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mit dem Schreiben. Wir werden das Experiment in jedem Fall fortsetzen und vielleicht schreiben beim nächsten Mal ja doch noch mehr als ein Verkäufer mit am Heft. Denn das ist unser Ziel: Zweimal im Jahr eine Ausgabe, in der Wohnungslose über sich und ihre Welt schreiben. Ihr verschnupfter Gerrit Hoekman Ihr Gerrit Hoekman das Jahr geht ja gleich gut los. Da haben wir uns für 2008 so viel vorgenommen und kaum fangen wir richtig an, da liegt schon die halbe Redaktion eine ganze Woche mit Grippe im Bett. Richtig fies war das. Schlimmer als die Kiefernhöhlenvereiterung mit 39 Grad Fieber anno 2001 oder der Hexenschuss zwei Jahre später bei dem ich kaum noch gerade auf dem Stuhl sitzen konnte. Egal, was auch passierte, wir sind immer pünktlich raus gekommen, sogar die Lungenembolie des ~-Gründers Peter Wolter haben wir einigermaßen unbeschadet überstanden. Aber nun war nichts mehr zu machen. Mit Wärmflasche und flauschig roter Wolldecke habe ich noch zwei Tage im Büro gesessen, um dann doch zu merken: Diesmal ist das Virus stärker, wir müssen das Heft um eine Woche verschieben. Und der schöne Erholungswert vom Kurzurlaub vor Weihnachten in Marrakesch ist auch schon wieder futsch. Aber so ist das eben bei der ~. Fallen ein, zwei Leute aus, liegt die gesamte Produktion danieder. Nur gut, dass wir von der Verkäuferausgabe noch ein paar Hundert übrig hatten, da mussten wenigstens unser Verkäufer nicht darben. Wie fanden Sie das letzte Heft überhaupt? War doch gar nicht schlecht, oder? Immerhin waren alle Autoren Amateure und haben kaum Erfahrung 2 Editorial Anzeige Anzeige Liebe Leserinnen und Leser,

Editorial Anzeige Liebe Leserinnen und Leser, · Da haben wir uns für 2008 ... empfindlicher Sparmaßnahmen zumutet, fragen sich viele: Wenn Hartz-IV-Empfänger in billigere Wohnungen

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mit dem Schreiben. Wir werden das Experiment in jedemFall fortsetzen und vielleicht schreiben beim nächsten Malja doch noch mehr als ein Verkäufer mit am Heft. Denn dasist unser Ziel: Zweimal im Jahr eine Ausgabe, in derWohnungslose über sich und ihre Welt schreiben.

Ihr verschnupfter

Gerrit Hoekman

Ihr Gerrit Hoekman

das Jahr geht ja gleich gut los. Da haben wir uns für 2008so viel vorgenommen und kaum fangen wir richtig an, daliegt schon die halbe Redaktion eine ganze Woche mitGrippe im Bett. Richtig fies war das. Schlimmer als dieKiefernhöhlenvereiterung mit 39 Grad Fieber anno 2001oder der Hexenschuss zwei Jahre später bei dem ich kaumnoch gerade auf dem Stuhl sitzen konnte. Egal, was auchpassierte, wir sind immer pünktlich raus gekommen, sogardie Lungenembolie des ~-Gründers Peter Wolterhaben wir einigermaßen unbeschadet überstanden. Abernun war nichts mehr zu machen. Mit Wärmflasche undflauschig roter Wolldecke habe ich noch zwei Tage im Bürogesessen, um dann doch zu merken: Diesmal ist das Virusstärker, wir müssen das Heft um eine Woche verschieben.Und der schöne Erholungswert vom Kurzurlaub vorWeihnachten in Marrakesch ist auch schon wieder futsch.Aber so ist das eben bei der ~. Fallen ein, zwei Leuteaus, liegt die gesamte Produktion danieder.

Nur gut, dass wir von der Verkäuferausgabe noch ein paarHundert übrig hatten, da mussten wenigstens unserVerkäufer nicht darben. Wie fanden Sie das letzte Heftüberhaupt? War doch gar nicht schlecht, oder? Immerhinwaren alle Autoren Amateure und haben kaum Erfahrung

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Editorial

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Liebe Leserinnenund Leser,

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Inhalt

Jetzt geht’s los

„Auch Ihre Verkäufer sollen die Halle nutzen“

Neuer Name gesucht

„Heißer Sommer in Münster

Hausbesetzer müssen draußen bleiben

„Dat is alle wat“

Arme Schlucker

Die längste Demo der Welt

Das fünfte Gebot

Bin kaum da, muss ich fort

Von Denkmälern und Konservatoren

Wer pflegt wen in der Republik

Münsteraner stimmen über Musikhalle ab

Klaus Anderbrügge verteidigt Konzertsaal

Hindenburg soll endlich abdanken

Hausbesetzer vor dem Amtsgericht

Niederländische Vermieter schützen ihr Eigentum

Maria Kindermann verkauft seit 50 Jahren Eier auf dem Wochenmarkt

Studenten fehlt das Geld für’s Studium

Liedermacher läuft gegen die soziale Kälte

Besinnliches von Eduard Lüning

Globalisierte Liebe stellt Paare auf harte Probe

Gunnar Pick hütet Baukultur

Spannende Statistik zur Gesundheitspolitik

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Impressum

Impressum:

Herausgeber

~ e.V.

Overbergstr. 2

48145 Münster

Redaktion

Tel.: 0251 / 5389 – 128

Streetwork

Sabrina Kipp

Tel.: 0251 / 5389 – 130

[email protected]

Internet | E-Mail-Adresse

www.muenster.org/draussen

[email protected]

An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet

Gerrit Hoekman (V.i.S.d.P.), Barbara

Blasum, Simone Gerhardt, Michael Heß,

Sabrina Kipp, Klaus Küster, Eduard

Lüning, Sabine Preuß, Jörg Rostek

Fotos

Michael Heß, Florian Kleinehollenhorst,

Klaus Küster, Eduard Lüning, Sabine

Preuß

Gestaltungskonzept

Lisa Schwarz, Christian Büning

www.elisabethschwarz.de

www.christianbuening.de

Layout, Titel

ImPrint Verlagsservice,

Jörn Essig-Gutschmidt

[email protected]

unter Verwendung eines Fotos

von Sabine Preuß

Druck

Borgsmüller Druck

unterstützt durch

Siverdes-Stiftung

Bankverbindung

Sparkasse Münsterland Ost

Konto-Nr. 33 878

BLZ 400 501 50

Bitte berücksichtigen Sie unsere

Werbepartner!

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Die Verkäufer unseres Vertrauens

Fotos: Florian Kleinhorst, www.flrn.de

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Bürgerbegehren Musikhalle

Jetzt geht’s los!

Text Gerrit Hoekman

Fast 30.000 Münsteraner haben dasBürgerbegehren unterschrieben, mitdem ein Bündnis unter Federführungder Grünen verhindern will, dass sichdie Stadt mit zwölf Millionen Euro amBau einer Musikhalle beteiligt. Nötiggewesen wären nur etwas mehr als8.000 Stimmen. Da der Stadtratkeine formalen Einwände geltendgemacht hat, werden die Bürgerin-nen und Bürger voraussichtlich am27. April entscheiden, ob sie Steuernfür ein Konzerthaus auf dem Hinden-burgplatz ausgeben wollen. Doch dieKlassik-Freunde geben keineswegsklein bei: Sie haben – eine Novum inder Geschichte Nordrhein-Westfalens– ein Gegenkomitee gegründet. EinBericht von Gerrit Hoekman.

Münster ist in Nordrhein-West-falen so etwas wie das kleine un-beugsame gallische Dorf bei Asterixund Obelix. Nirgendwo hat es dieObrigkeit schwerer gegen den Bürger-willen durchzusetzen als hier inWestfalen. Ob eine Gesamtschuleeröffnet werden soll oder die Stadt-werke privatisiert – die Münsteranerwollen selbst bestimmen und unter-schreiben gerne für ein Bürgerbe-gehren. Viermal bis jetzt, so viel wiein keiner anderen Stadt im Bundes-land ging eine Entscheidung desStadtrats in die Volksabstimmung. Diesturen Westfalen machen von derMöglichkeit, außerhalb der normalenWahlen ihr Votum abzugeben, reich-lich Gebrauch. Am 27. April ist es wie-der so weit: Diesmal entscheiden dieBürgerinnen und Bürger darüber, obdie Stadt zwölf Millionen Euro zueiner neuen Musikhalle zuschießensoll. Nimmt man die Zahl der Münste-raner, die sich auf den Unterschrif-tenlisten eingetragen haben, sind dieChancen der Bürgerinitiative ausge-zeichnet.

Doch die Befürworter eines Kon-zerttempels wollen keinesfalls kleinbeigeben. Seit zwanzig Jahren kämp-

fen sie für ihr Ziel auch in Münsterklassische Musik in einwandfreierKlangatmosphäre hören zu können.Dafür haben sie unter den Freundenvon Bach und Mozart 18 MillionenEuro gesammelt. Als der Stadtrat mitden Stimmen von CDU, FDP und SPDim letzten Jahr beschloss, den Rest ausdem Haushalt zu bewilligen, wähntensie sich am Ziel ihrer Träume. Doch siehatten nicht mit dem Widerstands-geist ihrer Mitbürger gerechnet. Nunmüssen sie sich Ende April demVolksvotum stellen und sie nehmendie Herausforderung an. Seit Kurzemkoordiniert ein eigenes Büro dieÖffentlichkeitsarbeit des Musik-hallen-Vereins. „Zum ersten Mal seitEinführung des Bürgerbegehrens vor13 Jahren gibt es in Münster eineGegenkampagne“, stellt „MehrDemokratie“ fest, eine landesweiteInitiative, die alle Bürgerentscheidedokumentiert. „Die Entwicklung istaus demokratiepolitischer Sicht zubegrüßen“, sagt ihr Landesgeschäfts-führer Daniel Schily. „Um eine Mobi-lisierung der Wähler zu vermeiden,weichen die Gegner eines Begehrensgerne einer öffentlichen Debatteaus.“

Aber was sollen die Musikhallen-Befürworter auch sonst machen? An

die 30.000 Unterschriften haben dieGegner innerhalb von ein paarWochen zusammen bekommen. Einüberwältigender Beweis dafür, dassder städtische Zuschuss längst nichtbei allen Münsteranern gut ankommt.Gerade in Zeiten, in denen dieschwarz-gelbe Koalition den Bür-gerinnen und Bürgern eine Mengeempfindlicher Sparmaßnahmenzumutet, fragen sich viele: WennHartz-IV-Empfänger in billigereWohnungen umziehen müssen, weilihnen die Stadt drastisch den Miet-zuschuss kürzt, wenn die Stadt-bücherei die Gebühren erhöhenmuss, weil das berüchtigte Rödl-Gutachten sie zwingt, den Gürtelenger zu schnallen und wenn eineganze Reihe sozialer Vereine nichtmehr weiß, wie sie ihrer sinnvollenArbeit nachkommen sollen, dannkann die Stadt nicht gleichzeitig zwölfMillionen Euro für das Steckenpferdeiniger Musikliebhaber ausgeben.

Die Befürworter sind in derDefensive und müssen erklären,warum Münster unbedingt einenKonzertsaal braucht, wo dochOsnabrück, Bielefeld und Dortmundeinen haben. Selbst gleich um dieEcke in Coesfeld kann man in einerneuen Musikhalle Klassik hören.

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Warum also auch noch in Münster?Bei dem Bürgerbegehren geht es nichtum Kultur, es geht um die schmerz-haften Einsparungen im Sozialetat,den viele in der Stadt am eigenenLeib spüren. Rödl hat ihnen in denletzten beiden Jahren viel zugemutet.Ob Volkshochschule, Stadtmuseumoder eben die Stadtbücherei – überalllebt man mit dem finanziellen Man-gel. Um die alternative Kulturszene,die ebenfalls unter erheblichen Ein-schnitten leidet, geht es den meistenUnterzeichnern erst in zweiter Linie.Wer wenig Geld hat, der kann nur alleJubeljahre mal ins Borchert-Theateroder in eine Vorstellung des freienSchauspiel-Ensembles Freuynde +Gaesdte. Ein teueres Konzert in derMusikhalle sitzt da erst recht nichtdrin.

Welche Motive die Gegner haben,ist im Prinzip einerlei. Natürlich wis-sen auch die Befürworter, dass esschwer ist gegen ein Bürgerbegehrenanzukommen. Wer eine Entscheidungder Politik rückgängig machen will, istin der Regel weitaus motivierter zurUrne zu gehen. Nur 20 Prozent Wahl-beteiligung reichen schon aus um dasBegehren erfolgreich zu gestalten –vorausgesetzt eine Mehrheit derWähler stimmt mit Nein. Das war beider Hälfte der Volksabstimmungen inNordrhein-Westfalen bis jetzt derFall. Diesmal ist die Entscheidung

aber noch nicht gefallen, der Musik-hallen-Verein hat die Kampfansageangenommen. „Allerdings sehen wiruns hier keineswegs allein gefordert“,heißt es in einer Pressemitteilung derBefürworter. Bei dem Projekt handelees sich nicht um eine private Ange-legenheit, sondern um eine Investi-tion in die Zukunft der Stadt. Deshalbmüsse auch die Politik öffentlichFarbe bekennen und mithelfen, dieMünsteraner zu überzeugen. „Beikeinem anderen Investitionsvorhabenin dieser Stadt ist ein so starkesPrivatengagement vorausgesetzt wor-den. Jetzt sind alle Parteien und dievielen Befürworter des Projektes inWirtschaft, Wissenschaft und Kulturgleichermaßen gefordert, um demZukunftsprojekt zum Durchbruch zuverhelfen.“

Das wird nicht einfach. Immerhinhat die Koalition erst vor kurzem einpaar Hallen- und Freibäder geschlos-sen mit dem Argument, dafür sei keinGeld mehr da. Nun müssen Schülerweite Fahrten in Kauf nehmen, umzum Schwimmunterricht zu kommen.Manche Familien, die gerne ins Badgleich nebenan gegangen sind, kön-nen sich jetzt den Besuch nicht mehrleisten, weil das Busticket zu teuerist. Die Gegner haben gute Argu-mente, weil sie den Nerv der einfa-chen Leute treffen. „Dass das Haus-haltsloch geschlossen werden muss,

ist verständlich. Aber es ist unver-ständlich, dass mit dem Geld, wasdurch die Ausdünnung und Ratio-nalisierung des bestehenden Kultur-angebotes in Münster in die Kassenkommt, nun eine Musikhalle finan-ziert wird“, heißt es in einer Presse-erklärung der Gegner. „Andere Kul-turprogramme müssen kürzer treten,damit die Musikhalle finanziert wer-den kann. Wenn der Musikhallen-verein seine Musikhalle will, soll ersie selbst bezahlen! Und zwar bis aufden letzten Cent!“

