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E-Paper Heinrich-Böll-Stiftung Die grüne politische Stiftung www.boell.de Schmutzige Geschäfte Deutsche Investitionen im Bergbausektor Von Roger Moody Übersetzt von Jochen Schimmang Berlin, Februar 2015

E-Paper bergbau deu 20150227 - Heinrich Böll Foundation · 2019-09-13 · Diese stellten erhebliche Mittel für die Erschließung und Aus-beutung einheimischer Minen bereit. Mit

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E-Paper

Heinrich-Böll-Stiftung

Die grüne politische Stiftung www.boell.de

Schmutzige Geschäfte

Deutsche Investitionen im Bergbausektor

Von Roger Moody Übersetzt von Jochen Schimmang Berlin, Februar 2015

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Inhaltsverzeichnis

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 2 -

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen ................................................................................................................. 4  

Schmutzige Geschäfte – Einführung ........................................................................... 5  

Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen ................................................................. 6  

Versorgungsrisiken laut Analyse der Europäischen Kommission ............................ 6  

Deutschlands länderübergreifende Zusammenarbeit .............................................. 7  

Die wahren Kosten bestimmen ................................................................................ 8  

Das China-Syndrom .............................................................................................. 10  

Zweiter Teil: Was Deutschland sucht – und wo ....................................................... 11  

Dritter Teil: Investitionswege ..................................................................................... 12  

Vierter Teil: Finanzierungen im Bergbau 2014 und darüber hinaus ....................... 15  

Fünfter Teil: Eine Fülle von Spekulationen – und Betrug ....................................... 17  

Verheerende Derivate ............................................................................................ 17  

Die Rolle der Deutschen Bank ............................................................................... 19  

Sechster Teil: Noch mehr zwielichtige Geschäfte ................................................... 20  

a) ETFs und CIFs .................................................................................................. 20  

Hedgefonds – die deutsche Position ..................................................................... 21  

Private Equity Fonds (Kapitalbeteiligungsfonds) ................................................... 22  

Siebter Teil: Stufen der Gefährdung .......................................................................... 23  

Die Definition von kritischer Versorgungslage – eine fragwürdige Sache ............. 24  

Gibt es ein Land, das „sicher“ ist? ......................................................................... 24  

Kanada und Australien .......................................................................................... 24  

Konflikte in Südafrika ............................................................................................. 25  

Russland und die Sanktionen ................................................................................ 25  

Der Rest der Welt .................................................................................................. 26  

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Achter Teil: Die Regeln funktionieren nicht .............................................................. 27  

Internationale Verpflichtungen ............................................................................... 27  

Indigene Völker und „Versorgungsrisiken“ ............................................................. 28  

Staatliche Pensionsfonds und Staatsfonds ........................................................... 30  

Neunter Teil: In der Schusslinie ................................................................................. 31  

Einige zweifelhafte Bergbauprojekte,

die von deutschen Finanzinstituten unterstützt werden ......................................... 31  

KfW IPEX-Bank ..................................................................................................... 31  

KfW-DEG ............................................................................................................... 33  

Zehnter Teil: Deutschlands Rohstoffpartnerschaften –

Sind sie das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen? .................................. 35  

Versorgung mit Rohstoffen .................................................................................... 35  

Exportgeschäft ....................................................................................................... 36  

Soziale Konflikte .................................................................................................... 36  

Kasachstan ............................................................................................................ 37  

Mongolei ................................................................................................................ 38  

Elfter Teil: Förderung der „nachhaltigen“ Entwicklung? –

Die widersprüchlichen Stellungnahmen von GIZ, BMBF, BMZ und BGR .............. 40  

Zusammenarbeit bei der Entwicklung .................................................................... 41  

Die UN-Millenniumsentwicklungsziele ................................................................... 42  

Schlussfolgerungen .................................................................................................... 44  

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Abkürzungen

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 4 -

Abkürzungen BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung CIF Commodity Index Fund / Rohstoffindexfonds DERA Deutsche Rohstoffagentur EC European Commission / Europäische Kommission ETF Exchange-Traded Fund / Börsengehandelter Fonds FONA Forschung für Nachhaltigkeit GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit gtai German Trade and Invest(ment) IPO Initial Public Offering / Erstemission LME London Metal Exchange

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Schmutzige Geschäfte – Einführung

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 5 -

Schmutzige Geschäfte – Einführung Dieser Text informiert über die Rolle deutscher Finanzinstitutionen bei der Erschließung von Rohstoffen – vornehmlich in Übersee – und über die sozialen und ökologischen Folgen die-ser Aktivitäten. Untersucht werden deutsche Bankdarlehen und Fremdfinanzierungen für Bergbaugesellschaften, die damit verbundene Ausgabe von Unternehmensanleihen und Wandelanleihen sowie die direkte Kapitalbeteiligung (Aktien und Wertpapiere) bei Bergbau-ausrüstungen durch deutsche Banken, Börsenmakler und andere. Aufgezeigt werden auch die damit verbundenen finanziellen, ökologischen und sozialen Risiken. Der Text beruht auf Informationen der Website From Money to Metal, (http://moneytometal.org/index.php/ From_Money_to_Metal), die von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Netzwerk Mines and Communities gehostet wird.

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Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 6 -

Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen

Versorgungsrisiken laut Analyse der Europäischen Kommission Im Juni 2010 benannte die Europäische Kommission 40 wirtschaftlich wichtige Rohstoffe, bei denen es für EU-Mitgliedsstaaten Versorgungsrisiken geben könnte. Vierzehn von ihnen wurden als besonders wichtig angesehen: Antimon, Beryllium, Fluorit, Gallium, Germanium, Graphit, Indium, Kobalt, Magnesium, Niobium, Metalle der Platinumgruppe, seltene Erdme-talle, Tantalum und Wolfram.1 Die Europäische Kommission wies jedoch darauf hin, dass „bei der Diskussion der Liste Beschränkungen und Unsicherheiten bei den vorliegenden Zah-len [...] mit einbezogen werden sollten. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass alle Rohstoffe, auch wenn die Versorgung damit nicht kritisch ist, für die europäische Wirtschaft wichtig sind“. Aufgrund dieser reichlich schwammigen Formulierung könnte man sich fragen, warum nicht einfach eingestanden wird, dass der gegenwärtige Forschungsstand nicht ausreicht? Warum nicht zugeben, dass ein bestimmtes Metall, von dem es einmal heißt, es gebe einen Versor-gungsengpass, zu einem anderen Zeitpunkt ausreichend oder sogar im Überfluss vorhanden sein kann? Und dass es keine allgemein anerkannten Kriterien dafür gibt, wann das der Fall ist? Der Report der Europäischen Kommission ist mit seinen Informationen darüber, welche Länder über bestimmte Metalle verfügen und wie es mit der derzeitigen Verfügbarkeit aus-sieht, immer auf dem neuesten Stand. Aber er klärt nicht darüber auf, welche sozialen und politischen Auswirkungen die Erschließung dieser Rohstoffe hat. Bei der Benennung der zweitwichtigsten Komponente zur Einschätzung eines kritischen Zustands (die wichtigste heißt „wirtschaftliche Wichtigkeit“) strauchelt der Report spektakulär. „Versorgungsrisiko – Schlechte Regierungsführung“, so heißt es da, liege vor, wenn die Gewinnung von Roh-stoffen z. B. durch politische Instabilität behindert oder unterbrochen werde.2 Mehr nicht. Es gibt jedoch zahlreiche andere Faktoren, die Bergbaugesellschaften daran hindern kön-nen, an ihre Vorkommen zu gelangen – angefangen von widrigen Umweltereignissen wie Zyklone oder Stürme bis zur massenhaften Verweigerung oder Kündigung durch die Arbei-ter; gar nicht zu reden von direkten Aktionen seitens lokaler Gemeinschaften mit dem Ziel, ein Projekt ganz zu stoppen. Die Studie der Europäischen Kommission erwähnt flüchtig den sogenannten Ressourcennationalismus, der zum „Rückgang der Versorgung durch die wich-tigsten Lieferanten auf der Welt“ beitragen „und das Risiko der Unterbrechung der Lieferkette vergrößern“ kann. Es gibt jedoch weder Ansätze, diese Risiken zu quantifizieren, noch Stra-tegievorschläge, wie man sie eindämmen könnte.

1 Europäische Kommission, „Report on Critical Materials for the EU:

Report of the Ad Hoc Working Group on Defining Critical Raw Materials“, Mai 2014, p. 3. 2 Europäische Kommission, „Report on Critical Materials“, p. 21.

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Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 7 -

Das deutsche Vorgehen in Bezug auf die „kritische Rohstofflage“ Im März 2013 setzte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in seinem „Programm zur Sicherung der Versorgung Deutschlands und der EU mit wichtigen nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen“ dieselben vierzehn Metalle auf die Prioritätenliste wie drei Jahre zuvor die Europäische Kommission.3 Ungefähr zur selben Zeit hat die Europäische Kommission ihre frühere Liste um Borate, Kokskohle, Magnesite, Silikon und Phosphate erweitert und teilte die seltenen Erdmetalle in „schwere“ und „leichte“ ein.4 Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) ihrerseits hat bis heute 21 Rohstoffinformationen veröffentlicht, in denen versucht wird, verschiedene Fragen zur Mineralversorgung zu erörtern. Obwohl manche dieser Texte gut recherchiert sind, enthalten bis Oktober 2014 nur sieben von ihnen eingehende Untersuchungen, von denen fünf Metallen gelten, die auch im Pro-gramm des BMWi erwähnt werden – Antimon, Kupfer, Zinn, Wolfram und Zirkon. Sehr knap-pe zusammenfassende Papiere hat auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zu Kupfer, Zinn, Zirkon, Antimon, seltenen Erdmetallen, Chromit und Alu-minium/Bauxit veröffentlicht.

Deutschlands länderübergreifende Zusammenarbeit Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) schloss sich mit verschiedenen Handelskammern in der ganzen Welt und mit German Trade and Invest (gtai) zusammen, um vier Länder zu be-stimmen, mit denen sie für eine gewisse Zeit zusammengearbeitet hat: Kanada, Chile, Russ-land und Südafrika. 2013 wurden zwei ausführliche Studien über ein mögliches deutsches Engagement in den Mineralbergbaugebieten Südafrikas und Australiens veröffentlicht, und im Juli 2014 eine über Peru. Die deutsche Regierung hat ebenfalls drei Verträge zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Mineralbergbaus mit den Regierungen der Mongolei (Oktober 2011), Kasachstans (Februar 2012) und Perus (Juli 2014) abgeschlossen. Eine ähnliche Vereinbarung zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Ministerium für Bergbau in Chile wurde im Januar 2013 unterzeichnet. Als Gegenleistung für den Zugang zu den Rohstoffen dieser Länder bietet die deutsche Regierung „technische Unterstützung“ an, die nicht nur darauf zielt, die Bergbautechnik zu verbessern, sondern auch darauf, die Importe von Produkten deutscher Hersteller und Ingenieurfirmen in diesen Ländern zu erhöhen. Dies wird bei der Umsetzung dieser Vereinbarungen – und vieler folgender –, für viele Bürger in den Partnerländern nachweisbar negative Folgen haben.

3 Vgl. online http://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DERA/DE/

Downloads/pdac_2014_bgr_steinbach.pdf?-blob=publicationFile 4 Europäische Kommission, „Report on Critical Materials“.

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Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 8 -

Die deutschen Rohstoffinformationen mögen ein bisschen verwirrend erscheinen. Man könnte fragen: Für was werden diese Stoffe gebraucht? Warum werden manche kritischer eingeschätzt als andere? Wenn sich für deutsche Hersteller die Prioritäten verschieben, wird dann nicht auch die Nachfrage nach manchen Metallen steigen oder auch sinken? Und: Sicher werden viele Metalle bei niedrigen Preisen gekauft und dann gelagert. Werden sie jemals verwendet werden? Leider bekommen wir von der DERA oder der BRG wenig Hilfe bei der Antwort auf diese Fragen. Viele ihrer Daten sind überholt (gehen zurück bis 2012), und einige Analysen sind nicht besonders hilfreich. Nehmen wir das DERA-Papier Ursachen von Preispeaks, -einbrüchen und -trends bei mineralischen Rohstoffen aus dem Jahr 2013, das vorgibt, eine detaillierte Studie über Preistrends bei wichtigen Metallen zu sein. Die Schlussfolgerungen könnte irgendein Kaufmann auf einem herumliegenden Blatt Papier notiert haben: „Die ge-genwärtigen Preisspitzen sind einem starken Anstieg auf der Nachfrageseite geschuldet. Die Produktion von Metallen geht zu langsam voran. […] Preistrends werden durch weltweite Trends und Änderungen in der Nachfrage bewirkt. Solche Erschütterungen haben ihre Ursa-che meist in neuen Technologien und sind nicht vorhersagbar. […] Die Preise werden jedoch fallen, wenn die Nachfrage nachlässt.“ DERA versäumt es offensichtlich, einige übergeordnete Einflüsse auf die weltweiten Metall-preise und die Verfügbarkeit der Metalle in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Auch für die Bergbaugesellschaften gibt es Schranken, wohin sie gehen und was sie fördern können. Diese sind nicht nur auf ökonomische Begrenzungen wie steigende Arbeitskosten, Erschlie-ßung der Standorte, technologische Inputs und Bereitstellung von Infrastruktur zurückzufüh-ren; auch politische Entscheidungen spielen eine wichtige Rolle. Deutschlands Verzicht auf Atomenergie wird den Import von Uran um 3800 Tonnen im Jahr reduzieren5 – das sind etwa 6% der weltweiten Fördermenge.6 Zudem geht DERA nur oberflächlich auf die Notwendigkeit ein, ein industrielles Metall durch ein anderes zu ersetzen. Auch die essentielle Rolle, die ein erheblich verbessertes Recycling und die Wiederverwendung von Metallen für die Verfüg-barkeit von Metallen spielen, findet kaum Beachtung. (Die Studie der Europäischen Kommis-sion aus dem Mai 2014 versucht wenigstens ansatzweise, darauf einzugehen.)

Die wahren Kosten bestimmen Vor 25 Jahren wurde allgemein befürchtet, dass ein Großteil der verfügbaren Minerale schnell erschöpft sein würde, wenn sie weiter im gegebenen Tempo gefördert werden wür-den. Eine kleine Anzahl von Wirtschaftsexperten nahm jedoch die gegenteilige Position ein und wies darauf hin, dass immer dann neue Fördertechnologien entwickelt und finanziert wurden, wenn ein ausreichender Bedarf vorlag. So konnten Bergbaugesellschaften zuvor unzugängliche Lager erschließen oder aber solche, deren Ausbeutung bisher als zu kost-spielig oder zu unergiebig angesehen worden war.

5 Siehe online: http://world-nuclear.prg/info/Country-Profiles/Countries-G-N/Germany 6 Siehe online: http://www.world-nuclear.org/info/NUclear-Fuel-Cycle/Uranium-Resources/

Suplly-of-Uranium

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Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 9 -

Sicher hat es in den beiden letzten Jahrzehnten eine Menge Fortschritte in den Methoden des Bergbaus gegeben – und dabei sind die Möglichkeiten der Förderung riesiger Mengen an Metallen vom Meeresboden oder unter dem arktischen Eis noch gar nicht mit eingerech-net. Der Tiefseebergbau polymetallischer (manganhaltiger) Krusten und Knollen ist Teil des vom BMWi entwickelten „Nationalen Masterplans für Maritime Technologien“, während Untersuchungen zum Rohstoffpotential der Arktis noch im Gange sind. Dennoch sind die Fördermengen vieler Metalle im Laufe des letzten halben Jahrhunderts unaufhaltsam gefal-len und fallen weiter. Heute sind, verglichen mit vor 100 Jahren, erheblich größere Investi-tionen nötig, um die Fördertechniken weiterzuentwickeln, die Minen mit Energie zu versor-gen, den Ansprüchen der Arbeiter gerecht zu werden und eine entsprechende Infrastruktur zu entwickeln. Bis in die 1990er Jahre wurde ein Großteil des weltweiten Bergbaus von den Regierungen kontrolliert und subventioniert. Diese stellten erhebliche Mittel für die Erschließung und Aus-beutung einheimischer Minen bereit. Mit wenigen Ausnahmen (insbesondere den Kupferpro-duzenten Codelco in Chile und einigen staatseigenen Unternehmen in China) trifft das nicht mehr zu. Die Privatunternehmen haben im Bergbau die Rolle der Regierungen eingenom-men. In jüngster Zeit haben weltweit operierende Rohstoffhändler wie Glencore, Trafigura und Noble einen wesentlichen Teil dessen übernommen, was früher ausschließliche Domä-ne der Bergwerksunternehmen war. Diese Rohstoffhändler besitzen und betreiben jetzt ihre eigenen Minen. Auf dem Seeweg sind sie die wichtigsten Lieferanten von Massengütern wie Kohle, Eisen, Mangan, Nickel und Phosphaten und gehören zu den wichtigsten Entscheidern über den Preis, den Regierungen (auch die deutsche) für die Metalle und Minerale zahlen müssen. Es verwundert nicht, dass das Mining Journal im Juli 2014 zu dem Urteil kam, dass Glencore – der größte Metallhänd-ler der Welt – sich „in eine Art Bank verwandelt, da die Banken selbst sich aus dem Roh-stoffhandel zurückgezogen haben. […] Glencore und (andere) Händler erhalten ein Entgelt für die Abwicklung des Geschäfts, und sie haben außerdem Zugang zu den Rohstoffen, wofür sie ein zusätzliches Entgelt erheben können.“7 Die Bergbauindustrie erfährt nun eine große Herausforderung – die größte seit Jahrzehnten, denn Beschränkungen in der Finanzierung zwingen die Unternehmen, den Gürtel enger zu schnallen. Zur Zeit sind die Märkte von den Fördermengen geradezu überschwemmt, insbe-sondere bei Eisenerzen und Kohle. Selbst wenn der Markt dies wieder reguliert, gibt es keine Garantie, dass die Bergbauindustrie in der Lage sein wird, ihre Förderung so der Nachfrage anzupassen, wie dies seit dem frühen 20. Jahrhundert der Fall war. Im Ganzen wird der Markt nicht zusammenbrechen – obwohl viele kleinere Bergbauunter-nehmen bereits kapitulieren mussten –, aber er wird gezwungen, sich auf eine Art und Weise neu zu ordnen, die niemand vorhersehen kann.

