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Eine Botschaft von Arkon

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 248

Eine Botschaft für Arkon

Wahlen im Imperium - derprogrammierte Sieg wird zur

Niederlage

von H. G. Francis

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn esmuß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feindesind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zuschaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, derenHabgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen.

Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe undKristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindli-che Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran,den Kampf gegen Orbanaschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fort-zusetzen.

USO-Agent Sinclair M. Kennon, der Mann, der aus ferner Zukunft kam, unterstütztdiesen Kampf seines späteren Chefs von Arkon aus.

Unter dem Namen Lebo Axton ist es dem Terraner gelungen, sich in unmittelbarerNähe des Imperators zu etablieren und zu einem As der arkonidischen Geheimpoli-zei zu werden.

Offiziell arbeitet Kennon also für Orbanaschol III. doch in Wirklichkeit tut er alles,um die Position des Imperators zu schwächen.

Das zeigt sich besonders deutlich in dem Moment, als die Wahlen im Imperium be-ginnen. Kennon ergreift die Chance, den von Orbanaschol vorprogrammierten Siegin eine Niederlage zu verwandeln, indem er den Imperator als Betrüger entlarvt durchEINE BOTSCHAFT FÜR ARKON …

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Die Hautpersonen des Romans:S. M. Kennon alias Lebo Axton - Atlans Mann auf Arkon.Kelly - Kennons seltsamer Roboter bekommt neue Beine.Avrael Arrkonta und Kirko Attrak - Kennons Freunde und Helfer.Laudan Borakin - Ein Opfer des Imperators.Orbanaschol III. - Der Imperator erleidet eine schwere persönliche Schlappe.Skaranore Schankkou - Ein enger Freund Orbanaschols.

1.

»Ich will Avrael Arrkonta sprechen«, sag-te Lebo Axton, als er die Hygienekabine sei-ner Wohnung verließ. Er streifte sich einenMorgenmantel über. Er fühlte sich so frischund gelöst wie schon lange nicht mehr.

Gentleman Kelly drückte die Wahltastenam Videogerät. Nur Sekunden verstrichen,bis das Gesicht des Arkoniden auf dem Bild-schirm erschien.

»Guten Morgen, Avrael«, grüßte Axtonheiser.

»Lebo, was ist mit Ihnen?« fragte der In-dustrielle.

»Ich habe gut geschlafen. Weiter nichts.«»Dann wissen Sie es noch nicht?« Avrael

Arrkonta blickte Axton ernst an.»Was sollte ich wissen?«»Laudan Borakin ist verhaftet worden«,

antwortete Arrkonta. »Man hat sie vor einSchnellgericht gestellt. Das Urteil ist mirnicht bekannt.«

Lebo Axton war unfähig, irgend etwas zusagen. Sein Herz schien stillzustehen. Erhatte das Gefühl, sich nicht mehr auf denBeinen halten zu können. Sein linkes Lid be-gann zu zucken.

»Beruhigen Sie sich«, sagte Avrael Arr-konta besorgt. »Vielleicht ist alles gar nichtso schlimm. Wie ich gehört habe, wirft dasSicherheitsministerium Laudan vor, sie habeeiner oppositionellen Studentenvereinigungeine nicht unwesentliche Summe für eineDruckschrift gestiftet.«

»Ist die Gerichtsverhandlung gesendetworden?« fragte Axton mühsam. SeineStimme klang heiser und krächzend. AvraelArrkonta schüttelte den Kopf.

»Ich muß sofort ins Ministerium«, sagteder Verwachsene. Er schaltete das Gerät abund kleidete sich hastig an. Dann kletterte erauf den Rücken Kellys und trieb diesen zuhöchster Eile an. Der Roboter trug ihn zurParknische, in der der Gleiter stand. Axtonüberließ Kelly das Steuer der Maschine.

Während des Fluges versuchte Axton,Verbindung mit einigen maßgeblichen Män-nern zu bekommen, die ihm Auskunft gebenkonnten, doch niemand schien über den FallLaudan Borakin informiert zu sein. Schließ-lich gab ihm einer der Beamten den Rat,sich direkt an das Informationsbüro Orbana-schol III. zu wenden. Zögernd ging Axtondarauf ein.

Ein ihm gut bekannter Arkonide meldetesich.

»Axton, was kann ich für Sie tun?« fragteer.

»Ich habe gehört, daß Laudan Borakin,die Leiterin des Hyperphysikalischen Insti-tuts der Elmas-Bucht, verhaftet worden ist.«

»Allerdings«, antwortete der Arkonidebereitwillig. »Sie ist vor vier Stunden wegenimperiumsfeindlicher Aktivität zum Todeverurteilt worden. Das Urteil wird in einerhalben Stunde vollstreckt werden. Haben Siesonst noch Fragen?«

»Nein, danke«, erwiderte der Terraner mitschwankender Stimme. Der Schock warf ihnfast um. Er fühlte, daß sein Herz wild undschmerzhaft in der Brust schlug. Währendder Robot das Videogerät ausschaltete, sankAxton in die Polster zurück. Er konnte sichnicht gegen die Tränen wehren, die ihm ausden Augen schossen.

»Wohin?« fragte Kelly, als etwa eine Mi-nute vergangen war.

Axton richtete sich auf. Er preßte die Lip-

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pen zusammen und fuhr sich mit dem Ärmelüber das Gesicht.

»Zu Orbanaschol«, befahl er. Seine Stim-me wurde schrill und kreischend. »Los doch,warum tust du nicht, was ich dir befehle?«

Gentleman Kelly hatte den Gleiter längstauf einen neuen Kurs gebracht. Die Maschi-ne raste auf den Hügel der Weisen zu, aufdem sich der Kristallpalast des Imperatorserhob. Axton versuchte zu begreifen, wasgeschehen war, aber er konnte keinen klarenGedanken fassen. Er zitterte am ganzen Kör-per. Sein Atem ging schwer und keuchend,und das linke Lid zuckte so heftig, daß erseine Hand dagegen drückte. Ihm wurdeklar, daß er sich in die Gewalt bekommenmußte, wenn er vor den Imperator tretenwollte. Wenn er überhaupt etwas für LaudanBorakin erreichen wollte, dann mußte er Or-banaschol das Bild eines in sich ruhigen undgefaßten Mannes bieten.

Als Gentleman Kelly den Gleiter vor demKristallpalast landete, wurde Axton sichdessen bewußt, daß er es aus eigener Kraftnicht schaffte. Er nahm sich aus der Bord-apotheke ein starkes Beruhigungsmittel,wartete einige Minuten, bis er die einsetzen-de Wirkung fühlte, und stieg aus. Er kletter-te auf den Rücken des Roboters.

»Beeil dich«, befahl er. »Du kennst denWeg.«

Lebo Axton war mittlerweile genügendbekannt im Kristallpalast. Die Kontrollorga-ne ließen ihn passieren, ohne ihn aufzuhal-ten, da er zu den wenigen Privilegierten ge-hörte, die Zutritt auch zum engsten Sicher-heitsbereich des Imperators hatten.

Ein Adjutant teilte ihm schließlich mit,daß Orbanaschol HL sich mit einigen Freun-den in seinen Privaträumen aufhielt.

»Bitte, melden Sie mich an«, sagte Axton.»Ich muß den Imperator sprechen. Es istwichtig.«

»Ich hoffe, daß es wirklich wichtig ist«,erwiderte der Arkonide. »Sie wissen, daßder Imperator höchst ungehalten sein kann,wenn er wegen einer Nichtigkeit gestörtwird.«

»Ich weiß es«, beteuerte Axton.»Nun gut. Ich will es versuchen.«Kennon-Axton blickte dem Adjutanten

nach, als er durch eine breite Tür ver-schwand.

Die Minuten gingen dahin. Axton wurdeimmer unruhiger. Er kannte Orbanaschol III.Daher wußte er, wie sehr es vom Zufall ab-hing, ob dieser bereit war, ihn zu empfangenoder nicht. Bisher hatte er sich noch niemalsmit Kleinigkeiten oder Problemen an denImperator gewandt, die diesen nicht interes-sierten. Darauf beruhten seine ganzen Hoff-nungen. Der mächtigste Mann des arkonidi-schen Imperiums mußte wissen, daß Axtonwichtig meinte, wenn er wichtig sagte.

Die Tür öffnete sich wieder. Der Adjutantkam heraus.

»Sie können hineingehen, Axton«, sagteer.

Die Worte kamen dem Verwachsenen wieeine Erlösung vor. Er glaubte schon jetzt,von einer unerträglichen Last befreit zu sein.

»Los doch, Kelly«, befahl er.Der Imperator saß mit einigen Freunden

zusammen an einer langen Tafel, die mitSpeiseresten, Weinkrügen und Blumen über-sät war. Alle standen deutlich unter Alko-holwirkung. Im Hintergrund des luxuriöseingerichteten Raumes flimmerte ein wand-hoher 3-D-Videoschirm. Auf ihm war einHinrichtungsroboter zu erkennen. Er beweg-te sich auf eine Arkonidin zu, die mit einemArm an eine Wand gefesselt war. Es warLaudan Borakin.

»Axton«, brüllte Orbanaschol lallend.»Was führt Sie zu dieser Stunde zu mir?«

Der Imperator trug enge Hosen und eineweite Bluse. Sein Gesicht sah aufge-schwemmt aus, und die Mundpartie glänztevor Fett. Die Augen waren unter den Fett-wülsten kaum zu erkennen.

»Imperator«, sagte Axton und stieg vomRücken Gentleman Kellys herunter. »Siekennen meine Verdienste um das Imperium.Sie wissen, was ich für Sie getan habe.«

»Das weiß ich alles, Axton«, erwiderteOrbanaschol. Mit weitausholender Armbe-

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wegung winkte er den Verwachsenen zusich heran. Er griff nach einem Becher mitWein und hielt ihn Axton hin. »Sie brauchenmich nicht daran zu erinnern. Hier, trinkenSie.«

Axton nahm den Becher entgegen. SeineAugen richteten sich voller Entsetzen aufden Bildschirm. Der Hinrichtungsroboterwar nur noch etwa zehn Meter von LaudanBorakin entfernt.

»Bitte, Imperator, schonen Sie das Lebendieser Frau dort.« Er zeigte mit zitternderHand auf den Bildschirm.

Orbanaschol drehte sich langsam herum.Er trank seinen Krug leer.

»Freunde«, rief er. »Es geht los. Wir hät-ten es beinahe verpaßt, wenn Axton nichtge-kommen wäre.«

»Orbanaschol, schonen Sie das Leben die-ser Frau«, wiederholte der Verwachsene ver-zweifelt.

Der Imperator wandte sich ihm zu. SeineAugen verengten sich noch weiter, so daßAxton nur noch schmale Schlitze sah.

»Der Roboter soll warten«, befahl der Im-perator. »Schankkou, sorgen Sie dafür, daßer wartet.«

Einer der Gäste erhob sich und eilte zu ei-nem Videogerät. Axton kannte ihn. Skarano-re Schankkou war ein Verwandter des blin-den Sofgart. Er war dem Verwachsenendurch seine Beteiligung an der Jagd auf At-lan aufgefallen. Schankkou stand bei Orba-naschol in hohem Ansehen und wurde imStil dieses Herrschers für seine Taten be-lohnt. Orbanaschol räumte ihm – wie ande-ren Freunden auch – Ausbeutungsmöglich-keiten ein. Das bedeutete, daß Schankkoudurch Korruption und Erpressung reich ge-worden war. Axton stufte ihn als absolut zu-verlässigen Mann Orbanaschols ein. Vonihm wußte er, daß er mit einer Rücksichtslo-sigkeit vorging, die bereits an Brutalitätgrenzte. Der Befehl Schankkous erreichteden Hinrichtungsroboter. Etwa vier Metervor der Delinquentin blieb die Tötungsma-schine stehen.

»Nun, Axton? Warum sollte ich das Le-

ben dieser Verräterin schonen?«»Weil ich sie liebe«, antwortete der Ver-

wachsene mit erstickter Stimme.Im Raum war es still geworden. Die Ar-

koniden blickten ihn entgeistert an. Orbana-schols Kinnlade sackte nach unten.

»Weil ich sie liebe«, sagte er leise, alskönne er nicht begreifen, was Axton ihm er-öffnet hatte.

Schankkou grinste.»Weil er sie liebt«, bemerkte er.Orbanaschol prustete plötzlich vor La-

chen. Er ließ sich in die Polster zurückfallenund hielt sich den Bauch.

»Habt ihr gehört?« fistelte er. »DiesesUngeheuer liebt die schöne Verräterin. Wervon euch kann sich das vorstellen?«

Die Freunde des Imperators bogen sichvor Lachen. Die brüllten sich gegenseitigWorte zu, die Axton die Tränen in die Au-gen trieben. Der Schock traf ihn noch hefti-ger als zuvor die Nachricht von der Verur-teilung Laudan Borakins. Ihm war, als ver-sinke die Welt um ihn herum. Er wußte, daßer verloren hatte. Mit keinem Argumentwürde er den Hohn und Spott der Arkonidennoch überwinden können.

Er konnte Laudan Borakin nicht mehr ret-ten.

Als er das erkannt hatte, erinnerte er sichwieder daran, wie er die Arkonidin kennen-gelernt hatte.

*

»Das ist Laudan Borakin«, sagte AvraelArrkonta, als er Axton in den Salon seinerLuxuswohnung führte. »Sie ist Hyperphysi-kerin an der Akademie in der Elmas-Bucht.«

Der Verwachsene blickte auf die Arkoni-din herab, die sich aus einem Sessel erhob.Er stützte seine Arme auf den Kopf des Ro-boters und nickte ohne großes Interesse.Laudan Borakin war eine schöne Frau. Siehatte silberweißes Haar, das ihr bis auf dieSchultern herabfiel.

»Ich habe viel von Ihnen gehört, LeboAxton«, erklärte sie und musterte ihn zu-

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rückhaltend. »Wenn Avrael von Ihnenspricht, dann ist er stets …«

»Bitte, Laudan«, unterbrach Arrkonta sie.»Lebo mag Schmeicheleien nicht.«

»Ich hatte nicht vor, ihm zu schmei-cheln«, entgegnete sie. Ihre Art zu sprechen,gefiel ihm. Ihre Schönheit aber beeindruckteihn nur wenig, da er wußte, daß sie für ihnunerreichbar war. Deshalb ließ er ihr gegen-über eine gewisse Abwehr erkennen, so wieer es bei allen Frauen unwillkürlich tat. Erwollte, daß von vornherein eine Distanz ge-wahrt blieb, die persönliche Gefühle garnicht erst aufkommen ließ.

Er stieg vom Rücken Kellys herunter undsetzte sich in einen Sessel. Auch Arrkontanahm Platz.

»Laudan Borakin gehört zur OrganisationGonozal VII. Sie unterstützt unsere Ziele injeder Hinsicht.«

»An der Akademie brodelt es«, sagte sie.»Die Studenten sind unruhig. Die bevorste-hende Wahl läßt sie nicht in Ruhe. Siemöchten dagegen protestieren, um diesenVolksbetrug unmöglich zu machen.«

»Sie werden nichts erreichen«, entgegneteder Terraner. »Orbanaschol duldet keinenoffenen Widerstand. Notfalls wird er dieAnführer der Studierenden vom Studiumausschließen.«

»Sie meinen, daß die Wahl sich nicht ver-hindern läßt?« fragte sie.

»Entschuldigen Sie, Avrael, aber ich weißimmer noch nicht genau, was diese Wahl ei-gentlich zu bedeuten hat, und was sie bein-haltet«, sagte er. »Können wir nicht darübersprechen, bevor wir überlegen, was wir ge-gen sie tun sollen?«

»Gern«, erwiderte der Industrielle. »DieWahl wird am 17. Jahrestag der Inthronisati-on Orbanaschols III. stattfinden. Mit ihr willsich Orbanaschol vom Volk bestätigen las-sen, daß er hoch in seiner Gunst steht. DasWahlergebnis soll demonstrieren, daß seinePolitik ebenso wie die Politiker, die sie ma-chen, von einer überwältigenden Mehrheitbefürwortet werden.«

»Selbstverständlich ist diese Abstimmung

ein ungeheuerlicher Betrug«, erklärte Lau-dan Borakin. »Orbanaschol denkt gar nichtdaran, ablehnende Stimmen dort zur Geltungkommen zu lassen, wo er es nicht will. DasAbstimmungsergebnis steht schon jetzt fest.Ich vermute, daß Orbanaschol 97,5 ProzentPlusstimmen erhalten wird. Damit wird dasResultat noch günstiger für ihn sein als beimletzten Mal. Der Imperator wird also vor dieÖffentlichkeit treten können, um ihr zu sa-gen, daß er noch beliebter geworden ist, unddaß seine Erfolge anerkannt werden.«

»Gleichzeitig kann er politische Persön-lichkeiten, die er gerne abhalftern möchte,dabei loswerden«, ergänzte Avrael Arrkonta.»Der auf Arkon III entstehende Riesenrobo-ter wird für Politiker, die Orbanaschol unbe-quem geworden sind, miserable Ergebnisseausweisen. Jeder weiß zwar, daß die Ab-stimmung nicht mit rechten Dingen zugeht,dennoch aber bleibt die gesamte Aktion einwertvolles und wichtiges Instrument für denImperator. Mit ihr will er darüber hinaus At-lan den Mut nehmen.«

»Selbstverständlich weiß er, daß dasRecht auf der Seite des Kristallprinzen ist.Er glaubt, daß Atlan dieses nicht geltendmachen kann, wenn sich die Arkoniden soeindeutig für ihn, den Imperator, ausspre-chen.«

»Ich verstehe«, sagte Lebo Axton.»Orbanaschol geht nach der gleichen Me-thode vor wie alle Diktatoren, die sich gernein demokratisches Mäntelchen umhängen,unter dem sie ihr wirkliches Gesicht verber-gen. Er zieht eine Art Wahl auf, die über-haupt keine ist, und erzielt einen positivenpropagandistischen Effekt vor allem bei denvielen Zweiflern, die nicht recht wissen, fürwen sie sich entscheiden sollen.«

»So ist es«, bestätigte Avrael Arrkonta.»Tatsächlich konnten wir feststellen, daßsich die Position Orbanaschols nach der letz-ten Abstimmung gebessert hat. Doch es gehtihm nicht (nur darum, allein. Die Aktion sollauch der erste, große Leistungsbeweis fürden auf Arkon III entstehenden Robotgigan-ten sein. An ihm sind erhebliche Fortschritte

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erzielt worden. Der Robotgigant soll dasSammelbecken für die eingehenden Abstim-mungsergebnisse sein, und von ihm aus sollspäter eine große Erfolgsshow für Orbana-schol gestartet werden.«

»Ich vermute, daß die Abstimmung nichtper Zettel erfolgt«, sagte Axton.

»Selbstverständlich nicht«, erwiderte dieArkonidin. »Alles geschieht per Knopf-druck. Von jedem Videogerät aus kann dieStimme abgegeben werden. Dabei wird je-der Haushalt entsprechend seiner Kopfzahlmit Berechtigungen versehen. Ebenso jedesRaumschiff und jede Raumstation. Erfaßtwerden alle Stimmen des Imperiums. Siewerden auf den verschiedenen Planeten ge-sammelt und per Hyperfunk an den Roboterauf Arkon III weitergegeben. Da Orbana-schol sich nicht wirklich dafür interessiert,wie das tatsächliche Abstimmungsergebnisaussieht, werden nur die Stimmen selbst ge-zählt, nicht aber nach Ja und Nein, bezie-hungsweise nach Plus oder Minus ausgeglie-dert.«

»Am Stichtag soll dann auf allen Bild-schirmen des Imperiums eine elektronischeSchautafel zu sehen sein, auf der die Proz-entzahlen ausgewiesen werden. Sie werdenständig steigen, bis sie die vorausbestimmteZiffer von 97 Prozent oder mehr erreicht ha-ben«, ergänzte Arrkonta abfällig lächelnd.»Selbstredend wird eine Flut von Gratulatio-nen über Orbanaschol herabregnen. Er wirdInterviews geben und sich feiern lassen. DieWahl soll also ein einziger Triumph für ihnwerden.«

Lebo Axton blickte Laudan Borakin an.»Ich erinnere mich, daß Sie vorhin indi-

rekt gefragt haben, ob sich die Wahl nichtverhindern läßt«, sagte er.

»Ja, das stimmt. Was meinen Sie dazu?«»Das Unternehmen ist so riesig, daß es

aussichtslos wäre, sich dagegen zu stemmen.Mir ist bereits aufgefallen, daß sich bei denSicherheitsbehörden allerlei tut. Man berei-tet sich auf die Wahl vor. Niemand undnichts wird sie aufhalten können.«

»Ich ärgere mich maßlos über einen sol-

chen Betrug«, sagte die Hyperphysikerin.»Alle Welt weiß, daß die Erfolgszahlen, dieOrbanaschol präsentieren wird, nicht stim-men, aber niemand scheint in der Lage zusein, den für ihn positiven Propagandaeffektins Gegenteil umzukehren.«

»Auch ich habe mich mit dem Gedankenbefaßt, irgendwie in dieses Unternehmen desImperators einzugreifen«, gestand Axton.»Eigentlich war ich fest davon überzeugt,daß sich etwas machen ließe. Jetzt aber binich anderer Meinung. Es wäre Selbstmord,sich gegen diese Maschinerie zu stellen.«

Laudan Borakin blickte ihn unverwandtan. Ihre Augen verdunkelten sich.

»Sind Sie enttäuscht von mir?« fragte er.»Ein bißchen.«Axton fühlte einen Stich in seinem Her-

zen. Er war überrascht und beunruhigt zu-gleich, weil er erkannte, daß ihm das Urteildieser Frau viel bedeutete.

Er verstand sich selbst nicht, und er wehr-te sich gegen die in ihm aufkommenden Ge-fühle. Er fürchtete, sie könnten ihn daranhindern, so klar und nüchtern zu denken,wie es in seiner Situation zwingend notwen-dig war.

Avrael Arrkonta erhob sich.»Entschuldigen Sie mich, bitte«, sagte er.

»Ich bin gleich wieder da.«Er verließ den Raum. Lebo Axton war mit

der Arkonidin allein. Er war verlegen undwußte nicht, was er sagen sollte.

»Sind wir es Atlan und auch unseremSelbstgefühl nicht schuldig, daß wir bis zu-letzt nach einem Weg suchen, Orbanascholsgroßes Spiel zu stören?« fragte sie.

»Nein«, erwiderte er schroff. »UnsereAufgabe ist es, den Kampf auf lange Sichtso zu führen, daß die Macht Orbanascholszerbröckelt. Wenn wir uns bei einer großan-gelegten Aktion selbst vernichten, haben wirweniger erreicht als mit hundert kleinen undweniger spektakulären Angriffen.«

»Warum versuchen Sie, Ihre Gefühle vormir zu verbergen?«

Axton fühlte, daß ihm das Blut in dieWangen schoß. Sein linkes Lid begann, un-

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kontrolliert zu zucken. Er wollte etwas sa-gen, aber irgend etwas schien seine Stimmezu lähmen.

»Haben Sie es denn noch nicht gemerkt,daß ich Sie mag?« fragte Laudan Borakinsanft.

»Bitte«, erwiderte er mühsam.»Unterlassen Sie das. Ich hasse es, auf Emo-tionen Rücksicht nehmen zu müssen.«

Sie schüttelte lächelnd den Kopf.»Das sollen Sie auch gar nicht«, erklärte

sie. »Ich habe viel von Ihnen gehört, unddeshalb kenne ich Sie so gut, als hätten wiruns schon häufig gesehen. Ich bewundereSie, und ich empfinde aufrichtige Sympathiefür Sie.«

Sie schlug die Augen nieder.»Vielleicht sogar mehr«, ergänzte sie.»Bitte, Laudan, schweigen Sie. Einem

Mann wie mir sagt man derartige Wortenicht.«

Sie blickte ihn wieder an, beugte sich vorund legte ihre Hand auf seinen Arm.

»Sie meinen, weil Sie häßlich sind odersich dafür halten?« Sie schüttelte den Kopf.»Äußerlichkeiten spielen für mich überhauptkeine Rolle. Es mag schwer sein für Sie, daszu begreifen, aber es ist wirklich so. Es istunwichtig für mich, ob Sie schön sind odernicht. Für mich ist allein die Persönlichkeitwichtig, und noch niemals zuvor bin ich je-mandem begegnet, der so ist wie Sie.«

Sie stürzte Lebo Axton in ein Chaos derGefühle, in dem er zu ersticken drohte.Noch niemals hatte eine Frau ihm Derartigesgesagt, solange er in diesem Körper lebte.Und nur das galt.

In dem Robotkörper, der von der USO fürihn entwickelt worden war, hatte er seinerAnsicht nach nur existiert. Er war in den un-terschiedlichsten Masken aufgetreten undhatte oft genug die Rolle eines Frauenheldenspielen müssen, ohne je wirklich einer zusein.

2.

Zwei Tage später suchte ihn Laudan Bo-

rakin in seiner Wohnung auf. Axton warvöllig überrascht, als sie eintrat. Er saß überAkten und arbeitete. Nun schob er sie acht-los zur Seite.

»Warum weichen Sie mir aus, Lebo?«fragte die Arkonidin. Sie kam zu ihm undergriff seine Hände.

»Ich weiche Ihnen nicht aus, Laudan«,antwortete er. »Das dürfen Sie nicht anneh-men.«

Er erhob sich.»Hinaus mit dir, Kelly«, sagte er mit

schriller Stimme.Die Arkonidin wartete, bis der Roboter

die Wohnung verlassen hatte.»Seltsam, dieser Robot. Er ist so häßlich.

Warum dulden Sie ihn in Ihrer Nähe?«forschte sie.

»Weil er noch häßlicher ist als ich«, ant-wortete er selbstquälerisch. »Sein Anblickmacht mir Mut und gibt mir Kraft.«

»Bitte, nicht«, entgegnete sie sanft.»Gehen Sie, Laudan«, bat er mit stocken-

der Stimme.Sie schüttelte den Kopf und kniete neben

ihm nieder.»Genau das werde ich nicht tun, Lebo«,

erklärte sie entschlossen. »Sie sind mir aus-gewichen. Ich fühle es. Und ich werde nichtzulassen, daß es noch einmal geschieht.«

»Was wollen Sie von mir?« fragte er ver-wirrt. Mit überschwenglicher Freude warsein Bewußtsein in diesem verkrüppeltenKörper erwacht. Er hatte sein Glück kaumfassen können, als er gemerkt hatte, daß erwieder in seinem wirklichen Körper lebte,nicht aber mehr in einer synthetischen Hülleaus Stahl und Biomolplast.

Und jetzt?Er schämte sich seines Äußeren. Er hätte

sich vor Laudan Borakin verkriechen kön-nen, weil er nicht bereit war zu glauben, daßsein Aussehen für sie keine Rolle spielte. Zuoft war er von Arkoniden gedemütigt, be-schimpft und verlacht worden.

»Ich will, daß Sie mir vertrauen«, sagtesie leise. »Nicht mehr.«

Sie blickten sich lange an. Er konnte sich

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nicht von ihr losreißen, wie er es anfänglichgern getan hatte. Dann schwand sein Wider-stand allmählich dahin. Er senkte den Kopf.In seinem Gesicht zuckte es.

»Bei allen Göttern«, flüsterte sie. »Wasmußt du gelitten haben!«

»Ich will kein Mitleid«, sagte er aufbe-gehrend.