Immerhin scheint die schwarz-gelbe Koalition den in Bedrängnisgeratenen Musikhallen-Freundengerade noch rechtzeitig zur Hilfe zueilen. Im neuen Haushalt will sieeinige Sparmaßnahmen zurückge-nommen. „Wir wollen die Bürger zurRuhe kommen lassen“, sagt CarolaMöllemann-Appelhoff, Fraktions-chefin der FDP. Konkret: Stadt-bücherei, Volkshochschule undStadtmuseum bekommen wiedermehr Geld. Eine Überprüfung derBeschlüsse habe ergeben, dass diedamit verbundenen Einsparungen inkeinem Verhältnis zu den Qualitäts-einbußen stünden, die damit ver-bunden seien. Das hatten die Kritikerdes teuren Rödl-Gutachtens schonimmer angeprangert. Auch die AIDS-Hilfe und der Verein Zartbitter, dersich um missbrauchte Kinder küm-mert, sollen wieder mehr Unter-stützung unterhalten. Zu guter Letztdürfen die Hartz-IV-Empfänger, wennes nach der CDU geht, erstmal in ihrenWohnungen wohnen bleiben. Bisgenügend sozialer Wohnraum gebautist, in den die Betroffenen einziehenkönnen. Ob die Maßnahmen dieStimmung unter den Münsteranernfür die Musikhalle verbessern – am27. April, wenn die Wahllokale schlie-ßen sind, sind wir alle klüger. #

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Interview mit Klaus Anderbrügge

„Auch Ihre Verkäufer sollen die Halle nutzen“Seit 20 Jahren wirbt Klaus Ander-brügge für einen modernen Kon-zertsaal auf dem Hindenburgplatz.Als Vorsitzender des Musikhallen-Vereins hat der ehemalige Kanzlerder Universität erheblichen Anteildaran, dass die Münsteraner Klas-sik-Freunde stattliche 18 MillionenEuro gesammelt haben für ihrenTraum. Der Stadtrat hat versprochen,die noch fehlenden zwölf Millionenaus der Haushaltskasse zuzuschie-ßen. Eigentlich alles in Butter also.Wäre da nicht der 27. April, an demdie Bürgerinnen und Bürger abstim-men können, ob sie wollen, dass dieStadt für den Neubau Geld ausgibt.Sabine Preuß und Gerrit Hoekmanhaben sich mit Klaus Anderbrüggeüber die anstehende Entscheidungunterhalten.

~: Herr Anderbrügge, Siehaben bei der Diskussion um dieMusikhalle immer wieder betont,dass man nicht Kultur gegen Sozialesausspielen dürfe. Warum eigentlichnicht?

Klaus Anderbrügge: Weil dieErfahrung zeigt, dass dabei immer dieKultur verliert, denn es ist nie genugGeld da. Ich bin aber der Meinung,dass auch in schlechten Zeiten inKultur investiert werden muss. Dashat Münster auch getan. Zum Beispieldas Theater, das ist kurz nach demKrieg gebaut worden und damals ginges den Leuten bestimmt schlechter alsheute. Was viele gar nicht wissen: Eshat ja eine Musikhalle in Münstergegeben, aber die ist im Krieg zerstörtworden. Die hatte 1.400 Plätze, einetolle Akustik und war eine Plattformfür die gesamte Bürgerschaft. Es istdas einzige wichtige Gebäude aus derVorkriegszeit, das nicht wieder aufge-baut worden ist. Seit 1989 versuchenwir das hinzukriegen und die Hallehätte eigentlich schon längst stehensollen. Dass die Diskussion nun gera-de in einer Zeit statt findet, in der esin der Stadt eine soziale Schieflage

gibt, ist das Produkt dieser unendli-chen, zwanzig Jahre dauernden Ge-schichte. Wir wollen in Münster end-lich ein Haus, in dem man vernünftigMusik hören kann.

~: Es gibt doch solcheHallen im Umkreis. In Osnabrück,Bielefeld oder Dortmund. Ist es Ihnenzu umständlich dort hinzufahren?

Anderbrügge: Nein, aber dieMünsteraner wollen genauso wie dieEinwohner von Osnabrück, Dortmundoder Essen Musik in ihrer eigenenStadt hören. Außerdem ist es richtigteuer für ein Konzert nach Köln zufahren. Vorauszusetzen, dass dieLeute, die gerne so ein Kulturerlebnishaben möchten, genug Geld haben,das ständig zu bezahlen, halte ich fürzynisch. Das ist richtig teuer. DieFahrt, der Eintritt, dann kehrt manvielleicht noch irgendwo ein, weileinem sonst die Zeit zu lange wird.Warum haben knapp 300.000Münsteraner es nicht verdient, das inihrer Stadt zu erleben?

~: Die Fans von Madonnaund den Rolling Stones müssen auchweit reisen, um ihre Stars zu sehen…

Anderbrügge: Klar. AbsoluteSpitzenleute wird man auch in Zu-kunft nicht selbstverständlich inMünster sehen. Die können wir nichtbezahlen. Anne-Sophie Mutter wer-den wir wahrscheinlich hier nichthören. Aber selbst für die zweiteGarde haben wir kein Haus. Welchesauswärtige Orchester war denn in denvergangenen Jahren hier? Die bringenSie nicht in die Halle Münsterland.

~: Seit zwanzig Jahren gibtes die Initiative und Sie haben es inder Zeit offenbar nicht geschafft, dieHerzen der Münsteraner zu gewin-nen. Oder wie erklären Sie es sich,dass die Bürgerinitiative ruckzuck fast30.000 Stimmen zusammen bekom-men hat?

Anderbrügge: Das hat mit demHerzen nicht so viel zu tun. DieMünsteraner haben ein falsches Bildvon unserem Verein. Bei uns sindnicht nur Reiche. Das sind ganz nor-male Durchschnittsbürger. Rentner,Studienräte, Mittelständler, Künstler– das geht wirklich quer durch alleReihen. Wir machen das jetzt schonso lange. Es wird keine Zeit kommen,wo wir sagen können: Jetzt könnenwir uns wirklich alles leisten.

~: Sind auch Hartz-IV-Empfänger unter den Mitgliedern?

Anderbrügge: Kaum. Das wissenwir natürlich. Aber die werden Sieauch so gut wie nicht in anderenVereinen finden. Weil sie den Beitragnicht zahlen können. Auch bei unsmusste der eine oder andere im Laufeder Zeit die Mitgliedschaft kündigen,weil er die 50 Euro Jahresbeitragnicht mehr bezahlen konnte.

~: Warum sammeln Sienicht einfach noch den Rest von zwölfMillionen Euro, dann ist das Themavom Tisch?

Anderbrügge: Mehr als 18 Millio-nen schaffen wir nicht! Ich binaußerdem der Meinung, dass dieseine so wichtige Investition ist in dieZukunft der Stadt, dass wir das alseine große gemeinsame Anstrengungvon Bürgerschaft und Stadt betrach-ten sollten.

~: Das sehen vieleMünsteraner aber offensichtlichanders, sie betrachten die Musikhallemehr als ein Steckenpferd derWohlhabenden in der Stadt. Familien,die von Hartz IV leben, müssenumziehen, weil ihnen die Stadt dra-stisch den Mietzuschuss gekürzt hat.Begründung: Die Stadtkasse ist leer,wir müssen sparen. Wie erklären Siedenen, dass für eine Musikhalle aberzwölf Millionen Euro vorhanden sind?

Interview: Gerrit Hoekman

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ihren rigiden Sparkurs zwingt, dieGebühren zu erhöhen und denService zurückzufahren.

Anderbrügge: Da habe ich vielVerständnis für. Ich habe seinerzeitselbst dafür unterschrieben, dass beikeiner kleinen Kulturenrichtung die-ser Stadt Kürzungen vorgenommenwerden. Auch nicht bei der Stadt-bibliothek, der Volkshochschule, demStadtmuseum und der WestfälischeSchule für Musik. Ich fürchte, dass eswirklich Menschen gibt, die glauben,dass sie die Musikhalle nie von innensehen werden. Aber ich wünsche mirsehr, dass alle Münsteraner sie nut-zen. Wie das gehen kann? DurchBenefizkonzerte. Das haben wir inder Vergangenheit schon oft ge-macht. Wir haben zum BeispielGrundschulklassen samt Eltern ausKinderhaus und Coerde ins Schlosseingeladen. Da waren viele zumersten Mal im Schloss. So könnte dasauch bei der Musikhalle aussehen.Das hat doch auch mit Sozialem zutun. Wir brauchen einen Topf, ausdem Vereine, die nicht so viel Geldhaben, die Miete für die Musikhallefinanzieren können. Damit auchEinrichtungen, die sich an die breiteBürgerschaft richten, die Miete auf-bringen und in diesem Haus ihreVeranstaltungen machen können.Aber es ist doch so, dass derjenige,der nie schwimmen geht, nicht nacheinem Schwimmbad ruft. Natürlichhandeln manche, die Geld für dieMusikhalle spenden, aus Eigen-interesse. Aber ich stehe an der

Anderbrügge: Das ist eine ein-malige Investition, die für die Stadtwirklich notwendig ist. Dafür müssenkeine laufenden Ausgaben gekürztwerden und wir tun alles, damit ausder Musikhalle keine Folgekostenentstehen für die Stadt. Wir wollenam Ende eine schwarze Null.

~: Und was passiert, wenndie Halle tiefrote Zahlen schreibt, wasviele prognostizieren?

Anderbrügge: Das Minus mussnicht zwangsläufig sein. Es gibtHäuser in Deutschland, in denen dieStadt kein zusätzliches Geld rein-pumpen muss. Wir wollen ein Kon-zept, dass ein finanzielles Risiko aus-schaltet. Der Ratsbeschluss betont jaausdrücklich, dass es nur die zwölfMillionen Euro aus dem Haushaltgibt, wenn ein plausibles Betriebs-konzept auf dem Tisch liegt. Wennwir den Bürgerentscheid erfolgreichbestehen, setzen wir ja nicht am Tagdarauf den ersten Spatenstich. Dannwird eine Zeit vergehen, in der genaudiese Entscheidungen anstehen.Noch mal: Die zwölf Millionen wer-den nicht fließen, wenn nicht klarist, mit welchen Folgekosten zu rech-nen ist. Dann wird das Geschäft nichtzustande kommen.

~: Viele Ärmere in Münsterfragen sich, warum die Stadt Geld füreine Musikhalle ausgeben soll, die sieselbst vermutlich nie von innensehen werden, gleichzeitig aber zumBeispiel die Stadtbücherei durch

Spitze eines Vereins, der sehr vielbreiter angelegt ist als Sie das jetztvermuten. Wenn uns an derBürgergesellschaft gelegen ist, dannmüssen wir dafür sorgen, dass mög-lichst viele die Musikhalle nutzen.Auch die ~-Verkäufer zumBeispiel. Die würden doch vermutlichauch gerne mal in eine Kultur-veranstaltung gehen. So etwas mussdie Musikhalle auch ermöglichen.

~: Sie beschwören immerwieder die Bürgergesellschaft. Gibt esdie denn überhaupt noch in Münster?Wir haben nicht das Gefühl, wennwir uns die riesige Unterstützung fürdas Bürgerbegehren angucken. Aufder einen Seite gibt es Münsteraner,die können eine Menge Geld für ihrSteckenpferd Musikhalle spenden.Auf der anderen Seite gibt es viele,die müssen jeden Cent dreimalumdrehen. Wo ist die Solidarität derBürgergesellschaft bei diesem Thema.Wir haben nicht den Eindruck, dassder Prinzipalmarkt beim ThemaSozialpolitik immer vorne wegmar-schiert. Wir jedenfalls stehen bei denKaufleuten dort grundsätzlich vorverschlossenen Türen, wenn es umWerbung in unserer Zeitung geht.

Anderbrügge: Ich weiß, dassunter den Spendern eine MengeLeute sind, die fast immer geben.Egal für welchen Zweck. Die lassensich in sozialer Hinsicht nicht lum-pen. Was die Unterzeichner des Bür-gerbegehrens angeht, bin ich mirsicher, dass die ganz unterschiedlicheGründe haben. Natürlich gibt es wel-che, die sagen: „Von der Musikhallehabe ich nichts, dann soll die Stadtauch kein Geld dafür ausgeben.“Andere haben aber zum Beispiel auchunterschreiben, weil sie glauben, dieHalle versperre die Sicht auf dasSchloss. Was grober Unfug ist. Undsicher gibt es auch welche, die lieberdas Geld für den Erhalt einesSchwimmbads benutzt hätten. Damuss ich aber sagen: Für die Sanie-rung der noch übrig gebliebenenBäder wird die Stadt bis 2009 insge-samt 25 Millionen Euro ausgeben. Dasist mehr als das Doppelte, wasMünster für den Bau der Musikhalleaufbringen müsste. #

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Hindenburgplatz

Neuer Name gesucht

Text. Sabine Preuß & Gerrit Hoekman

Wie oft haben wir uns schon denMund fusselig geredet: Runter mitden Militaristen und Nazi-Freundenvon Münsters Straßenschildern. Spee,von Richthofen und Jötten sind derStadt des Westfälischen Friedensunwürdig. Nun hat die SPD zumin-dest die Umbenennung des Hinden-burgplatzes auf die politische Tages-ordnung gesetzt. Die nach dem RotenPlatz in Moskau zweitgrößte Frei-fläche innerhalb einer Stadt in Euro-pa soll demnächst wieder Neuplatzheißen. Zu langweilig finden die~-Autoren Sabine Preuß undGerrit Hoekman und haben sich aufdie Suche nach Alternativengemacht.

Wenn es in der Weimarer Repu-blik darum ging, Straßen, Plätze undGebäuden einen Namen zu geben,stand Paul von Hindenburg oft Pate:Auf Sylt verbindet der Hindenburg-damm die Promi-Insel mit dem Fest-land, in Hannover gibt es am Mittel-landkanal die mächtige Hindenburg-schleuse, Mainz, Hildesheim, Berlinund viele andere Gemeinden habeneinen Platz nach dem Reichsfeld-marschall benannt. Münster befindetsich also durchaus in schlechter Ge-sellschaft. Hindenburg, der Held derSchlacht von Tannenberg im ErstenWeltkrieg, hatte für die Republik nurVerachtung übrig. 1933 war er derSteigbügelhalter, der Adolf Hitler zumReichskanzler machte und den Nazisden Weg an die Macht ebnete. Nie-mand also, nach dem man irgendet-was benennen sollte.

