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(Aus der Prosektur der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie in Eglfing be~ Miinchen). Eigenartige Erkrankung eines kindlichen Gehirns. Von Dr. A. RSsch, Oberarzt an 4er Heilanstalt Eglfing. Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 25. Juni 1932.) Im Schweizer Archiv ftir Neurologie und Psychiatrie (Bd. 27, Heft 2) berichtete Walthard im Jahre 1931 fiber 2 F£11e ,,eigenartiger Hirn- erkrankung im Kindesalter". Da es sich dabei um bisher wenig bekannte Dinge handelt, fordert er zur Ver6ffentlichung weiterer ithnlicher F~ille auf. Wir haben nun kfirzlich eine hierher gehSrige Beobachtung gemacht, die im folgenden geschildert werden soll. Es handelt sich um ein ll/4j~hriges Kind, das bei normalem Geburtsverlauf rechtzeitig geboren wurde. Das Geburtsgewicht betrug 7,5 Pfund. In den ersten Lebenstagen bot das Kind nichts Auffiilliges. Ira 5. Monat hatte es Bronchial- katarrh, ferner Fraisen und kurz vor der Aufnahme einen fraisen~hnlichen Zustand. Die Dauer der eigentlichen Krankheit betrug mehrere Monate. Es trat zuniichst ein 1--2maliges Erbrechen auf, das dann wieder l~ngere Zeit aussetzte und mit verschiedon groBen Intervallen immer wiederkehrte. R'ebenbei bestand eine leichte Obstipation. H6hensonnenbehand]ung. Einige Wochen darauf stellte sich ein Husten mit schleimigen Erbrechen ein. Ende Juli 1931 wurde das Kind geimpft° 8--10 Tage sp~iter bekam es Fieber, das aber nur einer~ Tag anhielt. Wghrend des Fiebers traten am ganzen K6rper rote, masern~thnliche Flecken auf, die ebenialls nur yon eint~giger Dauer waren. I)abei war das Kind sehr schlaff, es bestand jedoch keine Funktionsbehinderung. Das Erbrechen wurde yon jetzt ab intensiver, auch konnte ein eiamaliges Auftreten anfallsartiger Erscheinungen (Augen- verdrehen und Zuckungen in der linken Gesichtsh~lfte) beobachtet werden. Am 16. 8. 31 wurde das Kind in die Kinderklinik 5Iiinchen aufgenommen, der wir fiir die ~berlassung der Krankengeschichte zu besonderem Danke ver- pflichtet sind. Bei der Aufnahme war das Kind bei vollem BewuBtsein, es inter- essierte sich ffir alles, griff nach Gegenst~nden, konnte sich setzen, aber nicht allein stehen. Das Kind wurde in der Folgezeit durch das wiederholte Erbrechen immer schw~cher, es komlte sich nicht mehr allein aufsetzen und knickte bei Geh- und Stehversuchen in die Knie zusammen. Auf Fragen nach Papa und Mama schaute es verst~indnislos um sich. Auf vorgehaltene Gegensti~nde machte es ataktische Greifbewegungen, besonders rechts. Zu sprechen versuchte es iiberhaupt nicht mehr. Es knirschte mit den Z~hnen und konnte schliel]lich beim Aufsetzen den Kopf nicht mehr halten. Die k6rperliche Untersuchung ergab: reine, gut

Eigenartige Erkrankung eines kindlichen Gehirns

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Page 1: Eigenartige Erkrankung eines kindlichen Gehirns

(Aus der Prosektur der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie in Eglfing be~ Miinchen).

Eigenartige Erkrankung eines kindlichen Gehirns. Von

Dr. A. RSsch, Obera rz t an 4er H e i l a n s t a l t E g l f i n g .

Mit 1 Textabbildung.

(Eingegangen am 25. Juni 1932.)

I m Schweizer Archiv ftir Neurologie und Psychia t r ie (Bd. 27, H e f t 2) ber ichte te Walthard im Jah re 1931 fiber 2 F£11e , ,eigenartiger Hirn- e rk rankung im Kindesa l t e r" . Da es sich dabei um bisher wenig bekann te Dinge handel t , forder t er zur Ver6ffentl ichung weiterer ithnlicher F~ille auf. Wir haben nun kfirzlich eine hierher gehSrige Beobachtung gemacht , die im folgenden geschildert werden soll.

