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Zonisamid als Monotherapie bei fokalen Epilepsien Eine echte Alternative zu Carbamazepin −Kommentar von Dr. Vivien Homberg Bewährungsprobe Praxis bleibt noch abzuwarten Lange gedauert, aber das Warten hat sich gelohnt. Auch Zoni- samid ist nun zur Monotherapie in Deutschland zugelassen. Dies laut vorliegender Studie als scheinbar ähnlich wirksame Alter- native zu retardiertem Carbamazepin. Im Gegensatz zu diesem hat es allerdings den Komfort einer möglichen Einmalgabe, was, wenn man die Compliance vor allem junger Patienten diskutiert, eine enorme Erleichterung sein wird. Hier löst es hoffentlich Medikamente wie Phenytoin endgültig ab. Ein erheblicher Vor- teil ist zudem sein dem Levetriacetam vergleichbar geringes Interaktionsprofil, einschließlich der damit bestehenden Kom- binationsmöglichkeit mit der Pille oder Phenprocoumon. Leider ist der Beobachtungszeitraum zu kurz, um abschlie- ßend ein Urteil geben zu können. Wir werden sehen, wie es sich bezüglich Anfallsfreiheit in Monotherapie in der Praxis be- währt. Optimistisch stimmt, dass die Patienten allesamt nicht nur in beiden Therapiearmen vergleichbare Anfallsformen und -schwere hatten, sondern auch relativ viele Anfälle in der Base- line-Phase. Dies macht die detektierte Wirksamkeit glaubhaft. Fragestellung: Zonisamid ist ein langjährig erprobtes Medika- ment in jeglichen Kombinationstherapien bei fokalen Epilepsi- en. Ist es in Monotherapie verabreicht genauso effektiv und ver- träglich wie das gut etablierte und wirkstarke Carbamazepin? Hintergrund: Zonisamid ist bereits seit langem in Japan zuge- lassen, in Europa erst seit 2005 zur Kombinationstherapie bei fokalen Epilepsien. Nun stellt sich die Frage nach der europäi- schen Zulassung für die Monotherapie. Bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit muss es sich in dieser Studie gegen retar- diertes Carbamazepin bewähren. Patienten und Methodik: In die doppelblinde, placebokontrol- lierte, randomisierte und multizentrische Studie wurden 583 Pa- tienten mit neu diagnostizierter fokaler Epilepsie eingeschlossen, die entweder retardiertes Carbamazepin (CBZ) oder Zonisamid (ZNS) in Monotherapie erhielten. Die Einstiegsdosis lag für CBZ bei 200 mg auf zwei Einnahmen verteilt, für ZNS waren es 100 mg in Einmalgabe. Die Eindosierungsphase zur postulierten Ziel- dosis bei CBZ von 600 mg/d und ZNS von 300 mg/d betrug vier Wochen. Daran schloss sich eine 26 bis 78 Wochen dauernde, flexible und individuelle Dosisfindungsphase an, in der bei Nebenwirkungen ab- und bei fehlender Wirkung auf- dosiert werden konnte, CBZ bis 1.200 mg/d, ZNS bis 500 mg/d. Das Ziel war An- fallsfreiheit während einer mindestens 26-wöchigen Er- haltungsphase (▶Abb. 1). Ergebnisse: 282 Patienten erhielten ZNS, 301 CBZ. Baulac M, Brodie MJ, Patten A et al. Efficacy and tolerability of zonisamide versus controlled- release carbamazepine for new- ly diagnosed partial epilepsy: a phase 3, randomized, double- blind, non-inferiority trial. Lancet Neurol 2012; 11: 579–88 Patienten (%) 200 mg 300 mg 400 mg 500 mg 400 mg 600 mg 800 mg 1200 mg Zonisamid (Tagesdosis) Carbamazepin (Tagesdosis) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1 Dosierung, in der die Patienten 26 Wochen anfallsfrei blieben. © Lancet Neurol 2012; 11: 579–88 79,4 % waren unter ZNS mehr als 26 Wochen anfallsfrei, 83,7 % unter CBZ. Nebenwirkungen wurden bei 60 % der Patienten un- ter ZNS berichtet und bei 62% unter CBZ. Davon führten in beiden Gruppen nur etwa 11 % zu einer Abdosierung. Schlussfolgerungen: Zonisamid ist retardiertem Carbama- zepin in Monotherapie nicht unterlegen und kann bei neu diag- nostizierten fokalen Epilepsien mit und ohne sekundär genera- lisierten Anfällen gleichermaßen eingesetzt werden. journal club 26 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2012; 14 (12) Dr. med. Vivien Homberg, Bad Berka Chefärztin der Klinik für Neurologie, Zentralklinikum Bad Berka E-Mail: [email protected]

