Extrasinns wach. Ra und Baylamor haben einen Generator vernichten können. Jetzt wehren sie sich ver­zweifelt gegen die Horden der heiligen Vrinks. Sie können den zweiten Psychogene­rator nicht mehr zerstören. Sie sind dort oben in einer verzweifelten Lage. Du mußt die Impulse des anderen Generators igno­rieren und Fartuloon sofort kampfunfähig schlagen.

Auf der Empore blitzte es mehrmals auf. Das Brüllen der getroffenen Vrinks war bis hier unten deutlich zu vernehmen. Ra und Baylamor besaßen anscheinend nur einen einzigen Blaster. Lange würden sie sich dort oben nicht mehr halten können.

Arkanta stieß Flüche aus. Sie schlug die Priesterinnen, die ihr am nächsten standen.

Fartuloon schien das alles nicht mitbe­kommen zu haben. Er drang wieder mit un­vermindertem Kampfeseifer auf mich ein. Ich mußte ihn niederschlagen, bevor Arkan­ta den vernichteten Psychogenerator durch einen neuen ersetzen konnte.

Fartuloons Schild tauchte blendend vor mir auf. Die Oberfläche reflektierte meinen

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Körper. Ich sah meine blutenden Wunden. Mein Gesicht war schweißüberströmt. Die Haare klebten mir auf der Stirn.

Ich parierte den Schwerthieb des Bauch­aufschneiders, trat ihm mit aller Kraft gegen das Schienbein und stemmte mich gegen sei­nen Schild. Die Griffe der Schwerter ver­keilten sich ineinander. Mein Arm zitterte, doch ich hielt dem Druck des Gegners stand. Ich ließ ein klein wenig locker, holte tief Luft und rammte Fartuloon mein Knie in den Magen.

Fartuloon krümmte sich zusammen. Dann sackte er ganz langsam in die Knie. Er hielt das Skarg immer noch in der Rechten, wäh­rend sein Schild wegrutschte. Dann verlor er das Bewußtsein.

»Töte ihn!« verlangte Arkanta mit schril­ler Stimme.

»Nein! Der Kampf ist zu Ende. Du hast falsch spekuliert, Arkanta.«

Ich sah, wie Ra und Baylamor von den Vrinks näher an die äußere Begrenzungs­mauer der Empore getrieben wurden. Die Tiere wollten sie von der Mauer drängen. In ein paar Sekunden würden meine Freunde mit zerschmetterten Gliedern vor der Arena liegen.

Schnapp dir die Hohepriesterin, pulste mein Extrasinn. Zwing sie dazu, euch freien Abzug zu gewähren.

Ich griff nach Fartuloons Schild. Das Schwert hatte ich keine Sekunde losgelas­sen. Ich sprang über den Treppenabsatz und nahm die niedrige Umgrenzungsmauer mit einem Satz. Die Priesterinnen erkannten so­fort meine Absicht. Sie scharten sich im Halbkreis um die Hohepriesterin und bilde­ten eine schützende Mauer um sie.

»Bleib stehen, Kristallprinz! Du kannst mich nicht töten. Meine Kräfte übersteigen das Maß deiner Vorstellungskraft. Du wirst zu Stein erstarren, bevor du mich erreichen kannst. Meine Blicke besitzen die Kräfte der Großen Mutter, die durch viele Generatio­nen hindurch auf die Hohepriesterin vererbt werden. Du bist ein erbärmliches Nichts ge­gen mich. Du warst schon zum Tode verur­

teilt, als du dein Raumschiff verließest.« Sie blufft nur, schoß es mir durch den

Kopf. Die Priesterinnen waren noch näher an

Arkanta herangerückt. Keine lüftete ihren Schleier. Alle verbargen sich unter langen, wallenden Seidenschleiern. Jetzt streckten sie ihre Hände nach Arkanta aus. Wer die Hohepriesterin nicht berühren konnte, faßte nach der Schulter einer anderen Priesterin. Jede einzelne von ihnen suchte den körperli­chen Kontakt mit Arkanta.

Wenn ich die Legenden von übersinnlich begabten Wesen nicht ins Reich der Phanta­sie verbannt hätte, wäre das Verhalten der Priesterinnen einfach zu erklären gewesen. Sie verstärkten die geheimnisvollen Kräfte der Hohepriesterin durch ihre eigenen Indi­vidualauren. Plötzlich mußte ich mich an Fartuloons Bericht über die Grablegung meines Vaters erinnern. Der Bauchauf­schneider hatte von einem Mann seiner Be­satzung gesprochen, der das Gesicht Arkan­tas sehen wollte. Der Unglückliche war bei ihrem Anblick erstarrt und gestorben.

Ob doch etwas an der Behauptung Arkan­tas dran war?