Es handelt sich um ein ll/4j~hriges Kind, das bei normalem Geburtsverlauf rechtzeitig geboren wurde. Das Geburtsgewicht betrug 7,5 Pfund. In den ersten Lebenstagen bot das Kind nichts Auffiilliges. Ira 5. Monat hatte es Bronchial- katarrh, ferner Fraisen und kurz vor der Aufnahme einen fraisen~hnlichen Zustand. Die Dauer der eigentlichen Krankheit betrug mehrere Monate. Es trat zuniichst ein 1--2maliges Erbrechen auf, das dann wieder l~ngere Zeit aussetzte und mit verschiedon groBen Intervallen immer wiederkehrte. R'ebenbei bestand eine leichte Obstipation. H6hensonnenbehand]ung. Einige Wochen darauf stellte sich ein Husten mit schleimigen Erbrechen ein. Ende Juli 1931 wurde das Kind geimpft° 8--10 Tage sp~iter bekam es Fieber, das aber nur einer~ Tag anhielt. Wghrend des Fiebers traten am ganzen K6rper rote, masern~thnliche Flecken auf, die ebenialls nur yon eint~giger Dauer waren. I)abei war das Kind sehr schlaff, es bestand jedoch keine Funktionsbehinderung. Das Erbrechen wurde yon jetzt ab intensiver, auch konnte ein eiamaliges Auftreten anfallsartiger Erscheinungen (Augen- verdrehen und Zuckungen in der linken Gesichtsh~lfte) beobachtet werden. Am 16. 8. 31 wurde das Kind in die Kinderklinik 5Iiinchen aufgenommen, der wir fiir die ~berlassung der Krankengeschichte zu besonderem Danke ver- pflichtet sind. Bei der Aufnahme war das Kind bei vollem BewuBtsein, es inter- essierte sich ffir alles, griff nach Gegenst~nden, konnte sich setzen, aber nicht allein stehen. Das Kind wurde in der Folgezeit durch das wiederholte Erbrechen immer schw~cher, es komlte sich nicht mehr allein aufsetzen und knickte bei Geh- und Stehversuchen in die Knie zusammen. Auf Fragen nach Papa und Mama schaute es verst~indnislos um sich. Auf vorgehaltene Gegensti~nde machte es ataktische Greifbewegungen, besonders rechts. Zu sprechen versuchte es iiberhaupt nicht mehr. Es knirschte mit den Z~hnen und konnte schliel]lich beim Aufsetzen den Kopf nicht mehr halten. Die k6rperliche Untersuchung ergab: reine, gut

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durehblutete Haut. Am rechten Oberarm noeh eine livide Zone nach Impfung. GreBe Fontanelle fingerkuppengroB. Feste Sch~delknoehen, stark fiberstreckbare Gelenke. Rhinitis. Ohren und Augen ~,uBerlieh o .B. Der Fundus war normal. Die Sehnenreflexe gesteigert, die Bauchdeckenreflexe nieht ausl6sbar, Babinski negativ. Keine Naokensteifigkeit, keine Drfisenschwellung. Der sonstige somatische Befund war unwesentlich. Am 19.9. wurde eine Lumbalpunktion vorgenommen. AuBer einem etwas erh6hten Druck konnte nichts Pathologisches festgestellt werden. An den 3 folgenden Tagen trat je 1--2real Erbrechen auf, das Kind wurde somno- lenter und verweigerte zuletzt die Nahrung. Am Tage vor dem Exitus war der Babinski rechts positiv, wurde aber dann ~/eder negativ. Auffallend war seit mehreren Tagen ein starker Dermographismus. An den letzten beiden Lebens- tagen war die Temperatur erh6ht, w~hrend sie die vorherige Zeit normal war. Als letzter Befund konnten Reizerscheinungen der rechten Seite und eine D6viation conjug6e festgestellt werden. ])as Kind ~-urde in moribundem Zustande auf Dr~ngen der Eltern naeh Hause gegeben.