Eine echte Alternative zu Carbamazepin

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Zonisamid als Monotherapie bei fokalen Epilepsien

Eine echte Alternative zu Carbamazepin

−Kommentar von Dr. Vivien Homberg

Bewährungsprobe Praxis bleibt noch abzuwartenLange gedauert, aber das Warten hat sich gelohnt. Auch Zoni-samid ist nun zur Monotherapie in Deutschland zugelassen. Dies laut vorliegender Studie als scheinbar ähnlich wirksame Alter-native zu retardiertem Carbamazepin. Im Gegensatz zu diesem hat es allerdings den Komfort einer möglichen Einmalgabe, was, wenn man die Compliance vor allem junger Patienten diskutiert, eine enorme Erleichterung sein wird. Hier löst es hoffentlich Medi kamente wie Phenytoin endgültig ab. Ein erheblicher Vor-teil ist zudem sein dem Levetriacetam vergleichbar geringes Inter aktionsprofil, einschließlich der damit bestehenden Kom-binationsmöglichkeit mit der Pille oder Phenprocoumon.

Leider ist der Beobachtungszeitraum zu kurz, um abschlie-ßend ein Urteil geben zu können. Wir werden sehen, wie es sich bezüglich Anfallsfreiheit in Monotherapie in der Praxis be-währt. Optimistisch stimmt, dass die Patienten allesamt nicht

nur in beiden Therapiearmen vergleichbare Anfallsformen und -schwere hatten, sondern auch relativ viele Anfälle in der Base-line-Phase. Dies macht die detektierte Wirksamkeit glaubhaft.

Fragestellung: Zonisamid ist ein langjährig erprobtes Medika-ment in jeglichen Kombinationstherapien bei fokalen Epilepsi-en. Ist es in Monotherapie verabreicht genauso effektiv und ver-träglich wie das gut etablierte und wirkstarke Carbamazepin?

Hintergrund: Zonisamid ist bereits seit langem in Japan zuge-lassen, in Europa erst seit 2005 zur Kombinationstherapie bei fokalen Epilepsien. Nun stellt sich die Frage nach der europäi-schen Zulassung für die Monotherapie. Bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit muss es sich in dieser Studie gegen retar-diertes Carbamazepin bewähren.

Patienten und Methodik: In die doppelblinde, placebokontrol-lierte, randomisierte und multizentrische Studie wurden 583 Pa-tienten mit neu diagnostizierter fokaler Epilepsie eingeschlossen, die entweder retardiertes Carbamazepin (CBZ) oder Zonisamid (ZNS) in Monotherapie erhielten. Die Einstiegsdosis lag für CBZ bei 200 mg auf zwei Einnahmen verteilt, für ZNS waren es 100 mg in Einmalgabe. Die Eindosierungsphase zur postulierten Ziel-dosis bei CBZ von 600 mg/d und ZNS von 300 mg/d betrug vier Wochen. Daran schloss sich eine 26 bis 78 Wochen dauernde, flexible und individuelle Dosisfindungsphase an, in der bei

Neben wirkungen ab- und bei fehlender Wirkung auf-dosiert werden konnte, CBZ bis 1.200 mg/d, ZNS bis 500 mg/d. Das Ziel war An-fallsfreiheit während einer mindestens 26-wö chi gen Er-haltungsphase (▶Abb. 1).

Ergebnisse: 282 Patienten erhielten ZNS, 301 CBZ.

Baulac M, Brodie MJ, Patten A et al. Efficacy and tolerability of zonisamide versus controlled- release carbamazepine for new-ly diagnosed partial epilepsy: a phase 3, randomized, double-blind, non-inferiority trial. Lancet Neurol 2012; 11: 579–88

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79,4% waren unter ZNS mehr als 26 Wochen anfallsfrei, 83,7% unter CBZ. Nebenwirkungen wurden bei 60 % der Patienten un-ter ZNS berichtet und bei 62% unter CBZ. Davon führten in beiden Gruppen nur etwa 11% zu einer Abdosierung.

Schlussfolgerungen: Zonisamid ist retardiertem Carbama-zepin in Monotherapie nicht unterlegen und kann bei neu diag-nostizierten fokalen Epilepsien mit und ohne sekundär genera-lisierten Anfällen gleichermaßen eingesetzt werden.

journal club

26 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2012; 14 (12)

Dr. med. Vivien Homberg, Bad Berka

Chefärztin der Klinik für Neurologie, Zentralklinikum Bad BerkaE-Mail: [email protected]