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NACHBARN Ein literarisches Jugendprojekt zum Thema “Nachbarn” in Bosnien und Herzegowina

Ein literarisches Jugendprojekt zum Thema “Nachbarn” in ... · Die MALI PRINC Bibliothek wurde nach dem gleichnamigen Buch des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry benannt

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NACHBARN

Ein literarisches Jugendprojekt zum Thema “Nachbarn”in Bosnien und Herzegowina

Die MALI PRINC Bibliothek wurde nachdem gleichnamigen Buch des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry benannt.

Bibliothek MALI PRINCBand 113

Redaktion[imo E[I]

Lektorat und Korrektur / deutschEmina ^ABARAVDI]-KAMBER; Sandro MAIER; Heinrich STRICKER

Lektorat und Korrektur / bosnischAlma SKOPLJAK

Technische RedaktionJilduza und Selmir PAJAZETOVI]

Grafik und LayoutZenon KOSOVI]

DTP Studio BOSANSKA RIJE^

VerlagslogoNesim TAHIROVI]

Verlag: “BOSANSKA RIJE^” Tuzla75000 Tuzla - Miroslava Krle`e 11, Tel/Fax: 00 387 /35/ 251 509, 260 257

E-mail: [email protected], www.bosanska-rijec.comGedruckt in Bosnien und Herzegowina - 1. Auflage, 2011.

© Bosanska rije~ - Tuzla© Goethe Institut - Bosnien und Herzegowina

CIP - Katalogizacija u publikaciji Nacionalna i univerzitetskabiblioteka Bosne i Hercegovine, Sarajevo

182.163.4(497.6)-93-822=112.2(082)

SUSJEDI : literarni projekt mladih o temi "Susjedi" /voditeljica projekta Emina ^abaravdi}-Kamber. - Tuzla :Bosanska rije~, 2011. - 53, 83 str. ; 19 cm. - (BibliotekaMali princ ; knj. 118) Nasl. str. pri{tampanog prijevoda:Nachbarn. - Tekst na bos. i njem. jeziku. - Oba su teksta {tampana u me|usobno obrnutim smjerovima

ISBN 978-9958-12-163-0

1. Dr. up. stv. nasl. 2. ^abaravdi}-Kamber, Emina

COBISS.BH-ID 18688774

NACHBARN

Ein literarisches Jugendprojekt zum Thema “Nachbarn”in Bosnien und Herzegowina

BOSANSKA RIJE^TUZLA

Vorwort

Im Jahre 2010 fand in ganz Bosnien-Herzegowinader Literaturwettbewerb „Nachbarn“ statt, ausgerichtetvon den „EU-Nachbarn“ Frankreich und Deutschland,d.h. vom französischen und deutschen Kulturinstitut.

Junge Autorinnen und Autoren zwischen 18 und35 Jahren waren aufgerufen, sich in Gedichten undKurzgeschichten mit dem Thema „Nachbarn“ zubefassen.

Parallel dazu schrieb die Sprachabteilung desGoethe-Instituts in Sarajevo einen Schülerliteraturwett-bewerb zum gleichen Thema aus. Der große Unter-schied war, dass die Jugendlichen ihre Texte auf Deutschverfassen mussten. Dies war sicher eine echte Heraus-forderung, vielleicht aber auch ein Anreiz, sprachlicheBarrieren zu überwinden und besonders kreativ zu sein.

Jedenfalls haben sich 38 Jugendliche dieser Heraus-forderung gestellt und ihre Arbeiten eingereicht, vondenen die 15 besten prämiert wurden.

Diese Texte waren so gut, dass wir uns entschlossenhaben, sie nun zweisprachig in diesem Band zu ver-öffentlichen.

Der Buchproduktion vorausgegangen war eine lite-rarische Werkstatt, zu der die Preisträger eingeladenworden waren und die von der deutsch-bosnischenAutorin und Künstlerin Emina ^abaravdi}-Kambergeleitet wurde.

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Dass wir Frau ^abaravdi}-Kamber als Betreuerindieses Projekts und Herausgeberin dieses Bandes ge-winnen konnten, war sicher ein Glücksfall.

Nicht nur hat sie zahlreiche Autorenwerkstättengeleitet, sondern durch ihre Projekte mit Kindern undJugendlichen in Bosnien und Herzegowina eine ein-zigartige künstlerische Wiederaufbauhilfe geleistet.

Als Brückenbauerin und Friedensstifterin ist„Nachbarn“ auch ihr Thema.

Warum sind diese Texte nun so wichtig für dasGoethe-Institut?

Zunächst haben die jungen Leute durch ihre Arbeitengezeigt, dass Deutsch kein trockenes Schulfach ist, son-dern dass man damit sich selbst ausdrücken und dasLebensgefühl einer jungen Generation vermitteln kann.Das ist zweifellos höchst motivierend für alle, dieDeutsch lernen.

Die jungen Leute haben literarische Formen wieGedicht, Kurzgeschichte, Aphorismus für sich neu ent-deckt und ihren eigenen „Sound“, den Rap, beigesteuert.

Darüber hinaus haben sie aber mit feiner Beobach-tungsgabe, mit unverstelltem Blick und vollem Enga-gement sich eines konfliktreichen Themas angenommen,und zwar in einer Form, die Erwachsene manchmalbeschämen muss.

Elma Vili} bringt es in ihrem Text auf den Punkt:„Natürlich erwarten alle, dass die Kinder, die in soeiner Umgebung leben, denselben Hass aufeinanderempfinden. Aber es war nicht so.“

Das Zusammenleben mit „Anderen“ ist heute einThema, das nicht nur die Menschen in Bosnien undHerzegowina, sondern viele in unserer globalisiertenWelt beschäftigt, und unsere jungen Autoren habendarauf faszinierende und bewegende Antworten ge-geben.

Ich möchte deshalb die Lektüre dieser Texte in jederHinsicht weiterempfehlen.

Heinrich StrickerLeiter der Spracharbeit

Goethe-Institut Bosnien und Herzegowina

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Emina Ali}

Meine Nachbarin Selma

Die schönsten Augenblicke meiner frühen Kindheitverbinde ich mit meiner Nachbarin Selma. Ich war oftmit meiner Mutter bei dieser älteren Dame zu Besuch.

Selma lebte alleine. Sie war eine zurückhaltende undeinsame Frau, aber wenn sie etwas erzählte, konnte ichihr stundenlang zuhören. Sie hatte viele Bücher. JedesMal, wenn ich sie besuchte, gab sie mir eines davon.Die schönsten Märchen las ich bei Selma.

Meine Nachbarin Selma hatte das schönste Lachender Welt. Immer, wenn sich meine Mutter über michärgerte, hatte Selma mich verteidigt und gesagt, wiegoldig und gehorsam ich bin. Ihre Wohnung war fürmich ein Zufluchtsort. Noch immer kann ich mich an dieFigürchen und Spielsachen auf der alten Holzablagein der Ecke des Zimmers erinnern. Manchmal stand ichstundenlang neben diesen Porzellan-Figürchen undstellte mir immer wieder vor, ich wäre eine von ihnen undwir würden zusammen Selmas Wohnung betrachten.Selma freute sich oft über meinen Spieltrieb, auch dann,wenn ich unartig war, weil sie selber keine Kinder hatte.Im Schrank hatte sie immer eine Schale voller Süßig-keiten, die sie manchmal vor mich stellte und dabeilächelte. Sie wusste, wie sehr ich mich darüber freuenwürde.

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Der Duft von Kuchen hatte eines Tages aufgehört,aus ihrer Wohnung zu kommen. Die Wohnungstürwar verschlossen. Mutter sagte mir, dass Selma plötzlichzu ihrer Verwandtschaft fahren musste. Es kam mir merk-würdig vor, dass Selma losfuhr, ohne sich von mir zuverabschieden. Ich war sogar auf sie etwas sauer.

Jetzt, wo ich älter bin, verstehe ich die Vergäng-lichkeit, der niemand von uns entgehen kann. Ichweiß, dass Selma jedes Mal, wenn sie ihre Süßigkeitenmit mir teilte oder wenn sie mir ein Buch schenkte, vonmir nach und nach Abschied nahm. Sie lehrte mich, wiesich kleine Aufmerksamkeiten in die Erinnerungeneingravieren können. Manchmal, wenn ich die Treppehochgehe, bilde ich mir ein, immer noch SelmasKuchen zu riechen.

Schöne Erinnerungen sind ewig und unvergänglichund die schönsten Augenblicke können das Lebenlebenswert machen.

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Enida Ati}

Meine Nachbarn

Jahre, lange und langsame, liefen vorbei und ver-steckten sich in den verlassenen Straßenecken. Werhätte gedacht, dass so viele vergangen sind? Das erste,das zweite, das fünfte. Ja, seit fünf Jahren liegen sie imStreit. Meine Nachbarn. Eigentlich waren sie die bestenFreunde. Niemand kannte den wahren Grund für ihrenStreit.

„Diese Männer sind in den Jahren. Sie sind schonsiebzig und benehmen sich wie kleine Kinder. Dass siesich nicht schämen!“ Alle schmunzelten und tratschten,wenn einer von den beiden vorbeikam. „Wegen einesSchachspieles so zerstritten zu sein! Ist es so wichtig,wer am Zug war?“ Es waren wundersame Menschen.Beide Witwer. Sie hatten niemanden außer einander.

Im Leben passieren viele Dinge unerwartet. Und dann,wenn man es am wenigsten erwartet, kommen Verän-derungen, die es schöner machen. So ahnte Petar, sohieß einer der beiden, nicht, dass der Besuch von Adamsein Leben verändern würde.

