224
Adolf Eichmann  Memoiren Zu diesem Dokument 1. Zur Einführung ein Artikel und ein Kommentar aus der Tageszeitung „Die Welt“. 2. Der nachfolgende Text ist das eigentliche Dokument, welches Anfang März 2000 von www.welt.de als Worddatei heruntergeladen werden konnte. 3. Der Text wurde für die PDF-Version nicht bearbeitet, weder formatiert noch angepasst.

Eichmann, Adolf - Memoiren.PDF

Embed Size (px)

Citation preview

  • Adolf Eichmann Memoiren

    Zu diesem Dokument

    1. Zur Einfhrung ein Artikel und ein Kommentar aus der Tageszeitung Die Welt.2. Der nachfolgende Text ist das eigentliche Dokument, welches Anfang Mrz 2000 von

    www.welt.de als Worddatei heruntergeladen werden konnte.3. Der Text wurde fr die PDF-Version nicht bearbeitet, weder formatiert noch angepasst.

  • Israel gibt die Memoiren des 1962 hingerichteten Nazi-Verbrechers frei - Ab heute imStaatsarchiv einsehbar

    DIE WELT (2000-02-29)Von Norbert Jessen

    Jerusalem - Lebenserinnerungen, die der Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann vor seiner Hinrichtung imisraelischen Gefngnis niederschrieb, liegen vom heutigen DIenstag an im israelischen Staatsarchiv derffentlichkeit zur Einsicht vor. Am Sonntag fllte der Rechtsberater der Regierung, Eliakim Rubinstein,die Entscheidung zur Freigabe der Schrift, die seit 1962 von den Behrden in Israel unter Verschlussgehalten wurde.Die seit Monaten ausstehende Entscheidung wurde dringend, da die Verteidigung der HistorikerinDeborah Lipstadt um Einsicht in die Schrift bat. Bis Ende dieser Woche hat sie noch Zeit, ihreArgumente dem Londoner Gericht vorzulegen. Dieses soll ber die Frage entscheiden, ob Lipstadt denGeschichtsforscher David Irving zu Recht als Holocaust-Leugner eingestuft hat. Wie die WELT erfuhr,wurde der Verteidigung das Dokument bereits per e-Mail bermittelt. Auch der Klger Irving hatte dasMaterial angefordert, um seine eigene These zu sttzen. Irving bestreitet die Morde an den Juden nicht,bezweifelt aber die Zahl der Toten. Er geht davon aus, dass auch Eichmann keine direkte Beziehungzwischen der "Endlsung", dem SS-Plan zur Vernichtung des Judentums, und Adolf Hitler herstellenkann. Hitler soll, so Irving, ber diese Plne bis zum Kriegsende nicht informiert worden sein.Nach israelischen Quellen sind in den Aufzeichnungen Eichmanns keine sensationellen Enthllungenenthalten. Auf ber 1100 Seiten in enger Stterlin-Schrift versucht Eichmann seine Rolle als bloer"Befehlsempfnger" herunterzuspielen. Daneben schweift er in langatmige "philosophischeBetrachtungen" aus. Dabei spricht er jedoch wiederholt von der "Judenvernichtung", erklrte derHolocaust-Forscher Jehuda Bauer auf Anfrage der WELT. Eichmann bezeichnet sie ausdrcklich als"das grte Verbrechen in der menschlichen Geschichte". Laut Bauer schreibt Eichmann auch von den"Gaswagen", in die Juden gepfercht wurden, um sie mit Auspuffgasen zu ermorden. Dies war dieVorstufe zur Massenermordung mit Zyklon-B-Gift in den Gaskammern der Vernichtungslager.Die angesehene Tageszeitung "Haaretz" meldete am Montag, die Schrift beinhalte mehrere Hinweisedarauf, dass die Judenvernichtung Hitler bekannt war. Auch nach einer Meldung der Zeitung "Jedioth"wird in Eichmanns Aufzeichnungen das Ausma der Ermordung der Juden berall in Europa deutlich.Ursprnglich war die Verffentlichung bereits angekndigt worden, nachdem der israelische Journalistund Historiker Tom Segev im vergangenen Juli auf die vergessenen Dokumente aufmerksam gemachthatte. Geplant war eine wissenschaftliche Ausgabe mit Kommentaren und Erluterungen. Historikerhatten aber eine unkommentierte Ausgabe gefordert.Nach israelischem Gesetz liegen die Rechte einer Verffentlichung ausschlielich bei den rechtmigenErben Eichmanns. Daher geht ein Exemplar auch dem Eichmann-Sohn Dieter zu, der bereits juristischeSchritte gegen die Herausgabe der Schrift eingeleitet hat. Das Staatsarchiv verweigerte am Montagjeden Kommentar zur Freigabe. Informierte Akademiker wissen jedoch bereits, dass die Handschriftenin die lateinische Schreibweise transkribiert wurden. Selbst die meisten Fachhistoriker hattenSchwierigkeiten, die Stterlin-Schreibweise zu lesen.Die Verleumdungsklage David Irvings gegen Deborah Lipstadt und ihren Penguin-Verlag wird von derisraelischen Presse nur sporadisch verfolgt. Israelische Beobachter in London sind entsetzt darber, dassvor allem britische Neonazis mit unverhohlener Genugtuung im Gerichtssaal sitzen.

  • Kommentar von Dietrich Alexander

    DIE WELT (2000-02-29)Dietrich Alexander

    Israel verffentlicht die Memoiren des Kriegsverbrechers Adolf Eichmann - eine Sensation, mchte manmeinen. Nicht so in Israel. Dort ist man bemerkenswert unaufgeregt darber, dass 1300 SeitenAufzeichnungen, die Eichmann in seiner Gefngniszelle Anfang der sechziger Jahre in Israel verfassthatte, nun jedem zugnglich gemacht werden sollen. Die Juden sind sich des schrecklichsten Kapitelsihrer Geschichte bewusst. Sie wissen um die perfide Perfektionierung des Massenmordes, begangen vonDeutschen. Wer immer daran herumdeutelt, wird eher belchelt denn ernst genommen.Insofern ist die schriftliche Rechtfertigung eines Massenmrders, denn eine Lebensbeichte wirdEichmann kaum niedergelegt haben, auch historisch wohl von allenfalls geringer Bedeutung. Wichtigallenfalls als Argumentationshilfe fr die US-Historikerin Deborah Lipstadt, die sich einer Klage desumstrittenen britischen Historikers David Irving erwehren muss. Dass einige Ewiggestrige aus denMemoiren Beweise fr die Leugnung des Holocaust herausinterpretieren knnten, ist weit wenigergefhrlich als die Mystifizierung eines Nazi-Schergen. Respekt also vor der Entscheidung einessouvernen Israels.

  • /1/

    Gtzen

    /2/

    I. Teil

    /3/ Gtzen Teil I.

    Inhalt:Quellenverzeichnis zum Teil I ---- 4 SeitenTeil I (Nummeriert von 1-220;

    aber durch a,b,c,d, usf.Einfgungen) Total 228 Seiten(unterteilt in20 Abschnitte.)

    Achtung!Bei der Quellenverzeichnisnummer /39/fehlt die Dokumenten Nummer. Es handelt sich um den Wetzelschen-Handschrift-Entwurf. Darf ich Dr. Servatius bitten, diese No. In das Quellenverzeichnis unter/39/ einsetzen zu wollen.

    Adolf Eichmann6 9 61.

    /4/Gtzen

    Inhalt:Worte fr den LektorLeitspruch + WidmungVorwort - - - - - - - - - 8 Seiten.

    Adolf EichmannHaifa, den6 9 61

    /5/ AE: 1

    Beim Anlesen und berfligen(sic) dieses Manuskriptes, mu ich feststellen, daes mir zu leer und zu oberflchlich erscheint. Auch habe ich die Absicht, mich mitdem Antisemitismus nher auseinanderzusetzen. Hierzu aber bentige ich nocheiniges Quellenstudium. Aus diesen Grnden wei ich nicht, und habe ich nichtden Mut zu entscheiden, ob dieses so bleiben kann wie es ist und in einem zweitenManuskript gewissermaen als Fortsetzung das mir fehlend Erscheinende zubringen, oder ob ich dieses Manuskript gelegentlich vervollstndigen soll.An Dr. Servatius m. d. B. um Kenntnisnahme und Beurteilung.

    (Unterschriftskrzel) XI. 61.P.S. Es ist eben doch nicht so leicht, als Gefangener ein Manuskript von sich zugeben, welches dann erst noch einer Zensur unterzogen wird; da fhlt man sichbeim Schreiben nicht frei genug; dies mu man bercksichtigen. Wre es nur eineLektorenzensur; oder wre ich zurck, dann wrde es sicherlich fr mich alsSkribent einfacher sein.Am liebsten wre mir, ich knnte es ausfhrlicher u. freundlicher neufassen. (Unterschriftskrzel)

  • /6/

    /The page numbered /19/ with Eichmannsinstructions to the censor and instructionsregarding the use of this manuscript, should,in my opinion, be here.

    E. Friesel,10/1999/

    /7/ AE: (2)Meine persnliche Meinung zuvor:Die Art meines Schreibens ist eher sddeutsch-bajuvarisch zu nennen. Sollteder Lektor aus diesem Raume stammen, ist es mglich, da es fr das Buch vonVorteil wre. (Es mge lediglich ein Hinweis sein; meine Meinung ist nichtkompetent.)Betr.: Vermerk fr den Lektor:

    1.) Ich kann dieses Geschehen so sehr ich mich anfangs auch bemhte es andersstilistisch zu formen nicht anders wiedergeben, als in einem sachlich-nchternenAmtsstil. Heitere Sachen zu schildern, liegen mir mehr; aber selbst eineleichtere, beschwingtere Feder ist hier, die Natur der Sache respektierend,abwegig.Wenn andere eine gewisse Satzauflockerung vornehmen wollen, bin ich damiteinverstanden, denn es ist mglich, da es dadurch leichter lesbar wird; doch ist esmir am liebsten, wenn es so bleiben kann.

    2.) Ich habe einfach darauf los geschrieben, so wie der Schreibstift es wollte; aufInterpunktionen und Absatzbildung nicht sonderlich geachtet. Solange der Sinnnicht verndert wird, bin ich mit textlicher Umgestaltung einverstanden. AuchStreichungen knnen vorgenommen werden; keinesfalls aber Hinzufgungen. z.B.das Vorwort knnte gestrichen werden.

    3.) Der Teil I behandelt Schwerpunkte im seinerzeitigen Geschehen im Altreich +sterreich + Bhmen Mhren + Generalgouvernement, verbunden damit, dieStellung des Befehlsempfngers im Durcheinander mit seiner Innenschau.Der Teil II befat sich mit den Reparationsangelegenheiten in 12 europischenLndern. Die Kristallpunkte sind dokumentarisch belegt und fhren vonSchwerpunkt zu Schwerpunkt.Der Teil III spiegelt das Verhltnis zwischen

    /8/ AE: (3)dem ueren Geschehen von damals und meinen inneren Gefhlen wieder undletzlich(sic), nach dem Sturz des eben noch Gltigen, sehe ich mich langsam undnach und nach, zu einer mich befriedigenden Weltbildvorstellung gelangen.

    4.) Als Titel schwebt mir Gtzen vor. Ich dachte auch schon an Gnothi seauton.Jedenfalls wnsche ich nicht, da dem Buch ein anderer Titel gegeben wird, ohnemich vorher zu befragen. Ich stelle diese beiden daher zur Wahl frei. Ich bin auchdamit einverstanden, falls Uneinigkeit bezglich eines Titels entstehen sollte, stattmeiner, die Einverstndniserklrung meines Verteitigers(sic) Hr. Dr. Servatiuseinzuholen.

    5.) Der Einband und Schutzumschlag mge einfarbig gehalten sein; etwa Perl.- oderTaubengrau, mit klarer linienschner Schrift. Es ist klar, da ich kein Pseudonymwnsche, da es nicht in der Natur der Sache liegt.

    6.) Die Quellenangaben sind so zu verstehen:Eins.) Teil I.

    Eckige Umrandung mit fortlaufender Nummeration. Die Nummern geben imAnhang des Buches dann die Dokumentennummern der israelischenStaatsanwaltschaft wieder.z.B. [1] Dokument 1182

    /9/ AE: (4)

  • b.) Teil II.Hier ist genau dasselbe wie unter a.), nur habe ich fr das Manuskript die rundeUmrandung (1) gewhlt, aus dem einzigen Grunde, damit die Nummern nichtverwechselt werden.Aber da beim Druck unter Umstnden ja fortlaufend durchnummeriert wird, flltsowohl runde, wie eckige Umrandung fort und es bleibt im Druck lediglich dieHinweisnummer auf das Quellenverzeichnis im Anhang stehen.Die den Dokumentennummern vorausgesetzten Buchstaben besagen:

    N = von Gericht angenommenes Beweisstck der Verteitigung(sic).T = von Gericht angenommenes Beweisstck der Anklage.

    (Viele der unter T laufenden Dokumente wurden auch seitens derVerteitigung(sic) eingebracht; sie behielten(sic) aber, da das Gericht das Stck jaschon hatte, mit der T-Nummer stehen).Es fehlen mir bei einer ganzen Anzahl

    /10/ AE: (5)der Dokumenten-Nummern die Gerichtsnummeration; ich habe sie leider auchnicht. Aber Hr. Dr. Servatius resp. Herr RA Westenbruch sind im Besitze einerListe, aus der diese sofort zu entnehmen sind.