Ich stand zehn Meter vor den Priesterin­nen. Ihre rhythmischen Gesänge wurden lau­ter. Da traten einige von ihnen zurück und ließen Arkanta vortreten. Täuschte ich mich, oder schimmerten unter ihrem Schleier zwei helle Lichter?

»Jetzt stirbst du, Kristallprinz! Wenn ich meinen Schleier lüfte, erstarrst du zu Stein.«

Es wurde totenstill. Die Priesterinnen ver­harrten absolut schweigend hinter ihrer Her­rin. Arkantas Hand kam ruckhaft hoch, ihre gelben, skelettartigen Finger wurden sicht­bar, als sie den Rand ihrer seidenen Kapuze ergriffen.

Ich hielt unwillkürlich den Atem an. Selbst wenn ich Flügel besessen hätte, ich wäre zu langsam gewesen. Arkanta riß mit einer entschlossenen Bewegung die Kapuze vom Kopf. Instinktiv schützte ich meine Au­gen mit dem Schild.

Das war meine Rettung, denn die riesigen

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Augen Arkantas versprühten ein schauriges Elmsfeuer. Während die Priesterinnen mei­nen Todesschrei erwarteten, geschah etwas Unverhofftes: Arkanta blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Ihr triumphierendes Ge­lächter verwandelte sich in einen grauenhaf­ten Schrei.

Nicht hinsehen, verlangte mein Extrasinn. Bleib in Deckung deines Schildes. Sieh die Hohepriesterin nicht an.

*

Ras Siegesschrei brachte mich halbwegs wieder zu Besinnung.

»Du hast die Hexe besiegt, Atlan! Sie kann uns nichts mehr anhaben.«

Das Leuchten und Gleißen war ver­schwunden. Ebenso das Rasseln der Prieste­rinnen. Dafür blitzte ganz oben der Blaster auf, den meine Freunde erbeutet hatten. Un­weit von mir zerschmolz auch der zweite Psychogenerator in seiner höllischen Glut.

Jetzt vernahm ich auch Baylamors Begei­sterungsrufe. Der Grabräuber jagte hinter mehreren Vrinks her, die jetzt ziellos durch die Arena irrten. Anscheinend gab ihnen keiner mehr Befehle. Die Biester sprangen heulend über die Sitzreihen hinweg. Einige stürzten und brachen sich die Knochen. An eine Verteidigung der Priesterinnen dachte kein Tier mehr.

Erst jetzt fiel Arkanta schwer zu Boden. Sie ist tot, meinte mein Extrasinn. Es hörte sich an, als würde ein schweres

Standbild vom Sockel krachen. Arkanta mußte sich irgendwie verändert haben. Sie ist an meiner Stelle zu Stein erstarrt, ging es mir durch den Kopf. Aber wie war das mög­lich?

Die Priesterinnen lösten sich langsam voneinander. Sie wichen vor mir zurück, als wäre ich ein Gespenst. Einige schluchzten laut auf. Sie schienen Arkantas Tod nicht fassen zu können. Andere wieder krümmten sich heulend zusammen und kratzten mit ih­ren Fingernägeln über den Boden.

Erst jetzt wagte ich es, die tote Hoheprie-

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sterin anzusehen. Ich zuckte entsetzt zusammen. Der An­

blick war so abscheulich, daß ich für ein paar Augenblicke das Luftholen vergaß. Das Gesicht der Toten hatte sich mit einer dicken Kalkschicht überzogen, die beim Sturz auf den Boden mehrfach geborsten war. Darun­ter schimmerte das rohe Fleisch Arkantas durch. Aber das war noch nicht das Schlimmste! Ich werde die Augen Arkantas mein Lebtag nicht mehr vergessen. Zwei große, fast handtellerbreite Scheiben be­herrschten die Stirn. Die Oberfläche dieser teuflischen Augen schimmerte wie ge­schmolzenes Erz. Doch das Höllenfeuer er­losch langsam. Es konnte mir keinen Scha­den mehr zufügen. Schließlich überzogen sich die großen Augenscheiben, die ohne er­kennbare Pupillen waren, mit einer matten Schicht. Dann waren sie ganz stumpf, so daß man sie von der Kalkschicht nicht mehr un­terscheiden konnte.

Arkanta hatte tatsächlich Kräfte besessen, die sich durch keine wissenschaftliche Me­thode erklären ließ. So verrückt es klang, aber Arkanta vermochte ihre Opfer in Stein zu verwandeln. Sie hatte also die Wahrheit gesagt.

Aber warum lebte ich dann noch? Warum war Arkanta statt meiner zur Hölle gefah­ren?