Sektionsbefund vom 23. 9. 31 (S.-Nr. 239/31 der Prosektnr in Eglfing, vor- genommen durch Herrn Dr. 2Yeubi'~rger auf Veranlassung yon t terrn Dr. Oechsner, Haar bei !~finchen): Sehr gut entwiekelte, kr~ftig gebaute weibliehe Leiehe eines Kindes mit reichliehem Fettpolster. Blasse Hautfarbe. Keine .%_uzeichen yon Rhachitis.

Die Inspektion der K6rperorgane ergibt nur sp~rliche streifige subepikardiale Blutungen an der Vorderwand ~er linken Herzkammer nahe dem Septum, ferner einige stark eingesunkene, blSulich durchsehimmernde atelektatische Bezirke in beiden Lungen sowie transparente bull6se Emp'hysemblasen an mehreren Stel]en der Lappenr~nder.

])as Seh~deldach ist yon entsprechender Dicke, die Dura teilweise adhSrent. Das Gehirn quillt als feuchtsulzige Masse nach Einsehneiden der Dura hervor. Die Meningen sind sehr blutreieh, ohne Auflagerungen; die Windungen breit, ]eicht abgeplattet; die Furehen verstrichen. In beiden Oecipitallappen, besonders links, finden sich ausgedehnte Erweiehungsbezirke, deren genaue Untersuchung wegen der matsohigen Besehaffenheit erst nach H~rtung des Organs vorgenommen werden kaD/1.

Befund naeh Hhrtung: Auoh am formolfixierten Gehirn ist die Konsistenz sehleeht geblieben. Es 1/~Bt sich nunmehr feststellen, dab die Erweichung in der linken Hemisph£re die lateralen Abschnitte des Oceipitallappens und die angrenzen- den Teile des Parietallappens betrifft. An der rechten Hemisphere ist der erweichte Bezirk etwas ldeiner, er geht etwa keilf6rmig veto Hinterhorn zur Konvexit~t des Oecipitallappens, l~l]t den Pol jedoeh frei. Auf beiden Seiten, rechts starker ats links, sind ausgedehnte Bezirke des Sehl£fenlappens erweicht, vor~-iegend die lateralen Anteile. In ihrem Aussehen gleiehen die Erweichungen etwa 2 Wochen alten Er~-eichungen hlterer Individuen. l%inde und ~[~rk sind in ein zerkliiftetes, gelbgraues, ke~ne Struktur mehr erkennen lassendes Gewebe umgewandelt.

5fikroskopiseh sehen wir einen auf dem Schnitt bandf6rmig verlaufenden Ausfall der Rinde. Sie ist tells in ihrer ganzen Breite, teils vor~egend in ihren mittleren Schichten ergriffen. ;Die Nervenzellen zeigen tei]s degenerative Ver- ~nderungen, tells fehlen sie oder sind nur noeh als Schatten erkennbar. :~n ihrer Stelle liegt gewucherte, fettbeladene Glia. Der Abbau wird teils yon proto- plasmatisch groBkernigen Astrocyten geleistet (vgl. Abb. 1), tells finden wir St~behen- zetlen und typisehe K6rnehenzellen. Fetttr6pfehen liegen vielfach frei im Gewebe. Auch fettfreie Partien, lediglioh mit starker plasmatiseher Gliawucherung, kommen vor. Die Beteiligung der GefgBe ist eine relativ geringe, immerhin treten die Gefgl]e deutlich hervor und man sieht vielfaeh EndotheIschwellungen in Prgcapillaren und kleinen Venen. Eine nennenswerte Anh~ufung yon Fet t um die GefgBe is~

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nicht vorhanden. Gef~]neubildung, freie Mesenchymfibrillen sind nicht naehzu- weisen. , ~ manchen Stellen ist der ProzeB noch jiinger, im Stadium der frischen Nekrose bzw. Erbleichung (isch~mische Ganglienzellerkrankung, Inkrustationen) Die Nekrose greift an den Randgebieten der riesigen Herde immer weiter auf die Nachbarsehaft fiber. Besonders sehen wir ein !J'bergreifen yon der unteren Rinden- schicht auf die obere 3[arkschicht. In den Randgebieten besteht eine deutliche Hyper/~mie mit kleinen Blutungen. Nur an einzelnen StelleI1 der Meningen leichte

Abb. 1. Starkc Astroc?'tenwucheruug in gesch~dig~ell l~indenbezirken. Gef/igproliferationen.