7 Mining Journal , 25. Juli 2014

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Erster Teil: Die Sicherung von Rohstoffen

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Das China-Syndrom Seitdem sich China 2001 der Welthandelsorganisation angeschlossen hat, war der angeb-liche Heißhunger des Landes nach Mineralen die treibende Kraft der riesigen Geldmengen, die in den weltweiten Bergbau gesteckt wurden. Chinas Nachfrage nach einigen wichtigen Mineralen und Metallen ließ jedoch schon 2012 nach, und in den letzten zwölf Monaten ist sie noch weiter zurückgegangen (besonders, aber nicht nur, nach Kohle und Eisen). Dieser Rückgang ist zu großen Teilen auf die wachsende Empörung der Bevölkerung angesichts der inakzeptablen Luftverschmutzung zurückzuführen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Gesamtbedarf des Landes an Metallen und Rohstoffen noch einmal ein so hohes Niveau wie in den Jahren zwischen 2002 und 2012 erreichen wird. Das Regime hat nicht nur die Menge der Rohstoffimporte begrenzt, auch für den Export so-wohl von Rohstoffen wie von Fertigprodukten gelten Restriktionen. Welche Auswirkungen diese Politik auf Deutschlands eigenen prognostizierten Rohstoffbedarf haben wird, bleibt abzuwarten, ist jedoch von erheblicher Bedeutung. Nicht nur, wegen der verfügbaren Mittel für die Finanzierung des Bergbaus insgesamt. Auch der Zugang zu einigen der Metalle, die Deutschland und andere Länder von China erwarten, könnte bedeutend erschwert werden. China hat z. B. bei Weitem die größten bekannten Reserven an Seltenen Erden (deren deut-sche Versorgungslage wird von der KfW-IPEX-Bank als kritisch eingeschätzt). China ergänzt seine Bestände noch durch den Import von Erzen aus Seltenen Erden aus Kasachstan. Was aber würde passieren, wenn es der Pekinger Führung gelänge, das bis heute über-stürzte wirtschaftliche Wachstum des Landes zu zügeln? Wenn sie zum Beispiel den Abbau von Elementen aus Seltenen Erden zurückfahren würde, was würde das für den Rest der Welt bedeuten?8 Die Lektion für Deutschland lautet gewiss, dass es die Abhängigkeit von der Metallförderung dramatisch verringern muss, indem es mehr Geld und Forschung in die Erhaltung, das Re-cycling und die Wiederverwendung von Mineralen steckt. FAZIT: Das deutsche Beschaffungsprogramm für Rohstoffe geht von unzutreffenden Zahlen und zweifelhaften Annahmen aus und bezieht die neuesten Veränderungen in der weltweiten Bergbauindustrie nicht mit ein.

8 Europäische Kommission, „Report on Critical Materials“, p. 12.

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Zweiter Teil: Was Deutschland sucht – und wo

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Zweiter Teil: Was Deutschland sucht – und wo Die deutsche Rohstoffbeschaffungspolitik ist noch immer in der Entwicklung. Es müssen jedoch jetzt wichtige Entscheidungen im Hinblick darauf getroffen werden, bei welchen Me-tallen und Rohstoffen die Versorgungslage eng ist, wie viel davon gebraucht wird und aus welchen Ländern sie geholt werden sollen. Es versteht sich von selbst, dass die Kosten des Beschaffungsprogramm gründlich bewertet werden – ein Punkt, der bei den derzeitigen Überlegungen die zentrale Rolle spielt. Dies kann und darf aber nicht getrennt von einer Einschätzung der sozialen und ökologischen Folgen für die Bevölkerung in jenen Ländern geschehen, aus denen die Minerale bezogen werden sollen. Politische Entscheidungen jen-seits der deutschen Grenzen (sogar außerhalb der Grenzen der Europäischen Union) wer-den ebenfalls einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie die Rohstoffpolitik sich entwi-ckelt. Bergbau hat immer nachteilige Folgen für lokale Gemeinschaften, ihren Lebensunterhalt und die Biosphäre. Dies gilt auch für den Lebenszyklus der geförderten Rohstoffe: wenn sie aus der Grube kommen, verarbeitet und veredelt werden und schließlich als Fertiggüter enden. Die zu große Abhängigkeit von extraktiven Industrien kann die anderen Entwicklungsziele eines Staates erheblich verzerren – der sogenannte Fluch der Ressourcen.9 Natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit. Weltweit sind bis zu 36 Millionen Arbeiter in Bereichen beschäftigt, die mit dem Bergbau zusammenhängen (obwohl viele Jobs bei Subunternehmen mit äußerst geringen Löhnen anfallen). Weitere sechs Millionen leben von der Förderung im kleinen Maßstab. Außerdem wird ein stetig wachsender Teil der globalen neuen Infrastruktur – Kraftwerke, Straßen, Eisenbahnen, Exporthäfen – von Bergbauunternehmen gebaut, die diese Infrastruktur mit anderen, darunter Bauern und örtliche Produzenten, teilen müssen. Grundsätzlich ist der Mineralbergbau jedoch von der Ausbeutung endlicher Ressourcen abhängig, die nicht ersetzt werden können. Wenn die Minerale in Fertigprodukte wie Stahl, Zement und Aluminium verwandelt werden, tragen diese Ressourcen spürbar zur weltweiten Emission von Treibhausgasen bei. Die Verbrennung von Kohle zur Elektrizitätserzeugung gilt weithin als der größte einzelne Klimaschädling. Diese und andere Passivposten müssen voll eingerechnet werden, wenn man die praktischen Grundlagen des deutschen Rohstoffbe-schaffungsprogramms festlegt. Während deutsche Banken traditionelle Finanzierungen für den Bergbau anbieten – und davon profitieren –, sind sie und ihre Fondsmanager durchaus auch mit zweifelhaften Finan-zierungsinstrumenten vertraut und bieten ihren Kunden hochriskante Finanzprodukte an. Es gibt eine signifikante deutsche Beteiligung am Handel mit Finanzderivaten, beim Handel mit metallischen Rohstoffen und beim Management von börsengehandelten Investmentfonds (Exchange-Traded Funds = ETFs) und Commodity Index Funds (CIFs) (siehe ab Seite 20).

9 Vgl. Roger Moody, Rocks & Hard Places: The Globalisation of Mining (London: Zed Books,

2007), pp. 43-69.

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Dritter Teil: Investitionswege

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In der Praxis werden sie alle als Teil dessen missbraucht, was seit 2008 als Schattenban-kensystem bekannt geworden ist. Zwar stimmt es, dass die deutsche Regierung zusammen mit vielen anderen derzeit am Entwurf der Basel III-Vereinbarung arbeitet, die die Exzesse und illegalen Aktivitäten des Bankensektors einschränken soll. Alle Regelungen, die aus dieser Vereinbarung hervorge-hen werden, haben jedoch den Charakter der Freiwilligkeit, und man geht nicht davon aus, dass sie vor dem Jahr 2019 komplett stehen werden. Die Schlüsselfiguren im Finanzdienst-leistungssektor haben deshalb alle Freiheit, eine verwirrende Zahl von Produkten anzubieten und neu zu erfinden, von denen eine erhebliche Anzahl hochtoxisch ist – auch und gerade im Bergbausektor. FAZIT: Eine Bewertung der wirtschaftlichen Kosten des deutschen Rohstoffpro-gramms kann nicht getrennt von der Einschätzung der sozialen und ökologischen Kosten der Förderung vorgenommen werden.

Dritter Teil: Investitionswege Die Fakten liegen offen: Die weltweiten Bergbauunternehmen sind darauf angewiesen, Kun-den zu gewinnen, die für ihre Metalle und Rohstoffe einen Preis zu zahlen bereit sind, der die Kosten der Förderung und darüber hinaus eine Dividende an die Shareholder und die Suche nach neuen Vorkommen deckt. In den vergangenen zwanzig Jahren hat die Bergbauindust-rie sich mehr und mehr auf Randgebiete und Schwellenländer konzentriert, wie etwa die Mongolei, die fünf zentralasiatischen Länder, die als die „Stans“ bekannt sind (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan [Anm. d. Ü.]), sowie die ostafrikani-schen Länder. In jüngerer Zeit haben manche Unternehmen ihre Aufmerksamkeit auf das mineralische Potential der Tiefsee wie auch der möglichen Vorkommen unterhalb des Arktis-gürtels gerichtet. Trotzdem werden die größten Mittel heute für die Erkundungs- und Erschließungskosten in traditionellen Bergbauregionen – in Australien, Kanada, den Vereinigten Staaten und Chile – bereitgestellt. Diese Regionen haben auch nach Einschätzung des Bergbaus selbst das größte Investitionspotential. Solche Kosten werden im Normalfall aus dem Budget des Un-ternehmens bestritten. Speziell bei größeren Projekten werden aber auch einer oder mehre-re der folgenden Wege beschritten: ▬ Kreditaufnahme (Fremdfinanzierung) ▬ Ausgabe einer Unternehmensanleihe ▬ Ausgabe einer oder mehrerer Anteilstranche(n) ▬ Sicherungs- oder Revolvingkredit ▬ Commodity-for-loan transaction

(kurzfristige Finanzierung des Transports von Rohstoffen durch Banken [Anm. d. Ü.])

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Dritter Teil: Investitionswege

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Im Gegenzug können Fondsmanager ein Wertpapierpaket (Aktien und Anteile) im Unter-nehmen kaufen oder schon vorhandene Anteile vergrößern. Im Allgemeinen sind auch Pen-sionsfonds (auch staatliche Fonds) gehalten, ihre Investitionen über verschiedene Sektoren zu streuen und die „Blue Chip“-Bergbauunternehmen – wie die Top Ten, die auf dem Finan-cial Times 100 Index stehen – in ihre Portfolios aufzunehmen. Alle großen deutschen Ban-ken und einige Versicherungen halten Anteile an Bergbaugesellschaften: Allianz, BayernLB, Black-Rock Germany, Commerzbank, DekaBank, Deutsche Bank, DZ Bank, Münchner Rück und die staatliche KfW IPEX-Bank. Die wachsende Anzahl sogenannter ethischer Fonds mag Investitionen in den Bergbau ins-gesamt oder in bestimmte Sektoren wie Kohle und Stahl scheuen. Dennoch werden einige der größten solcher Fonds von Großbanken gemanagt, die bei solchen Investitionen keine Skrupel kennen. Die größeren Banken und Investoren (dazu gehören die Deutsche Bank, die Commerzbank und die Allianz) agieren auch als Makler für die Anteilsausgabe und arbeiten ebenso für Unternehmen, die einen Börsengang planen. Sie können eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung des Verkaufsprospekts für die Erstemission (Initial Public Offering = IPO) spielen, der potentielle Investoren über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und seine Verbindlichkeiten sowie über die ökologischen Risiken informieren soll. (In Deutsch-land hat es in letzter Zeit keine mit dem Bergbau verbundenen IPOs gegeben.) Von ihren Bankern beraten, wählen diese Unternehmen eine oder mehrere Börsen aus, an denen sie geführt werden wollen – wobei die bevorzugte Börse London ist, gefolgt von Hongkong, Toronto, Sydney und New York. Unter Umständen lassen sie sich an einer oder mehrerer dieser Börsen auch nachrangig listen. In dieser Hinsicht ist die Frankfurter Börse für eine beachtliche Anzahl von Bergbauunternehmen ein wichtiger Platz. Das verschafft ihnen Zugang zu deutschen wie zu anderen europäischen Investoren. Im Mai 2014 waren 77 Bergbau- und Metallunternehmen mit ihrem zweiten Eintrag an der Frankfurter Börse registriert. Der Export-Kreditversicherer der deutschen Bundesregierung, Euler Hermes AG, bietet ein-heimischen Firmen, die Betriebsmittel für den Bergbau an Bergbauunternehmen im Ausland liefern, zusammen mit der PriceWaterhouseCoopers AG Kreditgarantien und Absicherung gegen politische Risiken an. Diese Absicherung erstreckt sich auf eine ganze Reihe von möglichen Risiken und Verlusten, wie etwa staatliche Enteignung von Firmeneigentum und Kriegshandlungen. Im Jahr 2014 hat die deutsche Regierung 175 Milliarden Euro für die Exportunterstützung in ihrem Haushalt eingeplant. Die KfW IPEX-Bank spielt in diesem Finanzuniversum eine ganz einzigartige Rolle. Zusätz-lich zur angebotenen Projektfinanzierung und zu mittel- und langfristigen Krediten für Inves-titionen bietet sie auch Kreditgarantien für den Export und Absicherungen gegen politische Risiken an. Die Bank ist besonders besorgt über das, was sie die „Gefährdung“ der deut-schen Wirtschaft wegen des Mangels an eigenen Rohstoffressourcen nennt. Vor drei Jahren

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Dritter Teil: Investitionswege

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hat KfW IPEX begonnen, diese Risiken zu analysieren, „unter Berücksichtigung des wach-senden weltweiten Bedarfs durch den Einsatz von Zukunftstechnologien“.10 Eine vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) und von adelphi durchgeführte Untersuchung, veröffentlicht am 10. Oktober 2011, listete 52 Rohstoffe auf, die unter dem Aspekt ihrer zukünftigen Verfügbarkeit analysiert wurden. Dreizehn davon wurden als „kritisch“ oder „sehr kritisch“ bewertet. (Zu den letztgenannten zählten Germani-um, Rhenium und Antimon; „kritisch“ waren Indium, Wolfram, Seltene Erden, Gallium, Palla-dium, Silber, Zinn, Niobium, Chrom und Wismut.) Bis heute scheint die KfW IPEX keine spezifischen finanziellen Verpflichtungen zur Suche nach oder Förderung nach einem dieser Metalle übernommen zu haben, ausgenommen Sil-ber. Dennoch hat sie ab 2000 den Energiesektor Serbiens im Rahmen einer offiziellen Zu-sammenarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziell unterstützt, um die „Energieeffizienz“ zu fördern und den CO2-Ausstoß durch „Kohle-Qualitätsmanagement“ im Tagebau von Kolubara zu reduzieren. Die KfW IPEX-Bank war der größte kommerzielle Finanzier (1 Milliarde US-Dollar) zur Erwei-terung eines Eisenerzprojekts in Mauretanien, was den Export deutscher Technologie und den Import von Eisenerz für die deutsche Stahlindustrie einschließt. Zusammen mit Euler Hermes unterstützt sie den indischen Stahlproduzenten BushanSteel in der Größenordnung von 170 Millionen Euro, angeblich für die Modernisierung des Maschinenparks und um „die ökologischen Folgen spürbar zu reduzieren“. Im Juli 2012 finanzierte die Bank außerdem den Export deutscher Maschinentechnologie für die Fortescue Metal Group in Australien – der viertgrößte Eisenerzförderer des Landes –, um die Fördermenge des einheimischen Ta-gebaus bis 2021 um ein Vielfaches zu steigern. Von 2011 bis heute hat die KfW IPEX Finanzierungen und Kredite bereitgestellt für Pan Aust (Abbau von Kupfer und Gold in Laos), Minera el Tesoro (Betreiber einer Kupfermine in Chile, Barrick Gold (Betreiber einer Goldmine in der Dominikanischen Republik), Minera Los Pelambres und Minera Esperanza (beides Kupferbergbauunternehmen in Chile) und Rose-mount Copper in den Vereinigten Staaten. Sie hat sich außerdem an Finanzierungen durch Glencore beteiligt, dem weltweit größten Mineral- und Metallhändler und einer der größten Mischkonzerne im Bergbau überhaupt.11

10 Siehe Jahresbericht 2011 der KfW IPEX-Bank. 11 Einige NGOs – darunter Banktrack und Urgewald – haben vor kurzem gegen die Unterstützung

des Ausbaus des Kohle- und Eisenexporthafens Abbott Point in Queensland, Australien, durch Banken protestiert, der ihrer Aussage nach das Great Barrier Reef kontaminieren könnte. Im Juli 2014 hat die KfW bekanntgegeben, dass sie an der Finanzierung des Terminals nicht beteiligt war; andere Banken – darunter Deutsche Bank, Royal Bank of Scotland, HSBC und Barclays – haben sich auch geweigert, in das Projekt zu investieren. Siehe: Pressemitteilung der KfW IPEX vom 27. Juli 2014, online: http://www.banktrack.org/show/news/deutsche_bank_says_no_to _financing_of_coal_harbor_on_the_great_barrier_reef; http://minesandcommunities.org/article.php?a=12690

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Vierter Teil: Finanzierungen im Bergbau 2014 und darüber hinaus

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Seit Dezember 2013 zeichnet die Bank außerdem verantwortlich für 8,5 Millionen US-Dollar Fremdfinanzierung (versichert durch Euler Hermes) und weitere 8,5 Millionen US-Dollar (gesichert durch die Multilateral Investment Guarantee Agency der Weltbank) für die saudi-arabische Phosphatbergbaugesellschaft Ma'aden Wa'aid Al Shamal.