Der Winter war voll im Gange. Streng und noch nieso kalt. Petars altes Haus ließ mehr Kälte durch, als esvor ihr schützte. An dem Morgen hatte Adam nichtgesehen, dass Petar Brennholz geholt hatte. „Wo istder alte Fuchs?“ murmelte er für sich, während er

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hinübersah. Im Vergleich zu Petar war Adam reicher. Dasgroße, warme Haus und der schöne, weite Hof spie-gelten es wider.

Der Mittag ging vorbei, und er sah Petar immernoch nicht. Erst als es Zeit zum Mittagessen war, zogAdam warme Sachen und Stiefel an und ging zu PetarsHaus. Bis dorthin zögerte er ein paar Mal. Er murmeltehalblaut: „Was interessiert mich der Alte? Kehr zurück,Adam!“ Oder er schimpfte mit sich selbst, dass er weichwurde und Frieden mit dem Freund schließen wollte.Vor der alten Haustür hielt er an und klopfte. Einmal,zweimal. Nichts. Die Stille antwortete ihm. Er rief einpaar Mal seinen Namen, aber bekam keine Antwort.Er drückte, und mit Knirschen ging die Tür auf. Einschwaches Feuer brannte im Ofen. Petar saß danebenund wärmte sich die Hände.

„Kannst du dich nicht anmelden?“, fragte ihn Adamzornig und nahm sich einen Stuhl, der in seiner Nähestand. „Ich kann“, antwortete Petar, immer noch auf dasFeuer blickend. Sein Blick war leer. Es schien so, als würdeer durch den Ofen und das Feuer blicken. Er bewegteseine Lippen, es kam aber kein Ton heraus. Er wischtesich eine Träne mit der Hand weg und drehte sich zuAdam. „Weißt du, es fällt mir nicht leicht. Fünf Jahresind keine Kleinigkeit. Ich hatte niemanden, mit demich menschlich reden konnte. Ich bin doch nicht ausStein. Und wir zwei? Um Gottes Willen, wir benehmenuns wie kleine Kinder. Wegen einer läppischen Schach-partie, sich zu streiten. Es ist lächerlich, alter Freund.“

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Adam hörte ihm aufmerksam zu. Er merkte sich jedesWort und schwieg beschämt, als er eine schwere Handauf seiner Schulter spürte.

„Willst du mir irgendwann verzeihen? Ich weiß,dass ich mich schlecht benommen habe. Darauf bin ichnicht stolz“, sagte er schließlich. Er sah wie ein Kind aus,das etwas verbrochen hatte. Petar lachte und sagteleise: „Es ist dir verziehen. Vergessen wir das Ganze.“

„In Ordnung“, antwortete Adam, „aber nur untereiner Bedingung. Mein Haus ist groß und leer. Ichbrauche jemanden, mit dem ich meine alten Tage ver-bringen möchte. Ich würde niemand anderen bitten,außer meinen besten Freund.“

Petar lachte aus vollem Herzen. „Es wird mir eine Ehresein“, sagte er, und eine Freudenträne lief über seineWange.

Manchmal genügt ein aufrichtiges „Entschuldigung“.Es ist kurz, aber wertvoll, wenn es von Herzen kommt.Heute, wenn die zwei über die Straße schreiten, verwirrtes die Menschen, die sie kennen. Manche schütteln denKopf. Manche lächeln vor Freude, die anderen wiederumtratschen. Sie wissen noch nichts, obwohl einige Tageseit der Versöhnung vergangen sind. Aber sie werdenes bald alle erfahren. Die Leute werden noch lange vondem Streit der beiden alten Freunde erzählen sowie auchvon ihrer Versöhnung. Man wird von ihrer Freundschafthören. Von der einfachen, aber schönen und wertvollenFreundschaft.

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Amela Dugonji}

Lara und die Nachbarin

Es ist Sommer... Die Sonne scheint ununterbrochen.Die Kinder spielen im Park. Lara steht vor dem Fenstermit dem Blick nach draußen. Sie ist 17 Jahre alt, undin vier Tagen wird sie ihren 18. Geburtstag feiern. Laraist eine glückliche, junge Frau, die es leider in ihremLeben nicht einfach hatte.

Sie lebte seit ihrem ersten Lebensjahr in einemWaisenhaus und wuchs ohne ihre Eltern auf. Ihre Muttergab sie gleich nach der Geburt weg. Über ihren Vaterhat sie nie etwas erfahren.

Aber Lara war glücklich. In vier Tagen wird sie dasWaisenhaus verlassen und einen Schritt ins neue Lebentun. Lara hat viele Pläne für ihre Zunkuft, die sie mitihrem Freund Stefan verwirklichen will.

An ihrem 18. Geburstag wurde sie von Stefan miteinem Rosenstrauß und einer kleinen Schachtel übe-rascht. In der Schachtel war ein Ring. Stefan machteihr einen Heiratsantrag.

Nach der Hochzeit zogen sie in ein schönes Wohn-viertel. Sie lebten sich dort schnell ein und verstandensich gut mit ihren Nachbarn. Nur eine Frau war anders.Sie war zurückgezogen und pflegte mit niemandemKontakt.

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Eines Tages, als Lara vom Einkaufen nach Hausekam, sah sie die Frau an einer Bushaltestelle stehen.Sie ging auf sie zu und lud sie zu einem Kaffee zu sichnach Hause ein. Die Frau nahm die Einladung herzlichan. Die beiden verbrachten einen schönen Nachmittagzusammen. Sie lachten und redeten miteinander. Laramochte ihre Nachbarin. Sie ist ihr richtig ans Herzgewachsen. Von dem Tag an sahen sie sich täglichund tranken zusammen Kaffee.

Eines Tages öffnete sich die Nachbarin Lara gegenüberund sagte: „Ich habe auch früh geheiratet, so wie du.

Ich war glücklich, als ich erfuhr, dass ich schwangerwar. Mein Mann hat mich deswegen kurz danach ver-lassen, und auf einmal stand ich mit dem Kind alleineda. Gleich nach der Geburt gab ich meine kleine Tochterin ein Waisenhaus. Das war der größte Fehler in meinemLeben. Sie hieß genau so wie du. Es vergeht kein ein-ziger Tag, an dem ich nicht an meine Lara denke.“

Die beiden Frauen weinten. „Meine liebe Nachbarin,das ist Vergangenheit. Schauen Sie nach vorne, alleswird gut“, sagte Lara.

Es vergingen Tage und Monate...Eines Tages entschloss sich Lara, ihrer Nachbarin die

Wahrheit zu sagen.Sie lud sie zum Kaffee ein. Es war Laras 20. Geburts-

tag. Die Nachbarin kam und brachte ein Geschenk mit.Auf einmal brach sie in Tränen aus: „Auch meine Larahat heute Geburtstag“, sagte sie leise. Lara schaute siean und sagte: „Mama, ich bin deine Lara, mich hast duins Waisenhaus gegeben.”

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Die beiden Frauen fielen sich in die Arme. LarasMutter sprach unter Tränen:

„Meine Tochter, vergib mir bitte für alles. Jetzt, woich dich gefunden habe, werde ich dich nie wiederverlassen.

Ich habe dich immer in meinem Herzen getragenund gefühlt.“

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Amela Dugonji}

Aphorismen

„Was nutzt uns ein Garten voller Blumen, wenn esniemanden gibt, der die Blumen riechen und bewundernkann?”

„Während der Himmel weint, versuchen die Sterne, mitihrem blassen Schimmer uns Menschen zu ermuntern.“

„In dem Glanz meiner Augen spiegelt sich meinetraurige Seele.“

„Es gibt Menschen, deren Seele hart ist wie ein Stein.Diese Menschen unterscheiden nicht das Licht von derDunkelheit.”

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Sanda Filipovi}

Nachbarin aus derselben Wohnung

Meine Nachbarin kenne ich schon neunzehn Jahrelang, aber nur sieben davon ist sie meine Nachbarinaus derselben Wohnung. Viele denken, dass manjemanden in derselben Wohnung nicht als Nachbarbezeichnen kann.

Dann frage ich mich, ob jemand eine Person ausseiner Familie kennt, mit der er zusammen in einerWohnung wohnt und sich trotzdem täglich nicht sieht.

Wer ist ein Nachbar? Na ja, jemand, der in der Nähevon deiner Wohnung oder von deinem Haus wohntoder im Nachbarland. Man kann auch Nachbarn inder Schule haben. Es gibt gute Nachbarn, die sichgegenseitig als Freunde bezeichnen können. Auf soeinen Nachbar kann man immer zählen. Andererseitsgibt es auch schlechte Nachbarn. Solche will keiner alsNachbarn haben! Niemand mag es, wenn ein Nachbarauf Andere keine Rücksicht nimmt, oder wenn sicheiner ständig beschwert. Im Gegensatz zu dieser Artvon Nachbarn, die man auf irgendeine Art und Weisekennt, sind auch die „unsichtbaren Nachbarn“ da. Vondenen weiß man nur, dass sie da wohnen, dass sieirgendwo in der Nähe sind, aber man kann nicht vielüber sie sagen. Das ist nicht gut, aber manchmal besser,als nervende Nachbarn zu haben.

