56
Journal 48 | 2012 universität konstanz Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt

Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

  • Upload
    dohuong

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Journal 48 |2012

universität konstanz

Ein kleiner Sprungfür die Raumfahrt

Page 2: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Grenzenlos denkenKontakte knüpfenZukunft gestalten

für Studierende, Absolventinnen und Absolventen der BodenseeregionEintritt frei

Freitag 16. November 2012 11:00 Uhr bis 16:00 UhrKonzil Konstanz

www.kontaktpunkt-see.de

Kooperationspartner: Agentur für Arbeit Konstanz, Hochschule Konstanz (HTWG), Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee

kontaktpunktdie karrieremesse am see

die karrieremesse am seekontaktpunkt

ww

w.a

telierb

un

dsu

ed.d

e

Medienpartner:

Page 3: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Herr Reiterer, wie werdenwir in Zukunft unsereComputer bedienen?Vielfältig! Wir werden eine große Wahl-freiheit haben, auf welche Art und Weisewir unsere Computer bedienen können:durch Berührung, per Geste, per Sprache,vielleicht sogar über unsere Augen. Oderganz klassisch mit Maus und Tastatur.Auf alle Fälle wird sich die Interaktionmit dem Computer unseren alltäglichenInteraktionsformen angleichen. Unser Ziel ist es daher, die Interaktion mit technischen

Geräten an der Art und Weise zu orientieren, wie wir mitrealen Gegenständen umgehen. Beispielsweise indem wirdie Handgriffe aus der realen Welt mit den Möglichkeitender digitalen Welt verschmelzen. Wir nennen diese neueForm der Interaktion mit Geräten »Blended Interaction«,quasi die Vermischung von realer Interaktion und digitalerFunktion. Damit geht auch einher, darüber nachzudenken,was überhaupt sinnvollerweise digital sein soll und wasin der analogen Welt vielleicht sogar besser funktioniert.Es muss nicht immer alles digitalisiert werden, im Gegen-teil: Wenn Papier und Bleistift besser funktionieren alsdie digitale Eingabe, dann bleibt man bei Papier und Blei-stift. Oder man entwickelt einen Stift, der zugleich auchin der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digitalumsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird.Das ändert auch das Selbstverständnis, das wir unseremVerhältnis zu Technik entgegenbringen: Der Umgang mitTechnik wird längst nicht mehr als etwas Künstlicheswahrgenommen, sondern wird zu einer Selbstverständ-lichkeit – eben zum Teil der sozialen Umwelt.

❱ Prof. Dr. Harald Reiterer

(Harald Reiterer ist Professor für Mensch-Computer-Interaktionan der Universität Konstanz. Im September 2012 veranstalteteer die internationale Großkonferenz »Mensch und Computer2012« an der Universität Konstanz, in der mehr als 700 Teilneh-merinnen und Teilnehmer wegweisende Interaktionspotentialezwischen Mensch und Maschine diskutierten.)

Editorial

148|2012

Prof. Dr. Harald Reiterer

Page 4: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

❱ Ein kleiner Sprung für die RaumfahrtDie Schwerelosigkeit im All belastet den menschlichen Körper.Konstanzer Sportwissenschaftler entwickelten ein Trainingsgerätgegen Muskel- und Knochenschwund für die Raumstation ISS.4

❱ Von Mäusen und HexenIn seinem Buch »Mäuselmacher« untersucht der Literaturwissen-schaftler Dr. Rainer Beck einen der letzten großen Kinderhexen -prozesse und entwirft dabei ein Gesellschaftsporträt der frühenNeuzeit.14

❱ Zwischen Skylla und CharybdisDer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Günter Franke und der JuristProf. Dr. Rüdiger Wilhelmi äußern sich im Interview über die Grenzenwissenschaftlicher Erkenntnis in der gegenwärtigen Banken- undStaatenkrise.22

❱ »Eins reicht!«Politische Stiftungsarbeit in Ghana, mal eben ein bisschen Manage-menterfahrung in Abu Dhabi – im Wettrennen um ein Praktikum willjeder der Erste sein. Aber wie viele Praktika sind sinnvoll?26

❱ Spielend den eigenen Rhythmus findenDas Kinderhaus der Universität Konstanz feiert sein einjährigesJubiläum. Seine Leitung setzt auf Transparenz – sowohl beimErziehungskonzept als auch bei der Vergabe der Plätze.28

2 48|2012

Page 5: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

❱ Editorial 1

❱ Titel 4

❱ Konferenz 8/16

❱ Forschung 10

❱ Neue Publikationen 18

❱ Interview 22

❱ Kooperationen 25

❱ Studierende 26

❱ Gleichstellung 28

❱ Preise 30

❱ Kurz berichtet 37

❱ Neue Professoren 40

❱ Personalia 42

❱ Weiterbildung 52

❱ Impressum 49

348|2012

Inhalt

Page 6: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Titel

Ein kleiner Sprungfür die RaumfahrtProf. Dr. Markus Gruber und Dr. Andreas Kramerentwickelten ein Sprung-Trainingsgerät für dieRaumstation ISS

Es war ein kleiner Schritt für sie: Scheinbar schwerelos,als könnte kein Gewicht der Welt ihren Triumph halten,betraten Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Men-schen den Mond. Die Bilder gingen um die Welt: Ihre bei-nahe schwerelosen Mondsprünge vor der gehissten US-Flagge; dann drei Jahrzehnte später schwebende Astro-nauten an Bord der internationalen Raumstation ISS;heute die Vorbereitungen zur Marsmission. Kaum ein Kinddürfte es geben, das seit der Mondlandung nicht davonträumte, selbst einmal schwerelos im All zu schweben.Doch ein Spaziergang ist dieses Schweben im All nicht,allen Bildern der Schwerelosigkeit zum Trotz. Wie belas-tend ein Aufenthalt in der Schwerelosigkeit für denmenschlichen Körper ist, wird erst im Gespräch mit Medi-zinern und Sportwissenschaftlern klar: zum Beispiel mitden beiden Konstanzer Sportwissenschaftlern Prof. Dr.Markus Gruber und Dr. Andreas Kramer, die ein Trainings-gerät für Raumfahrer entwickelt haben, das sich auf dembesten Weg zur Raumstation ISS befindet.

Doch bleiben wir zunächst auf der Erde, im natürlichenUmfeld des menschlichen Körpers. Der menschliche Orga-nismus ist perfekt an die Schwerkraftbedingungen unseresPlaneten angepasst: Ob wir über Straßen oder Felder wan-dern, ob wir Rad fahren oder klettern, selbst wenn wir sit-zen oder liegen: Stets ist der menschliche Körper daraufeingestellt, sein Körpergewicht zu tragen. Unentwegt hal-ten unsere Muskeln und Knochen der Schwerkraft entge-gen. All dies ist nicht mehr nötig, wenn plötzlich dieSchwerkraft fehlt. »Biologische Materialen passen sich anmechanische Reize an«, erklärt Andreas Kramer: »Wenndiese fehlen, gleichen sie sich dem neuen Lebensumfeldan. Körper in der Schwerelosigkeit brauchen nicht mehrdie Muskel- und Knochenmasse, die auf der Erde nötig war.Muskeln und Knochen bauen sich in der Folge ab. Wenn

Prof. Dr. Markus Gruber ist Professorfür Sportwissenschaft an der UniversitätKonstanz. Im Mittelpunkt seiner For-schung stehen Anpassungsmechanismendes menschlichen Körpers nach Trainings-und Lernreizen sowie die Prävention undRehabilitation von motorischen Leistungs-einschränkungen.

4 48|2012

Page 7: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

TitelDr. Andreas Kramer erforscht ander Universität Konstanz einerseitsGegenmaßnahmen zu Muskel- undKnochen abbau durch Schwerelosigkeit,Alters prozesse und Inaktivität undandererseits Mechanismen desmotorischen Lernens.

548|2012

Page 8: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

die Astronauten zurück auf der Erde sind, treten Problemeauf: Die Schwerkraft ist wieder da, aber Muskeln und Kno-chen haben sich zurückgebildet«, legt der Sportwissen-schaftler das Dilemma dar.

Ein Prozent ihrer Knochenmasse verlieren Astronautenpro Monat, in einer üblichen Halbjahresschicht sind dasschon sechs Prozent, bei einem langfristigen Projekt wieder geplanten Marsmission entsprechend mehr. Die Euro-päische Weltraumorganisation (European Space Agency –ESA) sucht daher nach Trainingskonzepten, die dem Muskel-und Knochenschwund möglichsteffektiv entgegenwirken. DasTrainingskonzept von MarkusGruber und Andreas Kramerkonnte sich bis in die finalenTests durchsetzen und stehtkurz davor, auf der ISS einge-setzt zu werden. Und überra-schenderweise setzt der Trai-ningsplan auf eine Übung, dieseit der Mondlandung fest imkollektiven Gedächtnis der Raum - fahrt eingebrannt ist: Sprünge im Weltraum.

»Reaktive Sprünge, um genau zu sein«, ergänzt MarkusGruber. Ein »reaktiver Sprung« entsteht, wenn ein Sportlernach einem ersten Absprung wieder auf dem Boden auf-kommt und sofort weiterspringt. »Auf Knochen und Mus-keln wirken in diesen Sprüngen sehr hohe Kräfte, kurzzei-tig bis zu 10.000 Newton, also die Gewichtskraft einesKleinwagens. Keine andere natürliche Bewegung des Men-schen erzeugt höhere Kräfte auf die Beinmuskeln und-knochen. Für die Anforderungen der Astronauten sind re-aktive Sprünge ein hervorragendes Trainingskonzept«,führt Gruber aus.

Hohe Kräfte, hohe intramuskuläre Koordination, hoheTrainingsleistung für Muskeln und Knochen – das Problemist nur: Auf der ISS kann nicht gesprungen werden, odergenau genommen nur einmal, denn nach dem Absprungschwebt der Astronaut in eine Richtung davon. »Die Ge-genkräfte, die den Sportler auf die Ausgangsbasis zurück-bringen, müssen künstlich erzeugt werden, und zwar miteiner konstanten Kraft entsprechend der Erdgravitation«,skizziert Gruber das Problem. Die Lösung ist ein Schlit-tensystem, das in Zusammenarbeit der Universität Kon-stanz mit Novotec Medical, Astrium Friedrichshafen, der

Universität Freiburg, dem Deutschen Zentrum für Luft- undRaumfahrt (DLR) und der ESA entwickelt wurde. Der Astro-naut wird an den Schultern und den Oberschenkeln aneinem Sprungschlitten fixiert. Nach dem Absprung ziehtein Unterdruckzylinder den Schlitten zurück in die Aus-gangsposition. Die Zugkraft kann dabei angepasst werden,auch über und unter die Gravitationskraft der Erde.

Damit ist das Gerät auch für den Einsatz auf der Erdeinteressant, zum Beispiel zur Rehabilitation nach Bein-verletzungen: Liegend sind horizontale Trainingssprünge

möglich, die das Bein wenigerbelasten als die Schwerkraft.Die beste Nachricht für alle As-tronauten ist jedoch, dass eineeffektive Trainingseinheit auslediglich fünfmal zwanzig Sprün-gen besteht. Allenfalls fünfMinuten am Tag wird ein Astro-naut in dem Trainingsgerät ver-bringen, weitaus weniger alsauf den bisherigen Laufbändernund Radtrainern – das schmei-

chelt dem inneren Schweinehund.Es ist ein langer Weg zur Raumstation ISS, besonders

für Trainingsgeräte. Bevor die Weltraumbehörde Interessedas Gerät akzeptiert, muss zunächst bewiesen werden,dass es unter Schwerelosigkeitsbedingungen funktioniert.»Wir müssen auf der einen Seite beweisen, dass das Gerätin der Lage ist, Knochen- und Muskelverlust durch Schwere -losigkeit zu reduzieren. Auf der anderen Seite müssen wirzeigen, dass ein Training auf dem Gerät auch in Schwere-losigkeit korrekt durchgeführt werden kann«, erläutertGruber. Doch wie lässt sich Schwerelosigkeit auf der Erdesimulieren, vor allem auch noch deren Langzeiteffekte?

Die ersten Tests finden im Flugzeug statt, in Parabel-flügen. In stetigem Steig- und Sinkflug kann ein Flugzeug20 Sekunden Schwerelosigkeit pro Sturzflug erzeugen –mit dem Trainingsgerät und Probanden an Bord. Weitausschwieriger ist es, Langzeiteffekte nachzuweisen. In einersogenannten »Bedrest-Studie« bekommen Probanden dreiMonate lang eine strikte Bettruhe verordnet. Durch dieAufteilung der Probanden in eine Kontrollgruppe, die wei-ter nichts tut als zu liegen, und eine Trainingsgruppe, dieneben der Bettruhe noch das Trainingsgerät nutzt, könnenUnterschiede im Muskel- und Knochenschwund nachge-

Titel

6 48|2012

»Dieser Test wird grundlegend fürdie Entscheidung der Raumfahrt-behörden sein, ob sie das Gerätauf der ISS einsetzen und mög -licherweise für eine Marsmissionvorsehen werden.«

Dr. Andreas Kramer

Page 9: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

748|2012

Titel

wiesen werden. Natürlich sindsolche Studien unglaublich auf-wendig und für die Probandenzehrend. Nur alle zwei Jahreführt die ESA eine einzige Bedrest-Studie durch.

Das Trainingskonzept von Gruber und Kramer wurde vonder ESA für die nächste Bedrest-Studie im Jahr 2013 vor-gesehen – ein Ritterschlag für das Konzept. »Dieser Testwird grundlegend für die Entscheidung der Raumfahrt -behörden sein, ob sie das Trainingsgerät auf der ISS ein-

setzen und möglicherweise füreine Marsmission vorsehen wer -den«, ist sich Andreas Kramersicher. »Wir sind schon sehr

weit auf dem Weg, es ist ein sehr erfolgsversprechendesProjekt«, erklären die Konstanzer Sportwissenschaftler zu-versichtlich. Vielleicht wird es ihr Trainingsgerät sein, dasden Raumfahrern zum Sprung auf den Mars verhilft. Es istein kleiner Sprung für sie.

❱ gra.

Der Sprungschlitten in der Praxis:An Schultern und Schenkeln wird derSportler – hier Dr. Andreas Kramer – amSprung schlitten fixiert; ein Unter druck -zylinder bringt den Schlitten nach Ab-sprung zurück in die Ausgangs position.Beim Training auf der Erde wird derApparat in die Horizontale gekippt.

Die Konzeptskizze zeigt die Grundbestandteile desTrainingsapparats. Abbildung aus: Kramer et al.(2010) A new sledge jump system that allowsalmost natural reactive jumps. Journal ofBiomechanics 43, Seite 2672-2677.

»Wir sind schon sehr weit aufdem Weg, es ist ein sehrerfolgsversprechendes Projekt.«

❱ cms.uni-konstanz.de/sportwissenschaft/

Page 10: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Konferenz

8 48|2012

Prof. Dr. Harald Reiterer entwickelt innovative Konzepte,wie Menschen jenseits von Tastatur und Maus mit techni-schen Geräten interagieren. Im Herbst 2012 veranstalteteer an der Universität Konstanz die Konferenz »Mensch undComputer 2012«, die Entwicklungspotentiale in der Infor-mationstechnologie aufzeigte.

uni‘kon: Herr Reiterer, werden wir in zwanzig Jahren nochauf Tastaturen tippen?Harald Reiterer: Die Tastatur wird so schnell nicht an Be-deutung verlieren. Ihr großer Vorteil ist, dass sie aufgrund

des haptischen Feedbacks unschlagbar gut für ihren Zweckist. Zum Beispiel Blindschreiben funktioniert nur dank derergonomischen Qualität einer haptischen Tastatur undwäre bei einer Online-Tastatur – einer auf einem Displayeingeblendeten Tastatur wie beim iPad oder bei einemBahnterminal – kaum möglich. Was sich aber grundlegend ändern wird, ist das Angebotan Eingabegeräten alternativ zu Tastatur und Maus:Spracheingabe wird sicher mehr an Bedeutung gewinnen,was eine echte Konkurrenz zur Tastatur sein wird. Die Quali -tät der virtuellen Tastaturen wird sich mit Sicherheit durch

Die Erben der TastaturWelche Technik Maus und Tastatur ablöst und wie ein Computer mit bloßemAuge bedient werden kann – ein Interview mit Prof. Dr. Harald Reiterer

Page 11: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Konferenz

948|2012

haptisches Feedback verbessern: Wir werden in ZukunftOnline-Tastaturen haben, die ihrem Nutzer durch Vibrationeinen spürbaren Druckpunkt geben wird, vergleichbar mitdem haptischen Gefühl einer physikalischen Tastatur. Was zweifellos an Bedeutung gewinnen wird ist die au-genbasierte Interaktion: Das heißt, dass wir über BrillenInformationen eingeblendet bekommen werden, so dasswir die Information »direkt am Auge« haben und sogarüber das Auge interagieren können: Wird zum Beispiel einPunkt länger mit dem Auge fixiert, wird dies von der Brilleals Eingabe interpretiert. Das Auge könnte damit nicht nurals Empfangsmedium für Information dienen, sondern zu-gleich auch als Interaktionsinstrument.

Die Tastatur wird also nicht verdrängt, aber ergänzt?Ich glaube, das ist die Zukunft: Die Wahlfreiheit zwischenalternativen Eingabe- und Ausgabemedien wird deutlichzunehmen. Ein Gerät wird dann nicht nur eine visuelleAusgabe seiner Informationen bieten, sondern zugleichauch eine akustische und haptische Ausgabe. Die Zukunftwird uns die Wahlfreiheit bieten: Bediene ich ein Gerätlieber über Augen, Sprache oder Gesten?

Die Entwicklung im Computerbereich scheint heute wenigerdie technische Leistung als vielmehr Bedienung und Designim Blick zu haben.Der Trend geht genau in diese Richtung und ist bei denUnternehmen angekommen: Weg von der »Featureitis«,

dass ein Gerät immer noch mehr Features haben muss, dieman ohnehin nie alle benutzen kann. Was die Leute heuteinteressiert ist vielmehr: Sind die Geräte einfach undschnell bedienbar und macht es vor allem Spaß, sie zu be-dienen? Ist es vom Design etwas, mit dem ich mich iden-tifizieren kann? Schließlich ist das Gerät, mit dem ich in-teragiere, ein Teil meiner sozialen Umwelt. Unternehmen,die dies versäumt haben, mussten einen hohen Preis dafürbezahlen.

Die Geräte passen sich also ihrem Nutzer an, anstatt dasssich der Nutzer ihnen anpassen muss.Das ist die Vision, die unsere Arbeitsgruppe seit Jahrenganz massiv vorantreibt: Dass die natürliche Art undWeise, wie wir mit der realen Welt interagieren, mit denMöglichkeiten der digitalen Welt verschmilzt. Wir versu-chen, die Interaktion mit dem Computer noch wesentlichnatürlicher zu gestalten als bisher.

Werden dadurch Personengruppen erreicht, die bisher kei-nen oder wenig Umgang mit Computern hatten?Ganz klar. Gerade die realitätsbasierten Informationskon-zepte versuchen genau, auch die ältere Generation mit-zunehmen. Die Generationen werden durch die neuen In-teraktionskonzepte wieder mehr zusammenwachsen kön-nen, was ich als eine sehr positive Entwicklung empfinde.

❱ Das Gespräch führte Jürgen Graf.

Prof. Dr. Harald Reiterer ist Professor für Mensch-Computer- Interaktion an der Universität Konstanz. Im September 2012veranstaltete er mit der internationalen Tagung »Menschund Computer 2012« die größte deutsche Fachkonferenzfür Mensch-Computer-Interaktion. Mehr als 700 Teilneh -merinnen und Teilnehmer diskutierten an der UniversitätKonstanz wegweisende Interaktionspotentiale zwischenMensch und Maschine und präsentierten Exponate aus deraktuellen Ent wicklung. In über 170 wissenschaftlichen undpraktischen Beiträgen wurden Aspekte wie Design und Krea -tivität, virtuelle Welten, interaktive Oberflächen, User Experi-ence wie auch der Einfluss der Informationstechnologie aufunseren beruflichen und gesellschaftlichen Alltag thematisiert.

❱ hci.uni-konstanz.de/

Page 12: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Forschung

10 48|2012

Prof. Dr. Marius Busemeyer, Politikwissenschaftler an derUniversität Konstanz, wurde für sein Projekt »Investingin Education in Europe: Attitudes, Politics and Policies«(INVEDUC) eine Förderung mit einem ERC Starting Grantin Höhe von 1,5 Millionen Euro zugesprochen. MariusBusemeyer wird im Rahmen des geförderten Projekts analy -sieren, welche Art von Bildungspolitik Bürgerinnen undBürger in Europa bevorzugen.

In der ersten Projektphase wird zu diesem Zweck inacht ausgewählten europäischen Ländern eine groß ange-legte Meinungsumfrage durchgeführt, welche die Präfe-renzen der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Höhevon Bildungsausgaben, der Verteilung auf unterschied -liche Bildungsbereiche und der Steuerung von Bildungs-systemen erheben wird. In der zweiten Projektphase stehtdie Frage im Mittelpunkt, inwiefern Bürgerinnen und Bür-ger ihre eigenen Ansichten in der Politik verwirklichen

können. »Wir werden ganz konkret fragen, ob die Wünscheder Bürger für politische Akteure überhaupt eine Rollespielen oder doch organisierte Interessen dominieren.Dabei werden wir natürlich auch untersuchen, ob es Un-terschiede in der Verarbeitung der Präferenzen je nachLand oder Bildungssektor gibt«, erläutert Busemeyer seinForschungsvorhaben. Er geht davon aus, dass das Projektdas Verständnis der Zusammenhänge zwischen Bildungs-und Sozialpolitik sowie des Einflusses von Wählerpräfe-renzen im politischen Prozess erweitern wird.

Marius Busemeyer ist seit 2011 Professor für Politik-wissenschaft, insbesondere Policy-Analyse und PolitischeTheorie an der Universität Konstanz. Er ist seit 2010 auchLeiter einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe zu dem vonder Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertenProjekt »The Politics of Education and Training Reforms inWestern Welfare States«, das sich mit Berufs- und Hoch-

Prof. Dr. Marius Busemeyer ist seit 2011 Professor fürPolitikwissenschaft, insbesondere Policy-Analyse undPolitische Theorie an der Universität Konstanz. SeineForschungsschwerpunkte bilden die Policy-Analyse imBereich der Bildungspolitik sowie in den Feldern derSozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ein Fokus liegtauf der Reform von Bildung und Ausbildung in denwestlichen Wohlfahrtsstaaten, die er im Rahmen einesEmmy Noether-Projekts untersucht. Nun wurde ihm einERC Starting Grant zugesprochen.

Investitionenin europäischeBildungspolitikERC Starting Grant für KonstanzerPolitikwissenschaftler

Page 13: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

1148|2012

Forschung

schulbildungssystemen im inter -nationalen Vergleich beschäftigt.Busemeyer studierte Politik-,Wirtschafts- und Rechtswissen -schaften an der UniversitätHeidelberg, an welcher er imJahr 2006 auch promoviertwurde. Von 2003 bis 2005 warer McCloy Fellow der Studienstiftung des Deutschen Volkesund konnte im Rahmen dieses Fellowships an der HarvardKennedy School, USA, studieren. Von Oktober 2009 bisMärz 2010 war Marius Busemeyer Post-Doc am Center forEuropean Studies der Harvard University. 2010 wurde ihmvon der Universität zu Köln die Venia Legendi für das FachPolitikwissenschaft verliehen.