Vierter Teil: Finanzierungen im Bergbau 2014 und darüber hinaus Bergbau ist ein stark zyklisches Geschäft: der Bedarf nach bestimmten Rohstoffen steigt und fällt im Einklang mit Veränderungen in makroökonomischen Wachstumserwartungen. Wenn die Marktnachfrage niedrig ist und die Preise fallen, können dennoch deutlich mehr Rohstof-fe gekauft werden als vorher, weil die Illusion vorherrscht, dass ein Boom unmittelbar bevor-steht. In der Tat liegen Millionen Tonnen auf Lager für den späteren industriellen Gebrauch oder werden von Banken und Handelsfirmen gehortet und sind hauptsächlich dafür gedacht, mit den Verschiebungen zwischen den einzelnen Lagern Gewinn zu erzielen und mit den Preisänderungen zu spekulieren, die sich daraus ergeben. Selbst unter weniger wechselhaften Marktbedingungen als den heutigen ist es problematisch zu kalkulieren, welche Rohstoffe tatsächlich knapp und welche im Überfluss vorhanden sind. Selbst die damit befassten Ökonomen sind sich darüber uneinig. Das haben zum Beispiel die völlig unterschiedlichen Vorhersagen über die Entwicklung des Goldpreises in den letzten beiden Jahren gezeigt. Das Problem verschärft sich noch durch Risiken, die mit dem Abbau der Rohstoffe vor Ort verbunden sind. Es kann Jahre dauern – oft sogar mehr als ein Jahr-zehnt –, bis eine Mine über das Planungsstadium hinauskommt, alle gesetzlichen Voraus-setzungen erfüllt sind und eine bankgerechte Machbarkeitsstudie vorliegt, ohne die keine Finanziers zu finden sind. Und dies gilt unter normalen Umständen. Wenn die Verfügbarkeit von Bergbaufinanzierung selbst erheblich eingeschränkt ist, geraten viele Unternehmen in Schwierigkeiten. Auch wenn sie ein potentiell vielversprechendes Projekt vorlegen, kann es sein, dass sie keinen ausrei-chenden finanziellen Rückhalt finden. Das kann besonders kleinere Bergbauunternehmen betreffen (Juniorunternehmen), die sich auf die Förderung konzentrieren und sich im Normal-fall auf Risikokapital von privaten Hedgefonds und Equityfonds stützen. Im Fall anhaltender Kreditverknappung (wie seit Herbst 2008 bis heute) bleibt niemand verschont, selbst große, Milliarden Dollar schwere Bergbaugesellschaften nicht. Genau das ist seit Anfang 2014 der Fall. An der Börse von Toronto sind bei Weitem die meisten Juniorbergwerke weltweit notiert. Im Jahr 2007, kurz vor dem weltweiten Kreditkol-laps 2008, haben diese Gesellschaften zusammen mehr als 400 Finanzierungen abge-schlossen, was ihnen 4,3 Milliarden Dollar brachte. Im vergangenen Jahr dagegen konnten sie knapp ein Siebtel dieser Summe (660 Millionen Dollar) in gerade einmal 61 Finanzie-rungsgeschäften einsammeln, und die Auswirkungen waren nicht nur bei „den unmittelbar

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Vierter Teil: Finanzierungen im Bergbau 2014 und darüber hinaus

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Betroffenen“ spürbar. Wie die kanadische Financial Post im Mai 2014 schrieb: „Es ist keine Überraschung, dass die Boutique-Investmentbanken [das sind Investmentbanken, die nicht das volle Investmentgeschäft abdecken, sondern sich auf bestimmte Bereiche des Invest-mentbanking beschränken, Anm. d. Ü.], die mit diesen Unternehmen in den Boomjahren so viel Geld verdient haben, nun Personal einsparen oder aber ganz dicht machen.“12

Da mag es verwundern, dass die Bergbauindustrie 2013 mehr weltweite Investitionen anzog als im Jahr davor. Bloomberg schätzt, dass die „Rohstoffindustrien ihre Kreditaufnahme um 17% [...] auf 84,7 Milliarden US-Dollar gesteigert haben, nach einem Absinken um 22% im Jahr 2012“, wobei sie auf Kredite von mehreren Banken und auch auf Projektdarlehen und Handelsfinanzierungen zurückgriffen.13 Im selben Jahr schöpfte Glencore einen der größten Konsortialkredite in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika in Höhe von 17,3 Milliarden US-Dollar als Revolvingkredit ab (um die Liquidität zu erhöhen), der von nicht weniger als 80 Banken weltweit getragen wird, darunter die Commerzbank und die Deutsche Bank. Das sollte uns nicht zu der Annahme verleiten, dass ein Comeback des Bergbaus unmittel-bar bevorsteht. Bloomberg schreibt: „Die Händler, darunter auch Trafigura Beheer BV, haben Anlagegüter wie zum Beispiel Ölterminals, Häfen, Minen und Raffinerien aufgekauft, um sin-kende Gewinnmargen im Handel zu konterkarieren.“ Mit anderen Worten, sie haben sich eine noch größere Kontrolle über den Rohstoffmarkt und die Infrastruktur gesichert, weil die Gestehungskosten dauerhaft gesenkt wurden. Der Nachfrageindex für ca. 24 Rohstoffe im Standard & Poor's Goldman Sachs Commodity Index fiel im Jahr 2013 um 2,2% – der erste Rückgang seit fünf Jahren. Es gab zweistellige Rückgänge bei Nickel und Aluminium „nach Anzeichen, dass die Lager schneller wuchsen als die Nachfrage“. Gold und Silber wiesen die schwersten Verluste seit 1981 auf, „weil sich erholende Equity-Märkte und eine niedrige Inflation den Bedarf an Edelmetallen als Sicher-heit untergruben“.14 Auch der Bloomberg World Mining Index, der 140 Metallbergbauunter-nehmen umfasst, „stürzte im letzten Jahr um 26% ab […], weil die Gewinne aus Minen und Hüttenwerken geschmälert wurden“, und der Umfang und Wert von Minenfusionen und -übernahmen sank um beinahe ein Drittel (31%).15 Da die Geschäfte im Jahr 2012 ruhiger gingen, hat Vale, der weltweit größte Eisenerzproduzent, angekündigt, seine Investitionen für 2014 auf den niedrigsten Stand seit 2010 zu senken. Rio Tinto (das zweitgrößte diversifizier-te Bergbauunternehmen der Welt) hat mehr als 2 Milliarden US-Dollar an Kosten gesenkt und Vermögenswerte in Höhe von 3,3 Milliarden US-Dollar veräußert und angekündigt, man werde die Gesamtausgaben bis 2015 halbieren. Dieses pessimistische Szenario hat unausbleiblich einen Dominoeffekt bei einigen der größ-ten Finanzdienstleister der Welt hervorgerufen. Vier von ihnen haben sich entschieden, den Handel mit einer großen Anzahl von Rohstoffen aufzugeben. JPMorgan Chase hat seinen Handel mit metallischen Rohstoffen bereits beendet. Die Bank of America hat im Januar

12 Financial Post vom 31. Mai 2014. 13 Bloomberg, 23.April 2014. 14 Reuters, 6. Dezember 2013. 15 Bloomberg, 23. April 2013

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Fünfter Teil: Eine Fülle von Spekulationen – und Betrug

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2014 angekündigt, sich von den Strom- und Erdgasmärkten in Europa zurückziehen zu wol-len. Barclays hat im Januar Stellen im Rohstoffsektor als Teil einer Reduzierung bei festver-zinslichen Papieren, Währungsgeschäften und dem Rohstoffhandel gestrichen und im Feb-ruar in den Vereinigten Staaten und in Europa seinen Stromhandel geschlossen.16 Und Ende 2013 hat die Deutsche Bank angekündigt, dass sie sich von Teilen des eigenen Rohstoff-handels (auch Metalle) zurückziehen wird. Dennoch hat Deutschlands führende Investmentbank keineswegs vor, ihre Spekulationen auf dem Rohstoffsektor insgesamt zurückzufahren. Ganz im Gegenteil (wie wir gleich sehen werden). Auch Barclays sagt, dass es weiterhin mit Edelmetallen, mit Derivaten, die an den Ölpreis und den Preis von US-Gas gebunden sind, und mit Rohstoffindizes handeln wird.17

Fünfter Teil: Eine Fülle von Spekulationen – und Betrug Einige Finanzprodukte sind transparent – der Kunde kennt die mit dem Kauf verbundenen Risiken, und diejenigen, die diese Produkte anbieten, werden für verdeckte Manipulationen bestraft. Im Gegensatz dazu gibt es viele andere Produkte, die durch das „Schattenbanksys-tem“ gestützt werden, wo Transaktionen „außerhalb der Bücher“ vorgenommen werden und in der Bilanz nicht auftauchen. Hat man diese Verträge einmal unterschrieben, ist es prak-tisch unmöglich, sie zu annullieren. Manchmal vergessen wir, dass die riesigen Geldmengen, die bei solchen Deals den Besitzer wechseln, nicht vom Himmel fallen, sondern aus den Taschen Hunderter Millionen Steuer-zahler auf der ganzen Welt gezogen werden, Steuern, die von Regierungen erhoben wer-den. Dieser unausgesprochene sozio-ökonomische Vertrag wurde von vielen Banken, öffent-lichen wie privaten, in den 2000er Jahren (der Milliardär Warren Buffet bezeichnete den Win-ter 2008 als „den finanziellen Super-GAU“) schamlos verletzt. Doch nur wenige dieser Instrumente sind aus dem Arsenal der marktdominierenden Finanz-institute verschwunden. Weiterhin wird ein großer Teil derselben Investmentinstrumente und damit verwandter Einzelprodukte angeboten, die schon vor 2008 in Mode waren. Tatsächlich erfreuen sich einige von ihnen in den letzten fünf Jahren wachsender Beliebtheit, besonders Commodity Index Funds (CIFs) und Exchange-Traded Funds (ETFs), die vor allem von der Deutschen Bank angepriesen und verkauft werden.

Verheerende Derivate Das Papier zur Rohstoffstrategie der deutschen Regierung aus dem Jahr 2010 erkennt die Gefahren massiver spekulativer Übertreibungen im Terminhandel mit Rohstoffen und die Gefahr, dass die Preisentwicklung an der Börse sich von den Fundamentaldaten des ent-

16 Bloomberg, 23. April 2014 17 Bloomberg, 23. April 2014

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sprechenden Rohstoffmarktes abkoppelt. Die Folge davon seien Einbußen für das reale Wachstum und die Beschäftigung. Um das zu vermeiden, fordert das Papier, dass die Trans-parenz erhöht werden müsse, insbesondere „hinsichtlich der Finanztransaktionen und der physischen Lagerbestände“.18 Diese Schlussfolgerungen wurden durch Coalition, eine in London ansässige Analysten-gesellschaft, erneuert. Sie stellte im Februar 2013 fest, dass es Befürchtungen gibt „die Kreditgeber könnten die Preise kontrollieren, wenn sie zugleich Eigentümer und Händler der Rohstoffe sind, oder könnten Verluste erleiden, die das Finanzsystem als Ganzes gefähr-den“.19 Die Warnung ist ungehört verhallt. Im Gegenteil, die Gefahr, dass die ungeheuerlichsten Formen des Derivatenhandels nicht mehr im Zaum zu halten sind, ist möglicherweise noch größer geworden. Derivate werden entweder an der Börse oder nichtöffentlich in sogenann-ten Über-den-Ladentisch-Transaktionen gehandelt. Sie können auch zwischen Vertragspar-teien anstelle von Bargeld getauscht werden. Solche Geschäfte können in der Praxis so ge-heimnisvolle und undurchschaubare Formen annehmen (da der Vertrag in einer völlig verwir-renden Abfolge von Parteien weiterverkauft wird), dass man eher von Geschäften „unter dem Ladentisch“ sprechen sollte. Das zeigte sich beim aktuell fehlgeschlagenen Versuch der Londoner Metallbörse (LME), Goldman Sachs und JPMorgan Chase daran zu hindern, Kupfer- und andere Metallpreise zugunsten des eigenen Profits (und zum Nachteil der Käufer) zu fixieren. Das eingeführte Prinzip hinter einem solchen Handel besteht darin, dass es jederzeit ausreichende und transparent zu identifizierende Rohstoffvorräte geben sollte – in Lagern oder im Transit –, um Transaktionen mit Derivaten zu sichern. Für einige der wichtigeren Metalle wird dieser Handel an der LME durchgeführt. Einige Unternehmen haben, indem sie Vorräte hin- und herschoben, eine künstliche Verknappung herbeigeführt und Millionen von Dollars für diese Täuschung eingestrichen. Ein typisches Beispiel ist Glencore, dem man kürzlich vorwarf, seinen Zugriff auf den globa-len Zinkmarkt gefestigt zu haben, indem das Unternehmen diesen Rohstoff unzugänglich gelagert und so die Industrie gezwungen hat, hohe Preise für ein Metall zu zahlen, das der-zeit im Überfluss vorhanden ist. Mit der Kontrolle über 60% des weltweiten Zinkmarkts im Rücken, hat Glencore mutmaßlich die Lager der LME genutzt, obwohl es eine der Schlüs-selaufgaben dieser Börse ist, diese Lager nicht für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen.20 Diese Praxis hat nicht nur extreme Marktverzerrungen bewirkt. Aufgrund einer irreführenden Prognose wurde knappes Kapital dafür eingesetzt, Minen zu eröffnen, die keineswegs Priori-tät hatten, mit einer Reihe ökologischer und sozialer Folgen, die zu vermeiden gewesen wä-ren.

18 Siehe online http://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/rohstoffstrategie-der-

bundesregierung,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf 19 Bloomberg, 16. Januar 2014. 20 Siehe Appendix 1, online: http://www.moneytometal.org/index.php/Introduction

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Fünfter Teil: Eine Fülle von Spekulationen – und Betrug

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Deutsche Banken sind an Vergehen dieser Art keineswegs unbeteiligt. 31 Banken, Makler-firmen und private Händler sind als Associate Broker Clearing Members an der LME regis-triert, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank. Außerdem bieten 11 andere Ban-ken (darunter UBS, HSVC, Citigroup, Standard Chartered und Merrill Lynch) über ihre deut-schen Niederlassungen, meistens in Frankfurt, wichtige Dienstleistungen an, die mit dem LME-Handel in Verbindung stehen.

