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II. Ein Beitrag zu den retroperitonealen Geschwiilsten. Von Dr. rood. Otto ]=~artmann in Cassel. Wohl jeder Chirurg, der h~ufig an Bauchoperationen herantritt, weiss, dass in vielen F~llen eine strikte Diagnose bei Tumoren in der Regio epigastrica ~usserst schwierig sein kann, und man bisweilen den wahren Thatbestand erst durch die Laparotomie klarzustellen im Stande ist. Es duff dies eigenflich gar nicht Wunder nehmen, da entwickelungs- geschichtiich die in der oberen Bauchgegend liegenden Organe, wie Leber, Magen, Duodenum, Pankreas u. s. w. in engem Connexe mit einander stehen. Das in der Leibesh~hle urspriinglieh sagittal ver- laufende Mesogastrium, das die Leber und den direct hinter ihr liegenden Magen umschlossen h~lt, umgreift auch weiterhin noch das Pankreas mit seinen beiden Platten, wodurch dasselbe urspriinglich in die PeritonealhShle~ wie der Darmtractus, mit zu liegen kommt. Erst durch eine in der ersten H~lfte des vierten Embryonalmonats einsetzende Verklebung des Mesogastrium posterius mit der hinteren Bauchwand, die yon oben nach unten und yon der Mittel- li nie n a eh I i n k s fortschreitet~ entsteht eine seheinbare Verschiebung, wodurch das Anfangs ganz yore Mesogastrium umschlossene Pankreas mit dem unteren Theile des Duodenums an die hintere Bauchwand gedr~ngt und hier fixirt wird. Das Peritoneum hinter dem Pankreas und dem Duodenum kommt durch diesen Vorgang immer mehr zum Schwinden, so dass das Pankreas nach Ablauf des Verklebungspro- cesses aus der Peritonealh~hle in den retroperitonealen Raum be- fSrdert ist. Auch folgender Fall, der erst durch eine Probelaparo- tomie klargestellt werden konnte, demonstrirt deutlieh, wie sehr die Diagnose bei Tumoren dieses Gebietes dem Irrthume verfallen ist, beweist aber zugleich, dass man bei hSchst sorgf/~ltiger Aufnahme der Anamnese im Vereine mit allen zu Gebote stehenden diagnostischen Hiilfsmitteln der Wirklichkeit recht nahe kommen kann. R.~ 6t Jahre alt, aus Cassel. A n a m n e s e : Eltern des Patienten im hohen Alter gestorben. K ein e Sehwindsueht, keinKrebs in derFamilie. Patient selbstist, abge-

Ein Beitrag zu den retroperitonealen Geschwülsten

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Page 1: Ein Beitrag zu den retroperitonealen Geschwülsten

II.

E i n B e i t r a g zu den r e t rope r i t onea l en Geschwi i l s t en .

Von

Dr. rood. Otto ]=~artmann in Cassel.

Wohl jeder Chirurg, der h~ufig an Bauchoperationen herantritt, weiss, dass in vielen F~llen eine strikte Diagnose bei Tumoren in der Regio epigastrica ~usserst schwierig sein kann, und man bisweilen den wahren Thatbestand erst durch die Laparotomie klarzustellen im Stande ist. Es duff dies eigenflich gar nicht Wunder nehmen, da entwickelungs- geschichtiich die in der oberen Bauchgegend liegenden Organe, wie Leber, Magen, Duodenum, Pankreas u. s. w. in engem Connexe mit einander stehen. Das in der Leibesh~hle urspriinglieh sagittal ver- laufende Mesogastrium, das die Leber und den direct hinter ihr liegenden Magen umschlossen h~lt, umgreift auch weiterhin noch das Pankreas mit seinen beiden Platten, wodurch dasselbe urspriinglich in die PeritonealhShle~ wie der Darmtractus, mit zu liegen kommt. Erst durch eine in der ersten H~lfte des vierten Embryonalmonats einsetzende Verklebung des Mesogastrium posterius mit der hinteren Bauchwand, die yon oben n a c h u n t e n und yon der Mi t te l - li nie n a eh I i n k s fortschreitet~ entsteht eine seheinbare Verschiebung, wodurch das Anfangs ganz yore Mesogastrium umschlossene Pankreas mit dem unteren Theile des Duodenums an die hintere Bauchwand gedr~ngt und hier fixirt wird. Das Peritoneum hinter dem Pankreas und dem Duodenum kommt durch diesen Vorgang immer mehr zum Schwinden, so dass das Pankreas nach Ablauf des Verklebungspro- cesses aus der Peritonealh~hle in den retroperitonealen Raum be- fSrdert ist. Auch folgender Fall, der erst durch eine Probelaparo- tomie klargestellt werden konnte, demonstrirt deutlieh, wie sehr die Diagnose bei Tumoren dieses Gebietes dem Irrthume verfallen ist, beweist aber zugleich, dass man bei hSchst sorgf/~ltiger Aufnahme der Anamnese im Vereine mit allen zu Gebote stehenden diagnostischen Hiilfsmitteln der Wirklichkeit recht nahe kommen kann.