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Nachbarn oder nicht? Eine sehr schwere Frage.Vielleicht ist hier die beste Antwort ein Sprichwort, dasdie Leute oft in so einer Situation benutzen, und zwar:„Sie können nicht mit- und auch nicht ohne einander.“

Oft fragen wir uns, wie gut kennen wir die Leute, diein unserer Umgebung wohnen. Meine Zimmernachbarinkenne ich nicht so gut. Besser kannte ich sie, als wirnicht zusammen gewohnt hatten. Die Nachbarin istmeine Oma. Seit Opas Tod wohnt sie mit meinen Elternund mir in unserer Wohnung. Nach ihrem Einzugdachte ich, dass die Beziehung unter uns besser wird.Damals wusste ich nicht, wie kalt und distanziert einOma-Enkelin-Verhältnis sein kann. Manchmal frage ichmich, ob sie mehr meine Oma oder eine Mischung auseinem guten, schlechten und unsichtbaren Nachbarn ist.

Es ist so traurig! Oft erinnere ich mich an die Zeit,als mein Opa noch am Leben war. Ich liebte es, meineGroßeltern zu besuchen. Meine Oma hat mir immerPfannkuchen gemacht, die ich, nach einem sehr langenSpaziergang mit meinem Opa, jedes Mal aufgegessenhatte. Damals, als ich erfuhr, dass die Oma zu uns ziehenwird, dachte ich zuerst an die vielen Pfannkuchen undan die gute Zeit, die wir miteinander verbringen würden.

Leider wurden die Pfannkuchen immer seltener, dieGespräche immer stiller. Die Omafigur verschwandlangsam aus meinem Leben, obwohl sie in einem Zimmergegenüber von meinem war.

Oft fragte ich mich, ob ich nicht der Grund war, dasswir uns so entfremdeten oder war es so wegen des

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verstorbenen Opas. Ist das die Zeit, die sie brauchte, umden Tod des Opas zu verarbeiten? Ja, das war es. Ichglaubte, dass ein bisschen Zeit vergehen soll und dannwird alles besser. Es sind schon sieben Jahre vergangen,und unsere Beziehung ist immer noch kühl. DiesesVerhältnis zueinander und das Verhältnis mit meineranderen Oma, die drei Stunden von mir entfernt wohnt,kann man nicht vergleichen. Man würde denken, dass daserste Verhältnis, das näher ist, viel stärker sein muss.

Meine Eltern sagen mir immer wieder, dass ich mirkeine Sorgen machen muss. Es ist Omas Entscheidung,sich von uns zu distanzieren. Wie wahr es ist, dass ichnie an ihre Tür klopfe, um nachzufragen, wie es ihr gehtoder meinen Wunsch äußere, mit ihr zusammen eineTasse Tee zu trinken. Ich weiß, dass Oma vor dem Fern-seher sitzt oder in ihrem Bett liegt. Ich weiß, dass sie keineLust hat, um spazieren zu gehen, weil sie nirgendwohingeht. Am liebsten ist sie in ihrem Zimmer. DieAusnahme ist nur, wenn sie zum Arzt muss.

Gelegentlich sehen wir uns im Flur, wenn Oma in dieKüche geht oder ins Bad muss. Wir sagen hallo zuein-ander, fragen uns gegenseitig, wie es uns geht.

Sich nicht täglich zu sehen, obwohl man in derselbenWohnung wohnt, schmerzt sehr.

Es ist unglaublich, aber wahr! Ich erfahre oft, wenndas Telefon in ihrem Zimmer klingelt und ich an derTür klopfe, dass sie nicht zu Hause ist, sonst hätte sieentweder den Hörer abgenommen oder die Tür aufge-macht. So bekomme ich mit, ob sie beim Arzt ist, dennsie hat keine Freunde.

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Es ist aber nicht alles so schwarz, wie ich es schildere.Wenn eine von uns beiden etwas Gutes gehört oder

erlebt hat, erzählen wir es uns. All das sind Augenblicke, die nur kurz dauern. In

dieser Zeit funktionieren wir gut. Wir lachen, wir habenviel Spaß miteinander. Wenn ich zurückdenke, dannerinnere ich mich an eine Begegnung mit ihr, wo sie inmein Zimmer kam und mir alte Fotos zeigte. Jedes vonden Fotos hatte eine eigene Geschichte.

Früher fuhr meine Oma öfter für ein paar Tage zumeiner Tante. Damals freute ich mich sehr, als sie zu-rückkam. Ich wusste, dass sie an meine Tür kommenwürde, um mir über alles, was sie bei der Tante erlebthatte, zu erzählen. Das dauerte nicht lange, und es warensehr wenige glückliche Momente unserer gemeinsamenZeit. Überhaupt, es waren nicht genug solche schönenAugenblicke für uns zwei, die wir zusammenleben unddazu noch eine Familie sind.

Es ist traurig, wie es zwischen uns beiden läuft, egal,ob ich sie als meine Oma bezeichne oder als meineNachbarin. Manchmal denke ich, dass ich viel mehr überdie anderen, „echten Nachbarn“, weiß. Bei vielen vondenen war ich schon mehrmals Kaffee trinken oder ichwurde zum Essen eingeladen. Ich habe viel mehr mitdiesen Nachbarn geredet.

Oft denke ich darüber nach, wie es ausgesehen hätte,wenn sie gar nicht zu uns gezogen wäre. Hätte ich meineOma und nicht noch eine Nachbarin mehr gehabt?

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Melisa Grudi}

Für immer Nachbarn

,,Nicht schon wieder!“, sagte meine Mutter, als sievon draußen laute Musik hörte.

Unsere Nachbarn sind eine Musikerfamilie. Der Vaterist Komponist und arbeitet an seinem neuen Stück.Mutter Zdenka ist Musiklehrerin und leitet einen Privat-kurs. Jeden Tag können wir hören, wie Kinder auf demFlügel üben. Meine Familie und diese Musikerfamiliekönnen sich nicht ausstehen, aber Matija, der Sohn derFamilie, und ich sind die besten Freunde.

Eines Tages geschah etwas, das alles veränderte.Laute Musik hörten wir von der anderen Seite der

Straße. Meine Mutter kam gerade von der Arbeit nachHause und wollte sich ausruhen. „Was zu viel ist, ist zuviel!“ rief plötzlich mein Vater und rannte aus dem Haus.Meine Mutter folgte ihm und ich auch. Meine Elternfingen an, sich mit unseren Nachbarn zu streiten.

Ich war fünf Jahre alt und sehr überrascht, wieerwachsene Menschen sich so benehmen können. Siesagten viele böse Worte zueinander. Doch zum Glückhatten meine Nachbarn eine Idee. Sie luden uns zumAbendessen ein. Meine Eltern nahmen die Einladung an.An diesem Abend unterhielten sich meine Eltern undunsere Nachbarn sehr lange. Sie merkten nicht, dasses schon Mitternacht war. Es wurde mir klar: Sie

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haben sich versöhnt. Ich hörte, wie mein Vater sagte:,,Es ist schön, euch endlich kennengelernt zu haben.Willkommen in der Nachbarschaft.“

Tja, sie lebten schon seit fünf Jahren in unserer Straße,aber ,,Willkommen“ hießen sie meine Eltern erst andiesem Abend.

Ich war sehr froh. Endlich konnte ich mit meinembesten Freund Matija auch zu Hause spielen. Nach diesemVersöhnungstag war alles anders. Meine Mutter undZdenka wurden beste Freundinnen. Zdenka hat meinerMutter Klavierspielen beigebracht, und meine Mutterhat Zdenka gezeigt, wie sie sich selbst Kleider nähenkann. Was meinen Vater angeht, hat er den Nachbarngeholfen, ihr Haus einzurichten. Meine Mutter undZdenka versuchten immer, etwas Neues zu machen.Eines Tages, als mein Vater nach Hause kam, wollte erseinen Augen nicht trauen: Nicht nur die Wände, son-dern auch die Möbel waren bunt gestrichen. Das warein Versuch zweier Damen, etwas Neues zu machen.

Matija und ich leben jetzt fast zusammen. Jeden Tagspielen wir in unserer Holzhütte, die sich in unseremGarten befindet. Dort fühlen wir uns frei und unbe-schwert. Wir gehen gelegentlich zusammen ins Kino,ins Freibad, oder wir gehen abends einfach aus.

Eines Tages half ich ihm, sein erstes Date zu verab-reden. Er war süß, aber schüchtern. Wir saßen in einerCafeteria. Kurz danach kam sein Traum-Mädchen anunseren Tisch, um uns einige Fragen zum Fach Chemiezu stellen. Sie versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen.

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Ich verstand es und gab den beiden zwei Kinokarten,die ich noch hatte, weil ich an dem Tag nicht ins Kinogehen konnte. Beide nahmen das Geschenk dankend an,und schon hatten sie ihr Date. Doch ich stellte fest,dass ich ohne Matija nicht leben kann.

Eines Tages geschah etwas Unerwartetes. An diesemMorgen sahen wir etwas Unglaubliches. Die Straßenwaren mit großen Gittern umzäunt. Links und rechtsder Straße standen viele Menschen. Die Straße wurdeplötzlich durch Barrikaden geteilt. Die Einen standenauf einer und die Anderen auf der anderen Straßen-seite. Der Krieg hatte begonnen.

Niemand wusste, was man tun musste oder sollte.Monate lang hatten die Menschen nichts zu essen undnichts zu trinken. Die Angst lebte in jedem von ihnen.Ich hatte auch Matija in dieser schrecklichen Situationvermisst. Plötzlich war er nicht mehr da. Es vergingenacht oder neun Monate, ohne dass ich etwas von ihmgehört hätte. Jeden Tag habe ich an ihn gedacht. Ichhatte einen Teil meines Herzens mit ihm verloren. Fürmich war er mein bester Freund.