Die Rolle der Deutschen Bank Die Deutsche Bank hat wenig Bedenken gegen die Notwendigkeit und wenig Zweifel an der Effektivität des Angebots solcher dubioser Dienstleistungen. Sie prahlt damit, dass ihr Global Fund Derivatives Team „den vollen Umfang an Hedgefonds-Produkten und -Diensten anbie-tet.“ Ende letzten Jahres bot die Bank Investmentprodukte an, „die mit mehr als 600 Hedge-fonds und mehr als 800 weltweit führenden Fonds von Hedgefonds verbunden sind, die um-fassendste Produktpalette auf diesem Markt“. [sic]21 Trotz ihrer schon erwähnten Ankündigung des Rückzugs aus bestimmten Sektoren des Rohstoffhandels hat sich die Deutsche Bank in keiner Weise von der Teilnahme an der Roh-stoffspekulation zurückgezogen. Im Juli 2013 erklärte die Bank stattdessen, sie wolle sich nun auf ihre Kernkompetenz für Finanzderivate und Edelmetalle konzentrieren und diese Tätigkeit in ihren Bereich Festverzinsliche Papiere und Währungsgeschäfte integrieren, um existierende Synergien zu nutzen.22 Deutschlands mächtigste Handelsbank hat ganz eindeutig aus der jüngsten Vergangenheit keinerlei Lehren gezogen. Im Gegenteil, sie ist der Teilnahme an drei kriminellen oder quasi-kriminellen Aktivitäten angeklagt worden, die sich um verdächtige Derivatentransaktionen drehen. Im Januar 2014 erklärte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dass die Deutsche Bank sie über einen zwielichtigen Derivatenhandel mit der italienischen Monte dei Pasci di Siena in die Irre geführt habe. Die Bank verschleierte weiterhin die Art des Ge-schäfts und korrigierte ihre Bilanz nachträglich. Die Bankaufseherin Frauke Menke sagte der Bank: „Ich finde es absolut inakzeptabel, dass Sie die BaFin und andere Behörden offen-sichtlich über einen langen Zeitraum falsch informiert haben und die (Monte dei Paschi-) Transaktion falsch bilanziert haben.“ Im Juli 2013 wurde die Deutsche Bank der heimlichen Zusammenarbeit mit Goldman Sachs und dem Hedgefonds-Manager John Paulson bei einem inszenierten Schwindel mit einer gesicherten Schuldverschreibung im Jahr 2010 beschuldigt – eine Transaktion, für die Goldman Sachs bereits von der US Securities and Exchange Commission (SEC), der ameri-kanischen Bankenaufsichtsbehörde, schwer bestraft worden war.23

21 GTB News, 10. Dezember 2013. 22 Deutsche Asset and Wealth Management, 5. Juli 2013. 23 Money Morning, 25. Juli 2013.

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Sechster Teil: Noch mehr zwielichtige Geschäfte

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Im Januar 2013 musste die Deutsche Bank wegen ihrer mutmaßlichen Manipulation der Strommärkte in Kalifornien 1,5 Millionen US-Dollar an die Federal Energy Regulatory Com-mission zahlen.24

Sechster Teil: Noch mehr zwielichtige Geschäfte

a) ETFs und CIFs Alle weltweit operierenden Investmentbanken nutzen börsengehandelte Investmentfonds (extrade-traded funds = ETFs) – deutsche Banken stellen da absolut keine Ausnahme dar. Es gibt heute Hunderte von ETFs, die praktisch an jedem Börsenindex in der Welt gehandelt werden. Anders als bei offenen Investmentfonds – die zu Preisen gehandelt werden, die an Börsen, der LME und dem London Bullion Market am Ende des Börsentags fixiert werden –, können ETFs elektronisch buchstäblich in Sekundenbruchteilen über den gesamten Tag ge- und verkauft werden. Dies ist als algorithmischer oder „Hochfrequenzhandel“ bekannt, an-gemessener auch als „Black-Box“-Handel. Wichtig ist, dass ETFs auch als „Leerverkäufe“ gehandelt werden können, um von Wetten auf den sinkenden Kurs zu profitieren. Rohstoff-indexfonds (CIFs) sind ETFs nah verwandt und für Kunden zugeschnitten, die bestimmte Rohstoffe, darunter Edelmetalle (Gold, Silber und Platin) und Grundmetalle (vor allem Alumi-nium und Kupfer) stützen wollen. ETFs und CIFs eignen sich bestens zum Missbrauch durch Rohstoffhändler und durch Ban-ken, die als Makler fungieren, wenn sie versuchen, Preise zugunsten ihres eigenen Profits zu manipulieren, indem sie in den Markt intervenieren und erhebliche Mengen eines verfügba-ren Rohstoffs kontrollieren (wie wir weiter oben gesehen haben). Das machen sie, indem sie Derivatverträge zeichnen (Futures = Termingeschäfte) für die Auslieferung einer bestimmten Warenmenge zu einem bestimmten Datum in der Zukunft. Dies geschieht ungeachtet der Tatsache, ob diese Waren wirklich kommen, weil die meisten Verträge in der Zwischenzeit gekauft, weiter verkauft oder mit anderen getauscht werden können, wobei die Lieferdaten geändert werden können. Wie es Peter Hollands von Bloomsbury Mineral Economics 2010 formulierte: „Die Analysten der Rohstoffmärkte waren es gewohnt, im Begriffsrahmen der Marktbalance zu denken, die sie als Produktion minus Verbrauch definierten, woraus sich Änderungen bei den Vorräten und bestimmte Vorratsbestände ergaben. [...] Je mehr Lagervorräte da waren, desto mehr fielen die Preise.“ Aber: „Börsenmakler sahen die Dinge etwas anders: Das Gleichgewicht ergab sich auf dem Futures-Markt, nicht auf dem realen Markt. [...] Seit 2004 sind über eine Million Tonnen von Kupfer-Warentermingeschäften gekauft und von Investoren in CIFs ge-halten worden. [...] Wie sollten sich da nicht die Preise ändern?“

24 Die Welt, berichtet von Reuters, 7. Januar 2014.

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Sechster Teil: Noch mehr zwielichtige Geschäfte

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Im Jahr 2011 legte die JPMorgan Investmentbank ein ETF auf, das auf dem Erwerb riesiger Mengen Kupfer basierte, von dem eine Anwaltsfirma in den USA prognostizierte, dass „alle oder fast alle (Kupfer-)Vorräte in den LME-Lagern in den USA entfernt würden“. Dennoch genehmigte die SEC Ende 2012 diesen ETF von JPMorgan Chase.25 Ein Jahr später stellte die Citigroup fest, dass beinahe 30 Milliarden Dollar Investitionen via rohstoffbezogenen ETFs und Indextauschen (hier wird ein Portfolio aus Aktien oder Rentenpapieren von einem Investor dem anderen anstelle von Cash übergeben) aus dem Bergbausektor ausgewandert waren. Die Citigroup zog den Schluss, dass dies „einen dramatischen Rückgang von direk-ten Kapitalinvestitionen in Bergbauunternehmen darstellt“.26 Die Folgen für die Bergbauindustrie, schreibt der Investors Chronicle, seien schwerwiegend: „Wenigstens in den nächsten beiden Jahren werden Bergbaugesellschaften weiter den Abbau zurückfahren, Entwicklungskosten senken und ihre Vorkommen aufwerten (d.h. die wertvollsten davon abschöpfen) als Antwort auf die niedrigen Metallpreise und hohen Pro-duktionskosten.“ Im Juli 2013 schien die Deutsche Bank soweit zu sein, die eigene Rolle beim Handel mit ETFs zu begrenzen. Deutsche Asset and Wealth Management (eine Abteilung der Bank, früher DWS) versprach, den Handel mit ETFs und börsengehandelten Rohstoffprodukten zu überdenken, um „diese in Einklang zu bringen mit dem gegenwärtigen und künftigen Bedarf von Investoren“. Die Bank gab bekannt, dies schließe „die Einstellung der Börsennotierung und die Schließung bestimmter ETFs und ETCs (exchange-traded commodities) ein“. Nicht etwa, dass die Bank per se irgendetwas Falsches in der Verwendung börsengehandel-ter Effekten fand. Sie sagte eher, diese Schließungen seien zurückzuführen auf die niedrige Nachfrage. Gerade mal ein halbes Jahr später rühmte sich die Bank denn auch, dass ihr „Flaggschiff, der PowerShare DB Commodity Index Trading Fund 6 Milliarden US-Dollar in-vestiert hatte […], was ihn zu einem der größten auf dem Markt macht“.

Hedgefonds – die deutsche Position Praktisch alle führenden deutschen Handelsbanken haben Abteilungen oder Tochtergesell-schaften, die als Hedgefonds agieren. Am 1. Januar 2014 hat BaFin neue deutsche Regulie-rungen für Banken eingeführt, um den Basel III-Regulierungen (die, wie schon erwähnt, noch in Verhandlung sind) gerecht zu werden. Sie stellte sie vor als „Kernbestandteile eines gigan-tischen Regulierungspakets [...,], das einen grundlegenden Umbruch für das Bankenauf-sichtsrecht der EU bedeutet.“ Ein Teil dieses Pakets bezieht sich explizit auf die Überwa-chung deutscher Hedgefonds gemäß dem deutschen Kapitalanlagegesetzbuch. BaFin be-stimmte, dass „Leerverkäufe bei Fonds von Hedgefonds nicht getätigt werden dürfen. [...] Vor der Investitionstätigkeit müssen diese Fonds sich ein Minimum an Informationen über die Zielfonds verschaffen. Danach müssen sie die Investitionsstrategien und Risiken der Ziel-fonds laufend kontrollieren“.

25 Mining Journal, 21.-28. Dezember 2014. 26 Mining Journal, 21.-28. Dezember 2014.

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Sechster Teil: Noch mehr zwielichtige Geschäfte

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Das waren gute Nachrichten. Leerverkäufe bedeuten, in Papiere zu investieren in der Erwar-tung, oder mit der gezielten Absicht, dass ihre Kurse fallen werden. Der Bergbausektor ist voller Beispiele für diese Taktik. Sie gefährdet nicht nur die Realisierbarkeit relativ solider Projekte, sondern wird manchmal auch angewandt, um das Vermögen von Projekten, die wenig oder gar keinen Wert haben, aufzublasen – allein, um Profite für den Hedgefonds selbst einzustreichen. Leider aber plant BaFin keineswegs, neue Regelungen für individuelle Hedgefonds zu schaf-fen – jenen Typus, der in der Bergbaufinanzierung vorherrscht. Im Gegenteil, BaFin befür-wortet „jeden Mechanismus, den ein Management einsetzt, um das Investitionsniveau des von ihm gemanagten Investmentfonds zu steigern – durch Kreditaufnahme, Fremdkapital-aufnahme, durch Derivate oder jeden andern Weg“. Obwohl man einerseits für sich bean-sprucht, dass Europa nun führend auf dem Feld der Regulierung ist, um einen weiteren Kreditkollaps wie 2008 zu vermeiden, befürwortet die deutsche Regierung dennoch den wei-teren Gebrauch einiger jener Instrumente, die diese Krise verursacht und verschärft haben.

Private Equity Fonds (Kapitalbeteiligungsfonds) Private Equity Fonds haben mit Hedgefonds einiges gemeinsam; auch ihre Manager suchen nach Investitionsmöglichkeiten in Unternehmen, wenn die Rohstoffpreise schwankend sind und die Kosten für Beteiligungen an Firmen auf ein „kalkulierbares“ Niveau gefallen sind. Im März 2013 berechnete Ken Hoffman, Abteilungsleiter für Metalle und Bergbauindustrie bei Bloomberg Industries, dass die Summe, die Private Equity-Firmen für den Bergbausektor aufgebracht hatten, sich mehr als verdreifacht hatte – von 960 Millionen US-Dollar jährlich zwischen 2000 und 2005 auf 3,5 Milliarden US-Dollar jährlich seit 2010. Nach Hoffman ge-hen Londoner Banker davon aus, dass Private Equity-Firmen in den kommenden zwölf Monaten 10 bis 15 Milliarden Dollar in den Rohstoffsektor stecken werden. Er fügte hinzu: „Ich denke, dass die ersten Fonds, die sich an diese Bergbaudeals heranmachen, sehr viel Erfolg haben werden, weil keiner wirklich darauf brennt, im Moment in den Bergbau zu inves-tieren, also können sie sich die Rosinen herauspicken.“ So ist es nicht gekommen – ganz im Gegenteil. Weil das Vertrauen in die Rohstoffmärkte dramatisch gesunken ist, haben Private Equity Fonds im ersten Dreivierteljahr 2014 nur knapp über eine 1 Milliarde US-Dollar in den Bergbau gesteckt. 2013 waren es dagegen noch achtmal so viel gewesen (8,8 Milliarden US-Dollar).

Equities und Bonds „Equities“ ist nur ein anderer Name für Aktien und Wertpapiere. Ein Investor kann Anteile an einem Unternehmen sowohl mit als auch ohne Stimmrecht kaufen. Wählt er die erstgenann-ten, können sie ihm unter Umständen eine Position verschaffen, in der er entscheidend mit-bestimmen kann, wie das Unternehmen arbeitet und welchen Weg es geht. „Aktive“ Hedge-fondsmanager oder Private Equity-Manager haben dies in der Tat bei einigen Bergbauunter-nehmen getan und ihre eigenen Leute in den Vorstand manövriert. Noch entscheidender ist,

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Siebter Teil: Stufen der Gefährdung

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dass gut etablierte Gesellschaften eine Mehrheit in einem anderen Bergbauunternehmen aufbauen und eine Übernahme vorbereiten können. Obwohl jedoch Banken – auch deutsche – reichlich Kapital in Bergbaugesellschaften ste-cken, tun sie dies in der Regel ausschließlich zu Investitionszwecken und nicht um den wei-teren Weg des Unternehmens zu bestimmen. Wenn es einem Unternehmen nicht gut geht, wird der Kurs seiner Papiere fallen und damit auch die Dividende, die es seinen Sharehol-dern zahlen kann. Wie wir schon gesehen haben, kann ein solcher „Marktverlauf“ für kleinere Bergbauunternehmen tödlich sein. Im Gegensatz dazu ist ein Bond im Wesentlichen eine Schuldverschreibung – zur Tilgung muss der Inhaber sowohl das Kapital als auch die Zinsen zurückzahlen. Obwohl es die unterschiedlichsten Arten von Bonds gibt – mit festen und variablen Zinsen –, sind sie nicht unbedingt sicherer als der Besitz von Aktien und anderen Wertpapieren. Tatsächlich hat Richard Evans, Herausgeber des Investmentteils des Daily Telegraph, am 15. September 2013 festgestellt, dass „Bonds heute von vielen sowohl professionellen wie privaten Anle-gern als überbewertet betrachtet werden. Sie nehmen lieber die Risiken der Investition in Wertpapiere auf sich, weil diese bessere Wachstumschancen und potentiell höhere Erträge versprechen“. Und am 7. Januar 2014 haben Analysten der Société Générale Investoren dringend dazu geraten, „Deutsche Bank und Goldman Sachs zu verkaufen, weil eine Baisse bei Bonds die Erträge schmälern wird“. FAZIT der Teile 4, 5 und 6: Die Annahme, dass der Bergbausektor den Schwung aus der Zeit vor dem weltweiten Kreditkollaps von 2008 wiedergewinnen wird, ist ein Irrtum.

Siebter Teil: Stufen der Gefährdung „Geh raus, finde Uran und rette die Zivilisation!“ – Diese Instruktion erhielt nach eigenen Worten ein früherer Vorstandsvorsitzender von Rio Tinto, heute die zweitgrößte Bergbauge-sellschaft der Welt, in den frühen 1950ern von der britischen Atomenergiekommission.27 Heute wäre es eher unwahrscheinlich, dass ein Spitzenmann eines Unternehmens von ir-gendeiner Regierung ein so kühnes Mandat bekäme, wie besorgt diese auch immer um den Mangel an einem für das wirtschaftliche Wachstum lebenswichtigen Metall sein mag. Seit damals hat es subtilere und verlockendere Methoden gegeben, um dieselben Ziele zu errei-chen. Eine dieser Strategien der entwickelten Länder bestand darin, mit den Staaten des Südens Verträge zur Zusammenarbeit zu schließen. Diese erhalten Technologie, Knowhow und etwas Geld, wenn sie Zugang zu ihren Mineralen garantieren; das Ganze wird grün einge-kleidet und als nachhaltige Entwicklung deklariert. Ist dies einfach nur eine Bestätigung des

27 Zitiert nach The Nation, 18. Oktober 1990. Siehe auch: Plunder. The Story of RTZ,

London and Christchurch, Neuseeland. Partizans and Cafca, 1991, p. 9.

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Siebter Teil: Stufen der Gefährdung

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Diktums, dass reiche Länder immer bekommen, was sie wollen, während ärmere Länder heftig unter dem Fluch der Ressourcen leiden?28

Die Definition von kritischer Versorgungslage – eine fragwürdige Sache Die Prioritäten bei der Beschaffung von Mineralen ändern sich von Zeit zu Zeit, der Bedarf in der Industrie wechselt; ein Metall wird nach und nach durch ein anderes ersetzt (z. B. Stahl durch Aluminium bei Autos); technologische Innovationen im Bergbau verbessern die Ge-winnung von Metallen; Recycling und Wiederverwendung spielen eine immer größere Rolle beim Füllen des „Mineraltopfes“. In dieser Hinsicht hat Deutschland dem Rest der Welt mit Sicherheit eine Menge positiver Beispiele zu bieten. Dennoch geht wenig davon in die gegenwärtige Rohstoffpolitik des Landes ein. Bei der Be-wertung der Verfügbarkeit von Rohstoffen steht der Begriff der Versorgungsrisiken im Zent-rum, wobei eine sehr enge Definition von Erschwinglichkeit benutzt wird. Und diese Kurz-sichtigkeit ignoriert völlig einen der heute bedeutendsten Einflüsse auf die Preise auf dem Metallmarkt – die steigenden Kosten für die Sicherung der „sozialen Lizenz“ zum Bergbau, also der gesellschaftlichen Akzeptanz.

Gibt es ein Land, das „sicher“ ist? In diesem Zusammenhang gibt es wohl kaum einen Ort auf der Welt, den man als sicher bezeichnen kann. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit einer Reihe von Ländern, mit denen Deutschland eine besondere Beziehung in der Rohstoffpolitik hat oder diese aufzubauen versucht, und zeigt die möglichen Risiken.