»Wozu sollte ich dich bemitleiden?« frag-te sie. »Ich liebe dich.«

*

Das war vor etwa dreißig Stunden gewe-sen.

Axton hörte das Gelächter Orbanaschols.Die höhnischen Worte der Arkoniden trafenihn wie nie zuvor. Ihm war, als würde er vonzahllosen Dolchen durchbohrt.

»Verdammter Narr«, rief der Imperatorendlich. »Diese Frau hat Verrat an mir unddem Imperium begangen. Dafür hat sie denTod verdient. Es ist unwesentlich für mich,ob du sie liebst oder nicht.«

Er hieb seine Faust auf den Tisch.»Sie soll sterben. Schankkou, gib den Be-

fehl weiter!«»Nein, Imperator. Bitte, lassen Sie sie le-

ben.«»Sie stirbt, Lebo Axton«, erwiderte Orba-

naschol, »und nichts wird ihren Tod aufhal-ten. Verschwinde.«

Axton stand mit hängenden Armen vordem Imperator. Es war vorbei. Er wußte es.Sein Versuch, die einzige Frau, die ihn wirk-lich geliebt hatte, zu retten, war gescheitert.

Seine Augen waren blind vor Tränen.Wie durch einen Schleier hindurch beob-

achtete er, daß der Hinrichtungsroboter sichauf Laudan Borakin stürzte und sie erwürg-te. Orbanaschol und seine Freunde blicktennicht einmal hin, wie sie starb. Sie trankenund rissen hämische Witze über Lebo Ax-ton.

Der Terraner drehte sich um und verließden Raum. Haß und Abscheu fraßen ihn fastauf. In diesen Minuten kämpfte er gegen daswilde Verlangen, Orbanaschol zu erschie-

ßen. Mit einem letzten Rest von Vernunftsagte er sich, daß er den Imperator nicht tö-ten durfte. Aus seinen Studien der Geschich-te der altgalaktischen Völker kannte er dasEnde Orbanaschols. Wenn er es jetzt vor-wegnahm, dann war ein Zeitparadoxon un-vermeidlich.

Mechanisch und ohne einen klaren Ge-danken fassen zu können, kletterte er aufden Rücken Gentleman Kellys und ließ sichaus dem Kristallpalast tragen.

Er konnte später nicht mehr angeben, wieer in seine Wohnung zurückgekommen war.An diesem Tag aber trat eine Änderung inseiner Haltung zu Orbanaschol ein. Bisherhatte er ohne große innere Beteiligung gegenden Mörder Gonozals VII. gekämpft, beseeltvon dem Gedanken, Atlan zur Macht zu ver-helfen. Jetzt aber motivierten ihn Rachege-fühle. Orbanaschol III. hatte ihm sein wah-res, ungeschminktes Gesicht gezeigt. Es wardas Gesicht eines hemmungslosen Mörders.

*

Lebo Axton sah gealtert aus, als er einigeTage später in der Wohnung von AvraelArrkonta erschien. Tiefe Kerben zogen sichvon seiner Nase zu den Mundwinkeln herun-ter.

»Es tut mir leid, Lebo«, sagte der Arkoni-de. »Sie können sich nicht vorstellen, wiesehr mich schmerzt, was geschehen ist.«

»Schweigen Sie«, bat Axton. »Ich möchtenicht darüber reden.«

Er stieg von Gentleman Kelly herunterund ging mit schleifenden Schritten in denSalon, wo Kirko Attrak, der Leiter der Or-ganisation Gonozal VII. wartete. Er begrüß-te ihn mit matter Geste und setzte sich ineinen Sessel. Arrkonta ließ ihm ein Erfri-schungsgetränk reichen.

»Was führt Sie zu mir, Lebo?« fragte er.»Ich plane eine Gegenaktion im Rahmen

der Wahl«, erwiderte der Verwachseneknapp. »Und ich will wissen, ob ich mit Ih-rer Unterstützung rechnen kann.«

Arrkonta und Attrak blickten sich kurz an.

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»Was soll ich darauf antworten«, erkun-digte sich Attrak, »wenn ich nicht weiß, wasSie planen?«

»Ich will Rache«, gestand Axton. »Ichwill Orbanaschol demütigen. Das gesamteImperium soll über ihn lachen.«

»Sie wollen ihn vernichten?« fragte Arr-konta.

»Nein, das will ich nicht«, erwiderte derVerwachsene scharf. »Ich will, daß er dieStunde verflucht, in der er die Wahl ange-setzt hat. Ich will die totale Blamage fürihn.«

»Wie wollen Sie das anstellen?« Arrkontamusterte Axton besorgt. »Welchen Plan ha-ben Sie?«

»Vorläufig überhaupt keinen«, antworteteder Verwachsene ehrlich. »Ich kann nichtklar denken.«

Die beiden Arkoniden schwiegen bestürztnach diesem Geständnis. Erst jetzt erfaßtensie, wie tief der Tod Laudan Borakins Axtongetroffen hatte.

»Der Idealfall wäre, direkt in die Wahleinzugreifen«, führte der Terraner aus.»Nichts könnte Orbanaschol mehr blamie-ren, als ein für ihn vernichtendes Wahler-gebnis. Ich frage mich beispielsweise, waser tun würde, wenn er nicht 97 Prozent Plus-stimmen, sondern nur 3 Prozent erhaltenwürde.«

»Ich verstehe, mit welchen Gedanken Siesich beschäftigen«, bemerkte Kirko Attrak.»Ich glaube, wir sollten so ehrlich sein, Ih-nen zu sagen, daß eine Aktion dieser Artnicht in Frage kommt.«

»Wie meinen Sie das?«»Sie haben Großartiges vollbracht, Lebo«,

antwortete Attrak offen. »Sie haben es sogargeschafft, Quertan Merantor, den Chef desGeheimdienstes, zu stürzen. Jetzt aber wol-len Sie den Imperator angreifen.«

»Ja und?« fragte der Kosmopsychologehitzig. »Meinen Sie, das wäre ein Unter-schied?«

»Ja, das glaube ich«, entgegnete der Mak-ler. »Gegen den Imperator geht man nichtemotionsgeladen und unter Zeitdruck vor.

Orbanaschol ist ein extrem gefährlicherMann, der seine Machtmittel genau zu nut-zen weiß. Ihn unterscheidet von anderenMännern, gegen die Sie gekämpft haben,daß er ständig damit rechnet, angegriffen zuwerden. Er weiß, daß er verhaßt ist.«

»Und er ist sich darüber klar, daß Sie un-ter einem Schock stehen«, ergänzte AvraelArrkonta.

»Wie meinen Sie das?« fragte Axton.»Er hat Sie gedemütigt und beleidigt«, er-

läuterte Attrak. »Er hat Ihr Gnadengesuchabgewiesen. Natürlich kennt er Ihre Situati-on und Ihre Gefühle. Er wäre daher nichtüberrascht, wenn Sie etwas gegen ihn unter-nehmen würden. Sie müssen sogar damitrechnen, daß er Sie überwachen läßt.«

Kennon-Axton ballte die Hände zu Fäu-sten.

»Ich verstehe«, sagte er leise. »Sie wollennicht. Sie sind zu feige, etwas gegen den Im-perator einzuleiten.«

»Das hat mit Feigheit nichts zu tun«, er-widerte Attrak steif.

»Sie sollten uns diesen Vorwurf nicht ma-chen«, fügte Arrkonta hinzu. »Er ist nichtberechtigt.«

»Vielleicht nicht«, lenkte Axton ein.»Entscheidend aber ist, daß Sie mir Ihre Hil-fe verweigern.«

Betreten wichen die beiden Arkonidenseinen Blicken aus. Axton preßte erbittertdie Lippen zusammen.

»Ich werde nicht untätig bleiben«, erklärteer fest.

»Sie rennen in Ihren eigenen Tod«, sagteKirko Attrak. Er erhob sich und ging zurFensterfront des Salons. Von hier aus reichteder Blick weit über das Land bis hin zumHügel der Weisen. »Und Sie übersehen, daßSie nicht nur Ihr eigenes Leben riskieren.Arrkonta, ich und die anderen wissen, daßwir gefährlich leben. Wir haben uns der Or-ganisation mit dem Bewußtsein angeschlos-sen, daß wir auch auffliegen können. Undwas wir dann zu erwarten haben, das ist unsauch klar. Orbanaschol würde kurzen Prozeßmit uns machen.«

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Page 11: Eine Botschaft von Arkon

Der Makler wandte sich Axton wieder zu.»Wir sind gezwungen, vorsichtig zu tak-

tieren, wenn wir nicht unser Leben aufsSpiel setzen wollen. Und deshalb müssenwir klar zwischen möglich und unmöglichunterscheiden. Es hat keinen Sinn, etwas inAngriff zu nehmen, was uns alle Kopf undKragen kosten kann.«

»Sie werfen mir also vor, daß ich die Exi-stenz der Organisation aufs Spiel setze, nurum persönliche Rachegefühle zu befriedi-gen«

»Lebo, bitte, verrennen Sie sich nicht«,bat Arrkonta.

»Ich habe schon begriffen«, sagte Axton.Er glitt aus seinem Sessel und kletterte aufden Rücken Kellys.

»Gehen Sie nicht, Lebo. Wir haben unsmißverstanden. Kirko wollte Ihnen keineVorwürfe machen. Er hat nur versucht, sei-nen Standpunkt klarzumachen. Das müssenSie ihm zubilligen.«

»Vielleicht«, erwiderte Axton vomRücken seines Roboters herab. »Es steht je-doch fest, daß ich nicht mit der Unterstüt-zung der Organisation Gonozal VII. rechnenkann.«

»Sie können nicht von uns erwarten, daßwir uns selbst ans Messer liefern«, erklärteKirko Attrak erregt. »Wir können einfachnicht damit rechnen, daß wir Orbanascholbis zur Weißglut reizen, ohne damit Gegen-reaktionen auszulösen, die uns vernichten.Der Imperator würde seine ganze Macht auf-bieten, um die Verantwortlichen zu finden.Er würde jeden einzelnen Mann mobilisie-ren, bis er diejenigen gestellt hat, die ihnblamiert haben.«

»Schon gut«, entgegnete Axton. »Redenwir nicht mehr darüber.«

»Was haben Sie vor?« fragte Arrkonta be-unruhigt.

»Ich werde nachdenken«, antwortete derVerwachsene ruhig. »Nichts weiter, undvielleicht werde ich noch einmal mit Ihnenüber einen Plan diskutieren.«

Er deutete einen Gruß an und verließ dieWohnung Arrkontas.

*

Sinclair Marout Kennon-Axton war wieausgebrannt vor Enttäuschung. Er konntenicht verstehen, daß die Männer, die er fürseine Freunde hielt, ihm die Unterstützungversagt hatten.

Von Gentleman Kelly ließ er sich zu sei-nem Gleiter tragen. Er setzte sich selbst andie Steuerung und lenkte die Maschine nachNorden. Er ließ sie fast eine Stunde lang nurtreiben. Dann verspürte er das Verlangennach frischer Luft. Er landete inmitten einerParklandschaft, die durch zahlreiche künstli-che Seen aufgelockert wurde.

»Soll ich dich begleiten?« fragte Kelly.»Du kannst hinter mir bleiben«, antworte-

te Axton. »Komm mir aber nicht zu nahe.«Er stieg mühsam aus der Flugkabine und

ging durch das Gras zu einem See, auf demrote Blumen schwammen.

Fische durchbrachen die Wasseroberflä-che und schnappten nach Insekten.

Axton überlegte, während er sich zugleichauch gegen ein Gefühl der Hoffnungslosig-keit wehrte. Vor wenigen Tagen war er nochvoller Tatendrang gewesen. Nicht ein einzi-ges Mal hatte er gezweifelt. Für ihn warselbstverständlich gewesen, daß er auf jedenur erdenkliche Weise gegen OrbanascholIII. kämpfte. Dann hatte er Laudan Borakinkennengelernt, und sie hatte ihm bewußt ge-macht, wie wichtig sein Einsatz gegen dieTerrorherrschaft des Imperators war.

Ihr Tod hatte etwas in ihm zerbrochen,und er begann sich zu fragen, ob Atlan esnicht auch ohne ihn schaffen würde, dieMacht über das Imperium an sich zu reißen.

Er nahm einen kleinen Stein auf und warfihn ins Wasser. Die Fische flüchteten, kehr-ten aber gleich darauf neugierig zurück.

Axton war, als höre er die zärtliche Stim-me Laudans.

Sollte er wirklich auf seine Rache ver-zichten? Durfte er über das ungeheuerlicheVerbrechen Orbanaschols hinweggehen, alssei überhaupt nichts geschehen?

Eine Botschaft für Arkon 11

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»Kelly? Hörst du mich?« fragte er, ohnesich umzudrehen.

»Selbstverständlich«, antwortete der Ro-boter. Er war nur wenige Meter von demTerraner entfernt und trat nun näher an ihnheran.

»Nehmen wir einmal an, ich würde vonden Schergen Orbanaschols verhaftet wer-den, nachdem ich versucht habe, mich anihm zu rächen«, erklärte er. »Würde das be-deuten, daß Avrael Arrkonta und die ande-ren meiner Freunde automatisch auch ge-fährdet wären?«

»Sie würden fraglos überprüft werden.«»Das würden sie überstehen, ohne daß ih-

nen etwas passiert. Nun gut, dann kann iches eigentlich riskieren.«

»Was willst du riskieren?«»Ich werde etwas gegen Orbanaschol un-

ternehmen. Ich muß einfach etwas tun, dennich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ichüber den Mord an Laudan hinweggehenwürde, als sei nichts geschehen.«

»Sie ist tot, Liebling, sie wird nicht wie-der lebendig, wenn du …«

»Was sagst du da zu mir?« schrie Axtonwie von Sinnen.

»Liebling«, erwiderte Gentleman Kelly.»Magst du das nicht, Schatz?«

Axton riß seinen Energiestrahler aus demGürtel, richtete ihn auf Gentleman Kelly undfeuerte ihn ab. Der Roboter versuchte, derGefahr zu entgehen und sich selbst zu erhal-ten. Er schaltete sein Antigravtriebwerk einund schoß in die Höhe. Das Energiefeuer er-faßte ihn dennoch. Die Glut riß ihm beideBeine dicht unter dem Ovalkörper weg. Glü-hende Stahlsplitter wirbelten durch die Park-landschaft.

»Bleib hier«, befahl der Verwachsene au-ßer sich vor Zorn.

Der Roboter sank wieder nach unten. Erverharrte exakt in der Höhe, in der Kopf undRumpf sich befunden hätten, wenn die Bei-ne noch da gewesen wären. Er schraubtesich die Strümpfe ab, um die Hitzewirkungauf den Ovalkörper zu verringern.

Axtons Gesicht verzerrte sich.

»Ich hätte dich vernichten sollen«, sagteer. »Und ich werde es tun, wenn du eswagst, mich noch einmal so zu nennen. Hastdu mich verstanden?«

»Ich habe verstanden, mein Herr, undMeister.«

»Du bist ein vollendeter Narr.« Der Kos-mokriminalist schob den Energiestrahlerwieder in den Gürtel zurück. »Warum mußteich ausgerechnet an dich geraten? Jeder an-dere Roboter wäre besser gewesen. Kannstdu mir das erklären?«

»Das kann ich«, antwortete Kelly. »Duhast mich ausgesucht.«

»Du willst mir also sagen, daß ich michlieber über meine eigene Dummheit bekla-gen sollte als über dich.«

»So ungefähr«, erwiderte der Roboter undfügte nach einer kleinen Pause hinzu:»Süßer.«

Axton erbleichte. Wieder griff er zurWaffe und richtete sie auf Gentleman Kelly,doch er schoß nicht. Er ließ den Strahlerlangsam sinken und steckte ihn in den Gür-tel zurück.

»Es wäre sinnlos.«»Ich konstatiere, daß du dich in einer psy-

chischen Erholungspause befindest, in derdu Belastungsreizen schon wieder gewach-sen bist. Ich gratuliere.«

Axton blickte den Roboter verblüfft an.Mit solchen Worten hatte er nicht gerechnet,und es dauerte einige Zeit, bis er erkannte,daß Kelly recht hatte. Es hatte ihm geholfen,daß er sich mit dem Schuß auf den RoboterLuft gemacht hatte.

»Du erwartest hoffentlich nicht, daß ichmich bei dir entschuldige«, sagte er.

»Nein, derartige Überraschungseffektepassen nicht in diese Phase.«

Axton grinste.»Komm her. Ich will auf deinen Rücken

steigen.«»Du würdest dir die Füße verbrennen. Die

Bügel sind noch heiß.«»Da ist Wasser. Kühle dich ab.«Der verstümmelte Roboter schwebte zum

Wasser und senkte sich mit seinem unteren

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Teil hinein. Es zischte hörbar. Kelly kehrtezu Axton zurück und drehte ihm den Rückenzu, so daß der Terraner mühelos aufsteigenkonnte.

»Es wäre zu überlegen, ob ich dich so las-se, wie du bist«, sagte Axton.

»Wenn ich nur das Antigravtriebwerk be-nutzen kann«, erwiderte Kelly, »werdenmeine Batterien wesentlich höher bean-sprucht als durch das Laufwerk.«

»Na schön. Ich werde dir neue Beine be-sorgen.«

»Ich würde ein Laufwerk vom Selmnuel-Modell bevorzugen.«

»Eitel bist du verdammtes Monstrumauch noch! Du bekommst Beine, die gut fürdich geeignet sind. Sonderwünsche respek-tiere ich nicht. Und jetzt los. Glaubst du, ichwill hier den ganzen Nachmittag verbrin-gen?«

*

Avrael Arrkonta war überrascht, als Ax-ton erneut bei ihm erschien. Freudig begrüß-te er ihn.

»Ich habe mir alles noch einmal durchden Kopf gehen lassen, Lebo«, sagte er,während er ihn in den Salon führte. »Sie ha-ben recht. Wir dürfen nicht zurückstecken.Wir müssen kämpfen, und ich werde mit Ih-nen kämpfen. Wenn Sie es wagen, gegenOrbanaschol anzutreten, dann wissen Sie,daß Sie es auch verantworten können. Ichvertraue Ihnen.«

»Ich danke Ihnen, Avrael. Mit einem sol-chen Treuebeweis habe ich eigentlich garnicht mehr gerechnet.« Axton war gerührt,aber er zeigte es nicht. Äußerlich blieb er ru-hig und gelassen. »Es wird jedoch nicht not-wendig sein, daß Sie etwas riskieren. Ich be-nötige nur Ihre technische Unterstützung.«

»Die haben Sie.«»Ich habe bisher vergeblich nach einer

Angriffsfläche gesucht«, gestand der Kos-mokriminalist. »Ich bin fest entschlossen,Orbanaschol in irgendeiner wirkungsvollenWeise zu attackieren, aber ich weiß nicht

wie. Der Imperator wird das Wahlergebnismanipulieren. Das steht fest. Sollte es nichtmöglich sein, daß wir ebenfalls in die Po-sitronik eingreifen?«

»Ausgeschlossen«, erwiderte Arrkonta.»Wir haben schon einmal ein positronischesTeil in den Riesenroboter eingeschleust. Dengleichen Weg noch einmal zu benutzen, ver-bietet sich von selbst, weil wir bei der ge-ringsten Panne alles zunichte machen wür-den, was wir erreicht haben. Anders als überden Riesenroboter ist aber die Wahl nichtfür Ihre Pläne auszunutzen.«

»Wissen Sie, wie Orbanaschol technischvorgeht?«

Arrkonta schüttelte den Kopf.»Das ist Staatsgeheimnis. Nur Orbana-

schol selbst könnte es Ihnen verraten.«Diese Antwort hatte Axton befürchtet. Sie

bedeutete, daß er seine Absichten nicht ver-wirklichen konnte. Er wollte sich noch nichtdamit abfinden und stellte noch eine Reihevon weiteren Fragen, doch durch sie erfuhrer nichts Neues mehr. Es schien so, als kön-ne Axton die große Wahl nicht für seine Ra-chepläne nutzen.

»Vielleicht ist es besser, wenn Sie die Ab-stimmung ganz vergessen«, sagte Arrkontadaher schließlich. »Wir sollten überlegen, obes nicht eine andere Möglichkeit gibt, Orba-naschol eine schwere Schlappe beizubrin-gen.«

»Wahrscheinlich haben Sie recht«, ent-gegnete Axton. »Es wäre ein Fehler, sich garzu sehr auf dieses eine Ereignis zu konzen-trieren. Noch aber habe ich nicht ganz auf-gegeben.«

Er verabschiedete sich von dem Arkoni-den und ließ sich von Kelly in sein Büro imSicherheitsministerium bringen. Hier arbei-tete er mehrere Stunden. Über Video undmit Kellys Hilfe trug er alle verfügbaren Da-ten über die vergangenen Wahlen zusam-men. Später wechselte er ins Hauptarchivüber und verschaffte sich weitere Informa-tionen. Als er wieder in seinen Arbeitsraumzurückkehrte, blinkte das Ruflicht am Vi-deo. Er schaltete das Gerät ein. Auf der Pro-

Eine Botschaft für Arkon 13

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jektionsfläche erschien das Gesicht eines ho-hen Hofbeamten.

»Axton«, sagte er. »Der Imperator erwar-tet Sie. Er will Sie in zehn Minuten in sei-nem Salon sehen.«

Der Beamte schaltete aus. Axton ließ sichin einen Sessel sinken, da er das Gefühl hat-te, daß seine Beine ihn nicht mehr tragenkonnten. Ihn schwindelte, und tausend Fra-gen stürmten auf ihn ein.

»Du mußt dich beeilen«, bemerkte Gent-leman Kelly, »sonst schaffst du es nicht.«

Axton schreckte aus seinen Gedanken auf.Hastig kletterte er auf den Rücken des Ro-boters.

»Schnell«, sagte er. »Wir dürfen keineZeit verlieren.«

Vom Sicherheitsministerium bis zum Kri-stallpalast war es nicht weit. Axton verzich-tete auf einen Gleiter und ließ Kelly direktfliegen. Allerdings nahm er ihn nicht mit inden Arbeitsbereich des Imperators, sondernließ ihn vor den Hauptkontrollen zurück.Von hier aus eilte er zu Fuß weiter. Er kamso langsam voran, daß die Zeit schließlichkaum noch ausreichte. Atemlos betrat er denSalon Orbanaschols, der sich an die großenHauptbüros anschloß. Skaranore Schankkouwar bei dem Imperator, zog sich aber zu-rück, als er Axton sah.

Der Imperator saß in einem ausladendenSessel hinter einem Tisch, auf dem verschie-dene Baupläne und Zeichnungen von po-sitronischen Anlagen lagen. Orbanascholmusterte Axton abschätzend. Seine Händespielten mit einer Frucht, die er auf demTisch hin und her rollte.

»Lebo Axton«, sagte er mit unangeneh-mer Fistelstimme. »Sie haben um das LebenLaudan Borakins gebeten. Ich habe dieseBitte aus gutem Grund abgelehnt. Warumwollten Sie, daß diese Frau geschont wird?«

»Ich habe es Ihnen bereits gesagt, Impera-tor.«

Orbanaschol III. schürzte verächtlich dieLippen. Er machte eine wegwerfende Bewe-gung mit der Hand.

»Diese oder eine andere. Was spielt das

für eine Rolle? Wenn es Ihnen darauf an-kommt, werde ich Ihnen eine Frauschicken.«

»Es kommt mir nicht darauf an«, erwider-te Axton beherrscht. »Es ging mir einzig undallein um Laudan Borakin.«

»Sie war eine Verräterin«, schrie Orbana-schol zornig. »Sie ist konspirativ gegenmich tätig gewesen. Sie mußte sterben. Fin-den Sie sich damit ab.«

Seine Augen verengten sich.»Haben Sie gewußt, was sie getan hat?«»Ich habe es nicht gewußt«, antwortete

Axton.»Jetzt sind Sie informiert. Sie wissen also,

daß das Todesurteil gerecht war. StimmenSie mir zu?«

»Selbstverständlich, Imperator.« Der Kos-mopsychologe wunderte sich, wie unge-zwungen ihm diese Worte von den Lippenkamen.

»Wir haben uns ein wenig über Sie lustiggemacht«, erklärte der Arkonide lauernd.»Ein Mann muß so etwas verkraften kön-nen.«

»Ich habe vergessen, was geschehen ist.«»Hoffentlich«, sagte der Imperator dro-

hend. »Sie sind ein wichtiger Mitarbeiter fürmich, Axton. Sobald ich aber feststellenmuß, daß ich mich nicht mehr auf Sie ver-lassen kann, ergeht es Ihnen wie Laudan Bo-rakin. Ich habe das Vermögen dieser Fraueingezogen. Auf Ihrem Konto wird in dennächsten Tagen ein Sonderbonus ausgewie-sen werden. Dieser soll ein Trostpflaster fürSie sein. Männer, die zu mir stehen, werdenimmer gut dabei fahren.«

Axton zwang sich zu einem Lächeln. Erverneigte sich.

»Ich danke Ihnen, Imperator«, sagte er,ohne erkennen zu lassen, wie maßlos er seinGegenüber haßte. Am liebsten hätte er dasGeld zurückgewiesen, aber er war sich dar-über klar, daß er das nicht tun durfte.

3.

Mit noch größerem Eifer als zuvor nahm

14 H. G. Francis

Page 15: Eine Botschaft von Arkon

Axton seine Arbeit wieder auf, als er in sei-nen Arbeitsbereich zurückgekehrt war. DasGespräch mit Orbanaschol war vergessen.Es hatte ihn weit weniger aufgewühlt, als erbefürchtet hatte. Der Imperator hatte Schwä-chen gezeigt, und damit war Axton nochselbstsicherer geworden.

Als er schon fast alle Pläne, Beschreibun-gen und technischen Erläuterungen bewäl-tigt hatte, stieß er auf eine kleine Notiz, dieer zunächst übersehen hatte. Aus ihr ginghervor, daß Orbanaschol einen positroni-schen Programmschlüssel in seinem Privat-safe aufbewahrte. Mit Hilfe dieses Schlüs-sels konnte er entscheidende Eingriffe in dieWahlpositronik vornehmen und die Ergeb-nisse manipulieren. Dieses Bauteil würde biszum Beginn der Abstimmung in den Händendes Imperators bleiben.

Damit lag der Beweis vor Axton. Orbana-schol hatte sich konsequent abgesichert.Niemand konnte verhindern, daß er das ge-plante Unternehmen erfolgreich durchführte.

Axton hielt es nicht mehr in der Enge sei-nes Büros aus. Er stieg auf den Rücken Kel-lys und machte sich zusammen mit ihm aufdie Suche nach geeigneten Beinen. Er fandsie schließlich hoch im Norden in einemsubplanetar angelegten Reparaturbetrieb. Al-lerdings kaufte er keine neuen Beine, son-dern nahm welche, die für das Unternehmensonst nicht absetzbar waren. Er kümmertesich nicht um die Proteste Kellys. Tatsäch-lich war er mit seinen Gedanken weniger beiden Roboterbeinen, sondern mehr bei demProblem positronischer Schlüssel.

Immer wieder sagte er sich, daß er sichhervorragend im Kristallpalast auskannte.Und er fragte sich, warum er nicht versu-chen sollte, an den Safe des Imperators zukommen. Dieser Gedanke faszinierte ihn,wenngleich er vorläufig noch keine Vorstel-lung davon hatte, wie er es schaffen sollte.

