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19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Duktile Verbindungen im Holzbau | F. Brühl 1 Duktile Verbindungen im Holzbau Ductile connections in wood construction Les assemblages ductiles en matière de construction bois Frank Brühl WIEHAG GmbH Timber Construction AT-Altheim Ehemals: Institut für Konstruktion und Entwurf Frau Prof. Dr.-Ing. U. Kuhlmann Universität Stuttgart DE-Stuttgart

Duktile Verbindungen im Holzbau · 01.01.1995 · geringen bis mittleren Duktilität zu bewerten sind (vgl. Tab. 1 & Tab. 2). Die Anordnung Die Anordnung von mehreren Stabdübeln

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Duktile Verbindungen im Holzbau

Ductile connections in wood construction

Les assemblages ductiles en matière de construction bois

Frank Brühl

WIEHAG GmbH – Timber Construction

AT-Altheim

Ehemals:

Institut für Konstruktion und Entwurf Frau Prof. Dr.-Ing. U. Kuhlmann

Universität Stuttgart

DE-Stuttgart

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Duktile Verbindungen im Holzbau

1. Motivation

„Gegen das Traglastverfahren“ [25] hatte seinerzeit Prof. Stüssi aus Zürich als Beispiel

den Dreifeldträger mit Einzellast in der Mitte des Innenfeldes angeführt, bei dem die

Fließgelenke über den Stützen eine solch große Rotationsfähigkeit verlangten, dass die

rechnerische Traglast nach der Fließgelenktheorie praktisch nicht erreicht wurde. Diese

Erkenntnis hat die Etablierung der Fließgelenktheorie als Nachweisverfahren „Plastisch-

Plastisch“ im Stahlbau und Stahl-Verbundbau aber auch im Stahlbetonbau nicht verhin-

dern können. Allerdings werden in diesen Fällen immer auch besondere Anforderungen

an die Rotationskapazität oder Duktilität der Querschnitte gestellt. Ursprünglich sahen die

Konzepte eine Überdimensionierung der Anschlüsse vor, damit das Fließgelenk sich auch

zuverlässig im duktilen Bauteilquerschnitt ausbilden konnte, vgl. z.B. DIN 18800-1 [27]

Element (802). Inzwischen ist es seit einigen Jahren mit der Einführung des sogenannten

Komponentenverfahren auch möglich, das Schnittgrößen- und Verformungsverhalten in

den Anschlüssen gezielt so zu beeinflussen, dass auch die Ausbildung von duktilen Fließ-

gelenken in den Anschlüssen möglich und nach europäischer Normung nachweisbar ist,

DIN EN 1993-1-8 [32].

So erlaubt das Komponentenverfahren, das alle einzelnen Tragwirkungen in „Federwir-

kungen“ zerlegt, siehe Beispiel in Abbildung 1 für einen Stirnplattenanschluss, der spröde

versagenden Komponente „Schrauben auf Zug“ gezielt eine höhere Tragfähigkeit zu

geben als der duktil sich verhaltenen Komponente „Stirnplatte auf Biegung“, so dass der

Gesamtanschluss ein gutmütiges duktiles Versagensverhalten zeigt, [16] [21].

1 Stützensteg auf Druck CWC

2 Riegelflansch auf Druck BFC

3 Stützensteg auf Zug CWT

4 Stützenflansch auf Biegung CFB

5 Stirnplatte auf Biegung EPB

6 Riegelstep auf Zug BWT

7 Schrauben auf Zug BT

8 Bewehrung auf Zug RFT

9 Schlupf der Verbundfuge KB

10 Stützensteg auf Schub CWS

(a) Darstellung der einzelnen Komponenten (b) Beschreibung der einzelnen Komponenten

Abbildung 1: Federmodell eines geschraubten Stahl-Verbundknoten, reduziert auf die wichtigsten statischen Komponenten [16]

Diese Bemessungsphilosophie stellt eine Chance auch für den Holzbau dar. Zwar verfügt

Holz unter einer Druckbelastung über ein duktiles Verhalten [7], maßgebend ist jedoch in

der Regel die Beanspruchung des Holzes auf Zug, die sich spröde verhält, sodass das

elastische Verfahren für reine Holzkonstruktionen generell auch zutreffend ist. Gelingt es

jedoch in den Holzanschlüssen durch geeignete Maßnahmen Fließgelenke auszubilden, so

können auch Holztragwerke nach der Fließgelenktheorie berechnet werden und es eröff-

nen sich neue Perspektiven:

Diese sind unter anderem:

Spannungsumlagerungen in statisch unbestimmten Systemen,

und dadurch

- eine Laststeigerung bzw.

- eine Neubewertung hinsichtlich der Redundanz und Robustheit eines Tragwerks

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Nutzung des dissipativen Verhaltens unter einer seismischen Belastung

aber auch das gezielte Einstellen eines gewünschten gutmütigen duktilen Versagens.

Voraussetzung ist, dass wie im Beispiel des Stirnplattenanschlusses im Stahlbau nach

Abbildung 1 auch im Holztragwerk ein duktiles Versagen im Anschluss sichergestellt wird

und das trotz der Streuung der Materialeigenschaften.

Im Jahre 1949 entwickelte Johansen [8] ein mechanisches Modell für die Berechnung der

Tragfähigkeit von stiftförmigen Verbindungsmitteln im Holzbau. Dieses geht von der Aus-

bildung von plastischen Gelenken innerhalb des Verbindungsmittels aus und bildet derzeit

die Bemessungsgrundlage von stiftförmigen Verbindungsmitteln (vgl. Abb. 2) [34, 37].

Verfügt das Verbindungsmittel über eine gewisse Einbindelänge im Holz und ist die Ge-

fahr des Aufspaltens [1, 10] minimiert, so besitzen derartige Verbindungen ein beachtli-

ches duktiles Verhalten.

Abbildung 2: Ausbildung eines Fließgelenks pro Scherfuge [3]

Die Einführung von Fließgelenken in ein Tragwerk setzt jedoch voraus, dass das Verhalten

der Anschlüsse zuverlässig beschrieben werden kann. Zuverlässig nicht nur im Hinblick

auf die Tragfähigkeit sondern ebenfalls hinsichtlich der Rotationsfähigkeit.