Der Europäische Forschungsrat(European Research Council –ERC) ist eine von der Europäi-schen Kommission eingerich-tete Institution zur Finanzie-rung von grundlagenorientier-ter Forschung. ERC StartingGrants sollen die wissenschaft-

liche Unabhängigkeit der Geförderten unterstützen. Siekönnen für bis zu fünf Jahre beantragt werden und bein-halten ein maximales Projektbudget von bis zu 1,5 Mil-lionen Euro. Geförderte Forschungsprojekte müssen ineinem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder asso -ziierten Staaten durchgeführt werden.

❱ hd.

»Wir werden ganz konkret fragen,ob die Wünsche der Bürger fürpolitische Akteure überhaupt eineRolle spielen oder doch nur organi-sierte Interessen dominieren.«

Prof. Dr. Marius Busemeyer

Ihr Weg zu TRUMPFSie möchten während des Studiums praktische Erfah rungensammeln oder Ihre Abschlussarbeit in einem Unternehmenverfassen? Motivierte Studenten, die gerne Verantwortungübernehmen, sind bei uns genau richtig!

TRUMPF zählt zu den deutschen Top-Arbeitgebern im BereichMaschinenbau. Wir sind bekannt als Innovations- undTechnologieführer und gehören zu den attraktivsten Unternehmen Deutschlands. Warum? Finden Sie es heraus.

Die TRUMPF Laser GmbH + Co. KG in Schramberg ist Markt -führer bei Laser geräten für die Material bearbeitung.Verantwortung zu tragen gehört bei uns von Anfang an dazu.Denn bei TRUMPF lernen und arbeiten Sie im be trieb lichenProzess. Ob Projekte oder Produktions aufträge von Kunden –Sie tragen vom ersten Tag Ihren Teil zum TRUMPF Erfolg bei.

Beschreiten Sie gemeinsam mit uns neue Wege:Wir bieten qualifizierten Universitäts- und Fachhoch schulabsolventenoptimale Ein- und Aufstiegs möglich keiten. Wenn Sie anspruchsvolle Aufgaben als eine Heraus forderung betrachten,etwas bewegen wollen, sich mit Ideen und Visionen einbringen und engagieren wollen, dann freuen wir uns a

Weitere Informationen zum Einstieg bei TRUMPF Laser erhalten Sie unter:

TRUMPF Laser GmbH + Co. KG · PersonalverwaltungAichhalder Straße 39 · 78713 SchrambergTelefon: +49 7422515 - 0 · Telefax: +49 7422515 - [email protected] · www.trumpf.com

Trumpf Laser GmbH + Co. KG

T

❱ www.polver.uni-konstanz.de/busemeyer/home/

Page 14: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Forschung

In vielen technischen Geräten werden Bauteile verwendet,die nur sehr selten vorkommende, chemische Elementeenthalten. Die Entwicklung von neuen Materialien, die ge-nauso gut oder sogar besser sind, aber ohne diese selte-nen (und teuren) Elemente auskommen, stellt eine großewissenschaftliche Herausforderung und gleichzeitig einenSchlüsselschritt für die Entwicklung zukünftiger Produktedar. Ein konkretes Beispiel sind optisch transparente undgleichzeitig elektrisch leitende Beschichtungen, die unteranderem in Displays von Handys, in Flachbildschirmen,aber auch Solarzellen benötigt werden. An der UniversitätKonstanz hat sich ein Forschungskonsortium gebildet, dassich zum Ziel gesetzt hat, in entsprechenden Materialien

wie dem so genannten ITO (Indium tin oxide – Indium-Zinn-Oxid) seltene Elemente wie Indium zu ersetzen, ohnedass das Material an positiven Eigenschaften einbüßt.Unter dem Titel »Ressourcenschonende Wege zu leitfähigenFilmen für neue Anwendungen in energietechnologisch re-levanten Systemen« (REFINE) fördert die Carl-Zeiss-Stiftungdas Konsortium über einen Zeitraum von vier Jahren mitbis zu einer Million Euro.

Das Display eines Handys funktioniert, indem durcheine angelegte elektrische Spannung optische Signale er-zeugt werden, die sichtbar sind. Ähnlich funktionierenSolar zellen dadurch, dass zwischen zwei Kontakten eineelektrische Spannung erzeugt wird, wobei der obere Kon-

Transparent, leitend undressourcen schonendCarl-Zeiss-Stiftung fördert Konstanzer Forschungskonsortium mit einer Million Euro

Prof. Dr. Sebastian Polarz ist seit 2007 Professorfür Funktionelle Anorganische Materialien an derUniversität Konstanz. Seine Forschungsgebiete um-fassen poröse Materialien, organisch-anorganischeHybridmaterialien, Metalloxidmaterialien, Kolloide,Flüssigkristalle und die Festkörperanalytik. Zuvorleitete er an der Ruhr-Universität Bochum eineEmmy-Noether-Nachwuchsgruppe, mit der er zunächstan die TU Berlin umzog.

12 48|2012

Page 15: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Forschung

takt lichtdurchlässig sein muss, so dass Strom fließenkann, aber auch Licht in das Gerät kommen kann. Sowohldie Sichtbarkeit der Anzeige auf Displays bzw. die Licht-durchlässigkeit auf Solarzellen als auch die Leitfähigkeitvon Strom werden durch eine unsichtbare Beschichtung,einen Film, bewirkt, der transparent und elektrisch leitfä-hig ist. Leitfähige transparente Schichten sind in vielenBereichen relevant. »Wir nehmen uns ein zentrales Gebietvor«, erläutert Prof. Dr. Sebastian Polarz als Sprecher vonREFINE, »indem wir uns mit Materialien beschäftigen, diehäufig vorkommende Elemente enthalten und somit res-sourcenschonend sind, die aber dennoch die gleichen Ei-genschaften haben wie zum Beispiel ITO-Materialien.«

Solche häufig vorkommenden Elemente sind beispiels-weise Kohlenstoff, Aluminium, Zink oder Titan, die in all-täglichen Gegenständen wie Alu-Folie, Dachrinnen undAutokarosserien oder im Fall von Titandioxid in Zahnpastaoder Wandfarbe enthalten sind. Wird beispielsweise ausdem Zinkoxid ein Zink-Atom »herausgenommen« unddurch ein Aluminium-Atom ersetzt, können die gewünsch-ten Eigenschaften erhalten werden, aber nur dann, wenndas Aluminium-Atom genau den richtigen Platz einnimmt.Liegt es nur ein bisschen falsch, bekommt das Materialnicht die Eigenschaft, die es haben soll. »In der Grundla-genforschung ist zu diesem Thema noch sehr viel zu tun.Wir werden versuchen, einen Grundstein zu legen«, sagtder Chemiker Polarz. Gedacht wird jedoch längerfristig –von der Grundlagenforschung über die angewandte For-schung bis hin zur industriellen Applikation. Am Ende sol-len Innovationsimpulse für die Produktion industriellerProdukte stehen.

Zu Beginn werden im REFINE-Konsortium vier Kernkom-petenzen vorhanden sein. Der Arbeitsbereich des Physi-kers Prof. Dr. Lukas Schmidt-Mende beschäftigt sich mitnanostrukturierten Solarzellen. Prof. Dr. Giso Hahn sollmit seiner Solarzellenforschung die Brücke zur industriellenAnwendung schlagen. Der Chemiker Prof. Dr. Stefan Meckingführt Untersuchungen zu leitfähigen, organischen Polymerendurch, und Sebastian Polarz selbst widmet sich oxydischenHalbleitermaterialien. Mit den Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftungwerden zunächst vier Doktorarbeiten finanziert, die inter-disziplinär betreut werden und deren Zahl mit der geplantenErweiterung durch weitere Arbeitsbereiche auf bis zu zehnaufgestockt werden soll. Dazu können sich weitere Arbeits-gruppen und auch Industrieunternehmen an das Konsortium

anschließen, wozu auch eine so genannte Seed-Finanzierungzur Initiierung von Forschungsprojekten zur Verfügung ge-stellt werden kann.

Ein wissenschaftlicher Zusammenschluss, der die dreiAspekte der Transparenz, Leitfähigkeit und Schonung vonRessourcen in sich vereint, ist zumindest deutschlandweiteinzigartig. »Durch geschickte Berufungspolitik gibt es ander Universität Konstanz eine genügend große Anzahl anWissenschaftlern, die das Thema bearbeiten können, diebislang nur noch nicht zusammengearbeitet haben«, erklärtSebastian Polarz. »Wir haben hier eine Situation, mit derdie Universität Konstanz schon in vielen Bereichen erfolg-reich war: Dass wir unter einem Dach genau die Forscherbeieinander haben, die solch eine Thematik abbilden.«

❱ msp.

Türkisches Restaurant

seit 30 Jahren

ALLE GERICHTE ZUM MITNEHMEN!

MITTAGSTISCH

4,90 EURO

Restaurant Sedir am MünsterHofhalde 11 - 78462 Konstanz - Tel. 07531 – 29352

Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 11.30 – 14.30 und17.00 – 23.30 Uhr warme Küche

Samstag und Sonntag durchgehend geöffnet

RESTAURANT SEDIRRESTAURANT SEDIR

1348|2012❱ cms.uni-konstanz.de/polarz/

Page 16: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Forschung

Mäuse soll er gemacht haben, mit dem Tod wurde er dafürbestraft. Sie nennen ihn den »Trudenfanger«, ein Bettel-knabe aus der bayerischen Residenzstadt Freising des frü-hen 18. Jahrhunderts. Auf einer Wiese vor den StadttorenFreisings wollen ihn andere Kinder gesehen haben, wie erMäuse herbeizauberte. Zur Zeit seiner Verhaftung ist ergerade einmal zehn Jahre alt. Die Anklage: Hexerei. Esfolgt einer der letzten großen Kinderhexenprozesse derfrühen Neuzeit, in deren Verlauf fast 70 Kinder und Er-wachsene angeklagt werden. Für die Nachwelt hinterlässtder Großprozess tausende Seiten an Verhörprotokollen undeine brennende Frage: Wie kann eine Gesellschaft so weitkommen, dass sie allen Ernstes Kinder hinrichtet?

Dreihundert Jahre später greift der Konstanzer Histori-ker Dr. Rainer Beck den Fall wieder auf. In zehn JahrenDetailarbeit analysiert er die Verhörprotokolle und rekon-

struiert präzise das Bildeiner Gesellschaft, in derDämonen und Hexen alsecht gelten, in der Armut imwahrsten Sinne des Wortesverteufelt werden kann undin der ein weiter Weg zugehen ist, bis ein des Zau-berns verdächtigtes Kindfreigesprochen würde. Mitseiner 1.000 Seiten starkenMonographie »Mäuselma-cher oder die Imaginationdes Bösen« brachte der Pri-

vatdozent ein sensationelles Werk zu Papier, das weitausmehr ist als »nur« ein Buch über Hexenprozesse: »Mäu-selmacher« ist eine Milieuskizze, ein Gesellschaftsporträt,ein Einblick in das Denken einer Ära und in religionswis-senschaftliche Diskurse. Nicht zuletzt ist »Mäuselmacher«eine Lektüre von fesselndem literarischen Sog: An vielenStellen liest sich der Hexenprozess in all seinen Wendun-gen wie ein Gerichtskrimi.

Was »Mäuselmacher« so faszinierend macht ist RainerBecks hautnahe Perspektive auf das Gerichtsverfahren unddessen Protagonisten. Beck gibt sich nicht mit einer ab -strakten Analyse zufrieden, sondern nimmt die Sprecherdes Prozesses in den Fokus und taucht quasi mitten in dasKreuzverhör ein. Satz für Satz rollt er die protokolliertenGespräche in ihrer Dynamik auf: Was verraten uns dieTexte über ihre Sprecher? Unter welchen gesellschaftspo-litischen Begleitumständen wurde die Argumentation ge-führt? »Der Reiz ist für mich die Dekodierung eines Rätselsgewesen – ganz banal: Worüber reden diese Leute über-haupt, wenn sie von Hexerei reden?«, skizziert Beck. Dasseine Beantwortung dieser Frage nicht so banal ist, stelltsich schnell heraus: Warum in aller Welt beteuert der an-geklagte Knabe nicht seine Unschuld, sondern verstricktsich stattdessen in kindliche Fantasien über Zauberei? Undwichtiger noch: Wieso nimmt ein erwachsenes Gericht dasGeschwätz von Kindern derart bitterernst, dass es Todes-urteile ausspricht?

Mäuse hat er gemacht, Zauber hat er gewirkt, Teufels-wesen haben ihn nachts besucht – zumindest, wenn esnach den Fantasien des »Trudenfangers« geht. Warumsollte er auch nicht diese Geschichten erzählen, um dieihn das Gericht doch bittet, wo er nun endlich einmal allerWelt Aufmerksamkeit genießt – er weiß ja, dass er in Wirk-lichkeit kein Hexer ist, und dem Gericht wird das schonklar sein. Machte der Knabe seinen Richtern grandiosetwas vor und scheiterte letztlich daran, auf dem schma-len Grat zwischen der Schilderung von Fantasien und Rea-lität haarscharf an seinen Richtern vorbeigeredet zuhaben? »Diese Menschen«, so Beck, »lebten in einer Kul-

Von Mäusen und HexenIn seinem Buch »Mäuselmacher« gibt Privatdozent Dr. Rainer Beck eineneue Perspektive auf Hexenprozesse der frühen Neuzeit

PD Dr. Rainer Beck hat die Vertretungsprofessur fürFrühe Neuzeit an der Universität Konstanz inne. Inseiner Forschung und Lehre interessiert sich RainerBeck unter sozial- wie kulturanthropologischer Pers -pektive für Fragen der Religion, der Gewalt, für Wirk-lichkeitsbilder, Subjekt- und Alteritätskonstruktionenin mikro- wie makrohistorischem Kontext.

14 48|2012 ❱ www.geschichte.uni-konstanz.de/willkommen/

Page 17: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Forschung

tur, in der es unzählige Hexen, Teufel und Dämonen nichtzuletzt als Erziehungs- und Schreckfiguren gab – eine Kul-tur, in der kindliche Fantasien eine Rolle spielten und inder es nicht schwierig war, dämonische Narrative zu ge-bären, wenn man nur der Meinung war, man solle sie er-zählen. Situationsverkennungen spielen eine wichtigeRolle. Fakt ist, dass die Richterlange nicht durchschaut haben,womit sie es zu tun haben,und zufrieden waren, gewisseFiktionen als Geständnisse in-terpretieren zu können.«

Also ein reiner Scheinpro-zess, in dem Kinderfantasienverurteilt wurden? »Das wärezu undifferenziert«, warnt der Historiker davor, die Hexereials luftleeres Gespinst abzutun, denn für die Menschenjener Zeit wirkte Hexerei gleichzeitig als höchst reale Be-drohung. »Wir verstehen Hexenglauben oft zu sehr als Ho-kuspokus und vernachlässigen die religiöse, spirituelleKomponente. Da geht es um eine kollektive Bedrohung,um die Bedrohung der christlichen Gesellschaft, in einerZeit der Umbrüche und Verunsicherung. Prozess und Urteilsind das Ergebnis einer Gelehrtendämonologie, einer Theo-logie, die Teufelsbilder generiert,die dann vergleichsweise flexibelauf bestimmte Konstellationen undSituationen angewendet werdenkonnten«, erläutert Beck.

Mäuse zaubern, ein Kinderspiel!Wie ein Kind wurde der »Truden-fanger« jedoch nicht behandelt,zumindest nicht vor Gericht. »Esgab damals keinen ›Kinderpro-zess‹«, verdeutlicht Rainer Beck,»Kinder wurden vor Gericht be-handelt wie Erwachsene.« Andersals in der Moderne wurde ein Kinddamals nicht als unschuldig undschützenswert betrachtet. Hexereigalt zudem als Sonderverbrechen.Eine Unschuldsvermutung, wie siefür unser heutiges Recht essentiellist, gab es in einem Hexenprozessnicht. »Unschuld musste bewiesen

werden, anstatt dass man sich auf Unschuld beziehenkonnte«, zeigt der Historiker auf. Dass der »Trudenfanger«ein Bettelknabe war, kam erschwerend hinzu: »In dieserForm von Ständegesellschaft gehörte es nicht zur politi-schen Korrektheit, Respekt vor Armen zu empfinden. ImGegenteil, Arme wurden dämonisiert und standen gele-

gentlich unter Generalverdacht,mit dem Teufel im Bunde zusein«, erklärt Beck.

Mäuse wurden herbeigezau-bert, und Mäuse griffen umsich. Wo ein kleiner Mäuselma-cher den Anfang machte, stan-den am Ende fast 70 Kinderund Erwachsene unter Anklage.

»Ein großer Hexenprozess wirkte mitten in eine Gemeindehinein und konnte ganze Städte bedrohen, weil am Endeniemand mehr sicher war, wenn keine Notbremse gezogenwurde«, erläutert Beck. Und die Notbremse wurde gezo-gen: Das Todesurteil wurde über den »Trudenfanger« undetliche seiner Kameraden ausgesprochen, auf dass sich diesaubere Gesellschaft von ihren Plagegeistern befreie. Soganz wohl schien sich die Gemeinde mit ihrem Schluss-strich aber nicht zu fühlen, zumindest wurde künftig ver-

mieden, jemals wieder einen He-xenprozess zu führen.

»Im Grunde genommen war derProzess ein Desaster: Er war hoch-aufwändig, er war verbunden mitder Notwendigkeit, alles Möglichezu vertuschen, was man unsaubergemacht hat, er hat nicht wahn-sinnig viel gebracht – wobei mansich grundsätzlich fragen sollte,was Hexenprozesse eigentlichbringen sollen«, zieht Rainer Becksein Fazit. Sein Buch endet mitder Beschreibung einer pompösenTausendjahrfeier, wie die hohenGäste des Umlandes zum Korbini-ansfest in die Stadt Freising ein-zogen. Die Mäuse waren weg, end-lich konnte sich die durchlauchteGesellschaft wieder selbst feiern.

❱ gra.

Dr. Rainer Beck »Mäuselmacher oderdie Imagination des Bösen«, VerlagC. H. Beck, 1008 Seiten, 49,95 €.

1548|2012

»Wir verstehen Hexenglaubenoft zu sehr als Hokuspokus undvernachlässigen die religiöse,spirituelle Komponente.«

Dr. Rainer Beck

Page 18: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Konferenz

Seit Anfang des Jahres 2012 ist Prof. Dr. Friedrich Breyer,Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Univer-sität Konstanz, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaftfür Gesundheitsökonomik (DGGÖ). In Konstanz fand 2012unter seiner Präsidentschaft die Jahrestagung der DGGÖstatt. Der Titel lautete »Rationierung und Priorisierung imGesundheitswesen«. Im Gespräch mit uni’kon erklärt erdie Arbeit der Gesellschaft und das Zusammenspiel vonethischen Fragen und wirtschaftlichen Analysen.

uni’kon: Prof. Breyer, das Thema der vergangenen Jahres-tagung der DGGÖ an der Universität Konstanz lautete: »Ra-tionierung und Priorisierung im Gesundheitswesen«. DieseÜberschrift klingt, als würde automatisch auf Kosten derPatienten gespart. Ein unpopuläres Thema?Prof. Dr. Friedrich Breyer: Ja, tatsächlich ist der Begriffder Rationierung gerade bei Politikern sehr unbeliebt. Derfrühere Bundesgesundheitsminister Philip Rösler sagte, erwürde sich nie an Debatten zur Rationierung oder Priori-sierung beteiligen – aus ethischen Gründen. Das finde ichsehr erstaunlich, weil natürlich in jedem Gesundheitswe-sen Leistungen rationiert werden. Rationierung bedeutetzunächst, dass Menschen ihre Gesundheitsleistungen vonder Solidargemeinschaft finanziert bekommen, sie nichtzu Marktpreisen bezahlen, sondern gar nichts oder einekleine Zuzahlung leisten müssen, dass diese Leistungenin der Menge aber beschränkt sind. Nicht jeder Patientkann eine unbegrenzte Menge an innovativen Leistungenbekommen, sondern diese Leistungen werden immer undin jedem Gesundheitssystem rationiert. Die Frage ist alsonicht, ob Gesundheitsleitungen rationiert werden, son-dern, wie sie rationiert werden. Dieser Punkt war Gegen-stand unserer Tagung: Was sollte der Maßstab sein, nachdem Gesundheitsleitungen rationiert werden?

Welche Maßstäbe können für eine Frage nach dem Wert vonGesundheit angelegt werden?In Großbritannien wird beispielsweise ein neues Medika-ment danach beurteilt, wie viel es pro Jahr zusätzlicher

Lebenserwartung kostet. Die Regel dort lautet: Wenn einzusätzliches Lebensjahr mehr kostet als eine bestimmteSumme (derzeit zwischen 20.000 und 30.000 Pfund), dannlohnt die Leistung nicht, weil Kosten und Nutzen in einemschlechten Verhältnis zueinander stehen. Ich sage nicht,dass wir diese Zahlen übernehmen sollten, aber viele Me-dikamente verlängern das Leben nur um Monate oder Wo-chen, und dafür können wir nicht bedenkenlos Millionenausgeben, sondern sollten uns offensiv mit dieser Frageauseinandersetzen. Das heißt, wir sollten die Bürger selbstfragen: Wie viel wären Sie zu zahlen bereit, damit Sie ineinem solchen Fall einige Wochen und Monate längerleben können? Dies ist ein wichtiger Forschungszweig inZeiten, in denen das Geld im Gesundheitswesen knapperwird und gleichzeitig ständig neue Medikamente und Ent-wicklungen auf den Markt kommen.

Das heißt, wir müssen unsere Lebenszeit in Euro aufrechnen?Selbstverständlich, und das tun wir fast täglich. Indemwir beispielsweise mit dem Auto fahren und nicht mit demZug, um Zeit zu sparen, oder weil es bequemer ist, gehenwir bewusst ein gewisses zusätzliches Risiko für unserLeben ein. Die Abwägung zwischen Lebenszeit und Geldtrifft jeder für sich selbst. Ich kenne niemanden, der nichtfür irgendeinen Betrag bereit wäre, ein kleines zusätzli-ches Lebensrisiko in Kauf zu nehmen. Es ist mit Sicherheitfalsch, diese Fragen mit einem gesellschaftlichen Tabu zubelegen, denn Tabus führen dazu, dass falsche Entschei-dungen getroffen werden, die nicht im Sinne der Betrof-fenen sind. Wir leben in einer Demokratie, da zählen dieWünsche der Bevölkerung, also müssen diese Fragen of-fensiv diskutiert werden.

Steht die DGGÖ als eine eher wirtschaftlich-medizinischeFachgesellschaft mit diesen Fragen nicht auch an derSchnittstelle zu grundlegenden ethischen Diskussionen?Ja natürlich, deswegen arbeiten wir auch in Forschergrup-pen wie der DFG-Gruppe »Priorisierung in der Medizin«oder dem DGGÖ-Ausschuss für Verteilung, in denen es um

Was ist ein Leben wert?Prof. Dr. Friedrich Breyer über die Aufrechnung von Lebenszeit in Euro unddie Möglichkeiten, Organspenden für alle attraktiv zu machen

16 48|2012

Page 19: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Konferenz

eben diese Fragen geht, mit Psychologen, Medizinern undEthikern zusammen. Ich selbst werde häufig zu Tagungeneingeladen, bei denen im Wesentlichen ethische Fragendiskutiert werden. Der Diskurs zwischen Ökonomen, Me-dizinern und Ethikern findet in der DGGÖ ständig statt.