R.~ 6t Jahre alt, aus Cassel. A n a m n e s e : Eltern des Patienten im hohen Alter gestorben. K ein e

S e h w i n d s u e h t , k e i n K r e b s in derFamilie. Patient selbstist, abge-

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76 II. IIART)IA.~

sehen yon einigen unbedeutenden Krankheiten, die namentlieh in Erks tungen bestanden~ bisher nicht leidend gewesen. Im Juli und August vorigen Jahres stellten sieh im besten Wohlsein des Patienten Magen- beschwerden ein. Er ftlhite sich nach der Mahlzeit leieht gesiittigt und hatte das Geflihl yon Vollsein in der Magengegend. Hiiufig kam es auch wohl zu Aufstossen, das sieh aber niemals zu wirkliehem Erbreehen stei- gerte. Anfangs aehtete Patient wenig auf diese Erseheinungen, bis er im Anfang dieses Jahres~ durch eine Abnahme des Kiirpergewiehtes und durch sehleehtes Aussehen ge~ngstigt, Iterrn Dr. H e i l b r u n eonsultirte. Zu den alien Besehwerden gesellte sich noch ein best~indiger Magendruck~ und Patient machte die Beobachtung, dass die Speisen hiiufig nieht~ wie frtiher, die Speiseriihre passirten. Ueber Appetitlosigkeit hatte er nicht zu klagen, aber das Geftihl yon Druek in der Magengegend wurde immer best~lndiger~ und besonders gleieh naeh der :Nahrungsaufnahme~ so dass die Menge der Speisen yon Tag zu Tag geringer wurde. L u e t i s e h e I n f e c t i o n n e g i r t .

S t a t u s 12. M~rz 1902: Abgemagerter, aber nicht kachektiseh aus- sehender Mann mit sehr m~issig entwiekeltem Fettpolster. Ueber beiden Lungen~ abgesehen yon einigen bronehitisehen Ger~iusehen~ niehts Besom deres. Herz in normalen Grenzen~ TSne rein. Leib nieht aufgetrieben~ eher etwas eingesunken. Haut eine Spur 5dematSs in der oberen Baueh- gegend sieh anftlhlend. Links eine betr~tchtliche Leistenhernie~ die sich unter Gurrenzurtleksehiebenl~isst. B e i d e T e s t e s n i e h t v e r g r S s s e r t . Un- terer Leberrand in gewShnlicher Hiihe, mit der Athmung versehieblieh. In der Magengegend unterhalb des linken Rippenbogens giebt Patient eine Stelie an~ die auf Druck empfindlich ist. Eine Resistenz hier nieht dureh- zuftlhlen. Aufgeblaht steht die untere Magengrenze 2 Querfinger breit oberhalb des Nabels. Eine Resistenz aueh in diesem Zustande nieht ftihl- bar. Der am anderen Morgen nach einem Ewald ' s ehen Probefrllhstfiek gewonnene Mageninhalt enthitlt verminderten Salzsii.uregehalt~ dagegen reichlieh Milehsiture. Im Urin kein Eiweiss und kein Zucker.

10. April 1902. Patient magert immer mehr ab und empfindet einen permanenten Druek in der Magengegend, der haufig naeh der Nahrungs- aufnahme nach dem Herzen hin ausstrahlt und einen krampfartigen Cha- rakter annimmt. Die Nahrungsaufnahme wird in Folge dessen immer mehr eingesehrankt. Heute wird ein deutlieher Tumor in der Gegend der kleineu Curvatur des Magens geftihlt, der auf Druek empfindlieh ist. Es wird Patient eine gastroskopisehe Untersuehung vorgesehlageu, die am 25. April 1902 wegen Vorspringens der Z~.hne und wegen stark entwiekelten und verkniieherten Kehlkopfes uieht ausgeftlhrt werdeu kann. Patient wttnseht selbst die Operation, da er in diesem Zustande nieht mehr leben will.

O p e r a t i o n am 1. Mai 1902 in Chloroformnarkose: Epigastrischer Mediansehnitt zwisehen Proeessus ensiformis und dem Nabel. ~ach Er- 5ffuung der BauchhShle wird der Magen und das Colon transversum vor- gezogen, abgetastet und unveritndert gefunden. Hierbei entdeekt man so- gleieh hinter der kleinen Curvatur des Magens und dem Ligamentum gastrohepaticum eine fast handtellergrosse~ prominente, stark buekelige Oesehwulst, die zum Theil mit der Wirbelsiiule, zum Theil neben der Wirbels~iule mit der hinteren Banehwand verwaehsen ist. Die einzelnen

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Buckel waren fiber Kirschengr(isse, von ziemlieh fester Consistenz, so dass man nieht unpassend die Gesehwulst mit einer diehtbesetzten Weintraube vergleiehen konnte. Der grtissere Theil tier Gesehwulst war yon der hinteren Magenwand verdeekt. Unterhalb der grossen Curvatur des Magens wurde dutch das Ligamentum gastroeolieum ein zweiter bedeutend klei- nerer, mehr gleiehfSrmiger, nut mit einer hilusahnliehen Einziehung ver- sehener Tumor durehgeffihlt, der sieh ebenfalls nieht versehieben liess. Linke Niere befand sieh an riehtiger Stene. Leberoberflitehe nieht ver- waehsen, Gallenblase keine Steine beherbergend, frei beweglieh. Gallen- gitnge abffihlbar, frei. Keine Adhitsionen. Pankreas wegen des Tumors nieht deutlieh abtastbar. Kein Aseites. Die anderen Organe, soweit sie yon dem Sehnitte aus abtastbar waren, ohne pathologisehen Befund. Da die Tumoren wegen ihrer Unversehiebliehkeit ohne grossen Blutverlust unmtiglieh entfernt werden konnten, Patient so wie so sehon etwas eol- labirt aussah, wurde die Bauehhtihle in gewtihnlieher Weise gesehlossen. Verband. Abends eine Morphiuminjeetion.

