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Duell um den Frieden

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Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 671 Die Namenlose Zone  

Duell um den Frieden von Peter Terrid  Der Zweikampf der Welten  

Es geschah  im April 3808. Die  entscheidende Auseinandersetzung  zwischen Atlan und  seinen Helfern und Anti‐ES ging überraschend aus. Die von den Kosmokraten  veranlaßte  Verbannung  von  Anti‐ES  wurde  gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti‐ES entstand ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert. Die  neue  Sachlage  gibt  Anlaß  zum  Optimismus,  zumal  auch  in  der künstlichen Doppelgalaxis Bars‐2‐Bars der Friede  einkehrt. Für Atlan  jedoch ist  die  Situation  alles  andere  als  rosig.  Der  Besitz  der  Koordinaten  von Varnhagher‐Ghynnst, ohne die er nicht den Auftrag der Kosmokraten erfüllen kann, wird ihm nun durch Chybrain vorenthalten. Ob er es will oder nicht, der Arkonide wird verpflichtet, die Namenlose Zone aufzusuchen. Inzwischen  schreibt  man  den  September  des  Jahres  3808.  Trotz  der Vernichtung  des  letzten  Übergangs  zwischen  Normaluniversum  und Namenloser Zone, gibt es für den Arkoniden die Möglichkeit dennoch in dieses Raumgebiet zu gelangen. Atlan  führt eine beachtliche Streitmacht an, mit der er versuchen will, das Ungleichgewicht der Kräfte in der Namenlosen Zone zugunsten des Positiven zu verändern. Dieses  fast  aussichtslose  Unternehmen  führt  zu  einem  überraschenden Erfolg beim DUELL UM DEN FRIEDEN … 

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 Die Hauptpersonen des Romans:  Atlan ‐ Der Arkonide im Zweikampf der Welten. Ziir‐Tinc ‐ Emulator der Walgonier. Raan‐Mar und Ollon‐Tur ‐ Anhänger des Emulators. Irra‐Con ‐ Assistentin des Emulators. Reen‐Gor ‐ Mitglied des Herrschaftsrats der Walgonier. Daan‐Bar ‐ Chef der Tabu‐Jäger.  

1.  Ziir‐Tinc  konnte  es  kaum  glauben.  Der  Herrschaftsrat  versuchte allen Ernstes, die Tatsache zu verschweigen, daß es einigen fremden Raumschiffen  gelungen  war,  in  das  System  der  Doppelsonne Gaulat‐Paudenc einzudringen. Die Gründe für dieses Verhalten des Herrschaftsrats lagen auf der 

Hand: Wenn  es  möglich  war,  die  Ewige  Barriere  von  außen  zu durchbrechen, dann war es höchstwahrscheinlich auch möglich, sie von innen nach außen zu durchstoßen. Damit wären die Walgonier nach  jahrtausendelanger Haft  hinter  der  Ewigen  Barriere  endlich frei gewesen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber paßte das dem Herrschaftsrat 

vermutlich  überhaupt  nicht  ins  Konzept.  Gerade  jetzt,  wo  die Paudencer zu einem wichtigen Faktor im Walgon‐System geworden waren,  durfte  es  keine  Erschütterung  der  überkommenen Machtstrukturen von außen geben. Die Lage war brisant. Erst nach dem großen Tag, an dem die beiden Sonnen des Systems 

und  die  beiden  einzigen  Planeten  auf  einer Achse  hintereinander stehen würden, erst nach diesem Tag war es möglich, Kontakte nach außen aufzunehmen. Beide Bevölkerungsgruppen warteten sehnsüchtig auf den Tag der Großen Magischen Synopse. Die Gaulater, wie sie genannt wurden, weil sie der Ansicht waren, 

das Leben  im  System werde vorwiegend vom Einfluß der grünen 

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Sonne  Gaulat  beeinflußt,  erhofften  sich  von  diesem  Tag  eine Bestätigung  ihrer  Ansichten  –  und  eine  völlige  Auflösung  des Aberglaubens  der  Paudencer,  die  die  andere  Sonne  des  Systems verehrten,  die  weiße  Sonne  Paudenc,  und  sich  von  der  Großen Magischen Synopse eine völlige Umkehr aller Verhältnisse erhofften. Ziir‐Tinc  kannte  das  Datum  auswendig. Noch  drei  Tage mußten vergehen, dann war es soweit. Der Emulator der Walgonier fieberte diesem  Tag  entgegen. Nach  seiner  festen Überzeugung würde  an diesem Tag das Leben der Walgonier eine schicksalhafte Wendung nehmen.  Vorbei  würde  es  sein mit  der  strengen  Rationalität  der Gaulater,  ihren  Vergötterung  der  reinen  Vernunft.  Vor  allem  der Herrschaftsrat  betrachtete  Gefühle  nur  als  Hilfsmittel  zur Manipulation der Bevölkerung. Die Paudencer waren in ihren Anschauungen weniger radikal; sie 

hatten gegen die Anwendung der Vernunft als Lebensprinzip nichts einzuwenden,  aber  sie vertraten den  Standpunkt, daß die Gefühle eines  Lebewesens  ebenso  wichtig  waren  und  beachtet  werden müßten, auch im Alltag. Ziir‐Tinc  warf  einen  Blick  auf  den  Monitor,  über  den  eine 

Nachrichtensendung  lief. Berichtet wurde Tratsch aus dem Umfeld des Herrschaftsrats. Mit  keinem Wort  gingen  die  Sprecher  darauf ein,  daß  auf  dem  Raumhafen  von  Walgon  II  zwei  fremde Raumschiffe gelandet waren. Ein drittes Schiff war auf Walgon I zur Landung  gezwungen worden. Der  Emulator wußte  es  von  einem seiner zahlreichen Verbindungsmänner. »Dadurch, daß du die ganze Zeit auf den Bildschirm starrst, wird 

die Lage nicht besser.« Ziir‐Tinc  drehte  sich  herum.  Irra‐Con  sah  ihn  mit  beiden 

Gesichtern auffordernd an. Die  junge Frau war von Ziir‐Tinc angestellt worden, da er allein 

kaum mehr in der Lage war, die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Selbst  eine  Untergrundorganisation  wie  die  der  Paudencer  kam nicht gänzlich ohne Verwaltungsarbeit aus. Irra‐Con erledigte diese 

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Arbeiten  erheblich  schneller  als  Ziir‐Tinc,  dem  diese  Arbeiten gründlich verhaßt waren. Da sie aber in jedem Fall gemacht werden mußten,  hatten  sich  nach  einigen  Monaten  Zusammenarbeit  die seltsame Lage ergeben, daß es die Angestellte war, die ihren Chef an die Arbeit trieb – nicht etwa umgekehrt. In  der  Regel  hatte  Ziir‐Tinc  an  diesem  Zustand  wenig  zu 

bemängeln,  aber manchmal  neigte  Irra‐Con  dazu,  den  Druck  ein wenig  zu  oft  auszuüben.  Ziir‐Tinc  nickte mit  beiden Köpfen  und schaltete die Nachrichtensendung aus. »Ich werde mir das Schiff einmal aus der Nähe ansehen«, erklärte 

er. Irra‐Con stand auf. »Ich werde dich begleiten«, erklärte sie. Der  Emulator  seufzte  leise  und  zog  sich  einen Mantel  an.  Der 

Abend  senkte  sich  über  die  Hauptstadt  des  Planeten,  und  es versprach, kühl zu werden. Die Straßen waren nahezu leer – und Ziir‐Tinc erkannte sofort den 

Grund  dafür.  Überall  waren  Tabu‐Jäger  zu  sehen,  die Sicherheitspolizei,  die  jede  Abweichung  vom  offiziellen  Gaulat‐Dogma unnachsichtig verfolgte.  Im  allgemeinen  arbeitete  sie nicht so  offen  wie  an  diesem  Tag;  Ziir‐Tinc  wertete  es  als  schlechtes Zeichen. Einer  der  Tabu‐Jäger  hielt  Ziir‐Tinc  an.  Er  verlangte  den 

Identitätsnachweis. Der Emulator gab die fälschungssichere Karte her, und sie wurde 

in  der  handlichen  Personalpositronik  überprüft,  die  jeder  Tabu‐Jäger mit sich führte. »In  Ordnung«,  sagte  der  Polizist  und  gab  Ziir‐Tinc  die  Karte 

zurück. Sie war natürlich gefälscht – einer von Ziir‐Tincs Freunden, der  an  einer  entsprechenden  Stelle  arbeitete,  hatte  sie  für  den Emulator besorgt. Nur bei  einer peinlich genauen Rückfrage wäre herausgekommen, daß die Unterlagen gefälscht waren. Auch  Irra‐Cons  Papiere  waren  in  Ordnung,  wie  die  Prüfung 

ergab. 

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»Wo wollt ihr hin?« fragte der Tabu‐Jäger. »In unsere Quartiere«, antwortete Ziir‐Tinc wahrheitsgemäß. »Wir 

haben unsere Arbeit erledigt und brauchen jetzt etwas Ruhe.« Der Tabu‐Jäger musterte Irra‐Con und grinste anzüglich. Daß die 

junge Frau außerordentlich attraktiv war, hatte auch Ziir‐Tinc schon bemerkt.  Allerdings  hatte  er  sich  nie  irgendwelche Annäherungsversuche  erlaubt,  nachdem  er  einmal  hatte  erleben müssen, daß Irra‐Con einen lästigen Verehrer mit einer Doublette zu Boden  geschickt  hatte,  die  einem  Schwergewichtsmeister  gut angestanden hätte. »Nimm dich zusammen«, sagte  Irra‐Con scharf. Das Grinsen des 

Polizisten  gefror.  Ziir‐Tinc  hatte  Mühe,  seine  Erheiterung  zu verbergen. Nach  diesem  kurzen  Zwischenfall würden  die  beiden außer Verdacht sein – wer etwas zu verheimlichen hatte,  legte sich nicht mit einem Tabu‐Jäger an. Ziir‐Tinc und seine Begleiterin gingen weiter. Ziir‐Tinc wußte,  daß  er  aufpassen mußte. Die  Identitätspapiere, 

die  er  im  Augenblick  benutzte,  hatte  er  bisher  nur  sehr  selten gebraucht – und es war leicht möglich, daß er in der Aufregung bei einer  Befragung  Antworten  gab,  die  nicht  mit  seinen Personaldokumenten übereinstimmten. »Wie willst du in die Nähe des Schiffes kommen?« fragte Irra‐Con, 

als der Tabu‐Jäger außer Hörweite war. »Durch  die  Kanalisation«,  antwortete  Ziir‐Tinc.  »Das  ist  der 

übliche Weg.« Irra‐Con warf ihm einen abschätzenden Blick zu. »Glaubst du, daß du das durchhältst in deinem Alter?« Ziir‐Tinc lächelte. Irra‐Con war über einige seiner geheimen Aktivitäten  informiert, 

aber sie wußte nicht, daß sie es mit dem Emulator der Walgonier zu tun  hatte.  Noch  weniger  wußte  sie,  daß  die  Lebensspanne  eines Emulators  weit  über  der  normaler Walgonier  lag.  Zudem  sorgte Ziir‐Tinc  in weiser Voraussicht dafür, daß  er  älter und  schwächer 

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wirkte, als er sich tatsächlich fühlte. »Ich werde es schaffen«, sagte er gelassen. Wenig  später  fuhr  ein öffentlicher Gleiter vorbei, der die beiden 

aufnahm und in den Wohnbezirk brachte, in dem ihre Wohnungen lagen.  Ziir‐Tinc  hatte  überall  auf  den  beiden  Walgon‐Planeten Unterkünfte  angemietet,  meist  mit  falschen  Papieren.  Seine eigentliche  Identität  als  Seelenheiler  hatte  er  inzwischen  ebenso aufgeben müssen wie  die  dazugehörige Wohnung.  Das  Quartier, das  er  nun  aufsuchte,  war  zu  seiner  Deckidentität  passend eingerichtet.  Offiziell  vertrieb  er  Kräuterkosmetika,  Diätprodukte und  anderes,  hauptsächlich  erbauliche  Schriften  über  gesunde Lebensführung. Es war eines der zahlreichen kleinen Unternehmen, die  sich  in  der Grauzone der  beiden  Ideologien  angesiedelt  hatte. Ziir‐Tincs Geschäft roch ein wenig nach Paudencertum, aber gerade das machte diese Arbeit relativ sicher. Ziir‐Tincs Wohnung war  sehr einfach eingerichtet,  fast asketisch. 

Irra‐Con sah sich kurz um. »Von  hier  sind  es  mindestens  zwei  Wegstunden  bis  zum 

Raumhafen«, stellte sie nüchtern fest. Ziir‐Tinc lächelte. Er wußte,  daß  es  an  der  Zeit war,  die Maschinerie  in Gang  zu 

setzen,  an  deren  Vervollkommnung  er  jahrzehntelang  gearbeitet hatte. Ziir‐Tinc  suchte  die Hygienezelle  auf.  Ein  Knopfdruck  ließ  den 

Boden der Duschkabine zur Seite klappen, ein zweiter Knopfdruck sorgte dafür, daß die Sicherungssysteme ausgeschaltet wurden. Irra‐Con hatte Ziir‐Tincs Hantierungen mißtrauisch verfolgt. Sie deutete auf das Loch im Boden. »Wohin führt dieser Weg?« fragte sie zweifelnd. »Frag nicht, komm mit«, antwortete Ziir‐Tinc. Er schwang sich  in 

die Öffnung, Irra‐Con folgte zögernd. Auf einer glattpolierten Metallbahn glitt Ziir‐Tinc in die Tiefe. Die 

Röhre  führte  mindestens  einhundert  Meter  tief  in  das  feste 

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Felsgestein, auf dem sich das Wohngebäude erhob. Spätestens  jetzt mußte Irra‐Con begreifen, daß sie nicht etwa  in den Diensten eines Sektionsleiters der Paudencer stand. Die Rutschfahrt endete. Sofort betätigte Ziir‐Tinc den Schalter, der 

den Zugang zum Versteck absicherte. Selbst wenn man ihm jetzt auf den Fersen war, würde man  sein Versteck nicht ausfindig machen können. Wer den Boden öffnete und den Schacht benutzte,  landete an einem ganz anderen Ort, der Ziir‐Tincs Versteck allerdings sehr ähnlich sah. Die  Beleuchtung  hatte  sich  eingeschaltet,  sobald  Ziir‐Tinc 

angekommen war. Irra‐Con sah sich ein wenig scheu um. »Was  ist das?«  fragte  sie.  Ihr Rationalgesicht  zeigte Zweifel, der 

Emotionskopf einen Anflug von Angst. »Die  geheime  Kommandozentrale  der  Paudencer«,  antwortete 

Ziir‐Tinc. »Mein Hauptquartier.« Irra‐Con ließ einen Laut der Verwunderung hören, dann verfärbte 

sie sich, wie Ziir‐Tinc mit Genugtuung feststellte. Irra‐Con war eine intelligente Frau,  sie hatte  sofort begriffen, was die Eröffnung des Emulators  auch  für  sie  bedeutete.  Sie  kannte  nun  die  geheime Zentrale der Paudencer – wenn die Tabu‐Jäger sie  jemals zu fassen bekamen, würde dieses Wissen ihren Tod bedeuten. »Du scheinst sehr viel Vertrauen zu mir zu haben«, sagte Irra‐Con 

nach kurzem Zögern. »Das habe ich«, antwortete der Emulator. Er warf den Mantel über 

eine  Sessellehne  und  setzte  sich  in  den  Kommandostuhl. Mit  ein paar Handgriffen aktivierte er die Zentrale. Es  hätte  ebensogut  die  Zentrale  eines  Raumschiffs  sein  können, 

eine  Ansammlung  von  Instrumentenpaneelen,  von  Schaltern, Knöpfen  und Hebeln,  die Wände  gespickt mit  Bildschirmen.  Ein paar davon flammten auf. Zum ersten Mal bekam Ziir‐Tinc die fremden Schiffe zu sehen. Ihr 

Anblick erschreckte ihn nicht wenig. 

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Das einzelne Schiff auf Walgon I und eines der beiden Schiffe auf Walgon II stammten unverkennbar aus der gleichen Werkstatt, wie die  Kugelform  bewies  –  das  dritte  Schiff  war  zwar  teilweise ebenfalls kugelförmig,  aber der dünne Schwanz  am Heck und die konische,  facettenähnliche Wölbung an der Spitze  ließen das Schiff eher wie eine überdimensionale Frucht aussehen. Ziir‐Tinc war sich sehr  sicher,  daß  dieses  Schiff  von  einem  anderen  Volk  erbaut worden war als dem der Kugelschiffkonstrukteure. »Zwei Typen«, murmelte Ziir‐Tinc und  rieb  sich das  linke Kinn. 

»Zwei Völker.« Ein paar Tatsachen waren offenkundig. Vor allem, daß die Ewige 

Barriere durchlässig geworden war. Außerhalb dieser Grenze gab es raumfahrende  Völker,  woran  Ziir‐Tinc  niemals  gezweifelt  hatte. Waren die beiden auf dem Raumhafen gelandeten Schiffe Zeichen eines  Völkerbundes?  Womöglich  feindselig  eingestellt  gegenüber den Walgoniern? Der Emulator war  ein Mann des Friedens und hatte  eine wache 

Wahrnehmung für Feindseligkeit jeder Art. Die beiden Schiffe auf Walgon II waren in Schirmfelder eingehüllt, 

wie  man  sie  auch  bei  Walgon‐Einheiten  kannte.  Beide  Schiffe wurden immer wieder beschossen, ohne aber die geringste Wirkung zu zeigen. Ein  Knopfdruck  stellte  eine  Verbindung  zwischen  Ziir‐Tincs 

Zentrale  und  dem  zentralen  Kommandostand  der  walgonischen Flotte her. Irra‐Con riß entgeistert die Augen auf, als sie das sah. »Wie hast du das gemacht?« fragte sie fassungslos. »Mit  sehr  viel Geduld«,  antwortete Zür‐Tinc  beiläufig. Auf dem 

großen Monitor, der das  Innere der Flottenzentrale zeigte, war ein Bildschirm  zu  sehen. Auf  ihm  erschienen die Flotteneinheiten, die die beiden Schiffe auf Walgon II vom Raum aus überwachten. Ziir‐Tinc  kannte  die  Stärke  der  walgonischen  Flotte  genau.  Er 

wußte, daß der Herrschaftsrat nahezu alles aufgeboten hatte, über das  er  verfügte.  Offenbar  nahm man  auf Walgon  I  die  fremden 

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Schiffe überaus ernst. Ziir‐Tinc  veränderte  die  Einstellung  der  Optiken.  Das  Bild  der 

beiden Schiffe auf Walgon II wurde größer. Ziir‐Tinc  spürte,  wie  eine  rätselhafte  Aufregung  ihn  ergriff.  Er 

winkte Irra‐Con heran. »Behalte diese beiden Schiffe im Auge«, sagte er. »Ruf mich sofort, 

wenn sich an dem Bild etwas ändert.« Er selbst wandte sich einer anderen Beschäftigung zu. Als  erstes  desaktivierte  er  sehr  vorsichtig  den 

Selbstlöschungsautomaten für die Positronik, in der alle Daten über die Organisation der Paudencer gespeichert waren. Dann prüfte er die  Liste  der  Flottenangehörigen,  die  mit  den  Paudencern zusammenarbeiten  oder  sogar  zu  ihnen  gehörten.  Die  Liste  war klein,  aber  sie  führte  einige  hohe  Offiziere  auf,  desweiteren  die Einheiten, auf denen sie Dienst taten. Ziir‐Tinc runzelte die Stirn, als er die Daten miteinander verglich. War  es  wirklich  ein  Zufall,  daß  von  seinen  Verbindungsleuten 

kein  einziger  unmittelbar  an  dem  Einsatz  gegen  die  Fremdschiffe beteiligt war? Ziir‐Tinc hielt das für extrem unwahrscheinlich. Die Offiziere,  die  er  kannte, waren mit  ihren  Schiffen  über  das 

ganze System verteilt. Sie konnte er  in dieser Lage nicht um Hilfe bitten. »Ziir‐Tinc!« Der  Emulator  eilte  zu  Irra‐Con  hinüber.  Sie  deutete  auf  den 

Schirm. Es  war  inzwischen  dunkel  geworden  über  dem  Raumhafen. 

Gleißendes  Licht  aus  Hunderten  von  Scheinwerfern  tauchte  die beiden Fremdschiffe dennoch in strahlende Helligkeit. Außerdem  war  eine  doppelreihige  Postenkette  aufgezogen, 

verstärkt  durch  ein  paar  Hundertschaften  Kampfroboter.  Der Herrschaftsrat hatte sich auf alle Eventualitäten vorbereitet. Ziir‐Tinc  erinnerte  sich  an  die  Botschaft,  die  er  von  der 

sogenannten Emulatorquelle bekommen hatte. Danach sollte er die 

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Aktionen gewisser Fremde nach Kräften unterstützen. Waren dies die Fremden? Ziir‐Tinc  hatte  ein  vages  Bild  von  dem  Anführer  der  Fremden 

gespeichert.  So, wie  es  ihm  die  Emulatorquelle  übermittelt  hatte. Von den Schiffen dieser Fremden hatte der Emulator damals nichts erfahren, und so hatte er jetzt keinerlei Möglichkeit, die Information der Emulatorquelle zu überprüfen. Immerhin – es war ein einmaliger Vorgang, daß überhaupt Schiffe 

ins  Walgon‐System  eingedrungen  waren.  Es  erschien  Ziir‐Tinc nahezu  ausgeschlossen,  daß  die  Emulatorquelle  noch  andere Fremde  gemeint  haben  konnte.  Es  sei  denn,  die  Emulatorquelle spielte  ein  falsches  Spiel  –  ein  Gedanke,  der  Ziir‐Tinc  maßlos erschreckte.   

2.  »Patt«, stellte Insider trocken fest. Mit diesem einen Wort hatte er die Lage treffend umschrieben. Es 

ging im Augenblick weder vor noch zurück, und das galt sowohl für die Walgonier als auch für uns. Hoch  über  uns  hing  ein  Pulk  walgonischer  Kampfschiffe  im 

Raum,  vier weitere  Schiffe waren  in  unserer Nähe  gelandet  und bedrohten  uns  mit  ihren  Geschützen.  Eine  Postenkette  war aufgezogen, Kampfroboter standen bereit. Unternehmen  konnten  die  Walgonier  nichts,  es  sei  denn,  sie 

riskierten dabei, ihre Hauptstadt auf Walgon II in Schutt und Asche zu  legen.  Ab  und  zu  klopften  sie  mit  kleineren  Geschützen  an unseren  Schutzschirmen  an,  um  uns  zu  zeigen,  daß  sie  uns  nicht vergessen  hatten.  Versuche,  mit  uns  in  Funkkontakt  zu  treten, unternahmen sie nicht Auf Walgon I sah es zur gleichen Zeit ähnlich aus; dort war die FARTULOON gelandet,  auch dort ging  es nicht weiter. 

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Völlig untätig hingegen waren die Walgonier nicht. Dank unserer Fernortung  konnten  wir  sie  dabei  beobachten,  wie  sie  die Einflugschneise  in  das  Walgon‐System  systematisch  abzuriegeln versuchten.  Immer  wieder  stiegen  Raumtransporter  auf  und schütteten  ihre  tödliche  Fracht  ins All,  vor  allem  Treibminen  und Raumtorpedos, die ihre Bahnen im Schatten von Walgon I zogen. Es waren inzwischen so viele, daß wir uns würden anstrengen müssen, den Rückweg durchzuführen. Danach  aber  stand mir  nicht  der  Sinn.  Ich wollte  Kontakt  zum 

Emulator der Walgonier, der sich angeblich auf Walgon II aufhielt. Es war inzwischen Nacht geworden. Scheinwerfer bestrahlten den Platz, auf dem wir standen. »Wie  lange willst du noch warten?«  fragte Tyari.  Ich  zuckte mit 

den Schultern. Ich suchte schon geraume Zeit nach einem Dreh, aus dieser reichlich verfahrenen Lage herauszukommen. Schließlich  fiel mir etwas ein – es würde  riskant werden, aber es 

konnte  klappen.  In  aller  Eile  ließ  ich  eine  der  beiden  Space‐Jets klarmachen, die es an Bord der MJAILAM gab. Von der Futurboje hinüberzuwechseln  zu  dem  Kreuzer  war  kein  Problem;  die Schirmfelder der beiden Schiffe überlappten sich weitgehend. Tyari und Insider nahm ich mit, Tyari vor allem deswegen, um die 

Nachrichtenverbindungen zu den Schiffen nicht abreißen zu lassen. Das  Gespann  Sternfeuer,  Federspiel,  Bjo  Breiskoll  und  Tyari garantierte, daß wir  selbst während einer Funkstille  Informationen untereinander austauschen konnten. Und darauf kam es bei diesem Unternehmen  an  –  alle  Aktionen  mußten  genau  aufeinander abgestimmt sein, wenn die gewünschte Wirkung eintreten sollte. Die  Space‐Jet  war  startklar.  Wir  schnallten  uns  an,  die  ersten 

Minuten des Unternehmens konnten ruppig werden. Gleichzeitig wurde auf allen drei Schiffen der Start vorbereitet. Ich sah Tyari an. Sie nickte. Die telepathische Verbindung stand. »Dann los!« sagte ich. Völlig synchron begannen die Triebwerke der Schiffe zu arbeiten. 

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Mit einem Schlag wurde der Funkverkehr beim Gegner hektisch. Die MJAILAM und die Futurboje stiegen langsam in die Höhe. Die 

Walgonier eröffneten sofort das Feuer, die Schiffe im Raum nahmen Kampfpositionen ein. Tyari hatte die Augen geschlossen und hielt Kontakt zu Federspiel 

und Bjo. In vierhundert Metern Höhe  trennten  sich die Futurboje und die 

MJAILAM;  der  Auftrag  sah  vor,  daß  sie  versuchen  sollten,  sich zwischen die Walgon‐Schiffe  zu bringen, die  im Raum operierten, und  jene, die  sich verzweifelt bemühten,  ihre Triebwerke anlaufen zu lassen. Das erschwerte den Kanonieren der Walgonier die Arbeit. Der Trick gelang. Wer das Manöver von außen verfolgte, mußte 

den  Verdacht  bekommen,  die  beiden  Piloten  seien  volltrunken, solche  Schlangenlinien  beschrieben  die  beiden  Schiffe  in  der Atmosphäre  von  Walgon  II.  Entsprechend  verwirrt  waren  die Walgonier. Tyari hob die Hand. Das Hangartor flog auf, die Space‐Jet machte einen Satz und schoß 

ins Freie. Ich beschleunigte mit allem, was die Maschinen hergaben. Genau  in  meinen  Kurs  startete  eines  der  Walgon‐Schiffe  –  um Haaresbreite gelang es mir, eine Kollision zu vermeiden. Die Schirmfelder beider Schiffe kollidierten miteinander, als träfen 

zwei  Hartgummibälle  aufeinander.  Die  wesentlich  kleinere  und leichtere  Space‐Jet wurde mit  einem  heftigen Ruck  aus  dem Kurs gestoßen. Ein paar g schlugen durch und drückten uns in die Sitze. Gleichzeitig  eröffneten  die  Futurboje  und  die  MJAILAM  das 

Feuer.  Es  war  mehr  als  Schauspiel  gedacht  denn  als  ernsthafter Kampf, aber es erfüllte seinen Zweck. Als  das  erste  Transformgeschoß  detonierte,  stoben  die Walgon‐

Schiffe  im  Raum  auseinander.  Ich  grinste  zufrieden,  als  ich  die Manöver  sah  –  die  Geschützmannschaft  der  MJAILAM  hatte säuberlich  so  gezielt,  daß  die Kommandanten  der Walgon‐Schiffe jede Gefahr  für  ihre Einheiten vermeiden konnten – allerdings nur dann, wenn sie sich rechtzeitig in Sicherheit brachten. 