Kanada und Australien Die wechselnden deutschen Regierungen haben Kanada und Australien lange Zeit als siche-re Lieferanten von Rohstoffen betrachtet, die lebenswichtig für das deutsche Wachstum sind. Umgekehrt exportiert Deutschland Fertiggüter und Dienstleistungen in diese beiden Län-der.29 Bis jetzt gab es wenig Anlass für die Vermutung, dass die Handelsbilanz sich wesent-lich ändern würde. Kürzlich aber hat Kanadas Oberster Gerichtshof entschieden, dass ange-

28 Siehe: Heinrich-Böll-Stiftung, „Gerechtigkeit gestalten: Ressourcenpolitik für eine faire Zukunft, online: www.boell.de/de/2014/06/02/gerechtigkeit-gestalten-ressourcenpolitik-fuer-eine-faire-zukunft

29 Australien wird von der DERA als „eines der rohstoffreichsten Länder der Welt mit enormen Vorräten an Metallen, Industriemineralen und Kohle“ definiert. 2011 importierte Deutschland Rohstoffe im Gesamtwert von 1,53 Milliarden Euro, auch Kokskohle – die 10% des deutschen Jahresbedarfs abdeckte – ebenso wie Kupfer, Blei und Eisen. Deutschlands Schlüsselrolle ist dabei jedoch der Lieferung von Bergbaumaschinerie – 50% von Australiens Bedarf wurden in dem Jahr von deutschen Firmen geliefert. Siehe: DERA, AHK und Germany Trade and Invest, „Möglichkeiten deutscher Unternehmen für ein Engagement im australischen Rohstoffsektor“ (Juni 2013).

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stammte Landrechte in Kanada Vorrang vor den Ansprüchen des Bergbaus haben und hat damit die Aktivitäten eines Unternehmens effektiv gestoppt. Das Urteil wurde weithin will-kommen geheißen, weil es möglicherweise auch auf andere Teile des Landes anwendbar ist, wo indigene Völker ihren Kampf gegen aus ihrer Sicht inakzeptable zerstörerische Pro-jekte aufgenommen haben.30 Das Mining Journal kommentierte im August 2014: „Diese Entscheidungen erinnern alle, die am Abbau von Rohstoffen in Kanada beteiligt sind, an die Wichtigkeit und Berechtigung der Belange der Urbevölkerung.“ 31

Konflikte in Südafrika Südafrika wurde bisher ähnlich eingeschätzt, weil es Deutschland traditionell mit einer Reihe wichtiger Metalle, wie zum Beispiel Eisen und Chrom, besonders aber mit Metallen aus der Platingruppe versorgt.32 Das könnte sich bald ändern. Business Monitor International schrieb im März 2014, dass „der Anteil des Landes an der weltweiten Förderung weiterhin zurück-geht, während andere Bergbauplätze schnelleres Wachstum verzeichnen“, derweil Südafri-kas Gold- und Platinsektoren „mit sinkenden Margen und industriellen Konflikten zu tun ha-ben“. Das ist ziemlich milde ausgedrückt. Im August 2012 schoss die Polizei beinahe vierzig strei-kende Arbeiter in einer in London registrierten Platinmine nieder – ein Massaker, das mit dem in Sharpeville in den dunklen Tagen der Apartheidsregierung verglichen wurde.33 Im ersten Halbjahr 2014 hat eine Reihe blutiger Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaf-ten und Regierungen und zwischen zwei Bergarbeitergewerkschaften untereinander die Pla-tinförderung praktisch stillgelegt und in geringerem Ausmaß auch den Goldabbau gelähmt.34

Russland und die Sanktionen Russland hat einen Anteil von 49% am weltweiten Nickelexport. UC RUSAL ist der führende Aluminiumproduzent der Welt und eine der Hauptquellen für Platin.35 Russland lieferte 2013

30 Siehe online unter http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=12695 31 Mining Journal, 15. August 2014. 32 Siehe: DERA, AHK und German Trade and Invest, „Möglichkeiten deutscher Unternehmen für

ein Engagement im südafrikanischen Rohstoffsektor“ (Februar 2013), S. 100-101. 33 Siehe online unter http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=12418 34 Siehe online http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=12683. Im März

2014 berichtete der Business Monitor International in einem Report über Südafrika: „Das mini-male Wachstum des Bergbausektors in Südafrika im vergangenen Jahrzehnt setzt sich fort, weil die Gold- und Platinbereiche mit sinkenden Gewinnmargen und industriellen Konflikten zu tun haben. […] Südafrikas Anteil an der weltweiten Förderung geht weiterhin zurück, während ande-re Bergbauplätze schnelleres Wachstum verzeichnen.“

35 Mining Journal, 19. September 2014.

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außerdem 27% der deutschen Kohleimporte.36 Nach der Einverleibung der Krim durch Russ-land im März 2014 hat die Verhängung von Sanktionen gegen das Land seitens der EU die-sen gut etablierten Handel etwas erschüttert. Jüngste Analysen zeigen aber, dass die Sank-tionen bis heute die europäischen Metallimporte nicht ernsthaft beeinflussen oder überhaupt einen Effekt haben. Ganz gewiss haben sie die europäischen Investitionen in den russischen Bergbau nicht behindert (siehe Artikel zur deutschen Bank Seite 34). Jede weitere Ausdehnung der Sanktionen, insbesondere durch die USA und Japan, wird sicher Folgen für russische Metallfirmen haben. Auf lange Sicht aber könnten sie der EU mehr schaden als Russland selbst, und zwar, weil das Land seine Produkte auf die Märkte in Asien, China, dem Mittleren Osten und Lateinamerika verschieben kann.37 Wie wird Deutsch-land in diesem Fall die fehlenden Mengen ausgleichen?

Der Rest der Welt Wenn solche unvorhersehbaren Ereignisse die Verfügbarkeit von Mineralen in Ländern, die man als sichere Lieferanten Deutschlands angesehen hatte, nachhaltig beeinträchtigen kön-nen, dann ist wohl ein noch größeres Risiko bei anderen Ländern wie der Mongolei, Kasach-stan oder Peru gegeben. Der wachsende „Ressourcennationalismus“ (oder die „Ressour-censouveränität“) könnte auch Partnerschaften mit Indonesien und einigen afrikanischen Staaten ausschließen. Zum Teil, weil Deutschland zweifellos nicht in erregte Debatten inner-halb dieser Staaten darüber verwickelt werden möchte, wie diese ihre Einkünfte verbessern können, indem sie die gewonnenen Rohstoffe im eigenen Land verarbeiten und anschlie-ßend zu einem besseren Preis ins Ausland verkaufen. Dies ist die Kernkomponente dessen, was man weithin fälschlich mit dem Begriff „Ressourcennationalismus“ bezeichnet. Wesent-lich zutreffender wäre es zu sagen, dass diese Länder die Werte, die in diesen Ressourcen stecken, wieder für sich beanspruchen, nachdem sie lange Zeit in Milliardenhöhe den eige-nen Bürgerinnen und Bürgern geraubt wurden. Vermutlich hätte es die Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und der Mongolei und – in geringerem Umfang – mit Peru in früheren Zeiten nicht gegeben, als in beiden Ländern eine „pronationalistische“ Bergbaupolitik vorherrschte. Zur Zeit ist das Problem erst einmal

36 Siehe Matthias Ruchser, „Russland und die Energiewende – ein Zusammenhang?“ Deutsches

Institut für Entwicklungspolitik, in: Die aktuelle Kolumne, 27. März 2014, online: www.die-gdi.de/die-aktuelle-kolumne/russland-und-die-energiewende-ein-zusammenhang/

37 Metall Bulletin vom 21. Juli 2014, siehe auch: MinexEuroAsia industry statement, 18. September 2014. Minex (ein Forum, das für russische und zentralasiatische Investoren in den Bergbau ge-schaffen wurde) hat prognostiziert, dass die Verkäufe in die EU 2014 55% der Einnahmen für Norilsk Nickel, 44% bei dem UC RUSAL, 15% der Einnahmen von Severstal und je 10% bei Evraz, MMK und NLMK ausmachen werden, alle vier letztgenannten sind Stahlproduzenten. Morgan Stanley glaubt jedoch, dass selbst bei Einführung weiterer Sanktionen „russische Unter-nehmen in der Lage sein werden, ihre Exporte zu diversifizieren und auf andere Märkte zu ge-hen – und dabei sogar mehr Gewinn machen werden. Minex schlussfolgert: „In einem Szenario (mit mehr Sanktionen) werden russische Unternehmen ihre Exporte auf verschiedenen Märkten in Asien, China, dem Mittleren Osten oder Lateinamerika unterbringen, was in der Europäischen Union unumgänglich einen Mangel an Metallen und einen Preisanstieg bewirken wird.“

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vom Tisch, aber es gibt keine Garantie, dass es nicht eines Tages, etwa mit einem Regie-rungswechsel in der Mongolei oder in Peru, wieder zurückkehrt. So stimmte Anfang Novem-ber das mongolische Parlament für die Entlassung von Premierminister Norov Altankhyuang, „weil er keine Mittel gegen das drastisch verlangsamte wirtschaftliche Wachstum des Lan-des, gegen sinkende ausländische Investitionen und gegen die mutmaßliche Korruption und die Vetternwirtschaft gefunden“ habe.38

Fazit: Kein Land und keine Region auf der Welt ist heute ein sicherer Lieferant für viele der Rohstoffe, die Deutschland braucht. Selbst die traditionellen Verbündeten sind nicht mehr verlässlich.

Achter Teil: Die Regeln funktionieren nicht

Internationale Verpflichtungen Bergbaugesellschaften haben, wie viele andere Firmen auch, eine oder mehrere Vereinba-rungen und Regelwerke unterschrieben, die sicherstellen sollen, dass sie sich nicht schlecht benehmen, um es einfach auszudrücken. All diese Vereinbarungen beruhen auf Freiwillig-keit: Werden die Regeln gebrochen, besteht die schlimmste Strafe darin, dass eine multilate-rale Entwicklungsbank die Projektfördermittel zurückhält oder ihre Versicherung gegen politi-sches Risiko zurückzieht (namentlich die Weltbank, die International Finance Corporation oder Multilateral Investment Guarantee Agency). Sollte ein Investor oder ein Unternehmen andere Regelwerke verletzen, nimmt vor allem seine Reputation Schaden, nicht aber sein Bankguthaben. Trotzdem hat nur eine Handvoll Bergbauunternehmen die Richtlinien verletzt, die das UN Global Compact, die UN Ruggie Principles, die OECD oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gesetzt haben, um nur einige zu nennen.39 Der International Council on Mining and Metals (ICMM) hat seine eigenen Richtlinien, die grob darauf ausgerichtet sind, unter Unternehmen und Handelsgesellschaften nachhaltige

38 Siehe Eurasia Daily Monitor 11 (199), 7. November 2014. 39 2009 erhielt der britische OECD National Contact Point (NCP) eine Beschwerde von Survival In-

ternational, in der es hieß, dass die in London ansässige Bergbaugesellschaft Vedanta Res-sources plc die OECD-Richtlinien im Hinblick auf die Rechte der indigenen Völker verletze, in-dem sie versuche, eine Bauxitmine im indischen Staat Orissa zu öffnen. Die NCP bestätigte die Beschwerde, siehe online: http://online.wsj.com/articles/SB125541020612681931. Das hat die indische Regierung möglicherweise ermutigt, eine eigene Abstimmung im Dorf zu initiieren, die die Pläne von Vedanta mit überwältigender Mehrheit ablehnte und zur Annullierung des geplan-ten Projekts durch die indische Regierung führte. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass ir-gendein anderes Projekt von Vedanta in Indien von der OECD-Entscheidung negativ betroffen war. Einige Investoren – darunter die Church of England und der Norwegische Pensionsfonds – haben in den folgenden Tagen ihre Anteile bei Vedanta aus verschiedenen Gründen zurückge-zogen, die nicht unbedingt mit der BCP-Entscheidung zu tun haben müssen. Keiner dieser Vor-gänge führte zu einer Schwächung von Vedantas Marktkapitalisierung an der Londoner Börse.

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Entwicklung zu propagieren.40 Viele dieser Gesellschaften haben ihrerseits Regeln für ihre Aktivitäten in bestimmten Bereichen aufgestellt, unter anderem für Zement, Aluminium, Nickel, Kobalt und Gold. Aber nur für zwei Gruppen von Mineralen gibt es bindende interna-tionale Handelsregulierungen: den Kimberley Process für Diamanten und den US-amerikani-schen Dodd-Frank Act, der auf sogenannte Konfliktminerale in der DR Kongo und in den angrenzenden Staaten angewandt wird. Beide Regelwerke sind für ihre Unangemessenheit und das Versagen bei ihrer Anwendung heftig kritisiert worden.41 Es liegt ziemlich klar auf der Hand, dass die Bergbaugesellschaften und Banken sich bei den Protokollen, denen sie beitreten, die Rosinen herauspicken, während sie jene, die sie prob-lematisch finden, links liegen lassen. Der UN Global Compact wird von der Deutschen Bank (einer der ersten Unterzeichner), der Commerzbank, Allianz, Münchner Rück und der DZ Bank befolgt, das sind 5 der 273 deutschen Firmen, die gelobt haben, das Vorsorgeprinzip zu beachten und an „nachhaltigen Lieferketten“ zu arbeiten. Andere deutsche Fonds sind nicht dabei.42 Internationale Banken werden außerdem gehalten, die Äquator-Prinzipien einzuhalten, die vor Kurzem überarbeitet worden sind, vorgeblich, um sie den Prinzipien und Sicherungen der World Bank/International Finance Corporation anzupassen. 80 Banken haben sich diesen Prinzipien verpflichtet, eine beachtliche Anzahl, wenn man bedenkt, dass sie schätzungswei-se mehr als 70% der internationalen Projektfremdfinanzierung in den sich entwickelnden Märkten bestreiten. Unter den deutschen Finanzinstituten haben jedoch nur die DK Bank, die DZ Bank und die KfW IPEX die Äquator-Prinzipien akzeptiert. Die Deutsche Bank, die Com-merzbank und die Allianz genießen den zweifelhaften Ruhm, das versäumt zu haben.

Indigene Völker und „Versorgungsrisiken“ 2009 lagen nach meiner Einschätzung zwischen 50% und 80% aller Mineralressourcen, die damals im Visier der Bergbaugesellschaften waren, auf dem Land indigener Völker. Das galt besonders für die ehemalige Sowjetunion, die Mongolei, Lateinamerika und Asien.43 Sieht man sich die Erkundungsagenda der Unternehmen für das kommende Jahrzehnt an, finden wir diesen Trend bestätigt, wobei Afrika noch dazukommt. In Klartext bedeutet das, dass abgesehen von südlichen Regierungen, die Ressourcensouveränität geltend machen, der Widerstand gegen den Bergbau durch indigene Völker und andere Gemeinschaften der

40 Laut ICMM sind seine Mitglieder für einen bedeutenden Anteil der weltweiten Förderung von

Metallen verantwortlich: Kupfer (52%), Metalle der Platingruppe (44%), Eisenerze (42,5%), Gold (26,6%) und Nickel (28%), siehe online: http://www.icmm.com/members

41 Zur Kritik des Kimberley Process siehe online http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=12352

42 Was die zehn Prinzipien des UN Global Compact angeht, siehe online http://www.unglobalcompact.org/AboutTheGC/TenPrinciples/index.html

43 Siehe Roger Moody, „Presentation to International Conference on Indigenous Peoples and Extractive Industries“, Manila, März 2009, zitiert in Pitfalls and Pipelines: Indigenous Peoples and Extractive Industries, Tebtebba et al. (Baguio, 2012).

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wichtigste Einzelfaktor bei dem Problem ist, das die Europäische Kommission ziemlich un-angemessen als „Versorgungsrisiko – schlechte Regierungsführung“ bezeichnet hat. Chatham House, das in London ansässige British Royal Institute of International Affairs, stell-te 2013 fest: „Das Verhältnis zu den örtlichen Gemeinschaften bleibt eine besondere Heraus-forderung in Ländern mit sich entwickelnder Produktion – wie etwa Peru, Mozambique, der Südsudan und Guinea –, wo der Rahmen für Umweltschutz oft schwach ist, die Gemeinden keine politische Stimme haben und Wasserrechte sowie Landbesitz oft ungeklärt sind.“ Das Institut stellte fest, dass die Kosten von Verzögerungen, die aus Konflikten mit Gemein-schaften entsprangen, substanziell seien und fügte hinzu, dass „für ein größeres Bergbau-projekt die wöchentlichen Kosten für verzögerte Produktion auf geschätzte 20 Millionen Dol-lar netto nach aktuellem Wert hochschnellen“.44 In seinem Jahresüberblick 2014-2015, der auf den Wahrnehmungen und Einschätzungen von Führungskräften über die größten Risi-ken ihrer Aktivitäten beruht, stellt Ernst & Young fest: „Die Erlangung gesellschaftlicher Ak-zeptanz ist heute ihr drittgrößtes Problem, während es 2008 noch an vierter Stelle stand. [...] In einigen Regionen, darunter Lateinamerika und Afrika, gibt es einen spürbaren Auftrieb für Ressentiments gegen den Bergbau. Probleme der gesellschaftlichen Akzeptanz haben sich 2012 in Lateinamerika verschärft, wo der Bergbau und die Rohstoffgewinnung zunehmend als Aktivitäten mit negativen Folgen für die Menschenrechte, die Gemeinden und die natürli-che Umwelt wahrgenommen werden.“45 Ein anderer Bericht aus dem Juli 2014 besagt, dass nur 39% der Banken eine Politik entwi-ckelt haben, die explizit auf die indigenen Völker eingeht.46 In dieser Hinsicht lässt die Revi-sion des dritten Äquator-Prinzips (wirksam seit Juni 2013) nach wie vor viele Wünsche offen, obwohl sie gegenüber den beiden früheren Versionen einen beachtlichen Fortschritt dar-stellt.47 Unter den regionalen Verwaltungsinstitutionen hat nur ECOWAS (The Economic Community of West African States) eine Regelwerk für den Bergbau geschaffen, das man „pro indigene

44 Chatham House, „Revisiting Approaches to Community Relations in Extractive Industries: Old Problems, New Avenues“, London, 4. Juni 2013.