Weil du die Energien ihres paramental begabten Geistes durch den polierten Schild auf sie zurückgeschleudert hast, begann mein Extrasinn seine Erklärung. Arkanta hat übertrieben, als sie behauptete, jeden Arko­niden in Stein verwandeln zu können. Die Gabe der Materieumwandlung kann kein le­bendes Wesen beherrschen. Ihre Blicke übertrugen lediglich eine ganz spezielle Art von geistiger Strahlung, die im anderen Or­ganismus komplizierte biochemische Prozes­se auslösten. Zuerst bewirkten sie eine ex­trem starke Kalkausscheidung. Dann eine absolute Verkrampfung, so daß kein Leben mehr möglich war. Rein äußerlich hatte das den Anschein, das Opfer wäre zu Stein er­starrt.

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Also doch keine Zauberei, wie ich ver­blüfft feststellen mußte.

Fartuloons Warnung kam keine Sekunde zu spät. Fünfzehn Kampfroboter standen auf der Empore und zielten mit ihren Blastern auf uns. Der Bauchaufschneider war im rechten Augenblick wieder zu sich gekom­men. Meine Schläge schien er besser ver­daut zu haben, als ich angenommen hatte.

»Die Priesterinnen haben ihre Verblüf­fung überwunden. Jetzt wollen Sie den Tod Arkantas rächen.«

Ra stand links von mir auf dem Treppen­absatz. Er deutete auf die niedrigen Klappen, die über den Laufgängen der Vrinks hochge­klappt waren.

»Dort können wir unterkriechen. Nach oben kommen wir niemals durch.«

»Dann nichts wie weg von hier, bevor sie uns zusammenschmelzen«, schrie ich. Ich achtete nicht auf das Brennen meiner Wun­den. Krampfhaft hielt ich den Schwertgriff fest. Den Schild hatte ich neben Arkanta lie­gengelassen.

Eben fauchte oben ein Blaster auf. Plötz­lich war die Luft siedendheiß. Weitere Ent­ladungen irrlichterten durch die Arena. Baylamor stieß einen Entsetzensschrei aus. Ein Glutstrahl hatte seinen Arm gestreift.

»Bei Arkon … ich halte diese Schmerzen nicht aus!«

»Schnell, hier durchkriechen«, rief ich und schob den dicken Arkoniden durch die Schachtöffnung. Ich folgte ihm sofort. Das letzte, was ich von der Arena sah, waren die näher kommenden Kampfroboter. Ihre schweren Schritte dröhnten durch das stei­nerne Massiv. Es verfolgte uns auch dann noch, als wir bereits die Käfige der jungen Vrinks erreicht hatten.

Glücklicherweise verbreiterten sich die Gänge, so daß wir im Laufschritt fliehen konnten. Irgendwo dort unten befanden sich die Ausgänge.

»Wie sollen wir jetzt meinen Vater aus der Gruft holen?« fragte ich Fartuloon.

»Du denkst also immer noch daran, was?« Der Bauchaufschneider deutete auf seine

Wunden. Die Schnittstellen hatten sich noch nicht geschlossen. »Du hättest mich beinahe in Stücke geschlagen. Ich habe die Nase ge­strichen voll.«

Ich überging Fartuloons Äußerung. Wir waren bisher durch die Hölle gegangen. Ich sah nicht ein, daß wür das Projekt jetzt auf­geben sollten. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.

»Wo wurde Gonozal VII. aufgebahrt?« wollte ich wissen. »Du warst doch dabei, Fartuloon. Kannst du von hier aus die Rich­tung bestimmen?«

Der Bauchaufschneider schüttelte den Kopf. »Tut mir ehrlich leid, Atlan. Aber wie ich schon sagte, habe ich damals nur einen kleinen Ausschnitt der KARSEHRA ken­nengelernt. Ich besuchte den Tempel der to-ten Seelen, den Brunnen der schwarzen Fi­sche …«

»Der Brunnen der schwarzen Fische?« rief Baylamor und vergaß für einen Augen­blick die furchtbaren Schmerzen, die der Streifschuß bei ihm verursachte. »Als ich mich vorhin aus der Gewalt der Priesterin­nen befreite und zu Ra zurücklief, kam ich an einem großen Brunnen vorbei. Das Was­ser war pechschwarz, und ab und zu tauchte ein Fisch an die Oberfläche.«

»Das ist es«, stieß Fartuloon heftig her­vor. »Der Brunnen grenzt unmittelbar an die Gräber der Imperatoren. Von dort sind es nur wenige Schritte bis zu Gonozals letzter Ruhestätte. Du mußt uns den Weg zeigen, Baylamor!«

Der dicke Grabräuber nickte. »Ich verges­se nie den Weg zu einem Grab. Das könnt ihr mir glauben. Aber ich fürchte, wir kom­men niemals lebend dorthin. Die Kampfro­boter werden alles abriegeln. Die Priesterin­nen wissen doch, daß wir Gonozal VII. wie­derbeleben wollen.«

»Uns wird schon etwas einfallen«, rief ich. »Hauptsache, wir kommen erst unge­schoren aus der Arena.«

7.