Verdiekung und m~I]ige rundzellige Infiltration der weichen H/iute. Kleinhirn o.B., ebenso die tibrigen Abschnitte des Zentralorgans.

Es lassen sich demnach drei n ieht immer scharf vone inander ge t renn te S tad ien feststellen. 1. Einfache Nekrose. 2. Beginnender A b b a u mi t auffal l ig s t a rke r grol3kerniger p lasmat i scher Gliawucherung. 3. Das de r Erweichung mi t fe t tbe ladenen As t roey ten und typ i schen KSrnchenzel len.

F a s s e n wir das Gesamtbild des Fal les noch einmal kurz zusammen, so kSnnen wir feststellen, dab ein normal geborenes Kind , das anfangs gesund war und sich gut entwickel te , m i t a t t ackenweise au f t r e t endem

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Erbrechen erkrankte, und daft sieh die Krankheit im Anschlul3 an die Impfung steigerte. Es hatte vorfibergehend hohes Fieber und einen masernartigen Aussehlag. W/~hrend der Krankheit traten Kr~mpfe und Sehw£chezust£nde auf. Es wurde teilnahmslos, die Bewegungen wurden ataktiseh, sehlieglich wurde es v611ig somnolent. Der Liquor- befund war, abgesehen yon einer leiehten Druekerh6hung, normal.

Das ganze Zustandsbild war also beherrseht yon der eerebralen StSrung, und zwar wohl am meisten yon allgemeinen Hirndruck- symptomen. Jederffalls liefien die E:opfschmerzen, das Erbrechen und die Krampfanf/~lle diesen Sehluft zu. Bei der Suehe naeh einzelnen Herdsymptomen wurde an einen Kleinhirntumor gedaeht, in dessen Symptomenbereieh die vorhin erw/ihnten Erseheinungen sieh ganz gut einreihen lieften. Anderseits erweekten das Fieber und der masern- 5,hnliehe Zustand den Verdaeht auf eine Infektion. Hiergegen spraeh wieder der Umstand, daft das Fieber nur einen Tag bestanden hat te und sieh erst in den letzten Lebenstagen wieder einstellte. Als eine Folge der Impfung konnte der Zustand ebenfalls nieht angesehen werden, denn das Erbreehen, das im Krankheitsbild eine grofte Rolle spielte, bestand sehon einige Zeit vorher. Kliniseh ersehien der Fall zun~ehst sehr unklar, es konnte deshalb die Diagnose Hirntumor nut mit Fragezeiehen ver- sehen werden.

Ieh beriehte nun des Vergleiehs wegen ganz kurz fiber Walthards F£lle : Fall I. 3 Jahre altes M~dehen. Frfiher Masern, vor kurzem akute DarmstOrung.

Jetzige Erkrankung: PlOtzlieher Beginn mit Unwohlsein, Fieber und Stuhlver- haltung; Krampfanfall mit toniseh-ldonischen Zuekungen, BewuBtlosigkeit. Am folgenden Tag schlaffe Lghmung der linken li6rperh~Ifte. 3 Tage nach Beginn der Erkrankung tiefes Coma. Trgge Liehtreaktion. Bauehdecken- und Corneal- reflexe nicht ausl6sbar. Babinski links schwaeh positiv. Liquor klar. Druck 450 mm Wasser, Pandy negativ. -- Tags darauf Faeialisparese, sonst das gleiche Bild wie zuvor. Noehmalige Lumbalpunktion: Druck 650 mm, 4:2/3 Zellen pro Xubikzenti- meter, Zucker 125 mg-°/zo. PlStzlieher Exitus. Klinisehe Diagnose: Encephalitis "~ Tumor cerebri ? Sektion : Besonders auf der rechten Seite I-Iirnsubstanz auffallend welch und 6dematOs. ~Mikroskopiseh: Auf der linken Seite keine Ver/inderungen, rechts dagegen im Zentral- und Frontalgebiet ausgedehnte iseh~misehe Ganglienzell- degenerationen, mehr oder weniger deutliche Oliazellwueherungen an den betreffen- den Stellen; spgrliche Fetttr6pfchen in Hortega-Zellen; sehr auffallend waren Gefiig- proliferationen (Endothelsehwellungen, Capillarfibrose) ohne Infiltratbildung. Ganglienzellzerfall mit Neuronophagien auch im Thalamus. -- Der iibrige Organ- status war normal.