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Vom folgenden Durcheinander im Weltraum bekam ich nur wenig mit, ich hatte alle Hände voll zu tun, unsere Space‐Jet zu lenken. Ich  stellte  den Diskus  hochkant  und  jagte  ihn  eine  lange  Straße 

entlang, so knapp über dem Boden, wie ich es verantworten konnte. Damit  war  den  walgonischen  Schützen  das  Ziel  genommen, gleichzeitig  versetzte  ich  damit  die  Stadt  in  helle Aufregung. An zerbrochenen Fensterscheiben würde man  später unsere Flugroute genau rekonstruieren können. Dann  ließ  ich die  Space‐Jet wieder  aufsteigen,  zog  sie  über  eine 

Hügelkette  und  tauchte  hinab  in  ein  tiefes  Flußbett, das mich  ein wenig an die nordamerikanischen Canons erinnerte. Eine Staffel einsitziger  Jäger hatte sich an unsere Fersen geheftet, 

stellte ich plötzlich fest und stieß eine Verwünschung aus. Ich hatte keine Angst, daß uns die Maschinen gefährlich werden konnten – aber  sie  waren  ungemein  lästige  Verfolger.  Ihre  Bordkanonen hämmerten in unsere Schirmfelder, ohne etwas auszurichten. Es war an der Zeit, den Walgoniern ein Schauspiel zu  liefern. Ich 

sah Tyari an, die noch  immer die Augen geschlossen hatte.  Insider zeigte ein leicht verkrampftes Gesicht. »Seid ihr bereit?« fragte ich. Die beiden nickten. Ich  zog  den  Diskus  um  eine  Felsnase  herum,  für  ein  paar 

Sekundenbruchteile war  er der direkten  Sicht durch die Verfolger entzogen – und diese Spanne reichte mir. Mit  einem  Handgriff  schaltete  ich  die  Schirmfelder  aus,  im 

gleichen  Augenblick  detonierten  die  Sprengladungen,  die  ich außenbords hatte anbringen lassen. Als  die  Jäger  uns wieder  sehen  konnten, mußten  sie  ein Wrack 

sehen, das  langsam auf den Boden zuglitt und an allen Ecken und Enden brannte. Daß unterhalb des Feuerzaubers sämtliche Anlagen der  Space‐Jet  bestens  funktionierten,  brauchten  die  Jäger  nicht  zu wissen. Eine riesige Qualmwolke zogen wir hinter uns her. Genau voraus entdeckte ich ein Trockental, genau das richtige für 

unsere Zwecke. Wieder dröhnte die Zelle der Space‐Jet, als eine der 

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Außenladungen hochging. Speziell  in der Dunkelheit mußte es ein eindrucksvolles Bild sein. Meine  waghalsige  Rechnung  ging  auf.  Die Walgonier  glaubten 

uns  schwer  angeschlagen und  verzichteten  aus Neugierde darauf, uns den Rest zu geben. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus –  ein  oder  zwei  Treffer  ohne  Schutz  hätte  unser  Schiff  zur  Not verkraftet, mehr aber gewiß nicht. Ich  ging  mit  hoher  Fahrt  hinab  und  ließ  dann  die 

Impulstriebwerke  aufbrüllen.  Eine  riesige  Sandwolke  mußte  sich um das  landende Schiff bilden; auf den  Infrarotschirmen der  Jäger mußte es ein faszinierender Anblick sein. Die Space‐Jet setzte auf, und  im gleichen Augenblick  ließ  ich die 

größte  der  Sprengladungen  hochgehen.  Sie  bestand  neben Sprengstoff  vor  allem  aus  flüssigem  Brennstoff,  der  prächtige Flammen in den Himmel hinaufschießen ließ. »Und jetzt hinaus«, stieß ich hervor. Wir  hatten  unsere  Kampfanzüge  angelegt.  Die  würden  wir 

brauchen,  um  die  Flammenhölle  außenbords  ungefährdet durchqueren zu können. Wir  hatten  es  jetzt  sehr  eilig.  Die  Jäger  würden  natürlich  ein 

beträchtliches  Stück  über  den  Notlandeplatz  der  Space‐Jet hinausschießen, dann zurückkommen und nachsehen, was aus der Besatzung  geworden  war.  Nur  die  Zeit  dieses  Wendemanövers hatten wir, um uns in Sicherheit zu bringen. Wir stürzten  ins Freie, schalteten die Antischwerkraftgeneratoren 

an unseren Monturen an und stießen uns vom Boden ab. Auf diese Weise  kamen  wir  am  schnellsten  von  der  Space‐Jet  weg.  Die Individualschirme  schalteten wir  nicht  ein,  sie wären  zu  leicht  zu orten gewesen. Ein paar Minuten  später hatten wir  es geschafft. Zwei der  Jäger 

setzten  unmittelbar  neben  der  Space‐Jet  auf,  die  einen  sehr beeindruckenden  Anblick  bot,  lichterloh  brennend  und  riesige Qualmwolken über das Land legend. 

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Bis  die  Walgonier  feststellen  konnten,  daß  wir  nicht  mehr  im Inneren waren, mußte einige Zeit vergehen. Ich sah Tyari an. »Sie  glauben,  daß  wir  noch  an  Bord  sind«,  sagte  sie  lächelnd. 

»Kein Gedanke an Verfolgung.« »Prächtig«, sagte  ich. »Und  jetzt so schnell wie möglich zur Stadt 

zurück. Wir müssen den Emulator finden.«   

*  Die Stimmung war überaus erregt. Seit Menschengedenken hatte es im  Herrschaftsrat  der  Walgonier  nicht  mehr  solche  Aufregung gegeben.  Insgesamt  siebzehn  Walgonier  hatten  sich  versammelt, zum  Teil  Mitglieder  des  Herrschaftsrats,  zum  Teil  deren Assistenten. Reen‐Gor sah sich das Getümmel mit gemischten Gefühlen an. Er 

begriff nicht, wie seine Kollegen sich derartig erhitzen konnten. Die Lage war klar und eindeutig, daran gab es nichts zu  rütteln. 

Die Ewige Barriere war durchlöchert, das Auftauchen der Fremden hatte es hinreichend bewiesen. Fest stand außerdem, daß es im Schatten der Walgon‐Planeten, vor 

allem  hinter Walgon  I,  eine  Zone  im  Raum  gab,  in  der  sich  die verhängnisvolle Wirkung  der  Sonne  Paudenc  bemerkbar machte. Raumschiffe  konnten  dort  nur  operieren,  wenn  sämtliche Besatzungsmitglieder  die  Augen  des  Emotionskopfs  verbunden hatten.  Die  Androhung  der  sofortigen  Exekution  hatte  dafür gesorgt, daß der entsprechende Befehl ausnahmslos befolgt wurde. Ausrechnen  ließ  sich,  daß  es  auf  beiden  Walgon‐Welten  zu 

verheerendem  Durcheinander  kommen  mußte,  wenn  alle  vier Himmelskörper des Systems auf einer Geraden zu stehen schienen. Reen‐Gor warf einen Blick auf die Uhr. In  zwei Tagen war  es  soweit. Bis dahin hatte der Herrschaftsrat 

alle Möglichkeiten, das System der Vernunft abzusichern, gegen den 

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Aufstand der Emotionen. Bei  entschlossenem Handeln  hätte diese Frist  genügen  müssen,  aber  nicht,  wenn  sich  die Mitglieder  der Versammlung  wechselseitig  der  Dummheit  ziehen  und  sich Vorwürfe machten. Der  einzige,  der  in  diesem  Durcheinander  einen  klaren  Kopf 

bewahren konnte, war Reen‐Gor, jedenfalls glaubte er das. »Vernichten!« hörte er den Flottenchef  laut sagen. »Gar nicht erst 

lange fackeln.« Reen‐Gor wölbte die Brauen. Diese  Vorgehensweise  versprach  wenig  Erfolg.  Die 

Defensivwaffen  der  Fremden  waren  stark  genug,  jeden  Angriff abzuwehren. Stärkere Kaliber einzusetzen konnte man nicht wagen, solange  die  drei  Schiffe  auf  einem  der Walgon‐Planeten  gelandet waren. Der  Startversuch  der  Fremdschiffe,  den  sie  vor  einer  Stunde 

unternommen  hatten,  war  vereitelt  worden.  Das  Feuer  der Walgonier hatte die Schiffe auf den Boden zurückgetrieben. Ein  Kleinraumschiff  der  Fremden  hatte  einen  weiteren 

Fluchtversuch  unternommen  und war  abgeschossen worden. Das Wrack  wurde  gerade  untersucht,  die  ersten  Ergebnisse  konnten nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ein Nachrichtenoffizier  erschien  und  drückte  dem Vorsitzenden 

eine  Notiz  in  die  Hand.  Reen‐Gor  sah,  wie  der  Vorsitzende  las. Zuerst zeigte er eine zufriedene Miene, dann verfinsterten sich seine Züge. »Ruhe!«  schrie  der  Vorsitzende.  Für  kurze  Zeit  wurde  es 

tatsächlich still. »Ich habe zwei Dinge bekanntzugeben. Punkt eins: unser System 

ist  abgeriegelt.  Ein  Entkommen  der  Fremden  ist  ausgeschlossen, desweiteren ein Eindringen weiterer Feindkräfte. Damit haben wir die Lage endlich voll unter Kontrolle.« Beifälliges  Gemurmel  war  die  Antwort  auf  diese  kühne 

Behauptung. 

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»Außerdem  erfahre  ich  gerade,  daß  das  abgeschossene Kleinraumschiff  untersucht  worden  ist. Wir  sind  auf  einen  Trick hereingefallen  –  die  Besatzung  hat  den Absturz  nur  vorgetäuscht und sich abgesetzt.« Rufe der Erbitterung wurden laut. »Ruhe!«  schrie  der  Vorsitzende  noch  einmal.  »Ich  kann  den 

Versammelten  einen  Film  zeigen,  der  vor  ein  paar  Stunden aufgenommen  worden  ist.  Er  zeigt,  wie  einige  der  Fremden  im Schutz  des  Schirmfelds  von  einem  Schiff  zum  anderen wechseln. Seither wissen wir endlich, wie diese Fremden aussehen.« Der Raum wurde  verdunkelt, dann  lief die Projektion  an. Reen‐

Gor  erkannte  die  beiden  Schiffe,  die  auf Walgon  II  standen. Das leichte  Flimmern  des  Schutzschirms  machte  die  Aufnahmen,  die zudem aus großer Entfernung entstanden waren, ziemlich unscharf. »Diese Bilder haben wir herausvergrößern müssen«,  erklärte der 

Vorsitzende. Reen‐Gor hielt den Atem an, als die Fremden auftauchten. Sie sahen aus wie verkrüppelte Walgonier – nur zwei Arme, nur 

zwei Beine und  auch  nur  einen Kopf. Wie  sich  in diesem  kleinen Hirnvolumen  genug  unterbringen  ließ,  um  eine  raumfahrende Technologie zu entwickeln, war Reen‐Gor ein Rätsel. Eine  der  drei  Gestalten  war  einem  Walgonier  schon  ähnlich. 

Einzelheiten  waren  wegen  der  Raumanzüge,  die  die  Fremden trugen, nicht  auszumachen,  aber  immerhin  verfügte dieses Wesen über die üblichen vier Arme. »Wir  haben  es  also  mit  zwei  verschiedenen  Völkern  zu  tun«, 

erklärte  der  Vorsitzende.  »Ich  vermute,  daß  es  sich  um  Völker handelt, die biologisch mit den Walgoniern verwandt sind und sich während  der  langen  Zeit  der  Trennung  vom  Muttervolk zurückentwickelt haben – von einigen Einzelexemplaren abgesehen. Jedenfalls  scheint  klar  zu  sein,  daß  es  sich  um  degenerierte Walgonier handelt.« Diese Schlußfolgerung kam Reen‐Gor ziemlich abenteuerlich vor, 

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aber er hielt den Mund. »Als Walgonier,  ob  degeneriert  oder  nicht,  unterstehen  sie  der 

Gerichtsbarkeit Walgons. Wir werden sie daher auffordern, sich zu ergeben und sich unserem Urteil zu stellen.« »Und wie wird dieses Urteil aussehen?« fragte jemand. Der Vorsitzende sah erstaunt auf. »Aussehen?  In  einem  Fall  von  bewaffnetem  Angriff  und 

Hochverrat? Todesstrafe, selbstverständlich.« Reen‐Gor räusperte sich. »Irgendwelche Widersprüche?« fragte der Vorsitzende scharf. »Ich  glaube  kaum,  daß  wir  einen  besseren  Zugang  zu  den 

Fremden finden werden, wenn wir ihnen eröffnen, daß sie sich uns nur ergeben sollen, um anschließend hingerichtet zu werden.« Der Vorsitzende lachte breit. »Natürlich werden wir  ihnen  das  nicht  auf  die Nasen  binden«, 

sagte er spöttisch. »Du bist für eine intensive Kontaktaufnahme mit diesen seltsamen Walgoniern, Reen‐Gor?« Reen‐Gor nickte. »Ich  vermute  außerdem«,  sagte  er  leise,  »daß  diese  drei  Schiffe 

nicht  allein  operieren.  Möglicherweise  haben  sie  eine  Flotte außerhalb der Ewigen Barriere stationiert.« »Von dort kommt niemand herein«, stieß der Vorsitzende hervor. 

»Das System ist abgeriegelt.« »Das  wird  davon  abhängen,  welche  Kräfte  gegen  uns  stehen«, 

antwortete  Reen‐Gor.  »Ist  die  gegnerische  Flotte  genügend  groß, dann  werden  sie  auch  die  Hindernisse  aus  dem  Weg  räumen können.  Ich  plädiere  dafür,  daß wir  von  uns  aus  versuchen,  das Gebiet außerhalb der Ewigen Barriere zu erkunden.« »Pah«, sagte der Vorsitzende. »Wozu das? Wir haben die Archive 

geöffnet. Wir  wissen,  wie  es  draußen  aussieht,  sieben  Lichtjahre entfernt ist Zaangor, eine unserer Kolonialwelten. Dort gibt es große Depots und Raumschiffswerften. Wenn wir unser System  erst von den  Aufrührern  gesäubert  haben,  werden  wir  dort  unsere  Flotte 

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vergrößern und ausrüsten. Und dann können wir daran gehen, das alte walgonische Herrschaftsgebiet neu aufzurichten.« Reen‐Gor  hätte  am  liebsten mit  einem Kopf  geschüttelt,  aber  er 

hütete sich, seine Zweifel offen zu zeigen. Es war  fast  schon  erschütternd,  anhören  zu müssen,  in welchen 

Regionen sich manche Mitglieder des Herrschaftsrats bewegten. Seit Jahrtausenden gab es kein Walgon‐Imperium mehr – jedenfalls nicht für  alle  Welten  außerhalb  der  Ewigen  Barriere.  Es  war  völlig unlogisch anzunehmen, daß die Völker  jenseits der Barriere nichts anderes zu  tun gehabt hätten, als auf die Wiederkehr des Walgon‐Systems  zu  warten,  und  sich  danach  widerstandslos  dem Herrschaftsrat zu unterwerfen. Höchstwahrscheinlich  gab  es  außerhalb  längst  ein  neues 

Machtgebilde,  und  dessen  Machthaber  würden  über  das Wiedererscheinen  des  Herrschaftsrats  gewiß  nicht  entzückt  sein, schon  gar  nicht,  wenn  dieser  Herrschaftsrat  anmaßend  die Oberhoheit über alle Walgon‐Völker und ‐Kolonien zurückforderte. »Was  wir  brauchen,  sind  Informationen«,  sagte  Reen‐Gor 

vorsichtig. »Je mehr, um so besser.« »Willst  du  selbst  nachsehen?«  fragte  der Vorsitzende. Der  Blick 

seines Emotionsgesichts hatte etwas Lauerndes. »Ich bin dazu bereit«, erklärte Reen‐Gor. »Das  kannst  du  haben«,  sagte  der  Vorsitzende.  »Ich  erteile  dir 

hiermit den Auftrag, das Sperrgebiet zu durchfliegen und die Ewige Barriere  zu  durchdringen.  Du  wirst  feststellen,  wie  es  jenseits aussieht, und dann wirst du zurückkehren und uns berichten.« »Das werde ich tun«, sagte Reen‐Gor und stand auf. »Nicht so schnell«, sagte der Vorsitzende scharf. »Wir werden eine 

kleine Vorsichtsmaßnahme ergreifen müssen.« Als Reen‐Gor begriff, was der Vorsitzende meinte, war es bereits 

zu spät. Zwei Roboter hatten Reen‐Gor gegriffen und schleppten ihn aus dem Saal.  

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 3. 

 Ziir‐Tinc rieb sich die Hände. Er war mit sich zufrieden. Das System, an  dem  jahrhundertelang  gefeilt  und  gebastelt  worden  war  –  es bewährte sich vollauf. Ziir‐Tinc hatte die Flucht des Kleinraumschiffs beobachtet, und er 

hatte auch den Absturz anmessen können. Anders als die Gaulater hatte Ziir‐Tinc sehr bald geahnt, daß dieses Manöver nur ein Bluff gewesen war. Den  entscheidenden  Hinweis  hatte  er  durch  einen  seltsamen 

Zufall bekommen. Nachdem die beiden fremden Schiffe wieder auf Walgon gelandet 

waren, hatte es zwischen  ihnen einen  regen Austausch von Waren und  Lebewesen  gegeben.  Ziir‐Tinc,  dessen  Beobachtungssysteme nicht  schlechter  waren  als  die  seiner  gaulatischen  Gegner  hatte dabei zwei Gestalten erkennen können, die er schon einmal gesehen hatte – Daan‐Bar und Ollon‐Tur.  Sie waren von  einem Schiff  zum anderen  gewechselt.  Ziir‐Tinc  hatte  ein  gutes  Gespür  für Bewegungsabläufe und Körpersprache – er war sich absolut sicher, daß die beiden Paudencer freiwillig an Bord der Fremdschiffe waren und sich dort wohl fühlten. Folglich mußte  es  sich  bei  den  Fremden  um  Freunde  handeln. 

Mehr  noch  –  Daan‐Bar  war  demonstrativ  auf  halber  Strecke zwischen den  beiden  Schiffen  stehengeblieben  und  hatte  gewinkt, obwohl er wissen mußte, daß er dabei beobachtet wurde. Ziir‐Tinc  hatte  die  Botschaft  empfangen,  er  ahnte,  daß  sie  ganz 

speziell  für  ihn  bestimmt  gewesen  war.  Die  Tatsache,  daß ausgerechnet der Chef der Tabu‐Jäger bei den Fremden war, mußte sich  in Windeseile  herumsprechen,  natürlich  auch  bei  denen,  die Daan‐Bars  Aktivitäten  fürchteten,  weil  sie  von  seiner  inneren Wandlung  nichts  wissen  konnten.  Daraus  ergab  sich  fast zwangsläufig, daß die Tatsache besonders bei den Paudencern rasch 

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verbreitet werden würde  –  für  normale  Paudencern mußte  diese Zusammenarbeit geradezu Alptraumcharakter haben. In  jedem Fall war die Tatsache wichtig genug, sie unverzüglich über die geheimen Kanäle an den Emulator weiterzuleiten. Da außer Olloh‐Tur nur noch Ziir‐Tinc von der inneren Wandlung 

Daan‐Bars wußte, ergab sich aus all dem, daß Daan‐Bar mit dieser Aktion  eine  Botschaft  an  Ziir‐Tinc  weitergeben  wollte:  ich  habe Freunde unserer Sache gefunden. Durch  Erfahrung  gewitzt,  überprüfte  Ziir‐Tinc  diese 

Überlegungen  ein  zweites  Mal,  indem  er  sie  rein  nach Gefühlskriterien begutachtete. Das Ergebnis war nahezu das gleiche –  Ziir‐Tinc  empfand  eine  tiefe  Freude  und  Genugtuung  darüber, daß die  Sache der Paudencer  auch  außerhalb der Ewigen Barriere Freunde hatte. »Wir müssen handeln, Mädchen«, sagte Ziir‐Tinc. »Irgendwo dort 

draußen  irren Freunde von uns herum. Wir müssen sie finden und zu uns leiten.« »Diese Fremden?« fragte Irra‐Con verblüfft. »Genau  die«,  antwortete  Ziir‐Tinc.  »Sie  werden  unsere  Hilfe 

brauchen.« Er überlegte, was zu  tun  sei. Er brauchte nur wenig Zeit, um zu 

einem Entschluß zu kommen. Er  ging  hinüber  zum  Kommunikator.  Es  hatte  viel  Arbeit  und 

Mühe  gekostet,  das  Gerät  zu  besorgen  und  ins  normale  Netz einzuschalten,  ohne  daß  den  allgegenwärtigen  positronischen Kontrollen  die  Rufnummer  auffiel. Niemals  zuvor  hatte  Ziir‐Tinc den  Anschluß  benutzt.  Er  war  nur  zu  einem  einzigen  Zweck gedacht – von diesem Anschluß aus sollte der Emulator am Tage der Entscheidung das Signal zum Losschlagen geben. Einen  Augenblick  lang  zögerte  Ziir‐Tinc,  dann  schaltete  er  das 

Gerät  ein.  Er  wählte  eine  Nummer,  wenig  später  war  die Verbindung hergestellt. »Hier  spricht  Ziir‐Tinc«,  sagte  der  Emulator mit  fester  Stimme. 

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»Raan‐Mar, kannst du mich hören?« Die  aufgeregte  Stimme  der  Paudencerin  klang  aus  dem 

Lautsprecher. »Ich höre dich, Ziir‐Tinc. Aber ich kann dich nicht sehen.« »Das  ist  auch  nicht  nötig.  Der  Tag  der  Entscheidung  ist 

gekommen. Ich brauche deine Hilfe und die aller Freunde.« »Sage mir, was ich tun soll.« »In unserer Stadt sind einige Fremde unterwegs, Wesen, die ganz 

anders aussehen als wir.« »Waaas?« Ziir‐Tinc lächelte, er konnte die Aufregung der Frau gut verstehen. »Es ist so, wie ich es sage. Diese Fremden werden uns helfen, aber 

zunächst  brauchen  sie  unsere Hilfe.  Sage  allen  Freunden  unserer Sache  Bescheid.  Sie  sollen  nach  den  Fremden  suchen  und  sie  zu einem unserer Versammlungsplätze bringen. Dort werde  ich mich wieder bei euch melden.« »Und wie können wir die Fremden erkennen?« »Sie  sehen  anders  aus  als wir,  sehr  anders  sogar.  Ihr werdet  sie 

sofort erkennen, wenn  ihr sie seht. Und beeile dich, Raan‐Mar, wir dürfen keine Zeit verlieren.« »Ich werde handeln, Ziir‐Tinc«, antwortete Raan‐Mar atemlos und 

trennte die Verbindung. Insgesamt  achtzehn  dieser  Gespräche  führte  Ziir‐Tinc,  dann 

konnte  er  sicher  sein,  daß  die  Botschaft  überall  auf  Walgon  II verbreitet werden würde. »Bald werden wir mit den ersten Wesen von  jenseits der Ewigen 

Barriere sprechen«, sagte der Emulator leise. Er sah Irra‐Con an und lächelte, »ich sehe Furcht auf deinem Gesicht.« »Ganz Fremde?« murmelte Irra‐Con. »Sie werden uns vertrauter sein als mancher aus unserem Volk«, 

antwortete Ziir‐Tinc. Er konzentrierte sich wieder auf sein Beobachtungssystem. Überall 

auf Walgon II gab es versteckte Kameras und Mikrophone, und all 

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diese Nachrichtenkanäle liefen in dieser Zentrale zusammen. Ziir‐Tinc warf einen Blick auf die Uhr. Nach dem Einschalten des ganzen Systems blieb  ihm genau eine 

Woche  Zeit.  Danach  sorgte  ein  Selbstzerstörungsmechanismus dafür,  daß  das  ganze  System  unwiderruflich  zerstört wurde. Der Emulator hatte auf dieser Einrichtung bestanden. Er konnte es mit seinem Gewissen zur Not vereinbaren, für eine gewisse Spanne Zeit wie  ein  tausendäugiges Monstrum  alle  Aktionen  zu  beobachten, aber  sehr bald nach dem Tag der Großen Magischen Synopse mußte diese  allgegenwärtige  Kontrolle  verschwinden.  Eine  staatliche Organisation der Walgonier, wie sie sich die Paudencer vorstellten, war mit solchen Überwachungsmaßnahmen nicht zu vereinbaren. Auf den Straßen war es ruhig, aber an  jeder zweiten Ecke konnte 

Ziir‐Tinc  gepanzerte  Fahrzeuge  sehen  und  schwerbewaffnete Einheiten  der  Tabu‐Jäger  und  der  Flotte. Der Herrschaftsrat  hatte Walgon II fest im Griff – wenigstens an der Oberfläche. Tief im Untergrund der Gesellschaft aber lief bereits die Aktion an, 

die das Ende des Herrschaftsrats einläuten sollte. Einen  Augenblick  lang  schauderte  Ziir‐Tinc,  als  er  an  die 

Größenordnung dieser Revolte dachte. Der Plan lief auf nicht mehr und  nicht  weniger  hinaus  als  eine  vollständige  Änderung  der bestehenden  Verhältnisse,  auf  eine  Umkehrung  der gesellschaftlichen Grundwerte. Es  würde  außerordentlich  schwer  werden.  Auch  nach  dem 

Umsturz  würde  es  sicher  noch  etliche  Gaulater  geben,  auf  die Rücksicht  genommen  werden  mußte.  Keinesfalls  wollte  Ziir‐Tinc erreichen,  daß  nach  dem  Tag  der  Großen  Magischen  Synopse  die Paudencer mit den Gaulatern verfuhren, wie  es  früher umgekehrt der  Fall  gewesen  war.  Das  wäre  lediglich  Etikettenschwindel gewesen. Mit  Sorgfalt  suchte Ziir‐Tinc die  Stadt nach den Fremden  ab. Er 

wußte,  daß  es  schwierig  werden  würde,  sie  zu  finden.  Aber  es mußte gelingen, es hing einfach zu viel davon ab. 

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*  Wir drückten uns in den Toreingang. Langsam  stapften  die  Roboter  die  Straße  entlang,  die  Waffen 

schußfertig  in  den  Händen.  Ich  vermutete,  daß  sie  bei  unserem Anblick sofort das Feuer eröffnen würden. Ich stieß einen Seufzer aus, als die sechs Kampfmaschinen um die 

Ecke bogen und außer Sicht gerieten. »Hast  du  irgend  etwas  finden  können?«  fragte  ich  Tyari.  Sie 

nickte. »Dort  in dem Haus«,  sagte  sie  und wies  auf  ein Wohngebäude, 

einen eckigen Betonkasten. »Da lebt ein Mann, der an uns denkt. Ich habe ihn zufällig gefunden. Wir werden gesucht.« »Das weiß ich«, antwortete ich. »Aber nicht nur von Gaulatern«, sagte Tyari mit  feinem Lächeln. 