Im Rahmen dieses Beitrages wird das duktile Verhalten verschiedener Verbindungsmittel

dargestellt und bewertet. Neben den aus der Literatur bekannten Verbindungsmittelver-

suchen werden experimentelle Untersuchungen vorgestellt und ebenfalls hinsichtlich ihres

duktilen Verhaltens beurteilt. Um eine praktische Anwendung zu gewährleisten, wird in

diesem Beitrag ein erster Ansatz zur einfachen Beschreibung des Anschlussverhaltens

vorgestellt. Soll das duktile Verhalten der Holzanschlüsse genutzt werden, ist es unab-

dingbar, die Auswirkungen der natürlichen Materialstreuung zu beachten. Hierfür werden

erste Parameter beschrieben und eingeführt.

2. Duktiles Verhalten von Verbindungen

2.1. Bestimmung der Duktilität

Da Holz als natürlicher Werkstoff nur im Druckbereich über ein gewisses plastisches Verhal-

ten verfügt, kann ein duktiles Systemverhalten nur über Verbindungsmittel an definierten

Anschlüssen erfolgen. Daher ist es wichtig, Verbindungsmittel im Holzbau hinsichtlich ihres

duktilen Verhaltens zu bewerten.

Für die Bewertung des duktilen Verhaltens stehen diverse Verfahren zur Verfügung. Eine

bedeutsame Kenngröße bildet dabei die Fließverschiebung der einzelnen Verbindungsmittel.

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Muñoz et al. [18] zeigen verschiedene Verfahren für die Bestimmung der Fließverschie-

bung auf. Diese Verfahren wurden in [6] näher beleuchtet und diskutiert. Die im Rahmen

dieses Beitrags vorgestellten Fließverschiebungen basieren auf dem Verfahren nach DIN

EN 12512 [29]. Abbildung. 3 zeigt die Bestimmung der Fließverschiebung, diese ergibt sich

aus dem Schnittpunkt der Anfangssteifigkeit, die sich zwischen den Punkten bei 10 %

und 40 % der Höchstlast bestimmen lässt, und einer Tangente mit einer Steigung von

1/6 der Anfangssteifigkeit an die Last- Verschiebungskurve [29].

mit:

uy: Fließverschiebung

uu: Verschiebung beim Erreichen,

der Höchstlast

uf: Verschiebung beim Versagen,

oder bei einem Lastabfall von

80% der Maximallast

Abbildung 3: Bestimmung der Fließverschiebung mit den zugehörigen Kenngrößen [29]

Nach DIN EN 12512 [29] und SIA 265 [37] lässt sich das Duktilitätsmaß basierend auf

den ermittelten Kenngrößen durch das Verhältnis der Verschiebung beim Versagen (uf)

zu der Fließverschiebung (uy) bestimmen, vgl. Gl. (1) & Abb. 3.

y

f

fu

uD (1)

Weitere Definitionen zur Bestimmung des Duktilitätsmaßes sind in [11] zusammengefasst

und wurden in [6] näher betrachtet. Für die Bewertung des duktilen Verhaltens einer

Verbindung kann nach Smith et al. [24] das Duktilitätsmaß herangezogen werden (vgl.

Tab. 1).

Tabelle 1: Klassifikation der Duktilitätszahlen nach Smith et al. [24]

Klassifikation Duktilitätszahl

Spröde D ≤ 2

Geringe Duktilität 2 < D ≤4

Mittlere Duktilität 4 < D ≤6

Hohe Duktilität D > 6

2.2. Klassifizierung von verschiedenen Verbindungsmitteln

Basierend auf vorhandenen Versuchsergebnissen wurden verschiedene Verbindungsmittel

hinsichtlich ihres duktilen Verhaltens untersucht. Die Mittelwerts Kurve einer einheitlichen

Versuchsreihe bildet die Grundlage der Untersuchungen.

Unverstärkte Stabdübelverbindungen

Stabdübelverbindungen stellen ein weit verbreitetes Verbindungsmittel im Ingenieurholz-

bau dar. Im Rahmen der Untersuchungen zur Duktilität wurden verschiedene Stabdübelty-

pen und Durchmesser untersucht. Die Verbindungsmittelabstände in Faserrichtung sowie

rechtwinklig zur Faserrichtung wurden bei den dargestellten Versuchen in Anlehnung an

[34] eingehalten.

Das Tragverhalten von selbstbohrenden Stabdübeln der Firma SFS intec AG wurde im

Rahmen eines Forschungsprojekts an der ETH Zürich [17] untersucht. Die Untersuchungen

wurden an mehrschnittigen Stahlblech-Holz-Verbindungen geprüft (vgl. Tab. 2). Dabei

wurden unter anderem die Einflüsse der Stabdübelgüte, des Abstands zum Hirnholzende

sowie der Holzdicke untersucht.

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Jorissen [10] untersuchte das Tragverhalten für mehrere in Faserrichtung angeordnete

Holz- Holz-Stabdübelverbindungen als zweischnittige Verbindung. Unter anderem wurde

die Holzdicke, der Stabdübelabstand in Faserrichtung (a1) sowie der Abstand zum belaste-

ten Hirnholzrand (a3,c) an einer Vielzahl von Holz-Holz-Verbindungen variiert. Weitere Un-

tersuchungen zur Tragfähigkeit von Stabdübelverbindungen wurden an der TU Delft

durchgeführt [22]. Dabei wurde unter anderem die Holzart, der Stabdübeldurchmesser,

die Stahlgüte der Stabdübel sowie die Anzahl der Stabdübel in Faserrichtung variiert.

Die Versuche haben gezeigt, dass unverstärkte Stabdübelverbindungen generell mit einer

geringen bis mittleren Duktilität zu bewerten sind (vgl. Tab. 1 & Tab. 2). Die Anordnung

von mehreren Stabdübeln in Faserrichtung hat nicht nur einen Einfluss auf die Tragfähig-

keit, sondern ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf das duktile Verhalten. Mit einer

Zunahme der Verformungen steigt die Gefahr des Spaltens mehrerer in Faserrichtung

angeordneter Stabdübel (vgl. Tabelle 2; Stabdübel Ø 12 mm & Ø 24 mm).