    7.) Ob die von Herrn Dr. zur Verfgung gehaltene Zeittafel zu den 5 Skizzenebenfalls dem Anhang zugefgt werden sollen, berlasse ich Hr. Dr. Servatius.

    8.) Ich bitte Herrn Doktor Servatius, dem Verlag Auftrag geben zu wollen, an meinenFreund, dem(sic) Prior des Prm. Klosters (Fr. Bernardus) ein Exemplar zuschicken, ebenfalls der Studentin nach Kanada, mit freundl. Gren von mir.Meine Brder mgen bitte dafr sorgen, da meine Frau zehn Exemplarebekommt, die sie in meinem Namen an meine Freunde, die sie nach eigener Wahlbestimmen mag, sowie an meine Shne mit der Bemerkung versieht:

    Eins.) Im Auftrage meines Mannes mit freundlichen Gren und der BemerkungSo war es, bersandt

    Name m. Frau.Zwei.) Im Auftrage Deines Vaters lieber (Name des Sohnes) mit herzlichen Gren

    gewidmet.9.) Ein Exemplar fr mich.

    Adolf EichmannHaifa, den 10-9-61.

    /11/ AE: 3/Pages /11/ to /17/ were found here, althoughthey seem to belong to the drafts.

    E. Friesel, 10/1999/

    ---- und er wrde seine Schattenweltfr wahr, die wahre Welt aber frunwirklich halten.Aus Platons Hhlengleichnis, Staat; 7. Buch.

    /12/ AE: 4Bemerkung: Dies Manuskript (Vorw., Teil I-III) gilt solange als noch nichtabgeschlossen, bis ich eine letzte Lesung vorgenommen habe; es ist dies eine vonmir eingebaute Sicherung, damit nicht Wortkonstellationen, zu meinem Nachteilfalsch ausgelegt und gedeutet werden knnen. /Satz gestrichen, aber noch lesbar:Die letzte Lesung erfolgt erst nach der Besprechung mit Dr. Servatius./Vorwort/von hier bis S. 15 unten durchgestrichen, einzelne Zeilen unleserlich gemacht/

  • Ich befinde mich im Gefngnis in Israel. Die Beweisaufnahme ist abgeschlossenund in acht Tagen folgen die Pldoyers des Generalstaatsanwaltes und meinerVerteitigung(sic). Es werden sodann etwa zwei bis drei Monate vergehen, bis derGerichtshof zu einem Urteil gelangen wird. Mglicherweise geht es dann weiteran die hhere Instanz; mglicherweise auch nicht. Wie dem auch sei; ich sagtewhrend des Prozesses einmal auf eine Frage des Anklgers im Kreuzverhr,darauf werde ich antworten, wenn ich mich eines Tages hinsetzen werde um andie jetzige und kommende Jugend, zu ihrer Warnung, einige Kapitel zu schreiben.Vorausgesetzt, da ich dazu die Genehmigung erhalte. Dann wrde ich das Kindbeim Namen nennen.Nun, der Prsident des Gerichtshofes verlangte die Nennung bereits whrenddes Verfahrens von mir. Ich gehorchte und sagte, da das Geschehen mit denJuden, welches die damalige deutsche Reichsregierung whrend der Jahre desletzten groen Krieges ins Werk setzte, das kapitalste Verbrechen in derMenschheitsgeschichte darstelle. Ich habe mich also entschlossen, die Zeit des Wartens auf das Urteil zu bentzen,besser gesagt auszuntzen, und da(sic) in die Tat

    /13/ AE: 5umzusetzen, was ich verkndete. Es drfte kaum schaden; eher hingegen zumNachdenken anregen, wie es einem Menschen so im Leben ergehen kann. Ich warvon tausend Idealen beseelt und schlitterte gleich vielen anderen in eine Sachehinein, aus der man nicht mehr herausfand. Ich habe heute einen zeitlichenAbstand von den Geschehnissen, der zwischen 16-29 Jahren liegt. Und vielesehemals Gltiges ist ungltig geworden. Ehemals weltanschauliche Werte habeich als Germpel, allmhlich im Laufe der Jahre ber Bord geworfen. /8 Zeilenbis Ende des Abschnitts unleserlich gemacht/Weil ich Hlle, Tod und Teufel sah, weil ich dem Wahnsinn der Vernichtungzusehen mute, weil ich als eines der vielen Pferde in den Sielen mit eingespanntwar und gem dem Willen und den Befehlen der Kutscher weder nach links nochnach rechts ausbrechen konnte, fhle ich mich berufen und habe das Verlangen,hier zu erzhlen und Kunde zu geben von dem, was geschah. Es ist sicher eintrauriges Resume, wenn ich feststellen mu, da ich in der Lage bin, das

    /14/ AE: 6ungeheure Volumen alleine der organisatorischen Voraussetzungen, welche dasGeschehen ermglichten, zu umfassen und zu bersehen. Die meisten jenerAkteure, die ja nun so oder so in die Geschichte eingehen werden, kannte ich,sprach zum Teil mit ihnen und vermag sie annhernd zu beurteilen./2 Abschnitte von 8 bzw. 5 Zeilen unleserlich gemacht/Ich werde das Leben jener Zeit schildern, so wie es war, so wie ich es erlebte undgesehen habe. Nichts werde ich zu beschnigen versuchen. Ich schreibe zuniemandes Ruhm und Ehre; was sind es fr verlogene, selbstbeweihrucherndeBegriffe! Was ich gestern noch glaubte anbeten zu men, liegt heute im Schuttdes Gestrzten.Ich werde den Vlkermord am Judentum schildern, wie er geschah und gebe dazumeine Gedanken von gestern und heute. Denn nicht nur die Felder

    /15/ AE: 7des Todes mute ich sehen mit eigenen Augen, die Schlachtfelder auf denen dasLeben erstarb, ich sah weit Schlimmeres. Ich sah, wie durch wenige Worte, durchden einzigen knappen, kurzen Befehl eines Einzelnen, dem die Staatsfhrung alsBefehlsgeber dazu die Macht verlieh, solche Lebensauslschungsfeldergeschaffen wurden. Und ich sah die Unheimlichkeit des Ablaufens derTodesmaschinerie; Rdchen in Rdchen greifend, gleich dem Werk einer Uhr.Und ich sah jene, die da achteten auf den Gang des Werkes; auf den Fortgang. Ich

  • sah sie, das Werk stets von neuem aufziehen; und sie beobachteten den Zeiger derSekunden, welche eben dahineilten; dahineilten, wie die Leben zum Tode.Den grten und gewaltigsten Totentanz aller Zeiten.Den sah ich.Und ihn zu beschreiben, zur Warnung schick ich mich an. AdolfEichmann

    6 9 61./3 nachtrgliche Zustze:(Siehe dazu meine Funote bezglich der Wortwgung. Gilt sinngem fr alleKapitel.)(Anschlieend folgt mein Schluwort, welches ich in meinem Prozess zuJerusalem gehalten habe.)

    Bemerkung: Man darf diese und andere schriftstellerischen Worte keinesfalls mit derWaage der juristischen Paragraphen wgen.

    /16/GtzenDieses ist mein Schluwort, welches ich in dem Prozess zu Jerusalem am /Platzfr Datum offengelassen/ 1961, gem meinen Erfahrungen und gem meinenEmpfindungen, gehalten habe:

    /17/ AE: 8./I. Teil, unleserlich gemacht/

    /18/ AE: 1Teil I-(1)-

    /3 Zeilen samt Zustzen unleserlich gemacht, die 4. durchgestrichen, aberleserlich:wei, mit wem man es zu tun hat./Als ein Menschenkind, trat ich am 19. Mrz 1906 in das Leben. In Solingen, imRheinland, wurde ich geboren, als erster Sohn der Eheleute Wolf und MariaEichmann. Wenige Tage nach meiner Geburt wurde ich auf den Namen AdolfOtto, nach dem Ritus der evangelischen Konfession, helvetischer Richtung,getauft. Noch als kleines Kind zog ich mit meinen Eltern nach Linz a/Donau,Obersterreich, wo mein Vater als kaufmnnischer Direktor der LinzerStraenbahn und Elektrizittsgesellschaft ttig war und sich glaublich(sic) in denzwanziger Jahren pensionieren lie um ein Elektrowarenunternehmen zu grnden.

    Nach Besuch der Volksschule und vier Jahren Realschule absolvierte ichzwei Jahrgnge einer hheren technischen Bundeslehranstalt. In den Jahren 1925bis 1927 war ich als Verkaufsbeamter der Obersterreichischen ElektrobauA.G. in Linz a/Donau, sodann bis Juni 1933, als Verkaufsbeamter dersterreichischen Vacuum Oil Company A.G., Filialdirektion Linz undSalzburg, ttig gewesen.

    Das damalige Linz a/Donau war ein vertrumtes, kleines, liebliches undsauberes Provinzhauptstdtchen, im Zentrum des vorwiegend buerlichenObersterreich. Da war das weizenschwere Innviertel, das

    /19//Found here. In my opinion, belongsto page numbered /6/.

    E. Friesel, 10/1999/

    Bemerkung fr die Zensur:1.) Diese schriftstellerische Arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen

    gewogen werden. /Signaturkrzel/

    2.) Dieser Manuskriptverband darf ohne der Zustimmung von Dr. Servatius, nichtverffentlicht werden. (Gilt fr das gesamte Manuskript).

  • Ich bin mit Dr. Servatius dahingehend verblieben, da, falls er dieses Manuskriptnicht zur Verffentlichung ausgehndigt bekommt, (und zwar bis zu seinerRckkehr nach Deutschland vor Weihnachten) ihm Gelegenheit gegeben seinmge, bei der Vernichtung des Geschriebenen, anwesend zu sein./Signaturkrzel/

    /20/ AE: 2braunkohlenreiche Hansruckviertel, das damals schon dem Fremdenverkehr sehrerschlossene Traunviertel mit seiner Perle Gmunden am Traunsee, und demobersterreichischen Hausberg, dem Traunstein, dem Wchter der beginnendenHochalpenwelt.Ganz besonders verliebt aber war ich in das reizvolle Mhlviertel. Das Viertel, dervielen sagenumwobenen Ruinen und Burgen. Und hier war es das obereMhlviertel, da(sic) ich ganz besonders in mein Herz geschlossen habe.Die Heimat eines Adalbert Stifter; der ewige Bhmerwald, dessen Auslufer tiefin das Obere Mhlviertel hineingreifen, mit den romantischen, braunwsserigen,kleinen linken Flchen. Die vielen hurtigen forellenbewohnten Bche, die sichdurch das, gegen die Donau zu abfallende, bhmisch-mhrische Granitplateau,seit undenklichen Zeiten ihren Weg zum groen Wassersammler Donau, bahnen.Diesen herrlichen Fleck der Erde durfte ich meine zweite Heimat nennen und indiesem Kleinod Obersterreich, verlebte ich dank der steten Frsorge meinerEltern eine herrliche, unbeschwerte Jugendzeit.Und auch als junger Mann wie man zu sagen pflegte waren es Tage vonLiebe, Lenz und Leben, die mir geboten wurden. Motorsport, Bergsport, Arbeit,Kaffeehaus, Freunde auch Freundinnen warum auch nicht fllten die Tage undJahre aus.Gar manche heimelige Weinstube lockte

    /21/ AE: 3zur Einkehr und in ihren alten Gemuern lie es sich gut sitzen. Eine solcheWeinstube kannte ich, deren Existenz bis in das dreizehnte Jahrhundertzurckzuverfolgen war. Und der Gumpoldskirchner schmeckte nach jedemViertel besser auch ohne Schrammeln und Zigeunermusik. Man lebte imPhakenland; eben in Obersterreich. Und fuhr man auf den Postlingberg, dasWahrzeichen von Linz, dann war der erste Weg mit der kleinen Freundin, zuMeister Bugele, dem Obergrtner der herrlich-schnen Gartenanlagen auf diesemBerg, mit seinen tausend oder mehr Rosenstcken. Ihn um einen Strau Rosen frdie Angebetete zu bitten, war fr diesen Meister der Blumen, Strucher undBume stets groe Freude, kannte er mich doch schon als kleinen Lausbuben,wenn ich Samstags an der Hand meines Vaters, die Anlagen besuchte. Mein alterHerr hatte seinerzeit viel zur Hebung dieser Augenweide, welche damals zumBesitztum der Linzer Straenbahn- und Elektrizittsgesellschaft gehrte, getanund meinen Freund Bugele, zum Obergrtner dieses Paradises(sic) bestellt. Nichts htte diese heiter-frohe und unbeschwerte Lebenslust zu stren vermochtwren die Gtter nicht auch bis nach Obersterreich gekommen. Bei mirklopften sie bereits seit 1931 an, und ab und an auch schon frher; sievereinnahmten mich dann genau am 1. April 1932.