»Der Anführer der Paudencer hat seine Leute angewiesen, nach uns Ausschau zu halten.« Ich lächelte zufrieden. Irgendeine Spur hatten wir gebraucht, um den Emulator finden zu 

können, und wer wäre besser zum Aufspüren einer solchen Fährte gewesen  als  eine  Telepathin  wie  Tyari?  Ich  öffnete  meinen Gedankenblock und sah Tyari an. Sie lächelte. »Versuchen wir es«, schlug ich vor. Hastig  überquerten  wir  die  Straße.  Dieser  Außenbezirk  der 

Hauptstadt  wirkte  wie  ausgestorben  –  kein Wunder,  die  Bürger waren angewiesen worden, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Wir hatten  die  Durchsagen  von  den  Lautsprecherfahrzeugen  deutlich hören können. »Kannst du ihn genau orten?« fragte ich Tyari. Sie nickte. »Ich werde euch hinführen«, sagte sie. Als erstes Hindernis erwies sich die Haustür. Wir besaßen keinen 

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Impulsschlüssel,  mit  dem  wir  das  Schloß  hätten  aufschließen können. Ich wandte mich an Tyari. »Du mußt aufpassen«, sagte ich halblaut. »Wenn wir damit einen 

Alarm auslösen und jemand kommt, warne uns rechtzeitig.« »Wird gemacht«, versprach Tyari. Mit einem Schuß öffnete ich die Tür und stieß sie auf. Automatisch 

flammte  die  Beleuchtung  auf.  Ich  sah  kalte,  nackte  Wände,  ein Gefängnis konnte nicht gemütlicher sein als dieser Wohnblock. An einer  Wand  hingen  Piktogramme,  die  die  Hausbewohner  zu Sauberkeit und Ordnung anhielten. »Sechzehntes Stockwerk«, flüsterte Tyari. Der Antigravlift brachte uns hinauf. Unterwegs begegnete uns ein 

junger Mann, der fassungslos die Augen aufriß, als er uns sah, und dann ohnmächtig wurde. Die Automatik des Lifts würde  ihn sanft auf  dem  Boden  absetzen,  wir  brauchten  uns  nicht  um  ihn  zu kümmern. »Er hält uns für Monster«, sagte Tyari lächelnd, ich grinste zurück. Schönheit war Ansichtssache,  daran  ließ  sich  nichts  ändern.  Für 

uns  mochten  die  Walgonier  mit  ihren  vier  Armen  und  Beinen erschreckend aussehen, für sie waren wir die Scheusäler. In solchen Dingen machte sich bemerkbar, daß die Walgonier seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu anderen Völkern gehabt hatten – friedliche Raumfahrt im großen Maßstab pflegte in der Regel solche Vorurteile rasch zusammenbrechen zu lassen. Tyari  führte uns. Vor einer Tür blieb sie stehen. Ich betätigte den 

Summer. Wenig später wurde die Tür geöffnet. Als Handelsvertreter  hatte  ich  nie mein  Brot  verdient,  aber  der 

Fundamentaltrick  war  auch  mir  vertraut.  Bevor  der  überraschte Walgonier recht begriff, wie ihm geschah, hatte ich einen Fuß in der Tür. Ich hatte einen Paralysator in der Hand, hielt ihn aber auf den Boden gerichtet. »Keine Angst«, zischte ich. »Wir kommen als Freunde!« Ich kam mir vor wie in einem Abenteuerfilm, aber mir wollte kein 

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besserer Text einfallen. Auf den Walgonier wirkte er nicht, er wurde bleich in beiden Gesichtern und trat einen Schritt zurück. Hastig  schlüpften wir  in  die Wohnung.  Tyari  blieb  an  der  Tür 

stehen,  um  von  dort  aus  Näherkommende  telepathisch  auf Feindseligkeit zu überprüfen. »Machen wir es kurz«, sagte ich. »Du bist ein Paudencer, und von 

Ziir‐Tinc hast du den Auftrag, nach uns zu suchen. Hier sind wir.« Der  rechte Kopf  des Walgoniers  zeigte  eine Miene  der  völligen 

Verständnislosigkeit,  der  linke  wechselte  wiederholt  die  Farbe. Insider  löste die Spannung,  indem er sich an mir vorbeischob und dem  Walgonier  alle  Hände  schüttelte.  Wenigstens  teilweise  sah einer von uns nach walgonischen Vorstellungen normal aus. »Wie habt  ihr mich gefunden?« brachte der Verwirrte schließlich 

über die Lippen. »Eine  komplizierte  Sache«,  antwortete  ich  ausweichend.  »Bringe 

uns so schnell wie möglich zu Ziir‐Tinc.« Der Walgonier schüttelte die Köpfe. »Das kann ich nicht«, stieß er hervor. »Ich weiß nicht, wo Ziir‐Tinc 

ist.« »Irgend etwas werdet ihr doch wohl ausgemacht haben«, sagte ich 

drängend. Ich war sicher, daß bei der Zerstörung des Schlosses ein Alarm ausgelöst worden war, und nun brannte mir die Zeit auf den Nägeln.  Ich  hatte  keine  Lust,  mich  mit  den  Walgoniern herumzuschießen. »Ich werde euch hinführen«, sagte unser unfreiwilliger Gastgeber. 

»Wir müssen vorsichtig sein.« Er zog sich eine  Jacke an, ein Vorgang, der bei zwei Köpfen und 

vier Armen einer artistischen Vorführung gleichkam, dann schlüpfte er  in  seine  Schuhe.  Unser  Freund  gehörte  zur  peniblen, umständlichen  Sorte  Lebewesen  und  ging  mir  mit  seiner  Art ziemlich auf die Nerven. Ich ahnte aber, daß ihn mein Drängen nur noch mehr  verwirrt  hätte,  und  sah  daher  schweigend  bei  seinem Zeremoniell  zu.  Ein  dicker  langer  Schal  vervollständigte  die 

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Kleidung, dann konnte es losgehen. »Zwei  Posten  betreten  gerade  das  Gebäude«,  informierte  mich 

Tyari. »Sie wissen aber nicht, wohin sie gehen sollen. Sie wollen das Haus Stockwerk für Stockwerk absuchen. Jetzt haben sie den jungen Mann gefunden, er ist wieder zu sich gekommen. Sie wissen, daß sie uns  gefunden  haben,  und  geben  die  Information  an  ihre Zentrale weiter.« Tyari  hielt  die  Augen  geschlossen,  um  intensiver  lauschen  zu 

können. »In drei bis vier Minuten ist ein Kommando der Tabu‐Jäger hier«, 

sagte sie schließlich. Ich wandte mich an unseren walgonischen Begleiter. »Hat das Haus einen Hinterausgang?« fragte ich. »Wofür?« fragte er unschuldig. »Für den Fall eines Feuers, beispielsweise«, antwortete ich. Wortlos  deutete  der  Walgonier  auf  ein  Piktogramm,  das  die 

Verwendung  von  offenem  Feuer  verbot.  Ich  begriff  – wenn  kein Walgonier  ein  solches Gebot  übertrat  und  sich  auch  sonst  immer vorschriftsmäßig verhielt, konnte es nicht zu einem Feuer kommen, also brauchte man auch keinen Notausgang. »Sie  kommen höher«,  informierte mich Tyari.  »Ihre Waffen  sind 

entsichert,  sie haben Anweisung,  sofort zu  schießen, wenn  sie uns sehen.« »Können wir sie überraschen?« Tyari nickte und ging voran. Langsam schwebten wir im Antigravschacht hinunter. »In ein paar Augenblicken werden sie in den Schacht treten«, sagte 

Tyari. Es  war  eine  Angelegenheit  von  zwei  Sekunden.  Die  beiden 

Walgonier  hatten  die  Köpfe  noch  nicht  ganz  in  die  Öffnung  des Schachtes  gesteckt,  da  wurden  sie  auch  schon  von  unseren Paralysatoren  getroffen  und  außer Gefecht  gesetzt. Wir  brauchten nur ungezielt in die Tiefe zu schießen – dank Tyari wußten wir, daß 

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niemand sonst den Schacht im Augenblick benutzte. Der Walgonier begann am ganzen Leib zu zittern, als er die beiden 

Betäubten  sah, wie  sie halb  in den Schacht hineinhingen, halb  auf dem Boden der Etage lagen. »Er hat Angst, wir würden ihn umbringen«, sagte Tyari. Ich nahm 

meinen Paralysator und drückte ihn dem Walgonier in die Hand. »Damit  kannst  du  dich wehren«,  sagte  ich.  »Die Waffe  betäubt 

nur, du brauchst dich also nicht zu fürchten.« Eilig  verließen  wir  das  Gebäude.  Unser  Freund  besaß  einen 

Privatgleiter, der groß genug war, uns alle aufzunehmen. »Fahr  los«,  ermunterte  ich  den  Walgonier,  der  mit  seinen 

zitternden Händen große Mühe hatte, das Fahrzeug zu starten. Endlich  ruckte  der  Gleiter  an.  Unser  Freund  fuhr  ebenso 

umständlich wie hektisch, eine entnervende Kombination. Der arme Kerl wußte offenkundig nicht mehr, wo ihm die Köpfe standen. Tyari stieß mich an. »Wir werden  verfolgt«,  sagte  sie  so  leise,  daß  nur  ich  sie  hören 

konnte. »Man will uns eine Falle stellen.« »Einzelheiten?« fragte ich ebenso leise nach. »Die  Robots  haben  uns  erkannt.  Ich  erforsche  gerade  die 

Gedanken eines der Verfolger. Man hat uns gewähren lassen, damit wir die Tabu‐Jäger auf die Spur des Emulators bringen.« Ich  leckte  mir  die  Lippen.  Damit  saßen  wir  in  einer  hübschen 

Klemme. Weitermachen, gab das Extrahirn knapp durch. Ich war von dem Produkt der ARK SUMMIA  schon  immer  sehr 

beeindruckt  gewesen,  aber  damit  hatte  ich  nicht  gerechnet.  Der Vorschlag hörte sich überaus gefährlich an. Ich lehnte mich zurück und konzentrierte mich. Die Analyse des Logiksektors war ausführlich und präzise. Es lief 

darauf  hinaus,  daß  wir  nur  dann  eine  Chance  hatten,  wenn  der Emulator  und wir  an  einem  Strang  zogen. Aus  unseren Aktionen und  dem  Stillschweigen  des  Emulators  ließ  sich  in  einer 

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komplizierten kausallogischen Berechnung herausarbeiten, daß der Emulator damit rechnen mußte, daß wir verfolgt wurden, und es in seine Pläne einbezogen hatte. Allerdings  konnte  er  nicht  wissen,  daß  ich  eine  Telepathin  an 

meiner Seite hatte, die die Absichten der Verfolger erkennen konnte. Es würde in jedem Fall eine sehr heikle Angelegenheit werden. Der  Walgonier,  den  wir  als  Fahrer  angestellt  hatten,  wurde 

langsam  ein  wenig  sicherer.  Tyari  half  ihm,  indem  sie  ihm Anweisungen  gab,  wie  er  die  Verfolger  abschütteln  konnte  – erfolgreiche  Anweisungen,  wie  sie  mir  wenig  später augenzwinkernd mitteilen konnte. Der arme Walgonier begriff gar nichts mehr.  Ich  sah, daß  er auf 

beiden Stirnen dicke Schweißtropfen stehen hatte. Die Situation ging sichtlich über seine Kraft. Ich konnte nur hoffen, daß das, was uns noch bevorstand, nicht 

über unsere Kräfte ging.   

4.  ATLAN‐VISION »ORAKEL«: Es ist unglaublich ruhig um mich. Frei kann  ich  die  Gedanken  strömen  lassen,  sanfter  Frieden  erfüllt meinen Körper. Ich  bin  am  Ziel  angelangt,  einem  Ziel,  wie  ich  es  mir 

absonderlicher  niemals  hätte  ausdenken  können.  Verbunden  mit einem Pulk Spoodies, die ich selbst hierher gebracht habe, erfülle ich die Funktion eines Orakels. Den Herzögen von Krandhor stehe  ich mit meinem Rat  zur  Seite,  ich helfe  ihnen,  ihre Macht  zu  festigen und auszubauen. All dies geschieht, um  frühstmöglich gewappnet zu  sein  für  den  Feind,  der  die Menschheit  und  auch  die  Kranen bedroht. Seth‐Apophis. Ein Name  bisher,  nicht mehr. Das  Symbol  einer Macht,  die  im 

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verborgenen  wirkt,  umgeben  vom  Schauer  unergründlicher Geheimnisse. Noch weiß ich nicht, um wen oder was es sich handelt –  ich  weiß  nur,  daß  diese  Bedrohung  die  schwerste  ist,  die  die Menschheit  bisher  zu  bestehen  gehabt  hat.  Unerhörte  Aufgaben liegen vor uns. Auch vor mir. In Hunderten  von  Einzelfällen werde  ich  um Rat  gefragt  –  und 

gebe  ihn,  gestützt  auf  zehntausend  Jahre  Erfahrung,  auf  einen Extrasinn,  an  dessen  Fähigkeiten  ich  niemals  Grund  hatte  zu zweifeln, dies alles gestärkt und angereichert durch einen Schwarm von Spoodies. Heiterkeit erfüllt mich. Zum  ersten Mal  bin  ich  einige  der  ehrenvollen  Titel  wert, mit 

denen  ich  vor  vielen  Jahren  bedacht  wurde  –  als  Imperator  von Arkon.  Es  liegt  lange  zurück,  daß  ich mit  »Erhabener«  angeredet worden  bin.  Allessehend,  alleswissend,  tausendäugig  wurde  ich genannt und noch mehr –  jetzt bin  ich allessehend, wenn  ich will. Das  ganze  komplexe  Kommunikationsnetz  des Herzogtums  steht mir  zur  Verfügung,  ein  positronisches  Netzwerk,  das  sich  über Vayquost  gelegt  hat.  Es  übergreift  alle  Bezirke,  in  die  die linsenförmige  Spiralgalaxis  aufgeteilt  ist:  Berogan,  Lquo,  Flattlos, Varnhagher‐Ghynnst, Faarnheyst und viele andere. Ich  habe  unmittelbaren  Zugriff  auf  alle  Positroniken,  auf  die 

planetengebundenen ebenso wie auf die Rechner der Flottennester, im  Notfall  kann  ich  über  Hyperfunkverbindungen  auch  mit einzelnen Schiffen Kontakt aufnehmen. Ein  Teil meines  Bewußtseins  ist  frei,  der weitaus  größte  Teil  ist 

unablässig  beschäftigt,  vor  allem  der  Extrasinn,  der  von  den Spoodies noch besonders gefördert wird. Tausende  von Aufgaben  gilt  es  zu  erledigen. Kleinigkeiten  sind 

darunter, aber manche Kleinigkeiten summieren sich allmählich zu gewaltigen Erschütterungen. So weiß ich beispielsweise, daß auf dem Planeten Berghandor eine 

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Bestellung  für  chirurgische  Spezialwerkzeuge  aufgegeben worden ist, ein Vorgang wie tausend andere auch. Ich  weiß  auch,  daß  der  schwerreiche  Reeder  Thana  Kolz  den 

Neubau eines besonders großen, klobigen Schiffes angeordnet hat. Auch das ist weiter nicht ungewöhnlich. Indessen  ist  in  den  Speichern,  die  mir  zur  Verfügung  stehen, 

säuberlich vermerkt, daß ein gewisser Oppoldhari, Kraftschyte von Geburt,  in  letzter  Zeit  versucht  hat,  den  Orakel‐Dienern pseudoreligiöse Traktate anzudrehen. Für jeden anderen wären diese Angaben bedeutungslos. Ich allein 

kann sie zusammensetzen. Ich  weiß,  daß  die  Orakel‐Diener,  in  der  Hauptsache  ehemalige 

Solaner,  ziemlich  unzufrieden  sind.  Sie  ärgern  sich  zum  einen darüber, daß sie  ihr Schiff, die SOL nicht mehr haben. Die SOL  ist zum Spoodieschiff geworden. Unablässig pendelt sie zwischen Kran und  Varnhagher‐Ghynnst  hin  und  her,  nimmt  eine  Ladung Spoodies nach der anderen an Bord und schafft sie ins Herzogtum. Nur eine kleine  solanische Stammbesatzung  ist an Bord geblieben, die  Mehrheit  der  Besatzung  besteht  aus  Kranen  und  ihnen befreundeten Intelligenzen. Zum anderen lieben die Solaner das Leben auf Planeten überhaupt 

nicht, auch nicht, wenn es sich um die Hauptwelt des Herzogtums handelt.  Die  Schönheiten  des  Wasserpalasts,  der  langsam  seine endgültige Form annimmt, zählen für sie nicht. Zudem  sind  sie  isoliert.  Aus  Gründen  der  Geheimhaltung 

umgeben  mich  ehemalige  Solaner  wie  eine  menschliche  Hülle. Unmittelbaren Zugang  zu mir  haben  ausschließlich  Solaner,  nicht einmal die Herzöge selbst dürfen zu mir vordringen. Wenn ich mit ihnen  verkehre,  dann  durch  Funksprüche  oder  Kuriere  aus  den Reihen  der  Orakel‐Diener.  Verständlicherweise  schafft  das  Ärger und Verdruß. Viele Solaner  fühlen  sich  isoliert,  als ungeliebte Fremdkörper  im 

Herzogtum.  Hätten  sie  nicht  die  Spoodies,  die  ihre  Intelligenz 

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stützen und heben und ihnen beim Nachdenken helfen, hätten mich viele aus Kurzschlußgründen  längst verlassen. So begreifen sie den Sinn dieser Maßnahme, aber das bedeutet nicht, daß sie sie willenlos hinnehmen. Es gibt Widerstand, der zum großen Teil aus der mehr oder  minder  großen  Ablehnung  der  Orakel‐Diener  durch  die Bewohner des Herzogtums resultiert. Vielleicht  liegt  es  am  langen Weltraumaufenthalt  der  Solaner  – 

jedenfalls  reagieren sie  im Durchschnitt auf die Spoodies erheblich besser als durchschnittliche Kranen, obwohl Kranen die Solaner  in Einzelfällen weit übertreffen. Eine meiner Aufgaben  auch  für die Zukunft wird  es  sein, diese 

Spannungen  abzubauen  oder  doch  wenigstens  zu  mildern.  Nur wenn  alle,  Kranen,  Prodheimer‐Fenken,  Tarts,  Solaner  und  viele andere  zusammenarbeiten,  kann  es  gelingen,  die Mächtigkeitsballung  zu  sichern,  die  von  Seth‐Apophis  tödlich bedroht ist. Gefahren  drohen  ihr  von  allen  Seiten,  aber  die  meisten  dieser 

Gefahren  lauern  unsichtbar  im  Hintergrund,  oder  sie  quellen langsam  aus  der  Tiefe  empor.  Ich  weiß,  daß  Agenten  von  Seth‐Apophis ins Herzogtum von Krandhor eingesickert sind, und es läßt sich leicht ausrechnen, welches Ziel ihre Aktivitäten haben werden. Bereits die kurze Zeit, die  ich als Orakel der Herzöge  fungiere, hat gezeigt, wie hilfreich diese Tätigkeit ist – logischerweise werden die Agenten von Seth‐Apophis vordringlich bemüht sein, das Orakel zu zerstören oder unwirksam zu machen. Kernziel  ihrer  Angriffe  bin  ich,  obwohl  sie  von  der  Existenz 

meiner Person nichts wissen können. Das nimmt dieser Bedrohung aber nichts von ihrer Gefährlichkeit. Persönlich wehren kann ich mich nicht. Mein Körper ist gleichsam 

desaktiviert,  nur mein Verstand  arbeitet  noch. Dies  sollte mir  als Waffe zu meiner Verteidigung genügen. Meine Gedanken bewegen sich auf drei Ebenen. Während  ich als 

Orakel den Kranen helfe und gleichzeitig an meinen eigenen Schutz 

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denken muß, versuche  ich zugleich, die größeren Zusammenhänge zu ergründen. Ein  vages  Gefühl  gewinnt  immer  mehr  Gestalt  in  mir  –  die 

Sicherheit, daß mit dieser Tätigkeit als Orakel von Krandhor meine Arbeit im Dienst der Kosmokraten noch lange nicht beendet ist. Ich  spüre  es  ganz  deutlich  –  eines  Tages  werde  ich  den 

Wasserpalast wieder  verlassen.  Jemand  anderes wird meine Rolle als Orakel übernehmen, ich werde wieder frei entscheiden, handeln und mich bewegen können. Es wird lange dauern, bis es soweit ist. Ich störe mich nicht daran. 

Ich weiß, daß diese Tätigkeit  ihren Sinn hat, auch wenn  ich diesen tieferen  Sinn  noch  nicht  zu  ergründen  vermag.  So  wichtig  ich augenscheinlich  auch  in diesem gigantischen Kräftemessen bin,  in das so unterschiedliche Geschöpfe wie Spoodies, Menschen, Kranen, Superintelligenzen  und Kosmokraten  verstrickt  sind  –  ich  vermag die kosmischen Zusammenhänge nicht zu erkennen. Ich  komme mir  vor wie  eine  Figur  in  einem  Schachspiel. Nicht 

nur, daß  ich meinen Part zu  spielen habe, die Aufgabe, die mir  in diesem Spiel zufällt, ich stehe gleichzeitig vor dem Problem, System und Regeln des  Spiels  von  innen heraus  zu  ergründen. Wenn  ich dieses Gleichnis  fortführe, dann käme mein Grübeln mitunter dem Versuch  gleich,  vom  Spielbrett  auch die  geheimen Gedanken und Beweggründe der Spieler erschließen zu wollen. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Wieder erreichen mich Informationen. Ich verarbeite sie, werte sie 

aus  und mache Vorschläge.  Es  sind Vorschläge,  nicht mehr,  auch wenn  sie  vielen  Kranen  und  anderen  wie  eine Weisung  höherer Mächte vorkommen mögen. Eine  Rückmeldung  trifft  bei  mir  ein  –  ein  Problem  im  Sektor 

Flattlos,  mit  dem  ich  mich  zu  beschäftigen  hatte,  ist  gelöst.  Der Funkspruch  drückt  zwischen  den  Zeilen  den  Dank  und  die Verwunderung des Sektionschefs aus, der nach meinen Ratschlägen das Problem gelöst hat.  Irgendwo  in den positronischen Speichern 

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wird  der  Funkspruch  abgelegt,  ich  habe  nicht  die  Zeit,  mich ausführlich damit zu beschäftigen. Ich  lasse  eine  Hyperfunkverbindung  zur  SOL  herstellen,  dem 

Schiff, das so lange meine Heimat war. Die  SOL  ist  im  Anflug  auf  Varnhagher‐Ghynnst.  Sie wird  eine 

neue Ladung Spoodies an Bord nehmen. An Bord  läuft der Betrieb normal, es sind keine Störungen aufgetreten. Mich stimmen diese Nachrichten mißtrauisch. Im Augenblick läuft 

alles  zu  normal,  zu  glatt  und  perfekt.  Irgendwo  in  der  Flut  von Detailinformationen,  die  wie  ein  Wasserfall  über  mich hereinströmen,  sind  Daten  verborgen,  die  ich  nur zusammenzusetzen  brauchte,  um  einer  wichtigen  Sache  auf  die Spur zu kommen. Ich  erinnere  mich  der  drei  Detailinformationen:  chirurgische 

Spezialwerkzeuge, Riesenschiff, pseudoreligiöse Traktate. Ich spüre, daß  diese  drei  Informationen  zu  einem  Puzzle  gehören,  das zusammen  mit  anderen  Bausteinen  ein  Bild  ergeben  wird  – höchstwahrscheinlich ein Bild, das mir nicht gefallen wird. Die  Befehlsübermittlung  funktioniert  reibungslos.  Ich  gebe 

Anweisung,  jede  Bewegung  des  Riesenschiffs  genau  zu überwachen. Die Anweisung  stößt  auf Widerstand, Reeder  Thana Kolz  ist  ein  hochangesehener  Mann,  es  gibt  keinen  Grund,  ihm nachzuspionieren.  Da  die  Anweisung  aber  vom  Orakel  kommt, wird  sie  befolgt.  Eine  Speichersektion  der  Positronik  wird  ein Itinerar des Schiffes anlegen. Ich  fordere  weitere  Informationen  über  die  besondere  Art  der 

chirurgischen Spezialwerkzeuge an;  sie kommen nach kurzer Zeit. Es handelt sich um Gerätschaften, die für die kosmetische Chirurgie gebraucht  werden  –  der  Menge  nach  zu  schließen,  die  der Unbekannte  geordert  hat,  will  er  mehrere  hundert  Personen  zur gleichen  Zeit  behandeln  lassen.  Auch  diese  Daten  werden gespeichert, ich kann jederzeit auf sie zurückgreifen. Außerdem lasse ich mir den Text der Traktate zuspielen, die unter 

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den Orakel‐Dienern verteilt wurden. Die Schriften  sind  so verfaßt, wie ich es erwartet habe – sie versprechen Einführung in kosmische Geheimnisse,  Kenntnis  der  universellen  Kraftströme,  die  sich jedermann  zunutze machen  könne,  Lösung  aller  geheimen  Rätsel des  Lebens,  das  alles  garniert  mit  einem  Wortschwulst,  der  bei logischer  Analyse wie  Seifenschaum  zusammenbricht. Mystisches Gewäsch,  urteile  ich  –  wenig  wahrscheinlich  daß  Orakel‐Diener darauf hereinfallen. Gleichzeitig wird eine geheime Zusammenkunft angekündigt  –  geheim,  aber  auf  öffentlich  verteilten  Schriften angekündigt.  Ein  klarer  logischer  Widerspruch,  der  meinen Verdacht erregt. Ich  schiebe  das  Problem  zurück.  Ich  darf  mich  nicht  verrückt 

machen. Völlig habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, daß ich im Tief  schlaf  liege  und mich  nicht  rühren  kann; mein Mißtrauen  ist immer wieder eine Spur zu groß. Wenn  ich  ihm nachgebe, komme ich  aus dem Verdachtschöpfen  nicht mehr  heraus.  Ich  habe  keine Lust, allmählich eine Paranoia zu entwickeln. Funkspruch  von  der  SOL. Das  Schiff  ist  im  Sektor Varnhagher‐

Ghynnst  eingetroffen  und  beginnt  mit  der  Spoodie‐Ernte. Außerdem  wird  eine  gewisse  Portion  Raumtang  an  Bord genommen. Gefriergetrocknet, pulverisiert und  in kleinen Dosen verabreicht, 

hat  der  Raumtang  eine  sanfte  Bewußtseinserweiterung  zur  Folge, die  sorgsam  angewandt  bei  psychischen  Störungen  hilfreich  sein kann. Ebenso wie der Fundort der Spoodies ist auch die Quelle des Raumtangs  höchstes  Staatsgeheimnis  –  in  den  falschen  Händen können Spoodies und Raumtang verheerende Wirkung zeigen. Alparslan  Ordobon  läßt  sich  bei mir melden,  einer  der Orakel‐

Diener,  die  jederzeit  bei mir Zutritt  haben.  Ein  hochgewachsener, schlanker Mann mit hagerem Gesicht und grauen Haaren. Er wirkt kühl, diszipliniert und stets sehr ruhig. »Ich will den Vorfall nur dir melden«,  sagt er nach einer kurzen 

Begrüßung. 

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»Welchen Vorfall?« frage ich. Ordobon macht ein besorgtes Gesicht. »Einer  unserer  Freunde  ist  gestern  nacht  überfallen  worden«, 

erklärt er. »Man hat ihn niedergeschossen, mit einem Paralysator.« »Raub? Oder eine private Rache?« Ordobon schüttelt den Kopf. »Man hat  ihm  seinen  Spoodie gestohlen«,  sagt  er  zögernd.  »Wir 

haben  ihm einen neuen Symbionten gegeben und  ihn angewiesen, über den Vorfall zu schweigen.« Meine Gedanken überschlagen sich. Spoodie‐Diebstahl. Das gab es bisher noch nicht, jedenfalls nicht in 

dieser  Form.  Daß  jemand  versuchte,  in  eines  der  staatlichen Vorratslager einzubrechen, um dort Spoodies zu stehlen, hat es des öfteren gegeben. Die Sicherheitsmaßnahmen haben solche Versuche jedesmal vereitelt. Aber ein Überfall auf einen Spoodie‐Träger ist ein unerhörtes Novum. »Wie geht es dem Überfallenen? Ist er schwer verletzt?« »Nein«,  antwortet  Ordobon  ruhig.  »Das  ist  ja  gerade  das 

Gefährliche  an  der  Sache  – man  hat  ihm  den  Spoodie mit  großer Sorgfalt  entfernt.  Operativ,  und  die  kleine  Wunde  ist  sauber versorgt worden. Da waren Fachleute am Werk.« Sofort  stelle  ich die Querverbindung her. Für diesen Zweck  also 

sind die chirurgischen Instrumente gedacht. Hinter  dem Überfall  steht  ein  System,  ein  Plan. Das war  keine 

spontane Aktion, nur ein Teilschritt zur Verwirklichung eines weit größeren Vorhabens. Ich  ahne,  daß  die  Agenten  des  Gegners  zu  einem  gefährlichen 

Schlag ausholen. Was wollen sie mit dem Spoodie? Ich bin sicher, daß es nicht nur 

darum  geht,  etwa  den Anführer  dieses  Vorhabens  zum  Spoodie‐Träger zu machen. Dahinter steckt mehr. »Gibt es weitere Ereignisse, die  ich wissen sollte?« erkundige  ich 

mich. 