45 Ernst & Young, „Business Risks Facing Mining and Metals 2014-15“, p. 2. 46 Doyle and Whitmore, Indigenous Peoples and the Extractive Sectors: Towards a Rights-

Respecting Engagement, Tebtebba et al., Manila, September 2014. 47 Punkt 3 der Äquator-Prinzipien besagt: „Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von FPIC

(Free, prior and informed consent, A.d.Ü.). Basierend auf Verhandlungen im guten Glauben zwischen dem Unternehmen und betroffenen indigenen Gemeinschaften, baut FPIC auf den Prozess informierter Beratung und Teilhabe und erweitert ihn, stellt die wirksame Teilhabe der indigenen Völker bei der Entscheidungsfindung sicher und versucht, ein Einvernehmen herzu-stellen. FPIC verlangt keine Einstimmigkeit, gewährt kein Vetorecht für Individuen oder Unter-gruppen und fordert vom Unternehmen nicht, Aspekte zu akzeptieren, die sich seiner Kontrolle entziehen.“ Siehe online http://www.equator-principles.com/resources/equator_principles_III.pdf. – Der Forschungsbeauftragte von Oxfam America stimmt zu, dass es keine „allgemein akzep-tierte Definition des Begriffs“ gibt, führt aber weiter aus, dass allgemein FPIC sich als beste Praxis für die Wahrnehmung der Menschenrechte aller [sic] Gemeinschaften herausstellt, die von Bergbauprojekten betroffen sind, siehe: „Free, Prior, and Informed Consent in Africa“, Oxfam and Cecil, p. 6.

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Völker“ nennen könnte. Die Directive on the Harmonization of Guiding Principles and Policies in the Mining Sector stellt insbesondere fest: „Firmen müssen von den örtlichen Gemein-schaften freie, vorherige und informierte Zustimmung erhalten, bevor die Erkundungsarbei-ten beginnen können sowie vor jeder nachfolgenden Phase von Bergbau- und Berg-baufolgeaktivitäten.“48

Staatliche Pensionsfonds und Staatsfonds Viele Länder verwalten solche Fonds, darunter die Mongolei und Kasachstan. Zusammen halten sie etwa 78 Billionen US-Dollar.49 Verhältnismäßig wenige investieren spürbar in den Bergbau. Darunter China Investment Corporation, Temasek (Singapore) und der Katar In-vestment Fonds, die eine herausragende Rolle dabei spielen. 2009 investierten Temasek und China Investment Corporation 1,5 Milliarden US-Dollar in Vorhaben von South Gobi and Iron Mining International Ltd's in der Mongolei.50 2010 kaufte Temasek konvertierbare Schuldverschreibungen im Wert von 100 Millionen US-Dollar bei dem südafrikanischen Pla-tinunternehmen Platmin Ltd., um dessen Bergbauprojekte im Bushveld Complex in Südafrika anzukurbeln.51 Katar Investmentfonds, einer der größten Shareholder bei Xstrata, diente als Werkzeug für Glencores Übernahme dieser großen Londoner Bergbaugesellschaft im Mai 2013. Praktisch keiner dieser mächtigen Fonds ist auf die Einhaltung der Menschenrechte und die Beachtung sozialer und ökologischer Kriterien verpflichtet, bevor er Investitionen in den Bergbau steckt. Tatsächlich scheinen nur zwei Staatsfonds so gehandelt zu haben. Im Sep-tember 2012 hat Neuseelands staatlicher Superannuation Fund Anteile aus der amerikani-schen Bergbaugesellschaft Freeport McMoran (mit Sitz in New Orleans) nach dem Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Grasberg-Mine in Papua zurückgezogen.52 Und der am höchsten dotierte staatliche Fonds der Welt – Norwegens Government Pension Funds Global, beraten von einem unabhängigen Ethikrat – hat einige Bergbaugesellschaften aus seinem Portfolio entfernt, weil sie Kriterien für „nachhaltige wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung“ nicht eingehalten hatten. Dazu gehören Vedanta (2007), Rio Tinto (2008) und Barrick Gold (2009). Unter offensicht-licher Nichtbeachtung überzeugender Argumente des Ethikrates, warum Rio Tinto und Barrick Gold gemieden werden sollten, unterstützt die deutsche KfW IPEX-Bank diese bei-den Unternehmen weiterhin finanziell (siehe unten). FAZIT: Trotz einer Vielzahl internationaler Protokolle mit dem Ziel, das Verhalten der Bergbaugesellschaften und der sie unterstützenden Banken zu regulieren, funktioniert praktisch keines davon so, wie es sollte. Eine beachtliche Anzahl deutscher Banken hat sie nicht einmal unterschrieben.

48 Doyle and Whitmore, Indigenous Peoples. 49 Siehe online http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=11928 50 Mining Journal, 1. Oktober 2010. 51 Mining Journal, 2. April 2010. 52 Siehe online http://minesandcommunities.org/article.php?a=1928.

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Neunter Teil: In der Schusslinie

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Neunter Teil: In der Schusslinie

Einige zweifelhafte Bergbauprojekte, die von deutschen Finanzinstituten unterstützt werden Im letzten Jahr hat Pax Christi in Deutschland einen detaillierten Bericht über Unternehmen und Finanzinstitute, die von Verletzungen der Menschenrechte profitieren, vorgelegt.53 Acht deutsche Banken und Versicherungen (Allianz, BlackRock Germany, Commerzbank, Deka-Bank, Deutsche Bank, DZ Bank, KfW und Münchner Rück) wurden von Pax Christi beschul-digt, zahlreiche aggressiv arbeitende Bergbaugesellschaften durch den Kauf von Anteilen und die Ausgabe von Schuldverschreibungen oder durch die Gewährung von Krediten zu unterstützen. So verdienstvoll die Recherche von Pax Christi war, konzentriert sie sich doch wesentlich auf Investitionen in “umstrittene Unternehmen“ statt auf einzelne Projekte. Die folgenden Abschnitte versuchen, diese Lücke zu schließen.

KfW IPEX-Bank Diese Bank agiert seit 2011 als Kreditgeber für einige Bergbauprojekte wie auch für Glen-core, den weltgrößten Händler mit Mineralen und Metallen (siehe Teil 1). Ab 2000 finanzierte sie eine Zusammenarbeit mit Serbien im Auftrag des BMZ, um Energieeffizienz zu fördern und den CO2-Ausstoß durch „Qualitätsmanagement“ der in der Kolubara-Mine abgebauten Braunkohle zu reduzieren. Im Mai dieses Jahres kam es zu massiven Überflutungen in Serbien, und dies führte zu ver-seuchten Seen, weil Abfälle aus der Kohlenmine ins Wasser gespült worden waren. Mindes-tens 100 000 Menschen blieben ohne Strom, und die Behörden mussten teurere Kohle im-portieren – für die Ziele der KfW IPEX wohl kaum ein Erfolg.54 Die KfW hat außerdem, abge-sichert durch Euler Hermes, in ein neues 660 Megawatt starkes Braunkohlekraftwerk in Griechenland investiert, das bis 2020 gebaut werden soll und voraussichtlich insgesamt 1,9 Milliarden Euro kosten wird. Geplant ist, dass die KfW IPEX 44% der Projektfinanzierung bestreitet, was sich etwa auf 610 Millionen Euro belaufen wird. 55 Unter den Unternehmen für Festgesteinbergbau, die die KfW IPEX-Bank und die KfW-DEG seit 2011 mitfinanziert und mit Krediten versorgt haben, sollten wenigstens drei aus dem Programm genommen werden, und zwar auf Grundlage dessen, was schon damals über die wahrscheinlichen sozialen und ökologischen Folgen bekannt war.

53 „Facing Finance: Dirty Profits 2“, siehe onlin: http://www.facing-finance.org/

files/2013/12/DIRTY-PROFITS-II.pdf. 54 CEE Bankwatch, 4. Juni 2014, wo Zvezdan Kalmar in The Balkanist zitiert wird. 55 National Geographic, 11. Februar 2014.

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Die 4 Milliarden US-Dollar schwere Goldmine Pueblo Viejo von Barrick Gold in der Domini-kanischen Republik ist auf einem ehemaligen, nicht sanierten Minengelände errichtet. Das Unternehmen hatte versprochen, vor dem Bau der neuen Mine das alte Gelände zu sanie-ren. The Economist berichtete jedoch im September 2013: „Die Anwohner […] klagen, dass die neue Mine die Flüsse vergiftet, Krankheiten und den Tod von Vieh verursacht. Sie ver-langen von der Regierung, dass sie die Einschätzung der Umweltfolgen für Pueblo Viejo veröffentlicht, was diese bisher verweigert hat.“56 Das Nationale Komitee gegen Megabergbau (National Committee Against Megamining) hat die Regierung aufgefordert, in der Bergbauzone den Notstand auszurufen.57 Rosemount Copper wurde im DERA-Papier 2013 zum Rohstoff Kupfer als möglicher Hauptlieferant des roten Metalls nach Deutschland erwähnt. Im selben Jahr schloss sich die KfW IPEX-Bank einem Syndikat von 12 internationalen Finanzinstituten an, das alle Einzel-heiten des Projekts finanzieren soll.58 Eine Umweltgruppe aus Arizona kam im Juli 2014 zu der Einschätzung, dass die Mine „für die Umwelt und Wirtschaft im südlichen Arizona verheerende Auswirkungen haben würde. […] The U.S. Environment Protection Agency […] hat bereits festgestellt, dass der umfang-reiche Tagebau mehr als 3000 Morgen des Coronado National Forest zerstören und 'sub-stantielle und inakzeptable Folgen' für die Wasserversorgung haben würde, die von 'nationa-ler Bedeutung' sei, während die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Milderung der Folgen 'wissenschaftlich zweifelhaft' und 'weithin unangemessen' seien“.59 Gegenwärtig wartet Rio Tinto darauf, dass der Kongress sich mit einem Gesetzentwurf zum Landtausch befasst, der nötig sei, damit die beiden Unternehmen (Rosemount Copper und Rio Tinto) weiterarbeiten können, da das Gebiet, das man brauche, seit 1955 Schutzgebiet und außerdem den Apachen heilig sei. Eine breite Koalition lokaler Aktivisten, darunter auch die Stammesregierung der Apachen, hat bisher zahllose Versuche, dieses Gesetz durchzu-bringen, erfolgreich blockiert. Es würde einen Präzedenzfall für die „Verrechnung von Natur“ schaffen, da Rio Tinto der Regierung von Arizona als Ausgleich für die 3000 Morgen Berg-bauland 4500 Morgen schützenswertes Gebiet angeboten hat.60

56 The Economist, 21. September 2013. 57 7 Dias, 19. September 2013. 58 Rosemount Copper, Mitteilung vom 9. August 2013. 59 Save the Scenic Santa Ritas, 23. Juli 2014. 60 Cahal and Whitmore, p. 162, online siehe:

http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=10088; zu „Kompensation von Natur“ siehe online http://www.boell.de/en/2014/09/02/meonetizing-nature-taking-precaution-slippery-slopex; zu Rio Tintos Programm für das Rosemount Kupfer-Projekt siehe online: http://www.icmm.com/document/1246; zu anderen Verletzungen der Biodiversität siehe online: http://www.icmm.com/document/4934; siehe auch: Thomas Fatheuer, „Neue Ökonomie der Natur. Eine Kritische Einführung“ (Heinrich-Böll-Stiftung, April 2014).

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KfW-DEG „Kenia ist das wirtschaftlich stärkste Land und verfügt über den fortschrittlichsten und größ-ten Privatsektor. […] Für die DEG wichtige Wirtschaftszweige umfassen den Finanz-, Ener-gie-, Agrar- und Tourismussektor sowie den Bergbau.“61 Das schreibt die DEG, der „Entwick-lungszweig“ der KfW, die – zusammen mit der holländischen Entwicklungsbank FMO und der französischen Proparco – insgesamt 70 Millionen US-Dollar in eine Mine für Mineralsan-de in Ostkenia gesteckt hat. Die Mine wurde im Dezember 2013 in Betrieb genommen und ist die wichtigste Neuentwicklung im Bergbau des Landes, indem sie Rutil, Ilmenit und Zirkon in großem Umfang aus dem Küstensand ausbaggert. Die KfW IPEX-Bank hat zusammen mit Hermes außerdem die Betreiberfirma politisch und wirtschaftlich in Höhe von 8,4 Millionen US-Dollar versichert, mit einer Laufzeit bis 2015. Schon 2003 hatte Kenias National Council of NGOs Stellungnahmen zu den „ungelösten Fragen“ abgegeben, die mit der Mine verbunden sind.62 In den folgenden elf Jahren gab es einige Zwangsumsiedlungen von Bauern in der Gegend.63 Das Coast Mining Rights Forum, eine Koalition von örtlichen Gemeinschaften und Menschenrechtsorganisationen, beklagt, dass der Bergbau hier etwa 5000 indigene Digo und Kamba heimatlos machen könnte, trotz des Coordination Acts von 1999, der besagt, dass „vor den Verhandlungen über die Lizenz indigene Stämme gefragt werden müssen und eine Einschätzung der Umweltfolgen vorge-nommen werden muss“. 2010 traf die African Human Rights Commission, eine Körperschaft mit quasi gesetzgeberischen Befugnissen, eine „historische Entscheidung“, um die Rechte einer anderen vom Bergbau betroffenen indigenen Gruppen zu schützen.64 _________________________

Die Deutsche Bank – fragwürdige Risiken „Tödliche Kohle“ in Kalimantan Bumi Resources ist der weltweit führende Exporteur von Kraftwerkskohle, gewonnen aus dem Tagebau Kaltim Prima Coal (KPC) in Ost-Kalimantan auf dem indonesischen Borneo. Die Deutsche Bank war nicht nur als Emissionsbank für Anteile von Bumi Resources tätig, sie ist auch einer der Kreditgeber der Firma. Mehr als ein Jahrzehnt lang haben die fürchter-lichen Folgen des Bergbaus von Bumi Resources bei örtlichen Gemeinschaften und indone-sischen Nichtregierungsorganisationen Empörung und Proteste hervorgerufen. Unermüdlich haben sie auf die Ausbeutung und Misshandlung der Arbeiter, auf die ungeheuerliche Vergif-tung von landwirtschaftlichem Boden und der Wasserwege und die gewaltsame Vertreibung von Dorfbewohnern hingewiesen.