2. Mai 1902. Patient hat sieh naeh dem Eingriffe wieder erholt. Tem- peratur normal. Keine Erseheinungen yon Seiten des Abdomens.

Am 8. Mai 1902 werden die Seidenfitden entfernt. Heilung per pri- mare intentionem. Da es sieh um einen Drfisentumor handelt, wird naeh- traglieh das Blur untersueht und normal befunden.

Am 14. Mai 1902 wird Patient ohne Bandage naeh Hause entlassen mit der Anweisung, sehr di~t zu leben und sieh pensioniren zu lassen.

Bei diesem Patienten wurde in Folge der Erscheinungeu des Magens~ eines in den letzten Tagen fiihlbaren Tumors im Epig'astrium und namentlich auf Grund des verminderten Salzs~uregehaltes in dem durch Probefriihstiick gewonnenen Mageninhalte und der progre- dienten Abmagerung die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Magencarci- nom gestellt. An eine Pankreasgeschwulst, die topographisch-anat0- misch hier auch in Frage kommen musste, wurde um so weniger gedacht, da dem Urin bei wiederholtem Untersuchen Eiweiss und Zucker fehlten, desgleichen niemals die charakteristischen Fettdiarrh~ien beobachtet waren. In gleichem Sinne wurde auch auf die Unbeweg- lichkeit des Tumors bei tier Atbmung weniger Werth gelegt, da der Tumor trotz seiner geringen Ausdehnung schon mit tier Umgebung verwachsen sein konnte, und auch R i e d e l l ) einmal eine arge Ti~uschung bei der Beurtheilung einer in dieser Gegend befindlichen Geschwulst erlebt hatte. R i e d e l beobachtete einen harten, leicht beweglichen, bei der Athmung auf- und absteigenden, bequem zu umgreifenden Tumor, tier iiusserlich als prall gefiillte Gallenblase imponirte und sich nach der Eriiffnung der BauchhShle als Kopf des Pankreas erwies, eine Anomalie, die gewiss den in der Einleitung erwi~hnten St~irungen in dem Verklebungsprocesse des Mesogastriums

1) Riedel, Ueber entziindliche, der Riickbildung fi~hige VergrSsserunge~ des Pankreaskopfes. Berliner klinische Woehenschrift 1896, Nr. i n. 2.

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mit d(.r hinteren Bauehwand zuzuschreiben ist. Wegen der unzu- giing'lichcn Lagc des Pankreas kSnnen ja nur Tumoren dieses Organes yon erhcblicher GrSsse, wo bereits eine bedeutende Raumbeschr~nkung im Abdomen stattgcfunden hat, mit unseren gewShnlichen diag- nostischcn Ililfsmitteln entdeckt werden.

Man sieht aus dieser Krankengeschichte wiederum, wie vorsiehfig und mit wclcher Reserve man sieh bei der Priifung der Magenfunc- tionen dem Salzs~urebestande des Mageninhaltes gegenfiber zu ver- halten hat. Fehlen der Salzs~ure sprieht nicht unbedingt fiir Carei- nom. wie ich es in der Jenner Klinik bei vielen anderen F~llen zu beobachten Gelegenheit hatte. Ja uns ist ein Fall in Erinnerung~ bei dem in Folge verminderten Salzs~iuregehaltes die Diagnose auf Magen- carcinom gestellt wurde: die Operation aber zu unserer griissten Ueber- raschung ein Ulcus ergab. Wit glauben, dass die geringe Salzs~ure- menge auf den allgemeinen Krgfteverfall zu beziehen ist. Patient war eben in Folge der sehleehten Nahrungsaufnahme nicht mehr im Stande, Salzs~iure in geniigender Menge zu" produciren, was hin- wiederum nicht ohne riickwirkende, nachtheilige Folgen ffir die all- gemeine Verdauung bleiben konnte.

Zu meinem grSssten Bedauern war bei diesem interessanten Falle die Gastroskopie 9, fiber die so viele Chirurgen ein abf~lliges Urtheil f~llen, aus Griinden, die in der Krankengesehichte angegeben sind, nicht gelungen. WS~re es mSglich gewesen, das Gastroskop durch die SpeiserShre in den Magen einzufiihren, so w~re gewiss die Fehl- diagnose ,,Carcinom der kleinen Curvatur" verhiitet worden, lch h~ttte jedenfalls die hintere Magenwand durch den buckeligen Tumor vorgewSlbt gesehen und h~ttte aller Wahrscheinliehkeit naeh die un- glciehm~issige VorwSlbung der hinteren Magenwand bei der Intaetheit der Sehleimhaut nicht als Magenwandtumor gedeutet. Wie man in vortrefflicher Weise Mediastinaltumoren, sobald sie eine Compression auf die SpeiserShre ausfiben und die Wandung der Speiser(ihre in das Lumen hinein vorbuchten, durch das 0esophagoskop erkennen kann, muss es aueh gelingen, viele Tumoren, die hinter dem Magen liegen und die hintere Magenwand in das Innere vorwtilben, sobald sie eine bestimmte GrSsse erreicht haben, durch das Gastroskop dem Auge zug~nglieh und damit diagnosfieirbar zu machen. Die buekelige, un- ebene Beschaffenheit des Tumors ohne irgend welehe Betheiligung des Magens wfirde die Diagnose ,retrogastrischer Tumor" erleiehtert