    /22/ AE: 4Ja Freunde, heute zurckschauend, es sind bald 30 Jahre her, mu ich sagenwenn es dem Esel zu gut geht, dann geht er aufs Eis, um zu tanzen.-(2)-Nun ja, es gab damals verschiedenartig eingestellte junge Leute, so wie es solchezu allen Zeiten gegeben haben mag und immer geben wird. Ich war durch dieSchule und Gesellschaft in der ich mich bewegte, kurz durch meine Umgebung

  • die mich beeinflute und welche Umgebung vermag einen jungen Menschennicht zu formen zur nationalistischen Richtung hin gelenkt worden.Und welchem Nationalisten brannten nicht /gestrichen: die Worte/ das WortVersailles. Natrlich verstand man im Anfang nichts davon. Aber dasVerstndnis hierfr wurde schon geweckt; Zeitungen, Gesprche und Bchersorgten dafr. Und man erzhle einem jungen Menschen in dieser Richtungtendierend, von nationaler Schmach, von Verrat, vom Dolchsto, welcher derdeutschen Armee zuteil ward, von nationaler Not und Elend; Herrgott, da packt eseinen halt, da gert das Blut in Wallung. Und dann hrt man durch diePropaganda, da da eine Partei ist, welche die Schmachbeseitigung auf ihr Bannergeschrieben hat. Die Beendigung der nationalen Nte versprach, den Dolch ausder Wunde zu ziehen sich anschickte, die Gleichberechtigung auf demwehrmigen Sektor zu erkmpfen bestrebt war und die Arbeitlosgkeit in dieunterste Hlle verdammte. Und dann

    /23/ AE: 5sitzt man in solch einem Weinstberl, vor seinem Viertel, im Bierstberl vorseinem Krgerl oder im Caffee vor seinem Schwarzen und liest denVlkischen Beobachter, man liest vom Tod der SA und SS-Mnner; manliet(sic) heldische Worte ber heldischen Tod; ber mannhaftes Sterben undfurchtlose Treue. Und ich sag es noch einmal, welchen Burschen, nationalistischerTendenz, packte es da nicht.Da war kein Wort von Jude und Judentum; und la(sic) man es ab und zu inbesonderen Artikeln, wer nahm solches ernst? Wer machte sich dieserhalbberhaupt berlegungen. Mag sein die lteren und Alten. Uns Burscheninteressierte alleine, und einzig und alleine, das Heldische. Mit zu helfen an derBeseitigung, an der Ausrottung einer Schmach.Rot sah man beim Wort Versailles. Bereit zu allem, dieses Wort, im Sinne vonSchmach, zu vernichten, zu zerstampfen; dafr auch wenn es sein mu zu leiden.Es mute ausgelscht werden. Und diejenigen, welche dazu aufforderten warenunsere Gtter.So mu es in alten, in uralten Zeiten gewesen sein, wenn man den Heldensagentrauen konnte.Aber warum sollte man ihnen denn nicht trauen?

    /24/ AE: 6Die >HerzgeGefolgschaft

  • /25/ AE: 7Exerzierdienst bei der Truppe; vom Robben abgeschundene Ellenbogen und Knie;Kadavergehorsam und Einschrnkung der Freizgigkeit tauschte ich ein, gegendas gutbrgerlich eingerichtete behagliche Elternhaus, gegen Kaffeehaus undWeinstberl, gegen Motorsport, Bergsport und dem Zusammensein Jungverlobter.Wahrlich, ich diente den Gttern aus freien Stcken; wahrlich ich opferte ihnenzuliebe viel.Aber was galt es schon; wenn nur das Vaterland frei werden konnte und Not undElend der Deutschen ein Ende fand.Im Jahre 1934, an einem sonnigen Herbstmorgen kam ich von dem erstenBataillon des Regimentes SS 1 nach Berlin, zum SD-Hauptamt versetzt, amAnhalter Bahnhof an. Nach durchfahrener Nacht war eine kleine Erfrischung sehrwichtig und brauchbar. Ich begab mich in einem(sic), dem Bahnhofgegenberliegenden, Friseurladen und lie mir nach erfolgter Rasur, heieKompressen aufs Gesicht legen, um die bernchtigkeit zu verscheuchen. Undschlenderte sodann in eine Aschinger-Kneipe, gleich neben dem Friseur. EinigeMollen Helles und ebensoviele Schnpslein, dazwischen ein ordentlichesGullasch(sic)

    /26/ AE: 8mit frischen, knusprigen Brtchen, waren just das richtige Frhstck fr einenUnteroffizier in der SS-Verfgungstruppe, der Vorluferin der spteren WaffenSS.Als solcher hatte ich mich freiwillig zum Sicherheitsdienst des Reichsfhrers SS,gemeldet. Sicherheitsbegleitpersonal fr die Gtter. Warum auch nicht; ich stelltees mir sehr interessant vor. Erst spter sollte ich draufkommen, da ich einemIrrtum zum Opfer gefallen war. Das Begleitpersonal fr die Gtter hieReichssicherheitsdienst. Der Sicherheitsdienst des Reichsfhrers SS, war etwasganz anderes.Vorlufig ahnte ich aber noch nichts.Vorlufig suchte ich ein Kaffeehaus. Kaffeewar fr alles gut. Gut zum dsen, gut um den Geruch von Aschingers Biermollenzu tten und bei der Truppe benutzten wir ihn Jahr und Tag zum Fleckenputzen anunseren schwarzen Uniformen. Freilich, zum Exerzierdienst hatten wir feldgrauoder was am lstigsten war, hellgraue bis fast an das Weiliche grenzendeDrilliche, welche leicht schmutzten.Mit souverner Unteroffiziersruhe im Bauch, begab ich mich nun zu der mirbefohlenen Dienststelle, ein Palais in der Wilhelmstrae 102, um mich zum

    /27/ AE: 9Dienst zu melden. Ob ich verheiratet oder ledig sei. Dies war die erste Frage, diemir der Offizier vom Dienst stellte. Ledig. Natrlich, meine Braut war ja inSdbhmen, und an eine Heirat wegen meiner vorbergehenden Verhinderung imAugenblick nicht zu denken.Ledige sind kaserniert; wenn Sie heiraten, knnen Sie drauen wohnen, gab manmir zur Antwort.Na schn dachte ich mir, irgendwo mu der Mensch ja hingehren. Zu den Eltern,in die Kaserne oder zur Ehefrau.Also ging ich zum Kammerbullen. Bisher hatten wir Unteroffiziere stets so eineArt stillschweigend geduldeter Ordonanzen zur persnlichen Dienstleistung zurVerfgung gehabt; je vier Unteroffiziere eine Ordonnanz(sic). Er trank frei,rauchte frei auf unsere Kosten und hatte seine vier Unteroffiziere zu Freunden, dieihn gegen Tod und Teufel verteitigten(sic), fra er etwas gegen dasDienstreglement aus. Auerdem hatte er nur allerleichtesten Exerzierdienst. Abermeistens verstand er es, sich sogar von diesem zu drcken.Hier aber schmi mir der Kammerbulle meine blauweikarrierten Bettklamottenan meinen persnlichen Kragen; Decken und Leintuch folgten und dann damit aufdie Stube.

  • Was dann noch an Kramzeug mehr war,/28/ AE: 10

    war der bliche Kasernenzinober(sic), war altbekannt und nichts Neues.Nachmittags wurde ich vereidigt. Zwar hatte ich beim Tode desReichsprsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg den Fahneneid aufFhrer, Reichskanzler und Vaterland geleistet; jetzt also nochmal, aber in eineranderen Form; mit der Geheimhaltungsverpflichtung.Mich hatte es an sich schon mehr als stutzig gemacht, als ich zwecksEidesleistung im Dienstanzug mit Stahlhelm, zu einem SS-Offizier gefhrt wurdeund dabei einige museumhnliche Rume durchschreiten mute, auch sah icheinen Sarg in einem dieser Rume stehen, mit groer Glasplatte, indem(sic) einmenschliches Gerippe lag, aber ich hatte zu sehr auf meine Fe zu achten, dennmeine schweren Stiefel vertrugen sich nicht mit dem glatt gewichsten, glnzendenFuboden und bei Kurven hatte ich Mhe nicht auszurutschen.Merkwrdig dachte ich mir; alles sehr merkwrdig. Aber mglicherweise war derStab in einem Museum untergebracht, ging es mir durch den Sinn. Man fand dieDienststellen in jener Zeit ja an allen Ecken und Enden, wo man sie nie vermutethttte. Auerdem kam ich von der Truppe und hatte mich um solchen Kram

    /29/ AE: 11nicht zu kmmern. Behandelt wurde ich ohnedies, als sei ich Rekrut, der eben erstfrisch eingezogen war. Und es ist erstaunlich, zu welchem Ma an Leiden,einem(sic) eingedrillter Kadavergehorsam mit einem gehrigen Schu Idealismusgepaart, fhig macht. Natrlich mu es jedem rechtschaffenen Unteroffizierschwer, sehr schwer fallen, wenn er im Verein der elf weiteren Stubengefhrten,mit denen er zusammenwohnte, von denen nur zwei, ebenfalls gedienteUnteroffiziere waren, der Rest aber eine Kaserne hchstens vomHhrensagen(sic) kannte - allenfalls, auf Grund eines Schnellsiederkurses vonacht Wochen, - Samstag fr Samstag den Boden zu schruppen, die Hocker undTische zu scheuern hatte und im Spind nach einer anderen, neuartigen Ordnungdie Klamotten zu legen kamen (sic). Und sich dabei von einem Feldwebel derallgemeinen SS also zivilen SS, der ebenfalls als Waffentrger der Nationseine Dienstzeit noch nicht einmal angefangen hatte, sondern seinen Rang in demSD, von der allgemeinen SS, also Zivil SS, mitbrachte, kommandieren zu lassen,wobei ihm seine herzliche Genugtuung, es den Herrn Unteroffizieren von derTruppe einmal geben zu knnen, auf tausend Meter Entfernung, anzumerkenwar.Es war auch keine Freude, frh morgens im Park des Palais, zum Exerzieren

    /30/ AE: 12anzutreten. Nicht des exerzieren Wegens (sic); dies war im Gegenteil noch daseinzig erfreuliche(sic) an dem ganzen Dienstbetrieb. Nein, das Wurmende und dernagende Zorn kam daher, da Hanswrste denen selbst die Bedienung an einemMaschienengewehr(sic) fremd war, Sonntagsexerziermeister der allgemeinen SSalso, uns hier die desten und bldesten Bewegungen machen lieen; wir dreiGedienten der Stube zwlf, wurden durch diese Taktik zwar bis an den Randunserer Geduld getrieben; aber wir parierten; wir gehorchten.Nach wenigen Tagen kam ich dahinter, da ich an der verkehrten Stelle gelandetwar, und ein Abgang zum Reichssicherheitsdienst, nicht gestattet wurde.Jetzt war der Galeerenstrfling fertig. Mit unsichtbaren Ketten fhlte ich mich aneinen Karteitrog angebunden und hatte die Aufgabe, im Verein mit einem halbenDutzend anderer Kameraden, die Freimaurerkartei, aus Zehntausenden vonKarteikasten bestehend, zu schreiben, zu ordnen und einzuordnen.Der schwerste Kampf, der in diesen Tagen auszufechten war, war der Kampfgegen den Schlaf.

  • Man wird einwerfen, ja groer Herrgott, wenn ich irgendwo gegen mein Wollenmit einer Arbeit, welche mir gegen den

    /31/ AE: 13Strich geht, als freier Mensch, eingespanntt werden soll, da macht man einfachSchlu damit, oder man ist ein Waschlappen, dem eben nichts besseres gebhrt.Kaserne na ja, gut und schn; da hat man zu gehorchen, da(sic) wei ein jeder.Aber in einer Kanzlei, in einem Amt, da hau ich einfach auf den Tisch, sagemeine Meinung und wetze aus dem Tempel raus. Noch dazu wenn maninzwischen ein Kerl von 28 Jahren geworden ist.Genau dieselben Gedanken hatte auch ich um jene Zeit und mit mir eine Anzahlmeiner Stubengefhrten.Aber da waren die Gtter, denen ich ja dienen wollte.Und die weltanschauliche Schulung, der man uns am Anfange unterzog, brachteuns noch nher an sie.Das Leben des alten Preuenknigs, Friedrich des Groen wurde uns in denlebendigsten Formen, von Meistern auf diesem Gebiete, lebensnahe gebracht.Volksbindung und Blutsbande in den leuchtendsten Farben idealisiert.Der Dienst am Volk, der Dienst am Fhrer als ein geheiligtes Privilegiumgepredigt. Fr die Freiheit des Vaterlandes alles hinzugeben, als hchsteVerpflichtung und freudiges, jederzeitiges Wollen, eingehmmert.Und ich glaubte es; mit allen Fasern

    /32/ AE: 14meines Glaubens, den aufzubringen ich in der Lage war.So tat ich denn meinen Dienst; Schreibtischdienst, der mir weder physisch nochpsychisch lag; der fr mich eine Qual bedeutete; zu dem ich mich jeden Tag aufsNeue selbst kmpfend besiegen mute, ehvor ich an das befohlene Tagewerkging.(3)Der Mensch gewhnt sich an alles, wenn es sein mu. Und nachdem die Machtder Gewohnheit groe Prozentstze des Widerwillens an der nichtbehagendenTtigkeit verschluckt hatte, die weltanschaulichen Belehrungen einen weiterenTeil unter den Tisch schlug(sic), blieben relativ nur noch geringe Rckstnde desWiderwillens an der Oberflche und auch diese wurden alsbald bertncht durchdie nicht ableugbaren Erfolge der Fhrung des Reiches, die sie fr das deutscheVolk erlangten. Die groe politische Linie sah unsereiner ja nicht.Auslandsmeldungen durch Presse und Rundfunk gelangten noch nicht zu uns;dazu waren wir zu geringe Diener an Volk und Staat. Die internationalenVerflechtungen im politischen Geschen(sic), waren damals auch mir nochBhmische Drfer.Aber auch ich sah das Verschwinden der Arbeitslosenarmeen, die Militarisierungder Rheinlandzone,

