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Ein einfaches Verfahren zur Messung der Wasserverdunstung durch Schichten verschiedener Textilfasern' von R. Signer und M. Roth Institut fur allgemeine und spezielh organisdie Chemie der Universitat Bern Eingegangen am 24. Januar 1949 Z U S A M M EN FA S S U N G : Es wird ein einfahes Verfahren angegeben, den Transport von Wasser d u r h Textil- fasersmihten zu messen, die einerseits in Wasser t a d e n und andererseits an Luft mittlerer relativer Feuhtigkeit grenzen. Proteinfasern transportieren das Wasser langsam, Baumwolle rasher und Viskosekunstfasern sehr rash. Gewebe aus Wolle und andern Proteinfasern verursachen bei gewissen physiologischen Bedingungen der Haut die Empfindung von Warme, andere Gewebe, insbesondere die aus kihstlich geformten Cellulosefasern, fiihlen sich unter den gleichen Umstanden kalt an. Die physikalische Mes- sung der Warmeleitfiihigkeit lufthaltiger Faserschichten gestattet keine derartige Unterscheidung in mehr oder weniger warm haltende Faser- arten. Die Warmeisolation ist in erster Linie bedingt durch den LuftanteiI im Gewebe, das Fasermaterial spielt keine wesentlihe Rolle 2. Es wurde schon mehrfach vermutet, daO bei der physiologischen Be- urteilung der Whehaltigkeit mehrere Eigenschaften mitspielen, unter anderm auch die Geschwindigkeit, mit der Feuchtigkeit beim Vorliegen eines Dampfdrudc- und evtl. auch Temperaturgefalles durch ein Ge- webe transportiert wird. Verschiedene mehr oder weniger komplizierte 1 Eine nusfuhrlidie Beschreiliung der hier kurz mitgeteilten Versuche findet s i h in 2 Vgl. z. B. S.Baxter, Proc. Phys. Soh. 58 (1946) 105. J Vgl. z. B. F.T.Peiree, W.H.Rees und L. W.Ogden, J. Text. Inst. 36 (1945) 169; W.H.Rees, J. Text. Inst. 36 (1945) 165; S.Baxter, J. Text. Inst. 37 (1946) 39; O.MeQeels, Melliand 37 (1946) 166; L.Fourt und M. Harris, Textile Res. J. 17 (1947) 256. der Dissertation von M. Roth, Bern 1947. 281

Ein einfaches verfahren zur messung der wasserverdunstung durch schichten verschiedener textilfasern

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Ein einfaches Verfahren zur Messung der Wasserverdunstung durch Schichten verschiedener Textilfasern'

von R. Signer und M . Roth

Institut fur allgemeine und spezielh organisdie Chemie der Universitat Bern

Eingegangen am 24. Januar 1949

Z U S A M M E N F A S S U N G : Es wird ein einfahes Verfahren angegeben, den Transport von Wasser d u r h Textil-

fasersmihten zu messen, die einerseits in Wasser t a d e n und andererseits an Luft mittlerer relativer Feuhtigkeit grenzen. Proteinfasern transportieren das Wasser langsam, Baumwolle rasher und Viskosekunstfasern sehr rash.

Gewebe aus Wolle und andern Proteinfasern verursachen bei gewissen physiologischen Bedingungen der Haut die Empfindung von Warme, andere Gewebe, insbesondere die aus kihstlich geformten Cellulosefasern, fiihlen sich unter den gleichen Umstanden kalt an. Die physikalische Mes- sung der Warmeleitfiihigkeit lufthaltiger Faserschichten gestattet keine derartige Unterscheidung in mehr oder weniger warm haltende Faser- arten. Die Warmeisolation ist in erster Linie bedingt durch den LuftanteiI im Gewebe, das Fasermaterial spielt keine wesentlihe Rolle 2.

Es wurde schon mehrfach vermutet, daO bei der physiologischen Be- urteilung der Whehaltigkeit mehrere Eigenschaften mitspielen, unter anderm auch die Geschwindigkeit, mit der Feuchtigkeit beim Vorliegen eines Dampfdrudc- und evtl. auch Temperaturgefalles durch ein Ge- webe transportiert wird. Verschiedene mehr oder weniger komplizierte

1 Eine nusfuhrlidie Beschreiliung der hier kurz mitgeteilten Versuche findet s i h in

2 Vgl. z. B. S.Baxter, Proc. Phys. Soh. 58 (1946) 105. J Vgl. z. B. F.T.Peiree, W.H.Rees und L. W.Ogden, J. Text. Inst. 36 (1945)

169; W.H.Rees, J. Text. Inst. 36 (1945) 165; S.Baxter, J. Text. Inst. 37 (1946) 39; O.MeQeels, Melliand 37 (1946) 166; L.Fourt und M. Harris, Textile Res. J. 17 (1947) 256.

der Dissertation von M. Roth, Bern 1947.