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Die Roboter der Priesterinnen standen nur zehn Meter von uns entfernt. Sie bildeten einen dichten Umschließungsring. Jeder die­ser auf Kampf programmierten Maschinen würde sofort schießen, wenn wir den Kopf zu weit aus der Deckung steckten.

Dichtes Buschwerk umgab uns und schützte uns vor den Blicken der Roboter. Die Umfassungsmauer der KARSEHRA war höchstens fünfhundert Meter von uns entfernt. Dazwischen standen die Kampf ro­boter.

»Wenn wir die Dinger für ein paar Sekun­den von uns ablenken könnten, hätten wir genügend Zeit, um in die KARSEHRA ein­dringen zu können.«

Zahlreiche Felsblöcke, Standbilder und Mauerreste bedeckten den Boden. Ein Mann allein hätte in die KARSEHRA eindringen können. Aber er mußte das Risiko eingehen, von den Robotern entdeckt und sofort zer­strahlt zu werden.

»Das erledige ich«, flüsterte Ra selbstbe­wußt. »Ich lege dort hinten Feuer. Wenn die Roboter den Umschließungsring öffnen, schlüpft ihr durch und dringt in die KAR­SEHRA ein. Kümmert euch nicht um mich. Ich komme schon durch. Ihr müßt Gonozals Körper bergen. Denkt daran!«

»Du darfst dein Leben nicht für einen To-ten aufs Spiel setzen, Ra!«

Ich sah den Barbaren nachdenklich an. Ich wußte sofort, daß er sich von seinem einmal gefaßten Vorsatz nicht mehr abbrin­gen lassen würde. Fartuloon willigte schließ­lich ein. Der Bauchaufschneider meinte: »Einer muß es wagen, sonst sitzen wir hier fest. Wenn die Roboter den Befehl bekom­men, langsam vorzurücken, enden wir im Kesseltreiben der Priesterinnen. Außerdem kann Kejt Argalth die CRYSALGIRA nur ungefährdet im Innenhof der KARSEHRA landen. Dort ist das Schiff vor allen Angrif­fen geschützt. Keine Priesterin würde es wa­gen, die Grabstätten in Gefahr zu bringen. Sie lassen uns eher entkommen, als daß dort drüben eine einzige Gruft beschädigt wird.«

Ich nickte. »Du hast wohl recht, Fartuloon

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… aber es gefällt mir nicht, daß Ra das Risi­ko eingehen soll.«

Hinten knackten ein paar Zweige. Der Barbar schlängelte sich geschickt durch das Unterholz. Sekunden später war er ver­schwunden.

»Wenn einer durchkommt, dann ist es Ra! Er kann sich besser als jeder andere von uns in unbekanntem Gelände fortbewegen, ohne aufzufallen.«

Wir warteten schweigend auf das Ablen­kungsmanöver des Barbaren.

»Es ist soweit!« Hinter den düsteren Bäumen flackerte es

plötzlich hell auf. Knisternd fraßen sich die Flammen durch das dichte Buschwerk. Der Qualm vermischte sich mit den Nebelschwa­den, die über der KARSEHRA lasteten.

Zehn Kampfroboter verließen ihre Positi­on. Sie stampften genau auf das Feuer zu, das Ra gelegt hatte. In weniger als einer hal­ben Minute würden die Roboter wissen, daß alles nur ein Ablenkungsmanöver war. Die Zeit mußte ausreichen, um die KARSEHRA zu erreichen. Ich wartete, bis die Kampfma­schinen an uns vorbei waren. Dann zischte ich meinen Freunden zu: »Los!«

*

Ich blieb schweratmend am feuchten Mauerwerk stehen. Fartuloon und Baylamor kamen wenig später hinter mir an. Rechts gähnte ein finsterer Schacht, der von rosti­gen Gittern abgesichert wurde. In der Mitte vor uns führte eine schmale Treppe über die Mauer.

Hinten im Wald wurde geschossen. Im­mer wieder zuckte ein Impulsstrahl auf und spaltete die düsteren Nebelbänke. Die Hetz­jagd auf den Barbaren verlief absolut laut­los. Die Kampfroboter verständigten sich per Funk. Ich sah, wie einige von den Ma­schinen durch die aufflammenden Büsche sprangen. Weiter hinten riegelten minde­stens fünf Roboter den Wald ab.