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»Die  Schriften  dieses  Oppoldhan  haben  ein  wenig  für  Unruhe gesorgt«,  berichtet Ordobon.  »Aus Gesprächen  habe  ich  erfahren, daß  ein  paar  Orakel‐Diener  zu  dieser  angeblich  geheimen Zusammenkunft  gehen wollen.  Ich  bin  sicher,  sie  tun  es  nur  aus Neugierde. Einige wollen diesen mystischen Unfug  entlarven und sich  auf Kosten von Oppoldhan  amüsieren. Aber mir  scheint, daß Oppoldhan  damit  einen  bestimmten  Zweck  verfolgt  –  und  ihn erreicht  hat.  Eine  größere  Zahl  von  Orakel‐Dienern  wird  ihn aufsuchen, gleichgültig aus welchem Grund.« Ich  sehe  eine  Verbindung  zwischen  diesen  Vorfällen.  Jemand 

arbeitet  sich  auf dem Weg über die Orakel‐Diener  an mich heran. Ein Attentat? »Hast du einen Vorschlag?« frage ich Ordobon. »Wenn  du  es  gestattest,  werde  ich  selbst  auch  hingehen«,  sagt 

Ordobon.  »Ich werde  dir  später  berichten, was  sich  dort  ereignet hat. Und ich werde nicht unbewaffnet gehen.« »Einverstanden«, antworte ich. Alparslan Ordobon zieht sich zurück. Währenddessen  informiere 

ich die Polizei auf Kran; sie soll ein waches Auge auf die Aktivitäten des  Kraftschyten  haben,  vor  allem  aber  feststellen,  wer  seine Hintermänner sind. Gleichzeitig laufen meine anderen Aktivitäten weiter. Schlaf kenne 

ich nicht. Wenn es Nacht wird über dem Wasserpalast, scheint die Sonne auf die gegenüberliegende Seite des Planeten. Auch dort wird meine  Hilfe  immer  wieder  gebraucht,  und  was  für  Kran  gilt, entspricht den Verhältnissen auf anderen Planeten des Herzogtums. Dennoch finde ich Zeit zur Muße. Ein großer Teil meiner Tätigkeit 

läuft  fast unbewußt  ab,  an der Oberfläche meiner Gedanken kann ich ausruhen – wenn nicht alarmierende Nachrichten mich zu voller Konzentration zwingen. Eine seltsame Stimmung hat sich meiner bemächtigt. Im Hintergrund meiner Wahrnehmung kann  ich spüren, daß die 

Aktivitäten  merklich  abflauen.  Es  fühlt  sich  an,  als  halte  das 

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Herzogtum für eine kurze Weile den Atem an. Ich spüre Schauer durch meinen Körper rieseln. Es  ist  nicht  die  Kälte  des  Tiefschlafs,  die  mich  erschüttert. 

Vielmehr legt sich von irgendwoher eine dumpfe Ahnung auf mich, eine  vage  Stimmung  von Unsicherheit. Der  Schatten  der  Zukunft scheint mich zu streifen. Vor meinem  inneren Auge  ziehen Bilder  vorbei. Es  geht  viel  zu 

schnell,  als  daß  ich  sie  deuten  könnte.  Schemenhafter  Spuk, erschreckend und beängstigend. Ich spüre, daß ich den Kontakt zu meinem Körper verliere. Aus meinem  Innern  scheinen die Bilder  aufzusteigen, Bilder des 

Schreckens,  gefahrverkündend.  Ich  weiß  nicht,  was  sie  bedeuten sollen, sie haben überhaupt keinen Zusammenhang.  Ich spüre nur, daß es der symbolhafte Widerschein von Elend und Unterdrückung ist, der mich streift und erschüttert. Ich  weiß  nicht mehr, was Wirklichkeit  ist.  Ich  scheine  in  einer 

Traumwelt  zu  sein, wache  auf  und  bin mitten  in  einem weiteren Traum. Auch diese Bilder verflüchtigen sich und entlassen mich  in weitere Halluzinationen. Einen kurzen Augenblick lang bin ich völlig klar. Ich weiß, daß  ich  in diesem Augenblick nicht wirklich  auf Kran 

bin.  Ich weiß, daß  ich  eine Vision durchlebe, wie  ich  schon  einige erlebt  habe. Und  in  diese  Vision  hinein  schiebt  sich  eine weitere Vision,  eine  vage Vorahnung  von dem, was  kommen wird, wenn das,  was  ich  jetzt  von  irgendwoher  als  Bild  empfange,  längst Wirklichkeit geworden ist. Eine Ahnung nur … Irgendwo in den Weiten des Kosmos wartet eine weitere Aufgabe 

auf  mich.  Ich  bin  noch  nicht  entlassen  aus  den  Diensten  der Kosmokraten, mein Auftrag geht weiter. Sterne  wirbeln  vor  meinem  inneren  Auge  vorbei.  Ihr  Anblick 

erschreckt mich, obwohl  ich keinerlei Einzelheiten entdecken kann, die  dieses  Erschrecken  auslösen  könnten.  Ich  ahne  nur,  daß 

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irgendwo zwischen diesen Sternen das Grauen haust. Die Witterung  einer ungeheuren Gefahr  erreicht mich.  Ich weiß, 

daß ich mich dieser Gefahr werde stellen müssen. Die Vision in der Vision  sagt mir nicht, worin meine neue Aufgabe bestehen wird – sie verrät nur, daß sie auf mich wartet. Irgendwo,  irgendwann. Ich spüre, daß ich diese Aufgabe werde lösen müssen – allein. Die Erkenntnis durchfährt mich wie ein Schock. Allein? Alles  in  mir  bäumt  sich  auf.  Was  ist  mit  den  Freunden  und 

Gefährten? Mit Tyari? Ich weiß plötzlich, daß ich sie in der Zukunft dieser Vision nicht mehr bei mir haben werde. Alles andere verschwindet. Nur ein Bild bleibt, es erfüllt mich mit 

schmerzhafter Stärke. Hellrot,  fast weiß  glimmt  das  Feuer  in  der  Esse.  Eine metallene 

Zange holt das weißglühende Metall heraus, legt es auf den Amboß. Hammerschläge  sausen  auf  das  Metall  herab,  ich  spüre  sie  mit schneidender Härte.  Jeder Hieb  scheint mich  zu  treffen,  ein  Stück von mir  abzuspalten.  Jede  Faser meines Körpers wird  erschüttert. Unerbittlich saust der Hammer herab, formt und härtet das Metall. Alles  Überflüssige  wird  herausgeschmiedet,  bis  allein  der  Stahl zurückbleibt. Die Klinge versinkt  zischend  im Öl.  Ich  spüre, wie der  Schmerz 

mich durchrast. Ich  weiß,  daß  die  Prozedur  noch  nicht  beendet  ist.  Sie  wird 

weitergehen,  bis das  Schwert  fertiggeschmiedet  ist. Mag der  Stahl Funken  versprühen  und  kreischen,  er  kann  sich  nicht  dagegen wehren. Ich  ahne,  was  diese  Symbolik  zu  bedeuten  hat.  Das,  was  ich 

durchlitten habe, was  ich  erleiden werde, bis diese Vision Realität geworden ist – es dient dem Zweck,  jene Waffe in den Händen der Kosmokraten zu schmieden, die ich in Zukunft sein soll. Ich  kann  das  Schwert  sehen,  eine  blitzende  Klinge,  scharf  und 

geschmeidig.  An  den  stark  verlängerten  Parierstangen  baumeln 

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Waagschalen.  Ich  erkenne  das  Symbol  wieder  –  die  gewappnete Gerechtigkeit. Das Bild verschwindet. Eine fürchterliche Leere breitet sich in mir 

aus. Alles, was  ich  noch  spüren  kann,  ist  eine  Frage,  die Urfrage menschlicher Existenz. Warum? Darauf bleibt die Vision mir die Antwort schuldig.   

5. ATLAN‐VISION »ORAKEL«: 

 »Keine  Gefahr«,  berichtet  Alparslan  Ordobon  zufrieden.  »Zu  der Versammlung  sind  knapp  einhundert  Personen  erschienen, darunter zwei Dutzend Orakel‐Diener.« Aufmerksam höre ich ihm zu. »Der Kraftschyte  scheint mir  harmlos  zu  sein,  jedenfalls  für das 

Orakel.  Ansonsten  ist  er  ein  geschickter  Schwindler  und Hochstapler, der mit  technischen Mätzchen und  raffinierten Tricks vorspiegelt, mit magischen Kräften versehen zu sein. Unter diesem Gesichtspunkt war seine Vorführung recht eindrucksvoll – ich habe die  Freunde  gefragt.  Sie  fanden  die  artistische  Darbietung eindrucksvoll,  das  Zaubermeister‐Gehabe  der  Garnierung  fanden sie lächerlich, ohne Ausnahme.« Seltsam,  ich  bin  über  diese  Auskunft  nicht  erleichtert. 

Aufmerksam  betrachte  ich  Ordobon.  Sein  Gesicht  zeigt  keinerlei Gemütsregung, er ist ruhig und gelassen wie immer. Zu dem, was er sagt, paßt, was ich über meine Informationskanäle 

habe feststellen lassen. Oppoldhan  reist  seit  Jahren  von  Planet  zu  Planet,  führt  seine 

magischen  Tricks  vor,  erleichtert  Leichtgläubige  um  beträchtliche Summen und das mit solcher Raffinesse, daß die Geschröpften sich bisher geweigert haben, ihn strafrechtlich zu verfolgen. Sie glauben 

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ihm  noch  immer.  Es  ist  nicht  Sache  der  Polizei,  unbelehrbar Abergläubische vor sich selbst zu schützen – Oppoldhan kann sein Gewerbe  unbehelligt  fortsetzen. Über  andere Aktivitäten  von  ihm ist nichts bekannt geworden. Niemand weiß auch, wo er die Beträge angelegt hat, die er seinen Opfern aus den Taschen geholt hat. Nach den Begriffen des Herzogtums ist der Kraftschyte ein schwerreicher Mann, sein privates Auftreten aber ist ausgesprochen maßvoll. Viel Geld  gibt  er  nur  für  seine Apparaturen  aus;  er  beschäftigt  einige hochqualifizierte  Fachleute  für  Mikropositroniken,  die  ihn  mit immer neuen Zaubermaschinen ausrüsten. »Es ist gut«, sage ich zu Ordobon. »Ich bin mit dir zufrieden.« Er lächelt dankbar und zieht sich zurück. Sicherlich will er mich nicht täuschen, aber  ich habe den sicheren 

Eindruck, daß seine Informationen nicht stimmen. Es braut sich etwas zusammen, ein unbekannter Gegner holt zum 

Schlag aus. Ich habe nur ein Mittel, diesen Schlag abzufangen. Informationen. Ich  kann  an  jede  Datensammlung  heran,  die  es  im Herzogtum 

gibt. Natürlich  ist nicht alles gespeichert, auch die Kranen und die ihnen  verbündeten  Völker  kennen  das  Individualrecht  auf persönliche Freiheit. Aber  irgendwo  in den Billionen gespeicherter Informationen sind die Brocken enthalten, die ich noch brauche, um ein klares Bild der Lage zu gewinnen. Es  hat  etwas mit mir  zu  tun  – weniger mit Atlan  als mit  dem 

Orakel. Es hat auch etwas mit Spoodies und Spoodie‐Schiff zu tun. Ich  ahne  auch,  daß  der  entscheidende  Schlag  des  Gegners  nicht lange auf sich warten lassen wird. Es gilt, rasch zu handeln – das einzige, was ich beim besten Willen 

nicht kann. Vorsorglich  lasse  ich  einige  Hundertschaften  Kampfroboter 

aktivieren. Sie bleiben  in den Silos, noch sollen sie  in der Nähe des Wasserpalasts nicht erscheinen. Das Itinerar wird mir zugespielt. 

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Das Schiff von Thana Kolz ist mit unbekanntem Ziel gestartet. Vor seinem  Abflug  hat  es  einige  hundert  Erntemaschinen  an  Bord genommen, dazu eine komplette Fabrik für Fruchtsaftkonzentrate. Das Rätsel wird immer größer. Ich mache  von meinen Vollmachten Gebrauch  und  schnüffle  in 

den  Geschäftsverbindungen  von  Thana  Kolz  herum.  Er  ist ungeheuer vielseitig – er besitzt nicht nur zahlreiche große Werften, Raumschiffahrtslinien  für  Fracht‐  und  Personentransport.  Ihm gehören  auch  zahlreiche  Amüsierbetriebe  auf  vielen  Planeten  – erfahrungsgemäß  ideale  Plätze,  um  gescheiterte  Existenzen  für zwielichtige Geschäfte anzuheuern. Thana  Kolz  lebt  gefährlich.  Fünf  Attentatsversuche  und  zwei 

knapp gescheiterte Entführungen haben ihm gegolten. Man hat ihm deswegen eine private Leibwache von einhundert Mann bewilligt. Ich durchforste die Personalakten dieser Leibwächter. Es scheinen 

ausgesuchte Charaktere zu sein – Söldnernaturen, die jeden Auftrag ausführen,  wenn  er  nur  gut  genug  bezahlt  wird.  Gemeinsamer Wesenszug  ist  eine  angesichts  von  soviel  Schurkerei  fast  schon amüsante  Loyalität  zum  jeweiligen  Arbeitgeber  und  der  Söldner untereinander. Das Ergebnis der Recherchen  ist klar  – Thana Kolz verfügt über 

eine  Privattruppe,  die  den  Teufel  aus  dem  Höllenfeuer  zerren würde, wenn er es verlangt. Ich  lasse mir die  lizenzierten Waffenkäufe geben, die Thana Kolz 

getätigt  hat.  Er  hat  viel mehr  eingekauft,  als  er  für  seine  Truppe braucht  –  erheblich  mehr.  Noch  einmal  durchmustere  ich  seine Söldner und stelle erschreckt fest, daß er sie jeweils nur für ein Jahr eingestellt und dann wieder entlassen hat. Die  fraglichen Personen sind nachher nirgendwo aktenkundig geworden. Dieses Verfahren kenne ich. Nach Ablauf des Dienstjahres sind die 

Söldner auf einer schwarzen Lohnliste aufgeführt, als schweigende Reservearmee.  Eine  Schätzung  ergibt,  daß  Thana  Kolz  auf  diese Weise über fast achthundert Mann verfügen kann. 

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In einer Waffenfabrik, an der er über Strohmänner beteiligt ist, hat es  Unregelmäßigkeiten  gegeben  –  großkalibrige  Geschütze  sind spurlos verschwunden. Langsam setzt sich das Bild deutlicher zusammen. Thana Kolz hat 

ein großes Transportschiff, er hat eine  leistungsfähige Privatarmee, die  vorzüglich  bewaffnet  ist.  Und  er  ist  mitsamt  Schiff  und Leibwache  spurlos  verschwunden.  Ich  bin  sicher,  er wird wieder von sich hören lassen – auf Kran, ganz in meiner Nähe. Ich bin ganz ruhig und gelassen. Die Spoodies helfen mir, meine 

Gedankenarbeit  schnell  und  mit  höchster  Konzentration stundenlang durchzuhalten. Unablässig  sichte  ich  Daten,  vergleiche  ich  Informationen  und 

Statistiken. Ich  muß  schnell  arbeiten.  Bevor  ich  die  Machtmittel  einsetzen 

kann, die man mir zur Verfügung gestellt hat, brauche ich handfeste Beweise. Wenn  ich  in  diesem  Stadium  meiner  Ermittlungen  eines  der 

Flottennester alarmiere, die Jagd auf Thana Kolz eröffnen oder Kran abriegeln  lasse,  und  es  geschieht  danach  nichts,  ist  der  Ruf  des Orakels angeschlagen. Eine solche Pleite darf ich mir nicht erlauben. Ist es das, worauf Kolz hinarbeitet? Eine  lächerliche Fehlreaktion 

des Orakels,  die  es  in  den Augen  der Kranen  lächerlich  oder  gar neurotisch  erscheinen  läßt?  Ein  ungeheurer Datenbluff,  inszeniert nur zu dem einen Zweck, mich außer Kontrolle zu bringen. Ich kann den Verdacht nicht von der Hand weisen. Auch ihn muß 

ich ins Kalkül ziehen. Auf  den Welten  des  Herzogtums  geht  alles  seinen  gewohnten 

Gang. Nichts Auffälliges geschieht. Nur unter der Oberfläche braut es  sich  zusammen.  Keine  Schießereien,  keine  spektakulären Aktionen – nur ein lautloses, unauffälliges Gedankenduell, das sich in aller Stille vollzieht. Kein Stoff für Sensationsreporter, die es auch im  Herzogtum  gibt.  Eine  Geschichte,  die  jeden  Leser  maßlos langweilen müßte; was ist schon Spannendes daran, wenn ein Mann 

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im Tiefschlaf denkt und grübelt und sich das Gehirn zerbricht, um einem  anderen  raffinierten,  teuflisch  geschickten  Denker  das Handwerk zu legen. Das Schlachtfeld, auf dem die Truppen langsam formiert werden, 

sind Überlegungen  und Kalkulationen, Nachrichtenverbindungen, positronische Speicher und Rechenzentren. Keine markigen Dialoge: »Ha,  Schurke!«  oder  »Stirb,  Verruchter!«  –  nur  hier  eine  kleine Information,  dort  eine  Nachrichtensperre.  Keine  zischenden Blasterschüsse,  keine  detonierenden  Ladungen  –  statt  dessen gezielte Desinformation, falsche Fährten, Bluffs und Tricks. Ich  lasse  mir  über  eine  Fernleitung  den  Konstrukteur  der 

Erntemaschinen holen. Ich kann den Mann sehen, er mich nicht. Er sieht auf dem Bildschirm nur das Symbol des Orakels, vor dem er eine geistige Habachtstellung einnimmt. »Für  welche  Art  von  Früchten  sind  diese  Erntemaschinen 

gedacht?« will ich wissen. Mein Gesprächspartner  ist ein Prodheimer‐Fenke, ein Wesen, das 

an ein aufrecht gehendes Eichhörnchen mit hellblauem Fell erinnert. Glücklicherweise  ist  er  kein  typischer Vertreter  seiner Art, die  als ausgesprochen  schwatzhaft  gilt.  Vielleicht  liegt  es  an  seiner Verwirrung, daß er sich so kurz faßt. »Nüsse«,  antwortet  er  knapp,  »Durchmesser  zwölf  bis 

zweiundzwanzig Millimeter.« Ich  trenne  die  Verbindung  und  überlasse  es  der  Phantasie  des 

Prodheimer‐Fenken, sich auszumalen, warum wohl das Orakel von Krandhor ihm persönlich eine solche Frage stellt. Hinübergeschaltet  zum  biologischen  Institut  der  Akademie  von 

Kran. Dort  ist alles gespeichert, was es an biologischem Wissen  im Herzogtum  gibt.  Ich  frage  nach Nüssen  und  bekomme  eine  Liste geliefert,  die  im Druck  zweihundert  engbeschriebene  Seiten  stark wäre. Ein positronisches Raster befördert alle Nüsse heraus, die zu groß oder zu klein sind, um von den Maschinen erfaßt zu werden. Außerdem  filtere  ich  solche  Nüsse  heraus,  die  zum  alltäglichen 

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Nahrungsfundus  irgendeines  bekannten  Volkes  im  Herzogtum gehören. Danach umfaßt die Liste siebzehn Positionen. Ich  gehe  sie  durch  und  lasse mir  die Ursprungsplaneten  dieser 

Nüsse  überspielen.  Ich  vergleiche  sie mit dem  Itinerar  von Thana Kolzʹ Schiff. Es gibt eine Deckung. Irmanghat, eine Welt am Rand der Galaxis 

Vayquost.  Irmanghat‐Nüsse,  so  erfahre  ich,  sind  im Handel  nicht erhältlich.  Ihr  Saft  hat  psychogene  Wirkung,  er  wird  in psychotherapeutischen  Kliniken  verwendet,  um aggressionsgehemmte Klienten zu stimulieren. Hat  Thana  Kolz  vor,  seine  Leibwächter mit  dem  Extrakt  dieser 

Nüsse  in  Kampfmaschinen  zu  verwandeln?  Ich  stelle  eine Verbindung  her  zum  besten  Psychotherapeuten,  den  es  auf  Kran gibt. Von  ihm  lasse  ich  mich  über  die  Wirkung  des  Irmanghat‐

Nußextraktes aufklären. »Der Extrakt hat eine sehr spezifische Wirkung«, bekomme ich zu 

hören.  »Er  kann  nicht  dazu  verwendet  werden,  im  Bewußtsein vorhandene  Aggressionen  zu  steigern.  Er  dient  nur  dazu, verdrängte,  unausgelebte  Aggressionen  an  die  Oberfläche  der Wahrnehmung  zu  befördern  und  die  motorische  Abfuhr  solcher Aggressionen zu erreichen.« Fehlanzeige. Die Söldner von Thana Kolz brauchen sicherlich ihre 

Aggressivität  nicht mehr  an  die Oberfläche  ihres  Bewußtseins  zu spülen. Was hat Thana Kolz dann mit diesem Saft vor? Ich lasse einen Kreuzer vom Nest der Achten Flotte zum Planeten 

Irmanghat starten. Er soll herausfinden, ob sich dort das Schiff von Thana Kolz herumtreibt. Währenddessen  wird  das  amtliche  Melderegister  nach  den 

Söldnern  durchforstet.  Das  Ergebnis  ist  schnell  geliefert  –  alle fraglichen  Personen  sind  seit  einiger  Zeit  nicht  mehr  behördlich erreichbar.  Briefe  gehen  ungeöffnet  zurück,  amtliche  Dokumente können nicht zugestellt werden. Kein Zweifel, die Söldner  sind an 

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Bord des Schiffes. Die Positronik, mit der ich verbunden bin, hat unterdessen weiter 

alle Daten durchgesehen, die es über Thana Kolz gibt, und vor seine versteckten  Beteiligungen  an  wichtigen  Fabriken  und Industriezweigen. Ich prüfe die Ergebnisse. Die Positronik kann bei  aller Präzision 

nicht wissen, worauf es mir ankommt. Ich werde  durch  einen  Funkspruch  von  der  SOL  unterbrochen. 

Das  Spoodie‐Schiff  ist mit  einer  neuen Ladung  Spoodies  auf dem Rückweg nach Kran. Die Nachricht erleichtert mich. Ich kenne den kranischen Kommandanten des Schiffes sehr gut, und mit der SOL habe ich im Ernstfall ein Machtmittel zur Verfügung, das sich sehen lassen  kann. Niemand  kann  besser  abschätzen  als  ich, was  dieses Schiff mit einer guten Besatzung zu leisten vermag. Ich ordne schnellsten Rückflug an. Der Befehl wird bestätigt. Die 

SOL wird  in einundzwanzig Stunden nach einem Gewaltflug Kran erreichen. Ich  interessiere  mich  weiter  für  die  Industriebeteiligungen  des 

Thana Kolz. Er  hält  eine  Mehrheit  bei  einem  Unternehmen,  daß 

Bestäubungsrobots herstellt. Einer  Ahnung  folgend,  lasse  ich  mich  mit  dem  Unternehmen 

verbinden. Eine Leitung wird quer durch Vayquost geschaltet. Die Verbindung  ist  schlecht,  ein  Energiesturm  tobt  zwischen  dem Planeten und Kran, aber die Verständigung klappt leidlich. »Was für einen Zweck haben Bestäubungsrobots?« frage ich an. »Sie  helfen  beim  Abbau  von Naturprodukten  auf  Planeten,  auf 

dem  sich  die  natürlichen  Bestäuber  dieser  Pflanzen  nicht durchsetzen können, weil sie das Klima nicht vertragen oder  ihren Freßfeinden hoffnungslos unterlegen sind.« »Beispiel!« ordne ich an. Das Beispiel wird geliefert. Im  gleichen Augenblick will  ich Alarm  auslösen.  Ich weiß  jetzt, 

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worum es geht. Ich  kann  das  Musterbeispiel  eines  solchen  Bestäubungsrobots 

sehen. Ein Ding, das kaum so groß  ist wie mein kleiner Finger. Es kann  krabbeln  und  fliegen. Auf  dem Rücken  sitzt  ein  Polster  aus feinster Kunstfaser. Es nimmt Pollen auf und trägt sie zum Stempel der zu befruchtenden Pflanze. Es ist purer Zufall, das das Ding aussieht wie ein Spoodie. »Letzte größere Bestellung«, will ich wissen. Ich habe es sehr eilig. »Vor zehn Tagen«, lautet die Antwort. »Achtzehn Millionen Stück 

für Ghesh.« Uninteressant. Ich verfolge eine andere Spur. »Irgendeine auffällige andere Bestellung?« frage ich an. Der Krane, 

der mir antwortet, macht eine Geste der Bejahung. Die Verbindung ist so schlecht, daß ich ihn kaum erkennen kann. »Vor drei Tagen haben wir zwölfhundert Stück davon geliefert«, 

antwortet  er.  »Ich  weiß  auch  nicht,  was  jemand  mit  einer  so geringen Stückzahl anfangen will. Wir beliefern normalerweise nur Großabnehmer,  aber  in  diesem  Fall  haben  wir  eine  Ausnahme gemacht.« 

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Ich kenne die Ausnahme. Es ist Thana Kolz. Endlich fügen sich die Bausteine zusammen. Das Bild ist komplett. 

Ich weiß, daß ich nicht viel Zeit habe. Ich spüre einen feinen Schmerz, wie ein Prickeln. Man hat mir einen meiner Kommunikationsstränge abgeschnitten. 

Die Aktion des Gegners läuft. Jetzt  geht  es  um  Sekunden.  Ich  lasse  die  Verbindung 

zusammenbrechen und versuche, die von mir alarmierten Roboter zu  erreichen.  Zu  spät.  Auch  dieser  Nachrichtenstrang  ist durchtrennt. Die Sicherheitsvorkehrungen  im Wasserpalast  laufen. Hermetisch 

werde  ich  von  der Außenwelt  abgeriegelt. Wer  jetzt  noch  zu mir vordringen will, muß schwere Schiffsgeschütze einsetzen. Wer mich von der Außenwelt abschneiden will, hat es wesentlich 

leichter. Ich kann die Bilder empfangen. Sie  sind  überall  zugange.  Sie  durchschneiden  Kabel,  zerstören 

Kameras und Bildschirme. Ihre Gesichter sind von Haß gezeichnet – ich  kann  es  einen  kurzen Augenblick  lang  sehen,  dann wird  die Kamera zerstört. Solaner, Orakel‐Diener. Einen habe  ich wiedererkannt. Alparslan 

Ordobon. Er machte einen verstörten Eindruck. Unglaublich geschickt  ist Thana Kolz vorgegangen. Jetzt sind mir 

die Einzelheiten des Plans klar. Der gestohlene Spoodie hat ihm als Muster gedient. Nach diesem 

Bild hat er die Bestäubungsrobots abändern lassen. Zeit genug hatte er  dazu.  Dann  hat  er  während  der  okkulten  Sitzung  des Kraftschyten die anwesenden Orakel‐Diener betäubt,  ihre Spoodies entfernt  –  dazu  die  chirurgischen  Instrumente  –  und  dafür  seine Bestäubungsrobots eingesetzt. Wenn sie, wie die Spoodies, unter der Haut sitzen, kann man von außen den Wechsel nicht sehen. Aber  statt  einer  intelligenzfördernden  Flüssigkeit  sondern  diese 

Bestäubungsrobots  den  Extrakt  der  Irmanghat‐Nüsse  ab  –  eine Substanz,  die  alle  unterdrückten  Aggressionen  der  Orakel‐Diener 

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aufputscht und mobilisiert. Natürlich halten sie mich für den Quell allen Übels. Infolgedessen 

versuchen sie, mich lahmzulegen. Ich weiß auch, welche Ziele Thana Kolz weiter verfolgt. Er will das 

Spoodie‐Schiff  in  seine  Gewalt  bekommen.  Er  will  die  Original‐Spoodies durch seine Fälschungen ersetzen. Er will zunächst Kran, dann  andere Welten  in  einem  Chaos  von Haß,  Blut  und  Gewalt versinken lassen. Und es gibt nur ein Wesen im ganzen Herzogtum, das diesen Plan kennt. Das mächtigste und zugleich ohnmächtigste Wesen – mich.   