Die Situation in Bosnien war für alle Menschenunerträglich. Meine Eltern und alle Nachbarn aus un-serer Straße hatten sich eines Tages entschlossen, einenTunnel zu graben. Sie mussten alle vorsichtig sein,damit niemand davon erfährt. An diesem 25. Mai umMitternacht hatte mein Kampf um die Freundschaft mitMatija begonnen.

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Es war sehr anstrengend. Im Tunnel war es dunkelund heiß. Matija war auf der anderen Straßenseite.Mein Wunsch, ihn wieder zu sehen, war stärker als dieAngst, nicht erwischt zu werden.

Als uns die Nachbarn von der anderen Straßenseitesahen, waren sie sehr froh.

Ich entdeckte Matija unter der Menschenmenge.Als wir uns umarmten, fingen wir beide an zu weinen.Mit zitternder Stimme sagte er: ,,Nie wieder wird mirjemand meine Rose wegnehmen.“

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Antonia Kaji}

Der Nachbar und ich

Menschen können mit eigenen Augen sehen, aberniemand sieht es. Menschen können etwas Wertvollesberühren, aber niemand berührt es. Menschen könnenauf der ganzen Welt hören, aber niemand hört es.

Mein Opa erzählt, dass es früher nicht so war. Frühersahen Menschen alles, sie berührten und sie hörtenalles. Reisen bringen Werte. Nicht die, die man mit demFlugzeug macht, sondern die, die man mit dem Autooder dem Zug unternimmt, wo die beste Möglichkeitbesteht, Menschen kennenzulernen. So erfährst du, wiees früher war, und du kannst dir jenes vergangeneLeben „voller Dampf“ vorstellen.

Deshalb möchte ich zuschauen, berühren undzuhören.

All das machte ich eines Tages auf meiner Reise vonder Kleinstadt Kiseljak in Bosnien und Herzegowinanach Zagreb, der Hauptstadt Kroatiens. Ich sah allerleiTrümmer. Ich sah die Vergangenheit, ich sah die Zukunftund, was am wichtigsten war, ich sah die Gegenwart.Ohne diese Trümmer gäbe es kein Heute.

Während des Krieges wurden diese schönen Häuserzerstört. Manche teilweise und manche ganz und gar.So fuhr ich, schaute und dachte nach. Das waren dochmeine Nachbarn! Aus den Trümmern wuchsen Birken,

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Erlen und manchmal Eichen. Durch die dichten Baum-kronen ließen sich die Umrisse der Schornsteine erkennen.Wo waren die Menschen, die früher mehr Erinnerungenin sich trugen als heute? Wo waren die Händchen, diesich an diesen Schornsteinen wärmten? Wo waren dieBeine, die beim Spielen mit Freunden liefen?

Damit ich die Natur, meine Posavina (Save-Gegend),meine Nachbarin, die Schönste, sehen kann, soll ich nichtnur die Augen öffnen und auch nicht nur atmen. Ichbrauche auch die frische Luft, die mir ein Lächeln aufdie Lippen setzt. Ich soll mit der Natur eins werden, dieNatur sein, ein Mensch mit Schmerzen, Fehlern und mitMakeln werden. Ich soll in den Himmel schauen undmich fragen: „Weswegen scheint die Sonne?“ Ich glaube,dass ich die Antwort auf diese Frage weiß: Sie scheint,weil sie auf bessere Zukunft hofft, weil sie hofft, dasssich noch jemand dasselbe fragt. Das ist der wahre Grund.Wir suchen nach Antworten, aber die Antworten sindin den Fragen.

Nachdem ich mich an dem Himmel satt gesehen habe,sind die Bäume an der Reihe. Niemand sieht etwasBesonderes in ihnen und bemüht sich auch nicht zusehen. Das Laub verrät uns die Jahreszeit und die grobeRinde verrät uns, wie alt der Baum ist. Das ist einzigartig.Und dann geben sie uns die Früchte. Die Nahrung. Dasist viel. Doch den Bäumen schenkt niemand Aufmerk-samkeit.

Nach den Bäumen suche ich mit dem Blick nach sel-tenen Blumen auf der grünen Wiese. So wie man malt

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und dabei die Farbe tropft, wo sie nicht hin soll, so ist esauch auf dieser Wiese. Ich suche nach Blumen, undwenn ich sie finde, werde ich sie zufrieden auf micheinwirken lassen.

Danach gehe ich zum Gebüsch über. Es gibt viele Artenvon Gebüschen und durch jedes kann man stolpern undfallen – wohin anders als ins Gebüsch! Ich glaube,ehrlich gesagt, dass ich Gebüsche nicht mag und dass sieauch niemand mag. Vielleicht sind sie das Unglück, dasmir zustößt, aber ich kämpfe und gewinne. Die Spinnenbauen ihre Netze, aus der Raupe wird ein Schmetterling...

Entsteht das Leben so, geht es aus einer Form in dieandere über? Ich sehe zu, wie etwas geboren wird,etwas Fremdes.

Ich lenke den Blick wieder auf die Trümmer, alles iststumm, nur mancher Vogel, der da einst sein Nest baute,ist noch immer da.

Und die Menschen? Was hat sie aus ihrem Heim nachOsten oder Westen verdrängt und wie viele Würfel sindgefallen? Wo sind diese Leute, von denen alles hier übriggeblieben ist? Sie hatten vor zurückzukommen. Fühlensie nicht, wie sie ihr Heim vermissen, wie ihre Erinne-rungen schmerzen, Erinnerungen an den klaren Fluss,wo sie als Kinder gebadet hatten? Wo sind die Freunde, vondenen sie gar nichts wissen? Sie alle sind weggegangen.Sie alle hatten Angst und sind ohne Gruß weggegangen,ohne Gelegenheit, etwas auf der Flucht mitzunehmen.Es sieht hier so aus, als ob niemand jemals existierthätte! Sind wir alle so abgestumpft, dass wir nichts

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mehr für die Menschen fühlen und nichts tun können,damit sie zurückkommen? Alles wird dem Vergessenüberlassen. Was wird sein, wenn es so weitergeht?Jeder soll wissen, dass auch ihm so etwas passieren kann.Regieren Computer und Handys jetzt in der Welt?

Nichts ist mehr wie früher. Ich glaube, dass dieMenschen sich durch die Umstände auch veränderthaben. Auch ihre Nachbarn sind vielleicht aus hässlichenRaupen schöne Schmetterlinge geworden! Die Erlebnisseverändern die Gefühle. So verändert sich alles, nicht nurwir, nicht nur die Technologie, nicht nur die Mode,sondern auch die Natur verändert sich.

Ich schaue auf diese Ruinen. Konnte sich irgendje-mand solch ein Unheil vorstellen, dass von der Wärmeder Häuser nur Trümmer geblieben sind? Ob nichtirgendwo in den tiefen Trümmern doch etwas glüht? EinFunken vielleicht ist immer noch da, der sich durchein Wunder entzünden kann.

Und deshalb weint jetzt meine Posavina, weint ineinem unermesslichen Schmerz. Wann werden dieMenschen zurückkommen, für die dieses Feuer glimmt?Sind unsere Herzen so wie der Winter vereist, dass wirvergessen haben, dass auch diese Menschen ihr Heimhatten, ihre Erinnerungen? So ein Gedanke ist für mancheMenschen schmerzend. Vielleicht erwarten sie, dass derSchmerz vergehen und das Glück kommen wird. Mansagt, es gibt kein Glück, solange man nicht an seinemGlück selbst arbeitet. Für viele Menschen gibt es nochHoffnung, helfen wir allen!

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So wirst Du, meine Posavina, lange, lange wartenund lange, lange weinen. Jemand wird kommen undjene kleine Funken anzünden.

Das werde ich nicht sein, als Deine Gegenwart. Daswerden nicht diejenigen sein, die weggegangen sind,als Deine Vergangenheit, das werden ihre Kinder sein,die Deine Zukunft werden.

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Melina Kalem

Nachbarn

„Hey Alina, pass mal auf. Der Lehrer guckt dich an,weil du viel sprichst“, sagte Lena mehrmals. Ich hassees, wenn mir jemand sagt, was zu tun ist. „Ja, okay,du musst mir das nicht sagen“, sagte ich.

Lena war die Neue in der Schule und die Neue inmeinem Haus, sie war meine Nachbarin. Ich wusste nie,wieso ihre Familie nach Köln gezogen war und ich warnie in ihrer Wohnung. Das war eine merkwürdige Familie.

Meine Mutter wollte sie mehrmals besuchen, aber alssie geklingelt hatte, war dort niemand. Lena ging mitmir in dieselbe Klasse und wir hatten nebeneinandergesessen. Sie hatte lange schwarze Haare und grüne,geheimnisvolle Augen. Lena war sehr schlau undfleißig, aber sie sprach kaum über ihr Leben, ihre Eltern,ihre Interessen und über ihre Träume...

Einmal fragte ich sie etwas über ihre Eltern und siebegann zu weinen. Ich musste aufpassen, was ich sagte,weil ich nicht wusste, was sie traurig machen konnte.

Sie ging mit mir jeden Tag in die Schule, kehrte zurückund sah die Kinder aus dem Haus spielen. Eines Tagessagte sie, dass ihr Traumland Indien ist. Ich war sehrüberrascht und fragte sie, wieso. „Indien ist weit, weitweg von hier. Ich liebe die Kultur, die Mode und lange

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Kleider mit bunten Farben. Die Musik, die deine Träumeweckt. Wenn ich die Schule beende, werde ich einen Jobsuchen und Geld verdienen, um nach Indien zu kommen.Eines Tages...“. Lena erzählte von ihrem Traum weiter.