Tabelle 2: Duktilitätsuntersuchungen an unverstärkten Stabdübelverbindungen [4]

Schlitzblech- Stabdübel Holzabmessungen Kennzahlen anzahl bild a3,t b1 t1 t2 uy uf Df [-] n m [mm] [mm] [mm] [mm] [mm] [mm]

selbstbohrende Stabdübel Ø 5 mm [17]

5A 3 4 3 50 160 30 41 0,97 3,01 3,1 5B 3 4 3 50 160 35 46 0,85 4,70 5,5 5C 3 4 4 50 160 35 46 1,16 3,77 3,3

selbstbohrende Stabdübel Ø 7 mm [17]

4G 2 4 3 70 180 45 78 1,19 6,27 5,3 4L 2 4 3 70 140 34 60 1,18 4,94 4,2 4N 2 4 3 70 120 27 54 1,00 3,28 3,3

selbstbohrende Stabdübel Ø 12 mm [10]

D81107 - 1 1 84 190 59 72 0,61 15,2 25 D83127 - 3 1 84 190 59 72 4,83 9,95 2,1 D85127 - 5 1 84 190 59 72 3,56 7,35 2,1

selbstbohrende Stabdübel Ø 24 mm [22]

S24C_1 1 1 1 168 144 166 - 0,95 5,1 5,4

S24C_3 1 3 1 168 144 166 - 2,20 2,95 1,3 S24C_5 1 5 1 168 144 166 - 2,79 3,32 1,2

mit:

n & m: Stabdübelanordnung

(vgl. Abb. 4)

b1: Bauteilbreite

t1: Dicke des Seitenholzes

t1: Dicke des Mittelholzes

Abbildung 4: Stabdübelkonfiguration

Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Gefahr des Spaltens mit zunehmen-

dem Schlankheitsgrad des Dübels abnimmt.

Verstärkte Stabdübelverbindungen

Um die Gefahr des Spaltens zu minimieren, wurden am Karlsruher Institut für Technolo-

gie (KIT), neben weiteren Einsatzmöglichkeiten, Versuche an verstärkten Anschlüssen

mit Vollgewindeschrauben durchgeführt [1]. Die Versuche wurden als zweischnittige

Stahlblech-Holz Verbindung mit innenliegenden Stahlblechen geprüft. Es wurden jeweils

5 Stabdübel in Faserrichtung (n) eingesetzt; die Stahlgüte der Stabdübel wurde bei allen

Versuchen zu S235 gewählt. Es zeigte sich, dass durch den Einsatz von Vollgewinde-

schrauben das für ein sprödes Versagen verantwortliche Spalten gezielt verhindert werden

kann. Während unverstärkte Anschlüsse (Versuche V30 und M1 - M4) wiederum mit einer

geringen Duktilität zu bewerten sind, zeigen verstärkte Anschlüsse eine hohe Duktilität.

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Durch den Einsatz von 2 Verstärkungselementen konnte die Tragfähigkeit zwar geringfü-

gig gesteigert werden, die Duktilität konnte durch die Maßnahme jedoch nicht erhöht

werden (vgl. Tab. 3).

Tabelle 3: Duktilitätsuntersuchungen an verstärkten Stabdübelverbindungen [4]

Verstärkung Holzabmessungen Kennzahlen pro a3,t b t uy uf Df Scherfuge [mm] [mm] [mm] [mm] [mm]

Stabdübel Ø 16 mm [1]

V30 ohne 170 200 100 0,66 2,00 3,0 MW V36 / V37 1 170 200 100 1,38 13,99 10,1 MW V38 / V 39 2 170 100 100 1,44 13,97 9,7

Stabdübel Ø 124 mm [1]

MW M1 – M4 ohne 170 200 100 - 2,18 -

MW M5 / M6 1 170 200 100 1,84 6,78 3,7 MW M7 – M10 2 170 100 100 2,23 11,0 5,0

Dübel besonderer Bauart

Am Karlsruher Institut für Technologie wurden Scherversuche an Dübeln besonderer

Bauart durchgeführt [2]. Dabei wurde der Einfluss auf das Trag- und Verformungsverhal-

ten von mehreren Dübeln in Faserrichtung untersucht. Die Versuche wurden zum einen

an Scheibendübeln mit Dornen (Typ C10), zum anderen an Ringkeildübeln (Typ A1)

durchgeführt. Die dargestellten Versuchsergebnissen basieren auf Prüfungen mit einer

Verbindungsmitteleinheit in Faserrichtung.

Neben Versuchen an Ringkeildübeln und Scheibendübeln wurden an der Ruhr-Universität

Bochum Versuche an Scheibendübeln mit Zähnen (Typ C2) und Scheibendübeln mit

Dornen (Typ C11) durchgeführt [20]. Dabei wurde die Möglichkeit der Übertragung von

Scherkräften durch den Passbolzen an derartigen Verbindungen näher beleuchtet. Basie-

rend auf der Klassifikation nach Smith et al. [24] können derartige Verbindungen mit

einer geringen bis mittleren Duktilität bewertet werden (vgl. Tab. 4). Diese Bewertung

stellt jedoch einen unteren Grenzwert dar, da die Versuche in Anlehnung an [36] durch-

geführt wurden und somit bei eine Verschiebung von 15 mm abgebrochen wurden.

Tabelle 4: Duktilitätsuntersuchungen an Dübel besonderer Bauart [4]

Dübel Ø Verbindungs- Bolzen Ø Güte

a3,t uy uf Df [mm] typ [mm] [mm] [mm] [mm]

Type A1 [2]

A65N 65 H-H-H M12 4.6 80 4,58 15a 3,3

A128N 128 H-H-H M12 4.6 155 5,29 15a 2,8

Type C10 [2]

D50N 50 H-H-H M12 4.6 60 6,18 15a 2,4

D115N 115 H-H-H M12 4.6 140 4,24 15a 3,5

Type C2 [20]

HH-C-48-B 48 H-H-H M12 4.6 150 3,52 15a 4,3

HH-C-117-B 117 H-H-H M20 4.6 150 4,21 15a 3,6

SH-C-48-B 48 S-H-S M12 4.6 150 2,19 15a 6,9

SH-C-117-B 117 S-H-S M20 4.6 150 2,67 15a 5,4

Type C11 [20]

HH-D-50-B 50 H-H-H M12 4.6 150 3,06 15a 4,9

HH-D-115-B 115 H-H-H M24 4.6 150 3,10 15a 4,8

SH-D-50-B 50 S-H-S M12 4.6 150 2,5 15a 6,0

SH-D-115-B 115 S-H-S M24 4.6 150 2,76 15a 6,9

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Nagelplatten

Untersuchungen an Nagelplatten wurden von Kevarinmäki [12] durchgeführt. Hierbei

wurden das plastische Verhalten von Nagelplatten und damit der Einfluss auf Nagelplat-

tenkonstruktionen untersucht. In Anlehnung an die Klassifikation nach Smith et al. [24]

kann den geprüften Nagelplattenverbindungen eine hohe Duktilität zugesprochen werden.