6.  ATLAN‐VISION  »ORAKEL«:  Ich  bin  von  der  Außenwelt abgeschnitten.  Der  Anschlag  der  Orakel‐  Diener  hat  sein  Ziel erreicht, das Orakel von Krandhor ist verstummt. Ich überprüfe die  internen Sicherheitsmaßnahmen. Das Orakel  ist 

autark,  allerdings  nicht  für  unbegrenzte  Zeit.  Die Energieversorgung  reicht  für  Jahrtausende,  andere lebensnotwendige Materialien werden sich früher erschöpfen. Nur  an  eines  hat  man  bei  der  Konstruktion  des  Orakels  von 

Krandhor nicht gedacht  – daran, daß das Orakel von  sich  aus  ins normale  Leben  zurückkehren  möchte.  Wenn  ich  wieder  voll einsatzfähig  werden  will,  brauche  ich  jetzt  Hilfe  von  außen.  Ich nehme  mir  vor,  diesem  Übel  nach  der  Niederschlagung  des Aufstands abzuhelfen. Konzentriere dich auf das Wesentliche, gibt der Extrasinn durch. Was kann ich tun? Ich gehe die Möglichkeiten durch. Das Orakel  besitzt  auch Waffen,  die  ich  ferngesteuert  einsetzen 

kann. Aber noch kann ich mich dazu nicht entschließen. Die Solaner, die es auf mich abgesehen haben, stehen unter Drogeneinwirkung. Von den falschen Spoodies befreit, würden sie sicherlich die Fronten 

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wechseln.  Ich  kann  nicht  auf  sie  feuern  lassen.  Ich  muß  einen anderen Weg finden. Thana Kolz ist boshaft. Er  hat  seine  Werkzeuge  angewiesen,  vor  allem  den 

Nachrichtenfluß  vom Orakel  zur Außenwelt  abzuschneiden  –  die umgekehrte Verbindung funktioniert noch hervorragend. Will man mich damit zur Aufgabe zwingen,  indem man mir das 

Aussichtslose  meines  Widerstands  vor  Augen  führt?  Ein  kurzer Impuls  des  Logiksektors  verrät  mir,  daß  Thana  Kolz höchstwahrscheinlich nicht darauf  aus  ist, mich  zu  töten  –  er will mich  zwingen,  für  ihn  zu  arbeiten.  Das Orakel  soll  fortbestehen, aber  seine Anweisungen  und Vorschläge  sollen  nicht  länger  dem Aufbau einer Puffermacht zwischen den Mächtigkeitsballungen von ES und Seth‐Apophis dienen. Sie sollen dabei helfen, die Macht von Seth‐Apophis zu vergrößern. Wie kann ich mich dagegen zur Wehr setzen? Die Pläne des Thana Kolz nehmen  immer deutlichere Gestalt an. 

Seine  Gefolgsleute  greifen  die  anderen  Orakel‐Diener  an, überwältigen sie und entfernen die Spoodies. Sie werden durch die gefährlichen  Imitationen  ersetzt;  die  Zahl  meiner  Gegner  wächst dadurch immer mehr. Zum ersten Mal kann  ich Thana Kolz sehen. Sein Schiff setzt zur 

Landung  auf  Kran  an,  beeinflußte  Orakel‐Diener  haben  ihm Landeerlaubnis gegeben. Thana  Kolz  gehört  zum  Volk  der  Pandharen.  Er  ist  über  zwei 

Meter groß, breit und massig. Seine blaue Schuppenhaut glänzt  in der Zentralebeleuchtung, die grünen Augen, in einem gleichseitigen Dreieck auf der Stirn angeordnet, sehen in die Kamera. »Du kannst mich hören, Orakel«,  sagt  er  ruhig. »Dann weißt du 

auch, daß du mich nicht aufhalten kannst. Ergib dich, bevor es zu spät ist.« Er kann auf meine Kapitulation warten! das weiß ich. Er hat mich 

in der Hand. Warum versucht er dann, mich unter Druck zu setzen? 

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Ich weiß, daß er mir vorläufig nicht mit Gewalt zusetzen kann. Noch hat er seine Macht nicht etabliert. Vor allem  ist die SOL nach Kran unterwegs, an Bord die Spoodie‐Ladung, die Thana Kolz  für seine Zwecke  benötigt.  Wenn  der  Kommandant  beim  Landeanflug Schäden  am  Wasserpalast  entdecken  sollte,  wird  er  sofort mißtrauisch werden. Der Raum um Kran  ist zur Zeit  leer von Kampfschiffen, aber die 

SOL  allein  genügt,  um  Thana  Kolz  entscheidend  zu  besiegen.  Er weiß das. Das lautlose Gedankenduell geht weiter. Was  sind  die  Pläne  des  Pandharen,  wie  kann  ich  sie 

durchkreuzen?  Was  kann  er  seinerseits  von  meinen  Plänen vorauskalkulieren? Wie werden seine Gegenmaßnahmen aussehen? »Ich  verspreche  dir,  dich  unangetastet  zu  lassen«,  fährt  Thana 

Kolz fort. Es muß  für  dich noch  eine Verbindung nach  außen  geben,  informiert 

mich der Logiksektor. Eine Leitung, die du bislang noch nicht kennst – wohl aber Thana Kolz. Ich überlege, wie diese Leitung wohl beschaffen sein mag. Es gibt 

Tausende von Verbindungen,  ich kann sie nicht alle kennen. Dafür ist die Positronik da, an die ich angeschlossen bin. Es  gibt  nur  eine Möglichkeit,  das  herauszufinden.  Ich muß  den 

Verbund zwischen dem Orakel und der Positronik intensivieren. Was das heißt, weiß ich genau. Ich  muß  mich  in  die  Positronik  hineinschmuggeln,  nicht 

körperlich,  sondern  geistig.  Meine  Gedanken  können  als Informationspaket durch die Leitungsbahnen der Positronik fließen. Sie können dabei aber auch auseinandergesplittert werden, sich in 

den  Leitungen  verfangen,  in  Einzelteile  auseinanderfallen  und spurlos verschwinden. Ich kann bei diesem Kontakt nicht nur den Verstand verlieren – 

ich kann geistig dabei spurlos verschwinden. Die Positronik verfügt über Schaltkreise, die ankommende Daten 

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sichten  und  sortieren.  Ich  muß  verhindern,  daß  das  mit  mir geschieht – sonst werden meine Gedanken und Erinnerungen nach Sachgruppen aufgegliedert, verlieren den Zusammenhang und sind danach nie wieder in der alten Form zusammensetzbar. Ein  minimaler  Datenschwund  ist  bei  allen  Rechnern 

unvermeidbar.  Daher  gehört  zu  jedem  Informationsimpuls  ein Kontrollbyte, mit  dem  die  Richtigkeit  der  aufgenommenen Daten überprüft werden kann. Mein  Bewußtsein  besitzt  diese  Kontrollbytes  nicht.  Wenn  die 

unzähligen  Einzelinformationen,  aus  denen  sich  mein  Geist zusammensetzt, auseinandergerissen werden – was wird dann aus den unvermeidlichen Fehlern, die bei solchen Vorgängen auftreten? Ich habe Angst. Sie wird  immer stärker. Die Positronik kennt keinen Unterschied 

zwischen  Bewußtem  und  Unbewußtem.  Für  sie  sind  verdrängte Informationen Daten wie  alle  anderen  auch. Wenn  ich  von dieser Reise durch Leiterbahnen zurückkehre – falls überhaupt – werde ich dann noch eine normale Psyche haben? Es gibt nur eine Antwort auf diese Frage – das Experiment. Ich  taste  mich  zur  Positronik  vor.  Zunächst  gebe  ich  meine 

Anweisungen so, wie ich es üblicherweise tue – ich rede mit ihr. Der hochwertige Rechner versteht die Problematik sofort. »Ich  werde  spezielle  Leiterbahnen  für  dich  freischalten«, 

informiert  er mich.  »Der Datenfluß  deiner  Persönlichkeit wird  als Paket  durch  mich  fließen  können.  Du  wirst  keinen  Schaden nehmen.« Ich traue dieser Auskunft nicht. Ein menschlicher Geist ist anders 

beschaffen  als die  künstliche  Intelligenz  einer Positronik. Bei  aller technischen Vollkommenheit  fehlt  ihr die Möglichkeit, Gefühle  zu empfinden.  Und  ich  habe  keine  Lust,  von  diesem  Ausflug  ins Innenleben  einer  Positronik  als  Informationsroboter  in Menschengestalt zurückzukommen. Was bleibt mir anderes – ich versuche es. 

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Die  Positronik  hilft  mir.  Sie  schaltet  eine  Verbindung,  die  von ihren Speichersegmenten hinüberführt zu den Spoodies, mit denen ich verbunden bin. Ich spüre, wie  ich gleichsam aus meinem Körper gesaugt werde. 

Mein  Bewußtsein  fließt  durch  die  armdicke  energetische Schlauchverbindung  hinauf  zu  der  Spoodie‐Wolke.  Sie  ist  in  eine energetische Hülle eingebettet und wird über dünne Schläuche von außen mit Nährstoffen versorgt. Als  ich dort  ankomme, überfällt mich  schlagartig Übelkeit  – die 

Spoodies  geben  die  Energien,  die  sie  aus  der  Nährlösung empfangen,  an  mich  weiter,  und  ich  habe  dabei  das  Gefühl, gewaltsam gefüttert zu werden. Einen kurzen Augenblick lang tauche ich in den Spoodie‐Schwarm 

hinein,  splittere auf  in Hunderte von Teilen, aber  ich werde  sofort wieder abgestoßen. Die Gedankenwelt der Spoodies ist mir nicht zugänglich; sie sind 

von  gänzlich  anderer  Art  als  ich.  Aber  ich  ahne  in  diesem Augenblick, daß die Spoodies auf sehr rätselhafte Weise mit einigen der größten Geheimnisse des Kosmos zusammenhängen.  Ich ahne, daß ihre Geschichte tief hinabreicht in die Vergangenheit. Der Weg wird frei, er führt mich hinüber in die Positronik. Sie hat 

Wort  gehalten  –  große  Speichersegmente  sind  für  mich freigeschaltet worden. Als  ich dort ankomme, habe  ich das Gefühl, als würde ein Stahlskelett durch meinen Körper gezogen. Ich  fühle mich  bewegungsunfähig,  und  in mir  breitet  sich  eine  ungeheure Kälte aus. Meine Körperempfindung habe  ich verloren, die Angst, die mich 

erfüllt,  verschwindet  mit  einem  Schlag  –  ich  ahne,  daß  ich  bei diesem  Eindringen  in  die  Positronik meine Gefühle  nicht  bei mir behalten  kann.  Auf  Millionen  von  Speichereinheiten  ist  mein Bewußtsein nun verteilt, aber es bleibt zusammen. Ich bin nach wie vor ich. Von  allen  Seiten  spüre  ich  die Anwesenheit  der  Positronik. Das 

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Bild  einer  Eishöhle  drängt  sich mir  auf  –  ein  Hohlraum,  in  den unzählige  feine Eisnadeln hineinragen, zwischen deren Spitzen ein bläuliches Feuer tanzt. Wenn ich eine der Nadeln berühre, habe ich Kontakt mit der Positronik. Das  Extrahirn  hilft  mir.  Es  muß  ungeheure  Kraft  leisten.  Jetzt, 

mitten  in  der  Positronik  muß  ich  mit  dem  Rechner  in  seiner Gedankensprache kommunizieren. Ein Gedanke, den ich habe, muß vom Extrahirn umgewandelt werden  in Signale, die die Positronik verstehen kann. Ich schicke Fühler aus, schlängele mich an Leitungen entlang und 

überprüfe sie. Rasender Schmerz erfüllt mich, als  ich bei einem dieser Versuche 

in  der  Steuerung  des  Energieschirms  herauskomme,  der  meinen Körper  im Wasserpalast  vor  Angriffen  schützt.  Schnell  ziehe  ich mich wieder zurück. Ich muß einen Weg aus diesem Labyrinth herausfinden. Die Positronik  schlägt Alarm. Das, was  ich  in  ihrem  Innenleben 

veranstalte,  stimmt  nicht  mit  dem  Programm  überein.  Die Positronik  kann  mich  nicht  verdauen.  Sie  meldet  einen  inneren Schaden – und diese Meldung geht hinaus. Ich fädele mich hinterher. Aus den Speichern der Positronik erfahre ich, daß diese Leitung zu 

einem  Instandsetzungskommando  führt.  Sie  endet  in  einem Bildschirmkommunikator. Als  jemand sich vor das Gerät setzt und auf den Alarm  reagiert, 

kann ich die Rückmeldung wie eine heiße Welle durch mich fließen spüren. Ich gebe der Positronik Anweisung, was sie zu melden hat. Fehlschlag. Das  Programm  zwingt den Rechner,  seine  Schadensmeldung  zu 

formulieren.  Von  weitergehender  Kommunikation  mit  der Werkstatt ist nicht die Rede. Ich schicke wirre Impulse los, die einige Leitungen der Positronik 

verstopfen und blockieren. Die Fehlermeldung kommt nicht durch – 

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und löst dabei eine neue Fehlermeldung aus. Auch sie wird von mir abgefangen. Dann erscheint auf dem Bildschirm  in der Werkstatt  endlich der 

Text, den ich dort haben will. Der Techniker  fragt zurück, was er mit den Daten anfangen soll. 

Er  hat  wohl  erwartet,  von  der  Positronik  um  Hilfe  gebeten  zu werden – statt dessen bekommt er verwirrende Anweisungen. Ich bekomme die Rückmeldung, daß er sie ausführen will. Darauf zu warten,  fällt mir schwer. Probeweise  lasse  ich mich  in 

meinen Körper zurückgleiten. Der Versuch gelingt. Ich kann bei mir keine Schäden oder Erinnerungslücken feststellen. Zurück in den Rechner. Ich  stelle  fest, daß  sich das Leitungsnetz des Rechners  erweitert 

hat. Der Techniker hat die Anweisungen befolgt. Er  hat  den  Bildschirmkommunikator  zusammengeschaltet  mit 

seinem normalen Fernkommunikator. Über diese Leitung kann  ich vordringen  bis  zur  großen Hyperfunkstation  des Wasserpalasts  – von  außen,  der Weg  von  innen  ist  längst  abgetrennt.  Auch  die Funkstation  hat  eine  Positronik.  Ich  kann  mich  mit  dem Kodezeichen  des  Orakels  ausweisen,  meine  Befehle  werden  wie üblich befolgt. Ich ahne, daß meine Aktivitäten nicht verborgen bleiben können. 

Die Leute, die für Thana Kolz arbeiten, werden schnell merken, daß jemand der Hyperfunkstation einen Auftrag erteilt. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Ich gebe Anweisung, eine Hyperfunkleitung zur SOL zu schalten. 

Es geschieht mit gewohnter Schnelligkeit und Präzision. Ich erreiche den Kommandanten der SOL. Seltsam verzerrt klingt 

seine Stimme  – kein Wunder, bei mir kommen keine Schallwellen an, sondern Informationsbündel. Er kann mich ebenso wenig hören –  meine  Antworten  erscheinen  als  Schriftzüge  auf  seinem Bildschirm. »Verbindung mit SENECA herstellen«, ordne ich an. Wieder weist 

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mich  der  Kodeimpuls  als  Orakel  aus  und  verschafft  meiner Forderung den nötigen Nachdruck. Dann  spüre  ich  eine  Flutwelle  über  mich  hereinbrechen  –  der 

Verbund  ist  hergestellt.  Die  unvermeidlichen  Störungen  des Hyperfunkverkehrs scheinen als feines Brennen auf meiner Haut zu sitzen, sie sind lästig, aber nicht hinderlich. Ich tauche in SENECA ein. Die Hyperinpotronik  an  Bord  der  SOL,  dem  Rechner  auf  Kran 

weit überlegen, warnt mich. »Die  Verbindung  darf  niemals  abreißen«,  sagt  SENECA;  der 

Plasmazusatz SENECAS macht es möglich, daß ich ihn wie gewohnt sprechen hören kann. SENECAS Plasma ist in der Lage, die Impulse, die  SENECA  erreichen,  so  umzuwandeln,  daß  sie  menschlichen Sinneswahrnehmungen entsprechen. Mein Körpergefühl kehrt wieder – ich habe den Eindruck, mich in 

eine  träge schwammige Masse verwandelt zu haben. Es stört mich nicht – ich kann wieder hören und sehen. Über ein sehr kompliziertes Rückkoppelungsverfahren stabilisiert 

SENECA die Hyperfunkverbindung  zwischen der  SOL  und Kran. Noch  einmal  warnt  mich  die  Hyperinpotronik.  Wenn  die Verbindung  zusammenbricht,  werde  ich  mich  auflösen  und  in SENECA aufgehen. Ich  erschrecke  bei  diesem Gedanken,  und  ganz  im Hintergrund 

kann ich die Enttäuschung spüren, die SENECA daraufhin erfährt. Die  SOL  ist  nicht mehr  weit  von  Kran  entfernt.  Ich  gebe  dem 

Kommandanten Anweisungen, wie  er  zu handeln hat. Auf keinen Fall darf er mit brutaler Gewalt gegen die übernommenen Orakel‐Diener vorgehen – und ich will Thana Kolz lebend fassen. Wenn  wir  ihn  lebend  fassen,  wird  er  uns  vielleicht  wichtige 

Informationen über Seth‐Apophis geben können. Die  SOL  taucht  im  System  der  Sonne  Krandhor  auf.  Meinen 

Anweisungen entsprechend teilt sich das Schiff auf. Thana Kolz soll keine  Möglichkeit  gegeben  werden,  sich  mit  seinem  Schiff 

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abzusetzen, das auf dem Raumhafen von Kran steht. Über die Wasserpalast‐Positronik erfahre ich, daß die Rebellen das 

Auftauchen  der  SOL  bemerkt  haben.  Ich  lasse  mir  die  Bilder zuspielen. Zufriedenheit erfüllt mich, als ich die Aufzeichnung sehen kann. Die abtrünnigen Orakel‐Diener sind völlig verwirrt.  Ihre  latenten 

Wut‐  und  Haßgefühle  auf  mich  hat  Thana  Kolz  mit  seinen Machenschaften  aufputschen  können,  aber  es  ist  ihm  offenkundig nicht  möglich,  ähnliche  Gefühlsaufwallungen  im  Fall  der  SOL hervorzurufen. Im Gegenteil. Ich kann sehen, daß sich einige der Orakel‐Diener zu 

verschanzen  beginnen.  Sie  eröffnen  Paralysatorfeuer  auf  die Leibgarde des Pandharen. Thana Kolz hat sich gründlich verrechnet. Woher  hätte  er  die  Gefühle  kennen  sollen,  die  einen  Solaner 

erfüllen, wenn er an sein Schiff denkt? Die Orakel‐Diener  haben  begriffen,  daß  der Anschlag  des  Seth‐

Apophis‐Agenten  auch  ihrem  heißgeliebten  Schiff  gelten  soll. Die künstlich  aufgepeitschte Wut  der Manipulierten wendet  sich  nun gegen ihren Erzeuger. Die Leibgardisten sind zunächst überrascht, dann hellauf empört. 

Mit diesem Frontwechsel haben  sie nicht gerechnet,  sie betrachten ihn als Verrat. Schüsse  fallen  im  Wasserpalast.  Die  Eingangshalle  wird 

umkämpft.  Scheiben  bersten,  Thermitladungen  schmelzen  Säulen und  Tragbalken  zusammen.  Ich  bekomme  mit,  daß  Alparslan Ordobon  seine Vollmachten nutzt und die Kampfroboter aktiviert, deren  Einsatz  er  vorher  verhindert  hat. Die  schweren Maschinen greifen  in den Kampf um den Wasserpalast ein.  Ich bin erleichtert, als ich sehe, daß Ordobon Anweisung gegeben hat, nur betäubende Waffen einzusetzen. Die Leibgardisten  sind nicht  so zimperlich. Vom Raumhafen her 

organisieren  sie Nachschub.  Leichtgängige Geschütze werden  aus 

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den Laderäumen des großen Schiffes geholt und zum Wasserpalast befördert. Ihre  Salven  hämmern  in  die  Außenmauern,  die  Orakel‐Diener 

müssen  sich  zurückziehen.  Die  Kampfroboter  setzen  den Widerstand  fort,  sie  können  zwei  der  Geschütze zusammenschießen. Die SOL‐Mittelzelle nähert sich Kran. In den Hangars machen sich 

Kampfrobots bereit. Sobald die SOL niedrig genug  ist, werden  sie aus den Schleusen herabregnen und in die Kämpfe eingreifen. Thana Kolz hat sein gewagtes Spiel verloren. Aber er hat noch eine Trumpfkarte. Von der Wasserpalast‐Positronik kommt ein scharfer Warnimpuls. 

Es  hat  eine  Beschädigung  gegeben. Mit  ungeheurer  Schnelligkeit wird die Störung lokalisiert. Zentrum  ist  die  positronische  Werkstatt.  Der 

Bildschirmkommunikator  ist  von  einem  Blasterschuß  gestreift worden. So schnell es geht, ziehe ich mich zurück. Es  ist eine Sache von Sekundenbruchteilen. Ich entferne mich aus 

SENECA,  rase  als  Impulsbündel  zurück  zur Hyperfunkstation  auf Kran. Von dort über die Kommunikatorleitung in die Werkstatt. Was dort geschieht, kann ich nicht sehen – aber ich ahne es. Einer 

von  den  Kämpfern  des  Thana  Kolz  ist  in  die  Werkstatt eingedrungen  und  hat  den  Techniker  zusammengeschossen,  der dort  Dienst  tut.  Jetzt  hebt  er  wahrscheinlich  die  Waffe,  um  die Verbindung zwischen SOL und dem Orakel zu trennen. Ein Wettlauf in Lichtgeschwindigkeit. Durch  die  zusammengelöteten  Leitungen  jage  ich  in  den 

Kommunikatoranschluß,  der  die  Positronik  mit  der  Werkstatt verbindet. Aus  der  Waffe  des  Angreifers  löst  sich  der  Schuß.  Der 

sonnenheiße Strahl trifft den Kommunikator, zerstört ihn. Was von außen wie ein Zusammenschmelzen des Geräts aussieht, 

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schlägt sich im Innern ganz anders nieder – Impulse dringen in die Leitungen des Systems ein. Sie haben keinerlei Sinn und Bedeutung, aber  sie werden  verarbeitet,  als  handele  es  sich  um Nachrichten. Damit  kann  man  theoretisch  eine  Positronik  im  Bruchteil  einer Sekunde  völlig  zerstören,  gäbe  es  nicht  Sicherheitseinrichtungen dagegen.  Das  System  schützt  sich  selbst,  indem  es  die Verbindungen kappt. Ich  muß  durch,  bevor  die  Sicherung  zu  arbeiten  beginnt.  Eine 

unbegreifliche Kraft packt mich und  scheint mich  in die Länge zu ziehen.  Ich  ahne,  daß  ich  mit  meinem  Bewußtsein  exakt  in  den Schaltvorgang  hineingeraten  bin,  der  die  Sicherung  herausfliegen läßt. Mein  Bewußtsein  löst  sich  auf,  für  den  Bruchteil  einer  Sekunde 

verschwinde ich als Person. Die  Positronik  des  Wasserpalasts  rettet  mich.  Sie  leitet  das 

Impulsbündel,  das  von  mir  übriggeblieben  ist,  in  einen  großen, völlig leergeschalteten Speicher. Dort  finden  die  Bruchstücke meines  Geistes wieder  zusammen. 

Furchtbare  Schmerzen  quälen mich.  So  schnell  es  geht,  gleite  ich durch die Leitungen zurück. Mein  Körper  nimmt mich  wieder  auf.  Ich  habe  das  Abenteuer 

überstanden. Von  außen  werden  die  Verbindungen  geflickt.  Der 

Informationsfluß  ist wieder hergestellt.  Ich kann mich verständlich machen, hebe die Sicherheitsmaßnahmen auf. Auf dem Raumhafen toben schwere Kämpfe. Thana Kolz versucht 

sein Schiff zu starten, aber es gelingt  ihm nicht. Kampfroboter von der SOL haben die Landestützen zerschossen. Das Schiff kippt zur Seite  und  wird  von  seinen  Triebwerken  über  den  Plastbeton geschoben. Detonationen  erschüttern  den  Schiffskörper.  Ich  ahne, daß  Thana  Kolz  die  Vernichtung  seines  Schiffes  nicht  überleben wird. Medo‐Robots  kümmern  sich  um  die  Orakel‐Diener  mit  den 

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falschen  Spoodies. Man wird  sie  ihnen  entfernen  und  ihnen  neue Spoodies zuteilen.  Ich bin sicher, daß es von nun an nie wieder zu solch einer Rebellion kommen kann. Ich kann beruhigt sein. Das  Orakel  von  Krandhor  hat  seine  erste  schwere 

Bewährungsprobe bestanden – und ich werde dafür sorgen, daß ich niemals  wieder  gezwungen  werden  kann,  zu  einem  so abenteuerlichen Mittel zu greifen wie in den letzten Stunden. Auf  dem  Raumhafen  vergeht  das  Riesenschiff  mitsamt  seinem 

Besitzer, seine Leibwächter ergeben sich. Sie haben harte Strafen zu erwarten. Der Wasserpalast hat beträchtlichen Schaden erlitten, aber man wird die Beschädigungen  in  kurzer Zeit  beheben  können.  In einigen Wochen wird dieser Vorfall äußerlich nicht mehr zu sehen sein. Nur  in meinem Gedächtnis und  in den Speichern der Positronik 

wird die Erinnerung an diese Stunden erhalten bleiben. Ich lasse für kurze Zeit meine Gedanken einfach treiben. Ich weiß, 

daß  ich mir diese Muße nicht  sehr  lange werde  erlauben  können. Meine Arbeit als Orakel von Krandhor wird weitergehen bis …   

7.  Sehr  aufmerksam  sah mich  Ziir‐Tinc  an.  Seine  Gesichter wirkten ernst und nachdenklich. »Willkommen, Freund«, sagte er dann. »Ich habe dich erwartet.« »Ich  hatte  es  gehofft«,  gab  ich  zurück.  »Es  hat  ziemlich  lange 

gedauert, bis wir dich erreichen konnten. Die Tabu‐Jäger haben uns sehr hartnäckig verfolgt.« Ziir‐Tinc lächelte. »Ich wußte, daß du kommen würdest«, sagte er freundlich. »Noch 

bevor eure Schiffe unsere Sonne erreicht hatten.« Ich sah ihn erstaunt an. 

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Ziir‐Tinc war ein Walgonier, der Ernst und Würde ausstrahlte. Er war von mittlerem Alter, wirkte zugleich  reif und  jugendlich. Das Bild,  das  ich  von  ihm  hatte,  war  widersprüchlich  –  zum  einen machte  er  einen  bemerkenswert  durchschnittlichen  Eindruck,  auf der  anderen  Seite  konnte  ich  sehr  deutlich  spüren,  daß  ich  einen außergewöhnlichen Walgonier vor mir hatte. »Willst  du  mir  sagen,  aus  welcher  Quelle  du  dieses  Wissen 

geschöpft hast?« fragte ich ihn. Ziir‐Tinc lächelte noch immer. »Vor  kurzer  Zeit  bekam  ich  eine  Botschaft«,  sagte  er  halblaut. 