Die DGGÖ gibt auch Stellungnahmen zu konkreten Gesetzes-vorlagen oder politischen Vorhaben ab. So beispielsweisezum Thema Organspende und der sogenannten Entschei-dungslösung. Die DGGÖ hatte eine Bevorzugung von spen-debereiten Patienten vorgeschlagen. Wie muss man sich daspraktisch vorstellen?Bei der Organverteilung hat die Warteliste, nach der Emp-fänger für Organe ausgewählt werden, verschiedene Kri-terien. Eines davon ist die Dringlichkeit, ein entscheiden-des Kriterium, wenn man bedenkt, dass allein in Deutsch-land jedes Jahr 1.100 Menschen sterben, während sie aufder Warteliste eingetragen sind. Außerdem wird die bis-herige Wartezeit des Empfängers angerechnet. Um mög-lichst viele Spender zu gewinnen, ist unser Vorschlag einAnreizsystem, das potentiellen Spendern Vorteile ver-schafft: Die Wartezeit eines Patienten, der sich zuvor imRahmen der Entscheidungslösung für eine Organspendebereit erklärt hat, sollte verkürzt werden. Ein Patient, dereiner Organspende bewusst widersprochen hatte, würdedadurch gegenüber dem spendebereiten Patienten einenNachteil in der Wartezeit haben. Wir halten es für eineschreiende Ungerechtigkeit, wenn bei zwei Patienten mitgleicher medizinischer Dringlichkeit derjenige, der lebens-lang bereit war, seine Organe zu spenden, bewusst hinterjemanden gestellt wird, der widersprochen hat. Und das nur,weil der eine vielleicht einen Monat länger gewartet hat.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, um einem Missbrauch desOrganspendesystems, wie ihn aktuelle Skandale zu Tagebringen, vorzubeugen und das Vertrauen der Spender wie-derherzustellen?Ich halte es für vollkommen verständlich, dass sich jederArzt für seine eigenen Patienten besonders stark einsetztund versucht, ihnen einen Vorteil zu verschaffen. Darumwird es kaum möglich sein, Versuche der Manipulation vonLabordaten, wie sie in Göttingen und Regensburg passiertsind, endgültig zu verhindern. Der eigentliche Grund fürdie Manipulationen liegt aber im Mangel an Spenderorga-nen, weil die Position auf der Warteliste buchstäblich über

Leben oder Tod entscheidet. Daher muss man dem Organ-mangel begegnen, und dafür wäre gerade unser Vorschlagbesonders geeignet.

Welche Reaktionen erhalten Sie seitens der Politik?Wir arbeiten auf einem Gebiet, das politisch unmittelbarrelevant ist. Dennoch bilden wir uns als Fachgesellschaftnicht ein, große politische Resonanz zu haben. Es gehtuns darum zu zeigen, dass wir nicht nur Wissenschaftlersind, was wir in erster Linie sind, sondern dass aus unserenwissenschaftlichen Analysen verwertbare Ergebnisse fürdie Politik entstehen, mit denen wir nicht hinter dem Berghalten wollen.

❱ Das GesprächführteHelena Dietz.

Prof. Dr. Friedrich Breyer ist seit 1992 Professor für Wirtschafts- undSozialpolitik an der Universität Konstanz. Daneben ist er Forschungs-professor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin.Seine Forschungsgebiete umfassen Ökonomische Probleme der sozialenSicherung, Gesundheitsökonomik und Ökonomische Theorie der Politik.Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsöko-nomie (DGGÖ) 2012 an der Universität Konstanz wurde er zum Vorsit-zenden ernannt. Er ist Mitglied des Fachkollegiums Wirtschaftswissen-schaften der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaft-lichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.

1748|2012❱ www.wiwi.uni-konstanz.de/breyer/home/

Page 20: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der UniversitätKonstanz ist es gelungen, erstmals die Kristallstrukturenfür Analoga – chemische Verbindungen mit strukturellerÄhnlichkeit – aller vier natürlichen Bausteine des Erbgutszu bestimmen. Die Forscherinnen und Forscher der Kon-stanzer Graduiertenschule Chemische Biologie ermitteltendie 3D-Struktur von sechs modifizierten DNA-Nukleotidenim Komplex mit der verkürzten DNA-Polymerase aus »Ther-mus aquaticus«. Ihre Forschungsergebnisse wurden jüngstals Titelbeitrag des Wissenschaftsjournals »Journal of theAmerican Chemical Society« (JACS) veröffentlicht.

Die Konstanzer Strukturanalysen geben Einblicke in dasBindungsverhalten von modifizierten Nukleotiden und er-lauben dadurch Prognosen für die Kompatibilität vonkünstlich gestalteten Nukleotiden mit den natürlichen En-zymen, ohne wie bislang üblich das Bindungsverhaltendurch reines Ausprobieren auszutesten. Die Forschungser-gebnisse ermöglichen ein rationales Design von modifi-zierten Nukleotiden und sind somit ein wesentlicherSchritt voran im Bereich der synthetischen Biologie. Diegezielte Modifikation von Nukleotiden bildet die Grundlagefür eine Vielzahl von biotechnologischen Anwendungen undwird unter anderem für die DNA-Sequenzierung eingesetzt.

Die Konstanzer Forscherinnen und Forscher nutzten dieRöntgenstrukturanalyse als Methode, um die 3D-Strukturder synthetisierten Nukleotide im Komplex mit der DNA- Polymerase zu bestimmen. Anhand der ermittelten Kristall-strukturen analysierten sie die strukturellen Bedingungen,nach denen künstliche Nukleotide von natürlichen Enzymenakzeptiert werden. Aufbauend auf ihren Strukturanalysen

ergründeten sie, wie Modifikationen beschaffen sein müs-sen, um beliebige weitere chemische Bausteine an die Nu-kleotide zu binden. Mit ihren Rückschlüssen erforschten dieWissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damit die Grund-lagen, um nahezu beliebige chemische Bausteine an dieDNA anzuhängen. »Es ist vergleichbar mit einer Art Werk-zeugkasten, der uns die Instrumente bietet, um Modifika-tionen je nach Zweck anzupassen«, erläutert Konrad Ber-gen, Doktorand der Graduiertenschule Chemische Biologiean der Universität Konstanz. Gemeinsam mit Anna-LenaSteck, ebenfalls Doktorandin der Graduiertenschule Chemi-sche Biologie, führte er das Forschungsprojekt in den Ar-beitsgruppen von Prof. Dr. Andreas Marx, Prof. Dr. WolframWelte und Prof. Dr. Kay Diederichs durch.

Die erfolgreiche Forschungsarbeit profitierte dabei we-sentlich von der engen Interaktion der Konstanzer Fachbe-reiche Biologie und Chemie. »In vielen Fällen schickt manfür eine Röntgenstrukturanalyse Proben an Kooperationspart-ner und wartet dann viele Wochen auf ein Ergebnis. Hier inKonstanz konnte ich einfach im entsprechenden Labor ne-benan vorbeigehen und direkt mit den Kollegen die unmit-telbaren Ergebnisse der Strukturanalyse diskutieren«, veran-schaulicht die Chemikerin Anna-Lena Steck ihre effizienteZusammenarbeit mit den Konstanzer Strukturbiologen.

❱ gra.

Originalveröffentlichung: Bergen, K., Steck, A., Strütt, S., Baccaro,A., Welte, W., Diederichs, K., Marx, »Structures of KlenTaq DNAPolymerase Caught While Incorporating C5-Modified Pyrimidineand C7-Modified 7-Deazapurine Nucleoside Triphosphates«, A. J.Am. Chem. Soc. 2012, DOI: 10.1021/ja3017889.

Modellbausatzfür modifizierteDNA-NukleotideRöntgenstrukturanalyse von Forschernder Universität Konstanz erlaubt Ein -blicke in das Bindungsverhalten vonmodifizierten Nukleotiden

Neue Publikationen

18 48|2012

Anna-Lena Steck und Konrad Bergen sind Mitglieder derGra du ierten schule Chemische Biologie. Konrad Bergen nahm inZusammenhang mit dem Forschungsprojekt die Röntgenstruktur-analysen zur Ermittlung der Kristallstrukturen vor. Anna-LenaSteck war federführend für die Synthesen und Analytik derVerbindungen verantwortlich.

❱ www.exzellenz.uni-konstanz.de/graduiertenschule-chemische-biologie/

Page 21: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Ein Forschungsteam der Universität Konstanz um den Evo-lutionsbiologen Prof. Axel Meyer, PhD, fand Hinweise aufeinen horizontalen Gentransfer zwischen Wirbeltieren:»Horizontaler Gentransfer« bezeichnet einen Genfluss überArtgrenzen hinweg – eine Weitergabe von Genen nicht vonElterngeneration zur Kindesgeneration, sondern zwischenverschiedenen Tierarten derselben Generation. Im Wissen-schaftsjournal »Genome Biology and Evolution« berichtendie Konstanzer Biologen von einer Übertragung des Gen-elements Tc1 über einen parasitären Kontakt zwischenNeunaugen und von ihnen befallenen Süßwasserfischen.Die Beobachtung ist in der Biologie bislang einzigartig:»Mir ist kein anderer Fall bekannt, in dem horizontalerGentransfer zwischen Wirbeltieren eintritt und ein anderesWirbeltier der Vektor ist«, berichtet Axel Meyer.

Die Arbeitsgruppe von Axel Meyer ist Teil eines inter-nationalen Forschungsnetzwerks, das das gesamte Genomder Meeresneunaugen (Petromyzon marinus) bestimmtund analysiert hat. Dabei fiel Huan Qiu und Shigehiro Ku-raku aus der Konstanzer Arbeitsgruppe eine auffälligeHäufigkeit des Tc1-Genelements im Neunaugengenom auf– es wurden über 6.600 Kopien gefunden. »Diese be-stimmte Form von Tc1 ist nur in den Genomen von weni-gen Tierarten zu finden, und zwar ausschließlich in Neun-augen und in Süßwasserfischen der nördlichen Erdhalbku-gel, die regelmäßig Opfer von Neunaugen werden», schil-dert Axel Meyer. Neunaugen sind aalähnliche Wirbeltiereund Exoten der Evolutionsbiologie: Vor über 500 MillionenJahren teilten sie sich zuletzt einen gemeinsamen Vorfahrenmit anderen Wirbeltieren.

Die parasitär lebenden Neunaugen saugen sich mit ihremRundmaul an Fischen fest und ernähren sich von Blut und Körpersäften ihrer Wirtstiere. Über diesen parasitären Kontaktwird die Übertragung des Tc1-Genelements stattgefundenhaben, vermutet Axel Meyer: »Die evolutionär mosaikhafteVerbreitung dieser Gruppe von Tc1-Elementen und die Analyseihres Alters legen nahe, dass sich diese DNA-Elemente mehr-fach zwischen parasitischen Neunaugen und deren Wirtsfischenhorizontal verbreitet haben«, erklärt der Evolutionsbiologe.Die Tc1-Elemente scheinen sogar noch nicht einmal ihren Ur-sprung im Neunauge genommen zu haben: Die Untersuchungender Konstanzer Biologen legen nahe, dass dieses Genmaterialaus evolutionär weitaus jüngeren Fischarten stammen muss.

Mit ihren Beobachtungen und Rückschlüssen haben dieKonstanzer Biologen erstmalig einen plausiblen Mechanis-mus für horizontalen Gentransfer zwischen Wirbeltieren ge-funden. Nach bisheriger Lehrmeinung spielte horizontalerGentransfer hauptsächlich nur bei Bakterien und in derFrühphase der Evolution eine Rolle. Die Auswirkungen desTc1-Elements auf die Genome der betroffenen Tierarten sindnoch nicht bekannt. »Es muss nichts Negatives sein«, be-ruhigt Axel Meyer: »Es sind Fälle bekannt, in denen solcheTransposons – ›springenden Gene‹ – die Funktion eines be-nachbarten Gens verändert haben. Dies kann sogar positiveevolutionäre Effekte haben«, erklärt der Evolutionsbiologe.

❱ gra.

Originalveröffentlichung: Shigehiro Kuraku, Huan Qiu, Axel Meyer,»Horizontal transfers of Tc1 elements between teleost fishes andtheir vertebrate parasites, lampreys«. Genome Biology and Evolu-tion August 9, 2012 doi:10.1093/gbe/evs069

Genaustauschüber ArtgrenzenhinwegKonstanzer Studie legtNeu be wertung von hori-zontalem Gentransfer nahe

Neue Publikationen

1948|2012

Prof. Axel Meyer, Ph.D., ist seit 1997 Professor für Zoologie und Evolutionsbiologiean der Universität Konstanz. Er zählt zu den weltweit führenden Experten auf demGebiet der Evolutionsbiologie. Für seine wissenschaftliche Arbeit erhielt er zahlreicheAuszeichnungen – unter anderem ein Advanced Grant des European Research Council,die Carus-Medaille der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie denAkademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

❱ www.evolutionsbiologie.uni-konstanz.de/

Page 22: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Neue Publikationen

Der Biologe Prof. Dr. Thomas Mayer interessiert sich fürdie komplexe Regulation der Zellteilung. Für diese Unter-suchungen verwendet er die Eier des Krallenfroschs Xeno-pus laevis. Bereits während seiner Forschungstätigkeit amMax-Planck-Institut für Biochemie in München gelang esThomas Mayer, mit der Entdeckung des Proteins XErp1 einseit langer Zeit bestehendes Rätsel zur Regulation der Zell-teilung in Eizellen zu lösen. Nun hat er in seiner Arbeits-gruppe für Molekulare Genetik an der Universität Konstanzeinen weiteren Beleg für die essenzielle Funktion desXErp1-Proteins gefunden: Es reguliert die embryonalenZellteilungszyklen zwei bis zwölf, die sehr schnell und syn-chron ablaufen. Eine grundlegende Funktion angesichtsder Tatsache, dass die Überlebensfähigkeit jedes Organis-mus davon abhängt, dass in jeder Phase der Teilung dasGenom exakt und fehlerlos auf die Tochterzellen aufgeteiltwird. Die Ergebnisse sind in der September-Ausgabe desWissenschaftsjournals »Science« nachzulesen.

Am Anfang der Entwicklungeines jeden Säugetiers stehtdie Zygote, die befruchtete Ei-zelle. Nachdem die weiblicheund männliche DNA in der Zy-gote miteinander verschmol-zen sind, durchlaufen die Em-bryonen zahlreiche Zelltei-lungsrunden, in denen die DNA zuerst exakt kopiert wird,um sie anschließend auf die neu entstehenden Tochter-zellen aufzuteilen. Vorausgesetzt, dass all diese komple-xen Vorgänge fehlerfrei ablaufen, entwickelt sich aus derZygote ein intakter Organismus.

Die reifen Xenopus-Eier – riesige Zellen mit einemDurchmesser von ungefähr einem Millimeter – haben mitdenen des Menschen gemeinsam, dass ihre Teilung denzweiten Schritt der Meiose nicht ganz durchläuft, sondernkurz zuvor angehalten wird. In diesem Zustand warten siedarauf, befruchtet zu werden. In seinen früheren Unter-suchungen konnte Thomas Mayer bereits nachweisen, dassdas Protein XErp1 für die Arretierung der Zellteilung in

reifen Xenopus-Eiern verantwortlich ist. Wird die Eizelleschließlich befruchtet, verschwindet das XErp1-Proteinsehr schnell – um nach dem ersten, längeren Zellzyklus,in dem die weibliche und männliche DNA verschmelzen,wieder aufzutauchen. Weshalb es sich in den Teilungspha-sen zwei bis zwölf wieder bildet, war bislang nicht be-kannt. Frühere Veröffentlichungen gingen davon aus, dassXErp1 bei diesen Zellteilungen keine Rolle spielt. Eine Hy-pothese, die in der Konstanzer Arbeitsgruppe von ThomasMayer stark angezweifelt wurde.

Was passiert, wenn das Protein XErp1 bei diesen elfschnellen Zellteilungen nicht mehr anwesend ist? DieseFrage bildete den Ausgangspunkt der Forschung in der Ar-beitsgruppe für Molekulare Genetik. »Dazu haben wir Xe-nopus-Embryonen kurze RNA-Stücke injiziert, die verhin-dern, dass das XErp1-Protein wieder akkumulieren kann.Dann haben wir uns angeschaut, ob sich die Xenopus-Embryonen in dessen Abwesenheit normal entwickeln«,

beschreibt Thomas Mayer dasexperimentelle Vorgehen. Aufdiese Weise konnte gezeigtwerden, dass XErp1 essenziellist für die Entwicklung derXenopus-Embryonen. Ist es indieser Phase der Zellteilungnicht vorhanden, begehen die

Embryonen Apoptose – sie sterben den aktiven Zelltod.»Es geht hier darum, innerhalb einer sehr kurzen Zeiteinen intakten Embryo herzustellen. Wenn es schiefgeht,folgt die Apoptose«, erklärt der Biologe den Sinn diesesVorgangs. Die Antwort war somit klar: Das Protein XErp1taucht nach der ersten langsameren Zellteilung wiederauf, um die elf darauffolgenden schnellen Zellteilungenzu regulieren.

Es sorgt dafür, dass die Aufteilung der DNA währendder frühen embryonalen Zellteilungen korrekt abläuft. Zudiesem Zweck inhibiert XErp1 den »Anaphase promotingcomplex« (APC), eine Ubiquitin-Ligase, deren Aktivität fürden bei der Zellteilung wichtigen Übergang zwischen Me-

In doppelter FunktionBiologen der Universität Konstanz konnten die Regulation einesgrundlegenden Zellzyklus klären

20 48|2012

Innerhalb einer sehr kurzen Zeitmuss ein intakter Embryo herge-stellt werden. Wenn dies schief-geht, folgt der aktive Zelltod.

❱ www.uni-konstanz.de/thomasmayer/

Page 23: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Neue Publikationen

taphase und Anaphase notwendig ist. In der Metaphasewerden Schwesterchromatide durch einen aus Proteinengebildeten Ring zusammengehalten. Bei Eintritt in dieAnaphase wird dieser Ring durch das Enzym Separase auf-geschnitten und somit die Trennung der Schwesterchro-matiden eingeleitet. In der Zelle muss sichergestellt sein,dass dieser Ring nicht zu früh, das heißt bereits in derMetaphase, aufgeschnitten wird. Dafür ist das Protein Se-curin verantwortlich, welches die Separase in der Meta-phase inaktiv hält und bei Eintritt in die Anaphase durchden APC abgebaut wird.

Was hat dies mit der Funktion von XErp1 zu tun? XErp1sorgt dafür, dass der APC in der Metaphase inaktiv ist, undverhindert somit, dass Securin zu früh abgebaut wird. InAbwesenheit von XErp1 kommt es zu unkontrollierter APC-Aktivität und somit zu fehlerhafter Chromatiden-Tren-nung, was letztendlich zum Absterben der Embryonen

führt. Nach Beendigung der elf schnellen Zellzyklen ver-schwindet das Protein XErp1 wieder und seine Funktionwird von anderen Proteinen übernommen.

Die Untersuchungen der Arbeitsgruppe Mayer, die durchden Sonderforschungsbereich 969 »Chemical and Biologi-cal Principles of Cellular Proteostasis« der Universität Kon-stanz gefördert wurden, haben somit mit XErp1 einen APC-Inhibitor in doppelter Funktion identifiziert, der sowohlfür meiotische als auch embryonale Zellteilung von zen-traler Bedeutung ist.

❱ msp.

Tischer T., Hörmanseder E., and Mayer T.U. (2012), TheAPC/C-Inhibitor XErp1/Emi2 is Essential for Xenopus EarlyEmbryonic Divisions. Science, Published Online September27 201, Science DOI: 10.1126/science.1228394

2148|2012

Prof. Dr. Thomas Mayer (Mitte) istseit 2007 Professor für MolekulareGenetik an der Universität Konstanz.Sein Forschungsinteresse gilt derRegulation des Zellzyklus. Vor seinerProfessur in Konstanz war ThomasMayer Emmy-Noether-Gruppenleiteram Max-Planck-Institut fürBiochemie in Martinsried. 2007erhielt er die Walther-Flemming- Medaille der Deutschen Gesellschaftfür Zellbiologie. Die MitautorinDr. Eva Hörmanseder ist inzwischenPostdoktorandin im Labor vonJohn Gurdon am Gurdon Institutein Cambridge, des diesjährigenNobelpreisträgers in Medizin.Thomas Tischer ist Doktorand undebenfalls Mitautor.

Page 24: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Interview

uni’kon: Ihre Tagung »Banken in der Krise« (siehe KastenSeite 24) befasste sich unter anderem mit der Frage: Wiekann sichergestellt werden, dass in einer Krise die Ausfälleeiner Bank von ihren Gesellschaftern und Gläubigern getra-gen werden, nicht aber vom Steuerzahler? Warum sind sol-che Fragen so schwer zu beantworten?Prof. Dr. Günter Franke: Wir stehen oft vor der Wahl zwi-schen Skylla und Charybdis. Eine Antwort mag ein Problemlösen, wirft aber oft ein anderes auf. So sollten Gesell-schafter und Gläubiger einer Bank haften, wenn diese inSchwierigkeiten gerät, nicht aber der Steuerzahler. Handeltes sich um eine große Bank, dann muss allerdings in einerKrise sehr schnell eine Lösung gefunden werden, um denKapitalmarkt zu beruhigen. Sehr schnell kann die Politiknur reagieren, indem sie den Steuerzahler haften lässt unddie Gläubiger schont.

In welche Richtung ging die Diskussion?Franke: In der Krise hat sich eine enge Kopplung zwischendem Schicksal von Banken und dem der Staaten gezeigt,in dem diese Banken domizilieren. Daher wird versucht,Staaten und Banken zu entkoppeln. Brüssel drängt aufeine europäische Bankenunion. Dazu soll zunächst eineeinheitliche europäische Bankaufsicht geschaffen werden,sodann ein europäischer Garantiefonds zur Sicherung derBankeinlagen. Wie kann verhindert werden, dass die Bank-risiken in Europa in großem Stil umverteilt werden?Gleichzeitig versucht Brüssel mit der Crisis ManagementDirective, die Gläubiger einer Bank in die Haftung zu neh-men und dadurch den Steuerzahler zu entlasten. WelcheGläubiger sollen haften, welche nicht?

Was ist das Problem für die Ökonomie in der gegenwärtigenDebatte?Franke: Ob es in einer Bankenunion gelingt, eine massiveUmverteilung von Risiken zu vermeiden, hängt entschei-dend von den politischen Rahmenbedingungen ab. Diesesind recht unklar. Sowohl die Regeln des Maastricht- als

auch die des Lissabon-Vertrages sind politisch ausgehebeltworden. Die Politik hat dadurch weitgehend an Glaubwür-digkeit verloren. Für einen Ökonomen ist es daher schwer,Empfehlungen zum Beispiel für eine Bankenunion auszu-sprechen. Die Wirkungen solcher Empfehlungen könnennur prognostiziert werden, wenn es einen klaren und durch -setzbaren institutionellen Rahmen gibt.

Welchen Anteil hat die Politik überhaupt an dem Problemfeld?Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi: Die Frage, ob es sich in derFinanzkrise um Markt- oder um Staatsversagen handelt, lässtsich nur mit einem Sowohl-als-auch beantworten. Zudemwird die Diskussion im Moment vor allem als ökonomischewahrgenommen. Die Finanzkrise und die diskutierten Lö-sungsansätze haben aber über das Ökonomische weit hinaus-gehende Konsequenzen, etwa der Verteilungsgerechtigkeit.Dementsprechend darf sich die Diskussion auch nicht auf dieÖkonomen beschränken. Sie muss alle relevanten Gruppenumfassen. Wer für Banken und Staaten haftet und ob die Eu-ropäische Union sich in einen europäischen Bundesstaat ver-wandelt, das sind genuin politische Fragen, die man nichtnur aus ökonomischer Sicht beantworten kann.