Es ist jedoch ersichtlich, dass sich eine Fließverschiebung bereits in einem frühen Stadium

einstellt, sodass derartige Verbindungen trotz einer Gesamtverformung von nur ca. 3mm

mit einer hohen Duktilität nach Smith et al. [24] bewertet werden.

Tabelle 5: Duktilitätsuntersuchungen an Nagelplatten [4]

tt wt ht uy uf Df [mm] [mm] [mm] [mm] [mm]

Fix [12] 1,3 3,0 13 0,14 3,10 22,1 TOP 91 [12] 1,3 2,8 14 0,33 2,65 8

W [12] 1,75 3,67 14,1 0,21 2,95 14,2

mit:

tt: Plattendicke ht: Höhe des Nagels

wt: Breite des Nagels

In Anlehnung an [33] wird eine Mindestverformbarkeit von 6 mm gefordert, um eine aus-

reichendes Verformungsvermögen sicherzustellen. Daher wird vorgeschlagen, die Klassi-

fizierung nach Smith et al. [24] ebenfalls um die absolute plastische Verformbarkeit Dfy

(Dfy=uf-uy) zu erweitern [15]. Tabelle 6 zeigt einen möglichen neuen Bewertungsansatz

zur Klassifizierung der Duktilität. Dadurch werden Nagelplatten wegen der geringen plas-

tischen Verformbarkeit auch mit einer geringen Duktilität bewertet. Verstärkte Stabdü-

belverbindungen können jedoch aufgrund der ausgeprägten plastischen Verformbarkeit

mit einer hohen Duktilität bewertet werden.

Tabelle 6: Erweiterung der Duktilitätsbeurteilung nach [24]

Klassifikation Duktilitätszahl u=uf-uy

Spröde D ≤ 2 u ≤ 1 mm

Geringe Duktilität 2 < D ≤4 1mm < u ≤ 3 mm

Mittlere Duktilität 4 < D ≤6 3 mm < u ≤ 6 mm

Hohe Duktilität D > 6 u > 6 mm

3. Experimentelle Untersuchungen zur Duktilität

3.1. Einführung

Die Voruntersuchungen haben gezeigt, dass verstärkte Stabdübelverbindungen über ein

ausgeprägtes duktiles Verhalten verfügen. Im Rahmen von experimentellen Untersu-

chungen [14, 15] an duktilen Verbindungen wurden daher ebenfalls verstärke Stabdübel-

verbindungen geprüft. Um jedoch die maximal mögliche plastische Verformung zu erfas-

sen, wurden die Versuche nicht in Anlehnung an [36] bei 15mm abgebrochen, sondern

bis zum Versagen durchgeführt. Das Versagen wurde dabei als reines Anschlussversagen

oder bei einem Lastabfall auf ca. 80 % der Maximalkraft definiert.

Um das Last-Verschiebungsverhalten zu ermitteln, wurden zunächst reine Zugversuche

an verstärkten Stabdübelverbindungen durchgeführt. In einer zweiten Versuchsreihe

wurden die davor geprüften Stabdübelverbindungen im Bereich der Zugzone in einem

biegesteifen Trägeranschluss implementiert und die Anschlussrotationsfähigkeit am Bie-

geträger untersucht.

a Versuch wurde in Anlehnung an [36] bei 15mm abgebrochen

3.2. Materialkennwerte

Sowohl in den reinen Zugversuchen als auch in den Biegeversuchen wurde eine Holzgüte

von GL24h gewählt. Dadurch konnte gewährleistet werden, dass alle Verbindungsmittel

einer Anschlusskonfiguration planmäßig in der gleichen Sortierklasse verankert werden.

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Alle Lamellen wurden vor der Verleimung von der Firma MiCROTEC® GmbH mit dem Qua-

litätsscanner Golden Eye 706 geprüft. Dabei wurde ein mittlerer E-Modul von 12850

N/mm2 mit einem Variationskoeffizient von 15,9 % ermittelt. Die mittlere Rohdichte be-

trug 446 kg/m3, mit einem Variationskoeffizient von 9,1 %. Der ermittelte Variationsko-

effizient des E-Moduls ist damit etwas höher als in [9] mit 13 % als typischer Wert ange-

geben. Die Rohdichte mit einem Variationskoeffizienten von 9,1 % zeigt eine sehr gute

Übereinstimmung mit dem Wert aus [9].

Grundlage zur Bestimmung des Fließmoments bildet derzeit in der Normung [34, 37] die

Zugtragfähigkeit des Stabstahls. Daher wurden zu Beginn der Versuche Zugproben an 16

Proben durchgeführt. Dabei konnte eine Zugfestigkeit des Stabstahls mit einem Durch-

messer von 12 mm von 581 N/mm2 festgestellt werden. Die ermittelte Zugfestigkeit der

Stabdübel mit einer Stahlgüte S235JR liegt also über den Werten nach [28]. Dies wurde

unter anderem auch von [26] und [23] beobachtet. Durch die erhöhte Zugfestigkeit und

der damit verbundenen höheren Tragfähigkeit mussten die Versuche um geplant werden,

um einem spröden Holzversagen im Bereich des Anschlusses im Biegeversuch entgegen-

zuwirken.