»Eine sehr seltsame Stimme meldete sich bei mir. Sie teilte mir mit, daß unserem Volk eine bessere Zukunft bevorstünde, wenn  ich die Aktionen  von  Fremden  unterstütze,  die  in  unser  Sonnensystem eindringen würden. Ich habe damals ein sehr vages Bild von diesen Fremden  gesehen  –  einer  davon mußt  du  sein,  ich  erkenne  dich wieder.« Unwillkürlich mußte ich an die Vision denken, die ich an Bord der 

Futurboje  erlebt  hatte, während  ich  auf den Beginn dieser Aktion wartete.  Es  erschien  mir  unwahrscheinlich,  daß  Ziir‐Tincs Informationsquelle und der Ursprung meiner Vision  identisch sein sollten. »Dieser  geheimnisvolle  Informant  nannte  sich  die  Emulator‐

Quelle«, verkündete Ziir‐Tinc. Spontan dachte  ich an die Lichtquelle der untergegangenen Basis 

des Ersten Zählers, nicht nur der Namensähnlichkeit wegen. Zutreffend, bestätigte der Extrasinn. »Du  bist  der  Emulator  der  Walgonier«,  erklärte  ich.  Ziir‐Tinc 

nickte. »Und wie sehen deine Pläne aus?« Ziir‐Tinc deutete auf  einen Bildschirm. Er zeigte  eine Grafik, die 

von einer Positronik zusammengestellt worden war. Abgebildet war das System der Doppelsonne. »In wenigen Stunden«, verkündete Ziir‐Tinc, »wird sich die Große Magische  Synopse  bilden.  Dann  ist  der  Augenblick  für  uns 

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gekommen, den Herrschaftsrat abzusetzen.« »Und wie soll das materiell aussehen?« wollte ich wissen. »Von  hier  aus  kann  ich  sämtliche  Aktionen  steuern  und 

koordinieren«, sagte er und deutete auf den technischen Park seiner Zentrale.  »Ich  habe  sehr  lange  auf  diesen  Tag  hingearbeitet.  Jede Einzelheit habe  ich durchdacht, mir Lösungen einfallen  lassen und an  ihrer  Verwirklichung  gearbeitet.  Auf  ein  Zeichen  hin,  das  ich geben  werde,  rücken  unsere  Leute  aus  und  blockieren  den Herrschaftsrat vollkommen.« »Blockieren?« Ziir‐Tincs  Emotionsgesicht  bekam  einen  Ausdruck  der 

Unzufriedenheit. »Wir  Paudencer  sind  friedliebend«,  sagte  er  leise.  »In  unseren 

Reihen  finden  sich nur wenige Kämpfer, noch weniger, die  etwas davon verstehen.« »Du rechnest auf unsere Hilfe?« Ziir‐Tinc machte eine Geste der Bejahung. »Es würde unsere Aktionen sehr fördern«, sagte er. »Obgleich ich 

natürlich weiß, daß es eine Zumutung ist – ihr kennt uns Walgonier kaum,  und  die  wenigen,  die  ihr  kennt,  haben  meist  auf  euch geschossen.« Ich lächelte. »Ich  pflege  Völker  nicht  zu  beurteilen«,  antwortete  ich.  »Und 

wenn  doch,  dann  ganz  bestimmt  nicht  ausschließlich  nach  ihren Raufbolden.« »Das freut mich«, sagte Ziir‐Tinc. Ich bedachte die Möglichkeiten, die wir hatten. Die Besatzungen 

der drei Schiffe reichten kaum aus, um einen entscheidenden Schlag gegen  den  Herrschaftsrat  zu  führen.  Aber  je  präziser  und überraschender  ein  solcher  Angriff  vorgetragen  wurde,  um  so größer waren  die Aussichten,  den Herrschaftsrat  zu  überrumpeln und langwierige und verlustreiche Kämpfe zu vermeiden. »Können wir hier unten geortet werden?« fragte ich Ziir‐Tinc. 

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»Was hast du vor?« fragte er zurück. Ich  zeigte  auf das  kleine Hyperfunkgerät, das  ich mitgeschleppt 

hatte. »Ich will meine Schiffe anrufen«, antwortete ich. Ziir‐Tinc machte 

ein besorgtes Gesicht. »Kannst du damit warten?«  fragte  er.  »Ich  fürchte, daß man die 

Zentrale  hier  anmessen  kann.  Nicht,  daß  wir  nicht  auch  andere Mittel hätten, aber der Verlust dieser Einsatzzentrale würde unsere Pläne sehr gefährden.« »Ich werde warten«, versprach ich. In einem der kleineren Nebenräume der Paudencer‐Zentrale fand 

ich ein Bett, auf dem ich mich ausstrecken konnte. Noch immer beschäftigten mich die Visionen. Ich hatte eine Menge Vermutungen über  ihre Quelle, aber keinen 

einzigen brauchbaren Hinweis. Vor  allem  war  mir  nach  wie  vor  unklar,  welchen  Zweck  der 

Sender dieser Visionen verfolgte. Wollte er mich warnen? Um Hilfe rufen? Vorab über mein Schicksal informieren? Ich  fand  keine  Antwort  auf  diese  Fragen.  Tyari  saß  auf  der 

Bettkante  und  strich  mir  über  die  Haare.  Auch  ihr  Tod  war Gegenstand  einer  Vision  gewesen.  Um  ihretwillen  hoffte  ich insgeheim, daß diese Botschaften aus dem Nirgendwo nichts weiter waren  als  boshafte  Fieberträume,  Wahngebilde,  die  einer Überprüfung durch die Wirklichkeit nicht standhalten würden. Andererseits  wirkten  die  Visionen  ungeheuer  real,  so 

wirklichkeitsecht,  daß  ich  versucht  war  zu  glauben,  Kontakt mit einem Besucher aus der Zukunft zu haben. »Laß dich davon nicht verwirren«, sagte Tyari leise. »Selbst wenn 

diese Visionen  absolut  der Wirklichkeit  entsprechen  –  du  lebst  in diesen Geschichten, und das allein ist wichtig.« Ich wußte nicht,  ob  ich mich  auf dieses Leben  freuen  sollte,  auf 

eine  Existenz  in  Einsamkeit,  in  der  ich  keinen  der  alten  Freunde mehr um mich haben würde. 

Page 65: Duell um den Frieden

Ich  bemerkte,  daß  ich  Angst  hatte,  einzuschlafen.  Die  Visionen waren  bedrückend,  selbst wenn  in  den  beiden  letzten  Fällen  das Ende positiv gewesen war. Ich  fürchtete  mich  vor  weiteren  Bildern  diese  Art;  ganz  im 

Hintergrund der Visionen hatte ich deutlich spüren können, daß mir in  der  Zeit  nach  den  Visionen  noch  andere  Aufregungen bevorstanden. Innerlich wehrte  ich mich  dagegen,  in  dieser  Form  verplant  zu 

werden. Auch wenn  es keine Macht war, die über mein  Schicksal entschied – es war grauenvoll,  in eine  längst bekannte Zukunft zu gehen. Von der Zeit nach dem Orakel ahnte ich nur, daß sie mich in neue, unbekannte Regionen führen würde – aber bereits die Ahnung dessen, was auf mich wartete, genügte, mich schaudern zu lassen. Quälend langsam verstrich die Zeit. Ich war mit meinen Ängsten und Zweifeln allein, auch wenn Tyari 

an meiner Seite war. Einmal  mehr  wurde  mir  deutlich,  daß  kein  Verfahren  so  gut 

geeignet  ist,  einen  Menschen  um  den  Verstand  zu  bringen,  wie müßiges  Nachdenken.  Mit  jeder  Minute  schienen  meine  Zweifel und Sorgen anzuschwellen, bis sie mich zu ersticken drohten. Schließlich  gelang  es  mir  endlich,  mich  herumzudrehen  und 

einzuschlafen.   

*  Ziir‐Tinc  hatte  eine  Uhr  in  seiner  Zentrale.  Sie  lief  seit mehr  als einem Jahrhundert, und sie zählte die Zeit rückwärts. Die Stunde der Entscheidung kam näher. »Ich glaube, du kannst  jetzt deine Freunde anfunken«, sagte Ziir‐

Tinc. Ich griff zum Funkgerät. Die Verbindung mit der MJAILAM war 

rasch  hergestellt.  Daug‐Enn‐Daug  war  am  anderen  Ende  der 

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Funkstrecke. »Hier  Atlan«,  sagte  ich  knapp.  »Ich  bin  in  der  Zentrale  der 

Paudencer, wir schlagen in absehbarer Zeit los.« »Das ist gut so«, hörte ich den Emulator der Vulnurer sagen. »Ich 

habe eine Botschaft bekommen, Atlan.« »Von wem?« »Von der Lichtquelle. Sie erscheint mir ungeheuer wichtig.« »Ich höre!« »Die  Lichtquelle  will  uns  den  ganzen  hinterhältigen  Plan  der 

Zyrtonier mitteilen, aber nur unter einer Voraussetzung.« »Wie sieht diese Voraussetzung aus?« »Es  muß  gelingen,  die  positiven  und  ordnenden  Kräfte  in  der 

Namenlosen  Zone  so  zu  verstärken  und  zu  fördern,  daß  eine durchgreifende  Änderung  wahrscheinlich  wird.  Unsere Überlegungen  laufen  darauf  hinaus,  daß  die  Lichtquelle  damit vorrangig dieses System meint und seine Bewohner.« Ich stieß einen leisen Seufzer aus. Es war mir nicht  leichtgefallen, Ziir‐Tinc unsere Hilfe zuzusagen. 

Für meinen Teil war die Angelegenheit klar, desgleichen  für Tyari und  Insider. Aber  ich  konnte  schlecht  versprechen,  daß  auch  die anderen an Bord der drei Schiffe ihr Leben riskieren würden, um bei einem reichlich unbekannten Volk eine Revolution zu unterstützen. Allerdings war ich mir ziemlich sicher gewesen, daß die Besatzung meine  Frage  positiv  beantwortet  hätte.  Wesen  in  Not  allein  zu lassen, war nicht die Art der Solaner. »Ich  habe  mir  einen  Plan  ausgedacht«,  erklärte  ich  Daug‐Enn‐

Daug. »Als erstes werdet ihr die Vulnurer‐Schiffe auffordern, in das System einzudringen. Mit sechs Schiffen haben wir erheblich mehr Handlungsspielraum  als  mit  dreien,  außerdem  müssen  die Walgonier  einen  Teil  ihrer  Flotte  abziehen,  das  wird  der FARTULOON und uns helfen.« »Das Einfluggebiet ins System ist abgeriegelt«, erinnerte mich der 

vulnurische Emulator. »Vergiß das nicht. Es wird nicht so leicht sein 

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für die Schiffe.« »Wir werden  einen Weg  finden,  ihnen  die  Bahn  freizuräumen«, 

antwortete ich. »Wir werden  ihn  schnell  finden müssen«, warf Ziir‐Tinc  ein.  Ich 

nickte. Irra‐Con,  Ziir‐Tincs  umsichtige Assistentin,  stieß  einen  Laut  der 

Verblüffung aus. Sie deutete auf einen der Bildschirme. »Was hat das zu bedeuten?« fragte sie laut.   

*  Aufmerksam  verfolgte  Reen‐Gor  die Manöver  seines  Raumjägers. Mit hoher Fahrt näherte er sich dem Sperrbezirk. Ab  und  zu  griff  er  sich  in  den  Nacken.  Die  Wirkung  des 

schmerzstillenden Medikaments ließ allmählich nach. Wäre  Reen‐Gor  dazu  noch  in  der  Lage  gewesen,  hätte  er  jetzt 

brennenden Haß gespürt, aber er war dazu nicht mehr imstande. Der  chirurgische Eingriff, den man  an  ihm  vorgenommen  hatte, 

nachdem er aus dem Saal des Herrschaftsrats geführt worden war, war erfolgreich verlaufen. Der  Vorsitzende  des  Herrschaftsrats  hatte  sein  Opfer  bestens 

präpariert. Reen‐Gor war  im Vollbesitz seines Verstands, nur seine Gefühle waren ihm nicht mehr zugänglich. Der  linke Kopf war völlig unversehrt. Der  rechte Kopf hingegen 

war  von  allen  Sinneseindrücken  abgeschnitten  worden,  auch  die Handlungsmöglichkeiten waren ihm genommen. Irgendwo in diesem Stück Leben aus Fleisch und Knochen saß ein 

Gehirn,  das  dachte  und  empfand.  Es  bekam  keinerlei Wahrnehmungen mehr,  die  es  hätte  verarbeiten  können,  es  hatte keinerlei Muskulatur mehr zur Verfügung, die es hätte kontrollieren können. Genau  dosierte Mengen  eines  bestimmten Medikaments  hatten 

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dazu  geführt,  daß  Teilbereiche  des  Fühlhirns  verödet waren  und nicht mehr  funktionierten.  Reen‐Gors Ohren waren  ebenso  intakt wie  seine Augen,  aber die  Signale  konnten nicht mehr  verarbeitet werden, die zuständigen Hirnsektionen waren  chemisch  stillgelegt worden.  Auch  die  Kopplung  mit  der  nervlichen  Steuerung  der Motorik war unterbrochen. Man  hatte Reen‐Gor  gesagt, daß die Wirkung des Medikaments 

nach einiger Zeit nachlasse und er danach wieder völlig normal sein würde. Reen‐Gor  hatte  die Angelegenheit  durchdacht  und war  zu  dem 

Ergebnis gekommen, daß man  ihm die Unwahrheit gesagt hatte  – einmal  verödete Hirnsektionen wiederzubeleben, war  eine  Kunst, zu der die walgonische Wissenschaft noch nicht vorgestoßen war, falls es überhaupt möglich war, solche Techniken zu entwickeln. Reen‐Gor  empfand  keinerlei Ärger  oder Mißbehagen  deswegen. 

Sein klardenkender Verstand sagte ihm, daß er so vorbereitet seiner Aufgabe  am  besten  gewachsen  war.  Nur  völlig  rationale Erforschung des Raumgebiets konnte die Informationen liefern, die der  Herrschaftsrat  brauchte  –  jede  Beeinträchtigung  dieser Forschung durch Gefühlsaufwallungen hätte das Ergebnis verzerrt. Reen‐Gor hatte sich auch ausgerechnet, daß man  ihm mit diesem 

Eingriff  nichts  Übles  gewollt  hatte  –  er  war  sachlich  notwendig gewesen, außerdem hatte sich der Vorsitzende ausrechnen können, daß Reen‐Gor  nach  der Operation  aus  logischen Gründen  ebenso sehr  damit  einverstanden  sein  würde,  wie  er  sich  vorher  aus emotionalen Gründen dagegen gewehrt hatte. Einen  Walgonier,  der  keinerlei  Gefühlsregungen  mehr  kannte, 

konnte  man  weder  in  Wut  oder  Angst  versetzen,  noch  ihn demütigen  oder  unglücklich  machen.  Begriffe  wie  diese  waren Reen‐Gor  nur  noch  als  abstrakte  Formeln  zur  Beschreibung  ihm unverständlicher Denkvorgänge zugänglich. Mit  großer  Konzentration  lenkte  Reen‐Gor  den wendigen  Jäger 

durch die Sperren. 

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Jeder  andere  Walgonier  hätte  in  dieser  Lage  feuchte  Hände bekommen, wäre angesichts der überall treibenden tödlichen Gefahr unsicher geworden. Reen‐Gor  konnte  das  nicht  passieren.  Er  war  ein  lebender 

Automat,  er wußte  es und war damit  einverstanden,  eben weil  er ein Automat geworden war. Er  kannte  die  Abmessungen  seines  Schiffes,  er  kannte  die 

Distanzen, die es zwischen den Raumminen gab. Sie reichten aus für ihn,  manchmal  nur  um  wenige  Handbreit  –  für  einen  lebenden Automaten war das vollauf genug. Er  zitterte  nicht  im  geringsten,  als  er  seinen  Jäger  durch  eine 

Viererstaffel von Raumminen manövrierte;  er holte  auch nicht  tief Luft oder wischte sich den Schweiß von der Stirn, als das Manöver gelang.  Es war  eine  lösbare Aufgabe,  er  hatte  sie  gelöst,  das war alles. Die Raumtorpedos konnte er ignorieren. Ihre Peilköpfe waren auf 

größere  Schiffe  eingestellt  –  selbst  wenn  man  ihn  mit  einem Feindschiff verwechseln sollte, war sein Jäger viel zu unbedeutend, um von den Torpedos angegriffen zu werden. Mit komplizierten Manövern schlängelte sich Reen‐Gor durch die 

vielfach gestaffelten Reihen der Treibminen. Langsam kam er dabei jenem Sektor näher, der scheinbar geeignet war, das Walgon‐System zu verlassen oder anzufliegen. Jeder  andere  wäre  in  dieser  Lage  aufgeregt  gewesen,  nicht  so 

Reen‐Gor. Völlig leidenschaftslos führte er seinen Auftrag durch. Ab und zu warf er einen Blick auf die Bildschirme. Deutlich war 

die Konstellation Gaulat‐Paudenc‐Walgon I zu sehen, aber die Große Magische Synopse hatte keinerlei Wirkung auf Reen‐Gor. Er sah sich das Schauspiel nüchtern an, zuckte mit den Schultern und wandte sich dann einer anderen Beschäftigung zu. Er  programmierte  den  Rechner  des  Raumjägers  für  ein  kurzes 

Linearmanöver; sobald er den Sperrbezirk hinter sich gelassen hatte, sollte das Manöver eingeleitet werden. 

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Reen‐Gor wußte, daß dieser Versuch scheitern konnte, und er sah auch  ein, daß  es nur  eine Antwort  auf die  offenstehenden  Fragen gab.  Das  Experiment  mit  tödlichem  Risiko  mußte  unternommen werden, am besten von  jemandem, der angesichts der Gefahr keine Todesfurcht  mehr  empfinden  konnte.  Auch  unter  diesem Gesichtspunkt  erwies  sich  die  Maßnahme  des  Vorsitzenden  als schlüssig. Regungslos  verfolgte  Reen‐Gor,  wie  sein  kleines  Schiff 

beschleunigte  und  den  Normalraum  verließ.  Als  es  aus  dem übergeordneten Kontinuum zurückkehrte, wußte Reen‐Gor, daß die Kalkulation aufgegangen war. Man  konnte  das  System  verlassen.  Und  die  eingedrungenen 

Fremden waren nicht allein gekommen. Drei Schiffe trieben sich  in der Nähe des Einflugsektors herum – jetzt gerade setzten sie sich in Bewegung. Reen‐Gor wollte fliehen – er mußte diese wichtige Information an 

den Herrschaftsrat weitergeben. Er kam nicht mehr dazu. Ein  Traktorstrahl  von  einem  der  großen  Schiffe  hielt  ihn 

unbarmherzig fest und zerrte den kleinen Jäger auf die Schiffe zu. Reen‐Gor verhielt sich ruhig. Ein Walgonier, der keine Angst mehr 

vor  dem  Tod  hatte,  ließ  sich  auch  durch  die  Aussicht  einer Gefangennahme nicht verwirren.   

8.  Fasziniert verfolgte ich das Geschehen auf den Bildschirmen. Langsam  stellte  sich  jene  astronomische Rarität  ein, die von den 

Walgoniern Große Magische Synopse genannt wurde. Ich hätte es als Konjunktion  von  vier  Himmelskörpern  bezeichnet,  die  sich  in regelmäßigen Abständen wiederholte. Nach  den  normalen  Regeln  der  Astrophysik  durfte  eine  solche 

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Konstellation  eigentlich  keinen  besonderen  Einfluß  auf  die Bevölkerung der beiden Walgon‐Planeten haben. Die Tatsachen, die wir unterdessen gesammelt hatten, sprachen eine andere Sprache. Wie sich dieses Phänomen wissenschaftlich erklären  ließ, war ein 

Problem  von  geringer  Bedeutung. Weitaus wichtiger war,  daß  es sich überhaupt ereignete. Ich  hörte, wie Ziir‐Tinc  schnell  und  heftig  atmete. Dies war der 

Augenblick,  auf  den  Ziir‐Tinc  entsetzlich  viele  Jahre  lang  hatte warten müssen. Verständlich, daß der Emulator der Walgonier nun erregt war. In der Zentrale der Paudencer wuchs die Spannung. Der Herrschaftsrat hatte  in den  letzten Stunden alles aufgeboten, 

was er zur Verfügung hatte – Walgon  II war  förmlich abgeriegelt. Nahezu die gesamte Walgon‐Flotte war im Raum um den Planeten versammelt; die Waffen dieser Schiffe konnten praktisch jeden Fleck auf  dem  Planeten  erreichen.  Es  war  eine  eindrucksvolle Demonstration  der  Macht,  die  uns  geboten  wurde  –  allerdings verfehlte sie ihren Zweck völlig. Ich  interpretierte  diesen Massenaufmarsch  gänzlich  anders  –  als 

ein  deutliches  Zeichen,  wie  sehr  sich  die  Mitglieder  des Herrschaftsrats vor der Paudenc‐Katharsis fürchteten. »Jetzt geht es los«, murmelte Ziir‐Tinc. Auf  der  grafischen Darstellung war  zu  sehen, wie  der  Schatten 

von Walgon  I  die  Scheibe  des  äußeren Walgon‐Planeten  berührte und sich langsam hinüberschob. Auf  den  Landstrichen,  die  in  dieser  Grafik  abgebildet  wurden, 

fand  in diesem Augenblick die Paudenc‐Katharsis  statt,  so hofften wir jedenfalls. Die ersten Meldungen trafen ein. Ziir‐Tinc  operierte  jetzt  völlig  offen.  Mochten  die  Gaulater  die 

Zentrale  der  Paudencer  ruhig  anpeilen  –  bis  sie  sie  erreichen konnten, war  der Walgon‐Schatten  über  den  Planeten  gewandert. Entweder hatte sich danach alles geändert, oder es hatte keinen Sinn 

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mehr, sich zum Glauben an Paudenc zu bekennen. So oder so – dies war die Stunde der Entscheidung. Ziir‐Tinc  drehte  sich  zu  mir  herum.  Seine  beiden  Gesichter 

strahlten. »Es läuft«, stieß er hervor. »Und es funktioniert so, wie wir es uns 

vorgestellt  haben.  Freunde  haben  sich  bei  mir  gemeldet,  überall drängen  sich Walgonier  zusammen,  und  jeder  kann  die Wirkung der Synopse spüren. Überall wird auf den Herrschaftsrat geschimpft und geflucht.« »Damit wird es nicht getan sein«, warf ich ein. Sorgenvoll  sah  ich  auf  den  Schirm,  der mir  die  Lage  auf  dem 

Raumhafen  zeigte. Dort hatte  sich bis  zu diesem Zeitpunkt nichts geändert – nach wie vor standen die MJAILAM und die Futurboje auf dem weiten Platz und wurden von allen Seiten mit Geschützen bedroht. Irra‐Con stieß einen unterdrückten Freudenruf aus. »Eines  der  Schiffe  ist  gelandet«,  stieß  sie  hervor;  ihre  Augen 

leuchteten.  »Die  Besatzung  hat  sich  mit  den  Paudencern zusammengetan.« Ziir‐Tinc stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Offenbar griff die Wirkung der Paudenc‐Katharsis nun auch nach 

den Schiffen der Flotte. Aus den Meldungen, die bei uns eintrafen, ging hervor, daß  immer neue Einheiten davon erfaßt wurden und aus den Verbänden ausscherten. In einigen Fällen kam es zu kurzen Gefechten zwischen Gaulatern 

und Paudencern in den Reihen der Flotte. In der Regel fanden diese Gefechte  ein  rasches  Ende,  wenn  die  Gaulater  ebenfalls  in  den Wirkungsbereich  von  Walgon  I  gerieten  und  ihre  Meinung änderten. »Die  Flotte  hat  Startbefehl  bekommen«,  gab  Irra‐Con  bekannt. 

»Der  Herrschaftsrat  fordert  die  Kommandanten  auf,  eine Warteposition einzunehmen.« Ich  ahnte,  wo  diese  Warteposition  war  –  weit  außerhalb  des 

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Wirkungsfelds der Paudenc‐Katharsis. Selbst wenn die große Mehrheit der Walgonier zu den Paudencern 

überlief  –  mit  diesem  Machtmittel  in  der  Hand  konnte  der Herrschaftsrat selbst einer überwältigenden Mehrheit seinen Willen aufzwingen. Noch waren die Walgonier nicht frei. Auf  dem  Raumhafen  starteten  die  Schiffe,  die  meine  Freunde 

bedrohten. Auch sie waren zurückbeordert worden. Die  öffentlichen Nachrichtenmedien  schalteten  sich  ein;  ein  Teil 

der Reporter war  in  die  Paudenc‐Katharsis  geraten  und  hatte  die Front  gewechselt.  Jetzt  berichteten  sie  von  dem  allgemeinen Umschwung  – Ziir‐Tinc  brauchte  seine  eigene Medienbrigade  gar nicht erst zu bemühen. Neugewonnene Paudencer übernahmen es, die Nachricht weiterzugeben. Auf den Bildschirmen war die davonjagende Flotte zu sehen.  Ihr 

Verschwinden  löste bei den Gaulatern  immer größere Verwirrung aus  –  sie  fühlten  sich wahrscheinlich  vom Herrschaftsrat  im  Stich gelassen.  Wut  und  Verbitterung  ließen  sie  noch  schneller  ihre Anschauungen ändern, als es ohnehin der Fall gewesen wäre. Sobald unsere Schiffe operieren konnten – die FARTULOON saß 

allerdings  noch  immer  auf  dem  ersten  Walgon‐Planeten  fest  –, wurde  eine Einsatzgruppe  zusammengestellt. Ollon‐Tur  führte  sie in die Zentrale der Paudencer. Ziir‐Tinc war überglücklich. Die Aktionen  liefen  in  solcher Vielfalt und  Schnelligkeit  ab, daß 

wir nur mit größter Mühe den Überblick behalten konnten. Langsam  strich  der  Schatten  des  inneren Walgon‐Planeten  über 

die Oberfläche von Walgon II. Wo er unmittelbar zu sehen war, gab es  danach  keinen  einzigen  Gaulater  mehr.  In  den  Randregionen fanden mehr  als  zwei Drittel der Walgonier  ihr Leben von Grund auf verändert – auf den Straßen spielten sich Szenen ab, die Stunden zuvor noch undenkbar gewesen wären. Tabu‐Jäger  warfen  ihre  Waffen  und  Dienstabzeichen  weg  und 

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ließen die Gefangenen  frei; es sprach  für die Moral der Paudencer, daß es danach nicht zu wilden Haßausbrüchen gegen die  früheren Jäger kam, sondern meist zu Verbrüderungsszenen. »Unglaublich«, stammelte Ziir‐Tinc immer wieder. Über mein Handfunkgerät und die Anlage der MJAILAM  stellte 

ich eine Verbindung zu den Vulnurer‐Schiffen her. Sie  drangen  gerade  in  das  System  ein.  Die  Lücken  in  der 

Schockfront  wurden  von Minute  zu Minute  größer;  es  sah  ganz danach  aus,  als  sollte  es  am  Ende  dieses  Tages  eine  Schockfront nicht mehr  geben  –  jedenfalls  nicht  im  System  der  Doppelsonne Gaulat/Paudenc. Aber noch war der Kampf nicht entschieden. Der Herrschaftsrat krallte sich in seinen Machtpositionen fest. Die 

Mitglieder dachten nicht daran, ihre Privilegien zu opfern, vor allem nicht  ihre angemaßte Macht, über die Gedanken und Gefühle von Millionen zu entscheiden. Einen  furchtbaren  Rückschlag  mußten  sie  verdauen,  als  die 

Vulnurer‐Schiffe im System auftauchten. Das  Problem der Minensperre  umgingen  sie  ebenso  einfach wie 

wirkungsvoll. Ein schnelles Linearmanöver  ließ sie über die Sperre hinwegsetzen  und  in  der  Nähe  des  Planeten  Walgon  II  wieder auftauchen. Ihr Erscheinen wirkte wie ein Schock. Überall auf Walgon II war das Bild zu sehen – die drei gewaltigen 

Schiffe,  die  von  einem  Augenblick  auf  den  anderen  neben  dem Planeten erschienen. Es  war  nicht  die  technisch‐militärische  Macht,  die  den  Schock 

auslöste – es war das Erscheinen einer neuen moralischen Kraft, die das Lebensgefüge der Walgon‐Welten  in den Grundfesten erzittern ließ.  Hätte  ich  bis  zu  diesem  Augenblick  noch  Zweifel  gehabt, welche Rolle den Vulnuren  in der Namenlosen Zone  zufiel, dann wären diese Zweifel nun behoben gewesen. Allein ihr Erscheinen trug dazu bei, die Lage zu verändern und in 

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gänzlich  anderer Weise  neu  zu  stabilisieren.  Sie  wirkten  auf  die Walgonier  wie  Katalysatoren  –  obwohl  an  den  Vorgängen  nicht unmittelbar beteiligt, lösten sie eine Kettenreaktion von Ereignissen aus. Aus  den  Schwärmen  von  Raumschiffen,  die  in  wilder  Flucht 

Walgon  II  verließen,  lösten  sich  kleinere  Verbände  und  liefen geschlossen über. Wer jetzt noch schwankte, fand beim Anblick der Vulnurer schnell zu einer Entscheidung. Wer  sich  jetzt  zu  einem  Leben  in  Selbstverantwortung  und mit 

eigenen, unbeeinflußten Gefühlen  entschied, der würde  so  schnell seine Meinung nicht mehr ändern. Die Kundgebungen auf Straßen und Plätzen  ließen die Walgonier überdeutlich spüren, auf was sie seit  Jahrhunderten  hatten  verzichten  müssen.  Sie  konnten  jetzt sehen,  wie  sie  durch  die  kalte  Perfektion  ihres  Staates  innerlich zugrunde  gerichtet  worden  waren,  welcher  Preis  für  die einwandfreie  Funktion  aller  Institutionen  hatte  gezahlt  werden müssen. In seiner Verblendung hatte der Herrschaftsrat seit Jahrhunderten 

versucht, den Walgoniern ein materielles Paradies zu schaffen – um den Preis einer inneren Hölle der Gefühle. Erst das Erscheinen der Vulnurer brachte eine Stabilisierung. Die 

Walgonier begannen zu begreifen, daß die Gefahr für ihr Leben und ihre  innere  Freiheit  noch  nicht  beendet  war.  Mit Gefühlsüberschwang  allein  ließ  sich das Leben  so wenig meistern wie mit kalter Logik; beides war vonnöten. Mit dem Schwung, den ihnen die letzten Stunden gegeben hatten, 

begannen  die  Walgonier,  sich  neu  zu  organisieren.  Dem Herrschaftsrat  mußte  etwas  entgegengestellt  werden,  das  in  der Lage war,  das  Vakuum  auszufüllen,  das  dem  Verschwinden  des Herrschaftsrats unweigerlich folgen mußte. Organisationskomitees wurden gebildet, Vertreter gewählt, die für 

die  einzelnen  Walgonier  sprechen  und  entscheiden  sollten.  Mit unglaublicher Schnelligkeit bildete sich eine neue staatliche Struktur 

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heraus, einstweilen noch brüchig und wenig stabil, aber das nahm jeder in Kauf. Die Flotte der Walgonier sammelte  sich  in der Nähe des  inneren 

Planeten. Ziir‐Tincs Verbindungen reichten auch dorthin. Er hatte Leute, die 

uns mit Informationen belieferten. Sie sahen nicht günstig aus. Auf Walgon I hatten die Gaulater von jeher die Oberhand gehabt, 

und sie gaben diese Macht auch jetzt nicht preis. Außerdem machte sich der katharsische Effekt der Großen Magischen Synopse auf dem inneren Planeten weit weniger stark bemerkbar als auf Walgon II. Noch hatte der Herrschaftsrat den  inneren Planeten  fest  im Griff. 