»Er hat keine Chance«, preßte ich hervor. »Das hast du von Anfang an gewußt.«

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Fartuloon entgegnete nichts. Er kletterte bereits über die schmale Treppe in den In­nenhof der KARSEHRA. »Beeil dich, Atlan … oder willst du, daß die Roboter hier oben ein Preisschießen auf uns veranstalten?«

Ich mußte Baylamor stützen. Der Grabräuber war am Ende seiner Kräfte. Die Armverletzung machte ihm Beschwerden. Doch schließlich hatten wir es geschafft. Der riesige Innenhof der KARSEHRA lag vor uns. Bis auf ein paar Standbilder war der Platz frei. Die CRYSALGIRA hatte genug Platz für eine Punktlandung.

»Ich gebe den Notruf an Kejt Argaith durch«, rief ich Fartuloon zu, der bereits nach Gonozals Grab suchte.

»Gut … aber Argalth soll sich beeilen. Wenn die Priesterinnen merken, was wir vorhaben, schießen sie CRYSALGIRA vor­her ab.«

Ich ließ die Aktivierungstaste meines Armbandsenders einrasten. Hastig stellte ich die Verbindung zur CRYSALGIRA her. Wenn Eigurd Terbakh an den Instrumenten saß, hatte ich nichts zu befürchten. Der jun­ge Techniker würde sofort reagieren.

»Hier Atlan! Landet in der KARSEHRA! Ich gebe einen Dauerpeilton durch, anhand dessen ihr euch orientieren könnt. Größte Vorsicht ist geboten. Landet mit eingeschal­teten Schutzschirmen. Ich wiederhole …«

Nachdem ich meinen Funkspruch wieder­holt hatte, stellte ich sofort das Dauerpeilzei­chen ein, nach dem sich Kejt Argalth orien­tieren konnte. Ich verzichtete darauf, das Be­stätigungssignal auf meinen Funkspruch ab­zuwarten.

»Hast du sein Grab gefunden?« Fartuloon lief immer noch an den langen

Tafelreihen entlang. Hinter jeder einzelnen Tafel ruhte eine hochgestellte Persönlichkeit des Großen Imperiums. Der kurze Lebens­lauf war nur eine Ergänzung zu den Memo­bändern im Tempel der toten Seelen.

Plötzlich schrie Baylamor laut und ver­nehmlich: »Ich habe das Grab des Impera­tors gefunden! Er liegt unter dieser Platte hier.«

Fartuloon und ich kamen fast gleichzeitig bei Baylamor an. Die Grabplatte aus reinem Arkonstahl trug den Namen meines Vaters. Es war in knappen Worten vermerkt wor­den, daß Gonozal VII. bei einem tragischen Jagdunfall auf Erskomier ums Leben ge­kommen war.

Ich lachte höhnisch auf. »Hier müßte ste­hen, daß Orbanaschol und seine Meuchel­mörder den Tod meines Vaters verschulde­ten. Aber von einem Halunken, der sogar den eigenen Bruder für seinen Machthunger opfert, kann man wohl nichts anderes erwar­ten.«

Fartuloon und Baylamor lösten die schwere Grabplatte aus der Verankerung. Dahinter wurde ein dunkler Hohlraum sicht­bar. Ich spürte, wie mir der Schweiß aus­brach. In wenigen Augenblicken würde ich den Körper meines Vaters erblicken.

»Wir müßten eigentlich schon etwas von der CRYSALGIRA sehen«, meinte Fartu­loon, als er die Grabplatte behutsam auf den Boden legte. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Priesterinnen können jeden Augen­blick in die KARSEHRA eindringen. Außer unseren Schwertern haben wir keine Waf­fen.«

Baylamor half dem Bauchaufschneider wortlos dabei, die Bahre mit dem toten Im­perator aus der Grabhöhlung zu ziehen.

Plötzlich orgelte ein schrilles Heulen über uns hinweg. Hinter den Nebelbänken leuch­tete es mehrmals blutrot auf.

»Die CRYSALGIRA will landen … und die Priesterinnen beschießen das Schiff!«

Wenig später dröhnten die Impulstrieb­werke des Raumschiffs mächtig auf. Von ei­ner Sekunde zur anderen zerrissen die Ne­belschwaden. Dann folgte das Pfeifen ver­drängter Luftmassen, wie es typisch für eine knapp berechnete Punktlandung war.

»Sie schaffen es«, schrie ich vor Begeiste­rung und wollte das Dröhnen und Brausen übertönen.

Fartuloon packte mich an der Schulter. Er deutete zum anderen Ende der großen KAR­SEHRA hinüber. Dort waren etwa dreißig

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Priesterinnen erschienen. Sie hielten lang­läufige Blaster in den Händen. Sie waren ge­kommen, um den Raub des toten Imperators zu verhindern.

Jetzt senkte sich der Kugelraumer in den Innenhof der KARSEHRA herunter. Wir kauerten uns ganz dicht an die Mauer. Glü­hend heiße Luftschwaden machten uns das Atmen zur Hölle. Staub und Dreck flog uns um die Ohren. Dann gab es einen schweren Schlag, der Boden vibrierte, und die CRYS­ALGIRA stand auf ihren Landestützen. Im gleichen Augenblick erlosch der schützende Energieschirm.