Ich sagte zu ihr, dass ich sie so in der Schule sehenwill, so glücklich. Nicht das schüchterne Mädchen,das sie war. Ich sagte auch, dass jedes Problem eineLösung hat. Sie sah mich an, verabschiedete sich undging nach Hause mit einem Lächeln.

Die folgenden Tage waren sehr schön für Lena. Siesprach viele Leute an und lächelte. Ich wusste nicht,was sich in ihr verändert hatte. Ob es meine Worte waren,ob es etwas anderes war? Ich kann es nicht sagen. Aufjeden Fall war ich sehr stolz auf sie.

Ich sah ihre Mutter zum ersten Mal. Eine große Frau,die in Berlin Jura studiert - und die das gleiche Lächelnwie ihre Tochter hatte. Lena sprach über ihre Muttermit großem Respekt und mit viel Stolz. Was mit ihremVater passiert war, fragte ich mich dauernd.

Am 3. Juli waren wir auf einer Geburtstagspartyeingeladen. Lena wollte auch kommen. Ich machtemich fertig und rief Lena an. Sie hatte gesagt, dass siebald kommen würde. Wir wollten uns dort treffen. Aufdem Weg zu Selena hatte es angefangen zu regnen.Ich war sehr nass und wütend, weil ich keinen Regen-schirm hatte. Einige Meter von mir entfernt, sah ichviele Leute. Ich kam näher, um mir das genauer anzu-schauen. Zwei Leute lagen auf dem Boden. Ich wargeschockt, als ich Lenas Mutter erkannte. Da war noch

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ein Mann, aber ich wusste nicht, wer er war. Dann kamLena. Als sie die beiden auf dem Boden sah, schrie sieauf und wurde bewusstlos.

Mein Gott, das war schrecklich!Am nächsten Tag hatte ich sie im Krankenhaus besucht.Sie weinte und sah nicht gut aus. Aber sie sprach

über ihre Mutter und die Probleme, die sie mit ihremleiblichen Vater hatte. Ihre Eltern waren geschieden.Das Gericht hatte beschlossen, dass Lena bei ihrer Mutterbleiben sollte, womit ihr Vater nicht einverstanden war.Er kam jeden Tag in die Schule, um Lena abzuholen,ohne dass ihre Mutter es wusste. Diese Zeit war fürLena sehr hart.

Und jetzt waren sie beide tot. Lena sagte, dass sieniemanden mehr hat. Das war aber nicht richtig. Siehatte mich, ihre Freundin, ihre Nachbarin. Und diesenSatz, den Lena über ihre Eltern gesagt hatte, werde ichnie vergessen. „Meine Eltern waren wie Sterne, schönund glänzend. Jetzt sind sie zwei Sterne, die ihren Platzgewechselt haben, aber sie haben ihren Schimmer be-halten.“

Es sind zehn Jahre vergangen. Lena und ich sind nochin Kontakt. Sie lebt in Indien mit ihrem Mann und zweiKindern. Wir telefonieren fast jeden Tag online, undsie spricht über ihren Job, die Familie, über die Reisen,die sie machen. Ich bin sehr glücklich, dass sie ihren Weggefunden hat. Ja, unsere Lena trägt indische Kleider,und sie erfüllt sich ihre Träume unter den Klängen derindischen Musik.

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Amila Ko~anovi}

Eine gute Nachbarin

Wer sind eigentlich meine Nachbarn?Das sind liebe, freundliche, etwas ältere Menschen,

die mir immer helfen, egal um was es sich handelt.Sie gießen für dich die Pflanzen, wenn du ein paar

Tage nicht da bist, sie bauen mit dir Möbel zusammenoder sie helfen dir beim Umzug.

Auch wenn sie schon etwas älter sind und schonEnkel haben, genieße ich es, mit ihnen zu plaudern.

Auf dem Stockwerk über uns wohnte eine achtzig-jährige Dame. Sie lebte alleine. Sie hatte kurzes, grauesHaar, schöne, blaue Augen und eine altes, goldenesBrillengestell mit runden Gläsern. Diese Dame war etwasdick und trug immer eine schwarze Weste mit einemweißen Schal.

Sie war sehr lieb zu mir, brachte mir zu Osternimmer bunte Eier und zu Weihnachten Plätzchen undSchokoladenkuchen.

Ich spielte mit ihr immer Karten. Am liebsten spieltenwir „Dame“. Sie ließ mich auch manchmal gewinnen,damit ich nicht traurig wurde. Ich half ihr oft beimEinkaufen und ich putzte ihre Wohnung.

Ich hatte ihr viel geholfen. Es war mit ihr nie lang-weilig, im Gegenteil, ich hatte sehr viel Spaß.

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Aber bekanntlich hat alles ein Ende. So mussteauch meine „ältere Freundin“ von uns gehen. Sie starbam 23.5.2007.

Ich war sehr traurig, aber ich konnte nichts ändern.Zu ihrer Beerdigung kamen viele Menschen. Auch alleNachbarn kamen, um von ihr Abschied zu nehmen.

Einige Monate später zog eine junge Familie inihre Wohnung ein. Diese Familie war sehr freundlichund lieb zu uns, aber ich wusste, dass diese Menschennie meine „alte Freundin“ ersetzen würden.

Heute gehe ich manchmal zum Friedhof, besucheihr Grab und erinnere mich an die schöne Zeit, die wirgemeinsam hatten.

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Mateo Markovi}

Mein Nachbar Peter

Hallo, mein Name ist Peter und ich bin dreizehnJahre alt. Ich bin gerade in eine neue Stadt gezogen.Die Stadt heißt München. Hier habe ich keine Ver-wandte, keine Freunde, und in der Nachbarschaft gibtes keine Kinder. Und das Schlimmste ist, dass dasHaus, in das wir einziehen, noch nicht fertig gebautist.

Wie ich Freunde gefunden habe und wie ich diesen Ortzu lieben gelernt habe, werde ich euch jetzt erzählen.

Alles begann an einem Mittwoch. Ich hörte Vaterslautes Lachen. Sofort bin ich runter in die Küchegegangen, wo Vater meiner Mutter und mir sagte, dasswir nach München ziehen werden. Ich schaute ihnschockiert an. Mein Vater hatte eine neue Arbeit inBayern gefunden, doch ich konnte mich nicht so richtigfreuen.

Am nächsten Sonntag begann die Fahrt. Durch dasFenster unseres Autos sah ich nur die Lichter derStadt, in der ich geboren wurde und die ich so liebte.Ich fing an zu weinen und sagte meiner Stadt AufWiedersehen!

Nach fast zehn Stunden Fahrt kamen wir in Münchenan. Auf den ersten Blick fand ich die Stadt noch schön,aber als ich unser neues Haus und unsere Nachbarn

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sah, war ich nicht erfreut. Das Haus war noch nicht zuEnde gebaut. Doch in einer Woche wurde mein Zimmerfertig.

Meine Mutter wusste, dass der Umzug nicht leichtfür mich sein würde und sagte mir, dass ich kurz spa-zieren gehen soll, um die Gegend besser kennenzulernen.Das habe ich auch gemacht. Unsere Straße war schön.Ich beobachtete alles ganz genau. Die Häuser unsererNachbarn waren sehr schön, jedes hatte einen Garten,doch nirgends waren Kinder zu sehen. Dort lebten Leute,die vierzig bis achtzig Jahre alt waren.

Das Haus neben uns war geschlossen, es gab keineBlumen, alles sah so öde aus. Niemand ging aus diesemHaus heraus oder herein. Immer, wenn ich aus der Schulenach Hause kam, stand ich vor diesem Haus und schautees an. So geschah es auch an einem Donnerstag. Es kamFrau Burkard auf mich zu. Ich fragte sie, ob sie vielleichtweiß, wer in diesem Haus lebt. Ja, sagte sie und begannzu erzählen. Dort lebt ein Herr Peter, er ist sehr einsamund unglücklich. Seine Frau starb vor acht Jahren, unddie Tochter arbeitet in Berlin. Er spricht mit keinem aus derNachbarschaft und ist den ganzen Tag allein. Fast niegeht er aus dem Haus. Sie erzählte mit einer traurigenStimme. Ich war Frau Burkard sehr dankbar für dieseInformationen, die sie mir gab.

Den nächsten Tag musste ich gegen Mittag in dieSchule. Als der Schulbus kam, sah ich einen alten Mann,der schwere Tüten aus einem Supermarkt trug. Als ichmich schon im Bus hingesetzt hatte, sah ich, wie der Mann

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stolperte und auf den Boden fiel. Sofort stieg ich ausdem Bus aus und half ihm aufzustehen.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte ich.„Ja, es geht mir gut“, sagte er.Dann bedankte er sich bei mir und sagte mit trauriger

Stimme, dass ihm die meisten Menschen nicht so gernehelfen. Wir sammelten alles wieder in die Tüten ein unddann gingen wir zusammen bis zu seinem Haus. Soerfuhr ich, dass er der Herr Peter, mein Nachbar, ist.

Zu meinem Glück stand der Bus immer noch da. Ichrannte zurück und stieg hinein. In dem Bus hatten michalle komisch angeschaut. Ich fragte Marko, einen Jungenaus meiner Klasse, was los ist, wieso gucken mich alle soan?! Er sagte mir, dass ich gerade einem Mann geholfenhatte, der in der ganzen Stadt als der strengste Mannbekannt ist.

