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376 Zeitschrift fiir anorgankche und allgemeine Chemie. Band 217. 1934 Einfache und komplexe Jodate des vierwertigen Bleis Von PRIYADA RANJAN RAY und HARIBOLA SAHA~) Einfache und komplexe Jodate des vierwertigen Zinns und Titans sind fruher2) beschrieben worden. Aus einer Betrachtung des Ionenvolumens von Sn4+, Ti4+ und Pb4+ wurde in einer dieser Arbeitens) abgeleitet, da13 auch vierwertiges Blei wahrscheinlich ahn- liche Jodatkomplexe liefern wurde. Die BeEltBtigung dieser Ver- mutung bildet den Gegenstand der vorliegenden Mitteilung. Es zeigt sich eine engere Beziehung als bisher angenommen zwischen Titan, einem Glied der ersten Ubergangsreihe, und Zinn und Blei, die den normalen Reihen in der vierten Gruppe des periodischen Systems angehoren. In gewissem Umfang erscheint sogar MENDE- LEJEW’S Anordnung der Elemente in zwei Untergruppen A und B unter derselben Hauptgruppe berechtigt. Im Licht unserer An- schauungen uber Atomstruktur steht diese Beziehung offenbar damit in Zusammenhang, daB Ti4+ ebenso wie Sn4+ und Pb4+ eine voll- stiindige Elektronenschale besitzen, und da13 demnach die charakte- ristischen Eigenschaften eines Ubergangselementes nicht mehr auf- treten. Da ferner die drei Elemente in vierwertiger Form amphoteren Charakter besitzen, so haben sie auch Neigung zur Komplexbildung und verhalten sich wie Glieder derselben homologen Reihe. Ans Bleitetraacetat sind durch Einwirkung von Jodsiiure die folgenden Verbindungen hergestellt worden : Pb( J03),*2H20 H,Pb(JO),),*2H20 Pb(JO3)4 M2Pb(J0,),-2H20 worin M = Li, Na, K oder NH,. Die Stoffe sind den entsprechenden Titan- und Stannijodaten sehr ahnlich, jedoch mit dem Unterschied, da13 die komplexe Plumbi- Jodsaure und ihre Salze alle wasserhaltig sind ; diese Wassermolekeln 1) Aus dem englischen Manuskript ubersetzt von I. KOPPEL, Berlin. 2) P. RAY u. S. N. R~Y, Journ. Indianchem. SOC. 8 (1926), 110; P. R. RAY s, P. R. R~Y u. H. S~A, 1. c. u. H. Sm, Z. anorg. u. allg. Chem. 208 (1932), 100.

Einfache und komplexe Jodate des vierwertigen Bleis

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376 Zeitschrift fiir anorgankche und allgemeine Chemie. Band 217. 1934

Einfache und komplexe Jodate des vierwertigen Bleis Von PRIYADA RANJAN RAY und HARIBOLA SAHA~)

Einfache und komplexe Jodate des vierwertigen Zinns und Titans sind fruher2) beschrieben worden. Aus einer Betrachtung des Ionenvolumens von Sn4+, Ti4+ und Pb4+ wurde in einer dieser Arbeitens) abgeleitet, da13 auch vierwertiges Blei wahrscheinlich ahn- liche Jodatkomplexe liefern wurde. Die BeEltBtigung dieser Ver- mutung bildet den Gegenstand der vorliegenden Mitteilung. Es zeigt sich eine engere Beziehung als bisher angenommen zwischen Titan, einem Glied der ersten Ubergangsreihe, und Zinn und Blei, die den normalen Reihen in der vierten Gruppe des periodischen Systems angehoren. In gewissem Umfang erscheint sogar MENDE- LEJEW’S Anordnung der Elemente in zwei Untergruppen A und B unter derselben Hauptgruppe berechtigt. Im Licht unserer An- schauungen uber Atomstruktur steht diese Beziehung offenbar damit in Zusammenhang, daB Ti4+ ebenso wie Sn4+ und Pb4+ eine voll- stiindige Elektronenschale besitzen, und da13 demnach die charakte- ristischen Eigenschaften eines Ubergangselementes nicht mehr auf- treten. Da ferner die drei Elemente in vierwertiger Form amphoteren Charakter besitzen, so haben sie auch Neigung zur Komplexbildung und verhalten sich wie Glieder derselben homologen Reihe.

Ans Bleitetraacetat sind durch Einwirkung von Jodsiiure die folgenden Verbindungen hergestellt worden :

Pb( J03),*2H20 H,Pb(JO),),*2H20 Pb(JO3)4 M2Pb(J0,),-2H20

worin M = Li, Na, K oder NH,. Die Stoffe sind den entsprechenden Titan- und Stannijodaten

sehr ahnlich, jedoch mit dem Unterschied, da13 die komplexe Plumbi- Jodsaure und ihre Salze alle wasserhaltig sind ; diese Wassermolekeln

1) Aus dem englischen Manuskript ubersetzt von I. KOPPEL, Berlin. 2) P. RAY u. S. N. R ~ Y , Journ. Indianchem. SOC. 8 (1926), 110; P. R. RAY

s, P. R. R ~ Y u. H. S ~ A , 1. c. u. H. S m , Z. anorg. u. allg. Chem. 208 (1932), 100.

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konnten auch nicht entfernt werden durch Erhitzen auf 1700, und dann tritt Zersetzung des Komplexes ein. Hiernach scheint die Koordinationszahl von Pb4+ in den komplexen Plumbijodaten 8 zu sein und nicht 6, wie die folgende Formel zeigt:

die Wassermolekeln bilden einen wesentlichen Teil des komplexen Anions. Die Unveriinderlichkeit des Typus in der ganzen Reihe ist eine starke Stiitze fur diese Ansicht; auch vierwertiges Blei in ver- schiedenen komplexen Plumbifluoriden besitzt die Koordinations- zahl 8.