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R. Signer und M. Roth

Vorrichtungen wurden bereits zur Erfassung dieser Eigenschaft vorge- schlagen 8 .

Bei der Entwicklung eines Trodtenspinnverfahrens fur Caseinkunst- fasern4 versuchten wir, die neue Faser auch in Bezug auf Feuchtigkeits- transport mit andern Fasertypen zu vergleichen. Im folgenden wird das hierbei verwendete, allerdings aul3erst einfache MeRverfahren beschrieben.

In Reagensglaser gleicher GroRe wird die gleiche Wassermenge ( e h a '15 des Volumens) eingefullt. Gleiche Gewiohtsmengen der zu vergleichen- den Stapelfasern werden in moglichst gleichmafliger Padtungsdichte vom Boden bis zum oberen Rand eingefullt, wobei Fasersaulen entstehen, die unten wasserdurchtrankt, oben aber trocken sind. Die Reagensglaser wer- den in einem abgeschlossenen Raum konstanter Temperatur und be- stimmter relativer Feuchtigkeit vertikal aufgestellt. Hierzu eignet sich ein mit einer Glasplatte ziemlich dicht verschlienbarer Glastrog, in dem sich eine flache Schale mit einer gesattigten Salzlosung und Salzbodenkorper zur Aufrechterhaltung der gewunschten relativen Feuchtigkeit befindet. Wir arbeiteten mit Ammonnitrat, was eine relative Feuchtigkeit von 65 O/o ergibt. Die Reagensglaser werden taglich gewogen. Nach weni- gen Tagen wird die Gewichtsabnahme in der Zeiteinheit konstant. Sie charakterisiert den Wassertransport durch die entsprechende Faserschicht in den AuOenraum.

KIeine Temperaturschwankungen beeinflussen die Wasserverdunstung betrachtlich. Man kann davon unabhangig werden, wenn man im Trog no& ein Reagensglas mit der entsprechenden Wassermenge, aber ohne Fasern, auf Gewichtsabnahme priift und die tagliche Gewichtsverminde- rung der Glaser mit Fasern auf die des Glases mit Wasser als Einheit bezieht. Man erhalt so fur jede Faserart eine ,,Verdunstungszahl", die von der Temperatur unabhkgig ist. Sie gibt an, wieviel ma1 rascher die Ver- dunstung durch die Faserschicht als durch den entsprechenden Luftraum erfolgt.

Die tagliche Verdunstung betragt bei Reagensglasern von 14 mm Durch- messer und 158mm Lange etwa 10--50mg. Auch bei einer Versuchs- dauer von 2-3 Wochen bedeutet dies nur ein Absinken des Flussigkeits- standes im Reagensglas von wenigen Millimetern.

Die bei verschiedenen Faserarten ermittelten ,,Verdunstungszahlen" sind natiirlich keine ,,Materialkonstanten" der entsprechenden Faser- schi&ten, da sie no& von vielen Versuchsumstanden abhangen, aber sie

4 Vgl. Sehweizer Patente 232 342 und 238 121. ferner H. Nitschmann und J. Schrade, Helv. d i m . Acta 31 (1948) 297.

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Mesaung der Wasserverdunstung durch Schihten verschiedener Textilfasern

erlauben, bei geniigendem Konstanthalten der Bedingungen die Faser- arten zu vergleichen.

Von den Versuchsbedingungen wurden nebst den erwiihnten, Tempera- tur und relative Feuhtigkeit, no& folgende in ihrer Auswirkung etwas genauer iiberpriift.

1. Einfiillhohe des Wassers. Uber den EinfluB des Abstandes des Glas- randes vom Meniskus auf die Verdunstung bei Glkern mit Wasser allein ohne Fasern gibt Tab. 1 Aufschlufi.

Tab. 1. Verdunstungsgeschwindigkeit bei verschiedener Reagensglasfullung

Abstand Glasrand his Meniskue in.mm

10 20 40 60 90

120 150

Gewichtsabnahme pro Tag in m g

174 100 52 35 26 19 15

reziprokcr Wert der Gewichtaahnahme

0,006 0,010 0,019 0,028 0,038 0,053 0,067

Tragt man den reziproken Wert der Verdunstungsgeschwindigkeit als Ordinate gegen den Abstand Glasrand-Meniskus auf, so ergibt si& eine nicht durch den Nullpunkt gehende Gerade. Aus dem Ordinatenabsdmitt berehnet sich die Verdunstungsgeschwindigkeit bei ganz gefulltem Glas zu 570mg pro Tag. Dal) alle Punkte auf einer Geraden liegen, zeigt eine Iineare Zunahme des Verdunstungswiderstandes mit der Rohrliinge.