Kejt Argalth erkannte den Ernst der Lage sofort. Er tat das einzig Richtige, was in die­ser Notlage zu tun war. Er ließ die Bordka­none auf die Priesterinnen richten und feuer­te einen Paralysestrahl ab. Der betäubende Energiefächer hüllte die Schar der Angreife­rinnen ein. Als er erlosch, stürzten sie ge­lähmt zu Boden. Sie konnten keinen Scha­den mehr anrichten.

Ich half Fartuloon dabei, die schwere Bahre mit den sterblichen Überresten mei­nes Vaters in die Schleuse zu wuchten. Ein paar Besatzungsmitglieder halfen uns dabei. Ihre verwunderten Blicke trafen Baylamor, der etwas abseits stand.

»Wer ist denn das?« Fartuloon schnalzte mit der Zunge. »Ein

professioneller Grabräuber! Vermutlich wird er von jetzt an unser Gast sein.«

Ich sprang an den Schiffsinterkom, der in der Schleuse installiert war, und drückte das Symbol für die Zentrale. »Hier Atlan! Las­sen Sie sofort eine Fusionsbombe scharfma­chen, Argalth …«

»Wozu in aller Welt brauchen Sie die denn, Atlan? Wollen Sie die KARSEHRA in die Luft jagen und den halben Planeten noch dazu?«

»Genau das wird eintreten, wenn uns die Priesterinnen nicht ungeschoren von Hoca­tarr starten lassen. Wir koppeln die Bombe mit einem Funkgerät. Sobald wir aus dem Bereich des Robotraumers sind, schalte ich die Bombe aus. Teilen Sie das den Prieste-

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rinnen sofort mit, Agalth.« Ich schaltete den Interkom wieder aus. »Wo bleibt Ra? Wir müssen starten.« Auf der gegenüberliegenden Seite der

KARSEHRA schwangen sich mehrere Kampfroboter über die Mauer. Für ein paar Sekunden hoben sie sich deutlich vom ne­belverhangenen Himmel ab. Dann waren sie in einer blendenden Gluterscheinung ver­schwunden. Argalth hatte sie unter Punktbe­schuß genommen und desintegriert.

»Die Burschen waren sicher hinter dem Barbaren her.«

Wie recht ich mit meiner Vermutung hat­te, wurde mir klar, als ich den schrillen Kampfschrei der steinzeitlichen Jäger ver­nahm. Ra sprang mit einem tollkühnen Satz über die Mauer. Er war das Risiko eingegan­gen, von Argalth desintegriert zu werden. Aber unser Kommandant besaß eiserne Ner­ven und einen kühlen Verstand. Aus dem In­terkom kam ein befreites Lachen: »Euer Freund hat mehr Glück als Verstand gehabt. Er soll sofort in die Schleuse kommen. Ich habe eben meinen Funkspruch an die Station der Priesterinnen durchgegeben. Wenn wir die Bombe draußen haben, können sie die Aktivierungsimpulse anmessen. Sie wissen dann sofort, daß wir nicht spaßen.«

Zwei Besatzungsmitglieder wuchteten den zylindrischen Körper heran.

»Schiebt ihn in die Höhlung von Gono­zals Grab!«

Nachdem das geschehen war, schloß sich die Schleuse der CRY-SALGIRA. Das Ku­gelraumschiff schoß auf seinen Impulsgluten in den düsteren Himmel von Hocatarr. Die Priesterinnen wagten es nicht, auch nur einen Schuß auf uns abzugeben. Die Dro­hung, eine Fusionsbombe in der KAR­SEHRA zu zünden, hatte also gewirkt.

Wenig später passierten wir die Bahn des Robotraumers. Inzwischen hatte sich das Gedränge im Trauerraumschiff vermindert. Anscheinend hatten die Priesterinnen Alarm gegeben. Es trieben nur noch ein paar Schif­fe durch den Raum von Hocatarr.

Ich deutete auf den Bildschirm: »Das

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müßte Baylamors Raumschiff sein!« Plötzlich flammte auf dem Kommando­

pult ein Licht auf. »Jemand hat die Schleuse geöffnet«, rief

Kejt Argalth überrascht. »Ein Mann geht von Bord! Sofort alle Maschinen stoppen!«

Nachdem die CRYSALGIRA sich in die entgegengesetzte Fahrtrichtung gedreht hat­te, kam ein rasch davontreibender Rauman­zug ins Bild. Der Mann, der soeben die Schleuse der CRYSALGIRA verlassen hat­te, schwebte genau auf die AYTILAA DEL GNOTOR zu.