Er kehrte wieder in sein Büro zurück undstürzte sich erneut auf die Pläne und Zeich-nungen. Tatsächlich fand er nach einigenStunden eine Möglichkeit, den positroni-schen Schlüssel so zu verändern, daß Orba-

naschol mit ihm nur noch wenig erreichenkonnte.

Damit stand der Entschluß des Terranersfest. Er wollte in den Palast eindringen undseinen Plan verwirklichen.

Es war bereits spät, und Axton fühlte sichnicht besonders gut. Deshalb verschob er dieAktion auf die nächste Nacht und zog sich inseine Wohnung zurück, um neue Kräfte zuschöpfen.

Bewußt verzichtete er darauf, mit AvraelArrkonta über seine Absichten zu sprechen.Er wollte niemanden in diese Sache herein-ziehen, weil er niemanden gefährden wollte.Er schwieg auch noch, als Arrkonta ihn. amnächsten Abend anrief.

Da er wußte, daß Orbanaschol sich seltenvor Mitternacht zur Ruhe legte, wartete er inseiner Wohnung ab, bis er glaubte, daß allegünstigen Voraussetzungen gegeben waren.Er verließ seine Wohnung auf dem RückenKellys und flog mit diesem bis zum Hügelder Weisen. Der Kristallpalast ragte bis zueiner Höhe von fast 500 Metern hoch. In denunteren Bereichen des Trichterbaus herrsch-te noch lebhaftes Treiben. Weit oben jedochwar alles dunkel.

Axton führte Kelly bis an ein Türmchenheraus, das zwischen den Büschen des Pa-lastparks aus dem Boden aufstieg. Es lag soversteckt, daß Axton es erst sah, als er un-mittelbar davor stand.

Der Verwachsene glitt vom Rücken desRoboters. Er brauchte keine Lampe, da ernachtsichtig war. Axton wußte nicht, wes-halb das Sonderhirn plötzlich aktiv gewor-den war, nachdem es jahrhundertelang ge-schlafen hatte. Er nutzte seine neuerwachtenSinne so selbstverständlich, als wären sieimmer vorhanden gewesen.

Aus einer Tube drückte er eine schwachleuchtende Flüssigkeit auf die giebelförmigeAbdeckung des Türmchens. Es zischte leise.Axton wartete etwa zwei Minuten.

»Hebe es ab«, befahl er dann.Gentleman Kelly nahm die Abdeckung

herunter und legte sie auf den Boden. EinRohr führte im Turm nach unten.

Eine Botschaft für Arkon 15

Page 16: Eine Botschaft von Arkon

»Du zuerst«, sagte Axton. »Mit dem Kopfvoraus. Leise.«

Kelly stieg lautlos auf, drehte sich herumund sank mit dem Kopf voran nach unten.Axton kletterte mühsam auf den Turm undstellte sich zwischen die Beine des Roboters.Wenig später glitten sie in einen ausgedehn-ten Unterstand, in dem etwa zweihundertLastengleiter parkten. Kelly landete auf demDach einer Maschine.

»Kannst du jemanden sehen?« fragte derVerwachsene leise.

»Es ist niemand da. Auch kein Roboter.«»Gut. Weiter.« Er stellte sich in die Halte-

bügel auf dem Rücken Kellys, und diesertrug ihn über eine Strecke von fast hundertMetern hinweg bis zu den verschiedenenVersorgungsschächten, die die subplanetari-schen Anlagen des Kristallpalasts mit demoberen Teil verbanden.

Lichtschranken sicherten die Schächte ge-gen unerwünschte Besucher ab. Axton über-wand sie mühelos mit einigen Spiegeln, mitdenen er die Lichtstrahlen so umlenkte, daßeine genügend große Lücke für ihn und denRoboter entstand. Danach war der Weg nachoben frei.

»Tempo jetzt«, befahl der Terraner. »Wirwollen keine Zeit verlieren.«

Da die Antigraveinrichtungen der Palast-anlage ausgeschaltet waren, setzte Kelly sei-ne eigenen Antigravs ein. Ungehindert stießer mit Axton auf dem Rücken bis an denWohnbereich des Imperators vor. Von nunan mußte der Kosmokriminalist mit kompli-zierteren Warn- und Sicherheitsanlagenrechnen.

Er wählte den direkten und damit kürze-sten Weg zum Imperator. Mit einem positro-nischen Spezialschlüssel, den er dem Oval-körper Kellys entnahm, öffnete er dasSchott, das den Schachtausgang versperrte.

Auf den luxuriös ausgestatteten Gängendes Palasts war es still. Gentleman Kellytrug Axton an kostbaren Gemälden und Sta-tuen vorbei, die die Wände schmückten. Erachtete nicht auf sie, sondern blickte wie ge-bannt auf eine Gangbiegung. Er wußte, daß

dahinter ein Kampfroboter stehen müßte,aber er wußte noch nicht, wie er mit ihm fer-tig werden sollte.

Als Axton das Ende des Ganges erreichthatte, ließ er sich von Kelly absetzen. Erschob sich vorsichtig an die Kante heran undhielt einen winzigen Spiegel darüber hinausin den Gang hinein. Deutlich konnte er dieMaschine sehen. Sie war etwa drei Meterhoch und hatte vier Arme, von denen zweimit schweren Energiestrahlern bestückt wa-ren.

Axton zog den Spiegel erschrocken zu-rück. Der Kampfroboter bewegte sich. Erkam auf ihn zu. Deutlich hörte er die Schrit-te.

Der Terraner wollte auf den Rücken Kel-lys steigen, doch er sah ein, daß es für eineFlucht zu spät war. Fieberhaft überlegte er,was er tun sollte. Seine Hände krallten sichunwillkürlich um den Gürtel, der sich ihmunter der Kleidung um die Hüften schlang.Ihm war, als ob er ein lebendes Wesen be-rührt hätte, und schlagartig erinnerte er sichdaran, wie Kelly reagiert hatte, als er vondem Gürtel getroffen worden war.

Er riß sich die Bluse auf. Mit der rechtenHand zerrte er an dem blau schimmerndenGebilde, dessen Geheimnis er immer nochnicht gelöst hatte. Wie erhofft löste es sichvon ihm und glitt wie eine sich windendeSchlange in seine Hand. Er blickte auf dasBand. Es schien, als rasten winzige Funkenin ihm hin und her.

Axton beugte sich vor, nahm die Hand zu-rück und schleuderte das Band um die Eckeauf den Roboter. Er hörte, wie Funkensprühten. Die Kampf maschine blieb stehen.

Der Terraner hielt es nicht mehr aus. Erschob seinen Kopf um die Ecke. Das blaueBand hatte sich dem Roboter um den klobi-gen Schädel geschlungen. Aus mehrerenÖffnungen zuckten blaue Blitze hervor. DieArme des Automaten sanken langsam nachunten, und dann war nur noch das Surrendes Gyros zu hören, das den Roboter auf-recht hielt.

Axton ging auf den Roboter zu. Er be-

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rührte ihn wie unter einem inneren Zwang.Das blaue Band glitt zu ihm herab, schlän-gelte sich über Arm und Schulter hinweg biszu seinen Hüften und schloß sich hier wie-der zu einem Gürtel.

»Wir haben es geschafft, Kelly«, sagte derKosmokriminalist leise. »Ich kann es kaumglauben.«

In diesem Moment öffnete sich irgendwoeine Tür. Axton vernahm das Gelächter ei-ner Frau und die schwankende Stimme einesMannes.

Gentleman Kelly kam mit zwei schnellenSchritten zu ihm. Axton stand wie gelähmtauf der Stelle, denn der Mann und die Fraunäherten sich ihm. Kurz bevor sie die Gang-biegung erreichten, trat der Verwachsene ha-stig zur Seite. Er preßte sich in eine Nischeneben eine Statue aus rotem Stein. DasKunstwerk kippte zur Seite. Axton stützte eseilig mit den Händen ab. Es war so schwer,daß er unter der Last nahezu zusammen-brach. Über die Schulter hinweg blickte erauf den Gang hinaus.

Ein Arkonide, der nur mit einer langenHose bekleidet war, trug ein Mädchen vor-bei. Es strampelte übermütig mit den Beinenund hielt ihm scherzhaft die Augen zu. Sieblickte nicht ein einziges Mal zu den beidenRobotern hinüber. Deren Anwesenheit emp-fand sie offenbar als selbstverständlich. Mitdem Fuß öffnete sie ein Türschott. Der Ar-konide trug sie hindurch.

Als das Schott sich hinter ihnen geschlos-sen hatte, kam Gentleman Kelly dem Terra-ner endlich zur Hilfe. Er richtete die Statuewieder auf. Axton sank erschöpft auf denBoden. Er brauchte einige Minuten, bis ersich wieder etwas erholt hatte. Dann kletter-te er auf den Rücken Kellys und befahl ihm,weiterzugehen. Den Kampfroboter ließ erachtlos stehen. Niemand konnte diesem an-sehen, daß er nicht einsatzbereit war.

Als er das Türschott zu den PrivaträumenOrbanaschols erreicht hatte, setzte er ver-schiedene Sonden an, die er aus einem Hohl-raum im Ovalkörper Kellys hervorholte.Wenig später wußte er, daß sich niemand

hinter dem Schott aufhielt.»Öffne«, befahl er.Der Roboter setzte einen positronischen

Magnetschlüssel an und hantierte damit eini-ge Sekunden lang am Schott herum. Dannglitt es lautlos zur Seite. Durch einen Vor-raum kam Axton auf einen Gang, an dessenEnde das Schlafzimmer des Imperators lag.

»Los«, sagte er mit gedämpfter Stimme.»Wir wollen uns nicht länger aufhalten, alsunbedingt notwendig. Antigrav verwenden.«

Der Roboter schwebte einige Zentimeterin die Höhe und glitt dann nach vorn. Als erwenig später an einem Türschott vorbeikam,hörte Axton Musik und Gelächter. Er ver-harrte jedoch nicht an der Tür, sondern triebKelly weiter. Und dann begann erneut dienervenzermürbende Arbeit mit den Sonden.Solange Axton noch nicht wußte, ob sich je-mand hinter der Tür aufhielt oder nicht,mußte er damit rechnen, daß diese sichplötzlich öffnen, und er Orbanaschol, einemWachoffizier oder einer der Favoritinnendes Imperators gegenüberstehen würde.

Ein winziges Gerät setzte die akustischenImpulse aus dem Raum in optische Signaleum. Axton sah grüne, regelmäßige Zackenauf dem Bildschirm.

»Der Herr schläft«, sagte er erleichtert.»Öffne, Kelly.«

Gentleman Kelly benötigte dieses Malfast drei Minuten, bis das Schott endlich zurSeite glitt. Er trug Axton bis an einen rotenVorhang heran, der den Blick auf das BettOrbanaschols noch verwehrte. Axton beugtesich nach vorn und schob den Stoff vorsich-tig zur Seite. Durch einen winzigen Spaltsah er Orbanaschol. Der Imperator lag in ei-nem riesigen Bett. Er schlief. Außer ihmhielt sich niemand im Raum auf.

Axton wischte sich den Schweiß von derStirn. Sein Herz klopfte so laut, daß erfürchtete, sich dadurch zu verraten. Orbana-schol atmete tief und regelmäßig. Der süßli-che Geruch von Traumpilzen hing in derLuft. Er zeigte Axton an, daß der Imperatoreinige davon am Abend genossen habenmußte.

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Der Terraner zog den Vorhang etwas wei-ter auf, so daß er wesentlich mehr vomRaum übersehen konnte. Als er sicher war,daß er sich nicht geirrt hatte, klopfte er Kel-ly leicht gegen den Schädel. Der Roboterschwebte durch den Spalt im Vorhang hin-durch und flog zu einigen Polstermöbelnhinüber, die dem Bett gegenüberstanden.Von hier aus versuchte der Kosmokrimina-list den Safe zu finden, der irgendwo in die-sem Zimmer versteckt sein mußte.

Als er glaubte, ihn gefunden zu haben,stieg er vom Rücken Kellys herunter undgab diesem die Anweisung, sich flach hintereiner Couch auf den Boden zu legen.

»Du wartest hier«, befahl er flüsternd.Er drehte sich um und ging einige Schritte

auf ein abstraktes Gebilde zu. In diesem Mo-ment hörte er seltsame Geräusche. Fingernä-gel schienen über das Schott einer Tür zurutschen, die zu einem anderen Raum führte.Axton kehrte in aller Eile zu Kelly zurück.Er warf sich auf den Boden und rutschte mitden Füßen zuerst unter einen Sessel. SeinKörper kam erst zur Ruhe, als er mit denHacken gegen die Wand stieß. Nun steckteer zur Hälfte unter dem Sitzmöbel. Die Bei-ne mit den großen Füßen ragten nach hintendarunter hervor. Das aber war nicht zu ver-meiden.

Axton spähte unter dem Sessel hervor.Das Türschott öffnete sich. Eine spärlich

gekleidete Arkonidin trat ein. Sie schwank-te. Ihre Augen waren glasig, und ihre Lippenformten sinnlose Worte. Sie betrat dasSchlafzimmer Orbanaschols, blickte auf denschlafenden Imperator und kicherte albern.Sie hielt einen Becher mit einer rötlichenFlüssigkeit in der rechten Hand. Damit pro-stete sie dem Arkoniden zu. Sie trank undverlor die Kontrolle über sich. Mit zweiüberhasteten Schritten zur Seite versuchtesie, sich wieder abzufangen. Dabei rutschtesie mit einem Fuß aus. Haltsuchend warf siedie Arme hoch. Der Becher flog über ihreSchulter hinweg auf das abstrakte Gebildezu, hinter dem Lebo Axton den Safe vermu-tete. Als er noch etwa einen Meter von ihm

entfernt war, heulte eine Alarmsirene auf.Orbanaschol III. fuhr aus seinem Bett.

Unglaublich schnell griff er zu einem Ener-giestrahler, der auf einem Tisch neben ihmgelegen hatte. Verständnislos blickte er aufdie Betrunkene, die sich an dem abstraktenGebilde abstützte, um nicht zu fallen.

Axton kroch noch ein wenig weiter zu-rück. Er war unter dem Sessel nur ungenü-gend gedeckt. Allzu leicht konnte die Frauihn entdecken, wenn sie zu ihm herübersah.Was auf ihn wartete, wenn er hier überraschtwurde, war dem Terraner klar. Darüberkonnte es keine Illusionen geben.

»Was treibst du hier, Frankina?« fragteder Imperator ungehalten. »Hinaus mit dir.«

Durch die sich öffnenden Türen eilten et-wa fünfzehn Sicherheitsoffiziere herein. Siealle hielten ihre Waffen in den Händen, be-reit, auf einen Feind sofort zu schießen.

»Ich bin versehentlich gegen die Distanz-schranke gekommen«, erklärte die Arkoni-din stammelnd.

»Alarmanlage ausschälten«, befahl Orba-naschol ärgerlich. »Der Lärm ist nicht zu er-tragen.«

Einige Sekunden später erstarb das durch-dringende Geheul der Sirene. Die Sicher-heitsoffiziere zogen sich zurück. Lebo Ax-ton preßte sich gegen die Wand. Er fürchte-te, jeden Moment entdeckt zu werden. Be-sorgt blickte er zu Gentleman Kelly hinüber,der seiner Ansicht nach noch weniger gutversteckt war als er.

Der Imperator packte die Arkonidin ander Schulter und warf sie fluchend aus demSchlafzimmer. Er keuchte heftig, als erglaubte, allein zu sein. Unruhig lief er einigeSchritte hin und her, trank dann etwas auseinem Metallgefäß und legte sich schließlichwieder ins Bett.

Er schlief jedoch nicht ein, sondern warfsich unruhig hin und her.

Lebo Axton lag regungslos unter demSessel und bemühte sich, so flach und ruhigwie möglich zu atmen. Er war sich dessenbewußt, daß der Imperator durch das gering-ste Geräusch auf ihn aufmerksam werden

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konnte. Jetzt machte er sich schwerste Vor-würfe. Er sah ein, daß er schlecht vorbereitetin den Kristallpalast eingedrungen war. Spä-testens am Safe wäre er gescheitert. Er wäreahnungslos in die Alarmfalle gelaufen.

Siedendheiß erinnerte er sich an denKampfroboter, der noch immer draußen aufdem Gang stand. Früher oder später mußteauffallen, daß er nicht mehr funktionierte.

Axton beschloß, die erste Rückzugsmög-lichkeit, die sich ihm bot, zu nutzen. Jetztkonnte er keinen Erfolg in der Auseinander-setzung mit der Abstimmung erwarten. Erkonnte nur noch hoffen, daß es ihm gelang,den Palast lebend wieder zu verlassen.

Wieder spielte er mit dem Gedanken, denImperator zu beseitigen und sich so für denTod Laudan Borakins zu rächen. Haßgefühledrohten ihn zu überwältigen, aber er be-herrschte sich.

Über eine Stunde verstrich, bis der AtemOrbanaschols wieder ruhig und gleichmäßigging. Lebo Axton schob sich vorsichtig ausseinem Versteck heraus. Er gab GentlemanKelly einen Wink, und der Roboter stieglautlos auf, glitt zu ihm herüber und bot ihmden Rücken, so daß er in die Haltebügel stei-gen konnte. Aus einer Höhe von fast zweiMetern konnte Axton dem Imperator direktins Gesicht sehen.

Für einen kurzen Moment schien es so,als habe Orbanaschol die Augen offen, dochdann merkte der Terraner, daß er sich geirrthatte.

Der Roboter trug ihn bis hinter den Vor-hang. Er war kaum mit seiner Last dahinterverschwunden, als der Arkonide wieder un-ruhig wurde und sich auf dem Bett hin undher wälzte. Wiederum wartete der Kosmo-kriminalist fast eine Stunde bewegungslosab, dann öffnete er das Schott und drangdurch den Gang bis zum Vorraum vor. Hiersondierte er die Situation wieder, bevor erauf den Gang zurückkehrte, auf dem derKampfroboter stand. Die Maschine nahmnoch immer die gleiche Position ein wievorher. Nichts war verändert. Durch eineTür hörte Axton den Lärm, den eine ver-

gnügte Runde von offenbar nicht ganz nüch-ternen Arkoniden veranstaltete. Er flog aufdem Rücken Kellys daran vorbei.

Erst als er den nach unten führendenSchacht erreicht hatte, atmete er auf. SeineHände begannen zu zittern, und die Beinedrohten unter ihm nachzugeben.

»Schnell«, befahl er mit matter Stimme.»Zurück in die Wohnung.«

Gentleman Kelly gehorchte wortlos. Erließ sich in die Tiefe stürzen, schwebte laut-los durch die Tiefgarage und flüchtete end-lich durch den Luftschacht nach draußen.Axton verschloß das Türmchen wieder, sodaß kaum Spuren zurückblieben. Dann gaber Kelly den erneuten Befehl, ihn in seineWohnung zu tragen. Axton war dem totalenZusammenbruch nahe, als sich das Türschottseiner Wohnung hinter ihm schloß. Errutschte vom Rücken Kellys herunter undschleppte sich zu seinem Bett. Er schworsich, niemals wieder ein Unternehmen unterso schlechten Bedingungen zu beginnen.

*

Mehrere Anzeichen, wie sie für einenSpezialisten wie Axton-Kennon unüberseh-bar waren, verrieten diesem am nächstenTag, daß im Kristallpalast Untersuchungs-alarm gegeben worden war. Das bewies ihm,daß die Sicherheitsoffiziere den beschädig-ten Kampfroboter auseinandergenommenund danach die richtigen Schlüsse gezogenhatten. Man wußte also, daß ein Unbefugterim Wohnbereich des Imperators gewesenwar.

Axton machte sich keine Sorgen. Er warfest davon überzeugt, daß ihm niemand aufdie Spur kommen würde, und so vertiefte ersich in seine Arbeit. Nach dem Mittagessentrat er eine dienstliche Reise nach Arkon IIan, um dort einige Besuche zu erledigen, dieer ohne weiteres auch einem anderen hätteübertragen können. Ihm kam es jedoch dar-auf an, im Rahmen seiner Arbeiten für dasSicherheitsministerium eine private Angele-genheit zu regeln.

Eine Botschaft für Arkon 19

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Axton hatte vor einigen Tagen den zumTode verurteilten Myro Havvaneyn aus demangeblich sichersten Gefängnis des Imperi-ums befreit. Dabei war der Arkonide ErvoltFar zufällig Zeuge geworden. Er hatte ver-sucht, Axton zu erpressen, war dabei abergescheitert. Sein Beweismaterial hatte er an-geblich bei einem Verbindungsmann zu derverbrecherischen Organisation SENTENZAhinterlegt. Der Terraner glaubte jedoch zuwissen, wo er es finden konnte.

Er suchte eine Fabrik auf, in der Energie-feldprojektoren hergestellt wurden. Hier hat-te er vor der Befreiungsaktion einen Ein-bruch begangen und war dabei von ErvoltFar und dem Besitzer des Unternehmensüberrascht worden. Bei einem kurzen Ge-spräch mit diesem präsentierte Axton seinenGeheimdienstausweis. Das genügte. Wenigspäter lagen die belastenden Fotos mit denNegativen vor ihm auf dem Tisch. Der Ter-raner hatte es nicht anders erwartet.

»Es ist besser, wenn Sie die ganze Ange-legenheit vergessen«, riet er dem einge-schüchterten Produzenten. »Wenn Sie esnicht tun, werden Sie sich nur Ärger einhan-deln.«

»Sie können sich auf mich verlassen«, be-teuerte der Arkonide.

Axton verabschiedete sich. Er flog in ei-nem Taxigleiter zu einer kleinen Fabrik fürpositronische Spezialitäten. Aus seinen Un-terlagen wußte er, daß sie Teile von geringe-rer Bedeutung für den auf Arkon III entste-henden Riesenroboter lieferte. Er glaubte,aus seinen Unterlagen einen Vorwand füreinen Besuch ableiten zu können.

Die Fabrik lag weit im Süden des Plane-ten inmitten einer Seenplatte. Axton meldetesich über Video an, als er sie fast erreichthatte, und landete dann auf einem Parkdacheines etwa zweihundert Meter hohen Gebäu-des. Im gleichen Moment hob von einemtiefer gelegenen Dach ein anderer Gleiter ab.Axton beachtete ihn zunächst nicht, dochdann sah er, daß die Maschine seitlich ab-kippte, kaum daß sie das Dach verlassen hat-te.

Bevor er Kelly noch den Befehl gebenkonnte, zu dem Gleiter zu fliegen und dieInsassin zu retten, zerbrach die Flugkabinein zwei Teile. Eine Arkonidin stürzte ausden Trümmern hervor, überschlug sichmehrfach und prallte in einen Steingarten.

»Schnell. Hin zu ihr«, rief der Terraner.»Da ist nichts mehr zu retten«, entgegnete

der Roboter. »Sie ist tot.«»Keine Diskussion«, schrie der Kosmo-

kriminalist mit schriller Stimme. »Tempo!«Gentleman Kelly war bereits unterwegs.

Er rannte bis zur Dachkante und sprang indie Tiefe. Er ließ sich bis dicht über den Bo-den fallen und fing sich dann erst mit Hilfedes Antigravtriebwerkes ab. Mit weitenSprüngen raste er zu der Toten hinüber. Ax-ton sprang von seinem Rücken herab undkniete sich neben ihr nieder. Sekunden spä-ter öffneten sich mehrere Türen am Gebäu-de, und zahlreiche Männer und Frauen eiltenherbei.

Lebo Axton erhob sich und trat zögerndzurück. Die Arkonidin war tot: Es war nichtanders zu erwarten gewesen, und er hatte esschon vorher gewußt. Er hatte sich aus ei-nem ganz anderen Grunde beeilt. Gelassensah er zu, wie die Männer und Frauen sichum die Tote bemühten, sie aufnahmen undins Haus trugen. Vier Arkoniden untersuch-ten die Trümmer der Maschine. Einer vonIhnen, ein dunkelhaariger, untersetzter Mannmit auffallend kleiner Nase kam zu ihm.

»Sie haben alles beobachtet?«, forschteer.

»Von da oben aus«, antwortete Axton undzeigte zum Parkdach hinauf. »Der Gleiterkippte ab und zerbrach wenig später. Ob äu-ßerlich etwas auf die Maschine einwirkte,konnte ich nicht erkennen.«

»Es ist eindeutig ein technisches Versa-gen«, erwiderte der Arkonide. »Ein Säurebe-hälter ist zersprungen, und die Säure hateinen Generator angefressen. Dieser ist ex-plodiert und hat die Maschine zerrissen. Sosieht es jedenfalls aus. Wir werden noch ge-nauer überprüfen, ob jemand diese techni-sche Panne absichtlich herbeigeführt hat.«

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Er blickte Axton argwöhnisch an.»Wer sind Sie?« fragte er.»Ich nehme an, Sie gehören zu den Si-

cherheitsorganen dieser Fabrik?«»So ist es.« Der Arkonide zeigte seine

Ausweiskarte.Lebo Axton wies ihm seine vor und er-

stickte damit alle weiteren Fragen nach sei-ner Person.

»Ich muß Ihren Vorgesetzten sprechen«,erklärte er. »Sofort.«

»Haben Sie doch etwas beobachtet?«»Erreiche ich ihn hier in der Fabrik, oder

wohin muß ich mich wenden?« Axton lä-chelte kalt. Er dachte nicht daran, auch nureine einzige Frage mehr zu beantworten, alser wollte.

»Ich führe Sie zu ihm«, sagte der Arkoni-de.

Lebo Axton kletterte auf den RückenGentleman Kellys. Der Zufall hatte ihmeinen Trumpf in die Hand gespielt. Jetztmußte sich zeigen, ob er stach und ihm zueiner reellen Chance verhelfen konnte.

4.

Seiko Preifan, der oberste Sicherheitsbe-amte der Fabrik, war ein mißtrauischer undpedantischer Mann. Er wollte alles wissen,was ihm in dieser Sache wichtig erschien,und er stellte eine Reihe von Fragen, bevorer zu dem kam, was Axton interessierte.Dieser war froh, daß er seinen Abstechernach Arkon II sorgfältig vorbereitet und mo-tiviert, so daß er nun einer genauen Überprü-fung standhielt. Seiko Preifan schickte sogareine Videoanfrage nach Arkon I. Darin ließer sich die zur Verfügung stehenden DatenAxtons durchgeben. Er erhielt, was er habenwollte, mußte jedoch gleichzeitig eine Rügefür seinen Übereifer einstecken. Diese er-wies sich als außerordentlich wichtig fürAxton, denn sie wertete ihn in den AugenPreifans noch mehr auf als es die Auskunftschon tat. Sie zeigte dem Arkoniden deutlichan, daß er es mit einer einflußreichen Per-sönlichkeit zu tun hatte.

»Wir hätten uns viel Arbeit ersparen kön-nen«, sagte der Verwachsene.