Fall 2. 13jithriges Mhdehen, frfiher Keuchhusten, !VIasern, Parotitis epiclemiea. Seit dem 8. Lebensjahr hgufige Kopfsohmerzen mit Erbreehen, 5fters Oxyuren. Eine Woehe vor dem Exitus st&rkere Kopfschmerzen mit Erbrechen, Anf'~ile mit toniseh-klonisehen Zuekungen, Streckkr~mpfe, Tremor in beiden Armen und Beinen, ]3ewuBtseinstrfibung, Blaufgrbung der Lippen. ~[uskulatur hypertoniseh. Sehnenreflexe nicht ausl6sbar. Babinski beiderseits positiv. Lumbalpunktion: Druck 450/420, Liquor diffus blutig verf&rbt, Pandy positiv, vereinzelte Leuko- cyten. Zueker 91,5mg-%. Blut: 23,600 Leukoeyten. Wa.l~. negativ. Verlauf in 8 Tagen t6dlieh unter Krgmpfen, Bewul3tlosigkeit, Fieber, bei nur vorfibergehender Aufhellung des l~ewul3tseins. Sektion: Exzentrisehe Herzhypertrophie links und

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Myokardverfettung. Aspirationspneumonie in beiden Lungenunterlappen, besonders links. Gehirn grol3, Gyri abgeplattet. Reehts am Gyrus rectus eine subpiale Blutung. Hirnsubstanz stark durchfeuchtet und yon talgiger Konsistenz, mit vereinzelten verschwommenen Blutpunkten. Mikroskopisch: _~hnlichkeit mit Fall 1 bezfiglich des Verhaltens der Ganglienzellen und der Gef~13e; doch st~rkere progressive Gliazellver~nderungen, mehr Fett in den Hortega-Zellen; im ~L~rk der Frontal- lappen kleinere frische Blutungen.

Bietet nun unser Fall ~X~hnlichkeit mi~ den yon Walthard ver- 5ffentlichten F~llen, und welehe ? Ganz allgemein kann gesagt werden, daf3 alle 3 Kinder unter uncharakteristischen Symptomen erkrankten und erst im weiteren Verlauf cerebrale Symptome, wie Krampfanf~lle, Bewuf3tlosigkeit, Kopfsehmerz und Erbrechen zeigten. Allen 3 F£11en war auch ein erh6hter Liquordruck gemeinsam. Auch im Verhalten der Reflexe konnte weitgehende Ubereinstimmung festgestellt werden. Auf der anderen Seite handelte es sich in Walthards F~l]en um £1tere Kinder; der Krankheitsverlauf war bier ein welt akuterer.

Vergleichen wfl" nun die F/~lle anatomisch miteinander, so finden wir da wie dort bis zur Erweiehung gehende Konsistenz~nderungen des Gehirns, die in ihrer Ausdetmung allerdings bei den einzelnen Gehirnen verschieden sind. Es sei als wesentlich hervorgehoben, daft in Walthards Y~llen eine Beteiligung des M~rkes fehlt, das gerade bei sehr jugendliehen Kindern besonders empfindlieh ist.

Mikroskopisch haben alle F~lle eine deutliehe, besonders in der mittleren Rinde lokalisierte Ganglienzelldegeneration (bei Walthard vielleicht starker als bei uns) und Gliazellwucherung gemeinsam. Letztere ist bei uns welt erheblieher als bei Walthard, wo die Noxe augenscheinlich auch auf die Glia zerstSrend gewirkt hat. W~hrend wir weiterhin in unseren Prgpara ten fortgesehrittenen lipoiden Abbau in verschiedenen Stadien und Formen linden kSnnen, liel3en sich in den Walthardschen akuteren F£11en nur sparliche Fet t t ropfen nachweisen. Eine weitere Verschiedenheit besteht in dem Grade der Gef~{3beteiligung, die in unserem Falle geringer als in denen yon Walthard war.