»Das ist Baylamor«, sagte ich verblüfft. »Er hat sich wie ein Dieb davongeschlichen. Dabei hatte er überhaupt nichts zu befürch­ten. Er wußte, daß wir Rebellen sind. Wir hätten ihn bei uns aufgenommen und …«

»Du vergißt, daß Baylamor noch etwas zu erledigen hat. An Bord der AYTILAA be­findet sich eine Mörderin … die Mörderin seiner Mutter, die er bis vor wenigen Stun­den noch für seine richtige Mutter hielt.«

»Eine tote Mörderin«, schaltete sich Ra in unser Gespräch ein. »Wenn Arkanta ihren Funkspruch abgestrahlt hat, lebt die Alte nicht mehr.«

»Wir werden es wahrscheinlich nie mehr erfahren. Er hat das Schiff betreten.«

Wir sahen auf dem Bildschirm, wie die AYTILAA DEL GNOTOR Fahrt aufnahm. Das kleine Kugelraumschiff, dessen Besitzer auf ein verpfuschtes Leben zurückblicken mußte, steuerte geradewegs auf die Sonne zu.

»Er nimmt sie mit sich … er stirbt mit dem Bewußtsein, seine Rache an Aytilaa niemals vollzogen zu haben.«

*

Wir unterbrachen die Fahrt der CRYSAL­GIRA weit im interstellaren Raum. Ein Blick auf die Ortungsschirme bewies uns, daß die Priesterinnen die arkonidische Raumflotte alarmiert hatten. Aber die Schif­fe konnten uns nicht mehr gefährlich wer­den. Wir schwebten antriebslos durch die

Unendlichkeit. Wir waren nichts weiter als ein Staubkorn im Dschungel der Sterne.

»Es ist soweit, Atlan«, ertönte die Stimme des Bauchaufschneiders aus dem Zentrale­lautsprecher. »Komm in den Behandlungs­raum.«

Nachdenklich schritt ich durch die auf­gleitenden Türen in den Gang hinaus. Fartu­loon hatte alles für den Wiedererweckungs­prozeß vorbereitet. Ich brauchte meinem er­mordeten Vater nur noch das Lebenskügel­chen aus dem Mikrokosmos zu geben.

War meine Entscheidung richtig? Durfte ich die Totenruhe meines Vaters stören? Ich wußte es nicht. Ein unheimliches Gefühl er­griff mich. Ich zögerte noch, meine Hand auf das Wärmeschloß zum Behandlungs­raum zu legen. Ich hätte kaum gezögert, wenn es sich um die Wiedererweckung einer anderen Person gehandelt hätte. Aber das war mein Vater. Mit ihm verband sich eine ganz bestimmte Vorstellung, die sich in den Jahren nach seinem Tod in mir entwickelt hatte. Mein Vater war nach wie vor mein Vorbild. Ich wollte eines Tages sein Nach­folger auf dem arkonidischen Thron werden. Würde ich den Anblick des Leichnams ver­kraften können.

Du hast diesen Plan bereits gefaßt, als du zum ersten Mal die wunderbare Kraft der Lebenskügelchen erfahren hast, meinte mein Extrasinn. Du wußtest genau, auf was du dich einläßt.

Ich berührte den Wärmesensor. Die Tür zum Behandlungsraum glitt vor mir auf. Fartuloon stand neben der Bahre, auf der mein Vater lag. Der Geruch nach Chemika­lien stieg mir in die Nase. Zahlreiche Kanü­len waren an die gelbhäutigen Arme des Leichnams geklemmt worden. In durchsich­tigen Behältern perlten verschiedenfarbige Flüssigkeiten.

»Das also ist mein Vater«, flüsterte ich. »Er sieht genauso aus, wie ich ihn in Erinne­rung habe.«

»Ja«, entgegnete der Bauchaufschneider. »Die Priesterinnen sind ganz große Klasse im Balsamieren. Ich konnte bei meiner so­

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fortigen Untersuchung keine Anzeichen fin­den, die auf Verwesung oder körperlichen Verfall hindeuten. Dein Vater hat die vielen Jahre in der Gruft unversehrt überstanden. Die Priesterinnen haben sogar die schreckli­chen Wunden verschwinden lassen. Der Stein, der den Kopf deines Vaters zer­schmetterte, hatte einst furchtbare Verlet­zungen hinterlassen. Jetzt sieht man nicht einmal mehr Narben.«

Das mußte ich den Priesterinnen lassen. Sie hatten eine großartige Leistung voll­bracht. Dennoch hatte der Imperator durch die Einbalsamierung, die einer körperlichen Regeneration gleichkam, sämtliche Haare verloren. Im Grab hatte eine Perücke sein kahles Haupt geschmückt.