»Verstehen Sie meine Lage«, bat der Ar-konide. »Ich trage die Verantwortung dafür,daß es in meinem Bereich zu keiner Pannekommt. Ich muß scharf kontrollieren, wennich keinen Schiffbruch erleiden soll.«

»Ich gebe Ihnen recht«, erwiderte Axtonernst. »Das ist der Grund dafür, daß ich Siesprechen wollte. Sie können von Glück re-den, daß die Frau abgestürzt ist.«

»Wie meinen Sie das?«»Nun, ich war zufällig als erster bei der

Toten. Ich fand etwas bei ihr. Sie hielt eineFolie in der Hand. Sie war mehrfach gefal-tet. Deshalb nahm ich sie an mich. Das warein Fehler.«

»Ein Fehler?« fragte der Arkonide.»Warum?«

»Die Folie löste sich auf, als ich sie ent-faltete. Ich konnte jedoch noch lesen, wasdarauf stand, bevor sie zu Staub zerfiel.«

»Erzählen Sie.«»Es waren einige flüchtig hingeschriebene

Notizen, aus denen einwandfrei hervorging,daß bei der bevorstehenden Wahl Störaktio-nen direkt am Riesenrobot geplant sind. Da-nach müssen wir also mit einer Manipulati-on an einem positronischen Bauteil rech-nen.«

Seiko Preifan lehnte sich selbstsicher lä-chelnd in seinem Sessel zurück. Damit rea-gierte er genauso, wie Lebo Axton gehoffthatte. Er wollte ihm, dem wichtigen Ge-heimdienstmann, zeigen, daß auch er einwichtiger Mann war.

Er kam gar nicht erst auf den Gedanken,daß Axton ihm die Unwahrheit gesagt habenkönnte. Er zweifelte nicht im mindesten dar-an, daß sein Besucher die Folie mit derNachricht wirklich gefunden hatte.

»Sehen Sie«, sagte er. »Solche Dinge,werden vor so bedeutsamen Ereignissen im-mer wieder behauptet. Doch so ein Plan wä-re nicht zu realisieren. Die positronischenBausätze für die Abstimmung werden in ei-nem Forschungsinstitut hergestellt und vondort aus direkt nach Arkon III gebracht. Es

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ist das Institut Stoquaed. Sie werden es ken-nen, und sicherlich wissen Sie auch, daß esnichts im arkonidischen Imperium gibt, wasbesser bewacht wird. Nicht einmal der Im-perator selbst soll sich so extrem absichernlassen.«

»Wahrscheinlich haben Sie recht«, erwi-derte Axton. »Ich war darüber nicht infor-miert. Jetzt bin ich beruhigt. Dennoch emp-fehle ich Ihnen, sich mit der Toten zu befas-sen. Sie kennen die örtlichen Verhältnissebesser als ich. Vielleicht finden Sie doch et-was heraus.«

Axton rutschte aus seinem Sessel undkletterte auf den Rücken seines Roboters. Erwar mit sich und seinem Erfolg zufrieden.

Selbstverständlich würde Orbanascholwütend um sich schlagen, wenn bei derWahl eine Panne auftrat. Er würde sofortnach dem Schuldigen suchen und diesen be-strafen. Daher war wichtig, sich schon jetztso abzusichern, daß der Imperator keinenVerdacht schöpfen konnte.

Axton flog direkt zum Raumhafen undstartete dort wenig später zum Rückflugnach Arkon I. Er meldete sich bei AvraelArrkonta, als dieser gerade frühstückte. DerArkonide ließ sofort für Axton decken undlud ihn ein, mit ihm zu essen.

»Ich darf wohl von der Voraussetzungausgehen, daß es nicht die reine Freund-schaft ist, die Sie zu mir führt, Lebo«, sagteer, als er mit diesem allein war.

»Sie haben recht«, erwiderte der Ver-wachsene. »Ich war auf Arkon II und habeeinige Neuigkeiten. Unter anderem habe icherfahren, daß die entscheidenden positroni-schen Bauteile für die Wahl hier auf Arkon Iim Forschungsinstitut Stoquaed hergestelltwerden.«

»Stoquaed?« fragte Arrkonta. »Das Insti-tut kenne ich.«

»Das hatte ich gehofft.«»Es wird von seinem Besitzer Skaranore

Schankkou geleitet. Diesem müßten Sie ei-gentlich schon begegnet sein.«

»Oh ja. Das bin ich«, antwortete Axton.Seine Stimme klang vor Erregung belegt.

»Skaranore Schankkou. Wer hätte das ge-dacht. Schankkou war bei Orbanaschol, alsich diesem um Gnade für Laudan Borakinbat. Er gehörte zu denen, die am lautestengelacht haben. Sie wissen also, wer das ist.«

»Selbstverständlich. Ich habe schon mehr-fach geschäftlich mit ihm zu tun gehabt. Erist ein reicher Mann und ein absolut zuver-lässiger Freund Orbanaschols. Er ist mitdem blinden Sofgart verwandt.«

»Das wußte ich bereits. Schankkou sollauch durch seinen Eifer bei der Jagd auf At-lan aufgefallen sein. Ich werde mir seineAkte ansehen.«

Avrael Arrkonta blickte Axton forschendan.

»Sie haben also Ihren Plan, in die Wahleinzugreifen, nicht aufgegeben. Sie wollendie Positronik verändern und glauben, beiSkaranore Schankkou ansetzen zu können.«

»So ist es.«»Schankkou hat zwei ganz große Schwä-

chen: Frauen und Traumpilze«, erklärte derArkonide. »Sein Interesse für Frauen bringtihn oft in Konflikt mit den Männern. Wieich gehört habe, soll man ihn schon häufigdavor gewarnt haben, Traumpilze in sogroßen Mengen zu verzehren.«

»Ich habe noch nie Traumpilze geges-sen«, sagte Axton. »Wie ist die Wirkung?Können Sie mir das sagen?«

»Wer Traumpilze ißt, gerät in eine ArtTraumwelt, in der die geheimsten Wünscheerfüllt werden. Im allgemeinen bedeutetedas, daß sich schöne Träume einstellen. Ge-heime Wünsche sind aber oft auch im Unter-bewußtsein verborgen. Wenn sie nach obenkommen, dann kann es unangenehme Über-raschungen geben. Das ist der Grund dafür,daß Traumpilze normalerweise nur seltengegessen werden. Skaranore Schankkouaber legt sich keinerlei Hemmungen an.«

»Warum wird das Gift in dieser Form zusich genommen?« fragte Axton. »Ich meine,warum ißt man die Pilze? Wäre es nicht ein-facher, Pillen zu schlucken?«

»Das ist verpönt«, erläuterte der Industri-elle. »Traumpilze haben einen ganz vorzüg-

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lichen Geschmack. Wer sie verspeist, be-hauptet selbstverständlich, es gehe ihm aus-schließlich um Gaumenfreuden, nicht aberum die toxische Wirkung. Es gibt das Giftauch in Pulverform, aber niemand würde esje öffentlich zu sich nehmen.«

»Ich verstehe. Avrael, bitte, beschaffenSie mir das Pulver über einen Mittelsmann.Sorgen Sie dafür, daß die Spur verwischtwird.«

»Sie wollen Schankkou das Gift also un-terschieben?«

»So etwas Ähnliches habe ich vor.«»Lebo, das Institut Stoquaed ist absolut

einbruchsicher. Sie können nicht eindringen,dort einige Stunden arbeiten und wieder ver-schwinden.«

»Das Tekayl-Gefängnis galt auch als ab-solut sicher. Dennoch haben wir Myro Hav-vaneyn daraus hervorgeholt.«

»Ich war vor einigen Tagen aus geschäft-lichen Gründen im Institut. Es wimmelt dortnur so von Robotern verschiedener Art. Dergesamte Komplex wird in einer Weise abge-riegelt, wie ich sie noch nicht erlebt habe.«

»Ich werde mir die Unterlagen genau an-sehen.«

»Ich habe bei meinem Besuch wenigstenssieben schwere Kampfroboter gesehen«,sagte Avrael Arrkonta in beschwörendemTon. »Sobald der Arbeitstag im Institut ab-gelaufen ist, verwandelt Stoquaed sich in ei-ne Festung.«

»Bis heute habe ich noch keine Anlage er-lebt, die wirklich sicher war. Irgendwo gibtes immer eine Lücke. Davon bin ich über-zeugt. Und deshalb werde ich die Sicher-heitseinrichtungen genau prüfen, bevor ichdie Flinte ins Korn werfe. Sie kennen michdoch, Avrael. Es hat überhaupt keinen Sinn,mir so ein Unternehmen jetzt schon ausre-den zu wollen.«

Arrkonta nickte seufzend.»Da haben Sie allerdings recht. Ich frage

mich auch, weshalb ich mir eigentlich dieMühe mache, Sie zu warnen.«

»Niemand braucht mich zu warnen«, sag-te Axton. »Ich habe einen Fehler gemacht,

und das genügt. Er hat mir die Augen geöff-net und wird dafür sorgen, daß ich nichtsmehr ohne peinlich genaue Vorbereitung be-ginnen werde.«

»Wovon sprechen Sie?« Axton berichtetevon seinem Einbruch in die Gemächer Orba-naschols. Er verschwieg allerdings den Zu-sammenprall mit dem Kampfroboter, beidem er das blaue Band eingesetzt hatte.

»Es ist ein Wunder, daß Sie noch leben«,sagte der Arkonide, als Axton geendet hatte.

»Ich fliege jetzt ins Ministerium. Ichmöchte mich so schnell wie möglich überSchankkou und sein Forschungsinstitutinfor-mieren.«

»Kommen Sie später noch einmal zu mir?Ich würde gern wissen, was Sie herausge-funden haben.«

»Selbstverständlich«, erwiderte Axton.Er kam sieben Stunden später erneut in

die Wohnung des Arkoniden. Avrael Arr-konta brach eine geschäftliche Besprechungab, als er davon erfuhr, und eilte sofort zuseinem Besucher. Eine seiner beiden Frauenhatte Axton mittlerweile in einen kleinenRaum geführt und ihm ein Abendessen vor-gesetzt.

»Nun?« fragte der Arkonide interessiert.»Was haben Ihre Nachforschungen erge-ben?«

»Wenig Erfreuliches«, antwortete derKosmokriminalist. »Doch betrachten wirerst das, was positiv ist. Ihnen ist natürlichauch klar, daß Orbanaschol wie ein Wahn-sinniger toben wird, wenn er bei der Abstim-mung eine Pleite erlebt. Er wird den Schul-digen dafür suchen und ohne Federlesen ver-nichten. Der Schuldige wird, wenn sichmein Plan überhaupt realisieren läßt,Schankkou sein.«

»Bei allen Göttern«, entgegnete Arrkonta.»Sie haben Schankkou praktisch zum Todeverurteilt.«

»Es gibt keine andere Möglichkeit«, er-läuterte der Terraner. »Wenn Orbanascholuns nicht treffen soll, dann muß sich allesauf Schankkou konzentrieren. Er ist übri-gens kein Mann, bei dem wir uns Hemmun-

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gen auferlegen müssen. Er ist eine brutale,habgierige und mordlüsterne Kreatur desImperators. Orbanaschol hat ihm verschie-dene Posten zugeschoben, bei denen er dieMöglichkeit hat, sich bestechen zu lassen.Das hat Skaranore Schankkou weidlich aus-genutzt. Aus den Unterlagen im Archivkonnte ich ersehen, daß er zahlreiche Exi-stenzen ruiniert hat, nur um sein Vermögenzu vermehren. Er ist die treibende Kraft ge-wesen, die Orbanaschol dazu veranlaßt hat,Laudan zu verurteilen. Dafür hat er sicheinen erheblichen Prozentsatz des konfis-zierten Vermögens überschreiben lassen.«

»Was haben Sie vor?«»Ich werde Schankkou zunächst einmal

mit Hilfe der Traumpilze kräftig verunsi-chern. Dann werde ich mich auf das For-schungsinstitut konzentrieren.« Axton blick-te den Freund ernst an. »Ich habe alle Pläneeingesehen, die es davon gibt. Und ich mußgestehen, daß mir tatsächlich noch nichts be-gegnet ist, was mit so einfachen aber unge-mein wirksamen Mitteln abgesichert wordenist.«

»Ich habe es Ihnen doch gesagt.«»Es gibt eine einzige Möglichkeit, unbe-

merkt in das Institut zu kommen.«»Tatsächlich?« Arrkonta lächelte zwei-

felnd.»Im Keller des Gebäudes steht ein Trans-

mitter«, erklärte Axton. »Wenn es gelingt,ihn einzuschalten, dann können wir mit Hil-fe dieses Geräts ins Haus kommen, ohne daßdie Wachmannschaften etwas bemerken.«

»Der Transmitter ist bestimmt nicht soleicht zu aktivieren, wie Sie sich das vorstel-len.«

Axton ging über diese Worte hinweg, alshabe er sie nicht gehört.

»Der Transmitter wird nach Dienstschlußin doppelter Weise gesichert«, führte er aus.»Schankkou muß einen Haupthebel umle-gen, so daß das Gerät nicht eingeschaltetwerden kann, weder über Funk noch sonstauf irgendeine Weise. Damit aber nicht ge-nug. Schankkou nimmt zusätzlich noch einfaustgroßes, positronisches Schaltteil heraus

und verschließt es in einen Schrank. Da-durch wird der Transmitter absolut funkti-onsuntüchtig. Er würde selbst dann nicht ar-beiten, wenn jemand den Haupthebel betä-tigte.«

»Und angesichts dieser Tatsachen spre-chen Sie von einer Möglichkeit, mit Hilfedes Transmitters ins Haus zu kommen?«fragte der Arkonide kopfschüttelnd.

»Ich habe eine gewisse Idee, und ich glau-be, daß sie sich realisieren läßt«, erwiderteAxton zögernd.

»Das ist mir zu hoch.«Der Terraner lächelte. Mit wenigen Wor-

ten umriß er seinen Plan. Avrael Arrkontahörte gebannt zu. Er sprang schließlich aufund öffnete einen Schrank. Dahinter lag dieProgrammtafel eines Positronenrechners. Ertippte eine Zahl von Formeln und Begriffenein, von denen Axton so gut wie nichts ver-stand. Schließlich wandte er sich seinem Be-sucher wieder zu.

Er schüttelte den Kopf und strich sich mitder Hand über die Lippen.

»Man könnte Angst vor Ihnen haben«,sagte er bewundernd. »Wenn ich Orbana-schol III. wäre, hätte ich Angst.«

*

Am nächsten Tag meldete sich Arrkontaüber Video bei Axton.

»Es hat geklappt«, sagte er ohne weitereVorrede. »Kirko Attrak hat Ihnen eine Ein-ladung zu einem Essen besorgt, an dem auchSkaranore Schankkou teilnehmen wird.«

»Mit einem so schnellen Erfolg habe ichnicht gerechnet«, erwiderte Axton erfreut.»Wo ist es?«

»Ich werde Sie abholen«, erklärte der Ar-konide, »denn ich bin jetzt auch gebetenworden, zu diesem Essen zu erscheinen. DerGastgeber ist Enteko Abbrass. Er ist Wis-senschaftler.«

Als es dämmerte, erschien Arrkonta beiAxton. Dieser stieg zusammen mit Gentle-man Kelly in seinen Gleiter und flog mitihm zu einem im hohen Norden Arkons lie-

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genden Trichterbau.»Abbrass ist der Eigentümer dieses Hau-

ses«, sagte Arrkonta, als sie dicht unterhalbder Dachterrasse in einer Parknische lande-ten. »Er bewohnt das oberste Geschoß. Al-les, was darunter liegt, beherbergt Laborato-rien und Fabrikationsstätten.«

»Unser Gastgeber ist also ein wohlhaben-der Mann.«

»Das kann man wohl sagen.«Avrael Arrkonta führte Axton, der auf den

Rücken Kellys stieg, zur Dachterrasse hin-auf. Die meisten Gäste waren schon da. Siestanden in kleinen Gruppen zusammen undplauderten angeregt miteinander. Aus einerpositronischen Klanganlage ertönte ein-schmeichelnde Musik. In den Bäumen undBüschen glommen farbige Kugeln, die einseltsam weiches Licht verbreiteten.

»Das ist Enteko Abbrass«, sagte Arrkon-ta, als ihnen ein hagerer, sportlich wirkenderMann entgegenkam. Er hatte schulterlanges,weißes Haar und ein offenes Gesicht, das In-telligenz und Disziplin erkennen ließ. Axtonwar dieser Mensch auf Anhieb sympathisch.

Abbrass blickte den Verwachsenen inter-essiert an.

»Ich habe schon viel von Ihnen gehört,und ich freue mich besonders, daß ich heutedie Gelegenheit habe, ein paar Worte mit Ih-nen zu wechseln. Werden Sie später Zeit fürmich haben?«

»Selbstverständlich«, erwiderte Axton.Abbrass führte Axton und Arrkonta zu ei-

ner Gruppe von Offizieren. Arrkonta kanntesie, und so entwickelte sich rasch ein lebhaf-tes Gespräch, während der Gastgeber sichneuen Gästen zuwandte. Bis zum Essen ver-ging noch fast eine Stunde. In dieser Zeitunterhielt sich Axton noch mit einer Reiheweiterer Arkoniden, wich aber SkaranoreSchankkou stets aus. Er beobachtete ihn vonder ersten Minute seiner Abwesenheit ge-nau. Schankkou machte einen selbstsicherenEindruck. Er sah viel besser aus als noch voreinigen Tagen, als er vom Alkohol und vomGenuß der Traumpilze gezeichnet war.Während er das Gespräch mit schönen Frau-

en suchte und dabei sichtlich Erfolg hatte,ließ er sich ständig mit Getränken versorgen.Als die Tische für das Essen vorbereitetwurden, zeigte sich bei ihm bereits die Wir-kung der Genußgifte. Sein Gesicht war nichtmehr so straff und glatt, seine Augen er-schienen leer, doch die Frauen, mit denen ersprach, ignorierten das. Sie fühlten sich kei-neswegs abgestoßen, sondern zeigten sichgeschmeichelt über sein Interesse, und dieFrauen, denen er sich nicht näherte, suchtendas Gespräch mit ihm. Axton verfolgte belu-stigt, daß eine Arkonidin von ihrem eifer-süchtigen Mann von Schankkou förmlichweggezerrt wurde.

Avrael Arrkonta, der für einige Zeit mitanderen Arkoniden gesprochen hatte, kehrtezu Axton zurück.

»Unser Freund Abbrass sieht Schankkouhier durchaus nicht gern«, sagte er leise. »Erwar mehr oder weniger gezwungen, ihn ein-zuladen. Sehen Sie die schwarzhaarige Frauneben ihm? Es ist eine der beiden Frauenunseres Gastgebers. Seine Favoritin, wie erselbst sagt. Und ausgerechnet die möchteSchankkou für sich gewinnen. Sehen Sienur, wie Schankkou mit ihr redet.«

Skaranore Schankkou setzte sich über alleRegeln gesellschaftlichen Anstands hinweg.Er flirtete in einer Weise mit der Frau desGastgebers, die selbst ein großzügiger Ehe-mann nur als beleidigend ansehen konnte.

»Wir müssen etwas näher an die beidenheran«, bemerkte Axton mit gedämpfterStimme. Er warf Arrkonta einen bedeu-tungsvollen Blick zu. Gentleman Kelly trugihn langsam und unauffällig weiter, bis ersich in einer Position befand, aus der herauser gute fotografische Aufnahmen machenkonnte. Wenig später schon bat Abbrass zuTisch.

Axton und Arrkonta nahmen an einemTisch in der Nähe von Schankkou Platz.Dieser schien es als selbstverständlich anzu-sehen, daß sich vier Frauen zu ihm setzten.Er scherzte und lachte laut mit ihnen undkümmerte sich nicht um die bösen Blicke,die er für sein Verhalten erntete.

Eine Botschaft für Arkon 25

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Mit wenigen Bemerkungen dirigierte Ax-ton seinen Roboter in die Nähe Schankkous.Als das Essen aufgetragen wurde, trat Kellynoch etwas dichter an den Tisch heran, sodaß er kaum noch zwei Meter hinterSchankkou stand. Axton wartete, bis dieVorspeise gereicht worden war, und derWissenschaftler zu essen begann. Er gabGentleman Kelly ein Zeichen. Am Ovalkör-per glitt ein winziges Schott zu Seite, undaus einer Öffnung schossen zwei Gelantine-Pfeile. Sie bohrten sich in die Fischbällchen,die auf dem Teller Schankkous lagen. DerArkonide bemerkte nichts.

Arrkonta blickte so auffällig zu ihm hin-über, daß Axton ihm die Hand auf den Armlegte und ermahnte. Er saß mit ihm an einemTisch, der durch Büsche gegen andere abge-schirmt war.

»Kann er es nicht schmecken?« fragteArrkonta besorgt.

»Nein. Ich habe dem Pulver eine Substanzhinzugefügt, die den Eigengeschmack desGiftes aufhebt. Sehen Sie. Er ist ein braverJunge. Er vertilgt alles, was ihm vorgesetztworden ist.«

Gentleman Kelly zog sich langsam undunauffällig von Schankkou zurück.

Der Kosmokriminalist beobachteteSchankkou. Etwa eine halbe Stunde ver-strich. Die weiteren Gänge wurden gereicht.Dabei waren Spezialitäten, die Axton in Be-geisterung versetzten. Schankkou aber schi-en dafür nicht den rechten Sinn zu haben. Erverlor auch das Interesse an den Frauen, undschließlich erhob er sich und entschuldigtesich. Dann eilte er mit unsicheren Schrittendavon, wobei er sich bemühte, den anderenGästen auszuweichen.

»Das Zeug wirkt«, sagte Axton befriedigt.»Schankkou möchte nicht hier im Garteneinschlafen und in Träume verfallen. Erzieht sich in seine Wohnung zurück.«

»Dann müssen Sie auch bald gehen«, er-widerte Arrkonta.

»Das läßt sich nicht vermeiden.« Axtonlächelte. »Da wir ohnehin gleich bei derNachspeise sein werden, kann ich mich si-

cherlich zurückziehen, ohne unhöflich zu er-scheinen.«

»Ich werde Abbrass erklären, daß Sie ingeheimer Mission abberufen worden sind.«

»In Ordnung«, entgegnete der Verwach-sene.

Er blieb noch einige Minuten, dann zog ersich unauffällig zurück. Gentleman Kellyfolgte ihm.

»Alles fertig?« fragte der Terraner, als derRoboter zu ihm in den Gleiter stieg.

»Es ist alles vorbereitet«, erwiderte Kelly.»Dann wollen wir Schankkou nicht länger

warten lassen.«Kelly übernahm das Steuer des Gleiters.

Mit hoher Geschwindigkeit raste die Ma-schine in die Nacht hinaus. Axton mußte anLaudan Borakin denken, an die Frau, die ihngeliebt hatte. Es schmerzte ihn, daß sie sichihm nicht anvertraut, sondern auf eigeneFaust gegen Orbanaschol gearbeitet hatte.Wenn er gewußt hätte, was sie getan hatte,dann wäre es leicht für ihn gewesen, sie zuretten. Jetzt war es aber soweit. Die Männer,die Laudan hatten ermorden lassen, solltenfür ihre Tat büßen. Axton stand am Anfangseines Rachefeldzugs, den er mit gnadenlo-ser Härte führen wollte.

Kelly landete auf dem Parkdach einesTrichterhauses, das nur wenige Kilometervom Hügel der Weisen entfernt war. Axtonsah den Gleiter Schankkous. Er war leicht zuerkennen, da er eine Art Wappen auf derFronthaube trug. Der Verwachsene stieg aufden Rücken Kellys und ließ sich an die Ma-schine des Arkoniden herantragen. Erleich-tert stellte er fest, daß Schankkou nicht inden Polstern der Sessel lag und schlief. Of-fenbar hatte er es also geschafft, seine Woh-nung zu erreichen.

»Ist eine Kamerasicherung an der Tür?«fragte er leise.

»Da ist eine Kamera«, antwortete Kelly.»Dann weißt du, was du zu tun hast.«Während der Roboter sich dem Eingang

des Hauses näherte, schickte er einen scharf-gebündelten Lichtstrahl aus. Dieser war ge-nau auf das Objektiv der Kamera gerichtet,

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so daß keine verwertbaren Aufnahmen ent-standen. Das Schloß des Türschotts wider-stand den Bemühungen Kellys nur einigeSekunden lang.

Der Antigravprojektor des AG-Schachteskonnte nur mit einem Spezialschlüssel ein-geschaltet werden. Doch das störte Axtonnicht, da Kelly selbst mit einem Fluggerätausgestattet war. Und auch die Tür zur Woh-nung Schankkous konnte den Terraner nichtaufhalten.

Der Günstling des Imperators lag auf demFußboden in seinem Wohnsalon und schlief.Er hatte Arme und Beine von sich gestrecktund atmete keuchend durch den weit geöff-neten Mund.

Der Terraner stieg vom Rücken Kellysherunter, löste einige Geräte von den Beinendes Roboters und baute sie rund um Schank-kou herum auf. Währenddessen durchsuchteKelly die anderen Räume der Wohnung, diesich über eine Fläche von etwa sechshundertQuadratmetern erstreckte und durch ihreEinrichtung den Reichtum ihres Eigentü-mers verriet. Als er zurückkehrte und Axtonmitteilte, daß sich sonst niemand in derWohnung aufhielt, hatte der Terraner seineVorbereitungen abgeschlossen. Er schickteKelly aus dem Raum und zog sich selbst bisan die Tür zur Hygienekabine zurück. Nunschaltete er seine Apparaturen ein. Sie schie-nen zu verschwinden. An ihre Stelle trat eineabsolut dreidimensional wirkende, farbigeProjektion. Eine spärlich bekleidete Frauen-leiche schien auf dem Teppich zu liegen. Siewar mit Blut besudelt, und in ihrer Bruststeckte ein Messer.

»Verblüffend echt«, sagte Axton mit ei-nem boshaften Lächeln. »Du solltest michloben, Kelly. Es sieht wirklich so aus, als obdie Lieblingsfrau unseres freundlichen Gast-gebers Enteko Abbrass da vor uns liege.«

»Ich habe keine Mühe, die Täuschung zudurchschauen«, antwortete der Roboter.

»Schankkou wird darauf hereinfallen. Dasgarantiere ich dir.« Axton ging in die Hygie-nekabine und kam mit einem Becher Wasserzurück. Er schüttete dem Schlafenden das

Wasser direkt ins Gesicht und zog sich eiligzurück.

Skaranore Schankkou fuhr ächzend auf,blieb jedoch auf dem Boden sitzen undblickte verstört um sich, wobei es ihm nichtgelang, die Augen ganz zu öffnen. Er be-merkte die Projektion und reagierte, wie Ax-ton erwartet hatte. Er schrie erstickt auf, ver-suchte aufzustehen, sackte aber wieder indie Knie und rutschte etwa einen Meter vonseinem vermeintlichen Opfer weg. Sein Ge-sicht verzerrte sich vor Entsetzen. Er drehtesich einmal um sich selbst, um sich davonzu überzeugen, daß sonst niemand im Raumwar. Dann wandte er sich der Projektionwieder zu und streckte die Hand aus. Er hieltsie etwa eine halbe Minute lang hoch, dannfiel ihm der Arm herunter. Seine Kräfte wa-ren verbraucht. Schankkou kippte langsamnach vorn. Er stürzte auf das Gesicht, stöhn-te, drehte sich zur Seite und schlief weiter.

Axton wartete eine halbe Stunde, dochSkaranore Schankkou wachte nicht wiederauf. Das Gift des Traumpilzes war stärkerals sein Schrecken.

