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TECHNIK Eine Triumph „Tiger 100“ Kopie des Großschönauers Bernd Olbrich von 1963 Seite 5 Text: Jürgen Kießlich, Fotos: Jürgen Kießlich (Archiv), Privat Bernd Olbrich aus Großschönau ist heute dem „Edelschrauber-Alter“ entwachsen und widmet sich seinen Autohäusern sowie seinen Pflichten im Gemeinderat – wie man sieht, bereiten ihm die Motorraderlebnisse aus der Jugend, wie hier mit der Megola, noch viel Freude Das ist das Original Nr. 1, die legendäre Triumph „Tiger 100“ aus dem Jahr 1939, äußerlich mit der „Speed Twin“ von 1938 identisch

Eine Triumph „Tiger 100“

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TECHNIK

Eine Triumph „Tiger 100“ Kopie des Großschönauers Bernd Olbrich von 1963

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Bernd Olbrich aus Großschönau ist heute dem „Edelschrauber-Alter“ entwachsen und widmet sich seinen Autohäusern sowie seinen Pflichten im Gemeinderat – wie man sieht, bereiten ihm die Motorraderlebnisse aus der Jugend, wie hier mit der Megola, noch viel Freude

Das ist das Original Nr. 1, die legendäre Triumph „Tiger 100“ aus dem Jahr 1939, äußerlich mit der „Speed Twin“ von 1938 identisch

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Als Edward Turner seine neu-este Kreation, die Triumph „SpeedTwin“, 1938 auf der berühmtenEarls Court Show in London prä-sentierte, kam das schon einerkleinen Revolution auf dem Mo-torcycles-Sektor gleich. Turner warzu dieser Zeit als einer der ge-nialsten Motorradkonstrukteureder Motorradinsel bereits be-rühmt, aber mit der „Speed Twin“hat er sich ein Denkmal für ewiggesetzt. Der 500-ccm-Zweizylin-der-Viertaktmotor war in seinengesamten Konstruktionsmerkma-len der Fachweltweit voraus. Ge-rade in Großbritannien sorgten jahervorragende Motorradkonstruk-tionen seit der Jahrhundertwendefür stete Aufmerksamkeit, zumin-dest sollen die legendären„Brough Superior“ und „Vincent-HRD“ mit ihren großvolumigenund vor Kraft strotzenden V-Twinsgenannt werden. Der „SpeedTwin“ verfügte bei seinen 498ccm Hubvolumen, ergo pro Zy-linder 249 ccm über einen Hubvon 80mm und eine Bohrung von63 mm. Die geschmiedete Kur-belwelle drehte sich in nur zweiKugellagern im vertikal geteiltenKurbelgehäuse aus gegossenemAluminium. Die Kurbelwelle ver-fügte über eine zentrale Schwung-scheibe, die Kurbelwangen wa-ren gleichzeitig als Ausgleichs-gewichte konzipiert. Der urbriti-sche Paralleltwin erbrachte imGrundmodell relativ bescheidene27 PS Leistungsabgabe, aber daswar ja nur der Einstieg einerneuen Motorradgeneration. Nichtfür umsonst bezeichneten nam-hafte Motorradfachjournalistenwesentlich später, erst nachdemder Begriff „Superbike“ überhauptgeboren wurde, Turners „SpeedTwin“ als das erste „Superbike“in der Motorradgeschichte über-haupt.

Bereits ein Jahr später (1939)schlug Turner ein weiteres Mal zu.Mit seinem ebenfalls im Stamm-haus in Coventry entwickeltenNachfolgemodell unter der Be-

zeichnung „Tiger 100“ präsen-tierte er für lange Zeit das be-rühmteste Modell, aus welchemüber Generationen hinweg stän-dig neue Kreationen entstanden.So war sie sogar der Urahn derberühmten „Daytona“ und „Bon-neville“, unter Liebhabern errangdas letztgenannte Modell als„Bonni“ Weltruf. Einer der be-rühmtesten Triumph-Fahrer warder Schauspieler Steve McQueen,aber nicht als Playboy, wie evtl.viele Leute meinen, nein, im har-ten Rennsport, auch im Offroad-Einsatz machte er eine bemer-kenswerte Figur. In der ehemali-gen DDR war er sogar bei deneinzigen Six Days, welche 1964im Raum Erfurt ausgetragen wur-den, auf Triumph in der USA-Na-tionalmannschaft vertreten undbegeisterte die heranwachsen-de Motorradgeneration. Die Be-zeichnung des Sportmodells „Ti-ger 100“ beruhte auf deren er-reichbarer Endgeschwindigkeit.Die britische Motorradindustrieunterzog zu jener Zeit ihre Ma-schinen Tests auf der berühm-ten „Brookland“ Hochgeschwin-digkeitsrennbahn. Die erzieltenHöchstgeschwindigkeiten in Mei-len pro Stunde standen Pate zurTypisierung der Modelle. T 100entsprach 100 Meilen top Speedauf der Teststrecke gemessen. Zu-mindest mit dem Beginn der Seri-enfertigung der „Tiger 100“ wur-den die ausgelieferten Maschinenmit einem von Turner hand-schriftlich signierten Zertifikat an