Wen meinen Sie mit den relevanten Gruppen, die nicht ander Debatte teilnehmen?Wilhelmi: Die Debatte müsste stärker als gesamtgesell-schaftliche begriffen werden. Natürlich muss die Wirt-schaftswissenschaft aufzeigen, welches Verhalten welcheökonomischen Konsequenzen hat. Aber die Finanzkrise hatKonsequenzen für die gesamte Gesellschaft. Dementspre-chend ist die Aufarbeitung der Finanzkrise nicht nur eineAufgabe für Ökonomen oder Juristen, sondern auch fürPolitologen, Soziologen, Psychologen und Historiker.Letztlich ist die EU immer ein politisches Projekt gewesen,auch als sie noch Europäische Wirtschaftsunion hieß.

Auf europäischer Ebene werden Beschlüsse an den nationalenParlamenten vorbei gefasst, im Bundestag werden wichtige

Zwischen Skylla und CharybdisProf. Dr. Günter Franke und Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi über die Grenzenwissen schaftlicher Erkenntnis in der gegenwärtigen Banken- und Staatenkrise

22 48|2012 ❱ www.uni-konstanz.de/FuF/wiwi/franke/frankehome/

Page 25: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Interview

Gesetze unter Zeitdruck durchgepeitscht: Wie kann unterdiesen Gegebenheiten Demokratie noch funktionieren?Wilhelmi: Das ist eine sehr spannende Frage. Das Bundes -verfassungsgericht hat immer die Rolle der demokratischenOrgane betont und auf der Einhaltung der entsprechendenRegeln unserer Verfassung bestanden, was es offenbar auchbezüglich der Rolle der Europäischen Zentralbank tun will.Die politischen Organe müssen diese Rolle allerdings auchannehmen. Damit stellt sich in der Finanzkrise die Frage nachdem Verhältnis von Wirtschaft, Politik und Recht wieder neu,insbesondere, wem der Primat zukommt. Es ist sehr schwie-rig, dies in eine allgemeine politische Debatte zu überführen.Hinzu kommt, dass sich viele Leute überfordert fühlen.

Andere Themen sind auch schwierig, warum fühlen sich dieMenschen hier in ihrer Meinungsbildung so überfordert?Wilhelmi: Zunächst dürfte schlicht die Zeit fehlen, diebenötigt wird, bis sich die möglichen Positionen mit ihrenVor- und Nachteilen herauskristallisiert haben und sich die Menschen eine Meinung – und sei es auch nur als Vorurteil– gebildet haben. Dies wird dadurch verschärft, dass sich ge-genwärtig einige grundsätzliche Fragen neu stellen. Zudembraucht auch die Wissenschaft Zeit, die aufgeworfenen Pro-bleme zu erforschen. So ist auf der Tagung deutlich gewor-den, dass sich zwar vielfach die aufgeworfenen Problemeidentifizieren lassen, die Forschung aber noch nicht so weitist, dass sich konkrete Schritte aus ihr ableiten lassen.

2348|2012

Prof. Dr. Günter Franke (2.v.l.) ist seit 1983 Professor fürBetriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Finanz-management, an der Universität Konstanz. Von 1998 bis 2010leitete er das Zentrum »Finanzen und Ökonometrie«, von 2003bis 2010 die DFG-Forschergruppe »Preis-, Liquiditäts- undKreditrisiken: Messung und Ver teilung«. Er ist Forschungspro -fessor am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung inMannheim und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademieder Wissenschaften. 2006 wurde ihm die Ehrendoktorwürde derUniversität Mannheim verliehen.

❱ www.jura.uni-konstanz.de/rechtswissenschaft/

Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi (rechts) ist seit 2010 Professor fürBürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechtsowie Rechtsvergleichung an der Universität Konstanz. In seinerForschung auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts widmet er sichin einem Großprojekt der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise.Rüdiger Wilhelmi war mehrere Jahre in der Rechtsabteilung derBMW AG tätig. Vor seiner Professur in Konstanz hatte er unteranderem Lehrstuhlvertretungen in München, Hannover, Bielefeldund Trier inne. Zu den Organisatoren der Tagung gehörten nebenGünter Franke und Rüdiger Wilhelmi Prof. Dr. Hans ChristianRöhl (links) und Prof. Dr. Jens Koch (2.v.r.).

Page 26: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Interview

24 48|2012

Fühlen Sie sich als Wissenschaftler genügend von der Politikgehört?Franke: Es gibt eine ganze Reihe von Interaktionen zwi-schen Politik und Wissenschaft. Allerdings können wir beiden Fragen, vor denen wir jetzt stehen, nur auf wenig Erfah-rung zurückgreifen. Wir haben das bei der Finanzkrise gese-hen. Die Auslöser der Krise verstehen wir recht gut, ebensoeine erste Rückwirkung. Danach gibt es aber weitere Rück-wirkungen in zweiter, dritter und vierter Linie, die nur schwerprognostizierbar sind. Daher können wir die Wirkungen vonBankregulierung und politischem Krisen management nur mitgroßer Unsicherheit prognostizieren. Entsprechend divergie-ren auch die Empfehlungen der Ökonomen. Dies verschafftder Politik Freiraum, eigene Ziele zu verfolgen.Wilhelmi: Zur Ehrenrettung der Politik muss man sagen:Es ist momentan gar nicht so einfach, auf die Wissen-schaft zu hören, denn die Forschung steht eben vielfachnoch am Anfang. Demgegenüber sieht sich die Politikunter einem enormen Handlungsdruck, wobei ihr vielfachdie notwendige Grundlage fehlt.

Wagen Sie einen Blick in die Zukunft. Wie wird es weitergehenmit der Europäischen Union?Franke: Die europäische Währungsunion mit den 17 Staa-ten durchzuhalten wird schwierig bleiben. Ich hoffe, dassder Euro als Währung insgesamt Bestand hat, aber wir kön-nen ihn wahrscheinlich nicht retten ohne schärfere Regeln,wie sich die Mitgliedstaaten zu verhalten haben. Ob sichallerdings schärfere Regeln durchsetzen lassen, bleibt ab-zuwarten. Es muss auch einen Ausstiegsmechanismus geben,zum Beispiel in Form eines Gesetzes, was im Fall der Insol-venz eines Mitgliedstaates passieren soll. Im Moment fehltdieses. Das ist wie ein Ehegesetz ohne Scheidungsgesetz.Das kann auf Dauer nicht funktionieren.Wilhelmi: Prognosen sind natürlich schwierig. Im Momentsieht es aber so aus, als ob die EU und der Euro in der einenoder anderen Form überleben würden. Jenseits der europäi-schen Verträge wird der politische Wille entscheidend sein,der sich bisher trotz der teilweise quälenden und stark durchTaktik geprägten Entscheidungsprozesse als vorhanden er-wiesen hat. Andernfalls wäre etwa Griechenland schon längstaus dem Euro ausgeschieden. Betrachtet man die bisher dis-kutierten Reformen, wird die EU mit ihren Organen wohl mit-telfristig gestärkt aus der Krise hervorgehen.

❱ Das Gespräch führte Maria Schorpp.

Die Bankenkrise, die im Jahr 2007 begann und 2008mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothersihrem Höhepunkt entgegensteuerte, ist keineswegsbeendet. Auf zahlreichen europäischen Bankenlasten erhebliche Ausfallrisiken, die unter anderemaus ihren Positionen in Staatsanleihen zweifelhafterBonität resultieren. Wie kann angesichts dessen eineBankenregulierung aussehen, die verhindert, dasswiederum ganze Volkswirtschaften in Mitleidenschaftgezogen werden? Diesem Thema war die Tagung»Banken in der Krise – Herausforderungen an Rechtund Ökonomik« gewidmet, die an der UniversitätKonstanz von dem Wirtschaftswissenschaftler Prof.Dr. Günter Franke sowie den RechtswissenschaftlernProf. Dr. Jens Koch, Prof. Dr. Hans Christian Röhlund Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi gemeinsamveranstaltet wurde.

Die Tagung widmete sich der Regulierung vonBanken, insbesondere von systemisch relevantenBanken, aus einer Vielzahl von Perspektiven.Sollen Banken schärfer reguliert werden? SollenBankvorstände stärker in persönliche Haftunggenommen werden? Die Tagung ging davon aus,dass solche Fragen nur gemeinsam von Juristenund Ökonomen beantwortet werden können. Da dieUmsetzung in der Praxis häufig genug mit Rahmen-bedingungen umzugehen hat, die im theoretischenKonzept nicht berücksichtigt sind, waren auchhochrangige Praxisvertreter eingeladen. Zu ihnengehörten nicht nur ehemalige Vorstandsvorsitzendevon Landesbanken, sondern auch hochrangigeVertreter von Bundesbank, Bankaufsicht, RatingAgenturen, Anwaltskanzleien und Wirtschafts -prüfungsgesellschaften.

Die Beiträge und Ergebnisse der Konferenz wurden ineinem Sonderheft der Zeitschrift »Bankrecht undBankwirtschaft« publiziert.

Banken in der Krise

©blue

design

- Fotolia.com

Page 27: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Kooperationen

2548|2012

Die Universität Konstanz bekräftigte ihre Kooperation mitsieben Partnerschulen aus Konstanz und dem Bodensee-raum zur gegenseitigen Unterstützung in der bildungswis-senschaftlichen Forschung, der Lehrerbildung und derQualitätsentwicklung an Schulen. Die Schulleiterinnen undSchulleiter der sieben Gymnasien unterzeichneten den aufzunächst drei Jahre angesetzten Kooperationsvertrag mitder Universität Konstanz. »Schulen und Universität be-kräftigen damit eine Kooperation, die in vielen Berüh-rungspunkten bereits gelebt wird, für eine vertiefte Zu-sammenarbeit in Forschung, Lehre und Lehrerbildung«,erklärt Prof. Dr. Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Kon-stanz. »Zentrales Ziel ist die gegenseitige Unterstützungvon Schulen und Universität zu einer nachhaltigen Bil-dungsförderung«, führt Rüdiger weiter aus.

Das Kooperationsnetzwerk umfasst das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Konstanz, die Gebhardschule Kon-stanz, die Geschwister-Scholl-Schule Konstanz, das Hein-rich-Suso-Gymnasium Konstanz, die Wessenberg-SchuleKonstanz, das Gymnasium Wilhelmsdorf sowie die Zeppe-lin-Gewerbeschule Konstanz. Auf längere Sicht plant dieUniversität Konstanz, das Netzwerk in Kooperation mit derPädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) auf SchweizerSeite auszuweiten.

»Uns ist es ein großes Anliegen, Forschungsergebnissein die Praxis hineinzutragen«, schildert Prof. Dr. ThomasGötz, Professor für Empirische Bildungsforschung sowohlan der Universität Konstanz als auch an der Pädagogi-schen Hochschule Thurgau und Initiator des Kooperations -netzwerkes. Der Hauptgedanke des Netzwerkes ist ein ge-genseitiger Austausch von Theoriewissen und Praxiserfah-rung. Schulen können auf neueste Forschungsergebnisse

der empirischen Bildungsforschung zurückgreifen und pro-fitieren insbesondere von Fortbildungsmöglichkeiten fürihre Lehrkräfte. Das Abkommen ermöglicht den Partner-schulen auch, auf Service-Angebote der Universität zu-rückzugreifen, zum Beispiel in den Bereichen Studienin-formation und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Universität Konstanz kann durch die Kooperationdie Praxisnähe ihrer bildungswissenschaftlichen Lehre imRahmen ihres Studiengangs »Lehramt an Gymnasien« op-timieren. Zudem erleichtert der Austausch die Durchfüh-rung von wissenschaftlichen Studien in den Themenberei-chen Bildung und Unterricht, beispielsweise Studien zurRolle von Emotionen im Unterricht und zu Belastungen imLehrerberuf. Auch eine Mitwirkung von Lehrerinnen undLehrern in universitären Seminaren sowie die Einbindungvon fortgeschrittenen Lehramtsstudierenden sowie Uni-versitätsdozentinnen und -dozenten in Qualitätsentwick-lungsprozesse der Schulen sind angedacht. »Mein beson-derer Dank gilt den Studierenden«, betont Thomas Götz,»von ihnen kam der erste Impuls, zum PraxisaustauschLehrerinnen und Lehrer an die Universität und fortge-schrittene Lehramtsstudierende an die Schulen zu bringen.Auch danke ich den Schulen und der Universität für diegroße Offenheit und die vorbehaltlose Unterstützung. Ichbin überzeugt, dass das Netzwerk auf sehr gutem Funda-ment steht.«

❱ gra.

Kooperationmit siebenPartnerschulenUniversität Konstanz gründetKooperations netzwerk mitsieben Gymnasien

Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger und Ida Fend-Richter,Schulleiterin des Heinrich-Suso-Gymnasiums, bei derVertragsunterzeichnung.

Page 28: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Studierende

»Und wo warst du so in den Semesterferien?« Wer aufdiese Frage mit »Auf Sardinien« und nicht mit »Bei derUN in New York, im Ausschuss für globalen Frieden« ant-wortet, hat eigentlich schon verloren. Unter Studierendenhat ein regelrechter Wettlauf ums Berufs-Schnuppern be-gonnen. Aber: Wie finde ich das richtige Praktikum fürmich? Und: Schaden zu viele Praktika dem eigenen Be-rufseinstieg vielleicht sogar?

Politische Stiftungsarbeit in Ghana, ein Praktikum beider Deutschen Außenhandelskammer in Brasilien, maleben ein bisschen Managementerfahrung in Abu Dhabi.»Ich habe das Gefühl, bei uns im Studiengang gilt:Schneller, höher, weiter (weg).« Da kam sich Lara Panning,die im siebten Semester Politik- und Verwaltungswissen-schaft im Bachelor-Studiengang studiert, mit ihrem Prak-tikum im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-schen Union im Bundestag fast schon durchschnittlich vor.

Über motivierte und arbeitseifrige Studierende und an-gehende Berufsanfänger – diesogenannte »Generation Prak-tikum« – wurde viel berichtet.Der Anspruch an Studierende,durch herausragende Praktikadie eigenen Berufschancen er-höhen zu müssen, hat sichnicht geändert. Im Gegenteil:»Oft haben Studierende das Gefühl, neben super Notenund einer kurzen Studiendauer parallel noch unzähligePraktika im In- und Ausland aneinanderreihen zu müs-sen«, sagt Anne Pajarinen vom Career Service der Univer-sität Konstanz.

Lara Panning war schon vor ihrem Studium klar: Es sollmal was bei einer großen Organisation werden. »Ohneviele Praktika in dem Bereich hat man da keine Chance«,glaubt die 22-Jährige. Als es dann in die Bewerbungs-runde ging, galt es für sie abzuwägen: Ein unbezahltesAuslandspraktikum bei der UN in Genf mit Lebenshal-tungskosten um die 1.300 Euro, ein bisschen Schnuppernbei einem Marktforschungsunternehmen in München oder

doch lieber nach Berlin in den Bundestag – auch unbe-zahlt, aber mit ungefähr gleichen Alltagskosten wie inKonstanz.

Neben den Fragen: »Wo wäre ein Praktikum für michsinnvoll?« und »Wann plane ich das am besten in meinenStudienablauf ein?« müsse man sich natürlich auch immerüberlegen: »Wie finanziere ich mich?«, rät Anne Pajarinenvom Career Service. »Wenn ich für ein journalistischesPraktikum in München 600 Euro bekomme, mag das fürdie Branche zwar viel sein, in München ist es jedoch vielzu wenig, um alle Kosten zu decken.« Ein paar selbstkri-tische Fragen helfen bei dem Überangebot der Möglich-keiten oft weiter: »Passt dieses Praktikum wirklich zu mir,meinem Studienplan und meinen beruflichen Vorstellungen?«

»Alles unter acht Wochen ist zu kurz, da kann man alsPraktikant nicht richtig eingearbeitet werden und darfmeistens nur über die Schulter schauen, aber nicht richtigmitarbeiten – was schade und eine verschenkte Chance

ist«, sagt die Mitarbeiterin desCareer Service. Lieber: WenigerPraktika, dafür länger.

Auch bei schlecht- und un-bezahlten Praktika nach demHochschulabschluss sollte Vor-sicht geboten sein. Gilt dasPraktikum wirklich zur Orien-

tierung oder ist ein Berufseinstieg in der jeweiligen Firmaabsehbar, mache es in einzelnen Fällen Sinn, auch mit Ab-schluss noch einmal in den Praktikantenstatus zu schlüp-fen. Die Regel sollte jedoch sein: »Mit Hochschulabschlussist man gut ausgebildet und kann auch dementsprechendangestellt und bezahlt werden«, sagt Pajarinen.

Von ihrem Master-Abschluss ist Sarah Kaiser noch ei-nige Semester entfernt. Diesen Winter beginnt die 22-Jäh-rige den kulturwissenschaftlichen Studiengang »KulturelleGrundlagen Europas«. Die Planungen für die nächstenPraktika laufen allerdings bereits auf Hochtouren. Nicht,dass unter der Überschrift »Berufliche Kompetenzen« imLebenslauf der Studentin Leere herrschen würde. Zwei

»Eins reicht!«Im Wettrennen um ein Praktikum will jeder der Erste sein –aber wie viele Praktika sind sinnvoll?

26 48|2012

»Ich habe das Gefühl, bei uns imStudiengang gilt: Schneller, höher,weiter (weg).«

Lara Panning

Page 29: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Studierende

Jahre als Redakteurin und Auslandskorrespondentin derUni-Zeitung an der Universität Kassel während des Bachelor -studiengangs bringt sie an Berufserfahrung ebenso mitwie ein Auslandspraktikum in Paris und viermal schnup-pern während der Schulzeit. Bei der Frage, wie viele Prak-tika sie wohl noch sammeln muss, um als Journalistin Fußzu fassen, überlegt sie nicht lange: »Unendlich viele!«

Da überrascht der Tipp vom Career Service: »Eigentlichreicht ein Praktikum«, sagt Anne Pajarinen. Es komme na-türlich immer auf die Studienrichtung an. Wenn das Prak-tikum viel Berufserfahrung vermittelt hat und genug Kon-takte geknüpft wurden, sei eins genug. »Zwei schaden na-türlich auch nicht, drei Praktika schon im Bachelor-Studi-engang sind jedoch nicht nötig.«

❱ Patrizia Barbera (pba.)

2748|2012

Zur TAZ nach Berlin oder beim Mittel-ständler um die Ecke schnuppern?Masterstudentin Sarah Kaiser undBachelorstudent Markus Käppler sindleicht überfordert vom Über angebotder Möglichkeiten.

Page 30: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Gleichstellung

28 48|2012

Die Bobbycars rauschen nur so an einem vorbei – mächtigwas los am Vormittag auf dem Marktplatz. Der befindetsich in diesem Fall nicht unter freiem Himmel, sondern sonennt sich das Herzstück des Kinderhauses der UniversitätKonstanz. Während die etwas größeren Kinder hier einziemliches Spektakel veranstalten, geht es in den »Funk-tionsräumen« ruhiger zu. Als die Tür zur Theatergruppeaufgeht, legt ein kleines Mädchen den Zeigefinger auf dieLippen als Zeichen, dass die beiden Eindringlinge bitte-schön leise sein sollen. Wieder anders bei den Kleinenunter drei Jahren. Ebenfalls geschäftiges Hin und Her, Tischewerden gedeckt, Bilderbücher kommentiert. Ein Krabbel-kind liegt auf dem Bauch, rudert freudig mit den Armenund schäkert mit seiner »Bezugserzieherin«.

»Funktionsräume«, »Bezugserzieherin« – hinter dentechnokratischen Bezeichnungen stecken lebendige, bunteRäume, in denen konzentriert mit bunten Stoffen Vulkan-

ausbrüche nachgespielt oder Töne gesucht und gefundenwerden. Beziehungsweise sehr freundliche pädagogischeFachkräfte, die auch dann präsent sind, wenn ein kleinerBobbycar-Freak unvermittelt zum Spurt ansetzt und außerSichtweite gerät. Ein paar Sekunden später taucht eineErzieherin ruhigen Schritts und mit noch einem ihrerSchützlinge an der Hand wie zufällig hinter ihm auf. Erdarf auch mal dem direkten Blick der Erwachsenen ent-fliehen und soll sich nicht ständig beobachtet fühlen.

Die Kinder des Kinderhauses, das gerade mal durcheinen Weg vom nächstliegenden Universitätsgebäude ge-trennt ist, lernen vor allem Selbstständigkeit und Eigen-aktivität. Marion Woelki und Petra Gutsmuths-Dietrich sit-zen im Büro, ebenfalls Teil der 1.300 Quadratmeter »Nutz-fläche«, und ziehen Bilanz: ein Jahr Kinderhaus an derUniversität Konstanz. Die Umstellung von den geschlos-senen Gruppen zuvor in die offenen Räumlichkeiten des

Spielend den eigenenRhythmus findenDas Kinderhaus der Universität Konstanz feierte sein einjähriges Jubiläum

Marion Woelki (links), Leiterindes Referats für Gleichstellungund Familienförderung an derUniversität Konstanz undVorstandsmitglied des Träger -vereins Knirps & Co., sowiePetra Gutsmuths-Dietrich,Leiterin des Kinderhauses.

Page 31: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Gleichstellung

neuen Kinderhauses erforderte Lernprozesse, sowohl beimPersonal als auch bei den Eltern. Vom positiven Resultatsind sowohl die Leiterin des Referats für Gleichstellungund Familienförderung an der Universität Konstanz undgleichzeitig Vorstandsmitglied des Trägerverein Knirps &Co. als auch die Leiterin des Kinderhauses überzeugt: »DieKinder haben sehr viel an Selbständigkeit und Selbstbe-wusstsein gewonnen«, stellt die Kinderhaus-Leiterin PetraGutsmuths-Dietrich fest.

Deshalb ist ihnen auch die »Freispielphase« sehr wich-tig. Während dieser können die Kinder selbst wählen, wassie spielen und mit wem sie spielen wollen. Sie kommuni-zieren untereinander, sprechen sich ab, eventuelle Kon-flikte müssen bereinigt werden. So lernen sie nicht nurBasiskompetenzen und Selbstmotivation, sondern auchKonfliktlösung. Bei einem Streit bekommen die Kinder zu-nächst die Chance, diesen selbst zu lösen, das Erziehungs-personal greift erst ein, wenn es sich abzeichnet, dass esdie Kleinen nicht selbst schaffen. »Konflikte lösen ohneErwachsene« nennen es die beiden Frauen. »Die Kinderwerden gesehen, aber nicht ›bespielt‹«, wie es Marion Wo-elki ausdrückt. Wenn sich ein Kind zwanzig Minuten langdamit beschäftigt, Holzringe hin und her zu schieben, be-deutet das nicht nur, dass es mit hoher Konzentration aneiner Sache bleiben kann, sondern auch, dass es sichselbst eine Auszeit vom Trubel um sich herum gönnt. Aufden Wechsel von Spannung undEntspannung wird im Kinder-haus großen Wert gelegt. Auchspielen kann anstrengend sein.