Ein  zaghafter  Versuch  der  Paudencer,  einen  Gesinnungswandel ihrer  Nachbarn  und  Bekannten  herbeizuführen,  war  von  den gaulatischen Tabu‐Jägern zerschlagen worden. So zügig die Dinge auf Walgon II liefen, so schleppend kamen die 

Paudencer auf dem inneren Planeten voran. »Ich  sehe  keine  andere Möglichkeit«,  sagte  Ziir‐Tinc  schließlich. 

»Ich  fürchte, wir werden  tatsächlich  zum Mittel  des  bewaffneten Kampfes greifen müssen.« Sein Denkgesicht zeigte offene Verwirrung und Ratlosigkeit, sein 

Fühlkopf zeigte eine Miene der Verzweiflung und Trauer. »Ich habe damit gerechnet«, antwortete ich gelassen. Ich wußte, daß ich mich auf die Solaner verlassen konnte, die sich 

in der Zentrale der Paudencer versammelt hatten. Die Begeisterung der Paudencer hatte auch sie angesteckt; sie waren gern bereit, auch etwas  zu  riskieren,  wenn  sie  damit  den Walgoniern  die  Freiheit zurückkämpfen konnten. »Das Problem ist nur, wie wir nach Walgon I kommen«, sagte ich. Ziir‐Tinc lächelte verhalten. »Es  gibt  ein  paar Transmitterstrecken«,  sagte  er  zögernd.  »Einer 

meiner Vorgänger hat sie vor langer Zeit installieren lassen. Danach ist das Wissen um die Transmittertechnik verlorengegangen. Es sind 

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die einzigen, die es noch gibt.« »Und wo sind die Stationen?« fragte ich. »Eine  davon  ist  hier  in  der  Zentrale«,  antwortete  Ziir‐Tinc.  Er 

drückte einen besonders gesicherten Knopf und ließ damit ein Stück Wand  im  Boden  verschwinden.  Dahinter  erkannte  ich  einen Transmitter,  ein  sehr  altmodisch  wirkendes  Gerät,  das  nicht sonderlich vertrauenerweckend aussah. »So lange gibt es die Zentrale schon?« fragte ich zweifelnd. »Wir  haben  das Gerät  demontiert  und  hierher  geschafft«,  klärte 

mich der Emulator auf. »Aber wir haben es nicht ein einziges Mal in Betrieb gesetzt. Möglich, daß es überhaupt nicht funktioniert.« »Und die anderen?« »Die sind in Ordnung«, beteuerte Ziir‐Tinc. »Das haben wir immer 

wieder überprüft.« »Schalte den Transmitter ein«, bat ich ihn. »Wir werden sehen, ob 

er richtig arbeitet.« Der walgonische  Transmitter  unterschied  sich  nicht  unerheblich 

von den Modellen, die  ich kannte. Aus dem Boden stieg nach dem Einschalten  ein  energetischer  Nebel  auf,  der  sich  unaufhörlich bewegte. »Einer wird das Experiment wohl machen müssen«, sagte ich. Ich ging auf den Transmitter zu. Tyari legte mir eine Hand auf den 

rechten  Unterarm  und  sah  mich  an.  Dann  schien  sie  in  meinen Gedanken  zu  lesen,  daß  ich  mich  von  meinem  Entschluß  nicht würde  abbringen  lassen,  zuckte mit  den  Schultern  und  trat  einen Schritt zurück. Ich betrat den Transmitterraum. Der Nebel war nicht zu  spüren, 

und  als  ich  mitten  in  ihm  war,  war  er  für  mich  nicht  mehr wahrnehmbar. Alles sah völlig normal aus. »Schicke mich  auf die Reise«, bat  ich Ziir‐Tinc. Er  zögerte, dann 

betätigte er den Transporthebel. Jäh verfärbte sich der Nebel blau, dann wurde er langsam rot und 

heller. 

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Ich  spürte  das  leise  Zerren  der  Entmaterialisierung,  und  im nächsten Augenblick  verschwand  die  Zentrale  der  Paudencer  vor meinen Augen. Ein furchtbarer Schmerz raste durch meinen Schädel. Transportvorgänge  dieser  Art,  auch  die  altmodische  Transition 

gehörte  dazu, waren  leider  stets  von mehr  oder weniger  starken Entstofflichungsschmerzen  begleitet,  und  mein  arkonidisches Nervensystem  hatte  schon  immer  heftiger  darauf  reagiert  als  die konstitutionell robusteren Artgenossen Perry Rhodans. Dieses  Mal  war  es  die  schiere  Hölle.  Mein  Schädel  schien 

zerplatzen  zu wollen,  vor meinen Augen wallten  farbige  Schleier. Unwillkürlich stöhnte ich auf. Im  gleichen  Augenblick  flammte  die  Beleuchtung  auf, 

wahrscheinlich durch das Geräusch aktiviert. Ich  war  in  einem  nüchternen  schmucklosen  Raum 

herausgekommen,  einer  Mönchszelle  vergleichbar.  Es  gab  einen Tisch,  ein  Bett,  einen  Stuhl, mehr  nicht.  In  eine Wand waren  die Bedienungselemente  des  Transmitters  eingebaut  worden  –  der größte  Teil  der  aufwendigen  Technik  steckte  wahrscheinlich irgendwo unter mir im Boden. Ich trat zur Schalttafel hinüber. Ziir‐Tinc hatte nicht gelogen. Der Transmitter war tatsächlich seit 

Äonen nicht mehr benutzt worden.  In der  langen Zeitspanne hatte es sich allerhand Ungeziefer in dem Raum gemütlich gemacht – das Bett  zerfiel  zu Staub,  als  ich  es  anrührte, und der  leise Lufthauch, der dabei entstand, reichte aus, um auch Tisch und Stuhl den Rest zu geben. Die Schalttafel hatte irgendwelchen Insekten als Brutstätte gedient  –  alles  verdreckt  und  verschmutzt.  Irgendein  neugieriger Krabbler hatte es sogar geschafft, sich in das Innere der Einrichtung hineinzuzwängen, um dort seine Brut großzuziehen. Herausgekommen waren dabei haarfeine Verbindungen zwischen 

Leitungen, die nicht miteinander verbunden werden durften. Zwar reichten  diese  Fäden  nicht  aus,  den  Schaltvorgang  wirksam  zu 

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stören  –  aber  sie  erzeugten  Kriech‐  und  Nebenströme,  deren Auswirkung ich noch deutlich spüren konnte. Ich zog das Vibrationsmesser und hielt es an die Schalttafel. Die 

ultrahohen  Schwingungen  schüttelten  die  Instrumente  kräftig durch;  puderfeiner  Staub  rieselte  auf  den  Boden,  danach war  die Schaltung sauber. Als ich in der Zentrale der Paudencer wieder auftauchte, war der 

Kopfschmerz erheblich geringer geworden – es gab keinen Zweifel, die Transmitterverbindung stand. »Wo  ist die Gegenstation?« wollte  ich  von Ziir‐Tinc wissen. Der 

machte ein ahnungslos‐verlegenes Doppelgesicht. »Das wissen wir  nicht,  jedenfalls  nicht  bei  dieser  Verbindung«, 

gab er zu. »Wir werden  es  herausfinden«,  versprach  ich.  Ich winkte meine 

Männer heran. »Macht euch fertig!« Wir trugen die flugfähigen Anzüge und waren mit allem versehen, 

was man bei einem solchen Unternehmen brauchte – Waffen in allen Größenordnungen,  Spreng‐  und  Schmelzladungen  und  einige technische  Spielereien,  die  jedem  Gegner  gehörig  zu  schaffen machen würden. »Einsatzklar?« Die Köpfe bewegten sich auf und ab. Schnell überprüfte ich meine 

Ausrüstung. Es konnte losgehen. Es würde nicht  leicht werden, das wußte  ich. Wir waren wenige, 

und dem Herrschaftsrat  standen viele Machtmittel zur Verfügung. Aber darauf kam es nicht an. Im Grund war es ein Kampf zwischen zwei Handvoll Wesen, fast 

schon ein Duell. Der Preis dieses Duells war der Frieden  für das Walgon‐System 

und  in  der  Folge  für weite  Bereiche  der Namenlosen Zone  –  das lohnte jeden Einsatz. 

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»Vorwärts!« sagte ich.   

9.  Es  war  unglaublich  still.  Nichts  war  zu  hören  außer  den Geräuschen, die wir selbst produzierten. Hinter  mir  drängten  sich  die  Männer  der  Einsatzgruppe.  In 

Zweiergruppen waren sie nach Walgon  I vorgestoßen.  Ihre Waffen waren einsatzklar. Ich  stand  vor  der  Tür,  durch  die  man  den  Transmitterraum 

verlassen konnte. Ich brauchte nur einen Knopf zu betätigen, um sie zu  öffnen,  vorausgesetzt,  der Mechanismus  funktionierte  nach  so langer Zeit überhaupt noch. Ich drückte den Knopf. Es gab ein  leises Knirschen, dann  senkte 

sich die Tür in den Boden. Sofort konnte ich sehen, warum kein Laut zu uns gedrungen war – 

Tür und Fassung bestanden aus unterarmdickem Beton. Der Weg  öffnete  sich  auf  einen  langen  Gang,  der  von  einigen 

altersschwachen  Leuchtkörpern  erhellt  wurde.  Auch  hier  gab  es keinen Hinweis, an welchem Ort von Walgon I wir uns aufhielten. Ich legte einen Finger auf die Lippen. Leise schlich ich vorwärts. Der Gang war knapp einhundert Meter lang, es gab in Abständen 

von  jeweils  drei  Metern  auf  jeder  Seite  eine  Tür.  Das  dicke Stahlblech zeigte, daß es sich um Zellen handeln mußte. Ich  trat  an  eine  der  Türen. Durch  ein Guckloch  konnte  ich  den 

Häftling  sehen,  eine  junge Walgonierin,  die  auf  einer  Pritsche  lag und schlief. Ich pochte gegen die Tür. Die junge Frau schrak hoch. In ihrem Denkgesicht war Verwirrung zu lesen, ihr Fühlgesicht zeigte Todesangst. »Gehörst du zu den Paudencern?« fragte ich. »Das  wißt  ihr  doch  längst«,  zischte  die  junge  Frau;  ihr 

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Gesichtsausdruck wechselte zu mühsam beherrschter Wut. »Tritt zurück, ich werde die Zelle öffnen.« Ich nahm den Thermostrahler zur Hand und schweißte das Schloß 

auf.  Ein  paar  Augenblicke  später  war  die  junge  Frau  frei.  Der Anblick  von  uns  Menschen  war  allerdings  zuviel  für  ihr erschüttertes Nervensystem – sie sah mich, riß die Augen auf, stieß einen unterdrückten Schrei aus und fiel in Ohnmacht. »So  eine  Wirkung  möchte  ich  auch  einmal  haben«,  witzelte 

jemand. »Hör  auf  zu  provozieren«,  machte  sich  eine  andere  Stimme 

bemerkbar. »Öffnet alle Zellen – wir können Verbündete gebrauchen!« Während  sich meine Gefährten daran machten, die Häftlinge  zu 

befreien,  suchte  ich  nach  einem Ausgang.  Ich  fand  eine  steinerne Treppe, die in die Höhe führte. Vorsichtig schlich ich hinauf. Auf dem nächsten Absatz stand ein Wachrobot. Er sah mich und 

hob sofort den Waffenarm.  Ich hatte den Thermostrahler bereits  in der Hand und schoß schneller. Mein  erster  Schuß  zerstörte  den Waffenarm,  der  nächste  Treffer 

ließ  den  Robot  den Halt  verlieren  und  auf  den  Boden  krachen  – dennoch brachte er es fertig, ein lautes Alarmsignal auszustoßen. »Tempo!« bestimmte ich und rannte los. Jetzt kam es auf Sekunden an. Ich stieg die Treppe so schnell wie 

möglich hinauf. Ein  neuer  Gefängnistrakt  war  zu  sehen,  bewacht  von  zwei 

walgonischen Tabu‐Jägern. Insider streckte sie mit dem Paralysator nieder,  ich  kümmerte  mich  derweil  um  den  Robot,  der  in  das Gefecht einzugreifen versuchte. Der Kampf dauerte jeweils nur ein paar Sekundenbruchteile, dann 

war er entschieden. »Wahrscheinlich haben die beiden Wachen einen Schlüssel«, stieß 

ich hervor. »Kümmert euch darum.« 

Page 82: Duell um den Frieden

Ich hetzte weiter. Befreite Walgonier  schlossen  sich uns an, dadurch wuchs unsere 

kleine  Streitmacht.  Auf  der  vierten  Ebene  entdeckten  wir  neben einer  vollrobotischen  Küche  auch  ein Waffenlager,  mit  dem  wir unsere Verbündeten  in die Lage versetzen konnten,  sich  aktiv  am Kampf zu beteiligen. Die  Schlacht um die Küche dauerte  zwei  endlos  lange Minuten, 

dann waren auch diese Spezialmaschinen niedergekämpft, die uns mit  Quirlen,  Hackmaschinen,  Passierstäben  und  ähnlichen Werkzeugen  zusetzen wollten.  Ein  paar Augenblicke  lang machte dieser Anblick Spaß – dann aber wurde mir klar, daß jeder Robot in diesem Haus,  ungeachtet  seiner  eigentlichen  Funktion,  zusätzlich den Auftrag hatte, alles zu bekämpfen, was sich nicht einwandfrei legitimieren  sollte. Eine Küchenmaschine  auf  zwei Laufketten, die mit  Spritztüten und Ausbeinmessern  ausgestattet war, konnte uns nicht  ernsthaft  gefährlich  werden,  wohl  aber  andere  Robots,  die über gefährlichere Waffen verfügten. »Halt!« rief Insider plötzlich. »Was gibt es?« fragte ich. »Sieh dich um«, forderte mich Insider auf. »Sieh dir das genau an.« Ich hob in einer Geste gespielter Verzweiflung beide Hände. »Was soll das?« fragte ich. »Eine Küche, nichts weiter.« »Richtig«,  sagte  Insider  grinsend.  »Aber  das  ist  ganz  bestimmt 

nicht die Küche für die Gefangenen. Du brauchst nur einen Blick in den Kühlraum zu werfen.« Zwei  Fleischroboter,  die  dort  arbeiteten,  hatten  uns  besonders 

hartnäckig  zugesetzt  –  mit  Beilen  und  Knochensägen  und rasiermesserscharfen Messern. »Hier  wird  nicht  Alltagskost  produziert  –  hier  wird  für  die 

Chefetage gekocht«, stellte Insider fest. Ein  schneller  Rundblick  bewies  mir,  daß  er  recht  hatte.  Einer 

unserer  Mitkämpfer  war  gerade  damit  beschäftigt,  seinen Kampfanzug von einer klebrigen Kuchenmasse zu befreien, mit der 

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ein Konditoreirobot ihn überfallen hatte. Kuchen für politische Gefangene? Ausgeschlossen. »Und wenn mich meine Urteilskraft  nicht  täuscht,  dann  ist  das 

dort ein Spezialaufzug für Speisen und Getränke«, fuhr Insider fort. Ich grinste ihn an. Auf  diesem Weg  kamen  wir  vermutlich  an  allen Wachen  und 

Sicherheitsvorkehrungen  vorbei  –  allerdings  wahrscheinlich  nur einzeln. »Komm«,  sagte  ich  und  winkte  Insider  heran.  »Wir  werden  es 

ausprobieren.« Der  Transportraum  reichte  gerade  für  uns  beide.  Die  Türen 

schlossen sich, dann spürten wir, wie der Aufzug anruckte. Es ging nach oben – offenbar sehr hoch, wie die Länge unserer Fahrt bewies. Endlich hielt der Aufzug an. So schnell wie möglich öffnete ich die Tür. Als erstes blickte ich in 

das  fassungslose  Doppelgesicht  eines  Wachtpostens,  der  einen Augenblick später betäubt zusammenbrach. Als  er  zusammenbrach,  wurde  hinter  ihm  der  Blick  auf  einen 

Speisesaal  frei.  Es  war  für  mindestens  dreißig  Personen  gedeckt worden,  aber  niemand  war  zu  sehen.  Die  Mitglieder  des Herrschaftsrats hatten Wichtigeres zu tun als zu schmausen. Rasch schickten wir den Aufzug wieder hinunter, um Verstärkung 

zu  holen.  Wir  warteten,  bis  unsere  kleine  Streitmacht  auf  zehn Kämpfer angewachsen war, dann  setzten wir die Suche nach dem Herrschaftsrat fort. Am anderen Ende des langen Speisesaals gab es eine Tür, hinter der Stimmengewirr zu hören war. »Insider  und  ich werden  uns  um Kampfroboter  kümmern,  falls 

welche  auf  der  anderen  Seite  sind. Der  Rest wird  versuchen,  die Mitglieder des Herrschaftsrats zu betäuben – also nur Paralysatoren verwenden, keine anderen Waffen. Bereit?« Insider hatte unterdessen ein paar der technischen Spielzeuge aus 

den  Taschen  gekramt,  die  sich  bei  solchen  Operationen  immer wieder als äußerst wirksam erwiesen hatten. 

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Ich gab ihm ein Zeichen. Mit Donnergetöse flog die Tür auseinander, als die Sprengladung 

hochging. Sobald auch nur die kleinste Lücke  frei war,  ließ  Insider einen Spezialsatz durch die Luft fliegen – eine Ladung, die nicht nur einen  grellweißen  Blitz  erzeugte,  der  alle  Getroffenen  für  eine Minute  nahezu  erblinden  ließ,  sondern  auch  einen  Lärm verursachte,  als  sei  der  Weltuntergang  gekommen.  Vor  allem wurden  überreichlich  niederfrequentierte  Schwingungen  erzeugt, die man  zwar nicht hören, wohl  aber  fühlen  konnte  –  es war,  als würden einem die Eingeweide verknotet. In den ersten Entsetzensschrei der Versammelten hinein stieß  ich 

in den Raum vor. Programmgemäß schickte Insiders Geschoß dicke schwarze Wolken  in  die  Luft,  die  besonders  auf  die Optiken  der Roboter abgestimmt waren – sie strahlten viel  Infrarotlicht ab, was die Sensoren der Kampfmaschinen erheblich verwirrte. Ich  fand einen solchen Roboter am anderen Ende des Saales und 

ließ  ihn  mit  einem  gezielten  Schuß  erblinden;  seine Programmierung  ließ  ihn  schlagartig  erstarren  –  ohne Wahrnehmungsmöglichkeit konnte  er zwischen Freund und Feind nicht  mehr  unterscheiden  und  setzte  sich  dann  selbst  außer Funktion. Eine  zweite  Maschine  wurde  von  Insider  ausgeschaltet, 

gleichzeitig  ließ  ich  vor  dem Ausgang  des  Versammlungsraumes eine Thermitladung hochgehen, die zwar den Ausgang freischmolz, aber eine solche Hitze ausstrahlte, daß minutenlang niemand in die Nähe der Tür geraten durfte, wenn er sich nicht versengen wollte. Es war  ein  tolles  Durcheinander.  Schreie  und  Flüche waren  zu 

hören,  Wutgebrüll,  dazwischen  das  Zischen  von Paralysatorschüssen und das leise Poltern, wenn ein Körper betäubt auf dem Boden landete. Über allem  lag das Schrillen  einer Alarmsirene, das  einfach kein 

Ende nehmen wollte. Du hast vergessen, daß Walgonier zwei Köpfe haben, gab der Extrasinn 

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knapp durch. Ich begriff sofort – um einen Menschen zu betäuben, genügte ein 

Treffer  aus  dem  Paralysator.  Bei  einem Walgonier  brauchte man zwei Schüsse. Dieser  fatale  Fehler  wurde  uns  beinahe  zum  Verhängnis.  Die 

Walgonier  erwiderten  das  Feuer,  und  sie  schreckten  nicht  davor zurück, sich den Weg mit Thermostrahlern freizukämpfen. Diesmal waren wir es, die überrascht wurden. Aus der Decke löste sich eine dichte gelbe Wolke und sank auf uns 

herab, gleichzeitig verschwand ein Teil der Wand im Boden. Durch den  Wirrwarr  sah  ich  drei  Walgonier,  die  sich  gerade  noch rechtzeitig absetzen konnten. Ich rannte hinüber zu der Öffnung. Sie schloß sich so schnell, daß 

ich  keinerlei  Aussicht  mehr  hatte,  nach  den  drei  Walgoniern hindurchschlüpfen zu können. Ich überließ es dem Extrahirn, die Daten auszurechnen –  ich hob 

den Arm und warf meinen Thermostrahler den dreien hinterher. Der Logiksektor kalkulierte mit der Brillanz einer Positronik, seine 

Impulse  steuerten meine Bewegung,  und der  Trick  gelang. Meine Waffe wurde  im  Flug  von  der  zuschnappenden  Tür  gepackt  und schlichtweg  zermalmt.  Das  Magazin  war  dieser  Beanspruchung nicht gewachsen und ging hoch. Schreie  wurden  laut,  als  an  der  Geheimtür  ein  Feuerball 

aufschwoll und immer größer wurde. Die geballte Energie eines fast vollen Thermomagazins entlud sich an dieser Stelle, und dem war die Konstruktion  der Walgonier  nicht  gewachsen. Die Wucht  der Detonation preßte das Türstück wieder  in den Boden  zurück und keilte es fest. »Schafft sie aus dem Raum!« schrie ich in das Durcheinander. Ein 

paar Mitglieder des Herrschaftsrates hatten eingesehen, daß weitere Gegenwehr  sinnlos war,  und  hoben  nun  die  Arme,  der  Rest  lag betäubt  am  Boden.  Im  Hintergrund  sah  ich,  daß  zwei  meiner Begleiter leicht verletzt worden waren. 

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»Ihnen nach!« bestimmte ich und winkte Insider heran. Wir  mußten  warten,  bis  die  Glut  der  Thermoladung  soweit 

abgeklungen  war,  daß  wir  durch  das  Loch  schlüpfen  konnten. Dennoch holten wir uns ein paar Brandblasen. Wieder  ein  Gang.  Wir  stürmten  ihn  entlang,  als  wir  plötzlich 

spürten, daß der Boden zu vibrieren begann. Insider stieß einen Fluch aus. Das Geräusch war eindeutig – der Start eines kleinen Raumschiffs. 

Die Spitze des Herrschaftsrats war uns  im  letzten Augenblick doch noch entwischt. Und irgendwo im Raum um die Doppelsonne hing die Raumflotte 

der Walgonier, bereit, den Kampf neu aufzunehmen.   

*  Niemand hinderte Reen‐Gor, als er zum Hangar ging. Die Vulnurer an  Bord  der MORGEN  hatten  anderes  zu  tun,  als  sich  um  den aufgefischten Walgonier zu kümmern. Reen‐Gor war darüber weder erfreut, noch betrübt. Er nahm die 

Tatsache einfach zur Kenntnis. Er hatte ziemlich viel Zeit zum Nachdenken gehabt, und er hatte 

sie genutzt. Mochte  der  barbarische  Eingriff  des  Herrschaftsrats  ihn  auch 

seiner Gefühlswelt beraubt haben – aufgrund logischer Kalkulation konnte  Reen‐Gor  zu  den  gleichen  Ergebnissen  kommen  wie  ein Paudencer. Seine Analyse war  umfassend  und  schwierig  gewesen,  aber  sie 

war eindeutig ausgefallen. Er  empfand keinerlei Schrecken oder Furcht, wenn  er  sich  ruhig 

ausrechnete,  daß  sein  künftiges  Leben,  nur  noch  von  der  Logik diktiert,  voraussagbar  sein  würde  wie  das  Innenleben  eines Spielautomaten  –  mit  dem  Unterschied,  daß  bei  einem 

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Spielautomaten noch  ein positronischer Zufallszahlengenerator  für Abwechslung  sorgte, während  es  dergleichen  für  Reen‐Gor  nicht mehr geben würde. Reen‐Gor öffnete den Hangar. Sein kleiner Jäger war einsatzbereit. 