Ich sagte ihm, dass ich keine Angst habe und dass ichsicher bin, dass er ein guter Mensch ist. Gleich nach derSchule werde ich zu ihm gehen und ihn fragen, wie esihm geht.

Und es geschah. Ich ging zu Herrn Peter.Ich klopfte an die Tür und musste erst eine Weile

warten, bis er mir die Tür aufmachte. Er war sehr erfreutüber meinen Besuch. Ich fragte ihn, wie es ihm geht undob er den Sturz gut überstanden hat. Er sagte, dass allesin Ordnung ist und fragte mich, ob ich hereinkommenmöchte. Ich betrat das Haus und stand erst eine Weileim Flur. Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ichsah, wie schön es drinnen war.

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Er bot mir einen Tee und Kekse an. An der Wandhing ein großes Bild, auf dem eine Frau und ein kleinesMädchen zu sehen waren.

Ich fragte ihn, wer das auf dem Bild sei und er ant-wortete, dass das seine Frau und seine Tochter sind.

Das Gesicht von Herrn Peter wurde traurig, und erbegann zu zittern, so dass ich keine weiteren Fragenmehr stellte. Ich hatte von Frau Burkard sowieso schoneiniges über ihn erfahren.

Der Gong einer großen Uhr an der Wand ließ michwissen, dass es schon achtzehn Uhr ist und ich zumAbendessen nach Hause muss. Das sagte ich auch HerrnPeter und bedankte mich für Tee und Kekse. Er sagtemir, dass ich auch morgen vorbeikommen kann, wennich Lust haben sollte, mit ihm Schach zu spielen.

Ich konnte es kaum erwarten. Am nächsten Tagging ich nach der Schule nach Hause, packte einiges vondem Kuchen ein, den meine Mutter gebacken hatte undmachte mich auf den Weg. Auch wenn ich Schach nichtso gerne spielte, verbrachte ich mit Herrn Peter eine ganzeWeile. Ich sah ihn zum ersten Mal lachen. Danachbesuchte ich ihn sehr oft.

Der Winter kam und mit dem Winter auch Weih-nachten.

Meine Eltern luden Herrn Peter zum Abendessen ein,doch er wollte nicht kommen.

Nach dem Abendessen ging ich zu Herrn Peter. Erwar wieder ganz alleine. Ich fragte ihn, wie er Weih-nachten feiert und er antwortete leise - allein. Aber,

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wenn du schon da bist, kannst du ja mit mir zu Abendessen, fügte er hinzu.

Ich setzte mich an den Tisch und aß ein bisschen.Mein Bauch war ja schon voll. Nach dem Abendessenhalf ich ihm, den Weihnachtsbaum zu schmücken.

Ich besuchte ihn danach noch sehr oft. Einige Jahrespäter kam ich aus der Schule und sah viele Menschenvor Herrn Peters Haus stehen. Ich fragte einen Mann,was passiert sei und er antwortete mir, dass Herr Petergestorben ist. Ich konnte das nicht glauben. MeinHerz fing an zu rasen. In diesem Augenblick kamenmeine Eltern auf mich zu.

Die Trauerfeier war groß. Ich legte Blumen auf seinGrab. Danach ging ich zu seinem Haus, dachte überalles nach, was er mir erzählt hatte und innerlich be-dankte ich mich bei ihm. Ich war für ihn froh. Er warjetzt an einem anderen besseren Ort und das Bestedaran war, dass er wieder bei seiner Frau ist und nichtmehr alleine.

Sein Haus ist immer noch leer. Keiner wohnt dort,aber schöne verborgene Erinnerungen bleiben mir, fürimmer.

So endet diese Geschichte. Mein ganzes Leben werdeich mich an diese Freundschaft erinnern und an all das,was mir Herr Peter auf meinen weiteren Lebenswegmitgegeben hat.

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Nejra Me{i}

Nachbarn

Es kam eine komische Zeit. Alte Menschen verstan-den die Jugend nicht, und die jungen Leute respektier-ten die Alten nicht.

Dies wird leider, in jeder Gesellschaft, immer vonGeneration zu Generation fortgesetzt. So ist es auchin meinem Dorf geschehen.

Jeder ist nur mit sich selbst beschäftigt, vergisstdabei alles andere um sich herum und freut sich amPech anderer Menschen. Die Nachbarn besuchen sichauch nicht mehr so wie früher, es sei denn, es ist einFeiertag. Daran sind die ständig neuen Erfindungenschuld, angefangen mit dem Internet.

Es gibt auch keine guten Freunde mehr.Ich lebe in meiner Welt, in der des Gesangs und des

guten alten Rock´n Roll. Ich vertausche die Nacht mitdem Tag.

Wenn sich meine Nachbarn im tiefen Schlaf befinden,bin ich beim Frühstücken oder höre laute Musik. Ichweiß, dass mich die Leute aus ihrem Umfeld am liebstenverjagen würden wegen meines lauten Rock´n Roll,aber so bin ich.

Ich habe auch das Gefühl, von Menschen mit zweiGesichtern umgeben zu sein. Ich weiß. Sie fragen sich

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alle, wie ich es schaffe, mit dieser Einstellung zumLeben noch so guten Erfolg in der Schule zu haben.

Solches Gerede geht bei mir in das eine Ohr reinund aus dem anderen wieder raus. Ich weiß, wer singt,der denkt nicht schlecht. Ich bin nicht perfekt, aberich bin auch kein schlechter Mensch. Jeder machtFehler, so auch ich.

Ich bin mir bewusst, dass meine Lebensweise nichtdie richtige ist, aber ich verstecke mich nicht undstehe zu dem, was ich mache.

Warum verstehen das die Nachbarn nicht?Sie könnten das doch als eine Zeit betrachten, die

eines Tages wieder vorbeigehen wird und die jederjunge Mensch mal durchmachen möchte. Die Nachbarnhaben vergessen, dass sie alle mal jung waren. Siebrauchen bloß den Film ihres Lebens zurückzuspulen,dann werden sie sehen, wie sie sich benommen haben,als sie selbst jung waren.

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Benjamin Mutap~i}

Schulnachbarn

Jeden Tag die gleiche Sache,Egal, was ich da auch mache,Die achte Klasse wird immer sein,Also geh hinter’s Haus und wein!

Wein vor Freude,Alles ist wichtig:Deine Nachbarn, du und ich.

Das A und O bei uns, den Kleinen,Sich durchzuboxen in den Reihen

Der ersten, zweiten, dritten Klasse.Bist du schon reich an blauen Flecken,Der Größte in deiner KlasseVerhaut uns alle nach Maß,Das könnt ihr mir glauben, ohne Spaß!

Und dann das reicht noch nicht,Das geht noch weiter ohne dich:Da kommt noch ein stärkerer Wicht!

In der vierten und fünften KlasseWird es immer schwerer seinAußer den Neuen, die dazukommen,Kommen auch die Lehrer, muss ja sein.

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Etwas treibt dich höher und höher,Es ist die Sehnsucht nach viel mehr:Nach dem Leben voller Freude,Nach den Nachbarn, die ich brauche.

REFRAIN (2x)=======================Die Zwölfte Klasse ist noch so weit,Aber noch ein bisschen, dann sind wir bereit.Erste, zweite, dritte und dann vierte,Schwer wird es sein, wenn nur nichts passierte!Fünfte, sechste, siebte, achteDa weiß ich, wen ich liebe und wen verachte.=======================

In der sechsten und siebten KlasseFängt der Horror der Liebschaft an,Da kommen die Mädchen und eine Stimme,Die dir sagt: „Wie komm’ ich an sie ran?“

Der Tag in der Schule kann schlimm sein,Aber mit Freunden können wir das überstehen,Jeder Tag wird uns wie ein Klacks sein,Das habt ihr schon erlebt und gesehen.Wir erleben so manches in der Schule,Sind Feuer und Flamme, wenn es sein muss,Erleben Höhen und Tiefen unseres SeinsUnd dann kommt doch ein Neuer. Die Nummer 1.

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Mir ist es doch egal, ob erSerbe, Kroate oder Bosnier ist!Da sind wir gleich und man denkt nicht groß nach,Ob wir gemeinsam eine Einheit sind.

REFRAIN (2x)========================Die Zwölfte Klasse ist noch so weit,Aber noch ein bisschen, dann sind wir bereit.Erste, zweite, dritte und dann vierte,Schwer wird es sein, wenn nur nichts passierte!Fünfte, sechste, siebte, achteDa weiß ich, wen ich liebe und wen verachte.========================

Jetzt sind wir älter, gehen in die Achte –Bald ist alles für uns vorbei.Die Zeit kommt, dass ich meinen NachbarnSchweren Herzens doch verlasse.

Es wird große Schmerzen geben,Aber damit müssen wir alle leben.

All’ die Schmerzen werden vergehen,Und ich kann nichts machen, um sie wieder zu sehen.

Alles, was mir bleibt ist die Erinnerung,Ich werde sie alle nie vergessen:Meine Nachbarn, meine Schulfreunde.

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Indira Osmanovi}

„Nachbarn”

Er stand da, erschrocken und verwirrt. Schon seinerster Schultag wurde für ihn zum Albtraum.

Mit langsamen Schritten ging er vor die Schultafelund erzählte etwas über sich.

Auf jedes Wort von ihm folgte im Klassenzimmerein Gelächter.