den Käufer übergeben, in wel-chem die erreichbaren 100 Mei-len garantiert wurden.

Das ist der eigentliche Anfangder heutigen Edelschrauberge-schichte. Im Heft 9/09 lernte derLeser bereits den GroßschönauerBernd Olbrich mit seiner Megolakennen. Bei den Recherchendazu wurde die nun folgendeStory geboren. Der heranwach-sende Autoschlosser hatte mit derRestaurierung der Megola seinKönnen unter Beweis gestellt undstieg gleich auf die höchsteSprosse der Leiter der Edelschrau-ber – nun sollte es ein Eigenbau,ein richtiges Unikat werden. Dazuwurde eine in seinem Besitz be-findliche Triumph „Speed Twin“geopfert. Der Starrrahmen und dieTrapezgabel passten nun gar nichtin seine Vorstellungen eines mo-

dernen Motorrades, und einneues Konzept wurde entwickelt.

Die neue „Tiger 100“ aus Me-riden, das sollte das Vorbild, derKnaller werden. In Eibau lebtesein Cousin Ludwig Wurm, zu je-ner Zeit bereits einer der BritischBike-Gurus der ehemaligen DDR.Dieser konnte mit gutem Fachratund auch manch seltenem Teilhelfend zur Seite stehen, hatteihm doch schon vor Jahren VaterFritz Olbrich geholfen, eine Ariel„Red Hunter“ auf die Räder zustellen. Noch ein weiteres Motor-rad musste als „Organspender“geopfert werden: die Pannoniawar mit ihrem damaligen Fahrge-stell sehr fortschrittlich konzipiert.Ihre geschmiedeten Gabelbrillenaus Duraluminium waren ge-suchte Teile bei „Edelschraubern“und auch Rennfahrern für ihre

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Das ist das Original Nr. 2, eine „Speed Twin“ aus der Nachkriegszeit, evtl. von 1945, eindeutig zu identifizieren aufgrund der vorhandenen Telegabel

Das ist das Original Nr. 3, eine echte „Bonni“ aus den frühen 60er-Jahren, so sollte die „Neue“ in etwa aussehen

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Fahrgestelle, dazu wurde dasSteuerrohr auch gleich noch ab-gesägt, um es in den neuen Rah-men einzupassen. Die Vollnaben-bremsen der Pannonia warenebenso gefragt wie die der BK ausZschopau. Pannonia hatte Sim-plexbremsen in der Alunabe miteingezogenem Gussring, und dieder BK waren sogar aus Elektrongegossen. Bernd entschied sichfür die ungarischen Produkte. Die19-Zoll-Felgen stammten von MZund wurden verchromt, die Vor-derradnabe war, wie erwähnt, vonPannonia, die hintere Nabe mitder urenglischen „Dosendeckel-bremse“ wurde vom Originalübernommen. Die Gabelholmeverwendete er von der Jawa 350.Das Steuerrohr bewegte sich inden Drucklagern der Pannonia,um deren Gabelbrillen als Origi-nalteile verwenden zu können.Die Schwinge war ein von MZumgearbeitetes Teil, ebenso dieFederbeine.