Wie aber könnte der Hindenburg-platz in Zukunft heißen, falls derStadtrat beschließt, ihn umzubenen-nen? Der von den Sozialdemokratenvorgeschlagene Name Neuplatz gehtauf das Jahr 1759 zurück und ist ohneFrage die historisch korrekte Lösung.Aber ist sie auch die Beste? Hat einemoderne Variante nicht viel mehrCharme? Warum nennen wir den Platznicht nach einem Sohn der Stadt, der

Zeit seines Lebens so etwas wie derkomplette Gegenentwurf zum Säbel-rassler Hindenburg gewesen ist?Warum nennen wir ihn nicht nachFelix Gerritzen, genannt Fiffi. Der imletzten Sommer verstorbene ehemali-ge Nationalspieler von PreußenMünster war Mitglied des legendären100.000-Mark-Sturms, der in 50ern inDeutschland für Furore sorgte und 1951die deutsche Vizemeisterschaft nachMünster holte. Aber Gerritzen warnicht nur ein exzellenter Fußballer,nach seiner Karriere hat er sich an vielenStellen um die Armen in Münster ge-kümmert. Jahrelang brachte er denKoten im Kinderheim zu Weihnachtenein Lebkuchenhaus vorbei. Selbstgemacht wohlgemerkt und so riesig,dass es nicht durch die Türen passte,sondern nur noch durchs Fenster.Während der Fußballweltmeisterschaftin Deutschland schaute sich „Fiffi“ oftmit den Senioren im Altenheim dieSpiele im Fernsehen an oder erzählteObdachlosen auf der Straße spannen-de Geschichten aus seinemFußballerleben.

Oder wie wäre es mit Dr.-Rainer-Klimke-Platz. Der untadelige Sports-mann und sechsfache Olympiasiegerim Dressurreiten hat den Namen derStadt in alle Welt getragen. Außerdemfindet jedes Jahr nur einen Steinwurfentfernt vor dem Schloss das renom-mierte Münsteraner Reitturnier statt.Natürlich wäre es auch mal was Neuesnicht den Reiter sondern das Ross zuehren, auf dem Klimke die meistenseiner Erfolge gefeiert hat. Pferd-Ahlerich-Platz wäre ein weit sichtba-res Zeichen, das die Münsteraner einHerz für Tiere haben und tragendeRollen wertschätzen.

Aber schauen wir uns doch malan, wozu der alte Hindenburgplatzdient. Dreimal im Jahr findet dort derSend statt. Die Westfälischen Nach-richten schlagen deshalb Rummelplatzvor. Nicht schlecht. Auch Zirkusplatzkönnte man ihn nennen. Immerhin

gastieren dort im Laufe eines Jahresviele mehr oder weniger bekannteArtisten. Parkplatz liegt natürlich auchsehr nahe, denn nirgendwo parkt essich in Münster leichter. Wir findenaber: Die Stadt des WestfälischenFriedens sollte ein Zeichen derVölkerfreundschaft setzen, das weit indie Welt hinausstrahlt, zumindestaber bis in die Niederlande. Auf demPlatz kommen die Busse an, mitdenen unsere Nachbarn in unsereStadt reisen und nach ein paarStunden voll bepackt wieder von dan-nen ziehen. Nennen wir ihn deshalbKoningin-Beatrix-Platz. Als nettgemeinter Willkommensgruß, damitunsere Gäste glücklich sind und ihrGeld hier lassen. Ach, Sie wollen garnicht, dass die sich hier übermäßigheimisch fühlen? Dann haben wirnoch einen Vorschlag, der dieVerhältnisse gleich ins rechte Lichtrückt: Bernd-Hölzenbein-Platz,benannt nach dem Fußballer, der mitseiner legendären Schwalbe im Finale1974 Cruyff und Co. den schon sichergeglaubten Titel raubte. Der Frank-furter hat zwar nichts mit Münster zutun, soweit wir wissen, aber immer-hin haben die Oranjes damals amHiltruper See bei Krautkrämergewohnt und fuhren von dort aus inihr Verderben. Womit wir genaugenommen wieder bei Hindenburgangekommen wären. #

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Grevener Straße

„Heißer Sommer in Münster“

Für zwanzig Minuten, mehr konntensie nicht nachweisen. Es hat aber nureinen Teil der Besetzer getroffen,nämlich die zehn, die gerade blöder-weise an dem Morgen da waren.Sieben von ihnen haben bereits einVerfahren hinter sich, bei dem sie einEinstellungsangebot bekommenhaben.

~: Was ist ihnen denn an-geboten worden?

Paul: Sie müssen 150 Euro anAmnesty International zahlen. Dashaben die Besetzer angenommen. Beiden drei, die am 28. Januar vor Gerichtstehen werden, ist die Sache etwasanders: Die hatten schon früherVerfahren am Hals. Mit dem Erlös ausdem Soli-Konzert sollen nun Anwältebezahlt werden und so weiter.

~: Wie schätzt ihr die Chan-cen ein auch mit einer Geldstrafe da-von zu kommen?

Peter: Das ist bei den drei völligunklar. Es gibt wohl Bereitschaft, dasVerfahren genauso einzustellen wiedas gegen die sieben anderen. Viel-leicht gibt es aber auch Strafbefehle.

~: Wie kann man denFrieden eines Hauses brechen, dassofort nach der Räumung abgerissenworden ist?

Peter: Rechtlich schon. Ob dasmoralische okay ist, ein Haus einfachverfallen zu lassen, sei dahin gestellt.Der Verfall ist ja geplant worden, umirgendwann abreißen zu können, daswar keine Schluderei. Es ist meinerMeinung nach viel verwerflicher,Häuser leer stehen zu lassen undgleichzeitig stehen Menschen auf derStraße und suchen eine billige Woh-nung. Es war nicht gewollt, dass dortLeute leben. Natürlich soll das ab-schreckend auf kommende Besetzerwirken, zumindest aber auf die zehn,

Im April letzten Jahres besetzteneinige Münsteraner ein vom Abrissbedrohtes Haus an der GrevenerStraße. Nach zwei Wochen räumtedie Polizei das Gebäude auf Wunschder Eigentümerin, der gemeinnützi-gen Wohn + Stadtbau. Noch am sel-ben Tag kamen die Bagger undmachten das Haus dem Erdbodengleich. Inzwischen steht dort bereitsein Rohbau. Für die Besetzer hattedie Angelegenheit ein Nachspiel. Siestanden nun wegen Hausfriedens-bruch in Münster vor Gericht. GerritHoekman hat sich mit Peter undPaul, zwei der Angeklagten unter-halten. Inzwischen hat der Prozessstattgefunden und endete mitGeldstrafen für die Besetzer.

~: Neulich fand in Münsterein Solidaritätskonzert statt, bei derauch die bekannte Rostocker Punk-band „Die Dritte Wahl“ spielte. Waswar der Hintergrund?

Paul: Es ging um die Hausbeset-zung an der Grevener Straße vom Aprilletzten Jahres. Dort soll eine ganzeHäuserzeile abgerissen und damitgünstiger Wohnraum vernichtet wer-den. Nirgendwo gibt es in derMünsteraner Innenstadt so billigeWohnungen wie dort. Dementspre-chend haben sich Leute dagegen ge-wehrt. Anwohner, aber auch welche,die politische Gründe hatten. Die Be-setzer haben dort drei Wochen langgewohnt und ein Kulturprogrammgemacht und gezeigt, wie gut dieWohnungen noch in Schuss waren. DieEigentümerin, die gemeinnützigeWohn + Stadtbau, hat Anzeige gegendie Besetzer erstattet. Daraufhin hatdie Polizei die Häuser geräumt. ZehnLeute haben ein Strafverfahren erhal-ten.

~: Was wird ihnen vorge-worfen?

Paul: Hausfriedensbruch undEntziehung von elektrischer Energie.

Interview: Gerrit Hoekman

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hat das hervorragend funktioniert undgezeigt, dass Münster ein sozialesZentrum braucht und das von der Be-völkerung auch angenommen wird.Doch die Stadt hat sich um die Ange-legenheit nach dem Abriss der Schulenicht mehr gekümmert.

Peter: Die Besetzung der GrevenerStraße war der erste Versuch seit der„Uppe“ wieder etwas in Richtungsoziales Zentrum zu unternehmen. Wirhaben das Thema wieder in dieÖffentlichkeit gebracht. Damals hatsich gezeigt, wie nötig so ein Zentrumist. Es haben dort Konzerte stattgefun-den, die Nachbarn sind vorbeigekom-men. Danach ist das alles ein wenigeingeschlafen.

~: Die Stadt Münster hatden Mietzuschuss für Hartz-IV-Empfänger gekürzt, um das Loch imHaushalt zu stopfen. Die Betroffenensollen in billigere Wohnungen umzie-hen. Nun musste sie zugeben, dass eskaum günstigeren Wohnraum gibt.Fühlt ihr euch dadurch bestätigt?

Peter: Sicher. Aber das ist ja keineneue Erkenntnis, das ist schon langeklar. Die Stadt will bestimmte Schich-ten aus der Innenstadt verbannen,indem sie sozialen Wohnraum ver-nichtet. Das führt auch in Münster zusozialen Kämpfen. Der Frieden istgebrochen.

Paul: Sozialer Wohnraum ver-schwindet nicht einfach. Das ist einebewusste politische Entscheidung.

~: Die Grevener Straße hatfür die Linke in Münster eine beson-dere Bedeutung. Das ist doch mehr alsWohnen, da steckt doch eine MengePolitik in den Häusern?

Peter: Das ist eine der am meistenumkämpften Straßen in Münster. Esgab nirgendwo so viele Besetzungenwie dort Ein Haus steht zum Beispielunter der Verwaltung des AStA. Daswar damals das erste besetzte Haus inMünster.

~: Zwei Häuser sind nunabgerissen. Wie sieht es mit denenaus, die noch stehen?

Peter: Dort wo das besetzte Hausstand, ist nun ein Rohbau vor dem einwunderschönes Schild prangt: „Hierentstehen 15 Einheiten sozialen Wohn-raums“. Das ist eine große Blase. Aberdie Hälfte davon hat eine deutlichhöhere Miete als die Wohnungen indem alten Haus. Einigen Mietern inden angrenzenden Häusern der Zeileist wohl angekündigt worden, dass sieim Sommer ausziehen müssen. Einealte Frau, die schon seit fünfzig Jahrendort wohnt, wird demnächst in denNeubau umgepflanzt. Mit Fahrstuhl.Eigentlich hat sie keine Lust aus ihreralten Wohnung auszuziehen, aber mit90 Jahren kann man vielleicht nichtmehr kämpfen. Wir rechnen jedenfallsmit einem heißen Sommer in Münster.

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die jetzt vor Gericht stehen bezie-hungsweise standen. Nach dem Motto:Überlegt es euch gut, ob ihr das nochmal macht.

~: Wie ist die Besetzungvon den Bürgern aufgenommen wor-den?

Paul: Positiv. Eine Lokalzeitung inMünster hat vermutet, dass ungefährdie Hälfte hinter der Besetzung stand.Ich vermute, dass ist auch bei derStaatsanwaltschaft angekommen.Viele Münsteraner haben das nicht alsStraftat bewertet, sondern als Protestgegen den Abbau sozialen Wohn-raums. Und das ausgerechnet vonWohnbaugesellschaft, die sich nachaußen als die soziale Wohnraum-expertin darstellt . Wir haben mit derBesetzung da ein Thema gefunden,das auch für die breite Öffentlichkeitwichtig ist. Die Wohn + Stadtbau ver-kauft den Abriss, als hätte sie damitsozialen Wohnraum gerettet.

~: Habt ihr mit demVerfahren gerechnet?

Peter: Eigentlich ja. Wir sind einwenig überrascht, dass es so flott ging,nur ein halbes Jahr danach. AmMorgen der Räumung hatte die Polizeiuns noch eine Frist von drei Minutenfreiwillig raus zu kommen. Das habenwir abgelehnt und dann war eigent-lich klar, was danach kommen würde:Strafbefehle und -prozesse.

~: Warum habt ihr das Hauseigentlich besetzt? Seid ihr selbstwohnungslos?

Peter: Wir haben alle eine Woh-nung, aber wir haben eine persönlicheVerbindung zu den Häusern. Aber letz-tendlich hat unser politisches Be-wusstsein den Ausschlag gegeben. Dagab es einfach Handlungsbedarf.

Paul: Hinzu kommt, dass wirschon seit Jahren ein soziales Zentrumin Münster eröffnen wollen, um eineandere Politik möglich zu machen,aber dafür keine Räume finden. Das isteine Forderung, die wir stellen, seit-dem einige von uns 2000 die Uppen-bergschule mitbesetzt haben. Damals

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eine eigene Bude zu beziehen. Dastört es ihn auch nicht, dass er nureinen befristeten Mietvertrag hat:Wenn der Besitzer das Haus abreißenwill, dann muss er vielleicht vonheute auf morgen ausziehen. Daskann Monate dauern, aber wenn erPech hat, auch nur ein paar Wochen.Bis dahin wohnt er zu einem Preis,der seinesgleichen sucht. „Die Anti-Kraak-Firma kommt einmal im Monatvorbei und guckt, ob noch allesordentlich ist“, findet der Anti-Kraaker die Bedingungen akzeptabel,auch wenn in normalen Mietverhält-nissen der Vermieter nicht einfachplötzlich vor der Tür stehen darf.„Wenn ich eine Party feiern will mitmehr als zehn Personen, dann brau-che ich die Erlaubnis des Vermieters“,erzählt eine andere Anti-Kraakerin.

In den letzten Jahren hat sich in denNiederlanden eine Branche gebildet,die im Auftrag der Hausbesitzer ver-trauenswürdige Zeitmieter sucht. DasMotto dabei: so wenig Bewohner wiemöglich. In Häusern, in denen gut 200Menschen wohnen könnten, lebennur ein Dutzend und haben eine

Text: Gerrit Hoekman

ganze Mietskaserne für sich. Nieder-ländische Mietervereine finden dieVermieter-Idee nicht nur deshalbunsozial. „Anti-Kraak ist die Unter-wanderung der Rechte für die wir solange gekämpft haben.“ Zur Hochzeitder Besetzungen in Holland hatte dieRegierung ein Gesetz erlassen, dass esjedem erlaubt in ein Haus einzuzie-hen, das länger als ein Jahr leer steht.„Warum sollte man etwas verhindern,das legal ist?“, fragt ein Besetzer.„Anti-Kraak will Geld von dir, wäh-rend sie noch verdammt viel an dem-jenigen verdienen, der sein Grund-stück bewachen lässt.“ Vor den Ge-richten haben die Vermieter gute Kar-ten, die Richter beurteilen Anti-Kraakals normalen Gebrauch der Gebäude.„Anti-Kraak muss als unerwünschtesgesellschaftliches Phänomen betrach-tet werden, das die Mieterrechte aus-höhlt“, heißt es in einem Aufruf vonBesetzern.

Viele Anti-Kraaker nutzen das Angebotaus purer Not heraus. „Ich kann dienormale Miete für eine Wohnungnicht leisten“, verteidigt sich jemandim Internet-Portal „Indymedia NL“.Besonders unter Studenten ist dieForm zu wohnen beliebt, viele Anti-Kraak-Büros nehmen sogar nur ange-hende Akademiker, weil sie flexibelsind. Wenn sie aus dem Haus wiederrausmüssen, ziehen sie einfach insnächste. Auch Künstler schätzen dasAngebot, weil sie für ein paar Euroriesige Ateliers mieten können. Vieleder Anti-Kraaker sind sich aber deszweischneidigen Schwerts durchausbewusst: Sie dürfen in Häusern woh-nen, aus denen die ehemaligenMieter rausgeschmissen worden sindund sollen nun das leer stehende Ge-bäude für den Besitzer bewachen, vielbilliger als ein normaler Wachdienst.