Er war anders als die anderen. Er trug eine blaue,zerrissene Hose, ein schon längst verblichenes, schwarzesHemd und schwarze Stiefeletten.

Obwohl er zerrissene Klamotten trug und den Stadt-kindern gar nicht ähnelte, war er doch einzigartig.

Er hatte ein freundliches und warmes Lächeln, undin seinen Augen konnte man eine Unschuld undGutmütigkeit erkennen. Nein, er hatte sich für nichtszu schämen, aber die Schulkameraden haben ihn oftin Verlegenheit gebracht.

Er hatte auch keinen Grund, sich schuldig zu fühlen.Ja, er war anders als die anderen und gerade dies

hat ihn von der Masse unterschieden.Seine Haare waren blond, sein kleines, trauriges

Gesicht blass, das nun zum Gegenstand des Auslachenswurde.

Keiner wollte sich mit ihm anfreunden. Keiner!

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„Womit habe ich das verdient?“, fragte er sich.Er konnte sich das nicht erklären.Dieser Junge träumte von Tag zu Tag von neuer

Kleidung und neuen Schuhen. Er wünschte sich, dasssein Gesicht nicht so blass wäre. Er wollte, wie alleanderen, ein gleichwertiger Junge sein.

Sein Wunsch war es, so akzeptiert zu werden, wieer ist, und er wünschte sich, Freunde zu haben.

Es war alles vergebens.Die Kinder haben sich nur nach seinem Äußeren

gerichtet und nichts weiter.Sie haben nicht den Schrei seiner unschuldigen,

zerbrechlichen Seele erhört. Vielleicht wollten sie esgar nicht hören?!

Sie haben die Gutmütigkeit und den Glanz in seinenAugen nicht gesehen.

Und gerade dieser Glanz verschwand von Tag zuTag mehr und mehr und verwandelte sich in Schmerzund Trauer.

Über das junge, bleiche Gesicht flossen stattdessen,aus diesen schönen Kinderaugen, viele Tränen.

Jede Träne stand für große Trauer, aber auch fürHoffnung, dass eines Tages in den Köpfen der Menschendie große Mauer des Unterschieds verschwindet unddie inneren Werte geschätzt werden.

Trotz allem wünscht sich der kleine Junge, dassgerade diese Kameraden ihn so nehmen, wie er ist.

„Wer Grenzen im Kopf zieht, begrenzt die eigeneWelt“ (heifi 2010.at)

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Marijana Proti}

Mein Nachbar

Fest hielt ich das Deckchen mit gelbblauen Spiralenan mein Gesicht, um daran zu riechen. Ich guckte michum, in der Hoffnung, dass jemand vorbeikommt undmeine Fragen beantwortet. Minuten vergingen wie Stun-den. Ich stand auf und ging in den Flur, in dem es vieleverschlossene Türen gab. Ich stand vor jeder Tür undversuchte, Tils Stimme zu hören. Die Stille war uner-träglich. Ich ging zurück zu meinem Stuhl und fing anzu weinen. Til war der schönste und schlaueste Hund inmeiner Nachbarschaft. Mit ihm habe ich jede Sekundegenossen. Man sagt nicht umsonst, dass der Hund derbeste Freund des Menschen ist.

In dieser Nacht geschah etwas Schreckliches! Ichging aus der Stadt mit Til nach Hause. Zuerst langsam,dann aber schneller, um mit ihm zu laufen. Ich roch anseinem langen goldenen Fell, küsste ihn auf den Kopfund spürte den Duft des Grases, auf dem er sich vorhergewälzt hatte. Machmal warf ich ihm ein Stöckchenzu, aber Til lief nicht hinterher, sondern guckte nur indie Richtung des fliegenden Stocks. Ich versuchte, ihnanzuschubsen, aber nichts passierte. Wir gingen inRichtung des Parks. Alles roch nach dem Regen, der sichankündigte.

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Es wurde sehr dunkel, nur eine Straßenlaternebrannte. Wenn es nur keine Wolken geben würde! DerMondschein wäre hilfreich gewesen. Das Gefühl vonSicherheit kam aber von Til. Ich wusste nicht, wie er sichverhalten würde, wenn etwas Gefährliches passierensollte. Vielleicht würde er einfach da stehen wie beidem Stöckchen, oder wäre er mutig genug, um michzu verteidigen!

Als ich am Rande des Parks ein Treppchen hinun-terlaufen wollte, verlor ich das Gleichgewicht, fiel aufden Boden und verstauchte mir dabei den Fuß. WährendTil an meinem Hals und meinen Haaren schnupperte,untersuchte ich meinen Fuß. Ich stand auf und ginghinkend weiter. Es schmerzte sehr.

Der Wind blies unaufhörlich durch das Gebüsch.Ich blieb stehen. Es lief mir kalt den Rücken herunter,als ich begriff, dass das Geräusch nicht vom Wind kam.Jemand war in diesem Gebüsch und beobachtete unsvon Anfang an. Jemand, der mir nicht helfen wollte,als ich fiel. Ich versuchte wegzulaufen, doch da warfenmich kalte Hände auf den Boden. Ein alter, betrunkenerMann stand vor mir. Ich fing an zu schreien. Dabeisah ich noch, wie Til die Kleidung des Mannes zerriss.

Ich verlor langsam das Bewusstsein.Ich stehe auf, wische die Tränen von meinem Gesicht

und gehe auf die Tierärztin zu. „Wie geht es meinem Hund?Wir haben ihn vor zwei Stunden hierhergebracht. Ichwarte schon viel zu lange auf Ihre Antwort.“

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Die junge Frau zeigt auf eine Tür und sagt, dass ichleise sein soll. Ich beeile mich hinkend, betrete einen Raummit einem Bett, auf dem nur ein weißes Bettlaken zusehen ist.

Ein Stich durchbohrt mein Herz. Ich zog das Bettla-ken herunter und deckte Til mit einem Deckchen zu.Danach machte ich das Licht aus.

Tils Licht war schon längst erloschen.

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Amina Tur~inovi}

Mein bester Nachbar

Manchmal, wenn ich auf dem Balkon sitzeUnd in aller Ruhe sehe, was die anderen machen,Schleicht er sich ran, sagt die dümmsten WitzeUnd bringt mich immer noch zum Lachen.Der nervt mich total.Ist mir in Wirklichkeit egal.Doch ich weiß, wieso er so irre ist,Weil er mein bester Nachbar ist.

Er will immer einen Helden spielen,Springt oft übern höchsten Zaun.Dann fällt er runter, mein durchgeknallter Clown!Nur er kann es schaffen, tausend Mal am Tag,Nur er kann ihn bekommen, den Herz-Infarkt.Doch ich weiß, dass alles nur Spaß ist,Weil er mein bester Nachbar ist.

Er ist der Stress, der mich nicht stört,Er ist die Stille, die niemand außer mir hört.Eine strahlende Perle in magischer Muschel,Ein süßer Teddybär ist er, zum Kuscheln.Bezaubernde Stimme klingt in meinen Ohren:Er singt so schön, ohne mich zu stören.

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Ich brauch ihn, ist mir jetzt klar,Weil er immer mein bester Nachbar war.

Wenn es mir schlecht geht,Hilft er mir immer gern und munter,Wenn es in mir dunkel ist,Dann holt er mir den hellsten Stern herunter.Er tut alles für mich –Weil er mein bester Nachbar ist.

Wir sind von klein auf unzertrennlich,Und jeder Schritt hat uns näher gebracht,Alle Höhen und Tiefen erfolgreich geschafft,Sind durch dick und dünn gegangen.Fast alles geschafft, und es gibt noch viel zu tun.Wir sind die besten Nachbarn und viel mehr,Wir sind feste Freunde, und ich mag ihn sehr.

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Elma Vili}

Nachbarn

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie der Streitzwischen meinen Nachbarn begonnen hat. Wahrschein-lich war der Grund, wie immer, die Mauer. Wegen einpaar Zentimetern von der einen oder anderen Seite.

Menschen verwandeln sich manchmal in Biester, wieaus den schrecklichsten Geschichten unserer Kindheit.

Sie werden zu Augen und Ohren, die viele Nächteschlaflos verbringen, auf Fehler der Anderen hoffend.

Oft amüsierten sich meine übrigen Nachbarn überden Streit der anderen. Sie fanden es lustig, wenn sieals Grund für ihre Streitigkeiten immer wieder dendicken Zweig im Garten sahen, der über die Mauerwuchs. Ein bunter Ball war für die beiden Nachbarnoft ein Anlass, sich gegenseitig zu ärgern.

Natürlich erwarteten alle, dass die Kinder, die in soeiner Umgebung lebten, den gleichen Hass füreinanderempfinden würden.

Aber es war nicht so. Sarah und Irfan standen meistensnur an der Seite, traurig und ängstlich, während siegezwungen waren, sich die Beleidigungen anzuhören,die ihre Eltern zueinander sagten.

Dann verschwanden Sarah und Irfan spurlos. AmEnde der Straße, hinter einem alten verlassenen Haus,

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konnte man ihr Kichern hören. Hinter einer Ruine, dienicht mehr von Bedeutung war, bewahrten sie ihreFreundschaft. Mit ihren naiven Spielen hatten sie demHass ihrer Eltern getrotzt.

Es vergingen Tage und Jahre. Die Eltern von denbeiden blieben gefangen in ihrem Kreis voller Hass.Die Jungen lebten in einer anderen Welt voller reinerund schöner, junger Liebe.