Axton baute die Projektoren nun wiederab, und heftete sie Kelly mit Magneten andie Beine. Dann verschüttete er etwa einenLiter Blut auf den Teppich. Ein in der Ge-sundheitsorganisation tätiges Mitglied derOrganisation Gonozal VII. hatte es besorgt.Er wälzte einen Dolch, der zusammen mitanderen Waffen an der Wand hing, in demBlut hin und her, drückte Schankkou denGriff in die Hand, so daß sich seine Finger-abdrücke darauf abzeichneten, und be-schmierte schließlich Hände und die Hosedes Schlafenden mit Blut. Dann beseitigte eralle Spuren, die er selbst hinterlassen hatte,und verließ zusammen mit Kelly die Woh-nung.

Wiederum überwand Kelly alle Siche-rungs- und Überwachungssysteme des Hau-ses und trug Axton zum Gleiter zurück. DieMaschine startete und verschwand in derNacht.

5.

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Page 28: Eine Botschaft von Arkon

Skaranore Schankkou fühlte sich frei undentspannt, als er erwachte. Doch das dauertenicht lange. Plötzlich erinnerte er sich daran,in der Nacht eine Frauenleiche gesehen zuhaben. Er lag auf dem Teppich in seinerWohnung. Das überraschte ihn nicht, denndas war ihm schon öfter passiert, wenn erTraumpilze genossen hatte.

Langsam wälzte er sich auf die andereSeite herum. Dabei geriet seine rechte Handin sein Blickfeld. Er erstarrte, als er sah, daßsie blutverkrustet war. Dann richtete er sichruckartig auf. Fassungslos betrachtete er dieBlutflecken auf dem Teppich und denDolch. Unwillkürlich nahm er die Waffe indie Hand.

Er erinnerte sich daran, daß eine Frauen-leiche auf dem Teppich gelegen hatte.

»Seylke Abbrass«, sagte er mit tonloserStimme. »Es war Seylke.«

Er stand auf und eilte zur Hygienekabine,doch dort war die Leiche nicht. Mit wach-sender Unruhe durchsuchte er die anderenRäume der Wohnung. Er zweifelte nichtdaran, daß er die Arkonidin getötet hatte. Erfragte sich lediglich, wie sie in seine Woh-nung gekommen war. Daß sie ihn nicht be-gleitet hatte, wußte er genau, da er sich ent-sann, aus dem Haus von Enteko Abbrass ge-flüchtet zu sein.

»Sie muß also später hierher gekommensein«, sagte er. »Ich stand unter der Wirkungdes Giftes, und dann ist es irgendwie pas-siert.«

Er trank einen Schluck Wasser. Seine Au-gen tränten, weil er von Minute zu Minuteerregter wurde. Zum erstenmal hatte er dieKontrolle über sich verloren. Das war niezuvor der Fall gewesen.

Die Warnungen seiner Freunde fielen ihmein. Sie hatten ihm vorhergesagt, daß er ir-gendwann die Wirkung von Traumpilzenspüren würde, obwohl er gar keine zu sichgenommen hatte. Jetzt war genau das einge-troffen, wovor er sich insgeheim gefürchtethatte.

Er fluchte und drückte einige Tasten aufder Servoleiste. Reinigungsroboter kamen

aus verborgenen Nischen hervor und besei-tigten die Blutspuren vom Teppich und vomDolch. Schankkou kleidete sich aus undging in die Hygienekabine, weil er das Be-dürfnis hatte, sich zu waschen.

Fieberhaft dachte er darüber nach, wohiner die Leiche gebracht haben könnte. Er ließsich trocknen, kleidete sich wieder an undsetzte die Suche fort. Dieses Mal blickte ersogar vor die Tür seiner Wohnung und kon-trollierte seine Gleiter, ohne Seylke Abbrasszu finden.

Kaum war er vom Parkplatz in seineWohnung zurückgekehrt, als der Türsummerertönte. Schankkou überlegte, ob er öffnensollte. Er hätte sich am liebsten vor der Öf-fentlichkeit versteckt, aber er sagte sich, daßdas ein Fehler sein konnte, und er wollte al-les vermeiden, was andere aufmerksam ma-chen konnte. Er dachte an seine gesellschaft-liche Stellung, seine engen Beziehungen zuOrbanaschol III. und an seine Verantwor-tung als Leiter des Forschungsinstituts Sto-quaed.

Er öffnete.»Axton, Sie?« fragte er verstört, als er den

Verwachsenen vor sich stehen sah.»Was überrascht Sie so, Schankkou. Ist es

Ihnen unangenehm, gerade mich zu sehen?«Der Arkonide trat zur Seite und ließ sei-

nen Besucher und Gentleman Kelly ein.Voller Unbehagen blickte er auf den ver-krüppelten Mann hinab, von dem er wußte,daß er für das Sicherheitsministerium tätigwar und geniale Fähigkeiten als Kriminalisthatte. Deshalb fragte er sich, ob Axton etwasvon dem Mord an Seylke Abbrass wissenkonnte. Hatte er noch im Giftrausch einenFehler gemacht, der ihn verraten hatte?

Während er Lebo Axton in den Wohnsa-lon führte, in dem mittlerweile keine Spurenmehr vorhanden waren, erinnerte er sichwieder daran, wie der Verwachsene um dasLeben von Laudan Borakin gebettelt, undwie er ihn verlacht und verhöhnt hatte. KamAxton nun, um blutige Rache an ihm zunehmen?

Blindwütiger Haß kam in ihm auf. Er

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fühlte sich Axton gegenüber hilflos, weil ersich schuldig wußte.

»Was führt Sie zu mir, Axton?«»Ich habe einige Fragen. Ich arbeite an ei-

ner Sache, die dringend geklärt werdenmuß.«

»Fragen Sie?«»So nervös?« Axtons Augen verengten

sich. Er wußte genau, in welcher SituationSkaranore Schankkou sich befand. Der Ar-konide war genau da, wo er ihn hatte habenwollen. »Mir ist aufgefallen, daß Sie sichplötzlich aus dem Hause von Abbrass ent-fernten, nachdem Sie sich zuvor recht ange-regt mit Seylke Abbrass unterhalten hatten.«

»Das geht Sie nichts an«, erwiderteSchankkou schroff.

»Natürlich nicht«, sagte Axton besänfti-gend. »Ich frage nur, weil ich den Eindruckhatte, daß Ihnen nicht wohl war.«

»Es hatte nichts zu bedeuten.«Axton blickte auf den Teppich. Die Reini-

gungsroboter hatten alle Blutflecken besei-tigt. Das war auch nicht anders zu erwartengewesen. Er runzelte die Stirn, als habe eretwas entdeckt, schritt zu der Stelle, an derer in der Nacht das meiste Blut vergossenhatte, und wandte sich dann der Wand zu, ander die Waffen hingen. Er merkte, daß Ska-ranore Schankkou ihn genau beobachtete.

»Es war also weiter nichts als ein Un-wohlsein?« fragte er erneut und ging zu denWaffen hinüber. Er betrachtete sie und nahmden Dolch herab. »Eine schöne Arbeit. Siestammt aus keiner arkonidischen Werkstatt,nicht wahr?«

»Ich habe sie von Trahfat, einem Planetenim Belko-System, mitgebracht«, antworteteder Arkonide unwillig. »Ja, mir war unwohl.Das ist alles. Warum ist das so wichtig fürSie? Weshalb fragen Sie mich das?«

»Sie sind danach direkt nach Hause geflo-gen?«

»Selbstverständlich.« Schankkou nahmihm den Dolch aus der Hand und hängte ihnwieder an die Wand. »Sie können das nach-prüfen. Der Sicherheitsrobot oben auf demDach muß mich mit der Kamera erfaßt ha-

ben. Es gibt also eine Aufzeichnung.«»Schon gut. Ich glaube Ihnen selbstver-

ständlich«, sagte Axton. Er lächelte. »Daswar's. Mehr wollte ich nicht wissen.«

Schankkou setzte zu einer Frage an, preß-te jedoch die Lippen zusammen undschwieg. Lebo Axton kletterte auf denRücken seines Roboters, verabschiedete sichund verließ die Wohnung.

Der Arkonide ließ sich in seinen Sesselsinken. Er hatte Angst. Das Verhalten desVerwachsenen hatte ihm gezeigt, daß er ir-gend etwas wußte. Immer wieder fragteSchankkou sich, ob Axton den Teppichwirklich nur zufällig so prüfend betrachtetund den Dolch ohne besondere Absicht vonder Wand genommen hatte.

Er ging in den Speiseraum und drückte ei-nige Tasten an der Eßtheke. SkaranoreSchankkou war normalerweise, ein beschei-dener Esser. Wenn er jedoch seelisch ausdem Gleichgewicht geriet, dann pflegte eralles in sich hineinzustopfen, was er bekom-men konnte, bis ihm der Magen schmerzte.Um sich zu beruhigen, rief er aus seiner au-tomatischen Küche alles ab, wonach er gera-de Appetit hatte. Er schlang alles ohnegroßen Genuß in sich hinein, wurde dabeijedoch nicht ruhiger. Das Unbehagen unddie Angst wuchsen.

Der Mord belastete sein Gewissen über-haupt nicht. Er hatte schon mehr Menschengetötet, allerdings nur während seinerDienstzeit für das Imperium und im Kampf.Er wußte auch, daß er bei Orbanaschol nichtin Ungnade fallen würde, solange kein Staubaufgewirbelt wurde. Ihn belastete vor allem,daß er nicht Herr der Lage war. Die Leichewar verschwunden, aber er wußte nicht, wo-hin er sie gebracht hatte. Darüber hinausaber glaubte er, die Kontrolle durch das Giftder Traumpilze über sich verloren zu haben.Er war überzeugt davon, daß der übertriebe-ne Genuß dieser Gewächse nun verhängnis-volle Auswirkungen zeitigte. Und das wardas Schlimmste: Orbanaschol würde ihn so-fort fallenlassen, wenn er es erfuhr.

Schankkou schob die Teller zur Seite. Er

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hielt es nicht mehr in seiner Wohnung aus.Er eilte zu seinem Gleiter und startete. Ner-vös tippte er die Zieldaten in die Tastatur. Erwollte zu seinem Forschungsinstitut, weil erhoffte, sich durch Arbeit ablenken zu kön-nen. Er war kaum einige Minuten unter-wegs, als ein Blinkzeichen am Video ihm si-gnalisierte, daß ihn jemand sprechen wollte.Er schaltete ein. Auf der Projektionsflächeformte sich das lächelnde Geweht SeylkeAbbrass.

»Hallo, Skaranore«, sagte die Frau, die erglaubte, ermordet zu haben. »Wie geht esIhnen? Sie sind ja gestern abend so schnellverschwunden, daß ich mir schon Sorgengemacht habe.«

»Seylke, Sie?« fragte er stammelnd. »Ichdachte, Sie … Ich meine, ich hatte nicht er-wartet, daß Sie mich anrufen.«

Sie lachte silberhell.»Warum denn nicht? Sie waren doch sehr

nett zu mir.« Sie wandte sich plötzlich abund blickte zur Seite. Dann fuhr sie fort:»Ich habe Besuch bekommen, Skaranore.Ich rufe Sie später noch einmal an.«

Sie nickte ihm zu und schaltete ab.Skaranore Schankkou schlug die Hände

vors Gesicht. Er stöhnte gequält, denn nunwußte er überhaupt nicht mehr, was er den-ken sollte. Er war vollkommen durcheinan-der, und seine Furcht vor der unkontrollier-ten Wirkung des Giftes wuchs ins Uferlose.

*

»Hoffentlich bildet er sich nun keineSchwachheiten ein«, sagte Seylke Abbrass,als sie ausgeschaltet hatte. Sie wandte sichLebo Axton, ihrem Mann und Avrael Arr-konta zu, die an einem Tisch neben dem Ge-rät saßen und das Gespräch mitgehört hat-ten.

»Er ist vollkommen durcheinander«, be-merkte Arrkonta. »Die Angst sitzt ihm imNacken.«

»Er könnte einem leid tun«, sagte die Ar-konidin.

»Schankkou tut mir nicht leid«, entgegne-

te ihr Mann. »Dieser Kerl kennt kein Erbar-men, und deshalb hat er auch kein Mitleidverdient.«

»Ich danke Ihnen. Sie haben mir einengroßen Dienst erwiesen.« Axton stieg aufden Rücken Kellys und lächelte der Arkoni-din freundlich zu. »Für mich war wichtig,daß Schankkou einen weiteren Schock erlit-ten hat.«

Er verabschiedete sich und verließ zusam-men mit Arrkonta die Wohnung.

»Was werden Sie jetzt unternehmen?«fragte der Arkonide, als sie mit Axtons Glei-ter starteten.

»Schankkou soll nicht mehr als zwei TageRuhe haben. Dann wird er seinen nächstenPilztraum haben.«

»Sie wollen ihn bis zum psychischen Zu-sammenbruch treiben.«

»Das habe ich vor.«»Was erreichen Sie damit? Ich meine,

welche Bedeutung hat der psychische Zu-stand Skaranore Schankkous für IhrenPlan?«

»Er ist ein wichtiger Faktor für die StundeX«, erläuterte der Kosmokriminalist. »Wennmir gelingt, was ich mir vorgenommen habe,dann wird Orbanaschol in einer Art undWeise gedemütigt werden, die ihn zu einemTobsuchtsanfall treiben wird. Er wird blindvor Wut sein und sofort einen Schuldigensuchen. Und für diesen Fall muß ich ihmeinen präsentieren. Es muß ein Mann sein,der nicht mehr in der Lage ist, sich zu vertei-digen, weil er nicht mehr bei klarem Ver-stand ist. Es muß ein Mann sein, der sichernsthaft selbst fragt, ob er nicht vielleichtwirklich schuldig ist. Niemand ist geeigneterals Skaranore Schankkou.«

*

Gentleman Kelly senkte sich lautlos aufden Eingang auf dem Parkdach des Trichter-baus herab. Er legte seine Hand vor das Ob-jektiv der Sicherungskamera und deckte esab, bis er daran vorbeigeflogen war.

Die Tür war offen. Sie glitt zur Seite, als

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Page 31: Eine Botschaft von Arkon

Axton die Kontaktscheibe berührte, und dasnach unten gepolte Antigravfeld trug ihnund den Roboter nach unten, ohne daß siedas Schloß zu schalten brauchten. Weit un-ter sich bemerkte der Terraner mehrere Ar-koniden. Am frühen Abend herrschte nochlebhaftes Treiben im Haus. Axton fürchteteschon, daß es unter diesen Umständenschwierig sein könnte, in die WohnungSchankkous zu kommen, doch das war esnicht. Niemand hielt sich in der Nähe derEingangstür auf, so daß Kelly diese öffnenkonnte, ohne Zeugen dabei befürchten zumüssen.

Skaranore Schankkou hatte vergessen,seine Musikanlage abzustellen, als er seineWohnung verlassen hatte. Aus den verstecktangebrachten Lautsprechern ertönten dieKlänge eines sinfonischen Werkes.

Axton wußte, daß sich niemand in derWohnung aufhielt. Daher verzichtete er dar-auf, sie zu durchsuchen. Er ließ sich gleichin den Speiseraum des Arkoniden tragen.Hier begann er mit einer mühsamen undzeitraubenden Arbeit. Er öffnete den Speise-servomaten, ein mit verschweißten Kunst-stoffen verschaltes Gerät. Mit einem Desin-tegratormesser schnitt er die Deckhaube abund legte so einen Teil der Zuleitungen bloß.Er öffnete drei fingerdicke Rohre und klebtejeweils eine Giftkapsel hinein. Diese würdendas Gift der Traumpilze allmählich abgeben,wenn Schankkou sich Getränke abzapfte,und so für eine permanente Vergiftung sor-gen.

Als Axton die Kapseln befestigt hatte,meldete sich Kelly.

»Schätzchen«, sagte er. »Der SchattenSchankkous meldet, daß dieser schon aufge-brochen ist. Er hat das Restaurant zusammenmit einem Mädchen verlassen. Er ist aufdem Weg zu seiner Wohnung.«

Der Kosmokriminalist erschrak. Das warviel zu früh.

»Hat Schankkou nichts gegessen?« fragteer, während er in fieberhafter Eile die Rohrewieder verschloß.

»Nein«, antwortete Kelly, der in Funkver-

bindung mit einigen Männern der Organisa-tion Gonozal VII. stand. »Er hat nur etwasgetrunken. Als das Mädchen kam, hat er ei-nige Worte mit ihr gewechselt und ist dannaufgebrochen.«

Axton fluchte. Er wußte nicht, wie er denAutomaten in aller Eile wieder so herrichtensollte, daß Schankkou nichts merkte. Alleinfür die Zuleitungen brauchte er eine halbeStunde, wenn alle Spuren verwischt werdensollten. Er beschloß, die Apparatur nur pro-visorisch wieder herzurichten. Wenn derPlan Erfolg haben sollte, dann mußte er inwenigen Tagen schon abgeschlossen sein.Bis dahin war nicht damit zu rechnen, daßSchankkou das Spiel durchschaute. Er wür-de den Automaten also auch nicht öffnen.

Daher konzentrierte Axton sich nur aufdie Verschalung. Er setzte sie auf, nachdemer die Anschlüsse hergestellt hatte, und ver-schweißte sie sorgfältig. Anschließendschliff er die Schweißnähte glatt und glichFarbunterschiede mit einem Farbstift aus.Nun sah alles wieder so aus wie vorher.

Kaum hatte der Terraner die Arbeiten ab-geschlossen, als die Wohnungstür aufging.

»Schankkou kommt«, sagte GentlemanKelly.

Axton blickte sich um und hob einigeKunststoffspäne auf, die er übersehen hatte.

»Schnell! Weg hier«, flüsterte er.Kelly schaltete sein Antigravtriebwerk ein

und schwebte aus dem Raum. Axton folgteihm. Er hörte, wie sich Schritte näherten.Der Atem stockte ihm. Er rannte mit schlei-fenden Füßen durch einen Arbeitsraum, des-sen Wände mit wissenschaftlichen Zeich-nungen bedeckt waren, und erreichteschließlich einen kleinen Projektionsraum.

»Schankkou ist am Speiseservomat«, sag-te Kelly. »Den Geräuschen nach muß er dortsein.«

Axton rang mühsam nach Atem. DieFlucht über kaum vierzig Meter hinweg hat-te ihn vollkommen erschöpft.

»Wo ist das Mädchen? Kannst du es hö-ren?« fragte er keuchend.

»Es ist im Wohnsalon geblieben.«

Eine Botschaft für Arkon 31

Page 32: Eine Botschaft von Arkon

Axton ließ sich auf einen Hocker sinken.Mit einer solchen Situation hatte er nicht ge-rechnet. Nach seinen eigenen Ermittlungenhatte Skaranore Schankkou eine geschäftli-che Besprechung. Dazu hatte er sich mitzwei anderen Arkoniden verabredet. Es warein gemeinsames Essen in einem Restaurantvorgesehen gewesen. Axton hatte Schankk-ou auf Schritt und Tritt überwachen lassen.Seine Videogespräche waren abgehört wor-den. Nichts hatte der Arkonide unbeobachtettun können. Seine plötzliche Entscheidungwar nur auf seine Leidenschaft für Frauenzurückzuführen.

»Ich habe alles einkalkuliert«, sagte Ax-ton, »nur nicht, daß ein Mann so verrücktsein kann, alles zu vergessen, nur weil einWeiberrock in der Nähe ist.«

Er mußte umdenken. Was sollte jetzt ge-schehen? Wie würde das Mädchen reagie-ren, wenn Schankkou einschlief? Würde siebleiben oder würde sie die Wohnung verlas-sen? Würde sie selbst in Träume versinkenund damit alles verraten?

»Wir müssen etwas tun«, erklärte der Ter-raner. »Das Mädchen macht sonst alles zu-nichte.«

Er winkte Kelly zu sich heran und kletter-te auf seinen Rücken. Dann dirigierte er ihnbis in die Nähe des Speiseraums. Er hörteSchankkou darin hantieren.

»Trinkt er etwas?« fragte er mit gedämpf-ter Stimme.

»Ja«, antwortete Kelly nach etwa vier Mi-nuten.

Schankkou verließ den Raum und ging inden Salon. Axton lenkte Kelly durch eineSeitentür auf einen Gang hinaus und auf die-sem bis zu einer Tür, die zum Salon führte.Er stieg vom Rücken des Roboters herab,öffnete ein Fach des Ovalkörpers und nahmeine Glasfaserschleife daraus hervor. Er zogsie auseinander und schob das eine Endevorsichtig unter der Tür hindurch. Das ande-re Ende schloß er an einen Videoschirm an,den er aus dem Körper Kellys herausklapp-te. Die Projektionsfläche war etwa fünf Zen-timeter hoch und sieben Zentimeter breit. Er

drückte eine Taste, und der Schirm erhelltesich. Ein etwas unscharfes Bild entstand.Axton konnte nichts erkennen. Vorsichtigverschob er das Glasfaserband, bis erSchankkou und das Mädchen auf dem Bild-schirm sah. Die beiden saßen an einemTisch und speisten. Vor der Arkonidin standein kleines Glas. Der Wissenschaftler trankaus einem wesentlich größeren.

Das bedeutete, daß er erheblich mehr Giftdes Traumpilzes zu sich nahm. Das war fürAxton keineswegs beruhigend. Früher oderspäter würde das Mädchen die Wirkungauch bei sich bemerken. Fraglos würde sieFragen stellen.

Axton überlegte, was er tun konnte. Lie-ßen sich die Fragen verhindern? Und waswar dann? Würde Skaranore Schankkounicht auf jeden Fall mißtrauisch werden?

Der gesamte Plan wurde durch das Er-scheinen des Mädchens extrem gefährdet.Axton blickte ratlos auf den Bildschirm. DieArkonidin hatte nichts mit seiner Rache zutun. Er mußte sie schonen.

Schankkou erhob sich und ging zu seinerMusikanlage. Er regulierte sie neu ein, wardann mit dem Ergebnis doch nicht zufriedenund schaltete auf ein anderes Band um. Erschwankte stark und mußte sich stützen. DasMädchen beobachtete ihn. Axton sah ihr an,daß ihr der Zustand Schankkous nicht gefiel.Lag darin eine Chance?

Der Arkonide drehte sich um und ging aufseinen Sessel zu. Er blieb auf halbem Wegestehen. Seine Augen waren geschlossen.Seine Beine knickten ein, und er sank aufdie Knie herab. Mühsam öffnete er die Liderund versuchte, etwas zu sagen. Doch seineStimme versagte. Er kippte vornüber undfiel auf das Gesicht.

Das Mädchen eilte zu ihm und rüttelte ihnan der Schulter, doch Schankkou rührte sichnicht. Sie sah verängstigt aus.

In diesem Moment entschloß sich Axtonzum offenen Angriff. Er verstaute seine Ob-servationsgeräte und legte seine Hand aufden Türkontakt. Das Schott glitt zur Seite.Er betrat den Salon. Das Mädchen richtete

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sich langsam auf und wich furchtsam vorihm zurück.

»Was geht hier vor?« fragte Axton mitschneidend scharfer Stimme.

»Wer sind Sie? Was machen Sie hier?«Das Mädchen blickte geradezu entsetzt aufAxton. Der Verwachsene trat dicht vor siehin und zeigte ihr seine Karte, ließ ihr abernicht genügend Zeit, Einzelheiten darauf zuerkennen.

Gentleman Kelly streckte seine Hand aus.»Geben Sie dem Roboter Ihre Daten«, be-

fahl der Verwachsene.»Wie komme ich dazu?« Das Mädchen

versuchte sich aufzubäumen, doch sieschaffte es nicht. Ihr Widerstand brachschon im nächsten Moment wieder zusam-men. Sie nannte ihren Namen und ihreAdresse.

»Sie befinden sich in einer gefährlichenSituation«, erklärte Axton, wobei er sie stän-dig anblickte. Er deutete auf den schlafen-den Skaranore Schankkou. »Genau das soll-te niemand erfahren.«

»Ich werde schweigen«, versprach siestammelnd.

»Sie werden jeden Kontakt mit Schankk-ou vermeiden«, sagte Axton.

Wieder sträubte sie sich.»Sie können mir nicht verbieten, mit ihm

…«, begann sie, doch er unterbrach sie so-fort.

»Ich kann. Sie haben meinen Ausweis ge-sehen. Sie wissen also, in wessen direktemAuftrag ich handele.«

Ihre Augen weiteten sich. Sie begriff, daßer Orbanaschol III. meinte, und sie ließ sichbluffen.

»Ich verstehe«, erwiderte sie kläglich.»Sie werden Schankkou aus dem Wege

gehen. Ich werde Sie in der nächsten Zeitüberwachen lassen. Ich werde genau wissen,was Sie tun, mit wem Sie sich treffen, mitwem Sie sprechen. Nichts wird mir verbor-gen bleiben.«

»Das ist nicht notwendig«, beteuerte sie.»Ich werde alles tun, was Sie sagen.«

»Ich gebe Ihnen eine Chance«, erklärte er.

»Wenn Sie sie wahrnehmen, ist alles gut.Wenn nicht, dann müssen Sie mit Konse-quenzen rechnen. Und jetzt gehen Sie.«

Sie raffte ihre Sachen zusammen und eilteaus der Wohnung. Ihr Rückzug glich einerüberhasteten Flucht.

Axton lächelte. Er war überzeugt davon,daß dieses Mädchen keine Schwierigkeitenmehr machen würde. Gewiß ging er ein Ri-siko ein. Dessen war er sich bewußt. Erschätzte dieses jedoch geringer ein, als wenner das Mädchen mit Psychodrogen beein-flußt hätte. Damit hätte er spätere Fragennicht verhindern können. Jetzt mußte die Ar-konidin glauben, mit den Interessen des Im-perators kollidiert zu sein. Ihr saß die Angstim Nacken, und das mußte genügen. Axtonbeabsichtigte, sie tatsächlich von einigenMännern der Untergrundorganisation be-schatten zu lassen, und sie sollte es merken.

Noch waren es zehn Tage bis zum Ab-stimmungstag. Diese galt es zu überstehen.

»Und jetzt zu Schankkou«, sagte er zuKelly. »Wir wollen keine halben Sachenmachen.«

Während Kelly die Projektoren aufstellte,eilte Axton in die anderen Räume der Woh-nung. Er wußte nicht genau, ob Schankkoueines der modernen 3-D-Videogeräte besaß,die erst in jüngster Zeit auf den Markt ge-kommen waren und nach wie vor als großeSensation galten. Er fand eines der Geräte inseinem Fernsehzimmer. Er kehrte zu Kellyzurück.

»Du kannst die Projektoren wieder ver-stauen«, sagte er. »Wir schleppen Schankk-ou vor sein 3-D-Gerät. Das genügt.«

Gentleman Kelly baute die Apparaturenwieder ab und hob Schankkou hoch. Ernahm ihn auf die Arme und trug ihn hinterAxton her bis vor das 3-D-Gerät. Er hielt ihnhoch, während der Terraner vorbereiteteBildspulen einschob und den Apparat an-schaltete. Dann rüttelte Kelly den Schlafen-den, bis dieser laut stöhnte und die Augenöffnete.

Skaranore Schankkou blickte direkt in diedreidimensional wirkende Projektion. Er sah

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sich auf einer fremden Welt. Aus einem gelbund blau blühenden Wald stürmte ihm einbizarr aussehendes Tier entgegen, das gierigdie Zähne bleckte.

Der Arkonide schrie gellend auf.

6.

Zwei Tage später betrat Lebo Axton dieLuxuswohnung des Arkoniden Avrael Arr-konta, nachdem dieser ihn angerufen und zusich gebeten hatte.

»Warum so geheimnisvoll?« fragte er, alsArrkonta ihn begrüßte.

»Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, erwi-derte der Industrielle. »Kommen Sie.«

Er führte seinen Besucher durch seine rie-sige Wohnung bis in ein technisches Labora-torium, in dem er und Axton schon manchestechnische Kabinettstückchen ersonnen unddurchgetestet hatten. Als der Kosmokrimi-nalist das Labor betrat, sah er auf einem derExperimentiertische eine etwa sieben Zenti-meter hohe Gestalt stehen. Einen Roboter.

»Laß mich herunter, Kelly«, befahl er er-regt. Er sprang fast vom Rücken des Robo-ters und eilte zu der winzigen Gestalt hin-über. Mit leuchtenden Augen betrachtete ersie.

»Ich habe den Roboter vor einer halbenStunde bekommen«, berichtete Arrkonta.»Meine Leute haben ihn von Arkon II her-übergebracht.«

»Sie haben unglaublich schnell gearbei-tet«, lobte Axton.

»Sicher«, erwiderte Arrkonta, »aber wirhaben ja auch nicht mehr viel Zeit.«

Axton streckte die Hand aus und griffnach dem Mini-Roboter. Er hob ihn kurz anund setzte ihn wieder hin. Er schätzte, daßder Automat wenigstens ein Kilogrammwog. Das bedeutete, daß er äußerst wider-standsfähig und stark belastbar war.

»Wir haben alle Ihre Vorschläge verwirk-licht und Ihre Wünsche berücksichtigt«, sag-te der Arkonide. »Der Roboter ist schnell. Ererreicht etwa einhundert Stundenkilometerbeim Lauf auf ebener Strecke. Er kann La-

sten befördern, die viermal so schwer sindwie er selbst. Seine Sprungweiten und -höhen sind besser als erwartet. Das optischeSystem ist gut. Er verfügt über eine einfachePositronik. Diese macht ihn zu einem gutlenkbaren System. Allein und ohne Hilfekann er allerdings nicht viel ausrichten.«

»Das haben wir auch nicht angestrebt«,entgegnete Axton. Die Arkoniden konntenkeine so kleinen positronischen Apparaturenbauen wie etwa die Siganesen, die sich erstetwa zehntausend Jahre später entwickelnwürden.

»Wir haben ihn LA-1 genannt.«»LA-1? Was soll das bedeuten?« fragte

Axton.»Lebo-Axton«, erwiderte der Arkonide

lächelnd. »Es war Ihre Idee.«»Hoffentlich sind Sie nicht enttäuscht,

wenn ich Ihnen gestehe, daß der Name fürmich bedeutungslos ist«, sagte Axton. »Wiewird der Roboter gelenkt?«

»Wir haben eine einfache Fernsteuerungentwickelt. Im Kopf von LA-1 ist eine Ka-mera untergebracht. Sie übermittelt die opti-schen Eindrücke an uns, so daß wir genausehen, wohin LA-1 geht.«

»Hat er Waffen?«»Keine.«Axton betrachtete die kleine, humanoide

Gestalt. Die Idee, sie zu konstruieren, warihm ganz spontan gekommen. Jetzt dachte eran die zahllosen Möglichkeiten, den Klein-stroboter einzusetzen.

»Damit könnten wir es schaffen«, sagteAvrael Arrkonta. »Damit können wir das In-stitut Stoquaed knacken.«

»LA-1 ist unsere einzige Chance«, ent-gegnete Axton. »Entweder kommen wir da-mit ans Ziel oder überhaupt nicht.«

»Wann versuchen wir es?«»Morgen«, entschied der Verwachsene.

*

Skaranore Schankkou betrat den Konfe-renzraum des Imperators mit einem Gefühl,das er nie zuvor gekannt hatte. Er hatte

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Angst. Er fürchtete sich davor, daß Orbana-schol ihm ansehen könnte, wie es in ihmaussah.

Der Imperator saß mit vier Ministern zu-sammen, hatte aber die Besprechung mit ih-nen schon weitgehend abgeschlossen. Erwandte sich sogleich Schankkou zu, als erdiesen sah. Er musterte ihn mit verengtenAugen.

»Was ist los mit dir, Skaranore?« fragteer.

»Nichts«, erwiderte Schankkou, bemüht,sich nichts anmerken zu lassen. Seit seinemletzten Anfall verspürte er ständig die Wir-kung von Traumpilzen, obwohl er keine Pil-ze mehr zu sich genommen hatte. Der Effektwar nicht stark, aber er war da.

»Du hast dich zwei Tage lang nicht hiersehen lassen. Weshalb nicht?«

Skaranore Schankkou setzte sich in einenSessel, nachdem Orbanaschol ihm mit einerGeste zu verstehen gegeben hatte, daß ersich setzen sollte. Er fühlte eine seltsameSchwäche in den Beinen.

»Ich habe gearbeitet«, erwiderte er.»Gearbeitet?« forschte der Imperator. Sei-

ne Augen verengten sich so weit, daß nurnoch zwei Schlitze zu sehen waren. SeineLippen wurden schmal. »Was soll das hei-ßen? Gibt es Schwierigkeiten?«

»Schwierigkeiten? Nein. Alles ist nor-mal.«

»Du sagst mir nicht die Wahrheit«, schrieOrbanaschol mit schriller Fistelstimme.»Was ist passiert? Ich sehe dir an, daß ir-gend etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Istdas positronische Programm für die Abstim-mung in Gefahr?«

Schankkou schluckte mühsam. Er begriff,daß Orbanaschol in einer ganz anderenRichtung dachte als er.

»Es hat eine kleine Panne gegeben, aberich konnte sie beheben«, log er. »Sie brau-chen sich keine Sorgen zu machen, denn we-nigstens zwei Tage vor Beginn der Abstim-mung werden alle positronischen Teile in-stalliert sein. Der Riesenrobot wird seineBewährungsprobe bestehen.«

»Das will ich hoffen«, sagte der Imperatorkalt. »Verlaß dich nicht auf meine Freund-schaft. In dieser Hinsicht kenne ich so etwasnicht. Wenn die Abstimmung nicht in mei-nem Sinn verläuft, wirst du Schwierigkeitenbekommen.«

»Das ist mir klar«, antwortete Schankkou.Er wurde von Minute zu Minute sicherer,weil Orbanaschol sich auf ein Thema kon-zentrierte, bei dem er ein absolut reines Ge-wissen hatte. Er wußte, daß er sich in dieserHinsicht keinerlei Sorgen zu machenbrauchte.

»Ich stehe mit meinem Leben dafür ein,daß es keine Fehlschaltungen gibt«, erklärteer mit fester Stimme.

Orbanaschol blickte ihn erneut prüfendan, nickte dann und wandte sich wieder sei-nen Ministern zu. Skaranore Schankkou at-mete auf. Für einige Minuten war er verges-sen. Er hatte Zeit, sich innerlich zu stabili-sieren. Unwillkürlich dachte er über die Fra-gen nach, die der Imperator ihm gestellt hat-te.

War wirklich alles in Ordnung? Hatte ertatsächlich allen Grund, in Hinsicht auf sei-ne wissenschaftliche Arbeit so ruhig und ge-lassen zu sein?

Er mußte daran denken, was vor zwei Ta-gen vorgefallen war, und er fragte sich, oballes nur auf den Genuß der Traumpilze zu-rückzuführen war. Bisher hatte er keineneinzigen Gedanken daran verschwendet, daßein Zusammenhang zwischen seinen Träu-men und seiner Arbeit bestehen konnte.

Er blickte Orbanaschol III. an. Der Impe-rator sprach konzentriert mit seinen Mini-stern, so wie es immer war, wenn es umwichtige Dinge ging. Er war ein Mann, derseine Mitarbeiter zu führen wußte, und dergenau wußte, was zu tun war. SkaranoreSchankkou war sich darüber klar, daß Orba-naschol sich einer echten Abstimmung nie-mals stellen durfte. Aber das störte ihn nicht.Ihn interessierte ebensowenig wie Orbana-schol, was diejenigen dachten, die nicht anden Schalthebeln der Macht saßen. Er selbsthatte entscheidenden Anteil daran, daß nach

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der Abstimmung die Werte ausgewiesenwurden, die der Imperator sehen wollte.

Schankkou hatte Mühe, seine Gedankenzusammenzuhalten. Immer wieder liefen siein andere Richtungen als er wollte. Die To-xine des Traumpilzes wirkten. Dennoch ge-lang es ihm immer wieder, seine Gedankenfür kurze Zeit auf das Problem zurückzufüh-ren, das ihn beschäftigte.

Hatte er Grund, sich so sicher zu fühlen?Wie nun, wenn er Opfer einer Intrige wer-den sollte, bei der es darum ging, Orbana-schols Abstimmungstriumph zu verhindern?

Ihm wurde schlecht, als er so weit gekom-men war. Farbige Schleier stiegen vor seineAugen, und er hatte das Gefühl, sich überge-ben zu müssen.

Er brauchte einige Minuten, bis er sichwieder in der Gewalt hatte. Erleichtert stellteer fest, daß Orbanaschol nichts gemerkt hat-te. Er wartete, bis der Imperator ihn ansah.Dann erhob er sich.

»Mir ist soeben eingefallen, daß ich einenTermin habe. Ich hätte ihn fast vergessen«,sagte er. »Darf ich mich verabschieden?«

»Bitte«, entgegnete Orbanaschol gleich-gültig. »Du kannst gehen.«

Schankkou verließ den Raum. Draußeneilte er zum nächsten Servomaten und zapftesich etwas Wasser ab. Er trank gierig, fühltesich danach jedoch nicht viel besser.

»Ist Ihnen nicht wohl?« fragte jemandhinter ihm.

Er fuhr herum und blickte verstört auf Le-bo Axton, der in den Haltebügeln auf demRücken seines monströsen Roboters stand.

»Was wollen Sie von mir?« fragteSchankkou hitzig.

»Nichts«, erwiderte der Verwachsenefreundlich. »Mir schien nur so, als sei Ihnennicht wohl. Wenn das jedoch nicht der Fallist, kann ich für Sie nichts tun. Oder doch?«

»Allerdings«, sagte Schankkou heftig.»Sie könnten mich in Ruhe lassen.«

Er ging eilig an Axton vorbei und begabsich zu seinem Gleiter. Der Terraner sah ihnkurz darauf starten. Schankkou beschleunig-te mit Höchstwerten und verriet dadurch,

wie verstört er war.Axton ließ sich zu seinem Gleiter tragen.

Er folgte dem Arkoniden in weitem Ab-stand. In einem Trichterhaus, das etwa zwei-tausend Meter vom Institut Stoquaed ent-fernt war, landete er in einer Parknische.Gentleman Kelly trug ihn zu einer kleinenWohnung, die mit einem Verbindungsmannder Organisation Gonozal VII. besetzt war.Axton kannte diesen Arkoniden nur flüchtig,verließ sich aber vollkommen auf ihn, dasich Kirko Attrak, der Leiter der Organisati-on, für ihn verbürgt hatte.

Durch ein Fenster konnte Axton zum In-stitut Stoquaed hinübersehen. Mehrere kom-pliziert aussehende Apparaturen waren aufdas flache Gebäude gerichtet.

»Skaranore Schankkou ist gerade drübengelandet«, teilte der Arkonide mit.

»Ist der Laser eingeschaltet?«»Es ist alles vorbereitet.«Axton drückte eine Taste an einem Video-

gerät, das neben dem Fenster aufgestelltwar. Der Bildschirm erhellte sich nicht, nurder akustische Teil des Geräts arbeitete. EinLaserstrahl war auf das Büro Schankkousgerichtet. Mit seiner Hilfe hörte Axton nunab, was dort geschah.

»Er kommt«, sagte er, als er Schritte unddas Rücken eines Stuhles vernahm. Dann er-tönte ein Klicken, das anzeigte, daß Schank-kou die Tasten seines Videogeräts betätigte.

Der Arkonide nannte die Namen einigerMitarbeiter und fuhr dann fort: »Ich habe so-eben erfahren, daß eine Terrororganisationversuchen wird, unsere Arbeit zu sabotieren.Ich rechne mit einem Einbruch und einemBombenanschlag auf das Institut. Die Si-cherheitsmaßnahmen müssen erheblich ver-schärft werden, zumindest für die nächstendrei Tage. Wenn die letzten Bausätze nachArkon III unterwegs sind, haben wir nichtsmehr zu befürchten.«

Die Stimme kam so klar und deutlich ausdem Lautsprecher, als habe Schankkou di-rekt Verbindung zu Axton gesucht. Das warjedoch nicht der Fall. Er ahnte nichts davon,daß er abgehört wurde.

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»Hat er wirklich etwas gemerkt?« fragteder Beobachter neben Axton.

»Nein«, erwiderte der Verwachsene. »Erist verunsichert, aber er weiß nichts.«

Er ging zu einem anderen Videogerät unddrückte einige Wahltasten. Das GesichtAvrael Arrkontas erschien auf der Projekti-onsfläche.

»Wir haben nur noch drei Tage Zeit«, be-richtete Axton. »Das heißt, daß wir soforthandeln müssen.«

*

Als es dunkel geworden war, trafen nach-einander Avrael Arrkonta, Kirko Attrak undLebo Axton in der kleinen Wohnung ein, dieals Beobachtungsstation eingerichtet wordenwar. Der Industrielle brachte LA-1 in einemKoffer mit.

Kirko Attrak ließ von Anfang an keineZweifel daran aufkommen, daß er gegen dieAktion war.

»Es ist viel zu früh«, erklärte er, nachdemer die anderen begrüßt hatte. »Ich bestehedarauf, daß Sie zunächst mit dem Robotertrainieren, Lebo.«

»Dafür ist wirklich keine Zeit mehr«, er-widerte Axton ungehalten. »Ich wünsche,ich könnte mit LA-1 üben, aber es gehtwirklich nicht.«

»Wir haben drei Tage Zeit.«»Eben«, sagte Axton. »Das ist es ja. Über-

legen Sie doch, Kirko. Was sind denn dreiTage wirklich? Für uns kommt nur dieNacht für den Einsatz in Frage, weil nurdann nicht im Institut gearbeitet wird. Dasheißt, daß wir wahrscheinlich zwei Nächtezur Verfügung haben. Wenn wir heute nachtscheitern, können wir es morgen immernoch einmal versuchen. Klappt es morgennicht, dann ist alles vorbei.«

»Sie gefährden alles, was wir mühsamaufgebaut haben«, erklärte Attrak, »und dasalles nur, weil Sie glauben, sich für den TodLaudans rächen zu müssen.«

»Bleiben Sie sachlich, Kirko«, bat Axton.»Sie lassen sich von Emotionen leiten«,

entgegnete Attrak. »Nicht ich. Sie gebenvor, Orbanaschol aus politischen Gründentreffen zu wollen, tatsächlich aber geht esIhnen nur um Rache. Und das ist nicht gut.«

»Sie sollten sich nicht streiten«, bemerkteAvrael Arrkonta. »Wie auch immer das Mo-tiv Lebos sein mag, er hat recht. Wir müssendie Aktion jetzt sofort starten, weil sonst al-les umsonst war.«

Das Gesicht Kirko Attraks verzerrte sich.»Warum bringen wir Orbanaschol nicht

einfach um?« fragte er haßerfüllt. »Das wäredoch viel einfacher als alles, was wir tun.«

Lebo Axton seufzte.»Wir haben schon oft genug darüber ge-

sprochen, Kirko«, erwiderte er. »Es gehtnicht. Noch ist Atlan nicht soweit, die Machtzu übernehmen, und es hat keinen Sinn, Or-banaschol III. zu beseitigen, wenn wir nichtabsolut sicher sein können, daß Atlan seinNachfolger ist.«

Axton hatte selbst auch schon häufigerden Wunsch verspürt, alle Probleme dadurchzu lösen, daß Orbanaschol gewaltsam ge-stürzt wurde. Doch er durfte sich auf ein At-tentat nicht einlassen, weniger weil damitAtlan noch nicht automatisch Imperatorwurde. Die weitaus größere Gefahr drohtedurch ein Zeitparadoxon, das dann zwangs-läufig entstand. Wenn, durch seine Anwe-senheit in dieser Zeit bedingt, Orbanascholstarb, dann mußte die arkonidische Ge-schichte einen völlig anderen Verlauf neh-men. Das konnte bedeuten, daß ein terrani-sches Imperium niemals entstehen würde.

Was auch immer geschah, er durfte seinenKampf gegen Orbanaschol III. nicht blind-wütig führen.

»Ich werde LA-1 einsetzen«, sagte Axton.»Und dann wird sich zeigen, ob überhaupteine Möglichkeit besteht, in das Institut zukommen.«

»Mir paßt das alles nicht«, gestand KirkoAttrak. Er war nervös. Seine Hände ver-krampften sich ineinander. »Ich bin mehr füreine gewaltsame Aktion. Warum werfen wirnicht eine Bombe auf das Institut und spren-gen alles in die Luft. Damit hätten wir unser

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Ziel auch erreicht. Orbanaschol könnte sei-nen Wahlbetrug nicht durchführen.«

»Er würde die Wahl nachholen lassen«,bemerkte Arrkonta.

»Und wir würden eine Großfahndung aus-lösen«, ergänzte Axton geduldig. »So abergibt es den großen Knall. Orbanascholschlägt zurück und trifft den Falschen. Da-nach ist alles wieder still, und wir können inaller Ruhe weiterarbeiten.«

Der Terraner setzte sich auf einen Hocker.»Avrael«, sagte er. »Bitte, bringen Sie

LA-1 nach unten. Kelly soll Sie begleiten.Er kann den Roboter noch etwas näher andas Institut heranbringen.«

Wortlos verließ Arrkonta zusammen mitKelly die Wohnung. Axton überzeugte sichdavon, daß der Laserstrahl nach wie vor aufdas Forschungsinstitut gerichtet war. Sokonnte er feststellen, daß sich im Hauptge-bäude niemand mehr aufhielt.

»Laser aus«, befahl er. Je dunkler es wur-de, desto höher wurde auch das Risiko, daßdie Laserbeobachtung entdeckt wurde.

Arrkonta und Gentleman Kelly Kehrtenzurück.

»Es ist soweit«, sagte der Industrielle.Lebo Axton drückte eine Taste. Der Vi-

deoschirm vor ihm erhellte sich. Das Bild ei-ner Parklandschaft entstand vor ihm. DieKamera befand sich dicht über dem Boden.Axton legte seine Hände auf eine Apparatur,die mit mehreren Hebeln und Knöpfen ver-sehen war. Er kippte einen Hebel nach vorn.

»LA-1 läuft«, sagte er.Das Bild war scharf, aber nicht besonders

hell. Alle Bemühungen Axtons, es zu ver-bessern, scheiterten.

»Es wir anders, wenn er am Institut ist«,sagte Arrkonta. »Dort ist es nicht so dun-kel.«

LA-1 stürmte auf die Forschungs- undProduktionsstätte Schankkous zu. Er eilteüber einen Weg voran, der von hohen Bü-schen und Bäumen umsäumt wurde. Zu-nächst hatte Axton Schwierigkeiten, denKleinstroboter zu bewegen und zu lenken, jelänger LA-1 aber unterwegs war, desto bes-

ser gelang es dem Terraner, ihn auf direktemKurs zu halten. Plötzlich wuchs der äußereZaun von Stoquaed vor LA-1 auf. Die Dräh-te zeichneten sich klar gegen den sternen-übersäten Himmel ab.

Axton hielt den Roboter an, ging dabeiaber etwas überhastet vor. LA-1 stürzte. Flu-chend drückte der Terraner auf einen Kor-rekturknopf. Die Basispositronik des Robo-ters richtete diesen wieder auf. Vorsichtigdrehte Axton nun den Robotknopf hin undher. Aus der Froschperspektive konnte erdas Vorgelände des Instituts gut übersehen.Hinter dem Drahtzaun lag eine zwei Meterbreite Zone, die der eppkändische Peprospatrouillierten. Das waren hundeähnlicheGeschöpfe, die nicht nur über einen hervor-ragenden Geruchssinn verfügten, sondernauch in der Dunkelheit soviel sahen wie beiTageslicht. Sie waren die schnellsten Tiere,die Axton kannte, und sie galten als beson-ders angriffslustig.

Hinter diesem Streifen folgte wiederumein Zaun, der mit einer Energieschranke ver-bunden war. Danach kam ein breiter Strei-fen, in dem Kampfroboter und arkonidischeWachen das quadratische Gebäude des Insti-tuts absicherten. Auf dem Bildschirm zeich-nete sich nur ein Kampfroboter ab. Axtonwußte, daß das nichts zu bedeuten hatte. EinMensch oder ein normalgroßer Roboter hät-ten keine Chance gehabt, die Sperren zuüberwinden. Er wäre nicht an das Institutherangekommen, da dieses von Scheinwer-fern angestrahlt wurde. Ein absolut undurch-dringlicher Ortungsschirm sorgte dafür, daßsich nichts unbemerkt aus der Luft herabsen-ken konnte. Außerdem lag auch das Dach imLicht der Scheinwerfer. Zusätzliche Kame-ras überwachten praktisch jeden Abschnittdes Geländes und das Gebäude.

»Also gut, versuchen wir unser Glück«,sagte Lebo Axton.

Avrael Arrkonta wandte sich an Kirko At-trak.

»Hat die Organisation Gonozal VII. nochEinwände?« fragte er scherzhaft.

»Verdammt. Nein. Sie tun ja doch, was

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Sie wollen«, erwiderte Attrak. Er drehte sichum und verließ die Wohnung. Bestürztblickte Axton und Arrkonta sich an.

»Es ist die nervliche Belastung«, versetzteder Arkonide. »Kirko ist ihr nicht gewach-sen, jedenfalls nicht bei solch einem Experi-ment, bei dem man so wenig tun kann.«

LA-1 arbeitete sich durch hohe Gräser anden Zaun heran. Axton stoppte ihn erst, alseiner der Pfähle auf dem Bildschirm erschi-en. Er führte die Hand des Roboters heranund lenkte ihre Bewegungen mit einem an-deren Hebel. Auf dem Bildschirm sah er,wie die Stahlhand sich in das rauhe Materialgrub.

»Es klappt«, sagte er. »Es gibt genügendKanten und Vorsprünge.«

LA-1 stieg am Pfahl hoch bis in eine Hö-he von etwa vierzig Zentimeter. Hier endeteein Streifen aus engem Maschendraht undging in einen mit großen Maschen über.

»Vorsicht. Er darf nicht, abrutschen«, sag-te Arrkonta.

Axton ließ LA-1 bis an den Draht heran-rutschen, schob seine Beine durch eine Ma-sche und hielt ihn in dieser Haltung. Erdrehte die Kamera hin und her. Von denWachtieren war nichts zu sehen.

LA-1 schlüpfte vollends durch den Zaunund stürzte in die Tiefe. Es gelang Axtonnicht, ihn auf den Füßen landen zu lassen.Der Roboter fiel seitlich ins Gras, kam abersofort wieder hoch.

»Schnell. Er muß drüben sein, bevor dieBestien kommen«, mahnte Arrkonta. DerArkonide war so erregt, daß er kaum spre-chen konnte. Die Leistung des Robotersüberraschte ihn. Sie war weit höher, als ererwartet hatte.

Axton drückte einen Hebel mit rascherBewegung nach vorn. Der Innenzaun schienauf ihn zuzukommen. LA-1 sprang undklammerte sich an die Maschen, als er seinZiel erreicht hatte.

Aus den Lautsprechern drangen eigenarti-ge Pfeifgeräusche.

»Das sind die Pepros«, rief Arrkonta.»Schnell. Der Roboter muß weg, sonst wer-

den die Wachen aufmerksam.«Die Maschen des Zaunes schienen sich

bis in den Himmel hinaufzuziehen. Axtonließ den Roboter steigen. Er führte ihn im-mer sicherer. Nicht ein einziges Mal griffendie kleinen Stahlhände daneben. Durch dasPfeifen der eppkändischen Pepros ließ Ax-ton sich nicht ablenken. Er wußte, daß ersich voll auf LA-1 konzentrieren mußte,wenn er schneller als die Tiere sein wollte.

Eine endlose Zeit schien zu verstreichen,bis schließlich ausreichend große Maschenauf dem Bildschirm erschienen. Axton rißLA-1 förmlich nach vorn und federte ihn miteinem Sprung vom Zaun weg. Der Roboterprallte dicht neben einem Stein auf, der hö-her war als er selbst.

Axton warf ihn herum, und die bizarrenKöpfe der Tiere zeichneten sich auf demBildschirm ab.

LA-1 hüpfte auf den Stein hinauf. Vonhier aus hatte er einen guten Überblick überdas Vorgelände.

Zwei Arkoniden näherten sich ihm. Siewaren durch die Tiere aufmerksam gewor-den. Ein Kampfroboter folgte ihnen.

Axton machte mit Hilfe der Kamera desRoboters eine Bodenrinne aus, die etwazehn Zentimeter tief war. Sie führte schrägauf das Institutsgebäude zu. Er ließ LA-1 insGras zurückspringen und auf alle viere sin-ken. Dann lenkte er ihn weiter. Der Klein-stroboter kroch in rasender Eile auf die Rin-ne zu und tauchte in sie hinab. Von hier auskonnte er die Arkoniden und den Wachrobo-ter nicht mehr sehen. Für Axton bedeutetedas, daß er LA-1 damit auch deren Blickenentzogen hatte.

Er führte ihn rasch weiter und hielt ihnerst nach etwa fünf Metern wieder an. Erdrehte ihn auf den Rücken herum, so daß erdurch die hochaufragenden Gräser diemächtigen Gestalten der Arkoniden und desRoboters sehen konnte.

»Die Biester sind wahrscheinlich durch ir-gendein Tier verrückt gemacht worden«,sagte einer der beiden Wächter. »Hier istniemand. Also kann auch nichts sein.«

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»Verdammte Pepros«, fluchte der andere.»Ich möchte ihnen nicht begegnen. Komm,wir gehen wieder zum Turm. Ich ertrage die-ses Pfeifen nicht. Mir läuft es eiskalt überden Rücken, wenn ich es höre.«

Die beiden Wachen drehten sich um undverschwanden aus dem Blickfeld von LA-1.Der Kampfroboter blieb noch etwa eine Mi-nute am Zaun stehen. Dann hob er ein Bein.Axton sah den Stahlfuß riesengroß vor sichaufwachsen. Unwillkürlich hielt er denAtem an.

Avrael Arrkonta und der andere Arkonideschrien auf. Doch der Fuß des Kampfrobo-ters glitt über LA-1 hinweg. Die Maschinebeugte sich nach vorn, und der zweite Fußfolgte.

Der Terraner schaltete gedankenschnell.Er richtete LA-1 auf, ließ ihn aus der Rinnekriechen und führte ihn geschickt bis nebenden linken Fuß des Kampfautomaten. Ausden Lautsprechern dröhnte ein nahezu uner-träglicher Krach, als die Mikrophone desKleinstroboters die Geräusche auffingen, dieder Kampfroboter bei jedem Schritt unterseinen Füßen verursachte. Axton und diebeiden Arkoniden hörten erschaudernd, wieSteine und Pflanzen unter dem stählernenGehwerk der Kampfmaschine zermalmtwurden.

Als der Fuß vom Boden abhob und nachvorn schwang, rannte LA-1 zentimeternahneben ihm her, so daß er von ihm gegen dieBeobachtungskameras abgedeckt wurde.

Plötzlich hallte der Ruf eines Wächtersaus den Lautsprechern.