Die Zahl der Niederländer, die vor-übergehend Anti-Kraak wohnen, hatin den letzten Jahren erheblich zuge-nommen, berichtet auch die links-liberale Tageszeitung „Volkskrant“.

Anti-Kraak-Firmen in Holland

Hausbesetzer müssen draußen bleiben

Vor 30 Jahren versetzten sie nieder-ländische Vermieter in Angst undSchrecken – die Kraakers, dieHausbesetzer in Amsterdam. Zeitweisewaren an die hundert Häuser in derHauptstadt instand besetzt. Aus jenenTagen stammt auch ein Gesetz, dasden Vermietern bis heute Kopfzer-brechen bereitet: Steht ein Haus län-ger als ein Jahr leer, dürfen Haus-besetzer einziehen. Ganz legal. Siemüssen nur ein Bett und einen Stuhlin das Gebäude stellen. Deshalbhaben die Besitzer die Anti-Kraak-Bewegung ins Leben gerufen. Fürwenig Geld lassen sie bis zum AbrissÜbergangsmieter in den Häusernwohnen. Vermittelt werden die Be-wohner von speziellen Firmen. EinBericht von Gerrit Hoekman.

Billiger wohnt man in den Niederlan-den nicht mal auf dem Hausboot. „Ichhabe 45 Euro im Monat für ein Apparte-ment bezahlt. Plus Gas und Strom. DasWasser war umsonst“, schreibt einStudent im niederländischen Anti-Kraak-Forum im Internet. Er ist begei-stert von der Idee für wenig Miete

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Alleine vier Millionen QuadratmeterBürofläche stehen in den Nieder-landen leer. Vom Geschäft mit demGebäudeschutz leben in den Nieder-landen inzwischen eine ganze ReiheFirmen wie Camelot, HOD Nederlandoder AdHoc. Nach Schätzung der„Volkskrant“ geht es in der Brancheum Millionen. Alleine Camelot hatnach eigenen Angaben in der Regelum die tausend Wohnungen undBüros vermittelt. Im Schnitt bezahlendie Wächter 150 Euro im Monat.

Die niederländische Gesetzgebungstößt bei den Vermietern verständli-cherweise auf wenig Zuspruch. Zumales manchmal auch die Falschen trifft.Kleine Häuslebauer wie ErwinBergsma etwa. „Dass Besetzer einfachin mein Eigentum einziehen können,finde ich unglaublich“, sagt er imMagazin „Elsevier“. Er hatte sich inder Nähe von Amsterdam ein kleinesDeichhäuschen gekauft und wollte esfür sich selbst umbauen. Das dauertelänger als ein Jahr, weil er unterdes-sen finanziell klamm wurde undimmer mehr Schäden zu Tage traten.Plötzlich waren über Nacht Hausbe-setzer eingezogen. „Noch am selbenAbend stand ich vor meinem Hausund führte durch den Briefkasten einGespräch mit den Besetzern“, erzähltBergsma. Er traf sich mit den ungebe-tenen Gästen im Bahnhofsrestaurantin Amsterdam und versuchte ihnenklar zu machen, dass er kein Miethaisei, sondern nur in seinem Haus amDeich in Frieden wohnen möchte. „Ichbin kein Vermieter, der etwas verlod-dern lässt, damit es hinterher mehrWert wird. Ich verwirkliche mir hiermein Traumhaus.“ Die drei Besetzerzeigten sich kompromissbereit. Sie

durften erstmal wohnen bleiben,unterdessen Bergsma sein Haus weiterumbauen konnte. Die jungen Leutewollten sogar beim Malen mithelfen.Eine Bedingung hatten sie allerdings:Die Handwerker durften nur mit Er-laubnis durch die Hintertür ins Haus.Ein Rechtsanwalt riet den verhinder-ten Hauseigentümer die Polizei einzu-schalten. Doch die Besetzer behaup-teten, Bergsma hätte schon seit übereinem Jahr nichts mehr an dem Häus-chen gemacht. Sie hatten als Beweisschriftliche Erklärungen der Nachbarn,die ihre Sichtweise bestätigten.

Solche Beispiele sind Wasser auf dieMühlen der Anti-Kraak-Büros: „Einbesetztes Haus wiederzubekommen istnicht nur ein lästige Angelegenheit,sondern es kann auch viel Schadenentstehen“, warnt ein Mitarbeiter derAnti-Kraak GmbH in der RotterdamerTageszeitung „De Telegraaf“ undempfiehlt den Hausbesitzern sorgfäl-tig ausgewählte Zeitmieter einziehenzu lassen, die ein Auge auf den Besitzwerfen. Die Interessenten müssen sichüber das Internet bei der Firma be-werben. „Wir gucken dann, ob sievertrauenswürdig sind.“ Die Bewerbermüssen älter als 18 Jahre sein, einFührungszeugnis vorlegen, festes Ein-kommen haben und kinderlos sein.Dafür können sie sich unter vielenAngeboten, das Schönste raussuchen:Das Unternehmen vermittelt nicht nurEtagenwohnungen und kleine Zim-mer, sondern auch große Anwesen.Ein zusätzlicher Anreiz für arme Stu-denten: „Mit Anti-Kraak kriegst du dieChance in Häusern zu wohnen, die dudir sonst nie leisten könntest – zumBeispiel in einer Villa oder in einemKloster.“ #

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war Bauer und für die kleine Mariahieß das: Von Kindesbeinen an aufdem Hof mitarbeiten. „Vor der Schulehatten wir schon drei Kühe gemolkenund für Schularbeiten blieb kaumZeit“, erinnert sie sich. Dann kam derZweite Weltkrieg und legte nicht nurDeutschland in Schutt und Asche son-dern auch die Träume der jungen Frau.„Eigentlich wollte ich ja aufsGymnasium und Hotelfachfrau wer-den, was mit Menschen machen.“Aber die Lehrerin riet der Mutter davonab – Münster, wo die nächste Pennewar, sei viel zu gefährlich. StändigBomben. Ihr erster Freund, ein Jurist,fällt im Krieg. Genauso wie ihr ersterMann. „Dat war alle wat, das war sehrschwer für mich“, sagt MariaKindermann lapidar.

1948 heiratet sie ein zweites Mal.Den Landwirt Karl Kindermann ausEverswinkel und wird doch nochBäuerin, was sie eigentlich nicht woll-te. Ab da heißt es: Zupacken! ZumNachdenken bleibt keine Zeit. Der Hofmuss wieder aufgebaut werden.Sieben Flüchtlingsfamilien wohnenjetzt mit den Kindermanns zusammenund wollen versorgt sein. „Alles warausgeräumt und das meiste Land imKrieg zwangsverpachtet. Das habenwir uns Stück für Stück wieder geholt.“Damit ein bisschen Geld für den Haus-halt reinkommt, fängt Frau Kinder-mann mit den Hühnern an. Am Anfanglaufen die Tiere frei rum und sie mussjedes Ei mühselig einsammeln. „Die Händler gaben uns drei Pfennigpro Ei, das muss man sich mal vorstel-len!“ Das guckt sie sich nicht lange anund macht dann den für ihr weiteresLeben entscheidenden Schritt: Siepackt zwei Körbe voller Eier, ungefähr500 Stück, und stellt sich unerschrok-ken selbst auf den Markt, erst inWarendorf und dann auch in Münster.„Die Händler haben nicht schlechtgestaunt: ‘Dat geit doch nich, dat nudie Buuren op de Markt fahren’. Aberdavon hat sie sich nicht entmutigenlassen. „Ich habe immer weiter ge-macht. Vor allem in Münster habensich die Bürger gefreut, dass die Bauerndie frischen Sachen direkt verkauften.“

Beharrlich geht Maria Kinder-mann ihren Weg. Sie wird Mutter.

Unsere Serie über die stillen Heldin-nen und Helden der Arbeit erfreutsich inzwischen großer Beliebtheit.Das Schöne daran: Der Stoff geht nieaus. Leute, die ihr Leben lang hartarbeiten und trotzdem Spaß dranhaben, gibt es überall. In der DDRbekamen verdiente Arbeiter einenOrden, ~ setzt ihnen ausBuchstaben ein Denkmal. Diesmalstellt Sabine Preuß Maria Kinder-mann vor, die seit Jahr und Tag aufdem Wochenmarkt Eier verkauft. Mit90 Jahren!

50 Jahre ist es her, da macht sichMaria Kindermann lange vor Morgen-grauen aus Everswinkel auf den lan-gen Weg nach Münster. Sie trägt zweiKörbe randvoll mit Eiern, die sie aufdem Wochenmarkt verkaufen will. Nieim Leben hätte sie sich damals träu-men lassen, dass sie das im Jahr 2008immer noch tut. Eier verkaufen. Wochefür Woche. Mittwochs und samstagsauf dem Domplatz in Münster undzwei Tage auf dem Markt in Waren-dorf. Als ob der Herrgott zu ihr gesagthätte: „Maria Kindermann, deine Be-stimmung im Leben ist es, Eier zu ver-kaufen und die Menschen damit glük-klich zu machen.“ Darüber ist sie fast90 Jahre alt geworden.

Maria Kindermann ist auf demWochenmarkt nicht irgendwer, MariaKindermann ist eine Institution. DieEier der freundlichen, alten Dame sindlecker und ein verschmitztes Lächelnund ein paar nette Worte für dasWochenende sind im Preis inbegriffen.Das schätzen die zahlreichen Kunden.Viele halten ihr schon seit Ewigkeitendie Treue. „Meine ältesten Stamm-kunden kommen schon über 40 Jahre.Die reisen sogar regelmäßig aus Essenund Dortmund an und stopfen sich dieTaschen voller Eier“, sagt sie. Wenn esbei Maria Kindermann hoch her geht,bildet sich eine lange Schlange, so

lang, dass man von ganz hinten nichtmehr den Stand sehen kann. Aber dieLeute warten geduldig, bis sie ihre Eierendlich in den Händen halten.

Die meisten Kunden ahnen ver-mutlich nicht, wie viel Arbeit darinsteckt, bis die Tausende von frischenEiern in Münster auf dem Markt stehen.Der Kindermannsche Hof in Everswin-kel ist ein schönes altes Anwesen.Typisch westfälisch. Hier wohnt FrauKindermann mit ihrem Sohn Reinholdund Hunderte von Hennen. Wenn eineein Ei legt, dann rollt es auf ein Bandund wird, schwupps, wegbefördert.Ohne dreckig zu werden. Übrigens: Jeälter ein Huhn umso größer die Eier.Eine Landwirtschaftshilfe sortiert sieder Größe nach und bringt sie insKühlhaus. „Unsere Eier sind zwei,maximal drei Tage alt, werden alsoganz frisch verkauft. Und durch unsergesundes Spezialfutter sind sie un-schlagbar lecker!“, erzählt Maria Kin-dermann stolz. Am späten Abend vordem Markttag werden die Eier bereitsin den Bulli geladen und dann geht'sam nächsten Morgen in aller Herr-gottsfrühe los. „Lange Jahre bin ichmorgens um halb fünf aufgestanden,war oft schon um 5 Uhr auf demMarkt. Habe den Stand alleine aufge-baut.“ Seit dem Herzinfarkt im letztenJahr macht das jetzt ihr Sohn. „Ichkomme um acht Uhr nach“, darf die90Jährige inzwischen etwas länger inden Federn bleiben. Beim Verkauf hilftimmer jemand aus der Familie. „Malfährt meine Schwiegertochter mit,manchmal einer meiner Enkel.“

Wenn die quicklebendige, rüstigeFrau aus ihrem Leben erzählt, dannblickt sie oft verwundert. Fast erstaunt.Darüber, dass alles so gekommen ist.„Dat is alle wat“, ruft sie dann unver-mittelt. Als Maria Kindermann inNienberge geboren wurde, ging gera-de der Erste Weltkrieg zu Ende. Damalshieß sie noch Wiemeler. Vater Heinrich

Heldin der Arbeit

„Dat is alle wat!“

Text & Fotos: Sabine Preuß

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schaft jedes Jahr weg. „SämtlicheGeburtstage werden in der Nachbar-schaft ordentlich gefeiert. Wir haltenzusammen, auch wenn im letztenVierteljahr drei Frauen gestorben sind.Mittlerweile ist man doch eine rechteEintagsfliege, dat iss so!“

Hat sie ein Geheimnis für ihreZufriedenheit, das sie lüften könnte?„Tja, ich weiß auch nicht, warum soviele alte Leute so verdreht und knat-schig sind. Man muss auch mal Freudegeben, kann nicht immer nur nehmenund denken, die Leute sollen zu einenkommen. Man muss ihnen auch ent-gegenkommen und hilfsbereit sein.“Und gottesfürchtig fügt sie an: „Ichhatte ein hartes Leben, aber es istirgendwie so gegeben. Es geht garnicht anders. Ich kann doch meinenSohn nicht alleine sitzen lassen.“ #

Dreimal Zwillinge! Aber auf den Marktgeht sie trotzdem. „Ich brauchte dasGeld!“ Und sie braucht auch wohl dieAbwechslung zur harten Hofarbeit,selbst wenn das auch wieder mit vielArbeit verbunden war. „Wenn ich denMarkt nicht gehabt hätte, ich wäreverrückt geworden nur auf dem Hof!“,stellt sie fest. Das ist bis heute sogeblieben. Auf dem Markt verkaufen,das macht ihr auch mit 90 Jahren nochSpaß. „Ich mache das so gerne. Undwenn man erstmal die Stadt gerochenhat und den Markt. Das ist eine schöneAtmosphäre, da gibt's gar nix.“ ZuMünster hat sie eine besondere Be-ziehung, da kommt sie richtig insSchwärmen: „Münster war immer eineleganter Markt, das war bei denMünsteranern immer so. Ganz anderesPublikum. Münster ist ja auch eine ele-gante Stadt, wie selten eine. Prinzipal-markt, Domplatz ist schon wasBesonderes. Eine reiche Stadt. Richtigarme Leute gibt es kaum.“ Maria Kin-dermann hat die Münsteraner studiert.

Für die Kunden verkörpert sie dasalte Münster mit seinem ursprüngli-chen Wochenmarkt vor der schönenDomkulisse. Auf dem knorrige westfä-lische Bauern und Bäuerinnen ihreWaren anboten. Leider sind die Altenmittlerweile fast alle weg, die Kappel-manns und Lockemanns und wie siealle hießen. Dafür sind Imbissbudenund Kaffeestände gekommen.„Obwohl die Stadt wirklich darumbemüht ist, den Charakter des Markteszu bewahren“, betont der ErsteVorsitzende der Interes-sensgemeinschaft der Marktbeschickerin Münster, Wolfgang Hesse.