    /33/ AE: 15die Wiederherstellung der Wehrhoheit; den frenetischen Jubel derMillionenmassen, wenn die Gtter sich zeigten. Und meine Verhaftung an diesewar eine stets fhlbarere.Aber es waren schlielich doch nur irdische Gtter. Bewut und unbewut wehrteich mich, ihnen mit meinem allerletzten inneren Ich zu verfallen. Das Vaterland,die Freiheit, ja.Bedingungslos!Die Seele, da(sic) was dann kommt, wenn die Stunde da ist, und diese irdischenWerte aufhren Gegenstand des Hoffens, Glaubens und Wirkens zu sein, diesbehielt ich als ein Privatissimum, ber welches ausschlielich nur ich selbst

  • entscheiden konnte und wollte. Hier lie ich auch die Gtter nicht heran, so sehrich ihnen sonst glubig verfallen war.Hier war die elterliche Erziehung und die innere Bindung an die von Generationzu Generation berlieferten Werte noch zu stark, um demEinbruchsversuchen(sic) nachzugeben. Hier war ich stur.Stur wie die neuen schweren Panzer, welche eben zur Hebung der Herzensfreudeund als sichtbare Garanten der Freiheit, in Erscheinung traten.Stur wie die Kurse der neuen Bombengeschwader, welche unbeirrbar am

    /34/ AE: 16berliner Himmel dahindonnerten.Meine Bindung an die Kirche! Fast alle meine Kameraden waren lngst aus denReligionsgemeinschaften ausgetreten und wetzten nun den Schnabel in Zoten undVerleumdungen gegen Kirche und Klerisei.Und hatten sie Alkohol im Bauch, dann wollte damit einer den anderen, imWettstreit mit ihrer Dummheit, bertrumpfen. Natrlich war ich dann stetsbesonders eine willkommene Zielscheibe, freilich nicht bse gemeinten,Kameradenspottes. Schon in der Kaserne fing es an. Es gehrte zum neuen Ton,selbstverstndlich den Kirchenaustrittschein zu bringen. Nicht da von seiten derObrigkeit darauf gedrngt wurde; dies wre unwahr. Mag sein, da dies imParteileben blich war. Bei den SS-Verfgungstruppen und selbst auch im SD-Hauptamt, war es nicht blich. Aber der Kameradenspott grob, ja saugrob, freilichlandserhaft gutmtig, doch nicht ohne Stachel und Dorn, der sorgte dafr undauch die Hoffnung auf schnelles Avancement tat das ihre, diese Austrittsscheineim allgemeinen baldigst zu holen.Bei der Truppe hatte ich dieser halb bald Ruhe.Denn wie es unter jungen Menschen schon einmal so blich ist, zhlte allesandere oftmals nicht halb so viel,

    /35/ AE: 17wenn der Betreffende ein guter Sportler ist.Das gefrchtete Gert in jener Zeit, war die Eskladierwand. Eine zwei Meter undeiniges, hohe und starke Bretterwand, ber die es in mehr oder weniger eleganterWeise hinber zu wetzen galt. Hier arbeiteten die Hintern, Knie und Fuspitzen,verzweifelt mit der Muskulatur der Arme, um die runden 70 KilogrammLandserlebendgewicht, auf die andere Seite zu befrdern.Die Taugenichtse gingen in das Vermerkbuch des Spie; zwecksDienstleistung in der Kche zum verhaten Kartoffelschlen, zumAbortbrillenputzen, denn gelernte Optiker gab es stets nur sehr wenige, oder garkeine, und diese Ttigkeit wurde dann meistens von diesen Nichtsknnernverlangt, wenn die brige Kompanie Ausgang hatte, und mit Frulein Braut insGrne abhauen konnte.Ich hatte den Vorzug in jener Zeit hatte ich noch eine turnerische und sportlicheAder mhelos und sogar elegant ber jene Wand zu kommen und wurdeauszeichnungshalber, zwecks leichter Hilfeleistung, welche nur mit Fingerspitzengegeben werden durfte, vom Kompaniechef abgestellt. Dies war eine blicheErleichterung.

    /36/ AE: 18Aber in der Regel hatten die Hilfeleister ihre allergrte Freude an einerBehinderung und Erschwerung, statt umgekehrt. Dies gehrte ebenfalls zumallgemeinen Flachs und Ulk. Freude auf Kosten anderer. Ja, das Kasernhoflebenwar eben rauh aber herzlich. Ich leistete damals in Wahrheit, vorzglicheHilfestellung. Es gengte meist ein leichter Druck auf eine der in der Luftherumorgelnden Hinternbacken, und der Kerl war drber. Das Znglein an der

  • Wage(sic) gewissermaen. Und da gerade Samstag vormittag war und derStabsfeldwebel keine Notierungen zu machen hatte, kamen die Herren derKompanie alle mit ihren geehrten Bruten zu ihrem Wochenendvergngen.Ich wurde seit damals, so wenig die Motive selbst auch zusammenhingen, inreligisen Dingen nicht mehr belstigt.Als ich 1935 Hochzeit machte, fand diese in der evangelischen Kirche zu Passaustatt; in Uniform.Hier freilich versuchten meine damaligen Vorgesetzten zu intervenieren undwiesen auf die Unmglichkeit hin.Aber die Panzer waren ja auch stur. Erst im Herbst 1937, ich war jedenfalls schon seit einer kleinen EwigkeitHauptfeldwebel, trat ich ohne Druck oder Zwang, aus freien Stcken und in vollerberlegung aus dem evangelischen Religions-

    /37, 38/ AE: 19Verband aus und bezeichnete mich ab dieser Zeit, als gottglubig. Daran hatsich bis heute nichts gendert. Ich wurde weder ein Kirchenfeind, noch war ich jeantiklerikal. Ich sah die Notwendigkeit religiser Gemeinschaften aus ethischenund aus Grnden der Erziehung als wichtig an, aber ich wollte frei und ohnekirchliche Bindung im Verkehr zwischen meinem Herrgott und mir sein.Auerdem widerte mich der seinerzeitige Kampf innerhalb der evangelischenKirche so an, da ich nichts mehr von ihr wissen wollte. Die eine Seite war Feuerund Flamme fr die neuen Gtter und ihr Tun; die andere Seite bekmpften sieauf Tod und Teufel./Der folgende Abschnitt ist gegenber von S. 17 nachtrglich notiert, gehrtoffenbar hierher:Nicht die Tatsache des Kampfes gegen den damaligen Staat selbst war es, dermich zur Distanzierung zwang, als vielmehr die berlegungen, da es kaumgttlichen Wnschen entsprechen mochte, wenn seine verordneten Diener sichderart eifernd und gegenseitig verunglimpfend, in irdische Belange einlieen undsich gegenseitig in die Wolle bekamen. Hinzu kamen meine Zweifel inglaubensmiger Hinsicht, die ich an anderer Stelle noch einmal streife./Da lobte ich mir damals die rmisch-katholische Kirche; sie holte ihrenWertmastab erst gar nicht aus der Kiste. Sie war gewohnt in Jahrhunderten zudenken, zu messen und zu wgen. Wre ich damals Katholik gewesen und nichtProtestant, ich wre stur als solcher im Kirchenverbande geblieben. Man hattesich ja schon seit drei langen Jahren daran gewhnt gehabt, da ich einer der ganzwenigen, wenn nicht der einzige war, der hier so lange stur blieb. Freilich mu icheinschrnkend hinzufgen, da ich auf der anderen Seite aber auch in keiner

    /39/ AE: 20Form etwa missionierend oder sonst irgendwie predigend ttig geworden bin.Solches htte ich nie und nimmer getan. Ich verteitigte(sic) ausschlielich meineeigene persnliche Stellung zu den mir anerzogenen Werten und berlieferungen;bis auf den Tag, an dem ich aus eigener Erkenntnis, die Dinge in einer michinnerlich befriedigenderen anderen Helle sah.Ja, und wie war es mit der Judenfrage in jener Zeit und wie stand ich zu ihr.Als ich im Herbst 1934 in das SD-Hauptamt versetzt wurde, gab es dort berhauptnoch kein Referat und keinen Sachbearbeiter, der sich mit Juden zu beschftigenhatte. Dies war erst im Laufe des Jahres 1936 der Fall.Whrend des Prozesses, und zwar innerhalb des etwa 10 Tage dauerndenKreuzverhres, frug mich einer der drei Richter, oder war es derGeneralstaatsanwalt, bezglich meiner seinerzeitigen Einstellung zum Programmder Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei, ob es mir bekanntgewesen sei, und ich doch zweifelsohne gewut haben mute, da diese Partei

  • den Kampf gegen das Judentum, als einen nicht zu bersehenden Faktor ebenfallsauf ihr Panier geschrieben hatte; also mte ich doch auch Antisemit gewesensein.Ich konnte diese Frage sehr einfach und wahrheitsgem beantworten, indem ich

    /40/ AE: 21sagte, da ich den Judenprogrammpunkt wohl gekannt habe, doch niemalsAntisemit war. Nun, diejenigen der israelischen Polizeibeamten, mit denen ichwhrend der Voruntersuchung laufend zu tun hatte, kannten die nherenUmstnde, die mich berechtigten, eine solche Antwort zu geben. Auch mit einemPsychiater unterhielt ich mich ber diese Frage. Es ist blich, da Angeklagte ingreren Prozessen im Laufe der Voruntersuchung sich mit solchen Fachrztenzusammensetzen, der(sic) dann auf Grund der Unterhaltung, seine Teste macht.Diese Unterhaltung setzt natrlich eine freiwillige Bereitschaft seitens desAngeklagten voraus, denn sonst wre der Test ja schlielich auch wertlos.Nun, ich will zu dieser Frage jetzt auch hier Stellung nehmen; und ich mu aufeine kleine Sekunde in mein Elternhaus zurckgehen.Meine erste Mutter starb sehr frh; mein Vater heiratete zum zweiten Mal. Ermute es, denn wir waren fnf kleine Kinder und es gab mit denWirtschafterinnen, Kchinnen und Stubenmdchen, die in einer zweijhrigenmutterlosen Zeit den Haushalt meines Vaters zu fhren hatten viel rger. Wiees schon so geht. Mit der zweiten Mutter, die selbst keiner jdischen Familie entstammte, kam aberjdische Verwandtschaft in unsere Familie.

    /41-42/ AE: 22Tanten, Onkel, spter Cousinen. Wenn man klein ist, dann wchst manautomatisch in seine Umgebung hinein. Unsere Familie, nicht nur die engere, ichmeine die gesamte Sippschaft, gehrte zu den seltenen Familienverbnden, vondenen man behaupten konnte, da niemand dem anderen seine Wsserchen trbte.Es war ein frhliches, herzliches Verbundensein ohne Arglist, Lug oder Trug.Egal, ob Jude, jdisch versippt oder Nichtjude./1. Zusatz von Seite gegenber: Meine Eltern und damit meine Familie war wederjudenfreundlich, noch judenfeindlich. Das Problem als solches, war eben einvllig Familienfremdes gewesen; es stand niemals in irgend einer Form zu(sic)Debatte./Mein alter Herr selbst hatte u.a. auch Juden zu Freunden./2. Zusatz von Seite gegenber: Wren es keine Juden gewesen, wren sie auchbefreundet gewesen. Mein Vater kmmerte sich um diese Dinge ebensowenig,wie etwa, was es am Abend zu essen gbe./Ich erinnere mich noch des jdischen Hopfenhndlers Taussig aus Urfahr beiLinz. Ich glaube es war der Nachbar unseres damaligen Gartens am Hang desPstlingbergs. Und wir Kinder kamen zur Erdbeerzeit aus unserem Garten inTaussigs Gehege und schnabelten dort, mit seinem Einverstndnis undEinladung, allmlig(sic) die Erdbeerbeete leer, nachdem unsere schon lngst vonuns Kindern abgeerntet waren.Ich war noch ein sehr kleiner Lausbub, aber ich erinnere mich zu genau, einesanderen jdischen Freundes meines Vaters, der mir, war er Gast meiner Eltern,auf dem Flgel stets sehr feurig die Marseillaise vorspielte /3. Zusatz von Seitegegenber: und vorsang Allons enfants de la patrie./ Er war gebrtigerFranzose, aber lngst

    /43/ AE: 23naturalisierter sterreicher. In der Volksschule kam ich neben einem Juden zusitzen; wir wurden Freunde. Ich in seinem Elternhaus, wie das schon so geht, er in

  • dem meinen. Die Freundschaft hielt eigentlich lange an. Genau gesagt, bis wir unsaus den Augen verloren, durch meinen Abgang von Linz a/Donau, im Jahre 1933.Eingemale trafen wir uns auch auf der Reise, letztmalig in Grnau im Almtal, beieinem Raseur. Es machte ihm offenbar nichts aus, da ich das Abzeichen derNSDAP angesteckt hatte und mir machte es nichts aus, da er Jude war. ImGasthof tranken wir unser Getrnk und kmmerten uns den Teufel ob Jude oderNichtjude. /6 Zeilen gestrichen, noch lesbar: Mein Religionslehrer, derevangelische Pfarrer Tiebel in Linz, ein Junggeselle aus Ostpreuen, erzhlte unswhrend des Religionsunterrichts oftmal von seinem Amtsbruder wie er ihnnannte dem Rabbiner in [Ortsname]./ Noch als SS-Obersturmbannfhrer, kteich sehr herzlich meine halbjdische Cousine, die mich mit ihrem Vater in Berlinauf meiner Dienststelle besuchte und man brach am Abend in einer nettenWeinstube in Berlin, einigen netten Flaschen den Hals.Und warum sollte ich meine bildhbsche