1) Ich benutze zu derartigen Magenbeleuehtungen das M i k u l i c z ' s c h e Oesophagoskop Nr. 3 (46 cm lang). Cf. Aufsatz fiber die Oesophagoskopie yon G o t t s t e i n in den Grenzgebieten.

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haben. Dies w~ire also ein Fall gewesen, der ein gewisses gastro- skopisches Interesse gezeitigt and die Leistung des Gastroskopes auf die Probe gcstellt hiitte.

Unterwirft man die Beschwerden und die Symptome yon Seiten des Magens, die sich seit ca. 1/2 Jahre sehleichend bei dem Patienten eingestellt haben, einer kritischen Beleuchtung, so erkennt man, dass dieselben mit einer durch entziindliche Processe gestiirten Magen- th~tigkeit direct nichts zu thun haben; sie sind, wie aus dem Opera- tionsbefunde auch augenscheinlich wird, r e i n p h y s i k a I i s e h m e c h a - n i s c h e r N a t u r . Patient verspiirte leidlich Appefit, hatte niemals fiber Erbrechen yon Blut und griisseren Speiseresten und anderen dyspeptischen Erseheinungen zu klagen, alles Zeichen, dass im Grossen und Ganzen die Magenschleimhaut intact war, auch dem Leiden keine motorischc Insuffieienz zu Grunde lag. Es wurde nur ein in den letztcn Woehen bes~ndiges Gefiihl yon Druck in der Magengegend empfhnden, auch wohl ein dumpfer Sehmerz, der bin und wieder nach dem Sternum und dem IIerzen ausstrahlen sollte, Symptome, die neben den Erscheinungen yon Seiten des Magens lediglieh darauf zu beziehen sind, dass die allm~hlich an Gr~isse zunehmende und yon dcr Wirbels~ule in die BauchhShle hineinwachsende Gesehwulst einen best~ndigen Druek, der dureh die unregelmiissige, hiiekerige Be- schaffenheit der Oberfl~iche der Geschwulst noch verst~rkt wird, auf den Magen ausiibcn muss. Es ist an sieh nicht zu verwundern, wenn bei einer derartigen Einengung des Magenlumens w~thrend und nach der Nahrungsaufnahme das Geffihl yon Druck und Viille sieh geltend macht~ so dass Patienten die weitere Lust zum Essen vergehen muss. Auch Hunger stellte sieh bei dem Patienten meistens zur rechten Zeit ein, was ebenfalls daffir spricht, dass bei der Diagnose den StSrungen der Magenfunction selbst nicht allzuviel Worth beigemessen werden durfte, wie es allerdings geschehen war. Sobald Patient nur kleine Mengen Speisen oder Fliissigkeiten zu sich genommen hatte 7 wurde er in Folge des geringen Ausdehnungsvermiigens des Magens yon Viille und dumpfem Magendruck aufs unangenehmste bel~istigt, der in seiner Intensit~t in letzter Zeit heftiger wurde und einem nach dcm Sternum ausstrahlenden, krampfartigen Schmerze immer mehr gleich kam.

Wenn eine Pankreascyste~ die die gleiche Lage einnehmen kann und viel h~tufiger als unsere Geschwulst zur Beobachtung gelangt, bei einer derartigen Griisse kaum ~hnliche Symptome yon Seiten des Magens hervorruft, so beruht das im Wesentlichen darauf, dass die Pankreascyste meistens durch eine mehr kugelige Gestalt und glatte

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80 II. HAR~3~A.~

Oberfl:,iche und eiuc elastische Spannung ihrer Wandung ausgezeichnet ist. Dcr Magen ruht auf einer solchen Geschwulst gleichsam wie auf einem weichen Ruhekissen, so dass keine Druckerscheinungen and St0rungen der Magcnfunctionen ausgeliist werden kiinnen. Unsere Geschwulst hat iihera|l eine stark buekelige Oberflfiche, iiberall einen soliden Bml von zicmlich fester Consistenz, zeigt nirgends das Gefiihl yon Fluctuation, alles Eigenschaften, die schon hochgradige Beschwer- den und Circulationsstgrungen von Seiten des dem Drucke ausge- setzten Magens im Gefolge haben kSnnen. Und trotz dieser Be- schwerden konnte erst ca. 14 Tags vor der Operation ein Tumor deutlich durch die Palpation nachgewiesen werden. Man sieht dar- aus, wie ausserordentlich sehwer es ist~ bei den meisten Personen, selbst wenn sie nicht sehr fettreieh sind, Geschwiilste, die yon dem Magen verdeckt werden, nachzuweisen, und es wiire dcshalb sehr er- wiinscht und mit Freuden zu begriissen, wenn in solchen F~tllen unter Zuhilfenahme des Gastroskopes die Diagnose auf eincn hinter dem Magen licgcnden Tumor friihzeitiger und mit grSsserer Sicherheit gestellt werden kSnnte. Selbst ein Magencareinom, fiir welches alle klinischen Symptome vorhanden sind, wird oft gar nieht oder nut unbestimmt oder wenigstens nur in tiefster Narkose thats~ichlieh durch- gefiihlt, und man ist hiichst erstaunt, nach der Laparotomie zu sehen, welch umfangreichcr Tumor vorher der manuellen Untersuchung entgehen konntc.