»He, Skoman«, rief er. »Da ist etwas. Da,bei dem Kampfroboter!«

Axton und Arrkonta blickten sich entsetztan.

7.

Skaranore Schankkou stopfte wahllosFleisch, Fisch, Gemüse und Süßspeisen insich hinein. Er hatte das Gefühl, daß er da-durch allein sein seelisches Gleichgewichtwiederfinden konnte. Er fühlte sich nicht

gut. Voller Unbehagen erinnerte er sich andie letzten Stunden im Institut Stoquaed.

Sein Terroralarm hatte zwar eine fieber-hafte Aktivität der Sicherheitsdienste ausge-löst und zu weiteren Abschirmmaßnahmengeführt. Er hatte aber auch einen Anruf vomSicherheitsministerium bewirkt, undSchankkou hatte sich eine Reihe von unan-genehmen Fragen von Kethor Frantomor,dem neuen Geheimdienstchef, gefallen las-sen müssen.

»Ich bin davon überzeugt, daß ich meineMänner auf diese Weise zu äußerster Wach-samkeit und zu höchstem Einsatz motivierenkann«, war seine Erklärung gewesen. Damithatte er keinen besonders guten Eindruckgemacht. Er wußte es, und es ärgerte ihn.

Er mochte Kethor Frantomor nicht. DieserMann drängte sich bei Orbanaschol allzuweit nach vorn, und Schankkou neidete je-dem anderen den geringsten Erfolg beim Im-perator. Er wußte, daß er selbst um so eherin Ungnade fallen konnte, je größer derFreundeskreis Orbanaschols wurde.

Der Magen schmerzte ihm.Er erhob sich und ging zum Getränkeau-

tomaten hinüber und zapfte sich etwasHochprozentiges ab, weil er sich davon einegewisse Erleichterung versprach. Der Ge-schmack des Getränks war so scharf, daß ersich gleich anschließend etwas Milderesnahm und es langsam austrank. Dabei ginger in den Salon hinüber und stellte sich andie Fensterfront. Er blickte in die Nacht hin-aus. Er konnte die anderen Trichterbautengut sehen, da die Fenster der meisten Woh-nungen hell erleuchtet waren. Hin und wie-der preßte er die Hand gegen den Bauch,aber sein Wohlbefinden steigerte sich nicht.Im Gegenteil. Er mußte an das Institut den-ken. Von der absoluten Zuverlässigkeit derdort entstehenden positronischen Bauteilehing sein Schicksal ab. Immer wieder sagteer sich, daß nichts passieren konnte. Nie-mand konnte in das Institut eindringen. Den-noch blieb die Unruhe.

Nach einiger Zeit merkte er, daß er dieanderen Trichterbauten nicht mehr deutlich

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sehen konnte.Er stöhnte leise und wischte sich mit dem

Handrücken über die Augen, aber dadurchänderte er nichts. Mit aller Kraft konzen-trierte er sich, und seine Sehkraft nahm wie-der zu. Gleichzeitig aber schienen exotischeGestalten aus dem Dunkel der tief unter ihmliegenden Parklandschaft zu ihm aufzustei-gen. Er glaubte, ihre leuchtenden Augen, dieflatternden Extremitäten und die scharfenZähne sehen zu können. Mitten zwischen ih-nen bewegte sich eine Frau. Oder täuschte ersich?

Skaranore Schankkou ließ das Glas fallen.Er fuhr zurück und eilte mit unsicherenSchritten in die Hygienekabine. Er stelltesich unter die Dusche und zerrte sich dabeidie Kleider herunter, doch das kalte Wasserhalf nicht gegen das Gift in seinen Adern.Die Träume wurden intensiver.

Schankkou fühlte sich so schwach, daß ersich nicht mehr auf den Beinen halten konn-te. Er kippte nach vorn und rollte aus derHygienekabine heraus, sein Kopf schlug ge-gen einen Sessel. Der Schmerz durchzuckteihn. Ihm war, als werde er von einem Dolchdurchbohrt.

Schankkou begann wie im Schüttelfieberzu zittern. Er verfluchte sich und seine Ge-nußsucht. Warum hatte er unbedingt diefünf- bis zehnfache Menge dessen verzehrenmüssen, was die Wissenschaftler für vertret-bar hielten? Warum hatte er sich mit denTraumpilzen so intensiv vergiften müssen?

Die Angst und das Schuldbewußtsein trie-ben ihn hoch. Mühsam schleppte er sichdurch seine Wohnung bis zum Medikamen-tenschrank. Er injizierte sich ein aufpeit-schendes Mittel, das seinen Blutdruck scharfnach oben trieb und seinen Geist ein wenigklärte.

Unter größten Anstrengungen streifte ersich trockene Kleider über und zwang sichdanach, zu seinem Gleiter zu gehen. Als erdie Maschine erreicht und das Ziel einge-tippt hatte, war er mit seinen Kräften am En-de. Er brach zusammen und blieb regungslosin den Polstern der Sessel liegen. Seine Au-

gen standen weit offen, sein Geist war rege,sein Atem raste, aber er konnte sich nichtmehr bewegen. Die Muskeln verweigertenihm die Dienste.

Die Maschine jagte in die Nacht hinaus.Skaranore Schankkou mußte daran den-

ken, daß er auch Stimmen von Wissen-schaftlern gehört hatte, die der Meinung wa-ren, daß Traumpilze in keinem Fall gefähr-lich waren. Ein Wissenschaftler hatte sogarbehauptet, man könne sich ausschließlichvon diesen Pilzen ernähren, ohne schädlicheFolgen befürchten zu müssen.

Zum ersten Mal kam Schankkou der Ge-danke, daß er vergiftet worden sein könnte.Doch er konnte sich nicht genügend auf ihnkonzentrieren. Die toxischen Stoffe in sei-nem Blut gewannen die Oberhand. Die un-bewußten Wünsche stiegen an die Oberflä-che seines Bewußtseins, und turbulenteTräume begannen. In ihrem Mittelpunktstand Orbanaschol III. Skaranore Schankkousah sich, wie er den Imperator voller Haß er-mordete und wie er in einem nachfolgendenTraum an seiner Seite die größten Triumphefeierte und von ihm als Held von Arkon aus-gezeichnet wurde.

Die aufputschenden Mittel, die er sichinjiziert hatte, machten alles noch vielschlimmer. Sie belasteten seinen Kreislaufbis an den Rand des Erträglichen und triebenden Arkoniden in eine schwere gesundheitli-che Krise.

Als der Gleiter auf dem Dach des Stoqua-ed Instituts landete und dabei einen Alarmauslöste, lag Schankkou konvulsivischzuckend in den Polstern. Er war nicht mehrbei Bewußtsein.

*

»Sie haben LA-1 gesehen«, sagte AvraelArrkonta tonlos.

Axton drehte den Kleinstroboter herum,als der Kampfroboter stehenblieb. Auch jetztstand LA-1 noch im Schatten des mächtigenLaufwerks. Auf dem Bildschirm waren deut-lich zwei Arkoniden zu erkennen, die sich

Eine Botschaft für Arkon 41

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ihm näherten.In diesem Moment heulten die Alarmsire-

nen im Institut Stoquaed auf.»Aus«, sagte Axton niedergeschlagen.Er ließ die Hände sinken.»Verdammt. Damit habe ich nicht gerech-

net«, erklärte Arrkonta keuchend. Er hatteseine Worte kaum zu Ende gebracht, als derTürsummer der Wohnung anschlug. Die bei-den Arkoniden und der Terraner fuhren zu-sammen, als seien sie vom Schlag getroffenworden. Axton war unfähig, sich zu bewe-gen.

»Das ist doch unmöglich«, sagte Arrkontastammelnd. »Sie können uns nicht entdeckthaben.«

Lebo Axton erholte sich am schnellstenwieder.

»Machen Sie die Tür auf«, befahl er.»Schnell. Es kann auch einer von unserenLeuten sein.«

Der Industrielle eilte zur Tür und öffnetesie.

»Ich habe es nicht ausgehalten«, sagteKirko Attrak mit gepreßter Stimme unddrängte sich in die Wohnung. »Ich mußtezurückkommen, um zu sehen, was passiert.«

Axton und Arrkonta blickten sich an, oh-ne etwas zu sagen. Sie wußten, was der an-dere in den letzten Sekunden empfundenhatte. Der Verwachsene wandte sich demBildschirm wieder zu.

Die beiden Arkoniden waren näherge-kommen.

»Eingraben«, rief Arrkonta erregt.Axton griff nach einem Hebel, doch der

Industrielle drückte ihm die Hand zur Seiteund legte einen anderen Hebel um. Der Bild-schirm wurde dunkel.

»Was ist los?« fragte Kirko Attrak.»LA-1 gräbt sich in den Boden«, berichte-

te Arrkonta. »Wenn wir Glück haben, findetman ihn nicht.«

Ein lautes Krachen und Knirschen kamaus dem Lautsprecher. Es hielt einige Minu-ten lang an. Dann wurde es ruhiger. Die Ge-räusche kehrten zwar in regelmäßigen Ab-ständen wieder, nahmen dabei aber immer

mehr ab.»Der Roboter entfernt sich von LA-1«,

stellte Axton atemlos fest.»Sie haben LA-1 nicht gefunden«, sagte

Arrkonta.»Wie ist das möglich?« fragte Attrak

kopfschüttelnd. Er setzte sich neben demVerwachsenen auf einen Hocker. »Habe ichmich geirrt, oder standen wirklich zwei Wa-chen direkt vor dem Roboter?«

»Sie waren da«, bestätigte Axton. Nochimmer dröhnte der Lärm der Sirenen ausdem Lautsprecher, doch plötzlich erstarbauch dieses Geräusch.

»Verdammt, warum können wir dennnichts sehen?« forschte Attrak nervös. »Wielange soll der Roboter noch im Boden blei-ben?«

Axton legte einen Hebel um, drückte ihnjedoch nicht ganz durch. Damit erreichte er,daß LA-1 sich langsam bewegte.

»Wer sagt uns eigentlich, daß LA-1 denAlarm ausgelöst hat?« fragte er.

»Wer soll es denn sonst gewesen sein?«Kirko Attrak verzog geringschätzig die Lip-pen.

»Das weiß ich nicht«, erwiderte Axton.»Mir fällt nur auf, daß die Arkoniden undder Roboter sich entfernt haben. Das mußeinen Grund haben.«

LA-1 grub sich aus dem Boden hervor.Das Bild des Kontrollgeräts klärte sich. Inder Nähe des Kleinstroboters war niemandzu sehen. Das Gelände war wie leergefegt.

»Sie haben recht«, sagte Arrkonta über-rascht. »Der Alarm hat mit LA-1 nichts zutun. Etwas anderes muß vorgefallen sein.«

»Das ist Pech«, bemerkte Kirko Attrak.»Dadurch entsteht Unruhe. Im gesamten In-stitut herrscht nun größere Aufmerksamkeit.Wir sollten LA-1 zurückziehen und es mor-gen noch einmal versuchen.«

»Warum denn?« fragte Axton. »Nun hatLA-1 noch bessere Chancen als vorher. Undwir werden sie nutzen.«

Axton wechselte zu den Infrarotkamerasüber, die am Fenster standen. Der Arkonide,der schon den ganzen Tag über den Beob-

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achtungsposten besetzt gehalten hatte, wiesmit stummer Geste auf einen Bildschirm.Auf ihm war ein Gleiter zu sehen, der aufdem Dach des Instituts gelandet war. Mehre-re Wachen holten einen offenbar bewußtlo-sen Mann daraus hervor.

»Ich glaube, ich verstehe«, sagte der Kos-mokriminalist. »Das muß SkaranoreSchankkou sein. Er befindet sich im Rausch.Er träumt. Offenbar ist er in Panik geratenund deshalb hierher gekommen. Auf demFlug hierher hat das Gift gewirkt.«

Die Arkoniden waren zu ihm gekommen.Auch sie beobachteten die Szene.

»Schnell«, drängte Axton. »Wir müssenLA-1 ins Haus bringen. Jetzt haben wir diebesten Aussichten.«

Er kehrte zu seinem Platz am Steuerpultzurück und betätigte die Hebel. Der Klein-stroboter rannte an der Wand entlang bis zueinem Wabenfenster. Eine Wabe war nachaußen gekippt.

»Auf so etwas habe ich gewartet«, sagteAxton. Er lenkte den Roboter näher an dasFenster heran. Wieder griffen die stählernenHände in das rauhe Material einer Kunst-stoffbetonwand. LA-1 arbeitete sich daranhoch, bis er den Spalt im Fenster erreichthatte. Als der Terraner den Roboter zu derÖffnung führen wollte, verschätzte er sich inder Entfernung. LA-1 trat ins Leere undstürzte auf den Boden zurück. Axton fluchteund ließ ihn erneut an der Wand hochklet-tern. Dieses Mal hatte er mehr Glück. DerKleinstroboter rutschte durch den Spalt undglitt an einer Glaswand herunter, bis seineFüße gegen ein Netz prallten.

»Was ist das?« fragte Kirko Attrak. »EinGitter?«

»Es ist zum Schutz gegen Insekten ange-bracht worden«, sagte Axton. »So kann mandas Fenster öffnen, ohne Ungeziefer insHaus zu lassen.«

Er führte LA-1 vorsichtig zur Seite, bis eran eine Art Rahmen geriet.

»Daran ist das Netz festgeklebt«, stellteder Terraner fest.

Die Hände des Roboters krallten sich in

die Maschen und zerrten daran. Knisterndlösten sich die Klebstellen, und schon nachSekunden entstand ein Riß, der groß genugfür LA-1 war. Da Axton sich nur mit Hilfeder Kamera im Kopf des Kleinstroboters in-formieren konnte, hatte er Mühe, diesendurch die Öffnung zu dirigieren. Er brauchtefast eine halbe Stunde, bis es ihm endlichgelungen war.

LA-1 befand sich am Ende eines Ganges,von dem mehrere Türen abzweigten. Erstand auf einer Fensterbank in einer Höhevon etwa zwei Metern.

»Lassen Sie ihn ruhig springen«, empfahlArrkonta. »Er wird es unbeschadet überste-hen.«

Axton tat, was der Arkonide gesagt hatte.LA-1 stürzte in die Tiefe. Er prallte hart auf,und das Bild verschwand für einige Sekun-den vom Bildschirm. Dann kehrte es allmäh-lich wieder zurück.

»Was habe ich gesagt?« fragte Arrkonta.»Es war leichtsinnig«, tadelte Kirko At-

trak.»Eine andere Möglichkeit gab es nicht«,

bemerkte Axton. »Es ist alles in Ordnung.Wir haben also keinen Grund, uns aufzure-gen.«

»Und wir haben eine wichtige Waffe indas Institut gebracht«, stellte Arrkonta tri-umphierend fest. »Noch vor zwei Stundenhabe ich daran gezweifelt, daß wir es schaf-fen können. Jetzt glaube ich, daß Lebo wie-der einmal sein Ziel erreichen wird.«

»Was haben wir denn schon erreicht?«fragte Attrak skeptisch. »LA-1 ist im Insti-tut. Na schön. Aber sonst? Er ist noch langenicht beim Transmitter. Und dieser ist nochnicht aktiviert. Wir sind noch nicht im Insti-tut, und die positronischen Teile sind nichtin greifbarer Nähe.«

»Wir müssen Schritt für Schritt vorge-hen«, erwiderte Avrael Arrkonta gelassen.»Ich verlasse mich auf Lebo. Er wird esschon machen.«

»Davon bin ich auch überzeugt«, sagteder Verwachsene, »aber zunächst muß ichmich etwas erholen. Vielleicht sollten Sie,

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Avrael, LA-1 für einige Zeit übernehmen.Sie können ihn bis zu der Tür dort im. Hin-tergrund führen.«

»Wissen Sie, wo LA-1 ist?« erkundigtesich Attrak. »Ich meine, wo ist sein Ziel, derTransmitterraum?«

Axton erhob sich und nahm eine Bau-zeichnung von einem Tisch. Er breitete sievor den Arkoniden aus. Er tippte auf einenGang, der sich auf der linken Hälfte derVorderseite befand.

»Dies ist der gegenwärtige Standort desRoboters«, erläuterte er. »LA-1 muß alsodurch die Tür am Ende des Ganges, dannnach rechts am Antigravschacht vorbei zumTransmitterraum, der direkt neben dem AG-Schacht liegt. Die Frage ist, wie wir ihndurch die Türen bringen.«

»Darüber habe ich auch schon nachge-dacht«, sagte Kirko Attrak. »Das scheint einschwieriges Problem zu sein. Wir müssengewaltsam vorgehen.«

Avrael Arrkonta übernahm den Platz Ax-tons.

»Das wollen wir erst einmal sehen«, sagteer. Geschickt leitete er LA-1 auf die Tür zu.

»Was haben Sie vor?« fragte Attrak.»Das«, antwortete Arrkonta und kippte

einen Hebel nach vorn. Auf dem Bildschirmwar zu erkennen, daß der Roboter senkrechtin die Höhe schnellte. Plötzlich geriet derÖffnungskontakt der Tür in den Sichtbereichdes Kleinstroboters. Arrkonta betätigte einenanderen Hebel. Die rechte Faust des Robo-ters zuckte über den Bildschirm, erreichteden Öffnungskontakt jedoch nicht. LA-1stürzte wieder in die Tiefe. Arrkonta fingden Robot so gut ab, daß LA-1 auf den Fü-ßen landete und nicht umkippte. Das Bildzitterte und schwankte nur für einige Sekun-den, dann hatte der Industrielle die Maschi-ne wieder voll im Griff.

»Versuchen Sie es noch einmal«, sagteAxton fasziniert. Er beobachtete, wie Arr-konta LA-1 erneut springen ließ. Und wie-derum schien die Wand nach unten zu wan-dern. Der Kontakt rückte ins Bild. Die Faustzuckte vor. Und sie traf. Doch dabei wurde

der Roboter zurückgeschleudert. Er über-schlug sich mehrfach und prallte mit demRücken auf.

Der Bildschirm wurde dunkel. Axtonkonnte gerade noch erkennen, daß die Türsich öffnete. Wie gebannt blickten die Män-ner auf das Videogerät. Sekunden verstri-chen, dann endlich formte sich das neueBild.

»Die Tür geht wieder zu«, schrie KirkoAttrak erregt.

Obwohl Avrael Arrkonta sich noch nichtsehr gut orientieren konnte, riß er LA-1 hochund ließ ihn springen. Der Türspalt wurdeschmaler und schmaler, doch dann ver-schwand er völlig aus dem Blickfeld.

»Geschafft«, sagte Axton erleichtert. LA-1 befand sich auf einem anderen Gang. Arr-konta lenkte ihn sofort nach rechts, als er ihnwieder voll unter Kontrolle hatte.

»Achtung«, rief Kirko Attrak. »Ein Reini-gungsroboter!«

Vor dem Kleinstroboter wuchs die riesen-haft wirkende Maschinerie eines automati-schen Reinigungsgeräts auf. Plötzlich gähntevor LA-1 die schwarze Öffnung eines An-saugstutzens.

Arrkonta riß den Miniroboter herum undbeschleunigte ihn. Das Bild zitterte undschwankte.

»LA-1 kommt viel zu langsam voran«,stellte der Industrielle fest. »Der Staubsau-ger erwischt ihn.«

»Zur Seite mit ihm«, befahl Axton mitschriller Stimme.

Arrkonta warf die Hebel abwechselndnach vorn und nach links. Auf dem Bild-schirm des Videogeräts war kaum noch et-was zu erkennen. LA-1 schien einen sinnlo-sen Tanz auszuführen, bei dem er die Nähedes Reinigungsroboters suchte. Doch dastäuschte. Tatsächlich flüchtete der Kleinstro-boter vor dem automatischen Staubsauger,aus dessen Sog er sich nicht lösen konnte.

»Umdrehen«, rief Axton. »Geben Sie demSog nach, und lassen Sie LA-1 hochschnel-len. Vielleicht kommt er dann am Stutzenvorbei.«

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Arrkonta begriff, was der Kosmokrimina-list meinte. Er riß LA-1 herum. Die Öffnungdes Ansaugstutzens wuchs an, bis sie fastdas ganze Bildformat ausfüllte. Dann aberbetätigte Arrkonta die Sprungbeine. LA-1stieg plötzlich in die Höhe, schoß über dieobere Kante des Stutzens hinaus und warfdie Arme nach vorn, als eine Art Griff imBild erschien.

»Phantastisch«, sagte Axton begeistert,als Arrkonta es schaffte, die Arme desKleinstroboters um den Griff zu legen. »Erist vorläufig in Sicherheit.«

»Vorläufig«, bemerkte Kirko Attrak.Der Reinigungsroboter drehte sich offen-

bar um sich selbst. Die Ein- und Austritts-öffnungen der Antigravschächte rückten insBild. Ein Arkonide trat auf den Gang hinaus.Er wandte dem Roboter den Rücken zu undentfernte sich von ihm. Er ging einigeSchritte und blieb dann vor einer Tür stehen.Stirnrunzelnd blickte er direkt in die Kamerades Roboters, wandte sich jedoch sofort wie-der ab. Er hatte offenbar nicht bemerkt, wasam Reinigungsgerät hing.

»Er will den Transmitterraum kontrollie-ren«, rief Axton erregt. »Avrael, das ist un-sere Chance. Hinterher.«

»Nein«, protestierte Attrak scharf. »Daswäre ein Fehler.«

Der Arkonide legte die Hand an den Öff-nungskontakt. Die Tür glitt zur Seite. In die-sem Moment handelte Avrael Arrkonta. Eraktivierte LA-1. Der Kleinstroboter sprangvom Reinigungsgerät herunter und raste los.Die Tür schloß sich unglaublich schnell,aber nicht schnell genug. LA-1 sprang imletzten Moment hindurch. In der nächstenSekunde schienen die Lautsprecher zersprin-gen zu wollen. Ein ungeheurer Lärm brachaus ihnen hervor.

Arrkonta beherrschte die Situation. Erführte LA-1 in unvorstellbar hohem Tempobis hinter eine Schaltbank, die etwa andert-halb Meter vom Eingang entfernt war. Hierriß er ihn herum, bis die Kamera genau aufdas Türschott zeigte.

»Der Reinigungsroboter ist gegen die Tür

geprallt«, sagte Axton.»Verdammtes Miststück«, kommentierte

Arrkonta. »Mußte das ausgerechnet jetztpassieren?«

Der Arkonide, der den Transmitterraumkontrollieren wollte, kehrte zur Tür zurückund öffnete sie. Verblüfft blickte er auf denReinigungsroboter, der sich an ihm vorbei-schieben wollte. Er fluchte lauthals und ver-setzte dem Gerät einen Fußtritt. Damitschleuderte er es auf den Gang zurück. Dannschloß er die Tür und verschwand aus demBlickfeld.

Arrkonta steuerte LA-1 so, daß dieser sicheinmal um sich selbst drehte. Dann führte erihn behutsam zu einer Schaltbank, die aufetwa zehn Zentimeter hohen Füßen stand.Darunter war genügend Platz, den Kleinstro-boter zu verstecken.

Deutlich waren die Schritte des Kontrol-leurs zu hören, obwohl sie durch einen Tep-pich gedämpft wurden. Einige Minuten ver-strichen. Dann erschienen die Füße des Ar-koniden unmittelbar vor LA-1, doch dieserwar gut versteckt. Schankkous Mitarbeiterkam nicht auf den Gedanken, sich zu bückenund unter das Schaltpult zu blicken. Erwandte sich bald wieder ab. Arrkonta steuer-te den Kleinstroboter bis fast an den Randdes Schaltpults vor. Von hier aus konnte ersehen, daß der Kontrolleur den Transmitter-raum durch die Tür verließ, durch die erauch hereingekommen war. UndeutlicheWorte tönten aus den Lautsprechern. DieTür schloß sich wieder, ohne daß der Reini-gungsroboter hereingekommen wäre.

»Was hat er gesagt«, fragte Kirko Attrak.»Ich habe einige unfreundliche Worte

über Skaranore Schankkou gehört«, antwor-tete Axton.

»Und was nun?« forschte Attrak. »Wirkönnen doch unter diesen Umständen nichtweitermachen.«

»Warum nicht?«»Wie können wir etwas erreichen, wenn

im Haus eine derartige Unruhe herrscht?Das ist doch unmöglich.«

»Ich bin anderer Ansicht«, erwiderte Ax-

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ton. »Schankkous Leute haben alles über-prüft. Sie haben festgestellt, daß kein Grundzur Aufregung besteht. Es ist eine Erfah-rungstatsache, daß Wachen nach einemgrundlosen Alarm in ihrer Aufmerksamkeitnachlassen.«

Axton trank etwas Tee und übernahm LA-1 danach wieder. Er führte ihn unter demSchaltpult heran und ließ ihn dann hoch-springen. Der Kleinstroboter landete auf ei-nem Schaltpult in einer Höhe von etwa ei-nem Meter. Von hier aus hatte er einen gu-ten Rundblick. Axton drehte sich langsamum sich selbst, bis die Kamera den gesamtenRaum erfaßt hatte.

»Da ist es«, sagte der Verwachsene undzeigte auf einen Schrank, der sich über ei-nem anderen Schaltpult erhob. Er lenkteLA-1 nun bis zu einer Wandleiste und ließihn darauf entlanggehen, bis er einen Ge-tränkeautomaten erreichte. Der Kleinstrobo-ter schnellte sich in die Höhe und eilte aufdem Automaten weiter bis zu dem von Ax-ton bezeichneten Schrank, der verschlossenwar.

»Das ist nur ein einfacher Kontaktver-schluß«, stellte Arrkonta fest. »Das dürftekein Problem sein.«

Der Terraner steuerte LA-1 bis zur oberenKante des Schrankes vor, drehte ihn um undließ ihn dann rückwärts über die Kante tre-ten. Der Roboter stürzte ab. Als er am Kon-taktschloß vorbeifiel, hämmerte seine rechteFaust blitzschnell gegen das Verschlußele-ment. Die Tür schwang auf.

»Tatsächlich! Da ist das Sicherungs-stück«, rief Kirko Attrak, der bis zu diesemMoment daran gezweifelt hatte, daß Axtonrecht hatte. Im Schrank lag ein positroni-sches Teil, das etwa so groß war wie eineMännerfaust.

Lebo Axton ließ LA-1 bis nahe an denSchrank herantreten, dann brauchte der Ro-boter nur noch etwa zehn Zentimeter hoch-zuspringen. Danach stand er direkt nebender Sicherung, die allabendlich aus demTransmitter entfernt wurde und ihn damitfunktionsunfähig machte. Der Terraner führ-

te LA-1 so weit wie möglich um das Teilherum, bis er auf dem Bildschirm genau se-hen konnte, wie der Roboter es am bestenanfassen konnte. Danach begann die schwie-rigste Phase des gesamten Unternehmens.

»Warten Sie noch ein wenig«, riet AvraelArrkonta. »Sie müssen LA-1 wirklich imGriff haben. Eine Panne können wir unsnicht leisten.«

»Der Roboter ist viel zu klein für dieseAufgabe«, kritisierte Attrak.

»Er ist groß genug«, erwiderte Arrkonta.»Sie werden es erleben.«

»Ich versuche es«, sagte Axton. »Wirwollen keine Zeit verlieren.«

LA-1 begann mit seiner eigentlichen Auf-gabe, für die er konstruiert worden war. Erlegte die Arme an die Sicherung, als derTerraner ihm per Fernsteuerung den entspre-chenden Befehl gab. Langsam hob er daskugelförmige Element hoch und drehte sichherum. Er konnte nur noch seitlich daranvorbeisehen. Das erschwerte die Arbeit Ax-tons noch mehr.