    /44/ AE: 24zwanzigjhrige halbjdische Cousine nicht ken, sagte ich zu meinemstndigen Vertreter, dem SS-Sturmbannfhrer Gnther; so was kann dochunmglich Reichsverrat sein. Er hatte diesbezglich strengere Auffassungen.In Budapest hatte ich auch entfernte Verwandte sitzen. Meine dortige Cousine,eine Psychiaterin, war mit einem jdischen Schuhindustriellen verheiratet, vondem sie aber geschieden war und just um die Zeit, als ich 1944 nach Budapestbefohlen wurde, war sie mit einem jdischen Dozenten an der UniversittBudapest, verlobt.Gemeinsam tafelten wir zu Abend. Meine Tante, meine Cousine, ihr jdischerVerlobter und ich in der Uniform eines SS-Obersturmbannfhrers. So, wie es mirmit den Juden in der Verwandtschaft meiner zweiten Mutter erging, hnlicherging es mir mit der Verwandtschaft meiner Frau bezglich der Cechen. Ichfeiere brigens in wenigen Tagen hier im Gefngnis in Israel, den dreiigstenJahrestag unserer Verlobung; seit 26 Jahren bin ich verheiratet.Die Verwandtschaft meiner Frau besteht aus Cechen und ehemaligensterreichern, also Bhmen mit der Muttersprache Deutsch. Seit 1648 ist ihreFamilie in

    /45-46/ AE: 25Sdbhmen ansig gewesen. Und ein Holzbalken im Hofe zeigt eine nochfrhere Jahreszahl.Als ich dienstlich im Jahre 1939, nach Prag versetzt wurde hatte ich genaudasselbe herzliche Zusammenleben mit meinen cechischen Schwgern, es warendie Ehemnner der Schwestern meiner Frau, wieder aufgenommen. Der einedavon war whrend der Zeit des(sic) cechoslovakischen RepublikArtillerieoffizier gewesen, der andere zur Zeit der Besatzung durch uns, aktivesWiderstandsmitglied und Kommunist. Seine Tochter, meine Nichte also, studierteirgendwann nach 1945, Welthandel in Moskau.Ich wei, da meine beide Schwger glhende cechische Patrioten waren und ichachtete ihren Nationalismus. Ich htte mir eher die Zunge abgebissen, als das(sic)ich sie angezeigt htte, oder selbst eine Verhaftung vornahm, zu der ich berechtigtgewesen wre. Die verwandtschaftlichen Bande waren strker als die zu meinenGttern; obgleich sie auch durchaus nicht schwach waren.Ich hate weder den Cechen, noch den Juden, noch irgend jemanden anderen./Zusatz von Seite gegenber: Ich hatte auch nie von irgend jemanden(sic)persnliches Leid erfahren./Die ganze Erziehung die ich geno feite mich darber hinaus vor solchenGefhlen. Ich kannte sie nicht. Ich lebte in einer Welt, die gegenstzlichbeispielsweise von der, junger Corpsstudenten der schlagenden Verbindungen

  • /47/ AE: 26war. Hier nhrte(?) diese, der Geist eines Ritter von Schnerer mit seinenantisemitischen Gesngen und Predigten. Hier wurde das Wort Arier, betont unddeutlich ausgesprochen, ein Wort, welches erst spt, sehr spt berhaupt inmeinen Wortschatz gelangte.Htte ich nicht innerhalb eines solch innigen und herzlichen Familienverbandesgelebt, ein Verband, zu dem sich dann die Familien meiner Frau hinzugesellten,mglich da auch ich von solchen Gedankengngen angesteckt worden wre.Aber ich wurde es nicht und dies ist entscheidend./zweieinhalb Zeilen unleserlich gemacht/ Als in Linz einmal Pfadfinderfhrer, vonirgendeiner Tagung kommend in unserem schnen Landeshauptstdtchen einigeTage verweilten und die einzelnen auslndischen Pfadfinder auf Brgerfamilienaufgeteilt wurden, da brachte mein Vater einen franzsischen Pfadfinderfhrer alsGast mit nach Hause. Ich sprach um jene Zeit genau wie mein zweitltesterBruder Emil recht ordentlich franzsisch, da unsere Mutter, ein gutesfranzsisch und englisch sprach und uns durch Conversation, die Sprachemhelos eintrichtern wollte.Dieser junge Franzose war ein prchtiger

    /48/ AE: 27Mensch und ich fhlte mich nach Art der Halbwchsigen glcklich, ihn zumFreunde gewonnen zu haben. Wir verlebten gemeinsam frohe unbeschwerte Tage,schwelgend in Romantik, Bubenfreundschaft und Pstlingbergrosengrten undtauschten unsere bndischen Lieder aus dem Zupfgeigenhansel desWandervogels, und aus anderem aus. Und spter, als auch fr mich die Franzosenmit die Verkrperung von Versailles schlechtwege wurden, selbst da gelang eskeiner Macht, in mir auch nur die leisesten Hagefhle gegen auch nur irgendeinen Franzosen als solchen zu erzeugen.Und ich lernte eigentlich schon recht frh, da das Einzelindividuum keinesfallszu identifizieren ist mit Nation oder Glauben oder gar Politik.Die Worte Rasse, Volkstum und hnliche gelangten gleichermaen erst spt inmeinen Wortschatz, so wie ich es bezglich des Wortes Arier, schon feststellte.Und auch da, klassifizierte ich das Verhltnis zwischen dem Individuum und denfr mich neuen Begriffen nicht anders, als wie ich es bis dahin zwischenIndividuum und Nation tat.Selbstverstndlich bin ich kein Heiliger; als whrend des Krieges derBombensegen ganze Stadtviertel in Null komma Nichts in Schutt und Asche legte,und tausende Deutscher verreckten und ver-

    /49-50/ AE: 28kamen, verschmorten und zerrissen wurden, da habe auch ich in der Hitze-Leidenschaft ungezhlte derbe und derbste Flche gegen die Bombenwerfer vomStapel gelassen.Auch ich bin kein Heiliger und habe als die Israeler mit den Franzosen undEnglndern gypten angriffen in der Hitze der durch die Presse entfesseltenLeidenschaften, derbe und derbste Worte gegen die Angreifer gebraucht. Ich binnicht anders als andere auch. Aber dies ist eben eine Reaktion die ausgelst wird,der man sich je nach Temperament hingibt und die dann mit Worten ihr Endefindet. Dies bezieht sich weder auf den einzelnen Englnder, Franzosen, Judenoder Nordamerikaner; weder auf den einzelnen Ruen, Polen, Jugoslawen, nochauf einzelne andere.Sie ist es kommt mir jedenfalls so vor irgendwie natrlich; denn nur krankeoder teilnahmslose Menschen, oder der Weise, die sind gefeit von(sic) diesenmenschlichen Schwchen; andere nicht, besonders dann nicht, wenn sie

  • /Fortsetzung gestrichen und ersetzt durch Zusatz von Seite gegenber: anllichder Beispiele die ich nannte, durch Zerstrung praktisch, und durch die Presseknstlich, in einem erweckt, ausgelst werden./So also konnte ich sagen, ich bin nie ein Antisemit gewesen, denn es stimmt. Undwhrend der sogenannten Kampfzeit der NSAP, nahm weder ich, noch die mirgeistig verwandten Meinesgleichen, den Judenbekmpfungsprogrammpunkt derPartei auch nur im leisesten ernst. Ja,

    /51/ AE: 29man beachtete ihn nicht einmal. Seinetwegen fhlte man sich ja auch in gar keinerForm mit der Partei verbunden. Die Anziehungspunkte lagen, wie ich schon sagte,auch fr mich, auf einem ganz anderen Sektor. Wenigstens war es so imsterreichischen Bergland. Ich beachtete ihn ebenso wenig und er war fr michganz genau so bedeutungslos, wie die Bekmpfung der Kirche und Klerus.

    ------- ----------Dies also war mein Ich, als ich meine Anfangszeit im SD-Hauptamt zu Berlinverbrachte.Unverbildet, unkompliziert, nicht faul und nicht fleiig; und eine derbeKasernenhofschale nach auen, schtzte mein Innenleben.Zwar war meine Ttigkeit nicht nach meinem Geschmack, aber die stetenweltanschaulichen Hinweise auf Eid und Verpflichtung, lieen in mir nach undnach keine anderen berlegungen mehr aufkommen.Ich gehorchte und blieb meinen Gttern verbunden, indem ich mich befehlen lieund gegen den Stachel nicht lckte.

    -(4)-Ein halbes Jahr nach meiner Versetzung nach Berlin, heiratete ich. Seit dem 15.August 1931, war ich verlobt und die Hochzeit fand am 21. Mrz 1935 in Passaustatt.Bis der Mbelwagen meiner Frau aus der

    /52/ AE: 30Cechoslowakei nach Berlin kam, und die Zoll- und sonstigen Formalittenerledigt waren wohnten wir es waren etwa drei Wochen in einer Pension undbezogen dann ein nettes, kleines, einstockhohes Einfamilienhuschen mit Garten,in dem es sich ruhig und gemtlich leben lie.Tagsber schob ich meinen Dienst, mit der Gleichfrmigkeit eines Uhrwerks undAbends und Wochenende arbeitete ich im Garten oder wir rekognoszierten undinspizierten in Berlin und nhere Umgebung herum.Ich lie mir ber einen Kameraden manches Flein guten Pflzerweines ausseinem Heimatgau kommen. Und je nach Witterung und Jahreszeit, verdrckte ichmanches Trpflein unter dem Schatten einer japanischen Blutbuche oderinnerhalb des geschmackvollen Mobiliars, dem Ausstattungsgut meiner Frau, imLiving(?). Ab dem Augenblick der Dienst fr mich vorbei war, lie ich die Gttersein, wo sie waren und mein ausschlieliches Interesse galt dem familirenBeisammensein.Meine dienstliche Ttigkeit war auch wie ich zu sagen pflegte zumKnochenkotzen. Tausende von Freimaurersiegeln und Mnzen mute ichkatalogisieren und einordnen; meine kmmerlichen, allerletzten Lateinrestefeierten in jener Zeit noch einmal frhliche Urstnd. Mein Chef war

    /53/ AE: 31ein dienstgradgleicher, verbummelter Student an der Berliner Universitt undselbst Berliner; ungedient und nie bei der Truppe gewesen; aus der zivilen, bzw.allgemeinen SS, kommend.

  • Er war als Museumdirektor, als Referent des Freimaurermuseums in derWilhelmstrae 102 ttig, und ich war ihm als einer seiner Sachbearbeiterzugeteilt worden. Viel Wrdezeigen und Dreischrittvomleibetaktik waren diehervorstechensten(sic) Eigenschaften des Direktors, und wir Kasernhofbltennahmen ihn gewaltig auf die Schippe. Besonders, wenn er mit tierischem Ernstseine surrealistischen halbverwesten Leichen aus Modellierpaste formte und siemit berdimensionalen Wrmern und Asseln garnierte. Und war ihm solch einPrunkstck gelungen, dann hinein in einen Sarg und aufgestellt, zur Schau; etwain den Andreassaal.Und Professor Schwarz-Bostaunitzel, der stocktaube ehemalige Verteitiger(sic)am Appellationsgerichtshof in Kiew, zur Zarenzeit, und nunmehrige Leiter derAbteilung Freimaurerei des SD-Hauptamtes machte mit dem donnernden Baseiner Stimme und in seiner deutsch-russischen Aussprachsweise, die offiziellenBesucher des Museums anllich der Fhrungen durch dieses, mit kurzemHinweis auf die Geschmacklosigkeit und das Verworren-Dekadente derfreimaurerischen Geistesverbildung aufmerksam; nicht ohne

    /54-55/ AE: 32bissigen Nebenbemerkungen, wobei durch pltzliches Kopfheben sein spitzauslaufender Knebelbart wie eine Parallele, zur Decke und Fuboden gebrachtwurde und gleichsam als kleiner Keil von ihm abstand: und so etwas waren dannStudienrte und Studiendirektoren, verantwortlich fr die Erziehung unsererKinder, war sein sarkastischer Abschlu und seine /Fortsetzung auf der Seitegegenber: Physiognomie erinnerte stark an einen eifernden babylonisch-assyrischen Priester./Ich sah, wie hier bser Heck-Meck getrieben wurde, um die Freimaurerei adabsurdum zu fhren und dachte in meinem Sinn, na, wenn sie nichts anderesfinden und Wurmkram und Leichen mit Ton und Modellin prparieren men,dann scheint mir nicht viel dahinter zu sein. Ich hatte das Wort Freimaurerei zumallerersten mal genau am 1. 4. 1932, gehrt. Ich meine, wissentlich zum erstenmal gehrt, und das kam so:Ich wurde durch Kollegen so etwa Anfang 1932 als Gast der Linzer Schlaraffiaim Vereinshaus zu Linz eines Ortsverbandes der sogenannten Allmutter-Praga eingefhrt. Kaufleute, rzte, Rechtsanwlte, Knstler usf. zhlten zu ihrenMitgliedern. Der Brauch dort war witzig und das Vlkchen war harmlos-humorig.Narrenkappenhnliche Kopfbedeckungen, mit vielen Orden undVerbandsauszeichnungen, zierten die Kpfe der Mitglieder. Einen ausgestopftenVogel, einen Uhu, der in einer Ecke, auf bevorzugtem Platze aufgestellt war,mute man beim

    /56/ AE: 33Eintritt, die Hnde ber die Brust gekreuzt, und sich verneigend, begren. EinErzmarschall leitete den offiziellen Teil des Beisammenseins und Klavizimbelhie das Klavier. Na, wie ich schon sagte, harmlos-frhlich; Jude wie Christ saenhinter Bier und Wein, das heit man htte nicht gewut wer Jude war, wer Christ,aber in so einer kleinen Stadt, kannten ja viele, Viele.Am 1. 4. 1932 trat ich in die SS ein. Der damalige SS-Oberscharfhrer Dr. ErnstKaltenbrunner, Rechtsanwalt in der Kanzlei nach seinem Vater, war schon einebedeutende Persnlichkeit innerhalb der sterreichischen NSDAP. Er wolltewissen, ob ich in irgendwelchen Vereinen oder Verbnden wre, wenn ja inwelchen und warum.Und ich sagte ihm, da ich als Gast bei den Schlaraffen verkehre. Raus aus demFreimaurerhaufen, das ist eine ganz gefhrliche Bande, sagte er mir. Nun er wardamals noch nicht Chef der Sicherheitspolizei und des SD, noch kein General derPolizei und der WaffenSS, und noch nicht Mitglied des Reichstages. Ich konnte

  • ihm daher sagen, von der Freimaurerei wte ich nichts, da ich davon bisher nieetwas gehrt htte, aber eine gefhrliche Bande ist es ganz bestimmt nicht, so vielwte ich inzwischen sehr genau. Kaltenbrunner und ich kannten uns schon vieleJahre von der Strae her.