Wie schon gesagt, lag der Tumor, der die Ausdehnung einer flachen Hand besass, topographisch anatomisch mit seinem grgsseren Teile hinter der oberen Partie des Magens~ die der kleinen Carvatur entsprieht~ w~ihrend ein kleineres Segment oberhalb der kleinen Cur- vatur durch das Ligamentum gastrohepaticum im Bereiehe der Wirbel- siiule deutlieh durchgeftihlt werden konnte. Ohne Zweifel handelt es sieh um eine mediane Retroperitonealgesehwulst, deren Ursprung wir in die Gegend der Bauchspeicheldriise verlegen miissen. IIier ist die Geschwulst lest an die Wirbels~ule fixirt und ist entweder beim Ueberwuchern der Pankreasdriise Verwachsungen mit ihr ein- gegangen, wodureh sich innigere Beziehungen mit dem Driisengewebe pr~entiren~ oder hat die mittlere Partie r den KSrpertheil mehr oder weniger comprimirt, so dass Kopf und Schwanzende nut undeuflich von dcm Tumor durch das Gefiihl abzugrenzen sind.

Der Tumor selbst bestand aus einem Conglomerate yon wall- nussgrossen, stark prominenten, knolligen Neubildungen, die an[ der Oberfliiehe scharf yon einander abzugrenzen waren~ in tier Tiefe jedoch unter sich verwachsen, der Unterlage mit breiter Basis

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anhafteten. Das hintere Peritonealblatt war der Geschwulst entspre- chend nach vorn yon der hinteren Bauchwand abgehoben worden. Ein anderer, bedeutend kleinerer, aber aueh unverschieblicher Tumor mit mehr gleichmiissiger Oberfl/iche wurde in der Gegend der grossen Curvatur des Magens hinter der Platte des Mesocolon gefiihlt.

Mein erster Gedanke war~ sobald ich mir nach ErSffnung" der PeritonealhShle den zuerst beschriebenen Tumor zug~inglich gemacht hatte, dass es sieh thats~ehlieh um eine Pankreasgeschwulst handelte, wie man sie ja im Gefolge der Cholelithiasis nicht so selten beob- achtet. Denn je mehr man in den letzten Jahren bei der immer mehr ausgebildeten Teehnik gelernt hat, bei Gallensteinoperationen die benaehbarten Organe auf secund~re Ver~inderungen abzutasten, um so h~ufiger stSsst man bei der Cholelithiasis auf Verh~trtungen des Pankrcas, die durch eine chronische, dureh die Galleng~tnge per continuitatem fortgeleitete Entziindung dcr Driise hervorgerufen wer- den. Ja selbst bei relativ leiehten Entziindungen der Galleng~nge und der Gallenblase sind schon knotenfiirmige Verh~irtungen gefUhlt worden, die die gauze Driise vom Kopfe bis zum Schwanze in Mit- leidenschaft gezogen haben. Mit besonderer Vorliebe wird allerdings der Kopf der Driise, der ja durch den Ausfiihrungsgang mit dem Gallengangsysteme in engster Beziehung steht, yon derartigen Ver- ~nderungen betroffen, die schon einige Male auf den ersten Bliek ein Carcinom, wie es R i e d e l I) einmal passirt ist, vorget~useht haben.

Eine Pankreatitis in Folge sines Gallensteinleidens ist in unserem Falle mit der griissten Bestimmtheit auszuschliessen. Es wurden keine Abnormit~ten an der Gallenblase und an den Ausfiihrungsg~ngen, ja nicht einmal Adh~sionen, Residuen einer tiberstandenen Gallenstein- krankheit~ gefunden, und dass eine prim~ire Pankreatitis vorliegt, ist sehr unwahrseheinlieh; sie ist nach S e i t z 2 ) i n reiner Form iiber- haupt sehr selten gegeniiber der h~morrhagischen Entziindung und derjenigen, die auf Fettnekrose beruht.

Aueh das prim~re Pankreasearcinom zeigt einen ganz anderen Aufbau. Dasselbe wird am hiiufigsten als Seirrhus~ welt seltener als Adeno- und Myxoearcinom beobaehtet und hat in der Regel ebenfalls seinen Sitz im Kopfe des Pankreas, w~hrend in unserem Falle die Localisation der Neubildung der Gegend des KSrpers und der Ueber- gangsstelle des KSrpers in den Schwanztheil entsprieht. Aueh miisste

1) R i e d e l , Ueber entzi'mdliche, der Riickbildung f~ihige VergrSsserungen des Pankreaskopfes. Berliner klinische Wochenschrift 1896, Nr. 1 u. 2.