»Wir verstehen den Bildungs -auftrag nicht nur in Form kon-kreter Angebote, sondern alsSelbstbildungsprozess«, kom-mentiert Petra Gutsmuths-Dietrich. Das Betreuungspersonal beobachtet aufmerksam,wo Kinder in diesem Lernprozess Unterstützung brauchen– um so deren eigenen Ressourcen zu stärken. Auch au-ßerhalb des Musikraums sollen sie spielend ihren persön-lichen Rhythmus finden. »Einigen Eltern erschloss sich dieWertigkeit des Freispiels als maßgeblicher Baustein unse-res Konzepts erst durch das persönliche Erleben und Be-obachten auf dem Marktplatz«, so die Kinderhausleiterin:»Frühkindliche Bildung ist mehr als kognitives Wissen. Diemeisten Eltern schätzen die emotionalen und sozialen

Komponenten sehr und nehmen es als etwas ganz Beson-deres wahr.«

Das Konzept des Hauses setzt auf Transparenz, auchwas die Vergabe der Plätze angeht. 100 Plätze für Kindervon sechs Monaten bis sechs Jahren stehen zur Verfügung.Die Warteliste umfasste im September 2012 die Namenvon 85 Kindern. Da kann nicht überraschen, dass sich auchschon Unmut bei Eltern breitgemacht hat, die keinen Platzfür ihr Kind bekommen haben. »Jedes Jahr werden zwischenzehn und fünfzehn Plätze frei, dieses Jahr waren es zwölf«,rechnet Petra Gutsmuths-Dietrich vor. Davon sind auch nochPlätze für Kontingente, etwa für den Rektor in Berufungs-verhandlungen, reserviert. Der Grund für die geringe Fluk-tuation liegt an der Altersstruktur im Kinderhaus. Der größteBedarf an Plätzen besteht bei den Unterdreijährigen, die 60der 100 Plätze belegen. Deshalb ist auch die Verbleibdauerhöher als in der Vergangenheit. Die Kinder kommen miteinem Jahr ins Kinderhaus und gehen wieder mit sechs, blei-ben somit fünf Jahre. Deshalb werden kaum Plätze frei. »DerQuereinstieg für Überdreijährige ist fast unmöglich«, bestä-tigt Marion Woelki.

Selbst enger zusammenrücken würde nicht helfen, dadie Betriebserlaubnis einer Kinderbetreuungseinrichtungmit einem bestimmten Angebot von Räumlichkeiten proKind einhergeht. Der Personalschlüssel setzt außerdemfest, wie viel Erziehungspersonal für wie viele Kinder in

welcher Altersgruppe nötig ist.Die rund 40 Angestellten imKinderhaus lassen eben nur die100 Kinder dieser Altersstruk-tur zu. »Darüber hinaus kön-nen wir nicht frei planen«, soMarion Woelki. Eine Möglich-keit tat sich jedoch auf, dieauch ergriffen wurde. Zwar

können nicht mehr als 100 Kinder im Vorschulalter aufge-nommen werden, Schulkinder jedoch schon. Die Größerenkommen um 13 Uhr, wenn einige der Kleineren schon wie-der abgeholt werden. 15 Plätze für die Übersechsjährigenstehen nun zur Verfügung. Um die teilweise großen Al-tersunterschiede zu vermeiden, haben die Schulkinderauch ein eigenes Blockhaus und ein Freispielzimmer be-kommen. Die Bobbycar-Freaks drehen derweil draußenwohlbehütet weiter ihre Runden.

❱ msp.

2948|2012

»Wir verstehen den Bildungsauf-trag nicht nur in Form konkreterAngebote, sondern als Selbst -bildungsprozess.«

Petra Gutsmuths-Dietrich

❱ www.familienaudit.uni-konstanz.de/kinderbetreuung/kinderhaus-knirps-co/

Page 32: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Preise

Die Universität Konstanz kann bereits zum dritten Mal einenSofja Kovalevskaja-Preisträger begrüßen. Seit dem Winter-semester 2012/2013 forscht und lehrt Dr. Nils Weidmann mitUnterstützung des renommierten und mit rund 1,4 MillionenEuro dotierten Preises der Alexander von Humboldt-Stiftungfür fünf Jahre an der Universität Konstanz. Der Politikwis-senschaftler, der zuletzt mit einem Marie Curie PostdoctoralFellowship am Peace Research Institute Oslo in Norwegentätig war, gehört »derzeit zu den eindrucksvollsten Forschernim Bereich Internationale Beziehungen und VergleichendePolitikwissenschaft«, wie sein Konstanzer Gastgeber Prof. Dr.Gerald Schneider hervorhebt. Nils Weidmann ist einer von 14Preisträgern des alle zwei Jahre vergebenen Preises, einerder höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnungen inDeutschland. In dieser Runde erhalten mit Nils Weidmannund einer Fachkollegin erstmals Politikwissenschaftler den2002 ins Leben gerufenen Preis.

Mit dem Preisgeld wird Nils Weidmann an der UniversitätKonstanz im Rahmen des Zukunftskollegs eine Nachwuchs-gruppe aufbauen. Er gehört zu einer Gruppe von Forschern,die auf dem Gebiet der Mikroanalyse politischer KonfliktePionierarbeit geleistet haben. Weidmann, der vor seinemStudium und seiner Promotion an der Eidgenössischen Tech-nischen Hochschule (ETH) Zürich an der Universität Freiburgein Informatikstudium absolvierte, schlägt ein innovativesForschungsdesign für die Analyse der Rolle der neuen Kom-munikationstechnologien bei der Mobilisierung großer Men-schenmengen vor.

Viele Beobachter meinen angesichts von Entwicklungenwie dem »Arabischen Frühling«, dass moderne Kommunika-tionstechnologien hilfreich seien, Demokratisierungs- undBefriedungsprozesse der betroffenen Gesellschaften zu stär-ken. Tatsächlich ist es so, dass das Internet einerseits einealternative Plattform bietet, wodurch die Kommunikation

Dr. Nils Weidmann wird im Rahmen des SofjaKovalevskaja-Preises an der Universität Konstanzüber die Rolle der neuen Kommunikationstechno-logien bei der Mobilisierung großer Menschen-mengen forschen

Dr. Nils Weidmann, der jüngst den Heinz EulauAward der American Political Science Association er-halten hat, war vor seiner Forschungs tätigkeit in Osloals Postdoktorand an der Woodrow Wilson School derPrinceton University, USA, und am Jackson Instituteder Yale University, USA, tätig. Seine Dissertationwurde sowohl mit einer Medaille der ETH Zürich alsauch mit dem SIAF Award für die beste sozialwissen-schaftliche Dissertation an der ETH und UniversitätZürich des Jahres 2009 ausgezeichnet.

Das Handyund die Politik

30 48|2012 ❱ www.polver.uni-konstanz.de/fachbereich-home/

Page 33: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Preise

Fellowship für einen Pionier derComputergrafikDer Konstanzer Professor für Computergrafik und Medien-informatik Prof. Dr. Oliver Deussen wurde von der Euro-graphics Association zum Fellow ernannt. Mit dieser Ehren-mitgliedschaft würdigt die europaweit größte Vereinigungim Bereich der Computergrafik jährlich die besonderenVerdienste von ausgewählten Forscherinnen und Forschern,die maßgeblich zur Weiterentwicklung von Computergrafikbeigetragen haben und ein außergewöhnliches Engagementin der wissenschaftlichen Gemeinschaft zeigen. Oliver Deussenwurde für seine Verdienste insbesondere im Forschungs-bereich der Visualisierung und der abstrakten Bilderzeu-gungsverfahren sowie für sein Engagement als Herausgebervon wissenschaftlichen Fachzeitschriften ausgezeichnet.Darunter unter anderem als Hauptherausgeber der renom-mierten Zeitschrift »Computer Graphics Forum«.

Im Gegensatz zur klassischen Bilderzeugung, die denFotoapparat nachempfindet, ermöglichen diese Methodenüber die Variation von Bilddetails, Schattierungen undsogar von Geometrie, die Aufmerksamkeit des Betrachterszu lenken. Auf diese Weise unterstützt das Verfahren Grafikerdarin, Zusammenhänge zwischen Bildelementen grafischhervorzuheben und komplexe Informationen zu veran-schaulichen. Oliver Deussen ist ferner Mitherausgeber derwissenschaftlichen Zeitschrift »Informatik Spektrum«.

❱ gra.

Prof. Dr. Oliver Deussen ist seit 2003 Professor fürComputergrafik und Medieninformatik an der UniversitätKonstanz. Seine Entwicklungen im Bereich des Modellierensund Renderns komplexer Landschaften finden Anwendungin der Architektur, Ökologie und Landschaftsgestaltung, inKunst und Filmen wie auch in der Werbung.

Prof. Dr. Gerald Schneider wurde bei der Jahrestagungder European Political Science Association (EPSA) inBerlin zum Präsidenten gewählt. Die Versammlungder Organisation folgte damit einem Vorschlag desNominierungsausschusses. Die European Political Sci-ence Association wurde 2010 in Dublin gegründet.Der Konstanzer Politologe ist als Nachfolger von Prof.David Soskice von der University of Oxford, England,der zweite Präsident der Vereinigung, die rund 500Mitglieder umfasst. Die EPSA organisiert Konferenzenund wird ab 2013 die Zeitschrift Political Science Re-search and Methods bei Cambridge University Pressherausgeben. ❱ msp.

Zum Präsidenten gewählt

3148|2012❱ cms.uni-konstanz.de/informatik/deussen/

zwischen gesellschaftlichen Gruppen verbessert werdenkann. Andererseits aber erleichtern die modernen Kommuni-kationsmittel auch das kollektive Handeln, wodurch sich po-litisch motivierte Auseinandersetzungen verschärfen können.

Mit seinen Möglichkeiten der Analyse großer Daten-mengen untersucht Nils Weidmann, welcher Effekt stärkerist und welche Rolle die neuen Kommunikationsmittel tat-sächlich spielen. So sollen mittels neuartiger Methodenaus der Informatik neue Daten erhoben werden. Mit Infor-mationen, die von Mobiltelefonen aufgezeichnet werden,soll beispielsweise auf die wirkliche Größe einer Protest-kundgebung geschlossen werden. Darüber hinaus soll dieNachwuchsgruppe im Rahmen mehrerer Feldexperimentein Bosnien erforschen, wie moderne Kommunikationstech-nologie Beziehungen zwischen gesellschaftlichen Gruppenoder die Verbreitung von Informationen in einem sozialenNetzwerk beeinflussen kann.

Gerald Schneider, der seit 1997 am Fachbereich für Politik-und Verwaltungswissenschaft die Professur für InternationalePolitik innehat, ist Nils Weidmanns Gastgeber an der Uni-versität Konstanz. In den vergangenen Jahren habenSchneider und seine Arbeitsgruppe unter anderem Prognose-modelle für das Auftreten von bewaffneten Konflikten ver-öffentlicht und untersucht, wie sich politische Gewalt aufdie Renditen auswirkt, die Anleger auf Finanzmärkten er-zielen. Die Professur für Internationale Politik ist einer derwenigen Standorte in Deutschland, an dem quantitativeKonfliktforschung betrieben wird. ❱ msp.

Page 34: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Für Prof. Dr. Thomas Hinz ist gute Lehre etwas, von dembeide Seiten profitieren – die Studierenden wie die Leh-renden. Nicht zuletzt deshalb hat er eine Einführung indie Soziologie für Studierende im ersten Semester erar-beitet. Dem an der Universität Konstanz hochgehaltenenPrinzip der Lehre aus Forschung gemäß hat der LUKS-Preisträger der aktuellen Forschung breiten Raum gegeben,auch seiner eigenen. »Die Lehre profitiert davon, dass dieLehrenden auch Forschung betreiben«, sagt Thomas Hinz.Daneben hat der Professor fürEmpirische Sozialforschung ganzpragmatisch den Stoff so auf-bereitet, dass er ihn in 75 Fra-gen fassen konnte. »Wer diebeantworten kann, ist auf dersicheren Seite«, verspricht Thomas Hinz. Und fügt hinzu:»Auch für einen Professor ist es sinnvoll, Einführungsvor-lesungen zu geben. So ist man gezwungen, dem Inhalteine Struktur zu geben.«

Dieser Inhalt kann, wenn es etwa um Methoden in derempirischen Sozialforschung geht, durchaus trocken sein.Da heißt es, die Begeisterungsfähigkeit der Studierendenzu wecken. »Für mich ist es eine Herausforderung, auf die

Neugierde der Studierenden zu reagieren und ihnen dieÜberzeugung zu vermitteln, mit ihrem Studienfach dierichtige Wahl getroffen zu haben«, sagt Hinz. Seine Ein-führungsveranstaltung wurde zusätzlich von einem Tuto-rium zum wissenschaftlichen Arbeiten begleitet, eine sehrsinnvolle Einrichtung, wie Hinz betont, und auch dies wie-derum für beide Seiten. Von dem »zweiseitigen Lernpro-zess« profitieren nicht nur die Studienanfängerinnen undStudienanfänger, sondern auch die Tutoren, die selbst Stu-

dierende höheren Semesterssind. Obendrein bilden sichdurch Tutorien soziale Netz-werke unter Studierenden.

Das Wichtigste an der Lehresieht der Soziologieprofessor je-

doch nicht in ausgefeilten didaktischen Methoden oder be-sonders klar strukturiertem Inhalt. Bei aller grundlegendenBedeutung, die diese Faktoren für eine gute Lehrveranstal-tung haben, ist eins beim Unterrichten doch noch entschei-dender: »Man muss es gerne machen«, sagt Thomas Hinz.Und auch hier spricht er wieder auch von »Eigeninteresse«,wenn er ganz einfach erklärt: »Ich freue mich, dass jungeLeute etwas lernen wollen.« ❱ msp.

LUKS-Preis

Prof. Dr. Thomas Hinz ist seit 2004Professor für Empirische Sozialforschungan der Universität Konstanz. Seine Pro-motion und Habilitation erfolgten an derLudwig-Maximilians-Universität München.Seine Forschungsschwerpunkte sind Me-thoden der empirischen Sozialforschung,Arbeitsmarktsoziologie, Sozialstruktur-analyse, Organisations- und Wirtschafts-soziologie sowie Bildungssoziologie.

Eine zweiseitige AngelegenheitProf. Dr. Thomas Hinz ist LUKS-Preisträger

»Ich freue mich, dass junge Leuteetwas lernen wollen.«

Prof. Dr. Thomas Hinz

32 48|2012 ❱ www.soziologie.uni-konstanz.de/professuren/prof-dr-thomas-hinz/

Page 35: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

LUKS-Preis

Der Begriff Vorlesung, erklärt der von seinen Studierendenfrisch ausgezeichnete »Magister docendi« (Meister desLehrens) des Fachbereichs Chemie, sei eigentlich irrefüh-rend. Wenn ein Dozent einfach nur vorlese, würde Lehrenicht funktionieren. Vielmehr geht es Prof. Dr. ValentinWittmann um Interaktion: Es sei entscheidend, dass mandie gemeinsame Zeit nutze, um Sachverhalte zu erklären,Probleme zu diskutieren und Zusammenhänge zwischenunterschiedlichen Aspekten herzustellen. »Um Chemie zuverstehen, muss man die Fragen und Probleme selbstdurcharbeiten«, erläutert der LUKS-Preisträger. Daher ver-zichtet er auch in den Grundvorlesungen größtenteils aufprojizierte Folien, sondern verwende Tafel und Kreide.»Chemische Formeln, die man selber aufgeschrieben hat,verinnerlicht man viel besser als Dinge, die man nur ab-gelesen hat«.

Seit 2003 ist Wittmann an der Universität KonstanzProfessor im Fachbereich Chemie und betont, dass es füreine gute Vorlesung kein Patentrezept gibt. Eine Vorlesungmuss zwar gut vorbereitet sein, aber es kann immer zuunvorhergesehenen Wendungen kommen, etwa wenn ermerkt, dass einzelne Punkte nicht verstanden wurden,oder eine Diskussion zu einem Thema entsteht. Dennochhat der Chemiker eine sehr klare Vorstellung, was die Voraus-setzungen für erfolgreiche Lehre sind: Man müsse selbstInteresse haben, den Studierenden etwas zu vermitteln,und dürfe die Lehre nicht als eine lästige Pflicht ansehen.»Wir als Lehrende haben eine klare Motivation, dass dieStudierenden etwas lernen, denn die Studierenden vonheute sind unsere späteren Mitarbeiter, und ich wünschemir gute Mitarbeiter – also muss ich sie auch gut ausbilden«,erklärt Wittmann.

Den von einigen Wissenschaftlern beklagten Spagatzwischen Forschung und Lehre möchte der Konstanzer Pro-fessor nicht als solchen bezeichnen. Vielmehr ist er vomHumboldtsche Prinzip der Einheit von Forschung undLehre überzeugt. Tatsächlich könne man aus dem Lehrbe-trieb viele positive und anregende Aspekte für die For-schung gewinnen: »Fragen von Studierenden können

manchmal ganz einfach scheinen und doch extrem schwie-rig zu beantworten sein. Es tut sehr gut, über solche Fra-gen und gewisse Grundprinzipien der eigenen Wissen-schaft immer wieder mal nachzudenken. Mir macht es ein-fach Spaß zu beobachten, wie aus den Studierenden guteForscher werden«, betont der LUKS-Preisträger.

❱ hd.

Von Studierenden lernenProf. Dr. Valentin Wittmann wird mit dem Lehrpreis derUniversität Konstanz von Studierenden (LUKS) ausgezeichnet

Prof. Dr. Valentin Wittmann ist seit 2003 Professorfür Organische Chemie/Bioorganische Chemie an derUniversität Konstanz. Sein Forschungsgebiet ist dieChemische Biologie von Kohlenhydraten. Von 2006 bis2011 war er Studiendekan des Fachbereichs Chemie.

3348|2012❱ www.uni-konstanz.de/FuF/chemie/wittmann/

Page 36: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Gerda Henkel Preis fürProf. Dr. Jürgen OsterhammelDer Historiker Prof. Dr. Jürgen Osterhammel, Professor fürNeuere und Neueste Geschichte an der Universität Kon-stanz, erhielt den Gerda Henkel Preis 2012. Die Auszeich-nung ist mit einem Preisgeld in Höhe von 100.000 Euroverbunden. Die Stiftung zeichnet mit dem Preis JürgenOsterhammels herausragende Beiträge auf dem Gebiet derWeltgeschichtsschreibung aus. In der Begründung für dieEhrung heißt es, Jürgen Osterhammels Forschung machedie Dimension geisteswissenschaftlicher Forschung deut-lich. Er habe entscheidend dazu beigetragen, der deut-schen Geschichtswissenschaft nicht nur in der Theorie,sondern auch in der Praxis der Historiographie die welt-historische Perspektive wieder zu geben.

»Sein 2010 bereits in 5. Auflage erschienenes Buch ›DieVerwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhun-derts‹ wurde von der Kritik mit (…) Begeisterung aufge-nommen, weil es Jürgen Osterhammel versteht, ohne Ein-bußen an analytischer Schärfe Geschichte in Geschichtenzu erzählen und damit auch einer breiteren Öffentlichkeitzu verdeutlichen, dass die zersplitterte Welt als ganzenoch zu denken ist«, betont Professor Dr. Dr. h.c. mult.Wolfgang Frühwald, Vorsitzender der Jury.

Jürgen Osterhammel ist Träger des Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preises 2010. Nach Professuren an der FernUni-versität Hagen und in Genf, Schweiz, ist Osterhammel seit1999 Professor für Neuere und Neueste Geschichte in Kon-stanz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der eu-ropäischen und asiatischen Geschichte seit dem 18. Jahr-

hundert, der Geschichte der interkulturellen Beziehungenund Wahrnehmungen, der Ideengeschichte, der Geschichteder Theorie der Historiographie sowie der Weltgeschichts-schreibung in Theorie und Praxis. ❱ hd.

LBS-Umweltpreis 2012an Dr. Simeon SchudyDer Umweltpreis 2012 der Stiftung »Umwelt und Wohnenan der Universität Konstanz« der LBS LandesbausparkasseBaden-Württemberg in Höhe von 10.000 Euro wurde anDr. Simeon Schudy (Bild unten, rechts) von der UniversitätKonstanz verliehen. Der Konstanzer Wirtschaftswissen-schaftler ist seit 2009 Leiter des Forschungsprojektes»Energieinvestitionen und heterogene Präferenzen«, dasvom Thurgauer Wirtschaftsinstitut an der Universität Kon-stanz (TWI) durchgeführt und vom Schweizer Bundesamtfür Energie gefördert wird.

Simeon Schudy hat in seiner Forschungsarbeit das um-weltfreundliche Verhalten von Hauseigentümern unter-sucht und ist der Frage nachgegangen, was Hauseigentü-mer dazu bringt, Investitionen in Energieeffizienz zu tä-tigen und welche Faktoren den Energiekonsum in den ei-genen vier Wänden beeinflussen. In einer umfangreichenempirischen Studie mit insgesamt 630 Schweizer Hausei-gentümern wurden Methoden der experimentellen Wirt-schaftsforschung mit klassischen Umfragen kombiniert,um objektive Maße für die Risikobereitschaft, Geduld undGroßzügigkeit der Investoren sowie deren Umweltbewusst-

34 48|2012

Preise

Laudator Prof. Dr. Willibald Steinmetz,Jury-Vorsitzender Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, Prof.Dr. Jürgen Osterhammel und Julia Schulz-Dornburg,Vorsitzende des Kuratoriums der Gerda Henkel Stiftung(v.l.n.r.) bei der Preisverleihung.

Page 37: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

sein zu ermitteln. Die Ergebnisse der Untersuchung zei-gen, dass die Entscheidung für Renovierungen hauptsäch-lich durch Risikoeinstellung, Geduld und Umweltbewusst-sein beeinflusst werden: »Risikobereitere Hauseigentümerführen mit höherer Wahrscheinlichkeit Renovierungendurch, während Hauseigentümer, die als geduldiger einge-stuft werden, energieeffizienter renovieren und geringereHeiz- und Energiekosten verursachen. Die Großzügigkeitder Eigentümer spielt hingegen sowohl bei der Renovierungals auch beim Energiekonsum eine untergeordnete Rolle«,erläutert Simeon Schudy die Ergebnisse der Untersuchung.

»Die Arbeit von Simeon Schudy liefert eine wichtigeGrundlage, um das umweltbewusste Verhalten im BereichWohnen in unserer Gesellschaft zu verstehen. Wenn dieMotive der Menschen, die in energieeffiziente Baumaß-nahmen investieren, besser verstanden werden, könnenwir auch neue Lösungsansätze finden, um den Umwelt-schutz weiter zu verbessern«, erläutert Heselbarth (Bild,links) Vorstandsvorsitzender der LBS und Vorsitzender derStiftung »Umwelt und Wohnen an der Universität Konstanz«,der gemeinsam mit Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger (Bild,Mitte) die Preisverleihung vornahm. ❱ hd.

Preis der Stadt Konstanz fürNachwuchswissenschaftlerinnen

Mit dem Preis der Stadt Konstanz zur Förderung des wissen-schaftlichen Nachwuchses an der Universität Konstanz2012 wurden Dr. Konstanze Baron (rechts) und Dr. MunaPohl (links) ausgezeichnet. Die Literaturwissenschaftlerinund die Sprachwissenschaftlerin erhielten aus den Händendes sich mittlerweile im Ruhestand befindenden Oberbürger-meisters Horst Frank die Urkunden. Das Preisgeld beträgtinsgesamt 4.000 Euro.