Das Konzept des Rahmenswurde dem damaligen Trend dermodernen englischen Maschinenangepasst, wobei die Bauform desTwins schon bestimmte Prämis-sen setzte. Ganz besonders aberdas „pre unit“-System des Motors,dessen Aufnahme im Rahmenaufgrund des vom Motor getrenn-ten Getriebegehäuses gegenüber

dem Einbau eines Blockmotorswesentlich komplizierter war.Aber das sind ja gerade die Her-ausforderungen für einen ange-henden „Edelschrauber“, unddiese galt es zu meistern. EinzelneStücke des originalen englischenRahmens aus dem Jahr 1938 mitgemufften Verbindungen konntenVerwendung finden. Der gesamtehintere Anbau mit der Lagerungder Schwinge, der Aufnahme desseparaten Getriebes sowie deroberen Doppelrohrführung nachhinten wurden völlig neu entwi-ckelt. Den hinteren Kotflügelspendete eine MZ zur Umarbei-tung. Vorn wurde ein sportlicher,schmaler Kotflügel aus der Ab-deckung eines Ersatzrades von ei-nem alten Auto angefertigt. DerTank stammt von Pannonia. Erwurde an der Bodenplatte we-sentlich verändert, um für den Zy-linderkopf genügend Platzfreiheitzu schaffen. Er passte sich wun-derbar der gewünschten engli-schen Linie an. Hinter den ge-schmackvollen Seitendeckeln à laAJS/Matchless verbergen sich Bat-terie, Teile der E-Anlage sowie derÖltank. Die Seitenkästen und ihreDeckel wurden aus Tiefziehblechvon Hand gefertigt. Da ihm seinCousin Ludwig Wurm dafür vor-handene Holzmodelle zur Verfü-gung stellte, wurde ihm die Auf-

gabe erleichtert. Die meisten altenMotoren, nicht nur die der briti-schen Ladys, wurden mittels derkonventionellen Trockensumpf-schmierung versorgt, so auch der„Speed Twin“-Motor. Im Allge-meinen betrug das Volumen derseparaten Öltanks ca. eine briti-sche Gallone, was 4,5 Liter ent-spricht. Die Kraftstofftanks warenin etwa für vier Gallonen Inhaltausgelegt. Die Sitzbank ist ein ge-lungener Eigenbau. Das Rücklichtder englischen Firma Lucas wurdein der CSR gekauft, da gab es zujener Zeit aufgrund von Norton-Importen Teile für englische Mo-torräder offiziell im Angebot. DerHalter dazu konnte originalgetreunachgestaltet werden. Der Lenkerwurde aus Stahlrohr selbst ge-formt, die Armaturen, Hebel,Griffe, etc. stammten von einerBSA 200. und der Scheinwerfermit Haltern fand von einer AWOVerwendung. Eine weitere Her-ausforderung war mit Sicherheit

die Anfertigung der komplettenAuspuffanlage nach Triumphvor-bild. Viele Kleinteile mussten, wieüblich, in mühsamer, aber freud-voller Kleinarbeit selbst gefertigtwerden. Die großen „Garten-zaun“-Tankembleme wurdennachgegossen und dann auf dasFeinste nachbearbeitet.

Das gesamte Design der Ma-schine war perfekt wie die kom-plette Ausführung gelungen. Derstolze Besitzer konnte nun an dasFahren denken. Aufgrund der vor-handenen, alten Kraftfahrzeugpa-piere hatte er nicht das leidigeProblem der Zulassung bei denzuständigen Behörden, und eskonnte losgehen mit den Fahrtenauf der eigenen, selbst gefertigtenschwarzen „Lady“. Dass dieseneue „Triumph Tiger 100“ Aufse-hen erregte, bedarf wohl keinerErwähnung. Leider ist sie nichtmehr auffindbar, sie wurde vorvielen Jahren in Richtung Erzge-birge veräußert. Es wäre sehr in-teressant, wenn diese Veröffentli-chung zur Wiederauffindungeines frühen Jugendtraums beitra-gen könnte.

Bevor mit der politischenWende in Deutschland auch einevöllig neue Epoche für die „Edel-schrauber“ begann, sollen die Leser im nächsten Heft in Form einer Bildserie mit ein paar Exotenüberrascht werden, bei denen dieRecherchen nicht für einen kompletten Bericht ausreichten,bzw. nicht vorgestellt werdenkonnten.

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Das ist die „Fälschung“, Bernd Olbrichs eigene britischeKreation einer „Tiger 100“Made by Olbrich-GDR, dafür sollte er noch nachträglichvon der Queen geadelt werden

So sah es während dem Rahmenbau nach der „Grundsteinlegung“ aus, zwischen Kurbelgehäuse und der Schwinge ist das relativ

massive Stahlteil zur Aufnahme des Getriebes zu erkennen

fon / fax: 037362 / 8524 · www.mlb-motorsport.com

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