Langsam führte der Terraner ihn bis andie äußerste Kante des Brettes, auf dem erstand, und ließ ihn dann springen. Jetzt hatteer LA-1 so gut im Griff, daß dieser nichtmehr stürzte. Er mußte zwar zweimal korri-gieren, hielt ihn aber auf den Beinen.

Nun lenkte er ihn behutsam zur Seite.Von Schritt zu Schritt wurde er sicherer.LA-1 ging über eine Schaltkonsole direkt biszum Transmitter.

»Als ob man den Transmitter für unsereZwecke eingerichtet hätte«, sagte Arrkontaleise.

LA-1 kam an ein Schaltelement. Es galt,eine Stufe von etwa zehn Zentimetern Höhezu überwinden. Lebo Axton schaffte es beimersten Versuch. Nun brauchte der Kleinstro-boter nur noch bis zu einem rot markiertenFach vorzudringen, das durch ein Schiebe-türchen verschlossen war.

Axton ließ LA-1 das positronische Teilablegen und das Schott öffnen. Dann sorgteer dafür, daß der Robot die Sicherung wie-der aufnahm und sie in die Kontakthalterun-

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gen drückte.»Geschafft«, sagte Axton.»Nun noch den Hebel«, drängte Arrkonta.Axton führte LA-1 etwa einen Meter weit

bis zu einem Hebel, der aus dem, Schaltpultemporragte. Der Roboter war kleiner als derHebel. Dennoch schaffte er es mühelos, ihnumzulegen.

Auf dem Bildschirm war klar zu erken-nen, daß die Hauptkontrolleuchten desTransmitters aufflammten.

»Ich gratuliere«, sagte Kirko Attrak. »Siehaben es tatsächlich geschafft. Der Trans-mitter ist einsatzbereit.«

Axton lehnte sich erschöpft zurück. Erwischte sich mit dem Handrücken über dieschweißnasse Stirn.

»Wie sieht es auf dem Parkdach aus?«fragte er den Arkoniden, der mit Hilfe vonInfrarotkameras das Institut Stoquaed beob-achtete.

Der Mann, dessen Namen Axton nochnicht einmal kannte, wandte sich ihm zu.

»Da drüben ist alles ruhig«, berichtete er.»Die Wachen ziehen wieder ihre Runden.Die Lichter sind ausgeschaltet worden.«

»Dann können wir beginnen«, sagte Ax-ton. »Gehen wir zum Transmitter hinüber.«

8.

Der Transmitter stand in einem anderenRaum der Wohnung. Er war nicht besondersgroß, reichte aber vollkommen aus, zumal esnicht darum ging, erhebliche Entfernungenzu überbrücken. Die Ingenieure Arrkontashatten ein Sonderaggregat aufgebaut, dasüber neunzig Prozent der benötigten Energielieferte. Den Rest glaubte Axton gefahrlosaus dem Netz des Trichterhauses entnehmenzu können.

Avrael Arrkonta eilte zu einem Raum, indem seine Positronikingenieure auf ihrenEinsatz warteten. Die beiden Männer schlie-fen. Er weckte sie auf. Sie erfrischten sichkurz und waren nach wenigen Minuten ein-satzbereit. In dieser Zeit hatte Lebo Axtonden Transmitter so weit vorprogrammiert,

daß die Transportation beginnen konnte.»Ich würde Sie gern begleiten«, sagte

Arrkonta.»Sie bleiben besser hier«, entgegnete der

Verwachsene. »Drüben kann es gefährlichwerden.«

»Dennoch. Ein Mann mehr kann nichtschaden.«

Axton überlegte kurz, dann stimmte er zu.Avrael Arrkonta kannte seine Ingenieurebesser als er. Seine Anwesenheit im Institutkonnte daher tatsächlich vorteilhaft sein.

»Einverstanden«, sagte Axton.Er ging als erster durch den Transmitter.

Dabei nahm er seinen Energiestrahler in dieHand. Doch das war eine unnötige Vor-sichtsmaßnahme, da sich niemand im Trans-mitterraum des Instituts aufhielt.

Der Terraner winkte LA-1 grinsend zu.Der Kleinstroboter antwortete mit gleicherGeste. Axton war so überrascht, daß er denrechten Arm noch immer hochhielt, alsAvrael Arrkonta und die beiden Positroniks-pezialisten aus dem Transmitter kamen. Erhatte nicht damit gerechnet, daß jemand ander Fernsteuerung für LA-1 sitzen könnte.

»Alles in Ordnung?« fragte Arrkonta.»Ja«, entgegnete der Terraner. Er schalte-

te den Transmitter ab, während Arrkonta dieTür öffnete. Im Haus war alles ruhig. Nurdie Notleuchtplatten brannten. Die Antigrav-schächte arbeiteten.

Wiederum ging Axton voran. Mit derschußbereiten Waffe in der Hand schwebteer nach oben, doch niemand trat ihm entge-gen. Er stieg bis in das Obergeschoß auf undgab den Arkoniden ein Handzeichen. Erstjetzt folgten sie ihm.

»Es ist alles ruhig«, sagte er wispernd. Erdeutete auf eine blaue Tür. »Da ist der Ar-beitsraum von Skaranore Schankkou. Erwird darin sein und schlafen.«

»Wir müssen zu der roten Tür dort. Rich-tig?«

»Richtig, Avrael.« Er eilte weiter, müh-sam darauf bedacht, alle Geräusche zu ver-meiden. Doch sein Atem ging laut und keu-chend, und es gelang ihm nicht, die Füße

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vorsichtig genug zu setzen. Dennoch blieber ruhig. Seine neuerwachten Sinne melde-ten keine Gefahr.

Axton erreichte die rote Tür und horchte.Sein Herz begann heftig zu klopfen. Er wuß-te, daß er vor dem Raum stand, in dem diepositronischen Teile lagerten, um die esging. Wurden sie bewacht? Hielt sich je-mand im Labor auf?

Axton überprüfte seine Waffe. Er zögertenur, dann aber drückte er seine Hand ent-schlossen gegen den Öffnungskontakt. Laut-los glitt das Türschott zur Seite, und derVerwachsene stürmte in den Raum.

Erleichtert schob er den Energiestrahler inden Gürtel zurück.

»Niemand da«, stellte er erleichtert fest.Die drei Arkoniden folgten ihm und schlos-sen die Tür hinter sich.

»Jetzt sind wir dran«, sagte einer der bei-den Positronikexperten.

Im Labor war es dunkel. Von draußen fielnur ein wenig Licht durch die Fensterschei-ben. Es reichte jedoch für die beiden Spezia-listen aus, sich zu orientieren. Nachdem sieetwa fünfzehn Minuten lang gesucht hatten,blieben sie an einem Pult stehen.

»Hier ist es«, sagten sie.Avrael Arrkonta und Lebo Axton gingen

zu ihnen. Sie sahen, daß einige kompliziertaussehende Teile unter einer Glasscheibe la-gen.

»Hier ist bestimmt irgendwo eine Falleeingebaut«, vermutete Axton. »Warten Sie.Das ist mein Gebiet.«

Er untersuchte den Behälter und hatteschon nach einigen Minuten das ganze Ge-heimnis gelüftet. Nun brauchte er nur nocheinige Sekunden, bis er die Glasscheibe zurSeite schieben konnte, ohne daß die Alarm-sirenen aufheulten.

»Bitte, meine Herren«, sagte er.»Bedienen Sie sich. Hoffentlich ist es, hellgenug für Sie.«

»Wir werden dort drüben am Fenster ar-beiten«, antwortete einer der beiden Positro-nikingenieure. Er nahm eines der Bauteileheraus und trug es zu einem Labortisch hin-

über, der von den außen an den Gebäude-mauern angebrachten Scheinwerfern be-schienen wurde. Er konnte hier arbeiten, oh-ne von den Wachen und Kampfrobotern ge-sehen zu werden. Arrkonta und Axton bliebnur noch die Aufgabe, sie abzusichern.

»Verdammt«, sagte der Terraner nach ei-nigen Minuten. »Wir haben LA-1 unten imTransmitterraum gelassen. Wir hätten ihnmitnehmen sollen. Wenn die Wachen nocheinmal kontrollieren, sind wir geliefert.«

»Das sind wir in einem solchen Fall sooder so«, entgegnete Arrkonta. Er lächelteverzerrt. »Wir schaffen es ohnehin nur,wenn das Glück weiterhin auf unserer Seiteist.«

»Wie lange werden Ihre Ingenieure noch…?«

»Ruhig«, unterbrach ihn der Arkonide. Ertrat an die Tür und lauschte. Axton geselltesich zu ihm. Er hörte Schritte. Jemand huste-te.

Auf dem Gang war jemand.Besorgt blickte Axton auf sein Chrono-

meter. Die Zeit schien zu rasen. Hatte er et-was übersehen? Führen die Wachen regel-mäßig Rundgänge durch das Gebäudedurch?

Seine Hand glitt zur Waffe. Er entsichertesie und richtete sie gegen die Tür. Er warentschlossen, sofort zu schießen, falls siesich öffnete. Wenn der Plan, schon scheiternsollte, so wollte er doch wenigstens überle-ben.

Der Wächter hustete erneut, dann entfern-ten sich die Schritte. Axton eilte zu den bei-den Ingenieuren hinüber.

»Wie lange noch?« fragte er wispernd.»Wir haben es gleich geschafft«, antwor-

tete einer von ihnen. Er hatte ein freundli-ches Wesen. Der andere wirkte verschlos-sen. Er schien überhaupt nicht auf den Ge-danken zu kommen, daß auch er etwas hättesagen können. Mit gesenktem Kopf saß erüber dem positronischen Bauteil und arbei-tete.

»Wie lange?« wiederholte Axton.»Ein paar Minuten noch. Wir sind prak-

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tisch fertig. Der Kristall mit den Informatio-nen ist bereits versteckt und angeschlossen.Wir müssen nur noch ein paar Spuren besei-tigen.«

»Könnte man den Informationskristallnoch entdecken, bevor das Teil nach ArkonIII gebracht wird?«

Der Arkonide schüttelte den Kopf.»Nun nicht mehr«, erwiderte er. »Ich bin

sicher, daß alles klappt. Welche Informatio-nen sind eigentlich in dem Kristall gespei-chert?«

»Das werden Sie noch früh genug erfah-ren«, antwortete Axton lächelnd.

Tatsächlich vergingen nur einige Minu-ten, dann war es soweit. Die Ingenieure leg-ten das positronische Bauteil wieder in denBehälter zurück. Axton schloß die Glas-scheibe und setzte die Alarmanlage wiederin Betrieb. Dann überprüfte er das Labornoch einmal, um sicherzugehen, daß sie kei-ne verräterischen Spuren hinterlassen hatten.

Avrael Arrkonta war an der Tür geblie-ben. Als Axton zu ihm kam, sagte er:»Draußen hält sich niemand auf. Bestimmtnicht.«

»Öffnen Sie«, bat der Terraner.Das Türschott glitt zur Seite. Der Flur war

leer.»Dieses Mal gehe ich voran«, entschied

der Industrielle. Er wartete die Antwort desVerwachsenen gar nicht erst ab, sondern liefüber den Gang bis zum Antigravschacht. Alser sich vergewissert hatte, daß sich auch indiesem keine Wache befand, gab er den an-deren das Zeichen, daß sie ihm folgen konn-ten.

Lebo Axton ließ sich Zeit. Er ging langsa-mer als zuvor, weil er dann seine Füße bes-ser heben konnte und nicht so viele Ge-räusche verursachte. Er erreichte den Anti-gravschacht zuletzt. Die Arkoniden befan-den sich bereits auf dem Weg nach unten.

In diesem Augenblick öffnete sich wenigeMeter von ihm entfernt ein Türschott. Axtonsprang sofort in den Schacht und ließ sichvon dem Antigravschacht nach unten tragen.Voller Anspannung blickte er nach oben. Er

erwartete, jeden Moment über sich einenWächter oder einen Kampfroboter auftau-chen zu sehen. Er hörte Schritte, doch sieentfernten sich vom Schacht. Aufatmend trater auf den Gang im Keller hinaus.

Arrkonta und seine beiden Ingenieure hat-ten den Transmitterraum schon erreicht. Errannte keuchend hinter ihnen her und beru-higte sich erst, als die Tür hinter ihm zufiel.

»Schnell, schalten Sie den Transmitterein«, rief er. »Wir müssen weg. Schnell.«

LA-1 stand noch immer auf dem gleichenFleck.

Avrael Arrkonta aktivierte den Transmit-ter. Das schwarze Transportfeld baute sichaugenblicklich auf. Axton blickte auf LA-1.Der Kleinstroboter hob den Arm.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte der Terra-ner.

Arrkonta ging durch das Transportfeld.Seine beiden Mitarbeiter folgten ihm. Axtonbildete wiederum den Abschluß. Er atmeteauf, als er auf der Gegenstation herauskam.Avrael Arrkonta stand an der Tür. Der Ter-raner gab ihm das Zeichen, daß alles in Ord-nung war. Während der Industrielle in denBeobachtungsraum eilte, schaltete Axtonden Transmitter aus. Damit war die Verbin-dung zum Institut Stoquaed endgültig besei-tigt.

Axton lief zu Arrkonta. Dieser saß an derFernsteuerung für LA-1. Auf dem Bild-schirm war zu erkennen, daß dieser denTransmitter des Instituts bereits ausgeschal-tet hatte.

»Ich bin doch auch recht gut mit LA-1 zu-rechtgekommen«, sagte Kirko Attrak. »Odernicht?«

»Ich war ziemlich überrascht, als der Ro-boter den Arm plötzlich bewegte«, gestandder Kosmokriminalist.

Attrak grinste. Er nickte Axton vergnügtzu.

Avrael Arrkonta lenkte LA-1 zu demSchrank zurück, in dem die positronische Si-cherung aufbewahrt wurde. Er schaffte esfehlerlos, das Teil in den Schrank zu legen.Er schloß die Tür und führte den Kleinstro-

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boter dann quer durch den Transmitterraumbis zum Ausgang. Hier schnellte sich LA-1solange hoch, bis es ihm gelang, den Kon-taktknopf mit genügender Wucht zu treffen.Dann, stürmte er auf den Gang hinaus.

»Achtung, der verfluchte Reinigungsrobo-ter«, rief Kirko Attrak.

Arrkonta wollte LA-1 umdrehen und be-schleunigen, doch Axton legte ihm die Handauf den Arm.

»Nicht«, sagte der Terraner. »Lassen SieLA-1, wo er ist.«

»Der Roboter wird ihn aufsaugen.«»Gönnen Sie dem Kleinen doch die Rei-

se.«Riesengroß wuchs der dunkle Schlund des

Reinigungsautomaten auf dem Bildschirman, bis er ihn ganz ausfüllte. Der Schirmwurde schwarz. Es krachte und donnerte ausden Lautsprechern. Axton regulierte dieLautstärke neu ein, so daß sie gerade nochetwas hören konnten.

»Warum haben Sie das getan?« fragteKirko Attrak. »LA-1 ist ein wertvolles In-strument, das wir uns auch für die Zukunftbewahren sollten.«

Lebo Axton lächelte.»Das werden wir auch, Kirko«, entgegne-

te er. »Sie werden zugeben, daß es nichtleicht gewesen wäre, unseren Kleinen aufdem gleichen Wege, auf den wir ihn in dasInstitut geführt haben, auch wieder herauszu bringen.«

»Allerdings, aber wir hätten es versuchenkönnen.«

»Und wären dabei das Risiko eingegan-gen, daß er erwischt und unser Plan erratenwird«, sagte Axton. Er schüttelte den Kopf.»Nein. So ist es besser. Der Kleine gelangtdurch den Roboter in die Abfallschächte desInstituts. Von hier aus wandert er über diezentrale Abfallbahn bis in das nächste De-pot. Hier findet die Verbrennung statt. Nun,wir werden so lange warten, bis er das Insti-tut verlassen hat. Dann schalten wir ihn wie-der ein und lenken ihn aus dem Abfall her-aus.«

Kirko Attrak pfiff überrascht.

»Daß ich darauf nicht selbst gekommenbin«, sagte er verblüfft. »Dieser Weg ist völ-lig gefahrlos. Meine Anerkennung. GlaubenSie aber, daß wir es nun tatsächlich ge-schafft haben?«

»Sie alter Pessimist«, erwiderte Axton la-chend. »Davon bin ich fest, überzeugt.Schankkou müßte schon alle positronischenBauteile wegwerfen und neue erstellen,wenn er die Katastrophe für Orbanascholverhindern will.«

»Ich gestehe, daß ich erst an einen Erfolgfür uns glauben kann, wenn ich sehe, wasam Wahltag geschieht.«

»Auch wir werden nicht vorher feiern«,sagte Axton. »Bestimmt nicht. Außerdemhaben wir bis dahin noch eine Menge zu tun.Der Transmitter muß abgebaut und wegge-bracht werden. Sämtliche Spuren müssenbeseitigt werden. Das alles kostet Zeit, wennwir nicht auffallen wollen.«

*

Eine derartige Stimmung hatte Lebo Ax-ton noch niemals im Kristallpalast erlebt. Inden zahllosen Räumen, Hallen und Gängenherrschte ein ausgelassenes Treiben. Robot-kapellen verbreiteten lärmende Musik.Überall gab es kostenlos Getränke aller Art.Hunderttausende von Arkoniden bevölker-ten das Zentrum der Macht des arkonidi-schen Imperiums. Kontrollen bestandenpraktisch nicht mehr, obwohl alle Besuchereine weiße Einladungskarte benötigten,wenn sie den Palast betreten wollten. Axtonaber konnte ebenso wie viele andere auch indas Gebäude kommen, ohne seine Kartevorzeigen zu müssen.

Er stand auf dem Rücken seines Robotersund entzog sich somit dem Gedränge einwenig, da Kelly es ihm abnahm, sich durchdie Menge zu schieben. Er mußte nur daraufachten, daß er nicht vom Rücken Kellys her-untergerissen wurde.

Überall auf den Gängen waren wandhoheVideoschirme angebracht worden. Noch er-schienen auf ihnen keine Abstimmungser-

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gebnisse. Dafür war es zu früh. Doch aus al-len Teilen des Imperiums trafen Berichteund Interviews ein. Offensichtlich feiertenauch die Planetenfürsten Orbanaschols aufden zahllosen Planeten des riesigen Macht-gebildes.

Orbanaschol III. befand sich in einer derluxuriösen Hallen des Kristallpalasts. Mehrals zehntausend Gäste hatten sich hier einge-funden. Der Imperator ließ sich seinen ge-planten Triumph etwas kosten. Die Mächtig-sten der Mächtigen aßen und tranken an Ti-schen, die unter der Last des Dargebotenenfast zusammenbrachen.

Axton betrat diese Halle vier Stunden vorBeginn der Impulssperre, nach der keineAbstimmungsergebnisse mehr einlaufenkonnten. Eine halbe Stunde später mußtendann die ersten Resultate auf den Video-schirmen des gesamten Imperiums erschei-nen.

An diesem Tag waren die normalen TV-Programme ausgesetzt worden. Selbst aufden Raumschiffen, die über eine eigene TV-Station verfügten, durfte nur die Wahlsen-dung gebracht werden. Diese war allerdingsauch geschickt und unterhaltsam aufgebaut,so daß sich nur wenige langweilen würden,die sie sahen.

Axton plauderte mit Freunden, Bekanntenund Mitarbeitern. Dabei gelang es ihm, nä-her und näher an Orbanaschol heranzukom-men. Kurz vor Beginn der Impulssperre warer nur noch etwa zehn Meter von ihm ent-fernt. Der Imperator, der in ausgelassenerLaune war, rief ihm einige scherzhafte Wor-te zu.

Neben Orbanaschol saß SkaranoreSchankkou. Auf seinem Schoß hatte eineungewöhnlich schöne Arkonidin Platz ge-nommen. Sie flirtete heftig mit ihm. Er schi-en jedoch kein großes Interesse an ihr zu ha-ben. Er war nervös und blickte immer wie-der zu dem riesigen Videowürfel im Mittel-punkt der Halle hinüber, der mit vier wand-hohen Bildschirmen ausgestattet war. Erschien auf eine Katastrophe zu warten. SeinVerhalten zeigte Axton, daß er nichts von

dem Einbruch in sein Institut bemerkt hatte.Der Terraner geriet in eine fast euphori-

sche Stimmung. Das Gefühl, seine Rache inwenigen Minuten vollenden zu können, be-flügelte ihn. Er scherzte und lachte mit denArkoniden, als sei er nicht weniger alkoholi-siert als sie.

Dann schrie irgendwo jemand auf.Auf den Bildschirmen erschienen die er-

sten Resultate. Es waren nur Tendenzwerte.Sie lagen bei 46 Prozent, wuchsen aber in-nerhalb der nächsten Minuten auf über 50Prozent an und verbesserten sich in rasenderEile.

Die Stimmung wurde noch besser, dochzeigte sich nun eine gewisse Spaltung. Wäh-rend der weitaus überwiegende Teil der Gä-ste zu einem hemmungslosen Fest ansetzten,veränderte sich das Niveau der BegegnungOrbanaschols mit seinen engsten Freundenfast schlagartig. Plötzlich war nichts mehrvon Trunkenheit und einer unkontrolliertenHingabe an das Vergnügen zu bemerken.

Orbanaschol erhob sich und richtete eini-ge Worte an seine Freunde, in denen er ernstvon den großen Aufgaben sprach, die nochvor ihnen allen lagen, und in denen er vollerHaß vor Atlan warnte, der den Bestand desImperiums angeblich bedrohe. Der Kreis umOrbanaschol bildete eine Zelle der Ruhe undder Disziplin.

Axton wurde bewußt, wie gefährlich die-ser Kreis für jeden Gegner Orbanascholswar. Selbst in der Stunde eines großen Tri-umphs, an den sie glaubten, hatten sich dieseArkoniden noch fest in der Gewalt.

Doch schon bald ließ Orbanaschol III.wieder eine Stimmung hemmungsloserFreude aufkommen. Er scherzte und lachte,so wie ihn Axton noch nie zuvor erlebt hat-te.

Das war, als das Abstimmungsergebniseine Höhe von mehr als 90 Prozent erreich-te.

Orbanaschol blickte nun kaum noch aufden Videoschirm. Er drehte sich nur hin undwieder einmal um, wenn ein Journalist eineSondermeldung von einem Planeten brachte,

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auf dem die Politik des Imperators eine fasthundertprozentige Zustimmung gefundenhatte. Die Berichterstatter stimmten bei sol-chen Meldungen geradezu ein Triumphge-heul an.

Lebo Axton nahm es amüsiert zur Kennt-nis. Je wilder die Freude der Arkoniden, de-sto besser für Atlan.

Die Prozentzahlen erreichten 97.Orbanaschol lächelte eigenartig. Axton

wurde aufmerksam. Die Mimik des Impera-tors zeigte ihm an, daß nun bald mit demEndergebnis zu rechnen war.

Es kam nur Minuten später.Auf dem riesigen Videoschirm und über-

all im arkonidischen Imperium erschien dieMitteilung: Endergebnis: 97,3 Prozent Stim-men für Orbanaschol III.

Die Gäste des Imperators stimmten einTriumphgeschrei an. Sie sprangen auf undjubelten.

Da kam eine Ergänzung: 97 Prozent Stim-men für Orbanaschol III. – Mörder desrechtmäßigen Imperators Gonozal VII.

Darunter stand in Klammern: Das Ergeb-nis wurde auf Befehl Orbanaschols III. ma-nipuliert.

Schlagartig wurde es still in der Halle.Entsetzt blickten die Anhänger Orbana-schols III. auf die Videoschirme.

Orbanaschol III. wurde leichenblaß. SeineWangen schienen einzufallen, und die Au-gen schienen aus den Fettwülsten hervorzu-treten. Der Schock zeichnete das Gesicht desDiktators in erschreckender Weise.

Orbanaschol III. öffnete den Mund. Erwollte etwas befehlen, aber nur einige un-verständliche Laute kamen über seine Lip-pen. Die Stimme versagte ihm.

Lebo Axton konnte sich denken, was derImperator wollte. Orbanaschol wartete dar-auf, daß die Techniker die Sendung endlichabbrechen würden, aber in den Sendezentra-len schien man wie gelähmt zu sein.

Endlich schrie Orbanaschol auf. Er schrie,als werde er von einem Dolch durchbohrt.Axton zweifelte nicht daran, daß er in diesenSekunden nahe daran war, seinen Verstand

zu verlieren.Plötzlich wirbelte der Imperator herum. In

seiner Hand funkelte ein Energiestrahler.Skaranore Schankkou sprang auf. Er fuhr

so heftig zurück, daß er dabei einige Stühleund Tische umkippte. Abwehrend streckte erdie Hände aus. Auch er versuchte, etwas zusagen, aber auch seine Lippen verweigertenihm den Dienst.

Orbanaschol III. schoß. Der sonnenhelleEnergiestrahl durchbohrte Schankkou undtötete ihn. Dann richtete der Imperator seineWaffe auf die Videoschirme, doch diese wa-ren bereits erloschen. Auf einem der kleine-ren Schirme konnte Axton lesen: »Die Sen-dung ist leider gestört.«

Er beherrschte sich mit unmenschlicherKraft, um nicht laut loszulachen.

Orbanaschol III. stürmte auf den Ausgangder Halle zu. Die Gäste sprangen links undrechts zur Seite, um ihm Platz zu machen.Niemand sprach. Alle beobachteten die pa-nikartige Flucht des Imperators von der Stät-te der größten Niederlage, die er je erlittenhatte.

*

Vier Tage später stand Lebo Axton vordem Imperator, der in dieser Zeit etwa zehnKilogramm Gewicht verloren hatte. Orbana-schol III. war noch immer vom Schock ge-zeichnet.

Als der Imperator ihm gesagt hatte, was ervon ihm wollte, erwiderte Axton bedauernd:»Es tut mir leid, Imperator, aber Sie habenden Mann, der allein schuldig ist, bereits ge-tötet. Niemand außer Skaranore Schankkouwar in der Lage, die positronischen Bauteilezu verändern.«

»Aber warum? Warum sollte er das getanhaben?«

»Eine Antwort darauf werden wir nichtmehr finden«, erklärte der Verwachsene.»Schankkou ist tot.«

»Es ist gut. Gehen Sie«, befahl Orbana-schol mit tonloser Stimme.

Axton verließ den Raum. Der Imperator

52 H. G. Francis

Page 53: Eine Botschaft von Arkon

war zur Zeit am Ende seiner Kräfte. Er wür-de vielleicht Wochen brauchen, sich zu er-holen.

Axton war mit sich und seiner Arbeit zu-frieden. Laudan Borakin war gerächt, undOrbanaschol III. hatte bekommen, was erverdient hatte.

»Ich wünschte, Atlan wäre hier«, sagteAxton vergnügt und klopfte Gentleman Kel-ly auf den Kopf. »Dies wäre die richtigeStunde für ihn.«

Der Terraner spitzte die Lippen und pfiffeinen arkonidischen Schlager.

Gentleman Kelly hielt sich die Mikropho-ne zu.

»Hör auf, Schätzchen«, sagte er. »Dashält ja kein Roboter aus.«

ENDE

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Eine Botschaft für Arkon 53