Auf dem „alten Markt“ von MariaKindermann ist auch mal Zeit für einSpässken. „Ein Professor kauft immereine Palette Eier“, erzählt sie. „Für die‚schwatten Wichterkes'.“ Das sind dieClarissen, die hinter dem Dom aufmildtätige Gaben warten. Alle mögenMaria Kindermann, das weiß sie. „DieLeute freuen sich immer, wenn ich aufdem Markt bin. Wie ich krank war, achGott, da schickten sie alle Blumen.Und wie viel Kerzchen wurden ange-macht und wat nicht alles. Damit ichja wieder komme.“ Wenn sie da ist,

dann wissen die Kunden, dass die Eiergut sind, glaubt das Urgestein.

Frau Kindermann hat – scheint's– den Traum vom anderen Leben inihr eigentliches bodenständiges undarbeitsreiches Leben eingebaut, dassie vor allem der Familie gewidmethat. Sie ist zufrieden damit. Wie sie sovor einem steht, in ihrer schönenalten Diele in Everswinkel, picobello inder roten Strickweste, die sie über eine1a gebügelte weiße Bluse trägt, blin-zelt die Zufriedenheit und Freude amLeben aus jedem Knopfloch. Machenes die zehn Enkel oder der Apfel, densie regelmäßig jeden Abend isst? InEverswinkel kennt man sie, weil siefest in der Kirche und der Gemeindeeingebunden ist. Jeden Sonntag gehtsie nach der Frühmesse zum Frauen-frühschoppen und bis vor zehn Jahrenfuhr sie auch mit der Frauengemein-

Zur Person

Maria Kindermann, geb. Wiemeler,

geb. am 1. 5. 1918 in Nienberge, Sternzeichen: Stier

5 Kinder, drei Zwillingspärchen, 1 Tochter als Säugling verstorben, 10 Enkel

seit 50 Jahren als Eierfrau auf den Wochenmärkten in Münster und Warendorf

Hobby: Musik „mit Schwung“, Laster: Kaffee trinken, „erblich“, von der Mutter

Lebensmotto: Wer gibt, der bekommt auch!

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Text: Jörg Rostek

Die wirtschaftliche Lage der Studie-renden in Münster wird immer pre-kärer. Nur noch jeder Dritte betrach-tet seine finanzielle Situation alssicher. Das hat die 18. Sozialerhe-bung des Deutschen Studentenwerksergeben. Jörg Rostek, selbst darben-der Student, hat sich die Resultateeinmal genauer angeschaut, die sichaus der Befragung von 390 Studie-renden nach ihrer wirtschaftlichenLage ergeben haben.

Wie finanzieren Studenten eigent-lich ihr Studium? Woher bekommen sieihr Geld? Ein Studium kostet ebennicht nur Zeit, sondern auch eineMenge Kohle. Dabei gilt: Je wenigerGeld ein Student im Monat von seinenEltern bekommt oder vom BAföG-Amt,umso wahrscheinlicher muss ernebenher arbeiten gehen. Und jemehr er arbeiten muss, umso längerdauert das Studium und umso höherist die Gefahr, dass der Studentirgendwann die Uni schmeißt. Traurig,

aber wahr. Eltern und Ausbildungsförderung

sind die maßgeblichen finanziellenStützen der Studenten in Münster. ImDurchschnitt bekommen an die 90Prozent der angehenden Akademiker361 Euro im Monat von den Eltern.Große Sprünge kann man damit nichtmachen. Ein Viertel der Studentenbekommt BAföG und zwar durch-schnittlich 358 Euro. Nur zwei Prozenthaben laut jüngster Erhebung einenBildungskredit beantragt oder einStipendium bekommen. 17 Prozentverfügen über eigenes Vermögen. DerNebenjob ist die drittwichtigsteEinkommensquelle. 60 Prozent ver-dienen sich so im Schnitt 257 Euro imMonat dazu. Bei einem Stundenlohnvon 9,70 Euro in Münster. Das sindimmerhin 30 Cent über dem Üblichenin Nordrhein-Westfalen. Ein Drittelvon ihnen glaubt, dass sich dadurchihr Studium erheblich verlängert. Nurzwei Drittel halten ihre Finanzierungfür sicher. Ungefähr genauso viele

betrachten ihre Nebeneinkünfte alsabsolut notwendig. 70 Prozent arbei-ten, um sich mehr leisten zu können.

Alles in allem belaufen sich dieEinnahmen der Studenten in Münsterauf 739 Euro im Monat. Jeder Zehntehat jedoch weniger als 500 Euro zurVerfügung. Ebenfalls jeder Zehnte hatsogar mehr als 1.100 Euro im Porte-monnaie. Dem gegenüber stehen dieAusgaben: Für Miete, Essen, Kleidung,Bücher, Fahrkarten, Zeitungen, denSozialbeitrag für die Uni und die Stu-diengebühren müssen die Studentenim Schnitt 774 Euro aufbringen. Vieleleben über ihre Verhältnisse. Das Fazitder Erhebung: Jeder dritte Student inMünster macht sich Sorgen um seinefinanzielle Situation und die Studien-gebühren haben die Probleme drama-tisch vergrößert. Die Zahl der Studie-renden, die nicht nur in den Semes-terferien sondern auch während desSemesters arbeitet, hat stark zuge-nommen. Ein Fünftel des Zeitbudgets,das eigentlich für das Studium gedachtist, geht so für die Arbeit drauf. Dassind mehr als zehn Stunden die Wocheund ein Ende ist nicht abzusehen, weildas Leben immer teurer wird.

Die Studierenden reagieren aufdie Misere mit längerer Studiendauerund dem Verzicht auf ein Semester imAusland. Und sie nehmen immerschlechter bezahlte Jobs an – in derNot frisst der Teufel eben Fliegen.Erschreckend: Nur 20 Prozent derStudenten kommen aus einem Eltern-haus, in dem Vater und Mutter wederMittlere Reife noch Abitur haben. DasStudentenwerk kommt zu demSchluss: Immer mehr entscheiden diefinanziellen Voraussetzung über denBildungserfolg und immer wenigerFleiß, Kreativität und Grips. #

Studenten

Arme Schlucker

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Text: Klaus Küster

Das ist doch wirklich mal eine guteSache: Beim Dietrich-Bonhoeffer-Haus an der Apostelkirche wohnenmehrere Generationen unter einemDach. Sie begegnen sich ungezwun-gen und profitieren von einander.Ein offener Ort, an dem sich Jungund Alt bei Seite stehen. Nachbar-schaftshilfe leisten. Sich zuhören.Gemeinsam kochen. Klaus Küster hatsich im Mehrgenerationenhausumgeschaut.

Das Ziel ist ehrgeizig: Ein Mehr-generationenhaus in jeder kreisfreienStadt und in jedem Landkreis. Dafürgibt der Bund 40.000 Euro. Fünf Jahrelang. Insgesamt 500 dieser Häusergibt es inzwischen, auch in Münster.An der Apostelkirche fragt niemanddanach, an welchen Gott jemandglaubt, aus welchem Land er kommt,welchen sozialen Status er hat undwie alt er ist. Das Generationenhauswill Verständnis schaffen zwischenJung und Alt und Vorurteile abbauen.Im Café können alle gemeinsamKaffee trinken und über den Alltagplaudern. Ab zwölf Uhr gibt es Mittag-essen, die Auswahl ist reichhaltig undbillig ist das Angebot obendrein.

Eine besonders schöne Idee ist„Märchen am Kamin“. Alte Leutelesen jungen Kindern GrimmscheGeschichten vor. Als Ersatz für Omaund Opa. Jugendliche erklären imGegenzug den Senioren das Internetund wie man den Computer bedient.Gerade für Eltern ist das Angebot einegroße Erleichterung, weil sie ihrenNachwuchs in guter Obhut wissen.Viele alte Menschen bekommendadurch wieder eine Aufgabe und

haben das Gefühl anerkannt undgebraucht zu werden. Ihr Wissen undihre Lebensweisheit sind gefragt. Allezusammen können im Chor singen, inder Werkstatt basteln und bauen,Theater spielen, Filme schauen undspannenden Vorträgen lauschen.

14 Ehrenamtliche, ein Jahres-praktikant und zwei Honorarkräftekümmern sich um die Generationen.Alle arbeiten partnerschaftlich zu-sammen. In fünf Jahren will sich dasMehrgenerationenhaus etablierthaben und finanziell unabhängigsein von Bundeszuschüssen. Man darfgespannt sein, ob das gelingt. #

Mehrgenerationenhaus

Jung und Alt unter einem Dach

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Unabhängige Wählergemeinschaft für Münster

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Die ~ braucht dringend

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Das Geld wird verwendet für die

Unterstützung unserer Verkäufer,

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Mitarbeiter.

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~ e.V.Konto-Nummer: 33878Sparkasse Münsterland OstBLZ 400 501 50

Wir sind als gemeinnützig aner-

kannt; Sie können daher eine

steuerabzugsfähige Spenden-

bescheinigung bekommen. #

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Zum Glück ist dieser Winter nochnicht besonders kalt gewesen – dieHeizung konnte oft genug aus bleiben.Trotzdem können viele die Kosten fürStrom und Erdgas kaum noch bezahlen,weil sie in den letzten Jahren enormgestiegen sind – um 75 Euro im Monatseit dem Jahr 2000. Bundesumwelt-minister Sigmar Gabriel (SPD) fordertdeshalb einen Sozialtarif für Arme. DieReaktionen in den Chefetagen der Ener-gieriesen sind gemischt: Eon und RWEkönnen sich das vorstellen, Vattenfallund EnBW nicht. Branchenführer Eon hatbereits Nägel mit Köpfen gemacht undbietet billigen Strom für sozial Schwachean. Wer belegen kann, finanzielleProbleme zu haben, bekommt dieGrundgebühr erlassen. Als Nachweis giltdie Befreiung von den Rundfunkgebüh-ren. Damit kann eine Familie bis zu 120Euro im Jahr sparen. Eon hatte mit ins-gesamt über 30.000 Kunden gerechnet,die den Sozialtarif in Anspruch nehmenkönnten, in Wirklichkeit ist ihre Zahl aberdeutlich geringer. Was unter anderemwohl auch daran liegt, dass der Versorgerdie Abnehmer nicht ausdrücklich daraufhinweist.

Ob der Rest der Konkurrenz mitzieht,daran zweifelt der Deutsche Mieterbundsowieso. „Ich habe erhebliche Zweifel,ob sich die Energiekonzerne alsSamariter betätigen werden“, sagt derPräsident Franz-Georg Rips imTagesspiegel. „Der Hunger nach Renditeist zu groß.“ Verbraucherschützer glau-ben überdies nicht, dass Mildtätigkeit dieKonzerne antreibt. Säumigen Kundenhinterher zu laufen, verursacht erhebli-che Kosten, solche Leute bringen denFirmen keinen Gewinn mehr. Da ist esbesser von vornherein billigere Tarifeanzubieten.

Ein Grund für die steigenden Preiseliegt darin, dass die Energieriesen seitdem 1. Juli letzten Jahres die Tarife freifestlegen können. Gleich am Stichtaghatten über hundert Versorger die Preisekräftig erhöht. #

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1919

Lauf gegen soziale Kälte

Längste Demo der Welt

Mitten im Winter, in den ungemüt-lichsten Monaten des Jahres, hatsich Heinz Ratz viel vorgenommen.Der Liedermacher läuft zu Fuß vonDortmund nach Reutlingen, über1000 Kilometer, einmal quer durchDeutschland. Dabei wird er jedenAbend in verschiedenen Städten mitseiner Band „Strom & Wasser“ beiGratiskonzerten auf der Bühne ste-hen und Geld für Wohnungslosesammeln. Unterstützt wird er vonüber zwanzig namhaften Künstlernwie Konstantin Wecker und GötzWidmann. Sabrina Kipp über eineungewöhnliche Aktion.

Das Leben hat es mit ihm nichtimmer gut gemeint. Heinz Ratz mussteschon einiges einstecken. Der 39-jäh-rige war selbst obdachlos und vongroßer Armut betroffen. Als die Ärzteim vergangenen Mai zum zweiten MalKrebs feststellen, beginnt der Lieder-macher nachzudenken. Seine Unzu-friedenheit wächst. Zwar kann er in-zwischen von der Musik leben, trotz-dem fühlt er sich passiv. „Eigentlichbewirke ich nichts Konkretes – wäh-rend unzählige Menschen in sozialenBerufen ohne jeden Applaus und völligunterbezahlt täglich für eine mensch-lichere Welt arbeiten.“

Ihm kommt die Idee, eine Kon-zertreihe zugunsten der Ärmsten, denWohnungslosen zu veranstalten, inmöglichst vielen deutschen Groß-städten. Mit dem Fußmarsch durch dieRepublik will er der Sache Nachdruckverleihen. „Es muss sofort klar sein,dass sich hier nicht wieder gut getarntEigennutz breit macht, der sich mitsozialem Engagement profilieren willoder sogar noch dran verdient“, findetRatz. „Ich hoffe, dass ich durch dieStrapazen, die mit solch einem Lauf inden kältesten Wochen des Jahres ver-bunden sind, glaubwürdig genug bin,damit man mich ernst nimmt undunterstützt.“

Aktion. Vor jedem Konzert, bereitenKöche aus den Restaurants der Gegendfür Wohnungslose und Konzertbe-sucher Essen zu.

Auch seine Musikerkollegen kannRatz schnell von seinem Tun begeis-tern. Viele Liedermacher und Kaba-rettisten aus ganz Deutschland helfenmit Gastauftritten. Werben für die guteSache. Konstantin Wecker: „Er läuft fürdie Ärmsten im Lande, für die woh-nungslosen Menschen, die von derneuen sozialen Kälte, von der Gleich-gültigkeit der Besitzenden und Regie-renden am härtesten getroffen wer-den. Er läuft, um das Unsichtbaresichtbar zu machen: den Abbau desSozialstaates!“

Bis zum 22.02. ist Ratz unterwegs.Wer sich ihm anschließen oder ander-weitig helfen möchte kann sich unterwww.laufgegendiekaelte.de alle Infosnachlesen. #

Doch von einerIdee bis zur Durch-setzung ist es ein wei-ter Weg. Über 30Bürgermeister hat Ratzangeschrieben. UmHilfe gebeten, sie auf-gefordert ein Stückmitzulaufen. Einigehaben nicht geantwor-tet, andere mit blumi-gen Worten abgesagt.Nur die Bürgermeistervon Wuppertal undKarlsruhe haben ver-sprochen den Lieder-macher zu unterstüt-zen. Aber schon für dieKonzerte billige Räumezu finden, ist ein gro-ßes Problem. In Ham-burg, wo noch vor Reisebeginn einEröffnungskonzert stattfinden soll, istkein Saal unter 500 Euro zu bekom-men. Doch die Kiezkicker vom FC St.Pauli springen ein und stellen ihrenBallsaal kostenlos zur Verfügung.