    /57/ AE: 34Man grte sich und sprach, so wie es der Tag und die Stunde mit sich brachte.Unsere Vter hatten geschftlich fter miteinander zu tun.Aber ich kann die ganze Sache kurz abtun, indem ich erklre, da auf meinweiteres Kommen als Gast bei der Schlaraffia Linz gerade um diese Zeit herumkein Wert mehr gelegt wurde, weil ich in vorgerckter Stunde und in vorgerckterLaune, den ebenfalls um jene Zeit in vorgerckter Laune befindlichenobersterreichischen humoristischen Schriftsteller Franz Resl, im Rosenstberl zuLinz auf eine Flasche Wein eingeladen hatte. Er war Erzschlaraffe, ich war nur einlausiger Gast; ich war damals 26 Jahre alt und er so zwischen fnfzig und sechzig;ich war ein Niemand, er aber war ein bedeutender Schriftsteller; wenn auch bersterreichs Grenzen hinaus eigentlich wenig bekannt. Aber trotz allem: diesemeine Frechheit berstieg den Rahmen des Gewohnten. Dies war mein erstesErlebnis mit der Freimaurerei.

    -(5)-Obwohl also der Antisemitismus in einem der Parteiprogrammpunkte fixiertwurde, blieb ich demgegenber unempfnglich; nicht einmal aus Wissen oderWollen, sondern ganz einfach aus dem Grunde, weil er nicht zu meinerVorstellungswelt gehrte, und weil ich nichts mit ihm anzufangen wute.

    /58/ AE: 35Zum vielen Bcherlesen hatte ich es in jenen Jahren nicht gebracht. Sehr zumKummer meines Vaters. Mit irgendwelchen ismen hatte ich mich aus Indolenznicht auseinander gesetzt; und persnlich hatte ich keine Feinde; weder Judennoch Nichtjuden.Die Gnthersche Rassenlehre habe ich bis zum heutigen Tage nicht gelesen,ebenso wenig den Rosenbergschen Mythus des 20. Jahrhunderts oder MathildeLudendorff. Dem Mystizismus war ich nie verfallen. Fr mich haben bis zurGegenwart weder die klarugig-nordischen Rassevertreter das Licht, noch diedunkelugigen Semiten die Finsternis oder umgekehrt verkrpert. Ich habesolches stets fr einen ausgesprochenen Kohl gehalten und halte solches nochimmer dafr.Freilich, in dieser Vorstellung whlten und bohrten Himmler und andere. Auchkleine Diener, wie besagter Professor Schwarz-Bostaunitzel, schwelgte in seinermystischen Vorstellungswelt und pendelte in seinen verschiedenartigengeometrischen Figuren herum, um einem diese ganze Angelegenheit nach Art deralten Alchimisten schmackhaft zu machen. Seine Diagramme, seine Pentagrammeund Hexagramme, dargestellt in den verschiedenartigsten Formen undBedeutungen geschmckt mit Dutzenden von weiteren Symbolen, fanden inmeinem wein- und bierfrohen Soldatengemt keinen Platz. Als ich um jene Zeit im SD-Hauptamt war, hatte Himmler einem solchenmodernen Alchimisten

    /59/ AE: 36in dem Park, in dem wir unsere morgendlichen Exerzierbungen absolvierten, einkleines Laboratorium eingerichtet. Er sollte darin Gold machen. Angeblich konnteer es. Dieser Goldmacher hie merkwrdigerweise Tausend.Himmler war auf dem Wege, die SS zu einem Orden mit besonderem Brauchtumzu formen, in dem sich Gedankengut der alten Germanen mit dem des DeutschenRitterordens, Materialismus, Romantik, Gottglubigkeit und anderes mehr

  • mengte. Die Brauer dieses Gemisches saen im SS Rasse- undSiedlungshauptamt, und von dort aus wurde dieses Geistesgut in den Ordengepumpt.

    -(6)-Im Jahre 1936 sprach mich ein SS-Untersturmfhrer von Mildenstein an, der seitkurzer Zeit ebenfalls im SD-Hauptamt ttig war. Er hatte eine Judenabteilungeingerichtet und suchte nun Personal, um seine Sachgebiete zu besetzen. Ererzhlte mir, da er Diplom Ingenieur von Beruf sei, in Palstina gewesen wreund nun noch einen Sachbearbeiter gentige, ob ich Lust htte. Ich hatte Lust. Ichhtte alles angenommen um jene Zeit, wenn ich dadurch nur von meinenverdammten Mnzen und Siegeln, die mir schon beim Halse heraushingen,fortgekommen wre.Und so kam ich fort.Die Abteilung hie II 112; der Hauptabteilungschef blieb derselbe wie bisher,infolgedessen war die Personalabteilung des SD-Hauptamtes nicht erst gro zubefragen, sondern es brauchte

    /60/ AE: 37ihr lediglich eine formlose Ordnungsmeldung gemacht werden.Herr v. Mildenstein hatte sich die Bearbeitung der Zionisten vorbehalten, ich hattedie jdische Orthodoxie und ein dritter Mann die Assimilanten zu bearbeiten.Dazu kamen noch drei Hilfskrfte, als Schreiber und Aktenschieber. Herr vonMildenstein leitete das Ganze. [1]Meine erste Ttigkeit in diesem neuen Laden, war das Lesen eines Werkes vonAdolf Bhm. Es war eine ausfhrliche Schilderung des Wirkens und Wollens derZionistischen-Weltorganisation.Ich sollte eine Kurzdarstellung des Inhaltes herausarbeiten.Dies war meine erste bewute Kontaktaufnahme mit dem Judentum.Mildenstein war ein liberaler und toleranter Geist; fern allem Fanatismus,Mystizismus und Radikalismus; und aus der Znaimer Gegend, aus Mhren,stammend; er war stets freundlich, ruhig, und hatte ein mildes Gemt. Er sah dieJudenfrage nicht vom rassischen und nicht vom religisen Standpunkt, sonderneinzig und alleine von der politischen Warte aus. Er war mein erster und zugleichmein bedeutenster(sic) Meister und Lehrer auf diesem Gebiet und seineAnschauungen von den Dingen habe ich mir zu eigen gemacht, da sie michbeeindruckten und berzeugten. Ich habe diese Anschauung bis zum Endebeibehalten.Leider schied von Mildenstein bereits nach einigen Monaten aus. Er war einer der

    /61-62/ AE: 38wenigen, dem es gelang. Freilich, sein Beruf kam ihm dabei zu Hilfe, sonst wrees sicher nicht gegangen. Er war Straenbaufachmann; als solcher erhielt er denBefehl, in Nordamerika die Autobahnen zu studieren. Als er von seinerStudienreise zurckkam, wurde er von irgend einem anderen Ministeriumvereinnahmt, da um jene Zeit der Reichsautobahnbau, mit aller Machtvorangetrieben werden mute./Abschnitt gestrichen, noch lesbar: Seine Stelle als Abteilungsleiter bernahm einjunger Mann, der aber bereits nach kurzer Zeit zu(sic) Militr eingezogen wurdeund mit der bernahme der Judenabteilung im SD-Hauptamt durch Wisliceny,und spter durch Six kam auf lngere Zeit eine gewisse Stabilitt in den Laden.//ersetzt durch Zusatz von Seite gegenber: Es wechselten dann in der Folgezeitkurz hintereinander die Abteilungsleiter. Jeder hatte sein eigenes System soebenals gltige Norm von sich gegeben, schon war er wieder abgelst und ein anderertrat an seine Stelle. Schlielich bernahm Prof. Dr. Six die Zentralabteilung undsetzte einen seiner Vertrauten als Leiter der Abteilung Judentum, ein./

  • Es wurde im Laufe dieser Zeit mit der Anlage von Sachakten begonnen, eineSachkartei wurde aufgestellt, eine Generalaktenhaltung aufgezogen und laufendeBerichterstattung fr die Vorgesetzten, bildete die Hauptarbeit, der wirnachzukommen hatten. Dem Berichterstattungswesen, waren alle anderenArbeiten unterzuordnen.Himmler und Heydrich men in jener Zeit auf ihren Nachrichtenapparat, demSD-Hauptamt, sehr stolz gewesen sein. Ein mir vorliegendes Dokument aus jenerZeit, zeigt die stattgefundenen Besichtigungen auf, und man ersieht, da

    /63/ AE: 39die Dienststelle innerhalb weniger Tage von 150 Offizieren der Kriegsakademiebesucht wurde, da Heydrich den(sic) Reichsauenminister v. Ribbentrop das SD-Hauptamt zeigte, ferner sind 150 Offiziere des Reichskriegsministeriumsverzeichnet sowie der Besuch des Chef( sic) der jugoslawischenGeheimpolizei. [2]In jener Zeit bestand meine Hauptarbeit im Lesen von Fachzeitungen undZeitschriften sowie im Verdauen der einschlgigen Werke. In rauhen Mengenlagen die Zeitungen auf und ich rgerte mich jedesmal, wenn ich die inhebrischen Lettern gedruckten jiddischen Zeitungen sah, denn die konnte keinMensch lesen. Also ging ich eines Tages daran und kaufte mir in einerBuchhandlung ein Lehrbuch zum Studium der hebrischen Sprache. Hebrischfr Jedermann hie es und ein gewisser Samuel Kaleko hatte es verfat. Nacheinem Jahr Selbststudium kam ich nicht mehr zgig weiter, auch war mir dasAlleinebffeln lngst zu langweilig geworden und ich suchte auf dem Dienstwegum die Genehmigung nach, die weitere Unterrichtserteilung durch einenRabbiner, gegen ortsbliches Stundengeld von drei Reichsmark, zu gestatten.Offenbar aus politischer Sorge, wurde mir diese Genehmigung nicht erteilt.Mglicherweise wre der Bescheid ein positiver gewesen, wenn ich gesagt htte,dann sperrt man

    /64/ AE: 40eben einen Rabbiner solange ein, bis er mir die Sprachte vermittelt hat. Es wurdeja in der damaligen Zeit durch die Geheime Staatspolizei am laufenden Bandeeingesperrt. Aber mir kam nicht einmal die Idee zu einem solchen Tun,geschweige denn, da es mir ein Vergngen bereitet htte, auf diese Art undWeise, mir fehlendes Wissen zuzulegen. [3]

    -(7)-Jedes Jahr einmal, im Herbst, hielten die Gtter Heerschau. Sie stiegen von ihremOlymp herab und zeigten sich in breiter Front den Massen, die sie aufboten.Militrparaden, Paraden der SA u. SS, Aufmrsche der anderenParteiorganisationen. Konferenzen, Kongresse, Resolutionen, Ansprachen undParoleausgabe. Die Fhrung teilte ihren Glubigen mit, was sie geschafft hatteund was sie plante.Es wre ungerecht zu sagen, sie htte nichts getan. Sie lag wahrlich nicht auf derfaulen Haut. Und sie hatte in krzester Frist fr das deutsche Volk soviel getan,besonders in wirtschaftlicher Hinsicht, da der gewaltige, jubelnde Beifall derMasse, echt war. So etwas an rauschender, impulsiver Begeisterung konnten(sic)selbst Goebbels nicht knstlich hervorrufen.Ich war zum ersten mal auf einem solchen Parteitag, der jeweils in Nrnbergstattfand; ich wurde dienstlich dorthin

    /65/ AE: 41

  • geschickt. Nicht um an Paraden und Aufmrschen teilzunehmen, nicht um mirReden anzuhren und Versammlungen zu besuchen, sondern umnachrichtendienstlich ttig zu sein. Denn das SD-Hauptamt war um jene Zeitnichts anderes, als eine einzige groe, straff gelenkte und organisierteSpionageorganisation. Sie war niemanden anderen unterstellt, als Himmler undauf dessen Befehl, hatte sie ihr Grnder Heydrich, zu leiten.Eine groe mchtige Boykottbewegung mit der Zentrale in Nordamerika kmpftegegen das nationalsozialistische Deutsche Reich. Nicht grundlos; dies war selbstmir damals schon klar geworden. Wenn wir whrend der Truppenausbildungszeitaus irgendwelchen Grnden dermaen geschliffen wurden, da uns das Wasseram Arsch zu kochen anfing, wie wir im rauhen Landserjargon zu sagen pflegten,dann erzeugten die augenblicklichen Leiden in uns Landser frchterlicheVorstellungen im Hinblick auf Vergeltung an die uns schleifenden Ausbilder,nach der Dienstzeit. Zwar khlten diese furchtbaren Vorstze nach beendeterTagesdienstleistung, nach dem Motto gehabte Schmerzen hat man gerne ebensorasch wieder ab, als sie aufflammen konnten, und verbrannten bei einem oderauch mehreren halben Liter Bier in der Kantinie(sic), restlos.