Wie der Tag langsam in Nacht übergeht und einkleines Samenkorn zu einer bezaubernden Blume her-anwächst, wurden auch aus den kleinen Kindern Sarahund Irfan heranwachsende Jugendliche. Der erste Kuss,der hinter dem verlassenen Haus geschah, die erstensanften und liebevollen Blicke, die sie einander über dieMauer hinweg schenkten, teilten die zwei Welten undteilten jetzt auch ihre Herzen. Trotz der Gefahr, dass ihrkleines Geheimnis sehr große Probleme auslösen könnte,hörten sie nicht auf, sich täglich zu treffen.

Das glückliche Kichern verwandelte sich in die liebe-vollsten Sprüche. Doch trotz ihrer Wachsamkeit habendie anderen Nachbarn über ihr Geheimnis erfahren, undso wurde ihre verbotene Liebe zum Hauptthema im Dorf.

Alle fragten sich, was die Eltern darüber sagenwürden. Die Spannung in jedem Garten fühlte sichwie der Nebel an, der die Häuser und Fenster umhüllte.Alle wollten wissen, wie es weitergehen soll.

In dieser Nacht waren am Himmel keine Sterne zusehen. Die Dunkelheit war so geheimnisvoll, dass siefast wie ein Hauch voller Gefühle auf mich wirkte. Auch

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der Uhu war nicht zu hören. Es herrschte eineTotenstille.

Plötzlich hörte ich leise Schritte, die auf michzukamen. Aus einem Haus kam ein Aufschrei. AlleNachbarn rannten zu ihren Fenstern oder sogar aufdie Straße, um zu erfahren, was los sei.

Sarahs Mutter hatte den Geheimplatz ihrer verbo-tenen Liebe entdeckt. Danach durften sich Irfan undSarah nie wieder in ihrem Liebesnest treffen.

Wieder vergingen Tage und Nächte. Dann, in einerregnerischen Nacht, fand die Mutter im Zimmer denkalten Körper ihrer Tochter Sarah ohne Lebenszeichen.

Ihre Augen waren offen. Das war ein Zeichen, dassSarah in der Sehnsucht nach Liebe sich das Lebengenommen hatte.

Der Junge verließ für immer das Dorf, und keinerhörte mehr etwas von ihm.

Mit dem Tod von Sarah begruben ihre Eltern auchden Hass ihren Nachbarn gegenüber. Die Eltern vonIrfan und Sarah wohnten weiterhin nebeneinander.

Sarahs Eltern war es nicht mehr wichtig, auf welcherSeite der Mauer ein Baum seine Äste ausstreckt odervon welcher Seite der Wind weht.

Erst jetzt haben sie verstanden, dass sie die Liebeder Kinder zerstört hatten, die Liebe, die ihre Ewigkeitunter der Erde fand.

Doch zu spät.

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Elma Vili}

An meinen Großvater

Träumend, sehe ich dichIm Himmel glänzend,Fühle deine Nähe,Auch wenn ich weiß,Dass du nicht da bist.

Liegend, rieche ich dein Parfüm,umso tiefer wird mein Schmerz.Ich fang an zu weinen.

Wünsche mir, zu dirFliegen zu können.

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Nachwort

Was ist erreichbar ohne Talent? Es spricht vielesdafür, dass man die Kunst des Schreibens erlernen kann.Wir wissen, dass ein Dichter das Talent besitzt, sichpoetisch auszudrücken. Genauso wissen wir, dass Dichtengelernt sein kann. Wie alle anderen Berufe möchte auch einDichter ein gutes Werkzeug besitzen, um gut schreibenzu können. Außer seiner Schrift braucht er die Sprache,die ihm den literarischen Weg ebnet.

Als ich von der damaligen Leiterin der Sprachabteilungdes Goethe-Instituts in Sarajevo, Frau Dr. Wichmann,gefragt wurde, ob ich das Jugendprojekt zum literarischenThema „Nachbarn“ betreuen möchte, habe ich sofortzugesagt.

Da ich seit acht Jahren von Hamburg aus ein Jugend-projekt zum Thema „Talentförderung für Kinder undJugendliche in Zentralbosnien“ in den Städten Kakanjund Visoko leite, war die Entscheidung für mich eineBereicherung, und ich war glücklich, für die JugendBosniens noch mehr tun zu können. Das Projekt wurdevom Goethe-Institut in Sarajevo ausgeschrieben.

Jugendliche aus ganz Bosnien und Herzegowinakonnten an dem Wettbewerb teilnehmen, und es wurdegeschrieben. Die Texte wurden an das Goethe-Institutgeschickt und dort gesammelt. Es wurde eine Jury vondrei Personen gewählt, und ich durfte als eine von denJurorinnen dabei sein.

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Als ich die ersten Geschichten zum Thema „Nach-barn“ las, konnte ich kaum fassen, was die Schülerzustande gebracht hatten. Es war auch interessant zuerfahren, welche Themen die Jugendlichen in ihrenTexten angesprochen hatten, welches Mitleid sie mitalten Menschen hatten, u.s.w.

Alle diese Geschichten haben mich zum Nachdenkengebracht.

Zweifellos entsteht eine Geschichte nicht ohne Talent– aber was ist ein Talent? Kann ein Talent erlernt wer-den? Das sind Fragen, auf die es keine Antwort gibt.

Entweder man hat das Talent, oder man hat es nicht.Es ist aber denkbar, dass man das Schreiben erlernenkann. Der begabte Mensch schafft es, durch die eigeneInspiration zum guten Text zu kommen.

Aufgrund der eingegangenen Texte konnte ich fest-stellen, dass einige von den Jugendlichen es schaffenkönnten, zu tüchtigen Schriftstellern aufzusteigen, wennsie Grundzüge und Technik der Schreibkunst vermitteltbekommen würden. Ihre Themen brauchen einen Leiter,der sie auf die richtige Bahn führt. Dann ist mindestens1 % von Talent als Basis notwendig, und die weiteren99 % sind eine Meisterschaft, die nur durch eine harteSchulung möglich ist.

Unter den eingegangenen Texten sind sehr ergrei-fende und sehr emotionale Geschichten geschriebenworden:

Mateo Markovi}, ein hochbegabter Junge, hat einegute, geradezu geniale Kurzgeschichte geschrieben.

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Enida Ati} beschreibt in ihrer Geschichte eine wahreFreundschaft, die sie glücklich leben lässt. Mejra Šehi}beschreibt den Verlust ihrer Heimat.

Amela Dugonji} hat trotz verständlicher Schwierig-keiten mit dem deutschen Wortschatz eine überzeugende,spannende Geschichte und sogar deutsche Aphorismengeschrieben.

Ein Lob an Melina Kalem, die über eine multikulturelleGesellschaft schreibt, die auch in Konfliktsituationenzusammenhält.

In dem Text von Antonia Kati} spüre ich ein ge-fühlvolles Miteinander. Benjamin Mutap~i} hat einenstilistisch sehr überzeugenden Hip-Hop-Text vollerGegensätze geliefert.

Auch andere Texte haben auf ihrem Weg vom Anfangbis zum Ende erzählerisch an den Leser gedacht. Schöne,klare Sätze wurden geschrieben. An Anschaulichkeitund Bildhaftigkeit hat nichts gefehlt.

Ich habe eine erstaunlich reichhaltige Vor-Auswahlvon über 60 Text-Seiten in den oben aufgeführtenund näher bezeichneten Kategorien zu lesen und zukorrigieren gehabt.

Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit den neuent-deckten Talenten, diese Art von Literatur-Kommuni-kation zu führen.

Ich wünsche den jungen Autoren viel Glück!!!

Emina ^abaravdi}-KamberProjektleiterin

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INHALT

Heinrich Stricker Vorwort ............................................ 5Emina Ali} Meine Nachbarin Selma ........................... 8Enida Ati} Meine Nachbarn ...................................... 10Amela Dugonji} Lara und die Nachbarin ................. 13Amela Dugonji} Aphorismen ..................................... 16Sanda Filipovi} Nachbarin aus derselben Wohnung .. 17Melisa Grudi} Für immer Nachbarn ......................... 21Antonia Kaji} Der Nachbar und ich .......................... 25Melina Kalem Nachbarn ............................................. 30Amila Ko~anovi} Eine gute Nachbarin ..................... 33Mateo Markovi} Mein Nachbar Peter ........................ 35Nejra Me{i} Nachbarn ................................................ 40Benjamin Mutap~i} Schulnachbarn ........................ 42Indira Osmanovi} “Nachbarn” ................................... 45Marijana Proti} Mein Nachbar .................................. 47Amina Tur~inovi} Mein bester Nachbar .................. 50Elma Vili} Nachbarn ................................................... 52Elma Vili} An meinen Großvater .............................. 55Emina ^abaravdi}-Kamber Nachwort ....................... 56

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Die Teilnehmenden /U~esnici

Sanda Filipovi} (19) Melisa Grudi} (17)

Antonia Kaji} (14) Melina Kalem (17)

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Amila Ko~anovi} (13) Mateo Markovi} (13)

Benjamin Mutap~i} (14) Amina Tur~inovi} (18)

Emina Ali} (16); Enida Ati} (16); Amela Dugonji} (18);Nejra Me{i} (14); Indira Osmanovi} ( ); Marijana Proti} (16); Elma Vili} (18);

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Emina ^abaravdi}-Kamber berät die Autoren /Emina ^abaravdi}-Kamber savjetuje autore

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Arbeit an Texten /Rad na tekstovima

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Die Gewinner am Goethe-Institut bei der Preisverleihung /Pobjednici na Goethe-Institutu prilikom dodjele nagrada