Besonders Ehrenamtliche helfenRatz aus der Patsche. In der ganzenRepublik sind sie unterwegs, verteilenFlyer und kleben Plakate. Einige laufenTeilstrecken mit, manche opfern ihrenJahresurlaub, um bei dem Lauf gegendie Kälte dabei zu sein. Auch die Ob-dachlosen selber fühlen sich ange-sprochen. Zum Beispiel Thorsten Mei-ners, wohnungsloser Straßenzeitungs-verkäufer aus Hamburg, sagt spontanzu, Ratz auf seinen Etappen von täg-lich zirka 30 Kilometern zu begleiten.„Ich bin körperlich fit, also kann ichden Lauf auch unterstützen!“, sagt der43Jährige. In vielen Städten bekommtRatz und seine Crew privat eine Unter-kunft angeboten, damit von denSpenden, die auf den Konzerten ge-sammelt werden, möglichst viel übrigbleibt. Auch die „Tafeln“ und Suppen-küchen in den verschiedenen Ortenbeteiligen sich an der ungewöhnlichen

Text: Sabrina Kipp

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Text und Foto: Eduard Lüning

Engel, was gäb' ich drum,

wären wir beide nur wieder vereint.

Würd' so gern so viel dir geben,

gäb' alles von mir,

gäb' alles nun her.

Schenk' dir mein Gold, meine Perlen.

Ein ewig kalt glitzernder Käfig,

an dem ich jahrein, jahraus

so viele Jahre schon fürchterlich häng'.

Wie anders fühl' ich,

spür' ich dich nun.

Der Schmerz, die Sehnsucht nach dir,

es ist heut' schlimmer noch.

Schuldig gesprochen -

verurteilt und gerichtet,

durch das eigene Gewissen.

Ließ' sich das Rad

Doch nur einmal noch dreh'n

Nur einmal zurück,

ins teufliche Glück,

heim, zum ach so bittersüßen Samen.

Warf Knüppel dir in deine Speichen,

bis das wild pulsierende, sausende

Rädchen

stillgestanden – auf immer verstummt.

War es Mord – oh mein Gott?

Musst mich doch retten,

vor dem Ertrinken.

Wo warst du, Herr, zu jener Stunde,

als ich mit Schmutz überschüttet,

jegliche Würde verlor?

Ach wär' ich doch nur mit,

gegangen diesen Weg,

mit dir Engel unter Engeln vereint.

Text Eduard Lüning

Das fünfte Gebot

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Naomi, eine süße 4-Monatsmieze,braucht ein bisschen, um mir „ihren“Menschen warm zu werden. Hat sieeinem aber erstmal ihr Herz geschenkt,ist sie einerichtig treue Seele. Am lieb-sten würde Naomi in einen ruhigenHaushalt zu einer anderen Katze zie-hen – ohne Katzen ist sie nur halb soglücklich. Wer möchte sich von Naomiverzaubern lassen?

Katzenhilfe Münster e.V.

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Mobil: 0152-03038778

Die kleine

Cemile ist im

Juni 2006

geboren und

wurde in

Istanbul auf der

Straße aufge-

funden. Die Be-

hörden hatten

sie zwar

geimpft, sich

aber sonst

nicht weiter um

sie gekümmert, obwohl sie ein gebrochenes Bein hatte,

vermutlich von einem Autounfall.

Die Tierfreunde Münster haben ihr eine neue Zwischen-

heimat geschenkt. Sie kann zwar nur auf drei Beinen

laufen, das aber sehr schnell. Sie ist lebensfroh, spielt

gerne und ist sehr sanft. Alles was Cemile braucht, sind

liebe Menschen, denen egal ist, dass sie humpelt.

Tierfreunde Münster e. V.Kötterstr. 198, 48157 Münster

Telefon: 0251/ 32 50 58,

Öffnungszeiten: Samstags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr und

Sonntags von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr

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Gewalt gegen

Obdachlose

Zwei 16jährige Schüler habenwochenlang in Köln Obdachlose miss-handelt und mit dem Handy gefilmt.Die Videos stellten sie in das Internet-portal Youtube. Auf den Filmen ist zusehen, wie die beiden ihre Opfer imSchlaf überraschen und mit einer gel-ben Flüssigkeit übergießen – vermut-lich Urin. Danach schlagen sie brutalauf die Obdachlosen ein. Die beidenTäter konnten durch einen anonymenHinweis gefasst werden und gestandenfünf Fälle, wobei sie sich teilweiseauch Schusswaffen benutzten. Die bei-den Täter waren der Polizei nicht auf-gefallen.

Solche Verbrechen sind keineAusnahme in Deutschland. Vor einemknappen Jahr prügelten fünf Jugend-liche einen 43Jährigen auf einemSpielplatz krankenhausreif. Auch dieseAttacke wurde mit dem Handy aufge-nommen. Wenige Tage später gab eseinen ähnlichen Übergriff zweier Be-trunkener auf einen weiteren Obdach-losen. Ein anderes Opfer starb im Juliin Sachsen-Anhalt, nachdem zweijunge Männer ihn verprügelt hatten.Zwei weitere Männer verstümmeltenund töteten im Mai einen Obdachlosenim brandenburgischen Forst. Alleindrei Übergriffe auf Obdachlose gab esim vergangenen Jahr in Hannover. DieWelle der Gewalt gegen Obdachloseschwappt aus den USA nach Europa. InAmerika gab es im letzten Jahr fast 150Angriffe, wobei die Dunkelziffer umeiniges höher liegen dürfte. Die Täterstanden häufig unter Alkoholeinfluss.Die Obdachlosen sind ihnen oft wehr-los ausgeliefert, weil sie sich nicht inSchutzräume zurückziehen können. #

Text und Foto: Simone Gerhardt

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den sie sich am Wochenende mit demPartner teilen. Unter der Woche lebensie am Arbeitsplatz in einer eigenenWohnung. „Diese Lösung kann vordem Hintergrund einer ausgeprägtenKarriereorientierung beider Partnerentstehen“, so Schneider. Fernbe-ziehungen hingegen haben auf Dauerzwei getrennte Wohnungen und we-der an dem einen noch an dem ande-ren Ort einen gemeinsamenHaupthaushalt.

Die Fernbeziehung gilt als Not-lösung, die kaum ein Paar als Idealanstrebt. Es geht eben nicht anders.Besonders die „Generation Prakti-kum“ hat sie längst als normal akzep-tiert. Sie lernen sich während des Stu-diums kennen und machen danachKarriere. Jeder an einem anderen Ort.„Immerhin fahren sie einmal im Jahrgemeinsam in Urlaub“, schreibtNikola Richter in ihrem Buch „Lebens-praktikanten“. „Für einige Wochensind sie ein wirkliches Paar. Danachtrennen sie sich wieder. Sie trennensich, weil es so abgemacht ist. Dennbeide haben außer ihrer Arbeit keinfestes Zentrum im Leben.“ Das Paarhält die Entfernung aus.

„Normale Paare werden von denFliehkräften des Marktes am dauer-haften Händchenhaltenhalten gehin-dert“, findet der Autor Sascha Leh-nartz. In seinem Buch „Global Players“beschreibt er eine normale, moderneBeziehung, die sich dem Diktat derGlobalisierung unterwirft: „Er Jura. SieBWL. Gemeinsam überstanden sie dieAuslandspraktika und seine Wahl-station Manila. Er bekam den Job beieiner großen Kanzlei in Hamburg, dener immer haben wollte. 14-Stunden-Tage. Auch sie hatte erst Glück.Schicke PR-Agentur in der gleichenStadt. Es lief eigentlich ganz gut. Siehatten die Dreißig gerade überschrit-ten und waren fünf Jahre zusammen,als ihre PR-Agentur Leute entlassenmusste. Sie fand etwas Neues inStuttgart. Sie telefonierten jeden

Text: Gerrit Hoekman

Abend und erzählten sich, was sie denTag über gemacht hatten, um sichnicht auseinander zu leben. Siemochte es nicht, wenn er beimTelefonieren die Spülmaschine aus-räumte. Ihm fiel auf, dass sie wäh-rend des Gesprächs immer öfter nochetwas am Computer tippte. Von derDistanzbeziehung blieb irgendwannnur noch die Distanz.“

Der Soziologe Norbert Schneiderglaubt nicht daran, dass solcheBeziehungen auf Dauer Bestandhaben: „Ich gehe nicht davon aus,dass eine Fernbeziehung, die diePartner gezwungenermaßen führen,über Jahre hält – es sei denn, denbeiden ist klar, dass es sich um einÜbergangsphänomen handelt.“ SeinKollege Ulrich Beck fordert deshalbvon Firmen, dass sie sich auch umeinen Arbeitsplatz für den Partnerbemühen sollten. Für die meistenArbeitnehmer und ihre Familien einfrommer Wunsch. Nur bei Fachkräften,die auf dem Markt rar gesät sind,machen sich die Unternehmen dieMühe. Die Globalisierung reißt Paareund Familien auseinander. Karl Marxbeklagte die Entfremdung der Arbeitervon ihrer Arbeit, heute entfremdet derKapitalismus den Werktätigen von derLiebsten. Allmählich verlieren dieBeiden die Vertrautheit. Übers Telefonversuchen sie die wachsende Fremd-heit zu besiegen. Aber Vorsicht: „DasTelefon ist das Medium der Missver-ständnisse“, sagt der PaarforscherPeter Wendl. „Es gibt dieses berühmte'Du hast doch was!' am Telefon.“Meistens ist nichts, außer der räum-lichen Entfernung.

Kommt dann das ersehnteWochenende, steigen die Erwartungenund manchmal steigen sie ins Uner-messliche. Alles, was man unter derWoche vermisst hat, muss nun inner-halb von zweieinhalb Tagen Realitätwerden: Nähe, Ausgehen, Gespräche,Sex. Weihnachtseffekt, nennen dasdie Experten. „Das Verarbeiten der

Fernbeziehungen

Bin kaum da, muss ich fort

Der Vorschlag, den der Nokia-Chefden Mitarbeitern in Bochum neulichmachte, ist Bahn brechend: DasUnternehmen, das sein Werk imRuhrgebiet schließt und nach Rumä-nien umzieht, kann sich durchausvorstellen, einen Teil der altenBelegschaft dort weiterzubeschäfti-gen. Also Blaumann eingepackt,heute Bochum, morgen Bukarest. DieMobilität, die von Arbeitnehmernverlangt wird, schlägt sich auch aufdie Beziehung und die Familie nie-der: Jedes fünfte Paar in Deutschlandsieht sich inzwischen überwiegendaus der Ferne. Mit allen positivenund negativen Folgen. Gerrit Hoek-man über die globalisierte Liebe.

Früher war die Arbeitswelt nochüberschaubar und in Ordnung: DerMann zog dem Beruf hinterher unddie Hausfrau ihrem Gatten. Heute lie-gen die Dinge jedoch anders. Meistensmachen beide Karriere und wenn einPartner plötzlich in einer anderenStadt arbeiten muss, dann wird eskompliziert: Wer zieht wem nach?Oder führen beide für eine gewisseZeit eine Wochenendbeziehung? Ammeisten pendeln die Akademiker.Jedes vierte Paar führt in dieser Be-rufssparte eine Liebe auf Distanz.Zumindest für eine gewisse Zeit. DieNicht-Studierten holen allerdings inden letzten Jahren mächtig auf. DieGlobalisierung mit ihrem Primat derArbeit macht vor niemanden mehrHalt. Nur wer grenzenlos flexibel ist,kann heutzutage beruflich noch waswerden. Aber wie viel Globalisierungverträgt die Liebe?

Der Soziologe Norbert Schneideraus Mainz gilt als Experte für Fern-beziehungen und Mobilität. In seinemBuch „Mobil, flexibel, gebunden“ hater diese Art des Zusammenlebens un-ter die Lupe genommen. Dabei unter-scheidet er zwischen dem Shuttle undder klassischen Fernbeziehungen.Shuttles oder zu Deutsch Wochenend-pendler haben einen Hauptwohnsitz,

FrauenfahrradladenDortmunderstr. 11, Tel 66 57 61

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getrennten Zeit dauert in etwa solange, wie die Trennung gedauerthat. Viele Männer und Frauen erzäh-len, sie müssten sich erst wiederdaran gewöhnen, wie der Partnersich anfühlt, wie er riecht“, schreibtWendl. Und ehe sich beide versehen,sind sie schon wieder getrennt.Wendl empfiehlt den Paaren sich trä-nenreiche Abschiede zu ersparen.Besser gleich am ersten Abend, etwasmit Freunden unternehmen, rät derPaarforscher.

In der Regel dauern Fernbezie-hungen zwei Jahre, dann wird entwe-der ein gemeinsamer Wohnsitz bezo-gen - oder man trennt sich. Um das zuverhindern, ist ein gemeinsamerLebensentwurf wichtig. Wenn beidewissen, dass die Wochenendbeziehungnur eine vorübergehende Phase ist,fällt es leichter, die ständigen Ab-schiede eine Zeitlang zu ertragen. Wiekann die gemeinsame Zukunft ausse-hen? Wann wird sie Wirklichkeit? Füreine Fernbeziehung braucht man Ge-duld, viel Kraft und einen Zeitrahmen.Ist man wieder alleine, taucht oft einGefühl es Verlorenseins auf, das sogenannte Sonntagsgefühl. Wut auf dieFernbeziehung und Trauer können dieersten Tage bestimmen. Überraschend:Wochenendbeziehungen könnenbelastender sein als Fernbeziehungen,bei denen sich das Paar ein, zweiMonate nicht sieht. Bei Wochenend-beziehungen sehen sich die Partnerzwar relativ oft, aber die gemeinsameZeit reicht meistens nicht, um die ge-trennte Zeit aufzuarbeiten. Der Frei-tagnachmittag dient dem Wieder-sehen, für das „Wir-Gefühl“ bleibtdann nur noch der Samstag und derhalbe Sonntag. Die Beziehung drohtoberflächlich zu werden. Eine Angstkönnen die Fachleute den Fernbe-ziehungen jedoch nehmen - Fremd-gehen ist bei Paaren, die sich nur amWochenende oder seltener sehen,weitaus weniger verbreitet als beidenen, die am selben Ort wohnen. #

Text: Simone Gerhardt

Europäischer Tag der Singles

Europa allein zu Hause

Hälfte aller europäischen Alleinste-henden hatte schon mal eine grenz-übergreifende Liebe. Sie wissen alsowovon sie sprechen, wenn sie be-haupten: Die Europameister im Flirtenkommen aus Österreich. „Gescheit sanmer net, aber fesch san mer“, derselbstironische Spruch österreichischerMachos kommt also nicht von unge-fähr. Damit hängen sie die Latin Loveraus Spanien, Portugal undGriechenland locker ab.

Immerhin: Wenn es um die aktivePartnersuche geht, liegen die Piefkesganz weit vorne. Zusammen mit denBriten. Beide suchen überall nachpotenziellen Lebensabschnittsge-fährten. Genau richtig, meinen dieFachleute – den Traumpartner findetman am ehesten im Alltag. Im Super-markt, im Bus, im Café um die Ecke,im Freundeskreis. Selbst auf offenerStraße. Aber wo gehen die Europäerhin beim ersten Rendezvous? Franzo-sen, Deutsche und Spanier gehengerne einen Kaffee trinken, dieSchweden gehen lieber erst mal leckeressen und die Briten fühlen sich ineiner Bar am wohlsten. Gerne benut-zen die Menschen zwischen Trond-heim und Palermo inzwischen auchdas Internet, um den Partner fürsLeben zu finden. Fast die Hälfte allereuropäischen Singles glaubt, dort amleichtesten die Traumfrau oder denTraummann kennen zu lernen.