    /66-67/ AE: 42Aber wenn ich so sah, besser gesagt gelesen hatte, was die Abteilung I desReichsaussenministeriums an Judengesetzen seit 1935 erlassen hatte, dann konnteich die Boykottbewegung gut verstehen. Sie war eine ganz natrliche Reaktion.Wenn ich bedenke, da in jener Zeit, sich ein Berliner Rabbiner namens Prinz vonseiner Gemeinde verabschiedete, um nach Nordamerika auszuwandern und sagte,er wolle drben mitarbeiten an der Schaffung eines mchtigen Reservoirs aus demdas Judentum Kraft und Hilfe erhalte, dann wute ich, der ich mich unter denZuhrern befehlsgem befand, sehr wohl, was Prinz damit meinte; und ichkonnte ihm gar nicht Unrecht geben. Der anwesende Kriminalbezirkssekretr/Zusatz von Seite gegenber: der Geheimenstaatspolizeileitstelle Berlin/, welcherdie Versammlung auftragsgem zu berwachen hatte, verlie sich auf mich undich mich auf ihn, bezglich einer allfllig notwendig sein sollenden Auflsungund Inhaftnahme des Sprechers. Ich tat nichts dergleichen, denn meineberlegungen verboten mir, mich diesbezglich an den Kriminalbeamten zuwenden, da ich wie gesagt dem Sprecher von seinem Standpunkt aus gesehenRecht geben mute und es tausendmal tausend Prinzen gegeben hat, so da eineInhaftnahme

    /68/ AE: 43eines einzelnen, das Problem ohnedies nicht lste. Gem dem Befehl den icherhielt, machte ich spter meinen Bericht, indem ich alles wahrheitsgemschilderte und auch meinen berlegungen breiten Raum lie. Ich habe nie wiederetwas darber gehrt; Prinz wanderte nach Nordamerika aus.Ich hatte die Nrnberger Gesetze ja nicht geschaffen; nicht dabei mitgeholfen undhatte auch als ausfhrendes Organ nichts damit zu tun, denn ich gehrte einerNachrichteninstitution an und keinem exekutiv-ttigen Polizeiapparat.Da die Gtter hier einem verhngnisvollen Irrtum anheimgefallen waren schienklar, aber Auswchse gibt und gab es nach jeder Revolution und dann sagte mansich immer noch, da nie etwas so hei gegessen werde, wie es gekocht wrde.Selbst groe Teile der Judenschaft sagten und dachten genau dasselbe. Und dannsollte das Ziel der Manahmen sein, die Auswanderung der Juden aus dem Reichanzukurbeln; freilich waren diese Manahmen dazu nicht sehr geeignet. DieLsung durch eine planvoll gelenkte Auswanderung ging auch mir ins Hirn ein.Denn inzwischen hatte ich ja nun gelesen, da die Juden im Laufe der Geschichtein vielen europischen Lndern

  • /69/ AE: 44dann stets als Sndenbcke herzuhalten gehabt haben, wenn ber ihren Rckenoder auf ihre Kosten, die Masse von augenblicklichen Schwierigkeiten oderbelstnden irgendwelcher Art abgelenkt werden konnte.Also war eine gelenkte und planmig organisierte Auswanderung von allenbeln, noch das kleinste; und dem abgewanderten Juden taten die Gesetze ja nichtmehr weh. Viel schlimmer war es mit der Bedrngnis, denen( sic) sie unterworfenwaren, bis zur Zeit der Auswanderung. Aber ich konnte hier weder den Gtternnoch ihren Untergttern hindernd in den Arm fallen, dazu fehlte mir jedeMglichkeit. Ich hatte auf meinem Sektor nachrichtendienstlich ttig zu sein unddie erhaltenen Meldungen und Mitteilungen in Berichtsform auf dem Dienstwegeweiter zu geben. Meine Vorgesetzten verarbeiteten diese Mosaiksteinchen ausvielen Referaten und Sachbearbeitungen kommend, zu einem Bild und legten esden Untergttern zur geflligen Kenntnisnahme vor. Dergestalt, konnten sich auchdie Gtter selbst jederzeit solche Bilder betrachten.

    Nun also war ich in Nrnberg. Es war das Jahr 1937. FestlicheParteitagsatmosphre, groe gewaltige Sportfelder, Stadione, Hunderttausende

    /70/ AE: 45fassend, lrmendes Gedrnge in den alten, heimeligen Gassen und Gsscheninnerhalb der Mauern des mittelalterlichen Nrnberg. Das Rot der tausend undabertausend Fahnen leuchtete im Schein der prchtigen Frh-Herbstsonne.Ein Nachrichtenmann mu, will er etwas hren und Agenten, Mitarbeiter,Vertrauensmnner oder Zutrger, wie alle die Fachausdrcke auf diesem Gebietlauten, werben, berall herumkriechen. Zur damaligen Zeit waren es frunsereinen insonderheit die netten kleinen verrauchten biergeschwngertenBrustuben in denen ganze Auslndergruppen von den ihnen zur Verfgunggestellten Betreuern gastlich bewirtet, gefhrt, eben so richtig betreut wurden.Hier galt es also mit mehr oder weniger Glck, durch Verbindungen undBeziehungen, Kontakt mit den Besuchern aus fernen Lndern zu bekommen.Aus einem Dokument, welches mir hier vorliegt entnehme ich folgende Worte,die ich damals in meinem Dienstreisebericht u.a. verwendete:Der Groteil machte den Eindruck von mehr oder minder fragwrdigenExistenzen, die zum Teil von der fixen Idee besessen sind, als Fhrer von Parteienund Organisationen in ihren Lndern

    /71/ AE: 46einstmals berufen zu sein. Lediglich ein einziger fand Gnade vor meinenAugen, ein nordamerikanischer Staatsangehriger, welcher ausgezeichneteVerbindungen zu dem Leiter der Anti-Nazi-Liga, der Befehlsstelle derBoykottorganisation gegen Deutschland, haben wollte.Aber da dieser Fall auch nicht ganz klar war insbesondere bezglich der Frage obdas SD-Hauptamt hierfr noch zustndig sei, bemerkte ich abschlieend, da ichum Weisung bte, ob der SD diese Angelegenheit selbst bearbeiten soll, oder obsie dem Propagandaministerium abzutreten ist.Ich habe nie mehr etwas darber gehrt, so da ich annehme, da meineVorgesetzten in ihrem Ratschlu entschieden, die Sache abzutreten. [4]

    (8)Einige Tage spter, trat ich zusammen mit meinem mir vorgesetztenAbteilungsleiter eine Dienstreise nach Palstina und gypten an. Der Zug brachteuns durch Polen und Rumnien nach Constanza und von hier aus ging es mit derRomania nach Konstantinopel, Pirus, Beyruth, Haifa und Alexandrien.Moscheen, Akropolis, der Berg Carmel, das graeco-romanische Museum inAlexandrien wurden besucht, ebenso das gyptologische Museum in

  • /72/ AE: 47Cairo. Die Pyramiden von Gizeh sahen wir ebenso wie die von Sakarat; dieehemals heiligen Stiergrber; ein Abstecher in die gyptische Wste ein anderer indie lybische Wste wurde unternommen. Der vor 3 einhalb Jahrtausendenverstorbenen(sic) Pharao Tutenchamon samt seinen Schtzen, welche dank derKunstfertigkeit der Archologen ihrem langen Schlaf entrissen wurden und einerstaunenden Nachwelt zur Schau gestellt sind, erfreute auch mein Auge undWissen und auch ich konnte nur staunen. Staunen ber die hohe Kultur derMenschen jener grauen Vorzeit und meine Gedanken verloren sich weitab vomStaats- und Gegenwarts-Bejahenden, in Zonen und Regionen, in denen dieWandelbarkeit und das ewige Werden und Vergehen allen Lebens, ja schlielichallen Seins, die fhrende Rolle spielten. Alles eitle Hoffen und Streben, scheinteinem beim Anblick vergangener Jahrtausende, nichts als flchtigerMenschentand zu sein; und ich beneidete in diesem Augenblick alle Archologenund Geologen, denen es meiner Meinung nach vergnnt sein mute, in solchenGedanken und berlegungen ungestrt Tag fr Tag schwelgen zu knnen, dieweiles fr unsereinem(sic), im Trubel des Alltags, lediglich oasenhafteGlcksmomente sein durften.Aber unsere Chefs hatten uns ja nicht all dieser Dinge wegen auf Dienst-

    /73/ AE: 48reise geschickt sondern wie immer hatte die Sache ihren Grund in einerinformativen Bereicherung, in einer politischen Nachrichtensammlung.Durch Vermittlung des Vertreters der offiziellen Deutschen-Nachrichten-Agentur in Jerusalem, Dr. Reichert, besuchte mich Monate vor unserer Reise, inBerlin ein jdischer Funktkonr auf Palstina. Gem Weisung meinerVorgesetzten wurde der Besucher zum Gast des Reichssicherheitshauptamteserklrt und ich erhielt den Befehl, ihn zu betreuen. Wir aen zusammen in derTraube am Zoo und unterhielten uns, denn jeder wollte ja vom anderen da(sic)wissen, was ihm an Wissen zu seiner gegenstndlichen Sache fehlte. MeinInteresse galt dem zionistischen Leben in Palstina. Das Ende vom Lied war eineEinladung des Gastes an mich, ihn in Palstina zu besuchen.Ich erhielt Befehl, diese Einladung anzunehmen. So also kam es zur Reise, dersich mein damals unmittelbar vorgesetzter Abteilungsleiter anschlo. Ich fuhr alsSchriftleiter des Berliner Tageblattes und mein Vorgesetzter als Student derAuslandwissenschaftlichen Fakultt der Universitt zu Berlin, deren Dekan unsergemeinsamer nchsthherer Vorgesetzter in jener Zeit war. Als Angehrige desSicherheitshauptamtes htte man ja damals

    /74/ AE: 49schlielich und endlich auch fahren knnen, denn der mich Einladende wute ja,wer ich war und letztlich hat es der englische Geheimdienst ohnehinherausgebracht, aus welchem Nest diese beiden Vgel waren; genauso, wie unsein Mitglied des Secret-Service, oder ein solches des 2-eme Bureau, wenn sienach Deutschland kamen, in der Regel ja auch sehr schnell bekannt wurden. Mantat sich gegenseitig nichts, man war sehr hflich zueinander, nur man erleichtertedem Kollegen von der anderen Seite nicht gerade seine Arbeit, oder wenn, dannhatte es schon seinen besonderen Grund, der auf Gegenseitigkeit lag. Aber es warja schlielich Frieden.

    Wir waren etwa sechs Stunden in Haifa, und fuhren dann programmgem mitunserem rumnischen Dampfer nach Alexandrien und gedachten innerhalb dernchsten 14 Tage, drei Wochen, zum eigentlichen Palstina-Besuch zu starten.Aber da bedauerte man es englischerseits, da man nicht in der Lage wre, eindiesbezgliches Visum erteilen zu knnen. Gut, dann mu eben der Berg zu

  • Mohamed kommen. Dr. Reichert und der jdische Funktionr wurden von unsnach gypten eingeladen. Zu uns gesellte sich noch der Vertreter des DNB inCairo, so da wir alle fnf Mann hoch eine ganz schne Nachrichtenbandebildeten.