Die  Vulnurer  hatten  ihn  routinemäßig  gewartet  und  aufgetankt. Reen‐Gor setzte sich auf seinen Platz und leitete das Absetzmanöver ein. Zwei Tatsachen standen  für  ihn  fest: Die Zeit des Herrschaftsrats 

war  vorbei,  und  die  Paudencer  konnten  diesen  Kampf  niemals gewinnen. Daß der Herrschaftsrat nicht mehr zu bestimmen hatte, war  eindeutig  –  sämtliche  Nachrichtenmedien  waren  fest  in  der Hand  der  Paudencer  und  berichteten  von  der  Niederlage  des Herrschaftsrats. Es wurden auch die befreiten Gefangenen gezeigt, die das Einsatzkommando Atlan gerettet hatte. Allein dieser Anblick reichte aus, vielen Gaulatern vor Augen zu 

führen, welches System sie unterstützt hatten. Die Hangarschleuse  öffnete  sich.  Ein  Traktorprojektor  stieß  den 

Raumjäger  ins  Freie.  Sofort  begann die Ortung  zu  arbeiten. Reen‐Gor ließ den Jäger beschleunigen. Aus  seinen  Berechnungen  wußte  Reen‐Gor,  daß  die  Große Magische Synopse noch  für knapp eine halbe Stunde Bestand haben würde. Danach mußte  sich  ihre Wirkung verlieren. Walgonier, die bis  dahin  überzeugte Gaulater  geblieben waren, würden  sich  nur schwer  umstimmen  lassen  –  allerdings  waren  sie  inzwischen ohnehin so in der Minderheit, daß man sich nicht weiter um sie zu kümmern brauchte. Mit der Zeit,  so war  zu  erwarten, würden  sie von  sich  aus  merken,  daß  eine  Paudencer‐Regierung  dem Herrschaftsrat bei weitem vorzuziehen war. Ein paar Unverbesserliche allerdings würde es in jedem Fall geben 

–  allen voran die Mitglieder des Herrschaftsrats, denen die Flucht gelungen  war.  Sie  würden  nach  kurzer  Zeit  den  Kampf  wieder aufnehmen,  auch  vor  verbrecherischen  Aktionen  nicht zurückschrecken  und  alles  tun,  um  ihre  alte  Macht 

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wiederzugewinnen. Es gab nur  ein Mittel,  sie daran zu hindern –  sie ein  für allemal 

handlungsunfähig zu machen. Dazu  aber waren  die  Paudencer  aufgrund  ihrer Weltsicht  nicht 

imstande.  Ihre Philosophie  ließ Todesurteile  einfach nicht  zu  –  sie hätten  das  Gaulater‐Problem  nur  lösen  können,  wenn  sie  ihre eigenen  Prinzipien  über  Bord warfen  und  sich  verhielten wie  der Herrschaftsrat. Ein Paradoxon, für das es keine Lösung gab. Hoffnungslos war auch der Versuch, die flüchtigen Mitglieder des 

Herrschaftsrats überzeugen zu wollen.  Ihre Untergebenen mochten sich  darauf  herausreden,  daß  sie  im  Auftrag  des  Herrschaftsrats Verbrechen  verübt  hatten  –  die Mitglieder  des Rates  konnten  das nicht. Auf dem Weg zur Paudencer‐Philosophie, noch halb befangen von der eigenen Weltsicht, mußten sie  irgendwann zu der Einsicht kommen, Verbrechen verübt zu haben,  für die es nach  ihren alten Anschauungen nur eine Strafe geben konnte – den Tod. Da  Reen‐Gor  seine  früheren  Befehlsgeber  sehr  genau  kannte, 

wußte  er  genau,  daß  sie  diesen  Knoten  nicht  würden  entwirren können.  Außerdem  war  er  aufgrund  ruhiger  Überlegung  zu  der Einsicht  gekommen,  daß  der Rest  des Herrschaftsrats  selbst  dann aktiv  werden  würde,  wenn  es  für  ihn  keinerlei  Aussicht  auf Wiedererringung der Macht gab. Auf dem Bildschirm zeichnete sich die gegenwärtige Konstellation 

ab. Die walgonische Flotte rührte sich nicht, auch nicht die Einheiten, 

die  noch  unter  dem Kommando  der Gaulater  standen.  Es  gab  zu diesem Zeitpunkt außer dem Schwarm von Raumtorpedos nur zwei Körper, die sich durch das System der Doppelsonne bewegten – das Fluchtschiff des Herrschaftsrats und Reen‐Gors Jäger. Die Kurse dieser beiden Schiffe führten aufeinander zu. Reen‐Gor  schaltete  das  Funkgerät  ein.  Er  rief  das  Boot  des 

Herrschaftsrats an. Wie er nicht anders erwartet hatte, wurde ihm sofort geantwortet. 

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Reen‐Gor  sah  das Gesicht  seines  früheren Chefs  auf  dem  kleinen Bildschirm vor sich. »Reen‐Gor«, stieß der Vorsitzende hervor. Reen‐Gor zuckte mit keiner Miene. Er wußte, was der Ausruf zu 

bedeuten hatte. Das  Schiff  der  drei  Flüchtigen  war  nicht  mehr  als  ein  fast 

lichtschnelles Beiboot; Reen‐Gors Raumjäger war erheblich schneller und  besser  ausgestattet  –  vor  allem war  er  überlichtschnell. Und nach dem operativen Eingriff war Reen‐Gor für Paudenc‐Gedanken völlig  unerreichbar  –  der  Vorsitzende  freute  sich  offen  über  die Hilfe, die ihm unverhofft über den Weg lief. »Ich werde euer Boot andocken«, versprach Reen‐Gor und  leitete 

eine Kursanpassung ein. Sein Herz schlug ruhig und sehr gleichmäßig, obwohl der weitere 

Ablauf der Ereignisse für Reen‐Gor längst feststand. Das  Boot  kam  immer  näher.  Reen‐Gor  steuerte  zügig  und 

behutsam und brachte seinen Jäger bis auf einige Meter heran, dann leitete er das Andockmanöver ein.   

10.  »Ich begreife es nicht«, stieß Insider hervor. Überall  im Walgon‐System  wurden  die  Bilder  übertragen.  Ziir‐

Tinc hatte Anordnung gegeben, die Flucht des Herrschaftsrats  für jedermann sichtbar zu machen. Auf  seinen  Befehl  hin war  auch  jede Verfolgung  der  Flüchtigen 

unterblieben. Ich sah Ziir‐Tinc an. Er hatte feuchte Augen, sein Logikgesicht war 

völlig ausdruckslos, seine Fühlmiene verriet Schmerz und Trauer. Auf den Bildschirmen konnten wir die Vorgänge verfolgen. Das Boot der drei Flüchtlinge hatte  im Raum einen kleinen  Jäger 

der Walgonier getroffen und bei ihm angedockt. Wir hatten von den 

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Vulnurern erfahren, daß es sich um das Boot eines gewissen Reen‐Gor handelte, der vor kurzer Zeit erst von der MORGEN an Bord genommen worden war. Offenbar hatte sich der Walgonier absetzen können. Die beiden kleinen Schiffe  jagten nun durch den Raum.  Ihr Kurs 

war eindeutig; sie steuerten aus dem System heraus. Der  Walgonier,  der  dieses  Manöver  durchführte,  mußte  ein 

wahres Wunder  an Nervenstärke  und  Kaltblütigkeit  sein. Wie  er sich durch die Minensperre schlängelte, war geradezu akrobatisch. Daug‐Enn‐Daug ließ sich mit mir verbinden. »Wir  haben  unsere  Unterlagen  über  diesen  Reen‐Gor 

herausgesucht«,  sagte  er  ohne Umschweife.  »Als wir  ihn  an  Bord nahmen,  haben  wir  ihn  kurz  untersucht.  Dabei  haben  wir festgestellt, daß man ihn zu einem lebenden Roboter gemacht haben muß  –  er  ist  zu  keinerlei  Gefühlsregung  mehr  fähig.  Seine Handlungen werden nur von Logik und Kalkül bestimmt.« Ich stieß eine Verwünschung aus. Keine schnellen Urteile, gab das Extrahirn durch. Ich konnte mit dieser Lageanalyse wenig anfangen. Immerhin gab 

mir  die  Erklärung  des  Emulators  der  Vulnurer  einen  Hinweis darauf,  woher  der  Pilot  –  es  mußte  Reen‐Gor  sein  –  die Nervenstärke  nahm,  den  Jäger  und  dessen  Anhängsel  durch  das Gewirr von Raumminen zu lotsen. »Sie werden entkommen«, warnte ich Ziir‐Tinc. Ich konnte ihn nur 

auf dem Bildschirm sehen, er war noch  immer  in der Zentrale der Paudencer  auf  Walgon  II.  Ich  stand  mit  meinen  Gefährten  auf Walgon  I  im  Versammlungsraum  des  Herrschaftsrats.  Die Inneneinrichtung  war  völlig  verwüstet,  sie  würde  auch  nicht repariert werden. Inzwischen war der Beschluß gefaßt worden, das Gebäude völlig abzureißen. Ziir‐Tinc bewegte die Köpfe. »Sie werden nicht entkommen«, sagte er ruhig. »Ich weiß es.« Ich war nicht so sicher. 

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Minuten vergingen mit quälender Langsamkeit. Was wir von dem Drama  im Weltraum  zu  sehen  bekamen, war  verblüffend  ähnlich mit  einem  jener  primitiven  positronischen  Spiele,  bei  denen  es darauf  ankam,  ein  Raumschiff  auf  einem  Bildschirm  durch  ein kompliziertes  Labyrinth  zu  steuern.  Ich  hatte  diese  Spiele  nie sonderlich  gemocht,  zumal  ein  großer  Teil  von  ihnen  auf blindwütige  Schießerei  um  jeden  Preis  hinauslief. Aber  selbst  die harmlosen,  die  angeblich  nur  die  Konzentration  und Geschicklichkeit  des  Spielers  fördern  sollten,  hatten  unerfreuliche Nebenaspekte – unter anderem den, Zerstörungsrisiken aller Art zu verharmlosen.  Im wirklichen Leben gab  es keine Tastatur,  auf der man  nach  einer  Zerstörung  einfach  STOP/RESTORE,  CLEAR SCREEN  und  dann  RUN  einzutippen  brauchte,  um  von  neuem anfangen zu können. Ich  spürte,  wie  meine  Hände  feucht  wurden.  Obwohl  es  eine 

Gefahr für die Walgon‐Planeten bedeuten konnte, wünschte ich den vieren, daß sie durchkamen. Und dann geschah es. Ein Lichtblitz zeigte an, daß  in der  letzten 

Reihe eine der Minen getroffen worden war –  sie hatte die beiden Schiffe im Bruchteil einer Sekunde zerstört. »Jetzt gibt es keinen Herrschaftsrat mehr«, sagte Ziir‐Tinc leise. Ich  sah  ihn  an, dann ging  ich  zum  Instrumentenpaneel hinüber. 

Die  Vorgänge  waren  aufgezeichnet  worden.  Ich  ließ  die  Daten zurücklaufen  und  neu  abspulen.  Gleichzeitig  befahl  ich  dem Rechner eine detaillierte Darstellung. Jetzt war das Minenlabyrinth sehr deutlich zu sehen, vor allem das 

Netzwerk der Energiefäden, die durch den Raum trieben. Langsam bewegte sich das Schiff durch das Gewirr. Dann wieder der Lichtblitz, der von der Vernichtung der beiden 

Boote kündete. Ich spulte noch einmal zurück und  ließ das Bild in noch größerer 

Darstellung einfrieren. Der Energiefaden, der das Ende des Schiffes herbeigeführt hatte, 

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war  knapp  zwei  Meter  vom  Rumpf  entfernt.  Angesichts  der Tatsache, daß der Pilot  früher weit geringere Distanzen hinter sich gebracht hatte, war dieser Lenkungsfehler unbegreiflich. Bei einem normalen Piloten hätte mich dergleichen nicht gewundert – um ein Raumschiff zwei Meter seitlich zu versetzen, genügte ein einfaches Händezittern. Aber bei Reen‐Gor, einem lebenden Roboter? Ich sah auf. Ziir‐Tinc sah mich an. »Der Pilot hat sich und seine Begleiter getötet«, stellte ich fest. »Es 

war  kein  Unfall,  kein  Eingreifen  kosmischer  Mächte  –  es  ist Selbstmord gewesen.« Ziir‐Tinc rührte sich nicht. Statt dessen meldete sich der Extrasinn: Versuche  nicht,  es  zu  ergründen.  Der  Pilot  hat  nach  seinen Denkkategorien  folgerichtig gehandelt, aber du wirst  es niemals begreifen können. Sei froh darüber. Ich beschloß, den Rat des Logiksektors zu befolgen. Wenig später 

traf  ein  Funkspruch  von  den  gaulatischen  Einheiten  der Walgon‐Flotte ein. Unter der Bedingung einer ehrenvollen Übergabe waren die Gaulater bereit, sich zu ergeben. Ziir‐Tinc nahm das Angebot an. Damit war der Kampf um die Freiheit endgültig entschieden. Das 

Walgon‐System war frei, es gab keinen Herrschaftsrat mehr, der die Bewohner unterdrücken konnte. Die  Umkehrung  der  Verhältnisse  war  geglückt,  die  Kräfte  des 

Chaos  hatten  einen Mißerfolg  einstecken müssen  –  es  fragte  sich nur,  wie  groß  und  entscheidend  diese  Schwächung  letztlich  sein würde.   

*  Daug‐Enn‐Daug bewegte  sich  fast  feierlich durch die Zentrale der MJAILAM. »Ich habe eine Botschaft zu überbringen«, eröffnete er. 

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»Von wem?« fragte ich sofort. Was  wir  jetzt  brauchten,  war  ein  Hinweis  für  das  weitere 

Vorgehen.  Im Walgon‐System  gab  es  für  uns  nichts mehr  zu  tun. Kurze  Zeit  nach  der  Selbstzerstörung  der  Fluchtschiffe  war  die gesamte  Schockfront  um  das  System  der  Doppelwolke  in  einer energetischen Explosion vergangen. Es gab sie nicht mehr. Ziir‐Tinc  hatte  den  Vorgang mit  gemischten  Gefühlen  verfolgt, 

wie  er mir  gestanden  hatte. Von  dem Augenblick  an,  an  dem  es keine  Schockfront mehr  gab,  die  Ewige  Barriere, wie  sie  von  den Walgoniern genannt worden war, gab es auch keinen Emulator der Walgonier mehr. Ziir‐Tinc war nun ein völlig normaler Angehöriger seines Volkes, er würde altern und normal sterben. »Ein  Preis  für  die  Freiheit meines Volkes,  den  ich  gerne  zahle«, 

hatte er gesagt. »Von  der  Lichtquelle«,  verkündete  Daug‐Enn‐Daug.  »Ihre 

Informationen  sind von ungeheurer Wichtigkeit. Sie enthüllen uns Vergangenheit,  Gegenwart  und  Aspekte  der  Zukunft.  Vor  allem erklären sie die Geschichte unseres Volkes. Ich will sie euch erklären. Vor Urzeiten – die Lichtquelle hat keine genauen Zahlen genannt, 

aber  die  Spanne  muß  sich  nach  Zehntausenden  von  Jahren bemessen – gab es nur ein einziges Volk unserer Art – die Vulnurer. Es geschah, daß sie sich machthungrige und ehrgeizige Führer an 

die  Spitze wählten,  denen  von  einem  unseligen  Forschungsdrang besessene Wissenschaftler zur Hand gingen. Gemeinsam  schufen  sie  aus Wesen  unseres Volkes  nach  langen 

Versuchen  eine  neue  Art.  Ihr  Plan  war  es,  Vulnurer  einer  ganz besonderen, weit überlegenen Spezies zu züchten. Einige dieser Versuche schlugen fehl. Wir kennen die Ergebnisse – 

es sind die Zyrvulner. Man hat sie ziehen lassen, da sie die Pläne der Mächtigen nicht störten. Während  die  Wissenschaftler  forschten  und  experimentierten, 

erweiterten  die  Mächtigen  unseres  Volkes  ihre  Macht  über  die 

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Sterne, die sie sehen konnten. Ihre Herrschaft muß schrecklich und grausam gewesen  sein, und  sie erreichte  ihren Höhepunkt, als die Wissenschaftler  endlich melden  konnten, daß  ihnen die Züchtung einer neuen Art gelungen sei. Auch  diese  Art  kennen  wir  –  es  sind  die  zeckenähnlichen 

Zyrtonier. Ursprünglich  geplant  als Dienstboten  besonderer Güte, als  Kampftruppe  und  vieles  mehr,  was  den  Machtanspruch  der Vulnurer  unterstützen  konnte,  entwickelten  die  Zyrtonier  immer mehr Eigenleben. Die  besten  Gaben,  die  vulnurische  Wissenschaftler  ihnen 

mitgegeben  hatten,  kehrten  sich  nun  gegen  die  Schöpfer  der Zyrtonier.  Listenreich  und  tückisch  bereiteten  die  Zyrtonier  ihre Pläne vor. Ihr Ziel war es, die Macht zu übernehmen. Aber  sie  erlitten  eine  furchtbare Niederlage. Noch während  sie 

planten  und  den  Umsturz  vorbereiteten,  wurden  sie  in  die Namenlose Zone versetzt, wie viele andere Völker auch. Lange Zeit waren die Vulnurer und Zyrtonier von diesem Schlag 

geschockt.  Dann  aber  machten  die  Zyrtonier  eine  überraschende Entdeckung. Sie stellten fest, daß sie in der Lage waren, mit technischen Mitteln 

die  Schockfront  um  ihr  System  zu  durchbrechen. Mehr  noch  –  es gelang  ihnen auch sehr bald, einmal auf der  richtigen Spur, Mittel und Wege zu ersinnen, andere Schockfronten aufzuspüren und zu durchstoßen. Ihr Wissen um die Schockfronten mehrend, gelang es ihnen schließlich sogar, künstliche Schockfronten zu erzeugen oder natürliche zu manipulieren. Damit nicht genug. Überall  in  der Namenlosen Zone waren  Spione  und  Späher  der 

Zyrtonier  unterwegs.  Sie  brauchten  nicht  lange,  dann  kannten  sie die Eigenart der Namenlosen Zone. Immer wieder, so stellten sie fest, tauchten neue Sonnensysteme in 

der  Namenlosen  Zone  auf,  eingehüllt  in  Schockfronten.  Und jedesmal war von der Schockfront ein Volk eingeschlossen, dessen 

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rücksichtslose  Machtpolitik  zum  Alptraum  seiner  kosmischen Nachbarn geworden war. Lange Zeit hatten die Zyrtonier  sehr  viel Angst, denn  es gelang 

ihnen  beim  besten  Willen  nicht,  die  Rätsel  dieses Versetzungsvorgangs zu  lösen. Nach wie vor wissen sie nicht, wie und  durch  was  die  Systeme  in  die  Namenlose  Zone  verpflanzt werden. Aber  es  genügte  ihnen,  daß  sich  diese  unbekannte Macht  nicht 

meldete. Sie unternahmen einige Versuche, diese Macht verdeckt zu provozieren, dann  offen. Als  sie keine Antwort bekamen, wurden sie dreist. Sie  entwickelten  den  Langzeitplan,  der mir  von  der  Lichtquelle 

enthüllt worden ist. Dank  ihrer Macht  über  die  Schockfronten  haben  die  Zyrtonier 

damit begonnen, die Völker der Namenlosen Zone zu unterwerfen. Durch vielerlei Tricks und Manipulationen lenkten sie die Geschicke der eingeschlossenen Völker aus allen Bereichen des Universums. Ihr Ziel ist klar und eindeutig. Sollte es ihnen eines Tages gelingen, 

ein Verfahren zu ersinnen, das sie aus der Namenlosen Zone in das Normaluniversum  zurückkehren  läßt,  dann  werden  sie  die  von ihnen  geheim  kontrollierten  Völker  auf  das  Normaluniversum loslassen. Sie werden allen Haß und alle Wut dieser Völker auf die ahnungslosen Bewohner des Normaluniversums  lenken und  selbst im Hintergrund bleiben, wohl wissend, daß sie über  ihre Kontrolle der Schockfronten auch die Kontrolle über die Völker innerhalb der Schockfronten  haben  werden.  Sie  werden  die  Völker  der Namenlosen Zone dazu bringen, gewaltige Raumflotten zu bauen, und sie werden das Universum mit Krieg überziehen. Sollte einer dieser Verbündeten zu widersprechen wagen, wird er 

von anderen kontrollierten Völkern bekämpft – wenn das überhaupt notwendig  sein  sollte,  denn  die  Zyrtonier  haben  die  Völker innerhalb der Schockfronten als Geiseln.« Mich schauderte, wenn ich mir das vorzustellen versuchte. 

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Für  die Walgonier  hätte  das  bedeutet,  daß  ihre  Raumflotten  im Dienst und Auftrag der Zyrtonier kämpften. Wagten sie zu meutern, riegelten die Zyrtonier die Schockfront rund um das Walgon‐System ab  und  verwehrten  den  Flotten  die Rückkehr. Genügte  das  nicht, den  Widerstand  zu  brechen,  dann  konnten  sie  die  Flotte  eines anderen kontrollierten Volkes durch die Schockfront führen und die wehrlose Zivilbevölkerung der Walgon‐Planeten angreifen lassen. »Ich brauche nicht zu  erklären, worauf dieser Plan hinausläuft – 

auf die allumfassende, alleinige Macht der Zyrtonier, die sich über das  ganze  Universum  ausbreiten  soll.  Dies  ist  kein  Fiebertraum eines Verrückten  –  es  ist  der  Langzeitplan  der Zyrtonier,  und  sie verfolgen ihn bis auf den heutigen Tag.« »Ungestört?« fragte Tyari fassungslos. »Nicht  ganz«,  antwortete  Daug‐Enn‐Daug  langsam.  »Diesem 

Langzeitplan  setzten  die  Vulnurer  einen  anderen  Plan  entgegen. Vulnurische  Wissenschaftler  entwickelten  die  Grundlagen  der Lichtquelle und das Prinzip der Emulatoren. Die ersten Emulatoren der Vulnurer gingen  in der Lichtquelle auf, die dadurch an Macht und Einfluß gewann. Schließlich ist es den Vulnurern geglückt, sich aus der Macht der Zyrtonier zu befreien und zu flüchten. Die  Zyrtonier  aber  setzten  den  Vulnurern  immer  wieder  nach, 

griffen sie an und versuchten sie zu vernichten. Schließlich sah die Lichtquelle  keine  andere  Möglichkeit  mehr,  als  drei  Schiffe  zu erbauen, die  ihr  kennt  – die GESTERN, HEUTE  und MORGEN  – und  in  diesen  Schiffen  das  kleine  Restvolk  der  Vulnurer  in  das sichere Versteck des  freien Raumes zu entlassen. Zur gleichen Zeit wurde auch der Plan der Futurboje entworfen und in Gang gesetzt. Seither  wartet  die  Lichtquelle  darauf,  daß  sie  sich  mit  anderen Kräften verbünden kann, um endlich eine grundsätzliche Änderung der Verhältnisse in der Namenlosen Zone erreichen zu können.« Daug‐Enn‐Daug stieß einen Laut des Vergnügens aus. »Es sieht aus«, schloß er seinen Vortrag, »als sei diese Änderung 

zum Besseren nicht mehr aufzuhalten.« 

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Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zu Chybrain. Bei den Worten des Emulators der Vulnurer war mir erschreckend 

klar geworden, daß sich Chybrain mit der Aufgabe, das Rätsel der Namenlosen Zone zu lösen, ein Ziel gesteckt hatte, das seine Kräfte bei  weitem  überstieg.  Er  konnte  es  einfach  nicht  schaffen,  daran hatte  ich  keine  Zweifel mehr.  Um  seine  Rehabilitierung  vor  den Augen der Hohen Mächte sah es mehr als betrüblich aus. War  das  der  Grund,  weshalb  ich  seit  geraumer  Zeit  kein 

Lebenszeichen von Chybrain mehr empfangen hatte? Daug‐Enn‐Daug setzte seinen Vortrag fort. »Von  diesen  Daten  der  Lichtquelle  ausgehend,  haben  wir  die 

Archive  der Walgonier  durchforschen  lassen.  Ziir‐Tinc  wird  uns sagen, was dabei herausgekommen ist.« Der ehemalige Emulator der Walgonier stand auf. Er wirkte sehr 

ernst. »Ich  habe  Informationen  ausgraben  können,  die  im  Licht  der 

Erkenntnisse  von  Daug‐Enn‐Daug  bedeutungsvoll  sein  können«, erklärte  er.  »Aus diesen Daten  ergibt  sich, daß  es  in  einem Sektor der Namenlosen Zone,  der  Tabuland  genannt wird,  vielleicht  das Versteck der Zyrtonier geben muß. Ich habe die Koordinaten dieser Zone mitgebracht.« Ich stand auf und nahm den Datenstreifen aus Ziir‐Tincs Hand. »Brechen wir auf«, sagte ich. »Die Zeit drängt.« Eine Stunde nach der Besprechung brachen wir auf,  ich hatte mir 

die MJAILAM als Flaggschiff meiner kleinen Flotte ausgesucht. Beim  Verlassen  des  Walgon‐Systems  bekamen  wir  weitere 

Hinweise  darauf,  daß  sich  die Dinge  zum  Besseren  entwickelten. Die  Sonnensysteme  der  Namenlosen  Zone  waren  nun  noch deutlicher anmeßbar geworden als früher. Nur  ein  Bereich  zeigte  keine  Veränderung  –  eine  Zone 

undurchdringlicher Schwärze. Und genau dort  lag nach den Daten des walgonischen Emulators das Versteck der Zyrtonier.  

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 * 

 Mißmut  war  die  vorherrschende  Stimmung  im  neuen  Rat  der Pagen.  Sie  hatte  alle  vier  Mitglieder  dieses  neuen  Rates  erfaßt: Objount,  4‐Page,  Merzzen,  13‐Page,  Ul‐Horz,  211‐Page,  und Katzulla, 666‐Page. »Die Daten sind ungünstig, sehr ungünstig sogar«, sagte Katzulla. »Sie werden sich bessern«, hoffte Objount. Ul‐Horz machte eine abwehrende Geste. »Das Walgon‐System  ist  jetzt  völlig  frei«,  rief  er den  anderen  in 

Erinnerung.  »Bei  anderen  Systemen  sieht die Entwicklung  ähnlich ungünstig aus.« »Mag  sein«,  stimmte Katzulla  zu.  »Aber wir  haben noch  andere 

Mittel  in  der  Hand,  um  unsere  Pläne  durchsetzen  zu  können. Schließlich  haben  wir  uns  frühzeitig  genug  auf  ungünstige Entwicklungen vorbereitet.« »Ich  weiß«,  mischte  sich Merzzen  ein.  »Der  undurchdringliche 

Wall.« »Er  ist undurchdringlich«,  rief Katzulla Merzzen  ins Gedächtnis. 

»Wir haben es vor wenigen Stunden noch erlebt. Sechs Schiffe haben versucht,  den Wall  zu  durchdringen.  Sie  sind  daran  gescheitert, keines von ihnen hat einen Durchbruch geschafft.« »Mehr noch«, warf Objount ein. »Jetzt sind sie sogar voneinander 

getrennt.  Die  aufgefangenen  Funksprüche  beweisen,  daß  sie  die Verbindung untereinander völlig verloren haben.« »So ist die Lage«, sagte Katzulla. »Angreifen kann man uns nicht, 

wir sind ausreichend gegen alle Versuche geschützt. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, daß wir noch genügend Möglichkeiten besitzen, die wir bislang noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft haben. Unsere Gegner haben nicht die geringste Ahnung, was wir ihnen noch alles entgegensetzen können.« Katzulla richtete sich auf. 

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»Ist einer von euch bereit, öffentlich zu verkünden, daß  sich der Große Plan des Rates der Pagen nicht mehr durchführen läßt?« Die Antwort war Schweigen. Jeder  im  neuen  Rat  der  Pagen  wußte,  daß  es  an  der 

Verwirklichung dieses gigantischen Planes keinerlei Zweifel geben konnte. Sie waren gleichsam undenkbar. »Als  erstes werden wir  diese  frechen  Eindringlinge  vernichten«, 

erklärte  Katzulla  selbstsicher.  Er  machte  eine  kleine  dramatische Pause. »Und dann holen wir zum Schlag aus – wehe den anderen, wenn wir ihn führen!«   

ENDE   Die  Zyrtonier,  die  die  eigentliche  Macht  in  der  Namenlosen  Zone repräsentieren,  sind  sich  der  Bedrohung  durch Atlan  und  seine Mitstreiter durchaus  bewußt.  Um  die  Schockfronten,  die  die  Invasoren  aufzubrechen verstehen,  wieder  undurchdringlich  zu  machen  setzen  sie  das  LUNGAR TRON ein. Schauplatz des neuen erbitterten Ringens wird die Welt der Forsboter und der heilige Vulkan … DER HEILIGE  VULKAN  –  diesen  Titel  trägt  auch  der  von Hans  Kneifel verfaßte Atlan‐Roman der nächsten Woche.