Auch wer schon älteren Semesterist, muss nicht verzweifeln. Gelegen-heiten gibt es auch dann noch genug.Einfach ins Hallenbad schwimmengehen oder in die Sauna ein bisschenschwitzen. Manches betagte Paar hatsich auch beim Seniorentreff in derGemeinde kennen gelernt. Selbstwährend der Sonntagsmesse habensich Liebende das erste Mal gesehen –da kennt man dann den Weg zumTraualtar bereits. Also am Besten im-mer von der angenehmsten Seite zei-gen, man weiß nie, wann der oder dieRichtige vorbeigeschneit kommt. #

Bald ist es wieder so weit: Millionenvon Verliebten schenken sich zumValentinstag Blumen und anderekleine Aufmerksamkeiten. Die Gär-tnerinnung freut es. Nur die Singlesgucken in die Röhre – weit und breitniemand, der ihnen eine Freudemacht. Doch Europa hat Mitleid mitdenen, die immer nochauf den rich-tigen Deckel warten. Am 13. Februar,einen Tag vor dem Valentinstag,feiert der Kontinent den Tag derSingles. Simone Gehardt berichtet.

Single ist nicht Single. Der einewill bewusst keine Beziehung, allesviel zu stressig, dann lieber freiwilligallein und hin und wieder mal einTechtelmechtel. Manche wollen aucherstmal Karriere machen, bevor sie sichbinden. Auf der anderen Seite gibt esdie Singles, die lieber heute als morgeneinen Partner an ihrer Seite hätten.Aber sie finden nichts Passendes. Weilsie zu hohe Ansprüche haben oder einwenig schüchtern sind. Für sie ist dereuropäische Tag der Singles gedacht.Wie viele es sind, weiß niemand, dafürwechselt ihre Zahl zu schnell. Aberzugenommen hat sie in den letztenJahren in jedem Fall. In der kleinenSchweiz leben rund eine MillionenMenschen alleine. Am Geld liegt esjedoch nicht, denn nirgendwo sonsthaben Junggesellen so viel imPortemonnaie wie in der Alpenrepublik.Was beweist: Geld macht nicht sexy.

Die Chancen als Single die Ein-samkeit zu beenden, sind für spani-sche Frauen und italienische Männeram besten. Laut einer Internetumfragesind sie bei den Europäern am begehr-testen. Deutsche beider Geschlechtsliegen weit hinten. Interessant:Deutsche achten beim ersten Date vorallem auf die Figur, Briten aufs Ge-sicht und Schweden finden die Augenwichtig. Vielleicht gibt es in Europamehr schöne Gesichter als Figuren. DieDeutschen tragen es jedenfalls mitFassung: Fast 80 Prozent der Singlessind mit ihrem Leben zufrieden. Die

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und Pflege dieser kulturellen Vielfalt.Zudem fördert der Verein dieEntwicklung kultureller Kompetenzenund die soziale Integration verschie-dener Gruppen durch kommunikativeMaßnahmen. Die kulturelle Arbeitbezieht sich insbesondere auf dieFormen des Theaters und der Musik.

Das Thema „Einsamkeit – ineiner mit Fassaden gestaltetenWirklichkeit“ konfrontiert mit einemaktuellen gesellschaftlichenPhänomen. Jeder kennt das Gefühlder Einsamkeit und die durch sie pro-duzierten Verhaltensweisen, die unsvon anderen Menschen distanzierenund absondern. Jeder kennt es, nichtso sein zu können wie er ist, weil erdenkt in seinem Menschsein nichtauszureichen. Darum versucht er sichmit den Fassaden, die dieGesellschaft formt zu arrangieren undsich anzupassen. Das Stück themati-siert was geschieht, wenn manbemerkt, dass es einem so noch vielmehr erschwert wird Beziehungenaufzubauen, sich zu integrieren. DieTeilnehmer versuchen aus diesenMustern – dem Fassadenspiel – aus-zubrechen, um dadurch einen Weg zuanderen zu entdecken. Ihr Ziel: Zusich finden und sich annehmen, sichdem anderen zeigen, wie man ist. Zufühlen dass man ausreicht, dass manintegriert wird, obwohl man viel-leicht anders ist. Eine rohe Kost, dieder andere erstmal verdauen muss?

Wer sich selbst einen Eindruckverschaffen möchte ist herzlich ein-geladen: Premiere: 29.02. 2008 klei-ner Bühnenboden, weitereAufführungen: 01.03. 2008 kleinerBühnenboden, 05.03.2008Studiobühne, jeweils um 20:00 Uhr.

Mehr Informationen unterwww.lorati-loratna.de.

Text: „Rohkost“

„Rohkost“

Interkulturelles Theaterprojekt

Mit dem Projekt „Rohkost“ istunter der Regie derTheaterpädagoginnen KarinaBehrendt und Arwen Burmeister einTheaterstück entstehen, in dem sichjunge Menschen mit und ohneMigrationhintergrund über dieKunstform Musik und Theater aus-drücken. Fremdsein hat viele ver-schiedene Facetten. „Rohkost“behandelt vor allem die damit ver-bundene Einsamkeit, den Mangel ingesellschaftlichen Gruppen undEreignisse integriert zu sein. Bei derBegegnung zwischen Deutschen undEmigranten aber auch zwischenEmigranten verschiedenerNationalitäten wird genau dieserMangel thematisiert: die empfundeneUnfähigkeit, befriedigende sozialeKontakte zu anderen herzustellen, umdas Alleinsein und die Abgetrenntheitvon anderen Menschen aufzuheben.In einer Gesellschaft, in der dasPhänomen der Individualisierung weitverbreitet ist, wodurch sozialeIsolation gefördert wird, scheint es fürFremde oftmals noch schwieriger zusein sich zu integrieren. Aber geradedurch den Einfluss von Einsamkeitbilden sich soziale Einstellungen,

Verhaltensweisen und Gefühle her-aus, die vom gesellschaftlichenStandard abweichen. So wird einsamsein, ebenso wie fremd sein, für vielezu „anders sein“. In „Rohkost“ the-matisieren sechs Migranten undDeutsche gesellschaftskritisch undselbstkritisch die mit Einsamkeit ver-bundenen gefühltenAndersartigkeiten, aber auch ihreMöglichkeiten und Potentiale. Es gehtum die Einsamkeit die sie voneinan-der distanziert und eineZusammenkunft erschwert, aber ebenauch um die Einsamkeit, in der sichkreatives und schöpferischesPotential freisetzen, sowie eine neue,angstfreie Perspektive entwickeltwerden können.

Träger des Projekts ist der VereinLorati Loratna. Der Zweck des Vereinsist die Förderung internationalerKulturarbeit. Diese soll zu einem bes-seren Verständnis zwischen unter-schiedlichen Kulturen und derVölkerverständigung beitragen.Schwerpunkte bilden dabei dieAuseinandersetzung mit der Vielfaltder Kulturen, deren Ausdrucksformenund Problemen sowie die Akzeptanz

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Stadtpflege

Von Denkmälern und KonservatorenHäuser, Parks, Skulpturen und Bahn-anlagen – das alles und noch mehrtaugt zum Denkmal. Was aber ein-mal Denkmal ist, bedarf erhöhterAufmerksamkeit. Das, und warumDenkmalpflege kein verstaubter Zopfist, erfuhr ~-Autor Michael Heßim Gespräch mit Gunnar Pick, demLeiter der städtischen Denk-malpflege.

Gunnar Pick gefällt seine Arbeitsichtlich. „Der Beruf ist breit gefächertund mit der Stadtentwicklung ver-knüpft“, so der gebürtige Rostocker.Sein Interesse an der Stadtgeschichteund an historischer Architektur ver-hehlt er nicht. Ganz im Gegenteil. Aberwie wird einer städtischer Denkmal-pfleger? Bei Gunnar Pick war es derübliche Weg: Studium der Architekturin Krefeld, danach mehrere JahreMitarbeiter in einem Essener Pla-nungsbüro und ab 1973 Flächen-nutzungsplaner bei der Stadt Münster.Bei der 1978 gegründeten FachstelleDenkmalschutz war er dann von An-fang an dabei und ist seit 1982 derenunbestritten erfolgreicher Leiter. ZweiDenkmalpfleger und eine Archäologinkomplettieren das Team. Grundlageihrer Tätigkeit ist das Denkmalschutz-gesetz in Nordrhein-Westfalen, dassich durch regionale Besonderheitenvon den Gesetzen anderer Bundes-länder unterscheidet.

Insgesamt stehen etwa 1.500 Ob-jekte auf der städtischen Denkmalliste.Für ungefähr 1.400 von ihnen istwegen des städtischen Bezuges dieFachstelle als Untere Denkmalbehördedirekt zuständig. Die restlichen hun-dert Objekte liegen in der Zuständig-keit des Landschaftsverbandes alsOberer Denkmalbehörde. Denkmäler,das sind Gebäude, Parks, Skulpturen,ja sogar Grünanlagen. „Denkmälersind Sachen oder Teile von Sachen, anderen Erhalt ein öffentliches Interessebesteht“, definiert Gunnar Pick seineSchäfchen. Die Gründe können kultu-

reller, sozialer oder auch städtebau-licher Art sein. „Die meisten Denkmä-ler sind natürlich Wohnhäuser. Aberdie vielen bäuerlichen Hofanlagen imStadtbild sind eine echte Besonder-heit“. Breit gefächert ist ebenso dasAlter der hiesigen Denkmäler. Dasälteste Objekt ist die frühmittelalterli-che Wallburg an der Haskenau, dasjüngste Objekt sind um 1960 gebauteEinfamilienhäuser in der Schlesien-straße in Gremmendorf. „Dieser Haus-typ war zu dieser Zeit sehr beliebt. Erwurde von emigrierten deutschenArchitekten in den USA entwickelt undnach 1945 reimportiert“, erklärt Pick.Über die höchste Denkmaldichte ver-fügt wenig überraschend das Kreuz-viertel, aber auch der Grüne Grund istzu nennen. „Der Rest verteilt sichziemlich gleichmäßig über die Stadt“.

Mit noch einem verbreitetenVorurteil räumt der Denkmalpflegerauf: Bauherren und Eigentümer hättenetwas gegen den Denkmalstatus. Ganzim Gegenteil, denn nach einerbundesweiten Umfrage 2006 befür-worteten überraschende 80 Prozentder Befragten diesen Status. Aus kul-turhistorischem Bewusstsein, vermutetPick. „Bis jetzt hatten wir in Münsternur fünf bis sechs Widersprüche“, freuter sich.

Selbstverständlich hat auchGunnar Pick Vorlieben. Beim Materialzum Beispiel. Dem Baumberger Sand-stein gewinnt er viel Gutes ab, denn„es ist ein sehr lebendiger und warmerStein, der auch nicht zu stark gemasertist“. Viele Bauherren sind der gleichenMeinung; nicht nur die Diözesanbib-liothek und der Dom unterstreichendas. Auch dem hart gebrannten Klin-ker bewahrt Pick ein ehrendes Ge-denken wie derzeit überhaupt einParadigmenwechsel in der Denkmal-pflege stattfindet. Fort von der chemi-schen Versiegelung, hin zum traditio-nellen Handwerk, so „wie man es seitHunderten von Jahren gemacht hat“.

Text & Fotos: Michael Heß

Selbst Stein muss atmen; kann er dasnicht, platzt er durch immer enthalte-nes Wasser von innen auf. Was derLaie nicht sieht, furcht des Denkmal-pflegers Stirn bedenklich. Wenigstenshält sich die lokale Luftverschmutzungin Grenzen.

Mit seinen 63 Lenzen ist für Gun-nar Pick das berufliche Ende absehbar.Seine Frau und die beiden Kinder wirdes freuen, die Stadt Münster weniger.Einen wie Pick ersetzt man nicht soeinfach. „Den kommenden Generatio-nen etwas von der Vergangenheit be-wahren, um daraus die richtigenSchlüsse für deren Gegenwart zu zie-hen“ sagt er über sich selbst. Dem istnichts hinzu zu fügen. #

Ganz klar ein Denkmal (am Ludgeriplatz)

Auch ein Denkmal (in der Schlesienstraße)

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Text: Julia Dornhöfer

Statistiken sind meistens staubtro-cken und langweiliger als das deut-sche Fernsehprogramm. Stimmtnicht. Man muss sich nur die span-nendsten Sachen raussuchen undschön untereinander auflisten, wiees die Kollegen des Wirtschaftsma-gazins „brand eins“ jeden Monatmachen. Mit ihrer freundlichenGenehmigung dürfen wir ihre Seitezum deutschen Gesundheitswesenabdrücken. Wie steht es um diehäusliche Pflege im Land. Ein nachwie vor hochaktuelles Thema.