Die Romanistin Konstanze Baron beschäftigt sich inihrer Dissertation mit den Erzählungen des französischenAufklärers Denis Diderot. Unter Rückgriff auf Diderotsnatur- und moralphilosophische Schriften zeigt sie, dassDiderot in diesen fiktionalen Texten der 1770er Jahre anfrühere philosophische Fragestellungen anschließt undseine moralphilosophischen Positionen in entscheidendenPunkten weiterentwickelt, wobei der literarischen Formder Erzählung selbst eine besondere Bedeutung zukommt.Anders als seine Zeitgenossen beschränkt sich Diderot

nicht darauf, philosophische Thesen erst nachträglich inein literarisches Gewand zu kleiden; bei ihm finden dieästhetischen Bedingungen und Kategorien des Erzählensvielmehr selbst Eingang in die moralphilosophische Über-legung. Mit Diderot, so die These, erreicht die Erzählkunstder Aufklärung einen neuen Höhepunkt: Konstanze Baron,deren Dissertation von Prof. Dr. Ulrike Sprenger betreutwurde, arbeitet mittlerweile als Wissenschaftliche Mitar-beiterin am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschungder Europäischen Aufklärung (IZEA) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Muna Pohl hat zwischenzeitlich ein neues Projekt imBabysprachlabor der Universität Konstanz begonnen, wosie als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Ihre Dis-sertation befasst sich mit der Wahrnehmung von so ge-nannten Laryngal- und Längenkontrasten bei deutschenund schweizerischen Babys. In Bezug auf die früheSprachwahrnehmung ist davon auszugehen, dass Säug-linge zunächst universelle Wahrnehmungsfähigkeiten be-sitzen. Gegen Ende des ersten Lebensjahres passt sich dieWahrnehmung an das Inventar der Muttersprache an.Muna Pohl konnte in ihrer Doktorarbeit, die von Prof. Dr.Janet Grijzenhout betreut wurde, den Nachweis erbringen,dass dies auch auf die beiden Kontraste zutrifft. Die deut-schen Babys lernen, einen Laryngalkontrast zu erkennen,der sich zum Beispiel bei p und b hinsichtlich der Stimm-haftigkeit unterscheidet. Die Schweizer Kleinkinder lerntenhingegen, auf den Längenkontrast zu achten, p und b somitdurch die Verschlussdauer der Lippen zu unterscheiden.

❱ msp.

3548|2012

Preise

Page 38: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

23. Verleihung des EADS-Forschungspreises Claude Dornier

Preise

Cassidian-Standortleiter Jens Nielsen (links) zeichnetedie diesjährigen Preisträger des EADS-ForschungspreisesClaude Dornier, Dr. Sabine Burgdorf (4.v.l.) und Dr.Hanjo Schäfer (3.v.l.) aus. Mit ihnen freuten sich derRektor der Universität Konstanz, Prof. Dr. Ulrich Rüdiger(4.v.r.), die Doktorväter Prof. Dr. Jure Demsar (2.v.l.) undProf. Dr. Alexander Prestel (rechts) sowie die Cassidian- undAstrium-Vertreter des Verleihungskuratoriums Uwe Kühne(2.v.r.) und Hans-Reiner Schulte (3.v.r.).

Dr. Sabine Burgdorf und Dr. Hanjo Schäfer wurden mit demEADS-Forschungspreis Claude Dornier 2012 ausgezeichnet.Der Preis ist mit insgesamt 6.000 Euro dotiert. Er richtetsich an den wissenschaftlichen Nachwuchs aus den Fach-bereichen Mathematik, Physik sowie Statistik und Wirt-schaftswissenschaften an der Universität Konstanz.

Die Doktorarbeit der Mathematikerin Sabine Burgdorfbefasst sich mit dem Problem der Minimierung bestimmterPolynome, für die die klassischen Minimierungsmethodenad hoc nicht funktionieren. Solch ein Minimum lässt sichim Allgemeinen nicht einfach berechnen, ist aber für mög-liche Anwendungen in der Quantenphysik von großer Be-deutung. Sabine Burgdorf konnte in ihrer Dissertation»Trace-positive polynomials, sums of harmitian squaresand the tracial moment problem«, die an der UniversitätKonstanz vom Mathematiker Prof. Dr. Alexander Prestelund an der Université de Rennes 1 vom Fachkollegen Prof.Dr. Markus Schweighofer betreut wurde, für gewisse dieserPolynomen zeigen, dass man den genauen minimalen Wertdurch ein Näherungsverfahren erhält. Für den allgemeinenFall hat sie unter anderem eine numerisch verifizierbareBedingung gefunden, welche garantiert, dass das genaueMinimum berechnet wird. Nach einem Aufenthalt als Post-

doc an der Schweizer Université de Neuchâtel hält sie sichderzeit als Postdoc an der ebenfalls Schweizer École poly -technique fédéral in Lausanne auf.

Eine Ladungsdichtewelle ist ebenso wie Magnetismusoder Supraleitung eine direkt erfahrbare Ausprägung derQuantenphysik. Der Entstehungsmechanismus der La-dungsdichtewelle, der für Effekte wie die Hochtempera-tursupraleitung von großem Interesse ist, ist jedoch nochnicht abschließend verstanden. Hanjo Schäfer hat in sei-ner Dissertation »Entkopplung von elektronischer undstruktureller Ordnung im stark korrelierten SystemK3Mo10O30«, die an der Universität Konstanz in derGruppe des Physikers Prof. Dr. Jure Demsar entstanden ist,die Stärke dieser Ladungsdichtewellen mittels ultrakurzerLichtimpulse der hochsensitiven zeitaufgelösten Laser-spektroskopie manipuliert und vermessen. Hierdurch konn-ten neue Erkenntnisse über den Ursprung dieser Wellengewonnen werden, insbesondere über das Zusammenspielvon Kristallgittern und Elektronen. Hanjo Schäfer ist alswissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanzbeschäftigt und wird bei seinem aktuellen Projekt von derCarl-Zeiss-Stiftung gefördert.

❱ msp.

36 48|2012

Page 39: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Kurz berichtet

Honorarprofessur für Dr. Uwe Stegemann

Der Experte für Bankstrategie und Risikomanagement Dr. UweStegemann wurde von der Universität Konstanz zum Hono-rarprofessor ernannt. Uwe Stegemann ist Senior Partner beider internationalen Unternehmens- und StrategieberatungMcKinsey & Company und wirkt leitend bei verschiedeneninternationalen Organisationen mit, die sich mit Fragen desBankmanagements befassen. Weltweit ist Uwe Stegemannein gefragter Berater und Gesprächspartner von Vorstands-vorsitzenden großer Banken und gilt insbesondere als Ex-perte zu Fragen im Zusammenhang mit der Finanzkrise.

Uwe Stegemann studierte nach einer Ausbildung zumBankkaufmann Betriebswirtschaftslehre an der Universitätzu Köln. Parallel zu seiner Tätigkeit bei McKinsey verfassteer seine Dissertation «Risikoorientiertes Wertmanagementbei deutschen börsennotierten Universalbanken« an derEuropean Business School. Seit Wintersemester 2008/2009 bietet Uwe Stegemann an der Universität KonstanzLehrveranstaltungen zur Bankstrategie an und organisiertVorträge hochkarätiger Bankenvertreter.

»Seine Veröffentlichungen und Lehrveranstaltungenzeichnen sich durch analytische Klarheit und hohen Pra-xisbezug aus«, erklärt Prof. Dr. Leo Kaas, Sprecher desFachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der UniversitätKonstanz. »Mit seiner detaillierten Kenntnis in den Berei-chen Bankstrategie und Risikomanagement, insbesonderein Zusammenhang mit der Finanzkrise, eröffnet er denKonstanzer Studierenden eine praxisnahe Auseinanderset-zung mit aktuellen Fragestellungen des Bankmanage-ments. Insbesondere sein offener Diskussionsstil wird vonden Studierenden hoch geschätzt«, führt Kaas weiter aus.

❱ gra.

Auszeichnung für Sportwissenschaftler

Der Konstanzer Juniorprofessor Dr. Matthias Wagner wurdeanlässlich der Jahrestagung der American Alliance forHealth, Physical Education, Recreation and Dance in Boston,USA, mit dem »Lolas E. Halverson Motor DevelopmentYoung Investigator Award 2012« ausgezeichnet. Diese Eh-rung der »National Association for Sports and PhysicalEducation« (NASPE) wird Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftlern verliehen, die wesentliche Beiträge auf demGebiet der motorischen Entwicklung geleistet haben. DemSportwissenschaftler wurde die Auszeichnung in Anerken-nung seiner Forschungsarbeit zur motorischen Entwick-lung von Kindern und Jugendlichen und seiner aktuellenForschung zum Thema motorische Entwicklungsstörungenzugesprochen.

Matthias Wagner ist seit 1. Mai 2012 Juniorprofessorfür Motorische Entwicklung und Förderung im Kindesalterim Fachbereich Sportwissenschaft an der Universität Kon-stanz. Nach seinem Studium der Sportwissenschaft mitSchwerpunkt Informatik an der Technischen UniversitätDarmstadt wurde Wagner im Jahre 2009 an der Fakultätfür Geistes- und Sozialwissenschaft der Universität Karls-ruhe promoviert. Im selben Jahr wurde seine Dissertationmit dem Karl-Hofmann-Publikationspreis ausgezeichnet.Matthias Wagner ist Mitglied der Arbeitsgruppe Motorik-Modul im Rahmen des bundesweiten Kinder- und Jugend-gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts; seine ak-tuellen Forschungsinteressen liegen in der Diagnose mo-torischer Entwicklungsstörungen. Seit 2011 arbeitet er außer -dem in einer Forschungskooperation mit dem College atBrockport in New York, USA, zur motorischen Entwicklungvon Kindern mit Sehbehinderung. ❱ hd.

3748|2012

Page 40: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

693.000 Euro fürForschungspersonalaustauschUnter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Dietrich, Arbeits-gruppe für Human- und Umwelttoxikologie der UniversitätKonstanz, werden Forscherinnen und Forscher aus Neusee-land, Argentinien und Norwegen das internationale For-schungsprojekt Microcystin Exposure Associated Toxicity(MEAT) durchführen. Unter Koordination der UniversitätKonstanz wurden für das Projekt aktuell für eine Laufzeitvon vier Jahren Fördermittel in Höhe von insgesamt693.000 Euro über den Internationalen Marie-Curie-For-schungspersonalaustausch (IRSES) bewilligt. Neben derUniversität Konstanz sind das Cawthron Institute in Neu-seeland, das Norwegian Institute of Public Health in Nor-wegen (FHI), die Catholic University of Cordoba in Argen-tinien und das National Water Institute (INA) in Argenti-nien an dem Forschungsvorhaben beteiligt. Im Rahmendes Projektes soll die langfristige Auswirkung der Toxizitätvon Blaualgen in Oberflächengewässern auf Menschen un-tersucht werden. Dabei sollen parallel Daten von verschie-denen Gewässern auf drei Kontinenten gesammelt werden.

Mit dem Internationalen Marie-Curie-Forschungsperso-nalaustausch werden Forschungseinrichtungen dabei un-terstützt, mit Hilfe eines koordinierten Personalaustausch-programms eine langfristige Zusammenarbeit mit Partnernaufzubauen oder zu vertiefen. Die beteiligten Forscherin-nen und Forscher erhalten im Rahmen ihres Auslandsauf-enthaltes einen monatlichen Mobilitätszuschuss aus derIRSES-Finanzhilfe. ❱ hd.

Kooperationsabkommen verlängertMit einer gemeinsamen Kooperationsvereinbarung unter-zeichneten die Universität Konstanz, die Industrie- undHandelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee sowie die Agen-

Kurz berichtet

tur für Arbeit Konstanz die Weiterführung des Career Servicean der Universität Konstanz bis zum Jahr 2017. Die Fort-führung des Career Service setzt ein Zeichen für das Zusam-menwirken der beteiligten Institutionen an der Schnitt-stelle zwischen Studium und Beruf, um Studierenden denEinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und um Fach-kräfte für die Region zu sichern. Aufgabe des Career Serviceist es, Studierende beim Übergang vom Studium in denBeruf zu unterstützen, ihre beruflichen Qualifikationen zufördern und Hilfestellungen bei der Suche von Arbeitsplät-zen zu bieten. Der Career Service vernetzt hierzu Angebotevon Fachbereichen sowie universitären Einrichtungen undist Ansprechpartner für Unternehmen und Arbeitgeber.

»Die Weiterführung des Career Service ist ein wichtigerBaustein zur Fachkräftesicherung in der Region«, erklärteJutta Driesch, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agen-tur für Arbeit Konstanz anlässlich der Unterzeichnung.Auch Prof. Dr. Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer derIHK Hochrhein-Bodensee, sieht in der Fachkräftebindungeinen Schlüsseleffekt des Career Service: »Die Bedingun-gen des Arbeitsmarkts haben sich verändert, die Aufgabendes Career Service sind umso wichtiger geworden: Früherlautete die Frage: Wie bringen wir die Studierenden naht-los ins Berufsleben? Heute kommt noch die Herausforde-rung hinzu: Wie halten wir die guten Fachkräfte in der Re-gion?«, veranschaulicht Marx. »Die Weiterführung des Ca-reer Service ist für uns ein wichtiger Schritt vorwärts. Mitdem Career Service haben wir eine präzise wirkende Ini-tiative der Berufsförderung an unserer Universität veran-kert, von der alle Studierenden profitieren«, so Prof. Dr.Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz.

❱ gra.

Zum zweiten Mal »TOTAL E-QUALITY«Der Universität Konstanz wird zum zweiten Mal das Prädikat»TOTAL E-QUALITY« verliehen. Diese Auszeichnung erhaltenOrganisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwal-tung sowie Verbände, die in ihrer Personal- und Organisa-tionspolitik erfolgreich Chancengleichheit umsetzen. TOTALE-QUALITY steht für Total Quality Management (TQM), er-gänzt um die Gender-Komponente »Equality«. Die Erstver-leihung an die Universität Konstanz erfolgte 2009.

Die Jurybegründung hebt im Fall der Universität Kon-stanz beim »stringenten und gut durchdachten Gesamt-

38 48|2012

Page 41: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Austauschdienstes (DAAD). Das Selbstbewertungsinstru-ment ist in sieben Aktionsfelder gegliedert.

Das Prädikat umfasst eine Urkunde und einen Ehren-preis für Nachhaltigkeit, verbunden mit dem TOTAL E-QUALITY-Logo, das nun für weitere drei Jahre in allenInnen- und Außenbeziehungen der Organisationen zurPräsentation und Imagepflege verwendet werden kann. Esbescheinigt, dass die Organisation Ressourcen aus demPotenzial und den besonderen Fähigkeiten der Frauen ge-winnbringend einsetzt, und verspricht Vorteile bei derGewinnung der besten Köpfe.

❱ msp.

konzept der Bewerbung« insbesondere die »beeindrucken-den Steigerungen des Frauenanteils durch Neuberufungen«bei Juniorprofessuren auf 40,5 Prozent hervor. Ebensowird betont, »dass die Bewerbung glaubwürdig vermittelt,dass die Chancengleichheit als Teil der Organisationsent-wicklung verstanden wird.«

Die Prädikatsvergabe beruht auf einer Selbstbewertung,die von einer unabhängigen Jury aus fachkompetentenVertreterinnen und Vertretern aus dem Wissenschaftsbe-reich beurteilt wird, darunter Prof. Dr. Margret Winterman-tel, die ehemalige Präsidentin der Hochschulkonferenz(HRK) und neue Präsidentin des Deutschen Akademischen

Kurz berichtet

Jens Apitz bleibt Kanzler der Universität Konstanz –Senat bestätigt den Wahlvorschlag des Universitätsrates

Jens Apitz wurde für weitere acht Jahre zum Kanzler derUniversität Konstanz gewählt. Er wurde damit zum zweitenMal in seinem Amt als oberster Verwaltungschef bestätigt.Der Senat der Universität Konstanz stimmte damit demWahlvorschlag des Universitätsrates einstimmig zu. Dieserhatte den 52-jährigen Juristen in seiner Sitzung vom 28.Juni 2012 ebenfalls einstimmig für eine weitere Amtszeitgewählt. Nachdem das Ministerium für Wissenschaft, For-schung und Kunst Baden-Württemberg sein erforderlichesEinvernehmen mit der Wahl des Universitätsrates erteilthatte, konnte auch der Senat sein Votum abgeben.

Prof. Dr. Dieter Jahn, Vorsitzender des UniversitätsratesKonstanz, zur Wahl von Jens Apitz: »Dass die UniversitätKonstanz so gut dasteht, hat sie auch ihrer Verwaltung zuverdanken, die nun seit 14 Jahren von Jens Apitz mit vielGespür und Umsicht geleitet wird. Zu beiden Anträgen fürdie dritte Förderlinie, mit denen die Universität Konstanzim Rahmen der Exzellenzinitiative 2007 und nun 2012 er-folgreich war, leistete Herr Apitz wichtige Beiträge. Beider Vor-Ort-Begutachtung spielten Mitarbeiter der Verwal-tung eine wichtige, oft nicht für jeden sichtbare Rolle.Auch weiß ich die Finanzen der Universität bei Jens Apitzin sehr guten Händen. Dafür möchte ich ihm herzlich dan-ken. Ich bin froh, weiterhin solch eine erfahrene und außer -ordentlich bewährte Persönlichkeit an der Spitze der Uni-versitätsverwaltung zu wissen.«

Jens Apitz ist seit 1999 Kanzler der Universität Konstanz,2006 wurde er für eine zweite Amtszeit gewählt. 2008schlug er ein Nominierungsangebot als Kanzler der Ludwig- Maximilians-Universität München aus und blieb an der Uni-versität Konstanz. Seit 2009 ist er Mitglied des »HumanRound Table – Heads of University Management & Adminis-tration Network in Europe«. Vor seiner Zeit in Konstanz warJens Apitz Leiter des Dezernats Akademische Angelegen-heiten an der Eberhard-Karls-Universitätin Tübingen, nachdem er dort zuvorReferent im Rechtsamt und in derAbteilung Bauplanung und Liegen-schaften war. Sein Studium derRechtswissenschaft absolvierteder 1959 in Göttingen geboreneJens Apitz an den UniversitätenMarburg und Tübingen. Nacheinem Studienaufenthalt an derDeutschen Hochschule für Verwal-tungswissenschaften Speyer schlosser 1994 ein berufsbegleitendes Stu-dium der Betriebswirtschafts-lehre an der WürttembergischenVerwaltungs- und Wirtschafts-akademie ab.

❱ msp.

3948|2012

Page 42: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Prof. Dr. Volker Hahn – Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Zum 1. März 2012 hat Prof. Dr. VolkerHahn die Professur für Internationale undMonetäre Makroökonomik am FachbereichWirtschaftswissenschaften der UniversitätKonstanz übernommen. Während seinesPhysik-Studiums hat der gebürtige Ham-burger eher durch Zufall, wie er sagt, eineVorlesung in Mikroökonomik besucht undsich spontan entschlossen, Volkswirt-schaftslehre im Nebenfach zu studieren.Ein Abschluss in Physik ist aus seinerSicht eine durchaus geeignete Vorberei-

tung für die Arbeit als Wirtschaftswissenschaftler: »AlsPhysiker hat man den Vorteil, dass man sich bereits gutmit mathematischen Methoden auskennt und im analyti-schen Denken geschult ist – beides kommt einem alsVolkswirt zugute«, erklärt Volker Hahn.

An der Universität Heidelberg hat er 2002 seine Dok-torarbeit in Wirtschaftswissenschaften zum Thema »Infor-mation Asymmetries, Transparency, and Monetary Policy«erfolgreich abgeschlossen und anschließend für ein Jahrbei der deutschen Bundesbank in Frankfurt als VolkswirtErfahrungen in der geldpolitischen Praxis gesammelt,bevor er als Postdoc noch einmal an die Universität Heidel-

Personalia – Neue Professoren

40 48|2012

»Soziale Beziehungen verändern sich überdas Erwachsenenalter hinweg. Alleinschon die Anzahl der sozialen Beziehun-gen, die wir eingehen, nimmt mit zuneh-mendem Alter ab. Die gute Nachricht ist:Die nahestehenden Beziehungen bleibenin der Regel bestehen«, erklärt Prof. Dr.Urte Scholz: »Das ist auch ein aktiver Se-lektionsprozess: Ältere Personen stellensich ihr Netzwerk so zusammen, dass sievor allem die emotional bedeutsamenKontakte pflegen.«

Der Blick auf die Lebensspanne in ihrem Verlauf und inihren Auswirkungen auf das menschliche Verhalten istcharakteristisch für die Forschung von Urte Scholz: Wieändert sich das Gesundheitsbewusstsein und Wohlbefin-den von Erwachsenen über die späteren Lebensphasenhinweg? Was bringt einen Menschen dazu, wieder mehrSport zu treiben und die Ernährung umzustellen, und wel-che Rolle spielt der Partner dabei? Wie kann eine solidePartnerschaft sogar bei altersbedingten Erkrankungen wieDemenz das Wohlbefinden stabilisieren? »Mein Forschungs-

schwerpunkt ist die Regulation von Wohlbefinden und Ge-sundheit über die Lebensspanne hinweg«, erläutertScholz. Seit Februar 2012 hat sie die Professur für Ent-wicklungs- und Gesundheitspsychologie an der UniversitätKonstanz inne.

Urte Scholz wurde 2005 an der Freien Universität Berlinmit ihrer Dissertation zum Thema »Adoption and Mainten-ance of a Physically Active Lifestyle: A Longitudinal In-tervention Study with Coronary Heart Disease Patients«promoviert. Im Anschluss forschte sie an der UniversitätZürich, bevor sie 2011 mit einer Förderungsprofessur desSchweizerischen Nationalfonds an die Universität Bernwechselte. Für ihre Professur in Konstanz lehnte sie 2011zwei zeitgleiche Rufe an die Universität Genf und an dieFreie Universität Berlin ab. »Am Konstanzer FachbereichPsychologie schätze ich sehr, dass hier sehr bewusst einFokus auf Gesundheit gelegt wird. Die Konstanzer Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler sind sehr bestrebt,auch intern zu kooperieren«, weiß Urte Scholz zu schät-zen: »Ich bin sehr glücklich, mich für Konstanz entschie-den zu haben.«

❱ gra.

Prof. Dr. Urte Scholz – Fachbereich Psychologie

Page 43: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Prof. Dr. Marten Breuer – Fachbereich Rechtswissenschaft

Drei Monate in Straßburg beim Europäischen Gerichtshoffür Menschenrechte prägen die Forschung von Prof. Dr.Marten Breuer bis heute. Die Erfahrung, wie aus interna-tionalem Flair ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht,hat ihn beeindruckt. »Seither hat mich die EuropäischeMenschenrechtskonvention nicht mehr losgelassen«, sagtder Jurist, der seit August 2012 an der Universität Kon-stanz die Professur für Öffentliches Recht mit internatio-naler Ausrichtung bekleidet. Mit dem Schwerpunkt inner-staatliches Recht mit Bezügen zum Völker- und Europa-recht wurde die neu geschaffene Professur in die beste-hende Struktur des Konstanzer Fachbereichs Rechtswis-senschaft eingepasst.

»Die Ausrichtung der Professur an der Schnittstelle zwi-schen innerstaatlichem und internationalem Bereich spie-gelt gut wider, was ich bisher gemacht habe«, erklärt MartenBreuer. In seiner Dissertation aus dem Jahr 2000 beschäf-tigte er sich mit dem Wahlrecht von Deutschen, die imAusland wohnen, in seiner Habilitationsschrift von 2010ging es um die Frage staatlicher Haftung für richterlichesUnrecht mit Bezug auf das deutsche Recht sowie dasEuropa- und Völkerrecht. Der neue Konstanzer Professorhat sich insbesondere mit seinen Berichten über dieRechtsprechungsaktivität des Europäischen Gerichtshofs

für Menschenrechte einen Namen gemacht.Dabei handelt es sich um eine Zusammen-stellungen wichtiger Urteile jeweils einesJahres, die der Gerichtshof gegenüberLändern wie Russland oder Frankreich ge-fällt hat und die eine Rechtsprechungs-tendenz aufzeigen, die für Deutschlandrelevant werden könnte.