3.3. Versuche

Zugversuche

Ziel der Zugversuche war es, das Lastverschiebungsverhalten für verschiedene Stabdü-

belanordnungen an zweischnittigen Schlitzblechverbindungen zu ermitteln. Entgegen der

herkömmlichen Versuchsdurchführung bei Stabdübelverbindungen sollte pro Versuch nur

eine Verbindung geprüft werden, um gezielt das Verformungsverhalten zu ermitteln. Um

dies zu gewährleisten, wurde eine Stahlhaube entworfen, die mittels Vollgewindeschrau-

ben am Kopfpunkt des Versuchskörpers befestigt wurde (vgl. Abb. 5(a)). Diese Art von

Verbindungen besitzt eine hohe Tragfähigkeit sowie eine sehr hohe Steifigkeit.

Es wurden jeweils vier Versuche pro Versuchsreihe durchgeführt. Abbildung 5(b) zeigt die

Mittelwertkurven der drei durchgeführten Versuchsreihen mit einem Durchmesser von

12mm. Um eine Vergleichbarkeit der einzelnen Versuche herstellen zu können, wurden die

Versuchsergebnisse auf die Tragfähigkeit eines Stabdübels, basierend auf den ermittelten

(a) Versuchsaufbau (b) Last-Verschiebungskennlinien von verstärkten Stabdü-belverbindungen Ø 12 mm

Abbildung 5: Zugversuche mit einem Durchmesser von 12 mm

Materialparametern, normiert [34]. Dabei zeigt der Mittelwert der drei Versuchsreihen

eine sehr gute Übereinstimmung der Anfangssteifigkeit und der Tragfähigkeit. Dies bes-

tätigt, dass bei verstärkten Anschlüssen der Reiheneffekt bei in Faser angeordneten

Anschlusskonfigurationen vernachlässigt werden kann [1].

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Tabelle 7 zeigt die Auswertung der beschriebenen Versuche im Hinblick auf das duktile

Verhalten. Es kann gezeigt werden, dass die einzelnen Versuche über eine sehr gute Über-

einstimmung der Verformungseigenschaften verfügen. Die ermittelte Fließverschiebung

stellte sich bei allen Versuchen bei ca. 3,2 mm ein; die Verschiebung beim Versagen betrug

bei den beschriebenen Versuchen ca. 30 mm. Somit können derartige Verbindungen mit

einer Duktilitätszahl Df ≥ 9 mit einer hohen Duktilität bewertet werden [24]. Die charakte-

ristische plastische Verschiebung (uf - uy) von ca. 25 mm zeigt, dass derartige Verbindungen

ein bemerkenswertes duktiles Verformungsverhalten besitzen.

Tabelle 7: Duktilitätsuntersuchungen an verstärkten Stabdübelverbindungen

Stabdübel Holzabmessungen Kennzahlen bild a3,t b1 t1 t2 uy uf Df n m [mm] [mm] [mm] [mm] [mm] [mm]

Stabdübel Ø 12 mm [15]

12_5×2 5 2 90 60 180 85 3,15 28,5 9,1

12_2×4 2 4 90 60 180 85 3,27 31,0 9,5 12_3×3 3 3 90 60 180 85 3,31 30,1 9,1

Biegeversuche

Um die Rotationsfähigkeit von momententragfähigen Anschlüssen zu überprüfen, wurden

Vierpunkt-Biegeversuche durchgeführt (vgl. Abb. 6(a)). Dabei wurde das Biegemoment

in eine Druck- und Zugkomponente aufgeteilt.

Die Druckkraft wurde dabei über eine definierte Druckfläche (180 mm x 65 mm) übertra-

gen. Im Zugbereich wurden die zuvor geprüften Stabdübelverbindungen eingesetzt. Die

Mittelwertkurven der Verdrehungen der linken und der rechten Anschlusses sind in Abb.

7 dargestellt. Alle Verbindungen zeigten mit 140 mrad ein ausgeprägtes Rotationsverhal-

ten. Untersuchungen an Kopfplattenverbindun gen im Stahlbau haben vergleichbare Wer-

te ergeben [21]. Dies zeigt die Leistungsfähigkeit der geprüften Anschlüssen.

Es ist ersichtlich, dass die Stabdübelanordnung einen direkten Einfluss auf das Rotations-

verhalten hat. Bei länglich ausgeführten Stabdübelverbindungen (5x2) ist der Abfall des

plastischen Plateaus ausgeprägter als bei gedrungenen Stabdübelverbindungen (2x4).

Dies ist auf geometrische Bedingungen zurückzuführen, und wird in [5] näher erläutert.

(a) Versuchsträger im verformten Zustand (b) Verformungen am Anschluss

Abbildung 6: Prüfkörper im Biegeversuch

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Abbildung 7: Momenten-Rotationsverhalten der Verbindungen mit einem Stabdübeldurchmesser von 12 mm

3.4. Vereinfachte Ermittlung des Last-Verschiebungsverhalten

Der derzeitige Stand der Normung [34, 37] beinhaltet keine Informationen über das

nichtlineare Verhalten von Verbindungsmitteln. Um das duktile Verhalten anwendbar zu

machen, ist es jedoch unumgänglich das Last-Verschiebungsverhalten vereinfacht zu

beschreiben. Ziel war es, ein möglichst bekanntes, praxisnahes Verfahren einzuführen.

Basierend auf den bekannten Größen der Anfangssteifigkeit und der Tragfähigkeit zeigte

die Anwendung der Methode nach DIN EN 1993-1-8 [32] eine gute trilineare Abbildung

des tatsächlichen Verhaltens (vgl. Abb. 8).