2) Se i tz , Blutung, Entziindung, brandiges Absterben der Bauchspeichel- drfise. Berlin 1892. [tirschwald.

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man bei einer derartigen Erkrankung die eharakteristisehen Fettdiar- rhiien angetroffen und eine nicht unbetrKehtliche Menge Zucker im Urin naehgewiesen haben, wenn auch die klinischen Symptome bei einem Pankreaskrebse nicht immer so ausgesprochen zu sein brauchen, dass dadurch eine ganz sichere Diagnose erm(ifflicht wird.

Da~ Hauptgewicht ist demnaeh darauf zu Iegen~ dass der ana- tomisehe Bau einer Krebsneubildung ein ganz anderer ist; man fiihlt bei einem Carcinom niemals so stark prominente, gleiehsam aus der Tiefe hervorquellende, miissig feste Einzeltumoren, sondern es pr~sen- tirt sich vielmehr eine unregelm~issige e is e n h a r t e Gesehwulst, die hier dureh Erhabenheiten: dort durch Einziehungen, die den Schrum- pfungsproeessen im Innern entsprechen, ausgezeichnet ist. D e n n das ist f f e r a d e die E i g e n a r t der k r e b s i g e n N e u b i l d u n g , dass bei i h r p r o g r e s s i v e w i e r e g r e s s i v c P r o e e s s e H a n d in H a n d g e h e n. Auch spricht die Grtisse dieser Geschwulst gegen Careinom. Ein Careinom yon solcher Dimension wiirde schon das Peritoneum~ den Magen u. s. w. in das Feld der Zerstiirung gezogen~ Ascites und andere Met'~stasen~ namentlieh in der Leber, im Gefolge gehabt haben.

Unsere Gesehwulst ist vielmehr der Rubrik derjenigen retroperi. tonealen Tumoren zuzurechnen, die ihren Ursprung nicht einem griisseren Organe verdanken, sondern ihren Ausgang yon anderen retroperitoneal gelegenen Gebilden genommen haben; es stellt ja der retroperitoneale Raum einen grossen Tummclplatz fiir die versehie- densten Tumoren und pathologischen Ver~nderungen in Folge der Mannigfaltigkeit seiner Zellensysteme dar.

Ebenso wie den lateralen Retroperitonealtumoren ist auch in gleieher Weise den medianen eine grosse Schwierigkeit eigen~ den Ausgangspunkt der Neubildung festzustellen, wenn schon in den letzten Decennien fiber die Genese dicser Gesehwfilste durch die fort- gesetzte histologischc Untersuchung werthvolle Aufschlfisse gewonnen sind. W~hrend in den siebziger Jahren auf diesem Gebiete noch eine chaotisehe Verwirrung herrschte und die meisten Gesehwiilste unterschiedlos identificirt wurden, ist man in den letzten Jahren der Natur dieser Gesehwfilste durch die histologischen Untersuehungen um Yieles n~her getreten, so dass eine sichtliehe Classifieirung dieser Tumoren vorgenommen werden konnte.

Vor der Aorta fiber dem Ursprunge der Mesenterica superior zwischen und hinter den Platten des Mesoeolon transversum und des Ligamentum gastrohepaticum liegt eine nicht unerhebliehe Anzahl yon Lymphdriisen, d ie G l a n d u l a e c o e l i a c a e , die die Lymphgcf~isse

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Ein Beitrag zu dcn rctroperitonealen Gcschwiilsten. 83

aus ihrem Quellgebiete, der Leber, dem Magen, dem Pankreas und der Milz sammeln. D i e s e n L y m p h d r i i s e n v c r d a n k t u n s e r T u m o r se ine E n t s t e h u n g , eine Annahme unsererseits, die auch mit der Erfahrung hervorragender Autoren iibcreinstimmt.

Fii r st e r J) erkl~irt derartige "retroperitoneale Gesehwiilste als prim~ren Markschwamm der Lymphdriisen. Kiinig 2) spricht sich weiter dahin aus, dass die langsamer wachscnden Tumoren allerdings yon dem fascialen Theile des Bauchfelles ausgehen ktinnten, dazs aber fiir die acut wachsenden, wie in unserem Falle, in der Regel die retroperitonealen Driisen angesehuldigt werden miissten. Nur V i r c h o w 3 ) weicht von dieser Ansieht etwas ab, indem er die retro- peritonealen Tumoren zugleich mit den fief sitzenden Cerviealsarkomen abhandelt, die naeh ihm allerdings auch yon den Lymphdriisen, aber mehr yon den Fascien, Muskeln und Gef~sscheiden ausgehen. Letztere Genese steht noeh unbereehtigt mit im Vordergrunde des Inter- esses. Weil die/tlteren Chirurgen (L a n g e n b e e k u.A.) bei Operafionen derartiger Halsdriisensarkome stets den Kampf mit den grossen Ge- f~tssen, namentlieh mit den Venen~ hatten, waren sie ebenfalls der Ansicht, dass diese Sarkome nur yon den Gef/issscheiden ausgehen konnten. Aber es macht doeh mehr den Eindruek, dass die Gesehwttlste prim~ir yon den Driisen ausgehen und erst secund~ mit den Gef~sen verwaehsen sind.