Breuer hat außerdem auf einer eigenenInternet-Seite (www.egmr.org) eine Auflis-tung aller deutschen Übersetzungen zusam-mengestellt, die von Urteilen des Europäi-schen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Verfügung stehen. Geboren ist Marten Breuer in Celle, sein Jura-Studium absol-vierte er an der Bayerischen Julius-Maximilians-UniversitätWürzburg, wo er auch promoviert wurde. Nach Anstellungenals Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Würzburg wechselte erin gleicher Funktion an die Universität Potsdam, wo er sich2010 habilitierte. Von 2009 bis 2012 war er als Claussen-Simon-Dozent für Europäisches und Internationales Rechtam Europa-Kolleg Hamburg tätig. Vertretungsprofessuren inTübingen und Hamburg gingen Marten Breuers Berufungnach Konstanz voraus.

❱ msp.

Personalia – Neue Professoren

4148|2012

berg ging. Seit 2006 hat Volker Hahn als Oberassistent amCenter of Economic Research an der Eidgenössischen Tech-nischen Hochschule (ETH) Zürich geforscht, von wo er 2011erstmals als Gastprofessor an die Universität Konstanz kam.Die Forschungsinteressen des Ökonomen liegen im Bereichder optimalen Politik von Zentralbanken wie der Europäi-schen Zentralbank und der optimalen institutionellen Aus-gestaltung von Geldpolitik und Finanzmarktregulierung.Dabei setzt er sich beispielsweise mit Fragen zur Transpa-renz und Informationspolitik von Zentralbanken auseinan-der. Auch die Forschungsfelder Arbeitsmarktökonomik und

Politische Ökonomie, insbesondere die Anwendung theo-retischer verhaltensökonomischer Konzepte auf politöko-nomische Fragestellungen, werden von Volker Hahn be-handelt. Im aktuellen Wintersemester hält er die Vorle-sungen »Open Economy Macroeconomics« für Bachelor-studierende und »Advanced Macroeconomics I« für Mas-terstudierende sowie das Seminar »Spezielle Probleme derGeldpolitik/Topics in Monetary Economics« für Master-und Bachelorstudierende.

❱ hd.

Page 44: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Promotionen

42 48|2012

Dr. rer. nat. Mykhailo Azarkh, In-cell approaches inelectron paramagnetic resonance spectroscopy to studyconformations of DNA G-quadruplexes.

Dr. rer. nat. Timo Basen, Nutritional aspects in theinvasive freshwater bivalve Corbicula fluminea: Therole of essential lipids.

Dr. rer. nat. Melanie Baur, Combinatorial Conceptsand Algorithms for Drawing Planar Graphs.

Dr. rer. nat. Katja Melanie Beha, Einzelne Farbzentrenin Diamant: Grundlegende physikalische Eigenschaften,Nanophotonik und Quantenoptik.

Dr. rer. nat. Benedikt Bosbach, Modeling OncogenicKIT Signaling and Drug Resistance in the Mouse.

Dr. rer. nat. Carmen Bucuroaia, AsymmetrischeSynthese neuer Aminosäuren über die Bislactimether-methode.

Dr. rer. nat. Alexander Buntru, Phosphotyrosinekinase dependent protein complexes and their rolein signaling.

Dr. rer. nat. Erica Cirri, Regulation of the Na,K-ATPase by FXYD1.

Dr. rer. nat. Martin Dauner, Synthese von alkin- undazidfunktionalisierten Glycosphingolipiden und ihreFluoreszenzanfärbung in Zellmembranen über bio -orthogonale Ligationsreaktionen.

Dr. rer. nat. Dana Ionica David, Synthese neuerInhibitoren für transmembranständige Proteinkineasen.

Dr. rer. nat. Patrick Dillmann, Nichtgleichgewichts-Phasenübergang eines 2d Kolloidsystems.

Dr. rer. nat. Silvia Domingo Köhler, Entwicklungoptisch schaltbarer Spinmarker für die Elektronen -spinresonanzspektroskopie.

Dr. rer. nat. Claudia Duran, Bifacial Solar Cells:High Efficiency Design, Characterization, Modules andApplication.

Dr. rer. nat. Pablo Daniel Ferrada Martinez, Diffusionthrough Oxide Barriers for Solar Cell Applications.

Dr. rer. nat. Bente Flier, Einzelmoleküluntersuchungenan dünnen Polymerfilmen.

Dr. rer. nat. Wiebke Galal, Working towards understan-ding DNA Replication Coupling of A 3’-5’ Helicase with areplicative Polymerase on a rolling Circle Substrate.

Dr. rer. nat. Almut Johanna Hanselmann, Life-cycleand population ecology of the freshwater mysidLimnomysis benedeni.

Dr. rer. nat. Thomas Hartmann, One Step Beyond.Introduction, Evaluation and Applications of a RealTime EEG Framework.

Dr. rer. nat. Matthias Heilig, Exploring Reality-BasedUser Interfaces for Collaborative Information Seeking.

Dr. rer. nat. Jan Arno Heinen, Current-inducedDomain Wall Dynamics Probed by Electrical TransportMeasurements.

Dr. rer. nat. Alexander Holupirek, Declarative Accessto Filesystem Data – New application domains for XMLdatabase management systems.

Dr. rer. nat. Bastian Holzberger, From Multi- fluorinated DNA Polymerases to Insights into DNASynthesis by NMR Spectroscopy.

Dr. rer. nat. Elisabeth Maria Isele, Typische Sprach-heilschüler – typische Erfolge.

Dr. rer. nat. Nina Jagmann, Interspecific interactionsof heterotrophic bacteria during chitin degradation.

Dr. rer. nat. Friederike Junginger, Einzelne intensiveLichtzyklen im mittleren Infrarot und deren Anwendungin der nichtlinearen Spektroskopie.

Dr. rer. nat. Julian Keil, Use your illusion: audiovisualperception and external perturbation are influenced byoscillatory activity.

Dr. rer. nat. Youngsang Kim, Controllable andSwitschable Properties of Organic Single Moleculesin Nanoscale Devices.

Dr. rer. nat. Gilbert Koch, Modelling of Pharmaco -kinetics and Pharmacodynamics with Application toCancer and Arthritis.

Dr. rer. nat. Miriam Koch, Insights intoco- translational protein quality control mechanisms.

Dr. rer. nat. Sebastian Mack, Thermische Oxidation fürdie Silicium-Photovoltaik.

Doktor der Naturwissenschaften

Page 45: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Promotionen

4348|2012

Dr. rer. nat. Ricarda Erica Miller, Directed remoteMetalation Strategy: Synthesis, Cytotoxicity and DNA-Intercalation of Arnottin I and SchumanniophytineDerivatives.

Dr. rer. nat. Daniel Mutter, Computersimulationen zustrukturellen Phasenübergägen und Formgedächtnis-verhalten auf Nanometerskala.

Dr. rer. nat. Angela Raphaela Neff, What’s Mine isYours: The Crossover of Job-Related Self-Evaluationswithin Working Couples.

Dr. rer. nat. Jan-Frederik Nekarda, Laser fired contacts(LFC) – Charakterisierung, Optimierung und Modellierungeines Verfahrens zur lokalen Rückseitenkontaktierungdielektrisch passivierter Silizium-Solarzellen.

Dr. rer. nat. Samra Obeid, Snapshots of DNA poly -merase processing aberrant substrates: Structuralinsights into abasic site bypass & polymerization of5-alkynylated nucleotide analogs.

Dr. rer. nat. Gabriela Ioana Paraschiv, Structuralidentification and quantification of ß-amyloidpoly peptide-ligand interactions using affinity-massspectrometric methods.

Dr. rer. nat. Johannes Pecher, Conjugated PolymerNanoparticles by Metathesis Polycondensation inAqueous Miniemulsion and their FluorescenceDetection in Cells.

Dr. rer. nat. Dominik Pöltl, Degeneration mechanismsin human dopaminergic neurons.

Dr. rer. nat. Oliver Popp, Functional regulationof proteins involved in genomic maintenance bypoly(ADP-ribose).

Dr. rer. nat. Martina Preuße, Properties of InternalSolitary Waves in Deep Temperate Lakes.

Dr. rer. nat. Jan Karl-Heinz Reith, Characterizationof peptidoglycan-recovering enzymes of Clostridiumacetobutylicum.

Dr. rer. nat. Stalla Ryu, Investigation of the FAT10conjugation pathway.

Dr. rer. nat. Pierre Saint-Cast, Passivation ofSi Surfaces by PECVD Aluminium Oxide.

Dr. rer. nat. Sven Seibert, Regulation der Photo -synthese für die Stickstoff-Fixierung in Trichodesmium– Regulation of Photosynthesis for Nitrogen Fixation inTrichodesmium.

Dr. rer. nat. Romedi Selm, Nonlinear opticalmicroscopy using fewcycle laser pulses.

Dr. rer. nat. Elmar Spies, Development and Characteri-zation of a novel Immunotherapy against Prostate Cancer.

Dr. rer. nat. Peggy Synwoldt, Improvement of AnimalModels of COPD and Identification of New TherapeuticIntervention Principles Therein.

Dr. rer. nat. Dmytro Sysoiev, Synthesis and propertiesof photochromic Difurylethenes for mechanically con-trolled Break Junctions.

Dr. rer. nat. Franka Thurm, Aging and dementia:Clinical relevance of early markers and late interventions.

Dr. rer. nat. Christian Trumpp, Sportschäden derWirbelsäule und der Schulter beim Wellenreiten.

Dr. rer. nat. Elias Urrejola, Aluminium-Silicon ContactFormation Through Narrow Dielectric Openings. Appli-cation To Industrial High Efficiency Rear PassivatedSolar Cells.

Dr. rer. nat. Johannes Wächtler, Spectral Stabilityof Small-Amplitude Traveling Waves via GeometricSingular Perturbation Theory.

Dr. rer. nat. Christina Walter, Strukturelle undfunktionelle Untersuchungen an prokaryotischen Reggie-assozierten Proteinen und am Protein Neurolin ausdem Goldfisch.

Dr. rer. nat. Kathrin Weidele, Raising cellular NAD+levels in human cells by nicotinic acid supplementation:Biological consequences related to PARP-1 mediatedreactions.

Page 46: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Promotionen

44 48|2012

Dr. phil. Florian Arndtz, Reflexionsphilosophie undFotografie.

Dr. phil. Philipp Julian Bauer, Zellen, Wellen,Systeme, Konfigurationen des Lebens und Ordnungendes Wissens, ca. 1880 – 1930.

Dr. phil. Benjamin Bewersdorf, Belief and Ist Revision.

Dr. phil. Alina Cleju, Negotiating the Artist: A Studyof American and Canadian Artist Stories.

Dr. phil. Nicole Falkenhayner, Making The BritishMuslim Representations of the Rushdie affair andfigurations of the ›war on terror‹ decade.

Dr. phil. Lisa Cornelia Foege, Die Rettung vorEnt artung und Verwilderung. Ignaz Heinrich vonWessenbergs Konzept der Fürsorge für verwahrlosteKinder und seine praktische Anwendung in derKonstanzer Rettungsanstalt. Beitrag zu einerInstitution im sozialen Netz der Stadt Konstanz.

Dr. phil. Johannes Martin Geisthardt, ZwischenPrinceps und Res Publica. Senatorische Selbstdar -stellung in der Hohen Kaiserzeit.

Dr. phil. Robert Heinze, Promoting National Unity:The Role of Radio Broadcasting in the Process ofDecolonisation in Namibia and Zambia.

Dr. phil. Stefan Alexander Hohenadel, EfficientEpistemic Updates in Rank-Based Belief Networks.

Dr. phil. Thilo Jungkind, Das Störfall- und Umwelt -risiko der chemischen Industrie. Der Einfluss gesell-schaftlichen Wertewandels auf unternehmerischesHandeln bei Bayer und Henkel seit der zweiten Hälfedes 20. Jahrhunderts.

Dr. phil. Ingrid Kleeberg, Poetik der nervösenRevolution. Psychophysiologie und das politischeImaginäre, 1750 – 1860.

Dr. phil. Raphael Kuch, Intermediales Erzählen imfrühneuzeitlichen illustrierten Roman. Zu Struktur undWirkung der Medienkombination bei Jörg Wickram.

Dr. phil. Tomáš Lipták, Die Entstehung dessozia listischen Realismus: Maksim Gorkij unddie Laienschriftsteller in den 1930er Jahren.

Dr. phil. Larissa Schuler-Lang, Wildes Erzählen –Erzählen vom Wilden Parzival, Busant und Wolfdietrich D.

Dr. phil. Michael Zimmermann, The evolution ofexpletive subject pronouns in French.

Doktor der Philosophie

Dr. rer. soc. Julian Bernauer, Descriptive Parlia -mentary Represenation of Ethnic Minorities in Centraland Eastern Europe. A Quantitative-ComparativeAnalysis of Determinants and Consequences.

Dr. rer. soc. Jan Biesenbender, Bargaining at EUIntegovernmental Confernces 1986 – 2004.

Dr. rer. soc. Ross van der Haer, The Heart ofDarkness: How Organizational Structure InfluenceCivilian Abuse.

Dr. rer. soc. Khaled Hegazy, The Effect of MentalTraining on Precision Tasks in Tennis and Soccer –A Study on Educational Technology.

Dr. rer. soc. Johanna Jobst, Strategisches Manage-ment in Kulturorganisationen. Eine empirische Analyseder Bewertung eines Theaterbesuchs aus Zuschauer -perspektive.

Dr. rer. soc. Gabi Meyer, Offizielles Erinnern und dieSituation der Sinti und Roma in Deutschland. Dernationalsozialistische Völkermord an der Minderheitder Sinti und Roma als Thema der parlamentarischenDebatten des Deutschen Bundestages und die Auswir-kungen dieser Debatten auf die Lebensumstände derSinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschlandzwischen 1945 und 2005.

Doktor der Sozialwissenschaften

Page 47: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Promotionen

4548|2012

Dr. rer. pol. Christopher Bleibtreu, Audit MarketRegulation, Supplier Concentration, and the Quality ofAudited Financial Statements.

Dr. rer. pol. Thomas Hofmann, Das Konzept der preis-orientierten Qualitätsbeurteilung – Eine produkt- undkulturübergreifende kausalanalytische Betrachtung.

Dr. rer. pol. Matthias Krapf, Five Essays on theEconomics of Science and Technology.

Doktor der Wirtschaftswissenschaften

Dr. jur. Christina Brugger, Abbruch der Zahlungs-ströme als Mittel zur Bekämpfung unerlaubterInternetglücksspiele.

Dr. jur. Silke Harz, Behördliche Koordinierungs -ausschüsse im europäischen Finanzmarktaufsichts-und Regulierungsrecht.

Dr. jur. Philipp Jost, Cadbury Schweppes und dieAuswirkungen auf ausländische Betriebsstätten beider deutschen Hinzurechnungsbesteuerung.

Dr. jur. Barbara Ooms-Gnauck, Rechtsschutz gegendie öffentliche Gewalt in den Niederlanden.

Dr. jur. Stefan Klaus Petermann, Die Bedeutung vonCompliance-Maßnahmen für die Sanktionsbegründungund –bemessung im Vertragskonzern.

Dr. jur. Christian Pfuhl, Menschenhandel zum Zweckder sexuellen Ausbeutung nach §§ 232, 233 a StGB,unter besonderer Berücksichtigung der internationalenGrundlagen und einer vergleichenden Darstellung zurösterreichischen und schweizerischen Menschen -handelsvorschrift.

Dr. jur. Stefan Georg Seyfarth, Wandel der internatio-nalen Zuständigkeit im Erbrecht.

Dr. jur. Franziska Voltolini, Die Nachweispflicht desArbeitsgebers im Hinblick auf tarifvertragliche Aus-schlussfristen – Zugleich eine Abhandlung über Aus-schlussfristen, Nachweisvorschriften sowie § 8 TVG.

Doktor der Rechtswissenschaft

Dr. ing. Boris Neubert, Computer Graphics and Nature.Simulation-based and Probabilistic Methods for Image-and Sketch-based Modeling and Advanced StochasticPruning.

Doktor der Ingenieurwissenschaft

Dr. rer. nat. Sabine Cornelsen hat die Lehrbefugnisfür das Fach Informatik erhalten.

Dr.-Ing. Thomas Eckart Exner hat die Lehrbefugnisfür das Fach Theoretische Chemie erhalten.

Dr. rer. pol. Sebastian Haunss hat die Lehrbefugnisfür das Fach Politikwissenschaft erhalten.

Dr. rer. nat. Barbara Helm hat die Lehrbefugnis fürdie Fächer Zoologie und Verhaltensphysiologie erhalten.

Dr. rer. nat. Matthias Kotschote hat die Lehrbefugnisfür das Fach Mathematik erhalten.

Dr. rer. soc. Bettina Mohr-Pulvermüller hat dieLehrbefugnis für das Fach Psychologie erhalten.

Dr. phil. Sven Trakulhun hat die Lehrbefugnis für dasFach Neuere und Neueste Geschichte erhalten.

Dr. rer. pol. Sebastian Wolf hat die Lehrbefugnis fürdie Fächer Politikwissenschaft und Verwaltungs -wissenschaft erhalten.

Lehrbefugnis

Page 48: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Berufungen

46 48|2012

Prof. Dr. Christoph Knill, FB Politik- und Verwaltungs-wissenschaft, auf eine W3-Professur für »Politikwissen-schaft, Verwaltung und Organisation« an die UniversitätPotsdam.

Jun.-Prof. Dr. Eva-Maria Remberger, FB Sprach -wissen schaft, auf eine W2-Professur mit Schwerpunkt»Romanische Philologie/Sprachwissenschaft Italo- undGalloromanistik« an die Freie Universität Berlin.

Einen Ruf haben erhalten

Prof. Dr. Thomas Hofweber, USA, auf die W3-Professurfür »Philosophie unter besonderer Berücksichtigungder Theoretischen Philosophie«.

Prof. Dr. Michael Kupper, Berlin, auf die W3-Professurfür »Wahrscheinlichkeitstheorie/Statistik«.

PD Dr. Sophie Charlotte Lenski, München, auf dieW3-Professur für »Öffentliches Recht mit SchwerpunktVerwaltungsrecht«.

Prof. Dr. Matthias Messner, Köln, auf dieW3- Professur für »Volkswirtschaftslehre, insbesondereMikroökonomische Theorie«.

Jun.-Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi, Mannheim,auf die W3-Professur für »Corporate Finance«.

Dr. Christine Peter-Tittelbach, Mainz, auf dieW3-Professur für »Theoretische Chemie«.

Prof. Dr. Cecilia Poletto, Frankfurt/Main, auf dieW3-Professur für »Romanistische Sprachwissenschaft«.

Prof. Paola Profeta, Ph.D., Italien, auf dieW3- Professur für »Public Economics«.

Prof. Dr. Ulf Dietrich Reips, Spanien, auf dieW3- Professur für »Psychologische Methoden undDiagnostik«.

Prof. Dr. Stefan Ruenzi, Mannheim, auf dieW3- Professur für »Finanzwirtschaft«.

Prof. Dr. Stephan Schumann, Stolpen, auf dieW3-Professur für »Wirtschaftspädagogik«.

Dr. Eva Maria Weig, München, auf die W3-Professur für»Experimentalphysik«.

Prof. Dr. Petra Wirtz, Schweiz, auf die W3-Professurfür »Psychologie der Arbeit und Gesundheit«.

Jun.-Prof. Dr. Bettina Zinn, Konstanz, auf dieW3-Professur für »Allgemeine Sprachwissenschaftmit Schwerpunkt Phonetik«.

Prof. Kathrin Zippel, Ph.D., Köln, auf dieW3-Professur für »Soziologie mit Schwerpunkt GenderStudies«.

Einen Ruf nach Konstanz haben erhalten

Jun.-Prof. Dr. Bettina Braun, FB Sprachwissenschaft,auf die W3-Professur für »Allgemeine Sprachwissen-schaft mit Schwerpunkt Phonetik«.

Christian Breuning, Ph.D., Kanada, auf dieW3-Professur für »Vergleichende Politikwissenschaft«.

Prof. Dr. Claudia Diehl, Göttingen, auf dieW3-Professur für »Allgemeine Soziologie mitSchwerpunkt Mikrosoziologie«.

PD Dr. Sophie-Charlotte Lenski, München, auf dieW3-Professur für »Öffentliches Recht mit SchwerpunktVerwaltungsrecht«.

Prof. Dr. Sonja Perren, Schweiz, auf die W3-Professurfür »Empirische Bildungsforschung/Erziehungswissen-schaft mit Schwerpunkt Frühe Kindheit«.

Jun.-Prof. Dr. Almuth Scholl, Konstanz, auf dieW2-Professur für »Volkswirtschaftslehre, insbesondereInternationale Ökonomik«.

Einen Ruf nach Konstanz haben angenommen

Page 49: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Berufungen

4748|2012

Prof. Dr. Andrea Bührmann, Berlin, auf dieW3-Professur für »Soziologie mit Schwerpunkt GenderStudies«.

Dr. Andreas Funke, Köln, auf die W3-Professur für»Öffentliches Recht mit internationaler Ausrichtung«.

Dr. Ferdinand von Siemens, Niederlande, auf dieW3-Professur für »Betriebswirtschaftslehre,insbesondere Unternehmenspolitik«.

Prof. Dr. Christian Traxler, Marburg, auf dieW3-Professur für »Public Economics«.

Einen Ruf nach Konstanz haben abgelehnt

Jun.-Prof. Dr. Anja Schöttner, Bonn, auf dieW3-Professur für »Betriebswirtschaftslehre,insbesondere Unternehmenspolitik«.

Prof. Dr. Michael Stürner, M. Jur. (Oxon), Berlin,auf die W3-Professur für »Bürgerliches Recht mitSchwerpunkt Internationales Privatrecht undRechtsvergleichung«.

Barbara Atesöz, Bibliothek (1.7.2012)

Elvira Auer, Bibliothek (3.10.2012)

Ingeborg Busch-Renner, Bibliothek (1.10.2012)

Prof. Dr. Carsten Eulitz, FB Sprachwissenschaft(1.9.2012)

Birgit Fischer, Bibliothek (3.10.2012)

Matthias Frommhold, Facility Management(17.4.2012)

Martina Härle, Bibliothek (16.9.2012)

Ursula Lindel, Abteilung für Akademische undInternationale Angelegenheiten (18.8.2012)

Christine Martin, FB Geschichte und Soziologie(18.8.2012)

Edith Möll, Bibliothek (1.9.2012)

Ingrid Münch, Bibliothek (16.8.2012)

Candido Pascual, Wissenschaftliche Werkstätten(18.10.2012)

Maria Rosner, FB Physik (1.8.2012)

Heike Schmal, FB Literaturwissenschaft (1.8.2012)

Christine Schmeh, Abteilung Haushalt, Forschung,Beschaffung und Technologietransfer (16.9.2012)

Daniel Schmid, Abteilung für Akademische undInternationale Angelegenheiten (5.5.2012)

Susanne Stephan, Bibliothek (1.7.2012)

Martin Wolf, FB Biologie (1.10.2012)

Amélie Wolter, Personalabteilung (2.7.2012).

25-jähriges Dienstjubiläum

Hubert Fink, Wissenschaftliche Werkstätten(1.7.2012)

Wolfgang Hofmann, Abteilung Haushalt, Forschung,Beschaffung und Technologietransfer (1.9.2012)

Ekkehard Moser, Wissenschaftliche Werkstätten(1.9.2012)

Prof. Dr. Franz Plank, FB Sprachwissenschaft(30.8.2012)

Prof. Dr. Rudolf Rengier, FB Rechtswissenschaft(1.7.2012)

Prof. Dr. Wolfram Welte, FB Biologie (2.7.2012).