61 Siehe online: http://www.deginvest.de//Internationale-Finanzierung/DEG/

Die-DEG/Unsere-Standorte/Ostafrika/ 62 Siehe online: https://www.minesandcommunities.org/article/php?a=1581 63 Siehe online: https://www.minesandcommunities.prg/article/php?a=3951 64 Siehe online: http://minesandcommunities.org/article/php?a=9881

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Neunter Teil: In der Schusslinie

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Ein Bericht aus dem August 2014 von Jatam (das indonesische Netzwerk für Probleme rund um den Bergbau) und von Greenpeace Indonesien stellte fest: „Die Menschen haben weder von der Regierung noch von dem Unternehmen irgendeine Entschädigung bekommen. Heu-te sind sie zunehmend Überschwemmungen ausgesetzt, haben Land und andere Ressour-cen verloren und werden gezwungen, ihr Trinkwasser zu kaufen. In Ost-Kalimantan ist Kohle nicht nur eine schmutzige Energieform, die unser Klima schädigt, sie ist auch tödlich, ver-nichtet Menschen und die Artenvielfalt.“65 Die Deutsche Bank bereut den Tag, an dem sie sich zur Unterstützung von Bumi Resources entschlossen hat. Wegen einer ganzen Reihe hinlänglich bekannter Missstände und Vorfälle – Missmanagement im Unternehmen, interne Kämpfe zwischen Führungskräften und betrü-gerische Transaktionen – wartet die Bank zusammen mit den anderen Geldgebern noch im-mer auf die Rückzahlung von Krediten in einer Gesamthöhe von 542,5 Millionen US-Dollar.66 Es ist traurig und ernüchternd, dass die Banken, die Bumi Ressources mit Geld gefüttert ha-ben, als das Unternehmen 2011 an die Londoner Börse ging, nicht hinter die IPO (Initial Public Offering / Erstemission) der Firma geschaut haben. Stattdessen haben sie den Köder, eine bedeutende indonesische Firma auf den britischen Kapitalmarkt zu bringen, geschluckt. Hätten sie auf die zahllosen Vorwürfe und Anschuldigungen aus der Zivilgesellschaft gehört, die es schon seit 2003 gab, wären ihnen ihre jetzigen Probleme erspart geblieben. CoAL in Afrika Im März 2011 beschaffte sich die an der Londoner Börse notierte Coal of Africa Limited (CoAL) einen Revolvingkredit über 50 Millionen US-Dollar von der Deutschen Bank für den Export von Kohle.67 Das Unternehmen hat diesen Kredit bis zum 30. Juni 2014 voll zurück-gezahlt. Die Deutsche Bank hatte damit CoALs Tagebau Makhado spürbar vorangebracht, der jährlich 2,3 Millionen Tonnen Steinkohle und 3,2 Millionen Kraftwerkskohle fördern soll. Da in Südafrika bis jetzt keine Steinkohle gewonnen wird, muss es seine knappen Devisen für teure Importe ausgeben.68 Deshalb mag die Deutsche Bank für sich beanspruchen, ihre Investititon in CoAL trage dazu bei, dass Südafrika diese negative Handelsbilanz besser ausgleichen könne. Eine Koalition vor Ort aus Stammesgemeinschaften und Bauern denkt darüber ganz anders. In den letzten drei Jahren hat sie das Projekt nachdrücklich wegen der Nichtachtung ihrer lebenswichtigen Wasserrechte kritisiert.69

65 Siehe online: http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=12742 66 Bloomberg, 12. Juni 2014, siehe online: http://www.bloomberg.com/news/2014-06-12/bumi-

warns-of-default-if-consent-not-won-for-bond-restructuring.html 67 Mining Weekly, 24. März 2011 68 Mining Weekly, 30. September 2014 69 Zur Kritik der Gaia Foundation des Makhado-Projekts von CoAL, siehe online:

http://www.gaiafoundation.org/sites/default/files/documents/MineNotWasteNot_decmeber2022.pdf. Diese Probleme sind – Stand März 2014 – noch immer nicht gelöst, siehe online: http://www.bdlive.co.za/business/mining/2014/03/23/miners-vs-villagers-again.

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Zehnter Teil: Deutschlands Rohstoffpartnerschaften – Sind sie das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen?

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Einem russischen „bösen Buben“ den Rücken gestärkt Im August 2014 führte die Deutsche Bank ein Syndikat europäischer Banken an, das dem russischen Stahlproduzenten EVRAZ eine Pre-Export-Finanzierung mit fünfjähriger Laufzeit zur Verfügung stellt.70 Das war „ein überzeugender Beweis, dass die Sanktionen gegen den Bergbau und die Metallindustrie in Russland im Ganzen ineffektiv sind“, wie das Russische Mineralforum konstatierte.71 Größter einzelner Shareholder an EVRAZ, das an der Londoner Börse registriert ist, ist der russische Oligarch Roman Abramovich. Im Jahr 2007 wurde dem Unternehmen Fahrlässig-keit und schuldhaftes Verhalten zum Vorwurf gemacht, das zum Tod von 148 russischen Arbeitern in einer Eisenerzmine führte. 72 Gegen das Unternehmen oder seine Führung wur-den keine Schritte eingeleitet. _________________________

Zehnter Teil: Deutschlands Rohstoffpartnerschaften – Sind sie das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen? Im Oktober 2010 hat die deutsche Regierung eine „Rohstoffstrategie“ beschlossen, deren Ziel es ist, die langfristige Spitzenstellung der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt im glo-balen Wettbewerb um Rohstoffe zu sichern, besonders im Verhältnis zu China.73 Diese Strategie fordert auch den Abschluss von sogenannten Rohstoffpartnerschaften mit wichti-gen Lieferanten – vertragliche Übereinkommen, weil man sich nicht mehr allein auf Ge-schäftsbeziehungen verlassen kann. Solche Vereinbarungen sind mit der Mongolei und Ka-sachstan getroffen worden. Sie verlangen explizit „die Kooperation zwischen Unternehmen beider Länder in der Erkundung, dem Abbau, der Verarbeitung und dem Gebrauch von Mi-neralvorkommen“. Berlin hat auch einen Vertrag mit Chile über die Zusammenarbeit bei der Ausschöpfung natürlicher Ressourcen abgeschlossen. Er wird ebenso als Rohstoffpartner-schaft bezeichnet, auch wenn er nicht so umfassend ist, wie die anderen beiden.

Versorgung mit Rohstoffen Im Juli wurde die explizit an den weitreichenden Abkommen mit Kasachstan und der Mongo-lei orientierte Rohstoffpartnerschaft mit Peru vereinbart. Es wurde festgelegt, dass zur Um-setzung des Abkommens „eine deutsch-peruanische Regierungsarbeitsgruppe zur Zusam-menarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich“ eingerichtet wird, mit deren Hilfe die Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft gesichert werden solle. Ferner heißt es, dass durch die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen Potentiale

70 Sharecast, 13. August 2014. 71 Minex EuroAsia industry statement, 18. September 2014. 72 Siehe online: http://moneytometal.org/index/php/Roman_Abramovich 73 Siehe online: http://www.german-foreign-policy.com/en/fulltext/57882

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für eine nachhaltige Rohstoffsicherung Deutschlands erschlossen werden sollen. Die deut-sche Regierung hat sich außerdem das Recht zugesichert, Lima bei der „Verbesserung der Gesetzgebung im Bereich Bergbau“ zu „unterstützen“.74

Exportgeschäft Parallel zu dieser Partnerschaftsvereinbarung versucht Berlin auch, Möglichkeiten für deut-sche Unternehmen im peruanischen Bergbausektor und den damit verbundenen Branchen zu eröffnen. Der Bergbauboom habe spürbar seit 2009 den Bedarf des Landes an Maschi-nen gesteigert, heißt es in der neuesten gtai-Studie zu Peru.75 2013 habe allein der Verkauf von Baumaschinen und Bergbauausrüstung deutschen Unternehmen eine Gesamtsumme in dreistelliger Millionenhöhe eingebracht, was in den kommenden Jahren noch eine jährliche Steigerungsrate von 10 Prozent bringen könnte. Außerdem erfordere der Boom im Bergbau „die entsprechende Entwicklung der Infrastruktur beim Transport und bei Energie und Was-ser, damit die Arbeit nicht durch zwischenzeitliche oder langfristige Engpässe behindert wird“. Dies eröffnet auch Geschäftschancen für deutsche Unternehmen. Auch gtai sieht geschäft-liche Möglichkeiten, weil die Bergwerkbetreiber aufgrund der Forderungen der Bevölkerung und der Regierung oft massiv in die Infrastruktur und die Region investieren müssen, was auch die Tür zu eventuellen Verträgen mit deutschen Firmen öffnen könnte. Die deutschen Exporte nach Peru sind 2013 auf beinahe eine Milliarde Euro gestiegen – das ist im Ver-gleich mit anderen deutschen Exporten nicht spektakulär, aber nützlich für den Import peru-anischer Rohstoffe, und vermeidet knapp Defizite in der Außenhandelsbilanz.

Soziale Konflikte Obwohl die deutsche Industrie die neue Rohstoffpartnerschaft lobt, äußert die katholische Hilfsorganisation Misereor scharfe Kritik. „Mit den großen Tagebauminen ist auch die Zahl der Menschenrechtsverletzungen und der sozialen Konflikte in Peru in die Höhe geschnellt“, schreibt Misereor. „Durch das harte Durchgreifen bei friedlichen Protesten gegen Bergbau-projekte kommt es immer wieder zu Toten und Verletzten.“ Der Bergbau schädigt im Übrigen ernsthaft das ökologische Gleichgewicht. Die Rohstoffpartnerschaft wurde zu einem Zeitpunkt vereinbart, „wo die peruanische Regie-rung gerade ein großes Gesetzespaket auf den Weg gebracht hat, das die ohnehin schwa-che Regulierung des Rohstoffsektors weiter aufweicht“. Misereors Partnerorganisationen in Peru haben das scharf kritisiert, weil es die ohnehin schwachen Umweltstandards im Berg-bau weiter senke. Die Rohstoffpartnerschaft signalisiert der peruanischen Regierung, dass die Expansion des Rohstoffsektors Priorität vor den dringend nötigen Regulierungen hat.

74 http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/C-D/deutsch-peruanische-

rohstoffpartnerschaft,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf 75 German Trade and Invest, „Peru. Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige

Entwicklung im Rohstoffsektor“, Juni 2014.

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Misereor warnt: „Wir befürchten daher eine Verschärfung der sozialen Konflikte rund um die Bergbauprojekte“ – gerade auch dank Berlins Rohstoffpartnerschaft.76

Kasachstan Wegen seiner Schlüsselrolle als Metalllieferant für die frühere UdSSR hat Kasachstan die höchste Verschmutzungsrate aller zentralasiatischen Staaten geerbt. Sie birgt nach wie vor ungeheure Gesundheitsrisiken für viele Bürger, besonders für Kinder. Dazu gehören die Einwirkung von Schwermetallen, die auf die „reformierten“ Uranabbaumethoden des Landes zurückgehen77, und inakzeptabel hohe Belastungen durch Blei, Kadmium und Arsen aus einem kürzlich geschlossenen, aber nicht sanierten Hüttenwerk.78 Weder das kasachische Regime noch die deutsche Regierung sind gegenüber den Proble-men der toxischen Erbschaft des Landes blind. In der offiziellen „Blaupause für die Bergbau-industrie“ strebt Kasachstan an, „mehr Bergbauabfälle zu recyceln, da das Land mehr als 20 Milliarden Tonnen an Abfallerzen und verwendbarem Industriemüll angesammelt habe, darunter 10,1 Milliarden Tonnen an nicht-eisenhaltigen Metallen und 8,7 Milliarden Tonnen Eisen“. Gegenwärtig werden jedoch weniger als 2% dieser Abfälle recycelt. In der deutsch-kasachischen Rohstoffpartnerschaft erklärt die deutsche Regierung, sie strebe an, ein „Investmenthandbuch“ zu schaffen, „das auf der Untersuchung und Einschät-zung des Potentials der Rohstoffe in kasachischen Abraumhalden basiert“. Die Karlsruher Firma Cronimet plant ebenfalls, Wolframabfälle zu recyceln, wenn sie einen „potenten In-vestmentpartner für Projektentwicklung“ im Lande findet. Ähnlich wie Deutschland meidet Kasachstan die Atomenergie und fördert (wenn auch in klei-nem Umfang) ein Solarenergieprogramm, das auch von der Deutschen Energie Agentur ge-fördert wird, während zugleich der deutsche Friendly Wind Technology Trade (FWT, mit Sitz im Westerwald) beim Bau von Windrädern hilft. Gemessen an der Größe der Herausforde-rung sind dies recht mickrige Anstrengungen. Nehmen wir die Seltenen Erden – von der deutschen Regierung bei der Verfolgung ihrer Rohstoffbeschaffungspolitik heiß begehrt. Die strategische Partnerschaft vom Februar 2012 „garantiert deutschen Unternehmen das Recht auf Erkundung und Ausbeutung kasachischer Seltener Erden und anderer Rohstoffe im Austausch gegen technologische Investitionen“. Kasachstan produziert zur Zeit Seltene Erden in einer Reihe von Kupfer-, Phosphat- und Eisenerzminen. Als größter Uranproduzent der Welt kann die staatliche Gesellschaft Kazat-prom auch „zu erschwinglichen Kosten“ Seltene Erden aus Uranerzen gewinnen.

76 „MISEREOR kritisiert Rohstoffabkommen mit Peru“, siehe online: http://www.misereor.de,

14. Juli 2014. 77 Siehe online: http://www.minesandcommunities.org/aricle/pkpa=12428. 78 Kazakhstan: Poisoned Legacy: How Are British Mining Companies Impacting the Central Asian

Nation's Worsening Environmental Track Record?“, People and Power – Al Jazeera, 19. Februar 2014, online unter: http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=12567

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Deutsche Unternehmen könnten auf diese Weise beim Abbau des wichtigsten nuklearen Minerals helfen, das eine Industrie braucht, von der sich die deutsche Regierung verab-schiedet hat. Der trübste Aspekt der deutschen Beziehungen zu Kasachstan ist jedoch das formelle Bündnis, das deutsche Firmen mit dem notorisch korrupten Regime von Nursultan Äbishuly Nazarbayew eingegangen sind, dessen Haushaltstransparenz von Transparency International als „minimal“ bewertet wird.79 Vorwürfe einer Verfilzung zwischen Nasarbajew und den Bergbaubetrieben hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben. 2010 wurde der staatliche Wohlfahrtsfonds beschul-digt, die beiden mächtigsten Bergbaugesellschaften des Landes durch Investitionen besto-chen zu haben, Kazakhmys und ENRC – beide damals an der Londoner Börse geführt.80 Drei Jahre später kommentierte die US-Menschenrechtsorganisation Freedom House, dass „einige mächtige Firmengruppen, die gegenüber Nasarbajew und Nur Otan (die größte Partei Kasachstans, deren Vorsitzender Nasarbajew ist) loyal sind, das Parlament, die Minister und die großen Medien indirekt kontrollieren. Zu diesen Gruppen gehören der Kupfergigant Kaza-khmys und die Eurasian Natural Resources Corporation, oder ENRC“.81 ENRC wurde 2013 von der Londoner Börse ausgeschlossen, als der amerikanische Serious Fraud Squad eine Untersuchung eröffnete wegen des Verdachts „des Betrugs, der Beste-chung und der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Aktivitäten in Kasachstan und in Afri-ka“. Im Juli desselben Jahres schloss sich das amerikanische Justizministerium der Untersu-chung an, die noch nicht abgeschlossen ist. Vier Monate danach gingen die drei Oligarchen, die sich mit der ENRC in London niedergelassen hatten, nach Kasachstan zurück und arbei-teten dort weiter, ohne irgendwie von der kasachischen Regierung behelligt zu werden. Das ist nur ein weiteres Beispiel für eine höchst zweifelhafte Entscheidung der Deutschen Bank: Sie war federführend bei der öffentlichen Erstemission an der Londoner Börse 2007.82

Mongolei Bewertet man ein Land nur nach seinen Mineralvorkommen, ist die Mongolei eines der at-traktivsten Investitionsziele überhaupt. Bei einer Bevölkerung von knapp unter drei Millionen Menschen (weniger Einwohner als Berlin), gibt es hier einige der weltgrößten Vorkommen an Kupfer, Gold und Kohle und beachtliche Mengen an Eisenerzen, Molybdän und Fluorit (Flussspat).

79 Transparency International führt Kasachstan auf Platz 144 der 177 Länder, die es überwacht,

siehe online: http://www.transparency.org/country#KAZ 80 The Guardian, 2. Dezember 2010, siehe online:

http://www.theguardian.com/business/2010/dec/02/kazakhstan-regime-link-to-ftse-firms 81 Online: http://www.freedomhouse.org/report/nations-transit/2013/kazakhstan# 82 Diese Information ist einer Abbildung des Prospektes auf der Website der Bergbaugesellschaft

entnommen, siehe: 100 Reporters, 27. November 2013.