Anteil der Bundesbürger, dieAngst haben, bei Pflegebedürftigkeitzu vereinsamen, in Prozent: 44

Zahl der pflegebedürftigenPersonen in Deutschland 2005 inMillionen: 2,13

Welt in Zahlen

Wer pflegt wen in der Republik

Zeit für die Ganzkörperwäscheeines ambulanten Patienten lautRichtlinien für Pflegebegutachtung inMinuten: 20 – 25

Zeit für das Zubettbringen einesambulanten Patienten laut Richtlinienfür Pflegebegutachtung in Minuten: 1 – 2

Durchschnittliche Zeit, die einPflegeheimbewohner an unmittelbarerPflege und Betreuung täglich erhält, inMinuten: 83

Anteil der ambulanten Pflegebe-dürftigen, die 2004 weniger als einmalwöchentlich nach draußen kamen, inProzent: 59

Zahl der Pflegestufen zur indi-viduellen Beitragsbemessung inDeutschland: 3

Zahl der Pflegestufen zur indi-viduellen Beitragsbemessung inSchottland: 26

Zahl der Pflegekräfte einschließ-lich Altenpflege in Deutschland 2005 in Millionen: 1

Geschätzte Zahl der Frauen ausOsteuropa, die in Deutschland 2007illegal als Pflegerinnen arbeiten, inTausend: 70

Ungefährer Anteil der Personen,die in Deutschland 2006 von einemambulanten Pflegedienst gepflegtwurden und deren Ernährung undFlüssigkeitsversorgung unzureichendwar, in Prozent: 30

Ungefährer Anteil der Personen,die in Deutschland 2006 stationärgepflegt wurden und deren Ernährungund Flüssigkeitsversorgung unzurei-chend war, in Prozent: 34

Pauschales Entgelt für die Anfahrteines ambulanten Pflegedienstes zueinem Patienten in Euro: 3,40

Entgelt für die Anfahrt einesHandwerkers in München zu einemKunden in Euro: 60

Quelle: alle Zahlen stammen ausdeutschen und internationalenMedien sowie anderen Quellen

Geschätzte Zahl pflegebedürftigerPersonen in Deutschland im Jahr 2020in Millionen: 2,8

Anteil der Pflegebedürftigen, diein Deutschland 2005 von Angehörigengepflegt wurden, in Prozent: 46

Gesamtausgaben der gesetzlichenKrankenversicherung in Deutschland2006 in Milliarden Euro: 147,6

Anteil der Ausgaben der gesetz-lichen Krankenversicherung inDeutschland 2006 für häusliche Pflegein Prozent: 1,4

Anteil der über 50-jährigen inDeutschland, die eine privatePflegeversicherung abgeschlossenhaben, in Prozent: 21

Durchschnittliche Dauer derPflegebedürftigkeit in Deutschland inMonaten: 53

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Presse und Informationsamt

Tausend Fragen – eine AdresseInfos und Service im publikom – Stadtnetz für Münster

www.muenster.dePortal für Münster und das Münsterland

www.muenster.de/stadtService und Infos der Stadtverwaltung

www.muenster.de/stadtteileStadtteil-Portale – von Amelsbüren bis Sprakel

www.termine.muenster.orgMünsters Veranstaltungskalender

www.muenster.de/stadt/awmAbfall und Recycling, Entsorgungskalender

www.muenster.de/stadt/umweltPrima Klima: Umwelttipps, Service, Beratung

www.muenster.de/stadt/formulareVordrucke online – das spart Zeit und Wege

www.muenster.de/stadt/sozialamtAlles zum Recht auf Hilfe in vielen Lebenslagen

Ausstellung

Ausstellungen im Stadtmuseum Dezember 2007:

ständig: Schausammlung: 1200 Jahre Geschichte der Stadt Münster

05. 10. 2007 * 06. 01. 2008

*Licht an!“

Leuchten der 1950er Jahre

16. 10. 2007 * 27. 04. 2008

Die wilden Jahre.

Münster in Fotos 1968 bis 1977

23. 10. 2007 * 09. 12. 2007

*Münster Souvenirs“

30. 10. 2007 * 06. 01. 2008

Die Reichkanzler der Weimarer Republik.

Zwölf Lebensläufe in Bildern

30. 11. 2007 * 06. 01. 2008

Neapolitanische Krippe

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Russische Rezepte

Das kocht Putins Mama

Text: Simone Gerhardt

Eingelegtes wie Salzgurken,Sauerkraut und marinierte Pilze,außerdem gibt es bei den Russenviel lagerfähiges Gemüse wieRüben und Kohl. Frisches Obst undGemüse gibt es nur in den kurzenSommern.

Die russische Küche ist eher ländlichund einfach. Erstaunlicherweisegibt es trotz des riesigen Gebietes,das Russland darstellt, kaum regio-nale Unterschiede in den Küchen Durch die langen russischen Wintergibt es viel Eingemachtes und

Soljanka

400 Gramm Salami150 Gramm Heißwürstchen3 große Zwiebeln3 Tomaten8-10 Cornichons1 kleine Dose Tomatenmarksaure SahneSalz, Pfeffer, Paprika, LorbeerblattHandvoll SuppengemüseButter zum Anbraten

Suppengemüse in einen großen Topfgeben und 300 ml Wasser aufgießen.Mit Salz, Pfeffer und Paprika würzen.Auf kleiner Flamme köcheln lassen.Salami und Würstchen klein schneidenund mit Butter anbraten. Zwiebeln inRinge schneiden und die Tomaten inkleine Stücke. Ebenfalls die Cornichons.Salami, Würstchen, Tomaten,Zwiebeln, Cornichons und dasTomatenmark zur Brühe geben. Nochmal 600 ml Wasser aufgießen und gutumrühren. Lorbeerblatt hinzugebenund mit Salz, Pfeffer und Paprikaabschmecken. Ungefähr eine Stundeauf kleiner Flamme kochen lassen.Dazu passt Baguette und saure Sahne.

Rote Bete Salat

1 kg Rote Bete100 Gramm Walnüsse3 Knoblauchzehen3 EL MayonnaiseSalz und Pfeffer

Rote Bete kochen, Nüsse raspeln. DenKnoblauch zerdrücken und mit denNüssen und der Roten Bete vermi-schen. Nach Geschmack würzen unddie Mayonnaise untermischen.

Kwas (Brottrunk)

250 Gramm Roggenbrot 100 Gramm Zucker20 Gramm Hefe2 Liter WasserRosinen

Brot in dünne Scheiben schneiden undin einer Pfanne dunkelbraun anbra-ten. Brot in kleine Stücke brechen, mitkochendem Wasser übergießen undmit Zucker vermischen. Vier Stundenzugedeckt an einen warmen Ort stel-len. Hefe in lauwarmen Wasser auflö-sen und mit Zucker vermischen.Brotaufguss sieben und Flüssigkeitauffangen. Hefe und Zucker zurFlüssigkeit geben und noch mal zehnStunden an einer warmen Stelle zie-hen lassen. Dann durch einenKaffeefilter gießen und in Flaschenfüllen und drei Tage kalt stellen. Einpaar Rosinen hinzugeben. Fertig.

Russischer Hackfleischeintopf

2 Zwiebeln

1 EL Öl

1 EL Butter

500 Gramm Rindergehacktes

1 Stange Porree

5 EL Tomatenmark

250 ml Fleischbrühe

1 EL Senf

1 TL Paprikapulver

1 TL Salz

250 Gramm saure Sahne

Öl und Butter in einem großen Topf

erhitzen, Zwiebel darin anbraten.

Hackfleisch ebenfalls anbraten. Porree

in Streifen schneiden und mit dem

Tomatenmark und der Brühe dazuge-

ben. Etwa eine Viertelstunde garen,

mit Senf und Gewürzen abschmecken.

Kurz vor dem Servieren saure Sahne

drüber gießen. Dazu passen Nudeln

oder Reis. #

Boeuf Stroganoff

250g mageres Rindfleisch (ambesten Filet)1 EL ÖL1 EL Butter1 Zwiebel80g Champignons1/4 Glas lieblichen Weißwein1 kleine Gewürzgurke3 EL Creme Fraiche1 TL Senf1/8L BrüheSalz, Pfeffer

Schneiden Sie das Fleisch in kurzedicke Streifen, die Zwiebel in Würfelund die Champignons in Blättchen.Erhitzen Sie das Olivenöl (ÜbrigensOlivenöl kaufen können Sie auch imWeb.) in einem Topf und braten dasFleisch darin schnell durch.Nehmen Sie nun das Fleisch rausund geben die Butter dazu.Erst werden die Zwiebeln glasiggebraten und dann geben Sie dieChampignons dazu (Achtung: Nurganz kurz durchrösten!)Löschen Sie mit dem Weißwein abund geben Sie die in Streifengeschnittene Gurke dazu.Alles etwas auf kleiner Flammeköcheln lassen.Creme Fraiche und Senf verrührenund in den Topf geben.Das Ganze wieder kurz durchko-chen.Zum Schluss geben Sie die Brüheund das Fleisch dazu und schmek-ken das Boeuf Stroganoff mit Salzund Pfeffer ab.

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Text: Barbara Blasum

SchmökereckeNelli hat den Bogen raus: Sie weiß,

wie sie sowohl ihren Körper als auch ihrenGeist kräftigt und mobilisiert, um demStress auf der Weide entgegenzuwirken.Schlafstörungen, nervöse Beschwerden,Kopfschmerzen oder Rückenschmerzentangieren sie nicht mehr, seitdem sie ihre„Verrenkungen“ auf der Frühlingswieseunter dem Apfelbaum macht. Natürlichist es generell ungewöhnlich, wenn eineschwarzbunte Kuh sich dem Yoga hin-gibt. Witzig wirkt das Ganze durch diewundervollen Zeichnungen und Einfälledes Cartoonisten Klaus Puth. Ihm ist esein echtes Anliegen, dem Wiederkäuervon heute den Trendsport Nummer eins –nämlich Yoga – näher zu bringen.

Yogis und Nicht-Yogis werden ihreFreude daran haben, wenn Nellie denTag mit dem „Morgengruß“ beginnt, mit-tags „die Milchkanne grüßt“, abends„die Stalltür öffnet“ und nachts „die

Milchstraße sucht“, wenn aus der ele-ganten Position „Kobra“ z.B. „das lie-gende Mondkalb“ und aus der Position„Hund“ ganz einfach „das Euter betrach-ten“ wird.

Der Verlag wünscht seinen Lesern eingroßes Vergnügen beim Lesen diesesCartoons. Dieser Wunsch wird mitSicherheit in Erfüllung gehen; denn dasBuch mit der Kuh, die ihre Mitte gefun-den hat, ist einfach „kuhl“ und das bei-gefügte Poster verführt jeden Betrachterunwillkürlich zum „Lachyoga“ sprichSchmunzeln bzw. zum „Muhve yourbody“! Für Fans gibt es demnächst eineCD zum Buch, und ein Kalender für 2009ist auch geplant. #

Barbara Blasum

Puth, Klaus: Yoga für Kühe.Frankfurt a. M.: Eichborn2007. 48 S., Ill. (farb.). Mit eingelegtem Poster.ISBN 978-3-8218-6025-1,Euro 9,95

Cartoon

Backe, backe Kuchen … AngelikaGördes-Giesen und Norma Rehmannhaben wieder gerufen und laden ein zur 6.Kuchentour durchs Münsterland. 49 lecke-re Rezepte von der Adventstorte, die gar-antiert nicht nur in der Vorweihnachtszeitein Genuss ist, bis zum Windstärke-8-Kuchen, der zwar stürmisch angeboten,aber doch besser bei Flaute genossen wer-den sollte. So farbig wie die attraktivenFotos, bei deren Betrachtung dem Leserdas Wasser im Mund zusammenläuft, sindauch die Geschichten, die dahinter ste-cken.

Die leckeren Versuchungen sind nunmal nicht in der Anonymität einerVersuchsküche entstanden, sondern imFamilien- und Freundeskreis erprobt undallesamt für gästetauglich erklärt worden.Der bodenständige Apfelkuchen erscheintz.B. gleich in vier Variationen und wirktdurchaus nicht bieder. Es kommt ebendarauf an, wer ihn komponiert hat: derJazzmusiker, der Konditor, derHobbymüller oder die kalorienbewussteKöchin. Die Hiltruper MärchenerzählerinMechthild Heilenkötter präsentiert nichtnur ihre himmlische Engelstorte sondernserviert auch gleich das Märchen vom

Bäckerengel dazu. Aber es gibt auch nochdie Pferdezüchterin, die beimPflaumenkuchen verrät, warum es nachtsin ihren Kellergewölben spukt. Keine alt-backenen sondern spannende Geschichtenerzählen kann auch die Kunsthistorikerinaus dem Stadtmuseum Münster mit ihremPumpernickelkuchen. Wer es nicht so süßmag, dem wird die Forellentorte bzw. dieStielmus-Quiche ans Herz gelegt. Ob fruch-tig, herzhaft oder süß – für jedenGeschmack ist etwas dabei, und dieBackanleitungen sind so geschrieben, dassauch der Laie positive Erfahrungen beimNachbacken machen kann. Außerdem wirdimmer samstags um 19.30 Uhr nach undnach jedes Rezept in der Fernseh-Serie„Kuchenbuffet“ der WDR LokalzeitMünsterland in allen Einzelheiten vorge-stellt.

Es ist unmöglich, sich nicht von denzauberhaften Backkreationen verführen zulassen und sich dem Charme diesesBuches, das nicht nur ein Back- sondernauch ein Geschichtenbuch geworden ist, zuentziehen. #

Barbara Blasum

Gördes-Giesen, Angelika/Rehmann, Norma:Kuchenbuffet 6. Eine Kuchentour durchsMünsterland. Münster-Hiltrup:LandwirtschaftsverlagGmbH, 2007. 111 S., Ill.(farb.), ISBN 978-3-7843-3450-9,EUR 17,95

Backbuch

3030

Die nächste ~ erscheintam Freitag 29. Februar 2008

Eigentlich ist es eine Binse, seitdem Reggae-Legende Bob Marley elendig an Lungenkrebs verendetist: Kiffen kann nicht nur blöd machen, sondern auchrichtig krank. Wissenschaftler aus Neuseeland haben nunherausgefunden, dass ein Joint genauso gefährlich istwie eine ganze Schachtel Zigaretten. Die Forscher befrag-ten Lungenkrebspatienten unter 55 Jahren nach ihrenGewohnheiten. Erschreckendes Ergebnis: Wer über zehnJahre hinweg jeden Tag eine „Tüte“ paffte oder fünfJahre lang gleich zwei, hatte ein Krebsrisiko, das überfünfmal höher war als bei Normalsterblichen. Der Rauchvon getrockneten Cannabis-Blättern verringert offenbardie feinen Verästelungen in den Lungen. Das ist schlecht,weil die kleinen Äderchen für den Abtransport vonSchadstoffen zuständig sind und für die Sauerstoffzufuhr.Die Schäden seien bei Kiffern deutlich am Keuchen undHusten zu hören. Außerdem sonderten sie erheblichSchleim ab und klagten über Enge in der Brust.

Aber nicht nur körperlichen sondern auch seelischenSchaden können die Joints anrichten. Das Risiko für Kifferan Psychosen zu erkranken ist um fast die Hälfte erhöht.Das können auch die Mitarbeiter der Psychiatrien bestä-tigen. „Wir haben nun genug Beweise, um jungeMenschen zu warnen, dass der Gebrauch von Cannabisihr Risiko erhöht, in späteren Jahren eine Psychose zubekommen“, schreiben die Mediziner. Sie sind derMeinung, dass Cannabis zu Unrecht verharmlost werde.Wie schädlich Kiffen ist, hängt allerdings von derHäufigkeit ab: Wer die Droge häufiger nimmt, hat einhöheres Psychose-Risiko. Bei den stärksten Nutzern ist esmehr als doppelt so groß wie beim Gelegenheitskiffer.Spätestens, wenn man anfängt sich Witze zu erzählen,die man selbst noch nicht kennt, sollte man über eineKiffpause nachdenken.

Kiffen

Joints machen Krebs

Das Letzte

2008

4.-10. April 2008

7. März 2008

31

Anzeigen

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Paul DemelRechtsanwalt

Fachanwalt für

Miet- und Wohnungseigentumsrecht

weitere Schwerpunkte:Baurecht – Sozialhilfe – Nachbarrecht

Seit dem 01.09. in Bürogemeinschaft mitRechtsanwältin Jutta Bartels (Fachanwältin für Familienrecht) und

Rechtsanwältin Heide Derks (Fachanwältin für Strafrecht).Neue gemeinsame Anschrift: Bahnhofsstr. 9, 48143 Münster

Tel.: (02 51) 414 05 05 Fax: (02 51) 414 05 06

Statt Musikhalle – Kultur für alle

Rüdiger SagelLandtagsabgeordneter

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