Der erste Abschnitt des trilinearen Verhaltens kann durch die Anfangssteifigkeit (Kser)

[34] beschrieben werden:

RkvFF ,13

2 (2)

d

F

u

Fu

k

Rkv

23

3

2

5,1

,

1

11 (3)

Die Steifigkeit des zweiten Abschnitts wird durch ein Drittel der Anfangssteifigkeit charak-

terisiert. Der zweite Knickpunkt der Kurve kann daher durch folgende Beziehung ermittelt

werden:

RkvFF ,2 (4)

1

,

1

,

1

,

1

,

1

1

12

3

5

3

2

3

1

K

F

K

F

K

F

K

Fu

K

Fuu

RkvRkv

Rkv

Rkv

(5)

Der dritte Abschnitt zeichnet sich als horizontale Linie mit der ermittelten Tragfähigkeit

aus. Abbildung 8 zeigt die Anwendung des beschriebenen vereinfachten Verfahren zur

Ermittlung des nicht linearen Verhaltens. Dabei wurden zwei unterschiedliche Material-

eingangsparameter gewählt. Zum einen die ermittelten Versuchswerte, zum anderen die

Materialparameter basierend auf der Berechnung nach [34]. Aufgrund der hohen ermit-

telten Zugfestigkeit wurde eine Stahlgüte von S355 (fu,k=510 N/mm2) bei der Anwen-

dung von [34] angenommen. Des Weiteren wurde der Mittelwert der Rohdichte

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Abbildung 8: Vereinfachte Darstellung des nicht linearen Anschlussverhaltens (Ø 12mm)

g,mean=420 kg/m3 [30] zur Bestimmung der Tragfähigkeit angesetzt. Aufgrund der gerin-

gen normativ anzusetzenden Materialeigenschaften wird die Tragfähigkeit der Verbindung

in diesem Fall unterschätzt. Die Auswertung basierend auf den gemessenen Materialeigen-

schaften zeigt dagegen eine gute Übereinstimmung der Tragfähigkeit.

4. Sicherstellen des duktilen Verhaltens

4.1. Einführung

Im Rahmen der Versuchsauswertung konnte gezeigt werden, dass die eingesetzten Mate-

rialien einer starken Materialstreuung unterliegen. Die Tragfähigkeit der Verbindungsmit-

tel und des anzuschließenden Holzträgers unterliegt daher ebenfalls starken Streuungen.

Es ist von größter Bedeutung sicherzustellen, dass das duktile Element aktiviert wird,

bevor ein sprödes Versagen des Holzes am Anschluss eintritt.

Das Kapazitätsbemessungsverfahren wurde von Paulay u. Priestley [19] im Zuge von

Erdbebenuntersuchungen an Stahlbeton- und Mauerwerksbauten entwickelt. Dieses Ver-

fahren führt einen Faktor ein, der gewährleistet, dass es zu keinem spröden Systemver-

sagen kommt. Im Rahmen der Untersuchungen [3] wird der Faktor kcs eingeführt, der die

Gefahr eines spröden Holzversagens am Anschluss minimiert. Der Faktor ist definiert als

Abbildung 9: Darstellung des Überfestigkeitsfaktors kcs

der Quotient der Tragfähigkeit des Anschlusses (Rjoint) zur Tragfähigkeit des spröden

Tragelements (Rcs) (vgl. Abb. 9 & Gl. (6)).

ov

cs

cs

jok

M

M 1int

(6)

0,1csk

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4.2. Ermittlung des Überfestigkeitsfaktors

Grundlagen

Grundlage zur Bestimmung des Überfestigkeitsfaktors bildet eine Monte-Carlo Simulati-

on. Die Grundidee der Monte-Carlo Simulation besteht darin, dass basierend auf statis-

tisch streuenden Größen, Zufallsexperimente numerisch durchgeführt werden. Um die

Versagenswahrscheinlichkeit zu ermitteln, wurde eine Grenzzustandsgleichung definiert,

die das spröde Versagen des Holzträgers am Anschluss definiert. Dabei wurde die Trag-

fähigkeit der Stabdübelverbindung und das daraus resultierende Biegemoment als

Trägerbelastung angenommen. Die Grenzzustandsgleichung ist im Allgemeinen in [31]

definiert als:

ERg (7)

Dabei beschreibt R den Widerstand und E die Einwirkung auf ein Tragsystem. Wird die

allgemeine Grenzzustandsgleichung auf die Problemstellung angewendet, so erhält man

folgende Gleichung:

int, jocsMcsconEcsMmnet MXMeFnXfWg (8)

mit:

Wnet : Widerstandsmoment im Nettoquer-

schnitt fm : Biegespannung

XM : Modell Ungenauigkeiten cs : Variable zur Bestimmung von kcs

n : Anzahl der Verbindungsmittel e : Innere Hebelarm

min,conEF

dfMR

tdf

MdtfR

dtfR

kihkyk

ikih

ky

ikihk

ikihk

,,,3,

2

,,

,

,,2,

,,1,

22

14

2

[34]

[35]

[34]

(9)

Um die Grenzzustandsgleichung für verschiedene Materialstreuungen zu lösen, wurde ein

C++ Programm entwickelt, das für jeden Berechnungsschritt 100×108 Rechnungen

durchführt. Pro Berechnungsschritt wurde der Faktor cs variiert, um diverse Zuverläss-

lichkeitsindizes zu ermitteln. Unter Annahme einer Normalverteilung der Ergebnisse der

Grenzzustandsgleichung kann der Zuverlässlichkeitsindex mit

g

g (10)

berechnet werden.

Tabelle 8 zeigt die Eingangswerte und die statistischen Kenngrößen, die der Monte-Carlo-

Simulation zugrunde gelegt wurden. Der Mittelwert der Materialparameter entspricht da-

bei den ermittelten Kenngrößen der Versuche. Die Biegefestigkeit wurde basierend auf

den ermittelten Zugfestigkeiten in Anlehnung an [30] ermittelt.

Des Weiteren wurde die Abhängigkeit der einzelnen Materialkennwerte wie die Korrelati-

on der Biegespannung mit der Rohdichte durch einen Korrelationsbeiwert von 0,6 beach-

tet [9]. Dadurch kann ausgeschlossen werden, dass eine signifikant höhere Stabdübel-

tragfähigkeit in Kombination mit einer niedrigen Biegetragfähigkeit verglichen wird.