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Doch der äußere Schein kann trügen. Mehrere Jahre lang tobte eine heftige politische De-batte, wie weit man die Kontrolle über diese Ressourcen an ausländische Unternehmen ab-geben dürfe beziehungsweise an den Staat. Nachdem 2013 die Demokratische Partei die Regierungsgewalt zurückerobern konnte, hob das Parlament ein vierjähriges Verbot neuer Erkundungsarbeiten auf und verlängerte die Gültigkeit bestehender Lizenzen.83 Es bleiben jedoch viele Investitionsrisiken zurück, und die Investitionen aus dem Ausland (mit Ausnahme Chinas) sind im vergangenen Jahr im beachtlichen Umfang gesunken. Sollte die Opposition von der Mongolischen Volkspartei die nächste Präsidentschaftswahl gewin-nen, die für das Jahr 2017 geplant ist, dann muss man, wie es ein Analyst formuliert hat, „wahrscheinlich mit einer Politik des zunehmenden Ressourcennationalismus rechnen“.84 Kein Abbauprojekt illustriert dieses mongolische Dilemma besser als Oyu Tolgoi, geplant als eine der größten Kupfer- und Goldminen auf unserem Planeten. Hier zeigt sich in vollem Umfang die Problematik der Frage, wie ein Land vom Abbau der eigenen Bodenschätze wirtschaftlich profitieren kann, ohne sein „natürliches Kapital“ zu verschleudern und die Lebensgrundlagen seiner Bürger zu gefährden. Obwohl die Mine 2013 mit den Lieferungen aus ihrem Tagebau begann, ist der wichtige Bau eines Untertagebergwerks in den vergan-genen fünf Jahren ins Stocken geraten. Rio Tinto, der Mehrheitseigner von Oyu Tolgoi, kämpft mit der Regierung (die 34% Anteile hält) um die Rahmenbedingungen für Investitio-nen, Steuern und Entschädigungen. Schon jetzt ist Rio Tinto verantwortlich für eine Kostensteigerung um 2 Milliarden US-Dollar in der ersten Entwicklungsphase der Mine, was nach Einschätzung der mongolischen Regie-rung ihre eigenen Gewinne aus dem Projekt erheblich schmälern wird. Bis zum 2. Oktober 2014 hatten die mongolische Regierung und Rio Tinto die anstehenden Fragen nicht geklärt. Da der 30. September 2014 der Stichtag für die Zusagen der Geldgeber war und diese ihre Zusagen zunächst nicht verlängert haben85, bedeutet das, dass die Projektfinanzierung, die die KfW IPEX-Bank und die niederländische Entwicklungsbank FMO neben anderen Banken 2013 zugesagt hatten86, wieder aufgeschoben wurde.87 Es gibt ein zwingendes Argument dafür, sie ganz zurückzuziehen: Der zweitgrößte Export-sektor der Mongolei sind die Produkte aus der Tierhaltung der Nomaden, eines der größten Nomadenvölker der Welt. Nach einer Reihe harter Winter haben die Nomaden auch unter wachsender Wüstenbildung und Verödung zu leiden. Viele sehen den Bergbau als endgülti-gen Todesstoß für ihre Art des Lebensunterhalts an. Sie sagen, dass im Oktober 2009 die Investmentvereinbarung ohne eine technische und wirtschaftliche Machbarkeitsstudie getroffen wurde, wie sie das Gesetz vorschreibt. Als die Studie erstellt wurde, hat Ivanhoe Mines, der damalige Eigentümer und unmittelbare Vor-

83 Mining Journal, 22. August 2014 84 Mining Journal, 9. Mai 2014. 85 Marketwire, 2. Oktober 2014. 86 Reuters, 3. Mai 2013. 87 Siehe online: http://www.mining.com/more-delay-at-oyu-tolgoi-as-financing-deadline-lapses-

52744/?utm_source=digest-en-mining-141005&utm_medium=email&utm_campaign=digest

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Elfter Teil: Förderung der „nachhaltigen“ Entwicklung? – Die widersprüchlichen Stellungnahmen von GIZ, BMBF, BMZ und BGR

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gänger von Rio Tinto, es versäumt, das Vorhandensein von und den Zugang zu Wasserre-serven nachzuweisen, „die für die Produktion, die Infrastruktur und die sozialen Erfordernisse des Projekts erforderlich sind“. Das Vorkommen von Oyu Tolgoi liegt in der Wüste Gobi nahe zweier streng geschützter Gebiete, wo sich eine „Important Bird Area“ und wichtige natürliche Lebensräume überlap-pen. „Dieses fragile, wasserarme Ökosystem hat nicht genug Wasser, um die riesige Mine zu versorgen“, sagt die mongolische Organisation Oyu Tolgoi Watch. Die Gruppe hat außer-dem scharfe Kritik an Rio Tinto und den Investoren geübt, da sie die örtlichen Viehhalter nicht als indigen eingestuft haben. Im Juli 2013 hat ein Teil von ihnen eine offizielle Be-schwerde beim Project Compliants Mechanism der Europäischen Bank für Wiederaufbau eingereicht. Im April 2014 wurde eine weitere Beschwerde erhoben, die sich auf die Aus-wirkungen des Straßenbaus im Zusammenhang mit dem Projekt bezieht.88 FAZIT neunter und zehnter Teil: Eine genaue Prüfung bestimmter Bergbauprojekte, die von der Deutschen Bank und der KfW IPEX-Bank unterstützt werden, enthüllen ernsthafte Verstöße gegen eine Menge sozialer und ökologischer Richtlinien, darunter auch potentielle Projekte in den drei Ländern, mit denen Deutschland eine Rohstoffpartnerschaft geschlossen hat – Peru, die Mongolei und Kasachstan.

Elfter Teil: Förderung der „nachhaltigen“ Entwicklung? – Die widersprüchlichen Stellungnahmen von GIZ, BMBF, BMZ und BGR Im April 2013 haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und sein Institut Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) „unsere [sic] Ziele beim Klimawandel und bei der Beschleunigung der Transformation unseres Energiesystems“ mit den Risiken bei der Versorgung mit bestimmten Mineralen oder Mineralgruppen verknüpft, wie etwa Metalle der Platinumgruppe, Seltene Erden und andere Metalle für die Hochtechnologie. Das BMBF betonte, dass der deutsche Plan für eine Nachhaltigkeitsstrategie bestrebt ist, „die Produktivität der Rohstoffe im Vergleich zu 1994 bis 2020 zu verdoppeln“ und dies durch „Aufhebung von Handelsschranken […], und die Förderung von Technologie und Ausbildung sowie einem Wissenstransfer bis zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung“ zu erreichen.

88 Siehe online: http://en.minewatch.mn/2014/05/project-complaint-mechanism-pcm-letter, auch OT

Watch, CEE Bankwatch Network, and London Mining Network, „Mongolian Herders Submit Complaint to European Public Bank“, Pressemitteilung vom 4. Juli 2013, online: http://www.minesandcommunities.org/article.php?.

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Das Programm der deutschen Regierung zur Energieeffizienz (ProgRess) hat zwanzig prak-tische Ansätze zur besseren Rohstoffproduktivität benannt, darunter bessere Abbautechni-ken, den Einsatz biotischer Materialien und eine Reihe von Technologien, die zum besseren Recycling und zur Trennung der Metalle schon im Verarbeitungsprozess führen sollen.89 Betrachtet man das alles zusammen, scheint es sich hier um eine behelfsmäßige Mixtur von Entwicklungszielen der Regierung, wirtschaftlichen Prioritäten und technischen Notwendig-keiten zu handeln. Insbesondere gibt es zwei beunruhigende Empfehlungen bei der Umset-zung des Effizienzprogramms: eine erhöhte Automation beim Abbau und die Erweiterung und „Vertiefung“ der existierenden Tagebaue. Diese Maßnahmen, sagt das BMBF, „würden zu sichererem und umweltverträglicherem Bergbau beitragen“. Es gibt sicherlich Bergbauarbeiten, bei denen der Einsatz von Robotern beim Abbau von Erzen lebenswichtig ist, um Verletzungen und Gesundheitsschäden für die Arbeiter zu ver-meiden (wie etwa die Roboter, die in Kanada im nördlichen Saskatchewan hochradioaktives Uran aus den Minen holen). Automatisierung im Allgemeinen – stellvertretend dafür seien die fahrerlosen Lkw genannt, die in australischen Eisenerzminen eingesetzt werden – wird da-gegen von den Bergarbeitergewerkschaften bekämpft, die das schlicht als Weg ansehen, mit dem die Unternehmen die steigenden Kosten senken wollen.90 Noch weit alarmierender ist die Aussicht auf jegliche Erweiterung des Tagebergbaus. Das würde nicht allein die gegenwärtige Beschäftigungslage gefährden, weil wesentlich weniger Jobs angeboten würden. Auch die negativen Auswirkungen, unter denen Gemeinden, die nahe an diesen Tagebauen leben, bereits heute leiden, würden unvermeidlich verstärkt wer-den. Dies würde wiederum Existenzen vernichten und zu einem spürbaren Verlust der Res-sourcen führen (besonders in der Landwirtschaft), auf die Hunderttausende von Menschen angewiesen sind.

Zusammenarbeit bei der Entwicklung Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) verfolgt einen wesentlich anderen Ansatz hinsichtlich der Rohstoffeffizienz: „Rohstoffgovernance im Bergbau ist […] das Leitmotiv, unter dem die GIZ weltweit ein nachhaltiges Management im Bergbausektor zu fördern versucht. Dem liegt das Ziel zugrunde, Transparenz bei der Gewährung von Bergbaukonzessionen zu sichern, die Erträge für das Wohl der gesamten Bevölkerung zu verwenden und die Umweltschäden zu minimieren.“91 Die GIZ hat ein Programm für die Regionale Rohstoffgovernance in fragilen Staaten West-afrikas aufgelegt und konzentriert sich dabei vor allem auf Liberia und Sierra Leone. Ziel ist die Reform der Bergbaugesetzgebung, um die Transparenz zu erhöhen, die Korruption zu

89 BMBF und FONA, „Rohstoffe von wirtschaftsstrategischer Bedeutung für High-Tech

Made in Germany“, April 2013. 90 Mineweb, 1. April 2014. 91 Siehe online: https://www.giz.de/en/worldwide/15792.html

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bekämpfen und einen „Dialog“ zwischen den Unternehmen und den Gemeinschaften zu fördern – eine Strategie, so heißt es, mit der „lokale und regionale Konflikte vermieden wer-den konnten“. In der Mongolei arbeitet die GIZ im Auftrag des BMZ in der „Integrierten Mineralstoffressour-ceninitiative (IMRI), um Jobs und Einkommen für Mongolen zu generieren“, und mit einem GIZ-Projekt, „um das gesetzliche Rahmenwerk für nachhaltige Entwicklung im mongolischen Bergbausektor in Einklang mit den globalen Standards zu bringen“. In Kirgisistan, Tadschi-kistan und Kasachstan arbeitet die GIZ mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), um „Starthilfe“ bei der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu geben, „teilweise, indem sie deutschen und anderen ausländischen Investoren den Zugang zum Bergbausektor erleichtert“, wozu „Schulung der Arbeitskräfte entsprechend den Markterfor-dernissen“ und Stärkung der Kapazitäten der staatlichen Behörden und Agenturen gehört. Gegen all das ist nichts einzuwenden – solange es zu höheren Löhnen, verbesserter Sicher-heit für Bergarbeiter und vor allem einer wesentlich gerechteren Verteilung der Erträge aus dem Bergbau führt. Die Belege dafür, dass die GIZ geholfen hat, „lokale und regionale Kon-flikte“ in Westafrika zu vermeiden, sind allerdings sehr dünn. Wenn überhaupt, haben sich die Konflikte im vergangenen Jahr verschärft – wie in Sierra Leone.92

Die UN-Millenniumsentwicklungsziele Im Jahr 2009 hat die BGR einen Bericht veröffentlicht, inwieweit die geschätzten Einkommen aus Sambia, Namibia, Mozambique und Ghana zur Erreichung der UN Millenniumsentwick-lungsziele beitragen könnten. Sie hat damit eine Arbeit fortgesetzt, die schon vorher für die-sen Bereich durch die BGR und die KfW IPEX in der Demokratischen Republik Kongo ge-leistet worden war.93 Diese Studie wird hier angeführt, weil, so wird vermutet, ihre Grundsät-ze von der deutschen Regierung als wichtige Leitlinie angesehen werden, wenn es um die Bezugsquellen von Rohstoffen aus Übersee geht. Die Zahlen dieser Studien sind nun aller-dings fünf Jahre alt, und in Sambia ist die Besteuerung von Mineralen strenger geworden.94 Dennoch scheint es einen grundlegenden Konflikt zu geben zwischen der Sicht des BMBF auf das, was „Nachhaltigkeit“ schafft, und dem wachsenden Konsens in der Zivilgesellschaft vieler ressourcenreicher Länder darüber, wie ihre Ressourcen ausgebeutet werden sollten –oder, um genauer zu sein, ob sie überhaupt ausgebeutet werden sollten. Schon allein aus wirtschaftlichen Gründen gibt es ein zwingendes Argument, dass in Zeiten, wo der Markt für Metalle niedrige Preise zahlt – wie es zur Zeit in vieler Hinsicht aussieht –, manche Minerale

92 Human Rights Watch, „Whose Development: Human Rights Abuses in Sierra Leone's Mining

Boom“, 2014, online: http://www.hrw.org/reports/2014/02/19/whose-development-0 93 M. Stürmer und P. Buchholz, „Government Revenues from the Extractive Sector in Sub-Saharan

Africa, A Potential for Funding of the United Nations Millennium Development Goals?“, BGR, Juni 2009.

94 Online: http://minesandcommunities.org/article.php?a=12315, und zu Ghana siehe online: http://www.minesandcommunities.org/article.php?a=11957

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Elfter Teil: Förderung der „nachhaltigen“ Entwicklung? – Die widersprüchlichen Stellungnahmen von GIZ, BMBF, BMZ und BGR

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 43 -

in der Erde gelassen werden sollten, um einen Preisanstieg abzuwarten oder ihn durch diese Maßnahme selbst zu bewirken. Das scheint jedoch nicht die Sichtweise zu sein, die die deutsche Rohstoffpolitik bewegt, die sehr viel Wert darauf legt, zu den niedrigsten Marktpreisen einzukaufen. Die Entscheidung, Kupfer von Sambia (mal angenommen) zu kaufen statt von Chile, metallurgische Kohle aus der Mongolei und nicht aus Mozambique und Seltene Erden aus Grönland statt aus Kasach-stan, kann man nicht einfach nur auf Basis der projizierten technischen Kosten für Abbau, Transport und Verarbeitung dieser Güter treffen. Die sozialen und ökologischen Kosten sind wahrscheinlich viel höher. Wie weit haben die deutschen Regierungsinstitutionen eine Ein-schätzung dieser Kosten vorgenommen, Land für Land und Mineral für Mineral? Bis heute jedenfalls bei weitem nicht hinreichend. FAZIT: Deutschlands Ziel, nachhaltige Entwicklung und die Millenniumsentwicklungs-ziele zu fördern, ruht auf fragwürdigen und widersprüchlichen Thesen, die Regie-rungsinstitutionen und die GIZ zum Bergbausektor aufstellen.

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Schlussfolgerungen

Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 44 -

Schlussfolgerungen ▬ Nachhaltige Entwicklung scheint nicht wirklich das Ziel der deutschen Rohstoff-

politik zu sein. Sie legt den Hauptakzent auf den Erwerb von Rohstoffen zu den niedrigsten Marktpreisen, was lediglich eine aktualisierte Version jenes vom Kolonialismus angetriebenen „Sturmlaufs auf die Ressourcen“ ist, der im gesamten 20. Jahrhundert so viele Länder verwüstet und verschandelt hat.

▬ Die Entscheidung, Kupfer von Sambia (mal angenommen) zu kaufen statt von Chile, metallurgische Kohle aus der Mongolei und nicht aus Mozambique und Seltene Erden aus Grönland statt aus Kasachstan, kann man nicht einfach nur auf Basis der prognostizierten technischen Kosten für Abbau, Transport und Verar-beitung dieser Güter treffen.

▬ Die sozialen und ökologischen Kosten werden viel höher sein, das zeigt sich fast täglich an irgendeinem Ort auf der Welt. Die deutschen Regierungsinstitutionen haben diese Kosten nirgendwo auch nur annähernd korrekt eingeschätzt – weder im Länderüberblick noch bezogen auf die jeweiligen Minerale.

▬ Das Gegengift liegt jedoch nicht so sehr in der Reform dieser Institutionen (obwohl eine solche sicher notwendig ist).

▬ Es braucht einen neuen, radikalen und multidimensionalen Blick auf die Folgen dieses Rohstoffabbaus für die Menschen und für die Ökologie. Die Wiederverwen-dung und das Recycling teilweise verbrauchter Metalle müssen daher zweifellos einen viel größeren Stellenwert bekommen als bisher.

▬ Was aber wirklich Not tut – wenn wir eine „grüne“ Ökonomie weltweit haben wollen – ist der Verzicht auf die Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen, die ipso facto dieses Ziel untergraben.

▬ Ein solches Vorhaben muss auf der Ebene der Konflikte mit lokalen Gemeinschaf-ten beginnen. Und die vielfach verletzten Rechte auf nachhaltige Lebensgrund-lagen für Millionen der Ärmsten dieser Welt berücksichtigen, die das Land, das Wasser und andere Ressourcen brauchen, die es auf rohstoffreichen Territorien gibt. Bei dem Versuch, die schlimmsten Missbräuche bei bestimmten Mineralen zu stoppen (wie „Blutdiamanten“ und „Konfliktminerale“ aus Teilen Afrikas), ist eine Landkarte der Lieferketten bei den Mineralen ein vielversprechender erster Schritt.

▬ Bislang wird nirgendwo genug getan. Viele Regionen der Welt werden noch lange in andere Arten von Konflikte verwickelt bleiben. Die gegenwärtigen Strategeme helfen wenig oder gar nicht, um das Verhalten der Mehrzahl der Bergbaugesell-schaften vor Ort und die Bereitschaft der Banker, sie zu unterstützen, zu ändern.

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Schmutzige Geschäfte, Februar 2015, Heinrich-Böll-Stiftung - 45 -

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Impressum Herausgeberin: Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin, D Redaktion: Michael Reckordt Erscheinungsort: www.boell.de Erscheinungsdatum: März 2015