    /75/ AE: 50Wir tafelten im Mena-Hotel, bei den Pyramiden von Gizeh und ferne von unswaren Nrnberger Gesetze. Ich selber kam allerdings nicht auf meine Kosten bei dieser Dienstreise in denNahen Orient, will ich den dienstlichen Sektor betrachten, weil ich das jdischeLeben in Palstina durch das englische Einreiseverbot ja nicht zu sehen bekam.Privat und persnlich hatte ich durch die Flle des Erlebten eine schneBereicherung erfahren.Mein mir vorgesetzter Reisegefhrte, ursprnglich aus dem Zeitungswesenkommend, hatte mehr Erfolg in dienstlicher Hinsicht fr sich buchen knnen,denn ihm gengten ja auch die wirtschaftlichen und politischen Meldungen, die eraus erster Hand, soweit sie den Nahen Orient betrafen, bekam. [5]

    Nun, nach diesem mehrwchischem(sic) Aufenthalt in sonnigen Landen, kamenwir wieder in die sptherbstliche, ja fast schon winterliche Landschaft unsererFestung Deutschland zurck. Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er aucherzhlen, heit es; aber er kann auch Vergleiche anstellen. ber Italien und dieSchweiz fuhren wir nach Berlin zurck. Viel Tolernaz, viel Liberalismus sah ichund es war da(sic), was mir am meisten auffiel. Ich kannte es aus meiner langensterreich-

    /76/ AE: 51zeit her; vom Elternhaus, aus der Schule, kurz das ganze Leben in sterreich warein einziges groes Toleranzpatent gewesen, so wie Kaiser Joseph II es sich wohlertrumt haben mag, will ich die Zeit bis etwa 1932, ansetzen.Aber es war bei mir durch die inzwischen verlebten, ber fnf JahreTotalitarismus bereits leicht bertncht worden. Nicht ausgelscht; im Gegenteil,die Reiseerlebnisse verwischten wieder einen Groteil der Tnche. Ich sah denStrmer mit einem Male wieder deutlicher obgleich er im SD-Hauptamtweder geschtzt noch beachtet oder gelesen wurde; ich sah sein Herumwhlen imPornographischen; im verworrenen mittelalterlichen Mystizismus schlimmerPrgung. Ich sah das Reichsinnenministerium bei seiner fleiigen Gesetzes- undVerordnungsfabrikation, die Geheime Staatspolizei bei ihrenVerhaftungsbefehlen, das Propagandaministerium bei der Herausgabe desVerbotes fr Juden die Bank im Park zu benutzen, dasReichswirtschaftsministerium bei seiner Ttigkeit die Juden aus demWirtschaftsleben auszuschalten und das Auswrtige Amt bei seinerBehinderungsarbeit, bezglich einer an sich gewnschten Auswanderung derJuden.Das Reich, bzw. dessen Fhrung wollten es doch so nahm ich stets an und dieMehrzahl der Juden trachtete im Hinblick auf die Lebenserschwerung dasselbe

    /77/ AE: 52Ziel anzustreben.Und das Sicherheitshauptamt besorgte sich die Nachrichten und fabrizierteBerichte. Das alles schien mir gleich wie eine Katze, welche sich in ihren eigenenSchwanz beit.Da fand beispielsweise 1938 in Evian ein(sic) internationale Konferenz statt undder britische Botschafter in Berlin sprach den Deutschen Reichsauenminister v.Ribbentrop darauf an, ob die Rechsregierung bereit sei, bei der Lsung der

  • Emigrantenfrage, insbesondere bei der Frderung der Auswanderung von Judendeutscher Staatsangehrigkeit, mit den brigen interessierten Staatenzusammenzuarbeiten. Denn kein Land sei bereit, die auswandernden deutschenJuden aufzunehmen, wenn sie mittellos wren. Ob daher die Reichsregierungbereit sei, bei der Transferierung von Kapital in jdischen Hnden, mitzuwirken.Nachdem die Reichsregierung einer Frderung der Auswanderung eigentlichgrundstzlich keinerlei Hemmnisse in die Wege legte, htte man annehmenmen, da eine solche Anfrage seitens offizieller britischer Stellen, freudigeZustimmung gefunden htte.Nicht so bei Ribbentrop.Er teilte dem britischen Botschafter mit, da er eine Zusammenarbeit mit anderen

    /78/ AE: 53interessierten Staaten ablehnen me, da es sich um ein innerdeutsches Problemhandele. Auch die Frage, ob Deutschland eine Transferierung von Kapital injdischen Hnden erleichtern knne, me verneint werden.Es kme daher eine Zusammenarbeit mit den in Evian tagenden Mchten frDeutschland nicht in Frage. Der Staatssekretr Weizscker schickte dieseStellungnahme am 8. Juli 1938 an zehn in Frage kommende deutsche Botschaftenund Gesandtschaften, zur Kenntnisnahme ab.Also, statt Auswanderungserleichterung, ein Handicap, eine Erschwerung. [6]Statt dessen aber erging an alle diplomatischen und berufskonsularischenVertretungen im Ausland eine Aufforderung des Auswrtigen Amtes, ber alleRegierungsmitglieder, Parlamentarier, Wirtschaftler, Wissenschaftler, hoheOffiziere und Journalisten, soweit sie als jdisch, jdisch versippt, oder alsFreimaurer galten, zum Zwecke der Errichtung einer Kartothek, zu berichten. [7]Und in einem Telegramm Kennedy`s an das Staatssekretariat in Washington vomDezember 1938, kommt Ribbentrop infolge seiner gegen das Judentumgeschleuderten, hchst undiplomatischen Verbalinjurien, alles andere, als gutweg. [8]

    /79/ AE: 54Wir Referenten im SD-Hauptamt, erhielten Anfang 1938 von unseremAbteilungsleiter die Weisung, Material fr eine Denkschrift zusammen zu stellen,in der darzulegen sei, da die Judenfrage auf der augenblicklichen Basis nicht zulsen ist, wegen finanzieller Schwierigkeiten usw., und da man daran herantretenme, eine auenpolitische Lsung zu finden, wie sie bereits zwischen Polen undFrankreich verhandelt wurde. Ich schrieb damals folgendes:

    1.) Das Ergebnis der Volkszhlung abwarten.2.) In 10 Jahren giebt(sic) es in Deutschland bei gleichbleibender Tendenz nur noch

    etwa 60.000 Juden.(Unter gleichbleibender Tendenz verstand ich die stagnierende Haltung desAuswrtigen Amtes im Hinblick auf die Auswanderung von Juden, in Verbindungmit der Verproletarisierung der Juden, durch die gesetzgeberische Ttigkeit derhierfr zustndigen Zentralinstanzen.)

    3.) Wenn die mittellosen Juden abgewandert sind kommen die Kapitalisten an dieReihe, die durch wirtschaftliche Manahmen bis dahin langsam entkapitalisiertsein knnen, mit Hilfe von Stapomanahmen.(Darunter war zu verstehen, die von der Geheimen Staatspolizei in jener Zeitdurchgefhrten Beschlagnahmen und Einziehungen der Vermgenschaften).

    /80/ AE: 55 So war der Status, so wurde es praktiziert. Es war die Katze, die sich ewig imKreise drehend in ihren eigenen Schwanz bi.

  • Ich schrieb dann weiter als Vorschlag:Sie ist ferner dann zu lsen, wenn dem SD-Hauptamt keinerlei Hemmungenauferlegt werden; und ich nahm als Beispiel ein gerade in jenen Tagenaufgetretenes Problem im Hinblick auf das Jugenderziehungsclearing. Ich lebtedamals gerade im Kampf mit den wirtschaftlichen Einschrnkungen, welche denJuden auferlegt wurden, worunter auch die auswanderungshemmendenDevisenvorschriften zhlten.Ich vertrat den Standpunkt der arme Jude will genau so gerne und so schnellauswandern wie der reiche Jude. Einem jeden war es lieber, je schneller, destobesser; nmlich das Ausland zu gewinnen. Und an sich wollte es ja auch dieReichsregierung. Sei es aus Neid oder Knickrigkeit, sei es aus Dummheit oderUnverstndnis, oder aus blindem Ha, die meisten dieser Stellen frderten dieseAuswanderung nicht, sondern hemmten sie; bewut und unbewut.Was nutzte es, in Fragen des Jugenderziehungsclearings devisentechnischeSchwierigkeiten zu machen, die obendrein meistens nur formeller und reinparagraphenmiger Natur waren? Weder dem Deutschen noch dem Juden wardabei gedient.Und warum mute das Reich dem reichen

    /81/ AE: 56Juden das Geld abnehmen, und dem Reichsfiskus einverleiben, anstatt mit einemTeil dieses Geldes die Auswanderung zu finanzieren. Natrlich - so dachte ich -sollte der reiche Jude mehr bekommen, denn es war ja sein Geld, aber ein Teilseines Geldes sollte er zwecks Finanzierung der jdischen Kultusgemeinden undder Finanzierung der Auswanderung vermgensloser Juden zur Verfgung stellen.Denn eine Auswanderung war teuer. Reisekosten, Vorzeigegeld usf. An Stelleeines zehn Jahre langen elenden Dahintreibens, konnte nach meiner Idee eineAuswanderung zgig und flott in die Wege geleitet werden und die Judendergestalt im Besitze ihrer Gesundheit und physischen Kraft neues Land betreten.Einen durch jahrelanges, zermrbendes Warten krank Gewordenen, nahmen dieEinwanderungslnder ohnedies kaum auf.Nein, so wie dies damals praktiziert wurde ging es nicht; und Ribbentrop irrte hiersehr, obgleich er Reichsauenminister war, und es htte wissen sollen. Bei jedemReisebroinhaber htte er sich dieserhalb besser informieren knnen, als beiseinen Legationsrten und Unterstaatssekretren.

    Auerdem schlug ich in diesem Lsungsvorschlag als letzten Punkt, allmonatlicheBesprechungen in dieser Angelegenheit zwischen

    /82/ AE: 57allen an der Sache beteiligten Stellen vor, damit das hemmende Gegeneinanderinnerhalb der Behrden in Fortfall kme und schlielich Zurverfgungstellungvon Lndereien fr die Juden, und setzte dazu in Klammer, das WortMadagaskar. [9]

    Aber all dies war hoffnungslos, bei der Sturheit der deutschen Brokratie. Ich willnicht einmal sagen deutsche Brokratie, eine jede Brokratie ist egal weg, gleichstur. Nur die Nachrichtendienste aller Lnder neigen eher zur Beweglichkeit; esliegt in der Natur ihrer Aufgabe.Auch das SD-Hauptamt war um jene Zeit noch lange nicht so verbrokratisiert,wie es spter werden sollte. Natrlich verlangt eine jede Behrdenarbeit ihr Maan Schematismus, dies ist klar; aber er drfte keinesfalls zum Selbstzweckausarten.

    -(9)-

  • Kurze Zeit nach der Wiedervereinigung sterreichs mit dem Deutschen Reich,wurde ich nach Wien versetzt, um dort als Referent des SD-OberabschnittesDonau, die Auswanderung der Juden lenkend zu betreiben. Es war Frhjahr1938. Aber was sah ich, als ich nach Wien kam; ein zerschlagenes jdisch-organisatorisches Gebilde. Von der Geheimen Staatspolizei geschlossen undversiegelt. Die jdischen Funktionre saen in Haft. Die Juden wolltenauswandern, aber keiner kmmerte sich um sie.

    /83/ AE: 58Sie wurden von Behrde zu Behrde geschickt. Standen halbe Tage lang undmehr Schlange, und muten dann hren, da diese Stelle seit gestern nicht mehrfr ihren Fall zustndig wre.Systemlos, ordnungslos; das Resultat war Verdru, rger und Verstimmung aufbeiden Seiten, wenn nicht noch rgeres.Als erstes hielt ich den Assessoren und Regierungsrten der StaatspolizeileitstelleWien, Vortrge, wie sie am besten jede Auswanderung behindern und verhindernknnen. Darber war nicht viel mehr zu sagen als wie: gleichbleibendeTendenz. Dann entwickelte ich ihnen meinen von meinen Vorgesetztengenehmigten Plan. Enthaftung der jdischen Funktionre, Wiedererffnung alljener jdischen Organisationen, soweit sie der Auswanderung dienlich waren.Ferner die Genehmigung einer jdischen Zeitung in welcher alles Wissenswerteber die Auswanderung und der damit verbundenen Dinge zu lesen war.Auftreibung von Reichsmarkbetrge(sic) zur Anfangsfinanzierung der jdischenOrganisationen, Einstellung von Hilfskrften und Errichtung jdischerWohlfahrtsstellen zwecks Betreuung der Kranken und Alten. Nach all den unwahren Vorwrfen, die ich in den letzten fnfzehn Jahren bermich habe ergehen lassen men, mag es der Leser schwerlich glauben, da ichsolches tat. Daher setzte ich jetzt im Anschlu an diese Zeile eine

    /84/ AE: 59Nummeration. Sie weist auf die Quellen hin. Und dies sind die Dokumente, indenen alles viel ausfhrlicher steht, als ich dieses hier mit mageren Worten zuschildern in der Lage bin. [10]

    Als ich das jdisch-organisatorische Leben so in Gang gebracht hatte und bei derGeheimen Staatspolizei Wien, auf Verstndnis bezglich der neuen Linie traf,da bewarb ich mich um eine freigewordene Abteilungsleiterstelle beim SD-Unterabschnitt in Linz a/Donau. In dieser Stadt wohnten meine Eltern, dort warich aufgewachsen. Nach dorthin wollte ich nun wieder zurck.Freilich, es war die unterste Instanz innerhalb des Gebildes desSicherheitsdienstes, aber ich wre wieder zu Hause gewesen und wer wei,vielleicht htte ich wegen bernahme des elterlichen Geschftes dieGenehmigung bekommen, meinen Dienst eines Tages zu quittieren. Schicksal. Ichsage immer, es kann niemand ber seinen eigenen Schatten springen.Denn mein Chef in Berlin Prof. Dr. Six hatte von meinem Vorhaben Kenntniserhalten und so schrieb er am 16. Mai 1938 meinem damaligen Vorgesetzten, demSS-Oberfhrer Naumann nach Wien, da ich keinesfalls von Wien fort