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Tabelle 8: Eingangsparamter der Monte-Carlo Simulation

Versuch

Zug- Durch- Dichte

Biege- Breite Höhe XM

festigkeit messer spannng fu [MPa] [mm] kg/m3 fm [MPa] [mm] [mm]

Verteilung

log-normal normal

normal log-normal normal normal

log-normal

[13] [9] [13] [13]

2x4 MW

581

12 441,7 33,8

180

320

1

3x3 MW 449,6 33,9 5x2 MW 440,3 33,4

COV 0,04 [13] 0,001 0,1 [9] 0,15[9] 0,0025 0,0015 0.1

Ergebnisse der Monte-Carlo Simulation

Abb. 10(a) zeigt die ermittelten Zuverlässigkeitsindizes für unterschiedliche cs Fakto-

ren. Es ist ersichtlich, dass die Tragfähigkeit und die Stabdübelanordnung einen direkten

Einfluss auf den Zuverlässigkeitsindizes haben. Die Steigung für eine Stabdübelverbin-

dung mit 2×4 Stabdübeln ist geringer als die Steigung mit einer Anschlusskonfiguration

mit 5×2 Stabdübeln. Dies zeigt, dass die verschiedenen Anschlusskonfigurationen bei

gleichem cs Faktor unterschiedliche Versagenswahrscheinlichkeiten besitzen. Da eine

Anschlusskonfiguration mit 5×2 Stabdübeln eine höhere Tragfähigkeit und einen größe-

ren inneren Hebelarm im Vergleich mit einer Anschlusskonfiguration mit 2×4 Stabdübeln

hat, ist das einwirkende Moment größer und somit die Versagenswahrscheinlichkeit eben-

falls größer.

Um die Zuverlässigkeitsgerade zu standardisieren, muss die bereits im Entwurf des An-

schlusses eingeplante Sicherheit berücksichtigt werden. Um ein sprödes Holzversagen zu

verhindern, wurden die Anschlüsse so geplant, dass eine Sicherheit von 0,5 bis 0,75 ein-

gehalten wurde.

Der standardisierte Überfestigkeitsfaktor kcs kann wie folgt ermittelt werden:

designcs

designjo

cscsM

Mk

,

int, (11)

Dabei werden die beiden Momente des Anschlusses (Mjoint,design) und des Holzträgers

(Mcs,design) basierend auf den Mittelwerten der Eingangsgrößen des Monte-Carlo Simulati-

on bestimmt (vgl. Tab. 8).

In Abbildung 10(b) ist die standardisierte Zuverlässigkeitsgerade mit dem zugehörigen

kcs Faktor abgebildet. Die ermittelte Linie kann mit

cscs65,765,7)( (12)

angenähert werden. Für einen kcs Faktor von 1,0 gibt die standardisierte Gerade einen Zu-

verlässigkeitsindex in Höhe von 0 aus. Dies entspricht eine Versagenswahrscheinlichkeit

von 0,5, und stellt den Fall dar, dass entweder der Anschluss oder der Holzträger versagt.

(a) Faktor cs für unterschiedliche Zuverlässig-

keitsindizes

(b) Standardisierter Factor kcs für unterschiedliche

Zuverlässigkeitsindizes

Abbildung 10: Ermittlung der Zuverlässigkeitsgerade zur Bestimmung des Zuverlässigkeitsindex in Abhängig-

keit der Überfestigkeitsfaktors

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5. Zusammenfassung und Ausblick

Es konnte gezeigt werden, dass Verbindungsmittel im Holzbau generell über ein duktiles

Verhalten verfügen können. Insbesondere zeigten verstärkte Stabdübelverbindungen ein

bemerkenswertes duktiles Verhalten. Dies kann nicht nur unter einer Zugbeanspruchung

aktiviert werden, sondern ebenfalls unter einer Momentenbeanspruchung. Es wurde eine

vereinfachte Methode vorgestellt, die es in der praktischen Anwendung ermöglicht, das

Last- Verschiebungsverhalten von verstärkten Stabdübelverbindungen zu beschreiben.

Dabei ist es unabdingbar sicherzustellen, dass das duktile Verhalten aktiviert wird, bevor

ein sprödes Holzversagen eintritt. Daher wurde, basierend auf einer Monte-Carlo Simula-

tion, eine Zuverlässigkeitsgerade entwickelt, die es ermöglicht, für verschiedene gefor-

derte Versagenswahrscheinlichkeiten einen Zuverlässigkeitsfaktor zu bestimmen.

Weitere Untersuchungen zur Anwendbarkeit der Duktilität im Holzbau werden in [3] un-

tersucht und beschrieben.

6. Danksagung

Das Forschungsvorhaben (16184 N) des internationalen Verein für Technische Holzfragen

e.V. (iVTH e.V.) wurde im Programm zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsfor-

schung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über die AiF finan-

ziert. Hierfür möchten wir uns recht herzlich bedanken.

Des Weiteren möchten wir uns beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) für die För-

derung von [14] bedanken.

Für die Bereitstellung der Versuchsergebnisse zur Bestimmung der Duktilitätszahl möchten

wir uns an dieser Stelle ebenfalls bei allen beteiligten Forschungseinrichtungen recht

herzlich bedanken.

7. Literatur

[1] Bejtka, I.: Verstärkungen von Bauteilen aus Holz mit Vollgewindeschrauben, Uni-versität Karlsruhe, Lehrstuhl für Ingenieurholzbau und Baukonstruktionen, Disser-tation, 2005

[2] Blaß, H.-J. ; Ehlbeck, J. ; Krämer, V. ; Werner, H.: Sicherheitsrelevante Untersu-chungen zum Trag- und Verformungsverhalten von mehreren in Kraftrichtung hin-tereinander liegenden Dübeln besonderer Bauart, Universität Karlsruhe, Versuchs-anstalt für Stahl, Holz und Steine, Abteilung Ingenieurholzbau. 1997.

[3] Brühl, F.: Ductility in timber structures - possibilities and requirements, Institut für Konstruktion und Entwurf, Universität Stuttgart, Dissertation, (in Fertigstel-lung)

[4] Brühl, F.: Untersuchungen zur Verbindungsmittelduktilität. In: Doktorandenkollo-quium - Holzbau Forschung und Praxis, Stuttgart, 2012, S. 39 – 52

[5] Brühl, F. ; Kuhlmann, U.: Requirements on Ductility in Timber Structures. In: Pro-ceedings of the meeting No. 45 of Working Commission W18 - Timber Structures, CIB, Växjö, Schweden, August 2012 (paper No 45-7-5)

[6] Brühl, F. ; Kuhlmann, U. ; Jorissen, A.: Consideration of plasticity within the de-sign of timber structures due to connection ductility. In: Structural Engineer 33 (2011), S. 3007–3017

[7] Glos, P.: Zur Modellierung des Festigkeitsverhaltens von Bauholz bei Druck-, Zug und Biegebeanspruchung, Laboratorium für den konstruktiven Ingeneurbau (LKI), Technische Universität München. 1981 (Heft 61). – Forschungsbericht

[8] Johansen, K. W.: Theory of timber connections. In: IABSE-International Associa-tion for Bridge and Structural Engineering 9 (1949), S. 249–262

[9] Joint Committee on Structural Safety (JCSS): Probabilistic Model Code. Part 3: Resistance Models. 2006 (3.5 Properties of timber).