Was die .;t'tiologie betrifft, so wissen wir im Grunde genommen reeht wenig und k6nnen nur wie Walthard an die )[6glichkeit irgendeiner Intoxikat ion denken. Dal3 eine geburtstraumatische Schgdigung vorlag, ist wohl sicher auszuschliel3en; denn die Geburt ist absolut normal verlaufen und das Kind hat in den ersten Lebensmonaten keinerlei Anzeichen einer Sch~digung geboten.

Wie oben schon erwghnt, ist es kliniseh kaum wahrscheinlieh, dal3 die Erkrankung mit der Imp/ung in Zusammenhang gebracht werden kann. Auch rein anatomisch lassen sich hierfiir keine Anhaltspunkte finden. Die in den letzten Jahren gut bekannt gewordenen Bilder postvaccinaler Encephalitis sind yon den bier geschilderten vollkommen versehieden.

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In der Krankengeschiehte ist vermerkt, dab das Kind einen masern- ~hnlichen Ausschlag hatte. U m allen Zweifel auszuschalten, ob der ganze Krankheitsprozel] etwa auf einer kryptogenen Masernin/ektion beruhen k6nne, sei daran erinnert, dab die Encephalitis postmorbrilosa nach den Untersuchungen yon Wohlwitl und Spielmeyer und anderen Autoren weitgehend der postvaceinalen Encephalitis gleicht. Also kann veto anatom/sehen Untersuchungsergebnis aus die Annahme, dab es sich um eine Masernirffektion gehandel~ haben k6nne, ausgesehlossen werden.

Allen F£11en gemeinsam ist in der Hauptsaehe ein negatives Symptom, n/imlich das Fehlen einer exsud~tiv-infiltrativen Reaktion des GefiiB- bindegewebsapparates. Die leichten Verdickungen mit Infiltration der Yleningen, die wir an einigen Stellen fiber sehwer erkrankten Rinden- bezirken finden, dfirfen wohl als sekund~ire Erseheinungen gewertet werden, die sich an Bezirken mit stiirkerer Resorption kranken Gewebes finden.

Die Frage, ob es sieh in unserer Beobaehtung um eine Entziindung im fibliehen Sinne handelt, dfirfen wit bei dem v611igen Fehlen yon Inffltratzellen in den Herden verneinen (aueh Walthard sprieht nieht yon Encephalitis). Es liegen vielmehr Parenchymdegenerationen bzw. Nekrobiosen und ¢li6ser Abbau vor. Wenn sie aueh makroskopisch zum Bride der Erweiehung ffihren, so unterseheiden sie sieh doeh dureh ihre Ausdehnung und mikroskopisch dureh die geringe Gef&6re~ktion yon gew6hnliehen, dureh Verlegung gr61]erer Gef&6e entstandenen Er- weichungen.

Es liegt wahrseheinlieh eine toxisch bedingte Hirnver(inderung vor, obwohl wir fiber die Art des wirksamen Toxins keine Angaben machen k6nnen. Die Art der Veriinderungen gleicht ungef~hr dem, was man nach Grinker und Bassoe bei exogenen Intoxikat ionen und bei akuten Irrfektionen im Gehirn finder (n~heres siehe bei Walthard).

Vielleicht sind Sch~digungen der Rinde im friihen Kindesal ter aus versehiedensten Anl~ssen hiiufiger als man denkt; ist doch aueh ein toxisch beding~er lVIarkzeffall ira Kinderhirn so oft festzustellen. Wir kSnnten uns denken, dall manehe Ver~inderung, die man bei ~ilteren Leuten bei der Sektion trffft, auf solehe frfihkindliche Rindenerkrankungen zurfickzuffihren sind: wie z. B. die Kemisph~renschrumpfungen, vSllige Defekte groBer Teile des Kirnmantels; es braueht in solchen F~illen nicht immer eine intrauterine oder geburtstraumatisehe Schiidigung die Schuld zu tragen.

Anmerkung bei der Korrektur: Auf den Fall 1 in WohIwills Arbeit ,,l~ber akute pseudolamia~ire Ausf~llo in der Gehirnrinde bei Krampfkrankheiten" (Mschr. Psychiatr. 80, 1931), die mir nach Abfassung dieser Arbeit zttr Kenntnis kam, sei ausdrticklich hingewiesen, da der Fall grebe J(hnlichkeit mit den hier bespro- chenen Fallen bietet.

Z. f . d. g . iqeu2, u . P s y c h . l l i . 48b