Ziehen wir das sehlechte Aussehen des Patienten, und iaament- lich das schnelle Waehsthum des Tumors, der in den letzten 14 Tagen sozusagen unter unseren Fingern gewachsen ist, in Betraeht, so miissen wir zu dem Schlusse kommcn, dass es sich um eine maligne Neubildung ganz gewiss handelt. Und da ein Pankreasearcinom und -sarkom, das nach F r i e d r i c h 4) u.A. tin hSehst seltener Befund sein soll, einen ganz anderen Aufbau zeigen, so kann, wie gesagt, wohl nur ein D r i i s e n s a r k o m in Frage kommen. Wir haben jeden- falls einen prim~iren Tumor vor uns, der ganz der Analogie eines Driisentumors entsprechend gewaehsen ist.

Well wir ganz denselben soliden, knolligen Aufbau, wie hier im retroperitonealen Raume auch bei einem sarkomatiis degenerirten Lymphdriisentumor am Italse finden, mtige es mir gestattet sein, der Parallele wegen auf das Wachsthum dieser Tumoren, die ja ungleich h~ufiger dem Chirurgen zu Gesichte kommen, n~ther einzugehen. Es

1) F i i r s t e r , Handbuch der pathologisehen Anatomic. Leipzig 1854. Bd. II. 2) K S n i g , Lehrbuch der speciellen Chirurgie. Bd. II. 3) V i r c h o w , Krankhafte Gcschwiilste. Bd. I1. S. 271. 4) F r i e d r i c h , Krankheiten des Pankreas. v. Z i e m s s e n ' s Handb. Bd. VIII.

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priisentirt sieh dort, z.B. in der Gegend der tiefer gelegenen Cer- vicaldriisen, im Anfangsstadium der Entwicklung, das man iibrigens nicht h~iufig antrifft, ein glatter, noeh beweglicher, yon intacter Haut bedeckter~ schmerzloser Tumor, der die Charaktereigenschaft eines weichen, hyperplastischen Lymphoms darbietet. Mit der Vergr~isserung des Tumors treten an der Peripherie neue Knoten yon i~hnlieher Be- schaffenheit auf, die allmi~hlich :nit dem Prim:irtumor versehmelzen, so dass eine einheitliche knollige Gesehwulstmasse entsteht. Erst im weiteren Verlaufe verwiichst der Tumor mit der Umgebung~ dehnt sich auf die Musculatur aus, kann die in der :q:ihe gelegenen :qerven umwaehsen und zerst5ren und naeh Durchwaehsen der Kapsel in die in der B::ihe gelegenen griisseren Venen perforiren, um sich dann auf den yon der B:atur vorgezeichneten Bahnen mit Blitzesschnelle im Organismus zu verbreiten. Unser zweiter Tumor, hinter dem Mesocolon durehgeftihlt, ist ein solcher peripher liegender ebenfalls maligne degenerirter Driisentumor, der erst sp~ter in das Bereich des griisseren, prim:iren Tumors hineingezogen wird.

Dem Einwande, dass der grSssere Tumor ein met~statischer sein kiinnte, begegne ich damit, dass bei der Operation am Darm und den iibrigen Orgauen (Testes), so welt sie abzutasten waren, keine Ver:inderungen welter gefunden wurden, Patient auch keine Klagen hatte, die auf die Existenz eines anderweitigen pathologischen Gebildes hindeuteten.

B:och eine Geschwulst~ die hier ihren Sitz haben kann, aber diffe- rentialdiagnostisch kaum in Frage kommt, soU nicht unerw:ihnt bleiben. Es sind das die Nervengesehwiilste des Nervus sympathicus mit seinen recht bedeutenden Ganglien; es sind aber Rarit:tten, die nur ganz vereinzelt in der Literatur beschrieben sind. l)

Die Eigenthiimlichkeit des Waehsthums unserer Geschwulst be- steht haupts~iehlich darin, dass die Gesehwulst schon ziemlich friih mit tier Wirbels~iule in engem Connexe gestanden hat und yon diesem Angriffspunkte aus besonders nach vorn hill in die Bauchh~hle hin- ein sich ausgedehnt und die hintere Magenwand immer mehr yon der Unterlage abgehoben und in das Inhere hinein vorgesehoben hat. Bei diesem Wachsthume, das sich im Grossen und Ganzen nach vorn, dam Magen hin noch erstreckt hat, wird die Geschwulst noeh l:tngere Zeit verharren und kanu durch ihre auf den Magen driiekende Masse direct zur Inanition und zum Tode fiihren, so dass in dieser Hinsicht die einfachen mechanischen Verh:iltnisse die allm:ihlich und sicher

1) Bus s e, Ein grosses Neuroma gangliocellulare des Nervus sympathicus. u Archiv. Bd. CLI. Suppl.