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[10] Jorissen, A.: Double shear timber connections with dowel type fasteners, Delft University of Technology, The Netherlands, Dissertation, 1998

[11] Jorissen, A. ; Fragiacomo, M.: Ductility in timber structures. In: Proceedings of the meeting No. 43 of Working Commission W18 - Timber Structures, CIB, Nel-son, New Zealand, August 2010 (paper No 43-7-2)

[12] Kevarinmaki, A.: Semi-rigid behaviour of nail plate joints, Helsinki University of Technology, Dissertation, März 2000

[13] Köhler, J.: Reliability of timber structures, Swiss Federal Institute of Technology, Zürich, Dissertation, April 2006

[14] Kuhlmann, U. ; Brühl, F.: Robuste Holztragwerke durch duktile Anschlüsse mit stiftförmigen Verbindungsmitteln, Institut für Konstruktion und Entwurf. 2013. – Forschungsvorhaben im Auftrag des Deutschen Instituts für Bautechnik DIBt

[15] Kuhlmann, U. ; Brühl, F.: Vorteilhafte Bemessung von Holztragwerken durch duk-tile, plastische Anschlüsse, Institut für Konstruktion und Entwurf. 2012. – For-schungsvorhaben im Auftrag der iVTH, gefördert durch die AiF, Forschungsbericht AiF 16184 N

[16] Kuhlmann, U. ; Rölle, L.: Verbundanschlüsse nach Eurocode. In: U. Kuhlmann (Hrsg.): Stahlbaukalender 2010. Ernst & Sohn, Berlin, 2010, Kapitel 5, S. 577 – 642

[17] Mischler, A.: Untersuchungen zum Tragverhalten des SFS WS-Verbindungssystem, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. 2001. – For-schungsbericht

[18] Muñoz, W. ; Mohammad, M. ; Salenikovich, A. ; Quenneville, P.: Need for a har-monized approach for calculations of ductility of timber assemblies. In: Procee-dings of the meeting No. 41 of Working Commission W18 - Timber Structures, CIB, St. Andrews, Canada, August 2008

[19] Paulay, T. ; Priestley, M.J.N.: Seismic design of reinforced concrete and masonary buildings. John Wiley & Sons, Inc., 1992

[20] Reyer, E. ; Bretländer, Th. ; Linzner, P.: Untersuchungen über die mögliche Über-tragung von Scher- und Lochleibungskräften durch die Gewindebereiche von Passbolzen bzw. Gewindestangen, Lehrstuhl für Baukonstruktionen, Ingenieur-holzbau und Bauphysik, Ruhr-Universität Bochum. 1993. – Forschungsbericht

[21] Rölle, L.: Das Trag- und Verformungsverhalten geschraubter Stahl- und Verbund-knoten bei vollplastischer Bemessung und in außergewöhnlichen Bemessungssi-tuationen, Mitteilungen des Instituts für Konstruktion und Entwurf, Nr. 2013-1, Diss., Juni 2013

[22] Sandhaas, C.: Mechanical behaviour of timber joints with slotted-in steel plates, Delft University of Technology, The Netherlands, Dissertation, 2012

[23] Schickhofer, G. ; Augustin, M. ; Jeitler, G.: Einführung in die Verbindungstechnik mit Stabdübeln, Schrauben und eingeklebten Stahlstangen. In: 6. Grazer Holz-bau- Fachtagung, 2007

[24] Smith, I. ; Asiz, A. ; Snow, M. ; Chui, I.H.: Possible Canadian/ISO approach to deriving design values from test data. In: Proceedings of the Meeting No. 39 of Working Commission W18 - Timber Structures, CIB, Florence, Italy, August 2006

[25] Stüssi, F.: Gegen das Traglastverfahren. In: Schweizerische Bauzeitung 80. Jahr-gang, Heft 4 (1962), Januar, S. 53f

[26] Werner, H.: Tragfähigkeit von Holz-Verbindungen mit stiftförmigen Verbindungs-mitteln unter Berücksichtigung streuender Einflussgrößen, Universität Fridericiana zu Karlsruhe, Dissertation, Dezember 1993

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8. Normen

[27] DIN 18800-1: Stahlbauten Teil 1: Bemessung und Konstruktion. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., 2008

[28] DIN EN 10025-2: Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen - Teil 2: Technische Lieferbedingungen für unlegierte Baustähle; Deutsche Fassung EN 10025-2:2004. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., 2005

[29] DIN EN 12512: Holzbauwerke - Prüfverfahren - zyklische Prüfungen von Anschlüs-sen mit mechanischen Verbindungsmitteln. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN), 2005

[30] DIN EN 14080: Holzbauwerke - Brettschichtholz und Balkenschichtholz - Anforde-rungen; deutsche Fassung EN 14080:2013. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN), 2013

[31] DIN EN 1990: Eurocode 0: Grundlagen der Tragwerksplanung. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN), 2010

[32] DIN EN 1993-1-8: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-8: Bemessung von Anschlüssen. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V., 2010

[33] DIN EN 1994-1-1: Eurocode 4: Bemessung und Konstruktion von Verbundtrag-werken aus Stahl und BetonTeil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln, Bemessungs-regeln für den Hochbau. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN), 2010

[34] DIN EN 1995-1-1: Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten-Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau. DIN Deutsch-es Institut für Normung e.V., 2010

[35] DIN EN 1995-1-1/NA: Nationaler Anhang - Eurocode 5: Bemessung und Konstruk-tion von Holzbauten-Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., 2013

[36] DIN EN 26891: Holzbauwerke - Verbindungen mit mechanischen Verbindungsmit-teln, Allgemeine Grundsätze für die Ermittlung der Tragfähigkeit und des Verfor-mungsverhaltens. DIN-Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN), 1991

[37] SIA 265:2012: Holzbau. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, 2012