»Die Medikamente versorgen ihn mit den nötigen Aufbaustoffen«, erklärte mir Fartu­loon. »Jetzt kannst du ihm das Lebenskügel­chen eingeben.«

Fartuloon reichte mir das kleine Kästchen. Ich öffnete es und nahm das kostbare Kügel­chen heraus. Es fühlte sich elastisch und warm an. Darin lag eine Kraft, nach der sich jedes intelligente Wesen im Universum sehnte. Denn das war die Kraft des Lebens.

Ich legte das Kügelchen auf den Glaszy­linder, der durch einen schmalen Schlauch mit der Armvene des Imperators verbunden war. Durch ein Druckluftsystem wurde das Kügelchen angesaugt und in eine blutähnli­che Emulsion gezogen. Diese Flüssigkeit wurde langsam in die Vene des Toten ge­preßt. Sekunden später war das Kügelchen im Körper meines Vaters verschwunden.

»Wer weiß, ob das Lebenskügelchen überhaupt noch wirkt.«

Fartuloon machte eine nachdenkliche Ge­ste. »Warten wir's ab, Atlan.«

Ich sah lange auf den reglosen Körper. In den Behältern pulsierten die Medikamente. Auf dem Bildschirm am Kopfende ruhten die Anzeigepunkte am unteren Rand der Skala. Das bedeutete, daß Gonozal VII. tot war.

»Kann man einem Toten nach so langer Zeit eigentlich noch Leben einhauchen? Hat

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das, was wir Seele oder Ego nennen, nicht längst jede Verbindung zur sterblichen Hülle verloren?«

Plötzlich erstarrte ich. Die winzigen Leuchtpunkte auf der Anzeigeskala hatten sich bewegt.

»Da, Fartuloon!« »Ja … ich habe es auch gesehen.« Dann ertönte ein schreckliches Geräusch.

Es hörte sich an, als würden uralte Blasebäl­ge mit Luft gefüllt. Der Stoff zerriß, auf dem der Imperator lag. Die rechte Hand des Man­nes, der einmal mein Vater gewesen war, hatte ihn mit einer einzigen, ruckhaften Be­wegung zerfetzt.

»Ich … ich halte das nicht aus«, schrie ich. »Mach Schluß mit dem Martyrium!«

»Ganz ruhig bleiben, Atlan! Die Instru­mente haben alles unter Kontrolle!«

Erregt sah ich, wie sich die faltige Brust des Imperator hob und senkte. Das scheußli­che Keuchen nahm noch an Stärke zu. Es klang wie bei einem Asthmakranken, der keine Luft mehr bekam. Jetzt öffnete der To­te die Augen. Ich schrie entsetzt auf. Die Augen waren weiß und ohne Leben. Der fal­tige Mund bebte, brachte aber kein einziges Wort zustande. Und als sich Gonozal VII. langsam aufrichtete, begann auch die schreckliche Verwandlung.

»Mach doch endlich Schluß damit, Fartu­loon … vernichte ihn! Ich … ich halte das nicht aus!«

Fartuloon verlor in keinem Augenblick die Ruhe. Diesem Umstand hatte ich es auch zu verdanken, daß die sterbliche Hülle mei­nes Vaters am Leben blieb.

Gonozal VII. stand jetzt vor uns. Seine Haut war über und über mit Runzeln be­deckt. Über dem Schädel spannte sich die gelbe, kahle Haut. Die Augen waren weiß und leer. Seine Arme zitterten unablässig. Aber der Körper lebte, daran konnte über­haupt kein Zweifel mehr bestehen.

»Das ist nicht mehr mein Vater. Dieser Körper besitzt keinen Geist mehr. Er ist so leer wie ein Robothirn, dessen Programmie­rung gelöscht wurde.«

Page 53: Duell auf der Totenwelt

53 Duell auf der Totenwelt

»Das stimmt«, meinte der Bauchaufschnei­der. »Aber wir werden diesen Körper für un­sere Pläne nützen. Es gibt ein paar ganz ein­fache Mittel, mit denen wir ihm sein frühe­res Aussehen verleihen können. Anschlie­ßend bilden wir ihn dazu aus, genau das zu tun, was wir von ihm verlangen. Jeder wird ihn für den echten Imperator halten. Aber du mußt genau wissen, daß dein Vater das nicht umsonst durchmacht, Atlan. Er wäre stolz darauf, dir helfen zu können. Nutze diesen gefühllosen Körper für unsere Zwecke aus! Mit ihm kannst du den Thron von Arkon zu­rückerobern und die Mörder bestrafen!«

Ich nickte schweigend. Fartuloon hatte

recht. Ich verließ den Behandlungsraum, denn ich konnte den Anblick des seelenlosen Körpers nicht mehr ertragen. Ich ging in meine Kabine und schluckte ein schweres Schlafmittel. Während die CRYSALGIRA dem ersten Transitionspunkt entgegensteuer­te, versank ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

ENDE

E N D E