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Ein Beitrag zu den retroperitouealcn Gcschwiilsten. 85

einsetzcnde Sarkomcachexie iiberragen und in den Hintcrgrund dr~ingen kSnnen~ wenn nieht pl~itzlich eine andere Partie, z. B. der untere oder obere Pol~ yon einer intensiveren Waehsthumsenergic be- troffen wird. Dann wird die Geschwulst sich nach dem Gesetze des geringsten Widerstandes~ je nachdem der obcre oder untere Pol er- griffen ist 7 entwcder zwischen Lebar und Magan oder zwischen Magen und Quercolon wie eine Pankraascyste, die sich in Folge ihres we- niger fasten Aufbaues und einer ver~nderlichen Fliissigkeitsmenge im Innern der Lage und Beschaffenheit der in unmittelbarer N~ihe be- findlichen Organe anzupassen hat, zur Entfaltung kommen und in bekannter Weise die Organe verdr~ngen. W~thrend also die L a g e e i n e r P a n k r e a s c y s t e in F o l g e i h r e s f l i i s s i g e n I n h a l t e s a ls das P r o d u c t der A n p a s s u n g d i e s e s G e b i l d e s an d ie u m g e b e n d e n R ~ u m l i c h k e i t e n dar P e r i t o n e a l h i i h l e er- s c h e i n t , b e w a h r t ein s o l i d e r Tumor~ wie wir ihn vor uns haben, in dem ersten Stadium seiner Entwicklung e ine v i e l gr~is- s e r e S e l b s t ~ n d i g k e i t und schl/igt niemals einen so typisehen Weg ein wie aine mit Fliissigkeit a.ngefiillte Cyste 7 die sieh eben nur ge- setzm:,tssig und zwar dahin 7 wo der geringste Widerstand angetroffen wird, ausbreiten kann. Die Ausdahnung solider und besonders ma- l i g n e r Geschwiilste beruht im Wesentliehen auf uns vorl~ufig noch unbekannten, im Gewebe der Geschwulst selbst gelegenen Kr~iften, so dass ihr excessives Wachsthum im sp~tteren Stadium ganz und gar auf eigene Faust die anatomischen Verhfiltnisse durehbrechen kann.

Doch will ich die Wachsthumsvorgiinge im Inneren solcher Tumoren nicht weiter ausspinnen, ich mSehte nur noch darauf hin- waisen~ dass ein Tumor~ der vor oder neben der Wirbels~iule und zwar oberhalb dcr Radix mesentcrii liegt~ nieht dem Wachsthume der medianen Retroperitonealtumoren, wie W itz e I ~) as beschreibt, ent- sprechen kann. Ein solcher median gelegencr Tumor, wie wir ihn vor uns haban, kann in seinem Entwicklungsstadium nieht sogleich yon der Wirbels~iule aus das Mesenterium yon seiner Wurzel enffalten~ um sich zwischen beiden Bauchfellbl~ittern zu entwickeln. Denn da das )Iesogastrium~ das in dieser Gegand dem Mesenterium analog ist, dutch seine entwicklungsgeschichflich bekannte Drahung des Magans um seine LKngsaxe nicht bloss ausgezogen wird~ sondern aueh eine andare Gestalt annimmt~ indcm es in einam yon der Wirbels~iule ent- springenden und an der grossan Curvatur das Magcns sich inseriren- den Sack ausw~chst 7 so kann unmSglich unsere Geschwulst die

1) Witzel, Bcitr~igc zur Chirurgic der Bauchorgane. Deutsche Zeitschrift fi:u" Chirurgic, 1886 Bd. XXIV. S. 326.

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86 ]I. tIART)~.~N, Ein Beitrag zu den retroperitonealen Geschwiilsten.

Platten des Gekriises auseinanderdr~ngen, um sieh zwisehen ihnen zu entfalten, sondern kann nut ~hnlich dem Wachsthume der lateralen Retroperitonealgeschwiilste, nachdem sie das iiberdeckende Peritoneum allm5hlieh yon der Unterlage abgehoben haben, das vorliegende Organ, d.h. bier den Magen, yon seiner Stelle verdr~tngen. Erst wenn eine derartige Geschwulst nach unten hin parallel der Wirbel- si~ule sieh ausgebreitet hat, kann sie sehliesslich zwisehen die Dupli- caturen des Mesenteriums hineinwaehsen und den Diinndarm, der immer mehr, wie P 6 a n so schSn schildert, zur Basis der waehsenden :Neubildung kranzfSrmig hinabgleitet~ verdr~ngen.

Was zum Schlusse dis Operation anlangt, so musste leider yon einer Exstirpation der Geschwulst Abstand genommen werden. Die Geschwulst war :mit breiter Basis derartig an der hinteren Baueh- wand adh~rent~ dass dieser Eingriff yon einem ausserordenflieh grossen Blutverluste begleitet gewesen w~re, aueh wiirde die Existenz anderer lebenswichfiger Organe dutch die nicht zu vermeidende Unterbindung grosser Gef~isse sehr in Frage gestellt sein. Da weiter in einiger Entfernung ein zweiter Tumor denselben Charakter zeigte, musste man vermuthen, dass aueh noch andere kleinere Driisen, dis w~hrend der Operation zwar nicht durchgeftihlt wurden, doch in ~hnlieher Weise affieirt sein konnten, so dass eine g~nzliehe Entfernung der Neu- bildung aussichtslos war. Wenn sehon die lateralen Retroperitoneal- tumoren h~iufig nur unter den allergr(issten Sehwierigkeiten trotz der fortgesehrittenen Technik beseitigt werden kSnnen, so ist dem ehi- rurgischen Eingreifen bei den medianen, die noch dazu zum grossen Theile hinter dam Magen liegen 7 schon friiher ein Ziel gesetzt.