Bei Rohrfiillungen mit Fasern ist der E i d d der Lage des Wasser- meniskus ohne Zweifel analog.

2. Didzte der Fuserpadcung. Mit 0,s g Baumwollwatte lief3 sich in den 24 ccm Reagensglasvolumen noch eine gleichmaBig dichte Saule erzielen. Bei geringerer Padcungsdichte wird eine regelmaDige Verteilung schwierig. Leicht ist die gleihafiige Padcung von 1,s g. Eine no& dreimal dichtere Fiillung von 4,5 g liegt nahe an der Grenze der Zusammendriidcbarkeit des Materials.

Bei der dichtesten Packung (4,5 g in 24 ccm) ist die ,,Verdunstungszahl" etwas unter, bei der lockersten Packung (0,s g.in 24 ccm) etwas uber 2. Bei der groDen Veriinderung der Padcungsdichte um nahezu das Zehn-

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R. Signer und M. Roth

fache ist dieser Gang gering. Es lassen sich leicht geniigend reproduzier- bare Packungsdichten von 0,l g Faser pro ccm erzielen.

3. Abs&Zu/3 der Fasersaule. Ein iiber das Reagensglas bordender Faser- bausch von ca. 5 cm Durchmesser erhoht durch seine groRe Obedache die Verdunstungszahl um ca. 50% iiber den Wert, den man bei ebenem An- fiillen des GIases beobachtet. Eine reproduzierbare, ebene Fullung ist lei& zu erzielen.

Die Verdunstungszahl verschiedener Paserarten iihnlichen Titers (etwa 5 den) bei einer Packungsdichte von 0,07 g pro ccm zeigt Tab. 2.

Tab. 2. ,,Verdiinstungszahlen" versehiedener Fasern

Faserart I ,,Verdunstungszahl"

Viskoselrumstlaser Baumwolle Wollc Caseinfaser, Chromgerbung Caseinfaser, Aluminiumgerbung 1 $0

I Glaswollc I I 220

Am groJ3ten ist der Wassertransport bei der Cellulosekunstfaser, dann folgt Baumwolle und am geringsten sind die Werte von Proteinfasern. Die Viskoseschicht transportiert nach Tab. 2 drei- bis viermal soviel Wasser als die Schichten der Proteinfasem, die ihrerseits die gleiche Wasserver- dunstung geben wie der faserfreie, luftgefiillte Raum. Zwischen Wasser- transport und physiologischer Warmehaltigkeit scheint eine Parallele zu bestehen. Besondere Beachtung verdient die Gleichartigkeit von Wolle und Caseinkunstfasern im Wassertrahsport.

Ober den Mechanismus der Wasserbewegung in der Faserschicht geben folgende Beobachtungen AufschluR. BelaRt man beim Herstellen der Faserschicht einen luftgefiillten, faserfreien Hohlraum von nur etwa 1 cm Hohe, oder IaDt man die Fasersaule erst uber ' dem Fliissigkeitsmeniskus beginnen, so ergibt sich auch mit Viskosekunstfaser und Baumwolle die Verdunstungszahl 1. Der raschere Wassertransport im Vergleich zur Luft- saufe setzt also ein Eintauchen der Fasem ins Wasser und eine ununter- brochene Fasersaule voraus. Sie wirkt wie ein Docht.

Bis zu einem gewissen Grad geht der Wassertransport scheinbar mit der Quellung der Fasern parallel.

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Menbung der Waseerverdunetung durch Schichten vereehiedener Textilfasern

Die lufttrodcenen Fasem zeigen nach dem Eintauchen in Wasser und maBigem Zentrifugen folgende Gewichtszunahmen:

Viskosefasern Baumwolle wolle Caseinfaser, %hromgerbung Caseinfaser, Aluminiumgerbung

7 1 010

36 OIo

24 010

31 010

31 OIO I I Glaswolle 401~ i

DaJ3 dbr Wassertransport durch eine Faserschicht nicht allein mit der Quellung verbunden ist, zeigt das Verhalten von Glasfasern. Sie sind nicht quellbar und geben trotzdem eine fast so hohe ,,Verdunstungszahl" wie Baumwolle. Die Glasfasern sind befaigt, sich mit einer Oberflachenhaut von Wasser zu. belegen, und es ist beim Verdunsten in den oberen Teile~ der Faserschicht ein NacMiel3en des Wassers in dieser Haut anzunehmen.