40-jähriges Dienstjubiläum

Page 50: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Würdigungen

Zwei neue RektoratsmitgliederRektor dankt den beiden ausscheidenden Prorektoren

Der Universitätsrat Konstanz hat die Wahl zweier neuerProrektoren bestätigt. Prof. Dr. Silvia Mergenthal und Prof.Dr. Matthias Armgardt traten zum Wintersemester 2012/2013 ihre Ämter als Prorektorin für Internationales undGleichstellung beziehungsweise als Prorektor für Lehre an.Die Literaturwissenschaftlerin und der Rechtswissen-schaftler waren zuvor vom Senat der Universität Konstanzfür eine Amtszeit von drei Jahren gewählt worden. Sie lösendie Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Katharina Holzingerund den Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Carsten Eulitz ab.Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchsist der Chemiker Prof. Dr. Andreas Marx, dessen Amt ineinem Jahr zur Wahl stehen wird.

Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger zum personellen Wechselim Rektorat der Universität Konstanz: »Ich danke KatharinaHolzinger und Carsten Eulitz für ihr großes Engagementfür die Universität Konstanz. Unseren Erfolg bei der Be-werbung für die zweite Förderphase der Exzellenzinitiativeist insbesondere auch dem außerordentlichen Einsatz derbeiden Prorektoren geschuldet. Wir konnten mit Silvia

Mergenthal und Matthias Armgardt zwei nicht minder ein-satzbereite und verantwortungsvolle Nachfolger für diebeiden gewinnen. Ich freue mich darauf, gemeinsam mitihnen und Andreas Marx die bevorstehenden großen undschönen Aufgaben zu meistern.«Die Anglistin Silvia Mergenthal kann sowohl im BereichInternationales als auch auf dem Gebiet der Gleichstellungauf große Erfahrung zurückblicken. Nach ihrem Studium derAnglistik und Germanistik an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Austin in den USA und St. Andrews in Schott-land unterrichtete sie als DAAD-Lektorin ebenfalls in St.Andrews. In Erlangen-Nürnberg wurde sie mit einer Arbeitüber den schottischen Schriftsteller James Hogg promo-viert und habilitierte sich zur Frauenrolle im englischenRoman um 1800. Bevor sie 1997 die Professur für Anglistikund Allgemeine Literaturwissenschaft an der UniversitätKonstanz annahm, hatte sie an der Universität Erlangen-Nürnberg eine Position als Oberassistentin inne. Bereitsdort war sie Gleichstellungsbeauftragte, ein Amt, das sieauch an der Universität Konstanz ausübte.

Silvia Mergenthals Forschung umfasst die schottischeLiteratur und Kultur, Kriminalliteratur, den Aspekt derRäumlichkeit in Literatur und Kultur, die literarische Dar-stellung von Städten und die Literatur über den ErstenWeltkrieg. Ihre bisherigen Forschungssemester hat sie ander University of Warwick am Institute for Advanced Stu-dies in the Humanities in Edinburgh und an der AustralianNational University Canberra zugebracht. Mit letzterer un-terhält Silvia Mergenthal im Moment ein Forschungspro-jekt zu »Memory and its Media«. Darüber hinaus arbeitetdie Anglistin an zwei Buchprojekten: Das eine beschäftigtsich anhand dreier historischer Kriminalfälle mit der Dar-stellung der Stadt Edinburgh in der Kriminalliteratur, dasandere mit Konstruktionen von Männlichkeit in der Welt-kriegsliteratur Großbritanniens und Australiens.

Mit Matthias Armgardt wurde ein Jurist mit einem viel-seitigen Forschungs- und Lehrspektrum zum Prorektor fürLehre gewählt. Seine Professur für Bürgerliches Recht, An-tike Rechtsgeschichte, Römisches Recht und Neuere Privat -rechtsgeschichte ist auf interdisziplinäre Grundlagenfor-

48 48|2012

Prof. Dr. Silvia Mergenthal

❱ www.profil.uni-konstanz.de/die-universitaet/rektorat/

Page 51: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Würdigungen

4948|2012

schung ausgerichtet, die die historischen und philosophi-schen Fundamente des Rechts untersucht. Matthias ArmgardtsForschungsinteressen umfassen neben den erwähnten Be-reichen auch die Rolle der formalen Logik im Recht sowiedie Rechtsinformatik. Diese große Bandbreite schlägt sichin den Lehrveranstaltungen des Juristen nieder. Neben Bür-gerlichem Recht und Vertragsrecht können Jurastudierendebei Matthias Armgardt beispielsweise auch ein Oberseminarzum Talmudischen Recht oder zum Zusammenhang von Rö-mischem Recht und stoischer Logik belegen.

Matthias Armgardt lehrt und forscht seit 2009 an derUniversität Konstanz. Zuvor hatte er eine Lehrstuhlvertre-tung an der Ludwig-Maximilians-Universität in Müncheninne. Er habilitierte sich an der Universität zu Köln überantikes Lösungsrecht und wurde zuvor ebenda über dieAnwendung der mathematischen Logik auf das Recht beiG. W. Leibnitz promoviert. Von 1999 bis 2005 war MatthiasArmgardt als Sozius einer Wirtschaftskanzlei tätig. An derFakultät für Evangelische Theologie an der Ruhr-Universi-tät Bochum legte er das Hebraicum ab. Der Jurist ist maß-geblich beteiligter Wissenschaftler an dem im Rahmen derExzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördertenExzellenzcluster »Kulturelle Grundlagen von Integration«.Darüber hinaus leitet er gemeinsam mit Prof. Dr. ShahidRahman das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft

(DFG) und der Agence Nationale de la Recherche (ANR)geförderte deutsch-französische interdisziplinäre For-schungsprojekt »Jurisprudenz und Logik«.

❱ msp.

Impressum

www.uni-konstanz.de

HerausgeberProf. Dr. Dr. h.c. Ulrich Rüdiger,Rektor der Universität Konstanz

VerantwortlichJulia Wandt,Leitung Kommunikation und Marketing

RedaktionDr. Maria Schorpp (msp., Leitung),Helena Dietz (hd.), Jürgen Graf (gra.),Patrizia Barbera (pba.),Stabsstelle Kommunikation und Marketing

GestaltungRothe Grafik,Georgsmarienhütte

DruckJacob Druck GmbH,Konstanz

AnzeigenverwaltungPublic Verlagsgesellschaft und Anzeigenagentur mbH,Bingen

BildmaterialKatrin Binner, Jespah Holthof, Inka Reiter, Peter Schmidt,Pressestelle, Stephan Brendgen/Gerda Henkel Stiftung,Lasse Kristensen - Fotolia.com (Titel)

Prof. Dr. Matthias Armgardt

Page 52: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Würdigungen

Prof. Dr. Dieter Groh 1932 2012

50 48|2012

Prof. Dr. Dieter Groh, 1974 auf dieProfessur für Neuere Geschichteder Universität Konstanz berufen,prägte bis zu seiner Emeritierung1997 Forschung und Lehre imFachbereich Geschichte und So-ziologie, unter anderem 1985 bis1987 als Dekan der Philosophi-schen Fakultät. Er machte dienoch junge Universität Konstanzweit über ihre Grenzen hinaus be -kannt, lehrte und forschte an der

Maison des Sciences de l’Homme und der École des HautesÉtudes en Sciences Sociales in Paris, Frankreich, als außer -ordentlicher Professor an der Universität Paris-Nanterreund als Gastprofessor an den Schweizer Universitäten St.Gallen, Bern und der ETH Zürich.

Die Breite seines Oeuvres – von der Geschichte der Ar-beiterbewegung bis zur Universalgeschichte – ist beein-druckend, was sich nicht nur an der Herausgeberschaft der»Propyläen-Geschichte Deutschlands« ablesen lässt: Dieosteuropäische Geschichte verdankt Groh mit seiner 1988bei Suhrkamp erneut aufgelegten Dissertation »Rußlandim Blick Europas« (1961) einen zentralen Bezugspunkt,Sozialhistorikern ist er als Herausgeber etlicher Klassikerim Rahmen der »Sozialgeschichtlichen Bibliothek« undaufgrund seiner umfangreichen Forschungen zur Sozial -demokratie ein Begriff, der er sich in seiner 1973 erschiene-nen Habilitationsschrift »Negative Integration und revolu-tionärer Attentismus« widmete.

Seine Grenzgänge zwischen Geschichte und Anthropo-logie und seine Offenheit für geschichtstheoretische Fra-

gen, die er zuweilen mit Lust an Ironie abhandelte (»Whydo bad things happen to good people?« 1987), inspirier-ten Kollegen auch aus der Philosophie, Soziologie undEthnologie. Und nicht zuletzt bereiteten die in symbioti-scher Zusammenarbeit mit seiner Frau Ruth Groh seit Be-ginn der 1990er Jahre verfassten Studien »Zur Kulturge-schichte der Natur« einer kritischen und hochreflektiertenkulturwissenschaftlichen Wissenschaftsgeschichte denWeg, der er bis in seine jüngsten Werke hinein treu blieb.

Mit »Schöpfung im Widerspruch« (2003) und »GöttlicheWeltökonomie« (2009) legte Groh noch lange nach seinerEmeritierung zwei gewichtige Darstellungen zur Ge-schichte von Natur- und Menschenbildern von den Kir-chenvätern bis ins 17. Jahrhundert vor, die deutlich ma-chen, wie sehr er sich bis zuletzt der Wissenschaft als Le-bensform verschrieben hatte. Von Grohs intellektuellenSpuren zeugen zahlreiche Schülerinnen und Schüler inWissenschaft und Publizistik, die seine Art des Denkensinner- und außerhalb der Universitäten weiterführen. Obals akademischen Lehrer, als Leiter diverser Forschungs-projekte, als Kollegen oder als Freund – die Mitglieder desFachbereichs werden ihn sehr vermissen. Seiner Frau Dr.Ruth Groh, ihren beiden Söhnen und allen Angehörigengilt unsere tief empfundene Anteilnahme.

❱ Bernhard Kleeberg

(Prof. Dr. Bernhard Kleeberg ist Juniorprofessor für Wissenschafts-geschichte der Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universi-tät Konstanz)

Page 53: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Personalia – Würdigungen

5148|2012

Ehrendoktorwürdefür Ulrich GaierDie Universität AlexandruIoan Cuza in Iasi würdigt denKonstanzer Germanisten

Die Universität Alexandru Ioan Cuza in Iasi in Rumänienhat Prof. Dr. Ulrich Gaier die Ehrendoktorwürde verliehen.Gewürdigt wurde der Konstanzer Literaturwissenschaftlerbei einem Festakt an der traditionsreichen rumänischenUniversität in Anwesenheit der dortigen Universitätslei-tung und einer kleinen Konstanzer Delegation, zu der auchRektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger gehörte. Ulrich Gaier wareiner der Wegbereiter der Universitätspartnerschaft zwi-schen Konstanz und Iasi, die bis ins Jahr 1993 zurück-reicht. Der Germanist habe zu einer Zeit, in der nicht vieleInteresse an der Zusammenarbeit mit einer osteuropäi-schen Universität gehabt hätten, die Kooperationsverein-barung mit der Universität Alexandru Ioan Cuza vorange-trieben, hieß es in der Laudatio, die Prof. Dr. Andrei Corbea-Hoisie, Germanist an der Universität Alexandru Ioan Cuzaund Alexander von Humboldt-Stipendiat an der UniversitätKonstanz, auf Ulrich Gaier hielt. Daneben würdigte Corbea-Hoisie die wissenschaftliche Leistung seines FachkollegenGaier unter anderem als maßgebliches Mitglied der bisheute international hoch renommierten Konstanzer Schuleder Rezeptionsästhetik.

Ulrich Gaier war von 1968 bis 2000 Professor für Deut-sche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft ander Universität Konstanz. Seit seiner Emeritierung, auchdarauf weist die Laudatio hin, ist Ulrich Gaiers wissen-schaftliches und partnerschaftliches Engagement unge-brochen. Bis 2002 war er Beauftragter des Rektors für diePartnerschaft mit der Universität Alexandru Ioan Cuza unddamit verantwortlich für einen lebendigen wissenschaft-lichen und studentischen Austausch. Dass über Jahre hin-weg die Studierenden aus Rumänien und damit aus Iaşidie größte Gruppe ausländischer Studierender an der Uni-versität Konstanz ausmachten, war auch dem Engagementdes Konstanzer Literaturwissenschaftlers zu verdanken.Die Laudatio geht ausführlich auf die Rolle Gaiers als wis -

senschaftlicher Lehrer für die Studierenden und Doktoran-den der Alexandru Ioan Cuza-Universität sowohl als Gast-professor in Iasi als auch an der Universität Konstanz ein.Wissenschaftliche Fundiertheit, didaktische Feinheit unddie Förderung von Kreativität werden unter anderem alsherausragende Qualitäten von Ulrich Gaier genannt. Erhabe ganze Generationen von Germanisten in Iasi geprägt,sagte Corbea-Hoisie in seiner Würdigung. Die AlexandruIoan Cuza-Universität hat Ulrich Gaier deshalb 2000 denTitel eines Honorarprofessors verliehen.

Vom Literaturwissenschaftler Ulrich Gaier sprach derLaudator als einer der großen Persönlichkeiten seinesFachs. Wissenschaftliche Geradlinigkeit, Konsequenz undargumentative Strenge zeichneten das erfüllte akademi-sche Leben und das Werk Ulrich Gaiers aus. Insgesamt 25Bücher, 21 Sammelbände und 203 in den besten Fachver-lagen und Fachzeitschriften veröffentlichte Studien vonUlrich Gaier zählt die Laudatio auf. Darunter grundlegendeBeiträge zu für die deutsche und europäische Kultur maß-geblichen Autoren wie Goethe, Hölderlin, Novalis bis hinzu Annette von Droste-Hülshoff.

Ulrich Gaier studierte Germanistik, Anglistik und Roma-nistik in Tübingen und Paris. An der Universität Tübingenwurde er 1962 über Hölderlin promoviert. Danach folgteeine Zeit als Lektor für Deutsch am University College inSwansea, Wales, dann als Assistant Professor, ab 1966 alsAssociate Professor an der University of California, Davis,USA. Seine Habilitation legte Ulrich Gaier 1966 in Tübingenmit einer Arbeit über Sebastian Brants »Narrenschiff« ab.Während seiner Zeit von 1968 bis 2000 als Professor fürDeutsche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaftan der Universität Konstanz nahm Ulrich Gaier zahlreicheGastprofessuren wahr. ❱ msp.

Prof. Dr. Ulrich Gaier war von 1968 bis 2000Pro fessor für Deutsche Literatur und AllgemeineLiteraturwissenschaft an der Univer sität Konstanz.Bis 2002 war er Beauftragter des Rektors für diePartnerschaft mit der Universität Alexandru Ioan Cuza.

Page 54: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Lebenslanges LernenDie Akademie für Wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Konstanz (AWW) bietet maßgeschneiderte Weiter -bildungsangebote der Universität Konstanz. Sie wendet sich mit ihrem Programm an Personen, die ihre Kompetenzen wissen-schaftlich fundiert und praxisorientiert fortentwickeln möchten. uni'kon stellt an dieser Stelle regelmäßig das aktuelleAn ge bot der Akademie für Wissenschaftliche Weiterbildung vor.

Kontaktstudium univentureAuf der Basis theoretischer Ansätze zur Stärkung der Handlungs-kompetenz und der Persönlichkeitsentwicklung vermittelt univen-ture erlebnispädagogische Methoden und Umsetzungskonzepte.Start 12. Oktober 2012www.kontaktstudium-univenture.de

Kontaktstudium Kartellrecht – eine

unternehmensbezogene Weiterbildung

Das Kontaktstudium Kartellrecht vermittelt sowohl vertiefte Kenntnisse als auch

praktische Erfahrungen im deutschen, schweizerischen, europäis

chen und inter-

nationalen Kartellrecht. Denn ein Kartellrec

htsverständnis ist aufgrund der zivil-

rechtlichen und strafrechtlichen Konseque

nzen für das Unternehmen und dessen

Mitarbeiter von herausragender Bedeutung f

ür alle, die im Unternehmen mit kar-

tellrechtlichen Fragen befasst sind.

www.kontaktstudium-kartellrecht.de

Nano kompakt – Nano- und Mikrot

echnologie

für Fachkräfte in kleinen und mitte

lgroßen

Unternehmen der Region

Wissenschaftliche Forschungsergebni

sse aus der Nano-

und Mikrotechnologie stellen gemeinsam anwendungs-

relevanten Themen und eigenem Experimentieren den

Praxisbezug sicher.

Start 19. Oktober 2012

Start 22. Februar 2012

www.nano-kompakt.de

KontaktstudiumInternationale RechnungslegungStart November 2012

www.kontaktstudium-ifrs.de

Sport Science Academy – KontaktstudienAuf der Basis trainingswissenschaftlicher Forschung und medizinischerKrankheitsbilder werden Methoden- und Umsetzungskompetenzen vermit-telt, um Konzepte eines ganzheitlichen Fitnesstrainings zu realisieren.Fitness Coach B-Lizenz – Start 16. November 2012Balance Fitness Coach – Start 3. Mai 2013www.sport-science-academy.de

Weiterbildung für

Lehrer und Pädagogen

Alte Sprachen aktuell

1. Februar 2013

alte-sprachen-aktuell.afww

.uni-konstanz.de

Geschichte aktuell

Start 13. November 2012

geschichte-aktuell.afww.un

i-konstanz.de

Pädagogik & Psychologie a

ktuell

Start 22. Oktober 2012

p-und-p-aktuell.afww.uni-

konstanz.de

Philosophie aktuell

Start 22. November 2012

philosophie-aktuell.afww.u

ni-konstanz.de

Theaterpädagogik aktuell

Start 9. November 2012

theaterpaedagogik-aktuel

l.afww.uni-konstanz.de

Kontaktstudium Vertrags-, Vergaberechtund Unternehmensstrafrecht Um internationale Vertragsbeziehungen erfolgreich zu gestalten und interna-tionale Ausschreibungen zu gewinnen, verlangt die internationale Geschäfts-tätigkeit von Juristen, Exportverantwortlichen und externen Beratern über-greifende Kenntnisse im internationalen Vertrags- und Vergaberecht. Das Kon-taktstudium Vertrags-, Vergaberecht und Unternehmensstrafrecht bietet dieMöglichkeit, die relevanten Bereiche des internationalen Vertrags- und Verga-berechts kennen zu lernen und zu vertiefen, um sich gegen die damit verbun-denen unternehmensstrafrechtlichen Risiken zu wappnen.www.kontaktstudium-unternehmensstrafrecht-auftragsvergabe.de

Kontaktstudium Wirtschafts- und Steuerr

echt – ein innovatives Wei-

terbildungsangebot im Verbund mit der Un

iversität Bayreuth mit Fokus

auf grenzüberschreitende Aktivitäten in D

eutschland, Schweiz, Öster-

reich und Liechtenstein

Neben international agierenden Konzernen

sind auch mittelständische Unternehmen

zunehmend grenzüberschreitend aktiv - und das ins

besondere in Deutschland, Öster-

reich, der Schweiz und Liechtenstein. Sowohl Unternehmensjuristen und Steue

rfach-

leute als auch externe Berater stehen des

halb vor einer großen, neuen Herausfor-

derung: sie benötigen übergreifende Ken

ntnisse im Wirtschafts- und Steuerrecht

aller vier Länder. Das Kontaktstudium Wirtschafts- und Steue

rrecht bietet erstmals

die Möglichkeit, die relevanten Bereiche der vier

Rechtsordnungen integriert kennen

zu lernen und zu vertiefen.

www.kontaktstudium-wirtschaft-und-steu

ern.de

©de

marco

- Brocrea

tive - Fotolia.com

Weiterbildung

52 48|2012

Page 55: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Titel

5348|2012

ww

w.br

-pro

mot

ions

.com

| U

nive

rsit

ät K

onst

anz

| W

WA

- Gra

fik

Visionen | Praktiken | GefahrenZukunft II

anschließend Nachsitzung in der Mensa, Ebene K 7

StudiumGeneralegemeinsam mit der Bürgeruniversität Konstanz und dem Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Wintersemester 2012 /13

Programm 29. 10. 2012 | Prof. Dr. Klaus Hahlbrock

Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, KölnWelternährung zwischen Hunger und Überfluss

05. 11. 2012 | Prof. Dr. Andreas SchreitmüllerLeiter der ARTE-Redaktion Spiel- und Fernsehfilm, Honorarprofessor der Universität KonstanzMedienzukunft in Vergangenheit und Gegenwart

12. 11. 2012 | Dr. Marc HimmelbachZentrum für Neurologie, Neurologische Universitätsklinik, Universität TübingenUnser Gehirn - Methoden und Grenzen der modernen Hirnforschung

19. 11. 2012 | Rüdiger VaasRedakteur der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft"Schöne neue Neuro-Welt - Die Zukunft des Gehirns

03. 12. 2012 | Prof. Dr. Renate LachmannFachbereich Literaturwissenschaften, Universität KonstanzZukunftsvisionen und Unsterblichkeitsvorstellungen in der russischen Avantgarde

10. 12. 2012 | Prof. Dr. Max von TilzerFachbereich Biologie, Universität KonstanzIst unser Planet noch zu retten? Die Umweltdiskussion im Spannungsfeld zwischen Ökologismus und Skeptizismus

17. 12. 2012 | Prof. Dr. Jürgen Audretsch Fachbereich Physik, Universität KonstanzWie die Zeit vergeht - Die Physik der Zeitlichkeit

14. 01. 2013 | Prof. Dr. Rolf SchiederLehrstuhl für Praktische Theologie und Religionspädagogik, Humboldt Universität BerlinDie Zukunft der Religion

21. 01. 2013 | Prof. Dr. Eva-Maria Seng Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe UNESCO, Universität PaderbornWeltkulturerbe zwischen Globalisierung und Glokalisierung

28. 01. 2013 | Prof. Dr. Helmut Fend Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Zürich Die Zukunft des persönlichen Glücks

11. 02. 2013 | Prof. Dr. Aleida Assmann, Prof. Dr. Klaus OettingerFachbereich Literaturwissenschaft, Universität KonstanzDie Zukunft der Bildung?

KonzeptProf. Dr. Aleida Assmann, Prof. Dr. Jürgen Audretsch,Prof. Dr. Klaus Oettinger, Prof. Dr. Max von Tilzer

KontaktElke Lauffer | Universität KonstanzKommunikation und Marketing | VeranstaltungsmanagementUniversitätsstraße 10 | 78464 [email protected] | +49 (0) 75 31 88 49 18

montags 18:30 –19:45 Uhr | Auditorium Maximum

Page 56: Ein kleiner Sprung für die Raumfahrt · in der virtuellen Welt funktioniert und nebenbei digital umsetzt, was auf dem echten Papier geschrieben wird. Das ändert auch das Selbstverständnis,

Das ist der

Horror!

Lehre Weiterbildung Forschung

© 2012 Universität Konstanz · Kommunikation und Marketing · Gestaltung: Rothe-Grafik · Foto: Arman Zhenikeyev – Fotolia.com

uni downtownFreitag, 30. November 2012, 20 UhrProgramm und Informationen unter www.uni-downtown.de und unter 07531/88-3603.Einlass 19.30 Uhr. Eintritt frei. Begrenzte Plätze an allen Orten.

Spannende Wissenschaft und Forschung an besonderen Orten der Stadt