Versuche 1. Di-hydroxo-Plumbi-Jodsiiure und Bleitetrajodat, H,[(JO,),. Pb.(OH),] und Pb(JO&

Darstellung. Eine gewogene Menge trockenes und reines Blei- tetraacetat wurde in moglichst wenig chemisch reinem Eisessig ge- lost und, wenn erforderlich, durch ein trockenes Filter filtriert. Die Losung wurde in Eis gekuhlt und mit dem doppelten Volumen gleichfalls gekiihlter Essigsiiure (40°/,) verdiinnt. Dann wurde eine Losung von etwas weniger als der theoretischen Menge Jodsiiure in Essigsiiure (500/,> tropfenweise und unter fortwkihrendem Riihren mgesetzt. Es bildete sich sogleich ein gelber Niederschlag. Dieser wurde mehrfach durch Dekantieren rnit kalter EssigsBure (50°/,) ge- waschen und durch eine Glasfritte filtriert. Der Niederschlag wurde nochmals auf dem Filter rnit Essigsiiure (500/0), dann rnit Eisessig gewaschen und schlieBlich im Vakuum uber KOH und H,S04 ge- t roche t.

Der Stoff ist sehr empfindlich gegen Reduktionsmittel und wird leicht durch Wasser oder Alkalien unter Abscheidung von Blei- peroxyd zersetzt.

Zusammense tzung und Kons t i tu t ion . EinVersuch zurvolu- metrischen Bestimmung von Pb4+ und JO,' ergab Schwierigkeiten. Beim Kochen mit Natriumcarbonatlosung konnte eine vollige Trennung des Bleis als PbO, nach der folgenden Gleichung nicht erreicht werden, da immer etwas Blei als Plumbat ins Filtrat ging:

Pb(J03),.2H20 + 2Na2C0, = PbO, + 4NaJ0, + 2C0, + 2H,O. Hieraus ergibt sich, da13 das Salz nioht einfach ein wasserhaltiges Bleitetrajodat ist, sondern eine Di-hydroxo-Plumbi-Jodsiiure der oben angegebenen Formel (vgl. die entsprechenden Zinn- und Titan- verbindungen).

Md(JO3)6*Pb. (H20)21;

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Ein solcher Stoff reagiert rnit Na,CO, folgendermafien : H,[(JO,),.Pb.(OH)J + 3Na,CO,

= PbO,.H,O + 4NaJ0, + 2NaOH + 3C0,; PbO, und NaOH vereinigen sich dann teilweise zu Na,PbO,.

Blei wurde als PbSO, bestimmt. Auch die Jodsaure wurde gravimetrisch im Filtrat nach Zersetzung durch Kochen rnit Na,CO,- Losung bestimmk. Das Filtrat wurde rnit verdunnter H,SO, an- gesauert und JO,’ zu J ’ durch SO, reduziert. Nach dem Filtrieren wurde J ’ im Filtrat als AgJ bestimmt.

Zur volumetrischen Bestimmung von Pb4+ und JO,‘ wurde ein indirektes Verfahren benutzt. Eine konzentrierte Losung von chemisch reinem NaCl (7-8g) mit etwas K J wurde zu einer ge- wogenen Menge des Stoffes zugesetzt, das Gemisch rnit verdunnter HC1 angesauert und das freie Jod rnit Na,S,O, titriert. Das aus H,[(JO,),.Pb(OH),] durch JO,’ und Pb4+ frei gemachte Jod sollte ein Verhaltnis von 12: 1 zeigen. Die aus diesem Verhaltnis be- rechneten Prozentwerte fur Pb4+ und JO,‘ standen in Uberein- stimmung rnit den Ergebnissen der Gewichtsanalyse. Gef.: Pb4+ = 21,4, 21,7% volumetrisch P b 21,9, 21,93O/,, gravimetrisch

Ber.: 21,97% P b und 74,21°/,, J03.

Wasser bei 95OC und wird bei 1200 wasserfrei.

J03’ = 72,9, 73,84°/0 ,, JO, 73,3, 74,3% , 1,

Beim Erhitzen verliert Pb(JO3),-2H2O etwas mehr als ein Mol

Gewichtsverlust bei 95O = 2,23O/, H,O; Ber. fiir 1H,O = 1,9%. Gesamtverlust bei 120° = 4,1% H,O; ,, fiir 2H,O = 3,83°/0. Nach der Entwiisserung gab die Substanz: 22,8% Pb, 77,08OfO JO,. Ber. fur Pb(JO,),: 22,84O/, Pb, 77,16% JO,.

2. Plumbi-Jodsaure, H,[Pb(JO,),] - 2 H,O oder H,[(JO,),.Pb~(H,O),]

Eine Losung von frisch hergestelltem Bleitetraacetat in 40O/,iger Essigsaure wurde tropfenweise zu einer Losung von Jodsaure (das dreifache der theoretischen Menge) in 50O/,,iger Essig- saure zugesetzt, solange sich der zuerst gebildete Niederschlag beim Ruhren loste. Die klare Losung wurde auf dem Wasserbad er- warmt, worauf ein feinkorniger weil3er Niederschlag erhalten wurde. Diesen wusch man mehrfach durch Dekantieren rnit 500/oiger Essig- saure, filtrierte durch eine Glasfritte, wusch schlieBlich rnit Eisessig und trocknete im Vakuum uber festem KOH und konzentrierter H,SO,.

Gef.: 16,2, 16,120/0 P b 81,42, 81,2% JO, (giavimetrisch)

Ber. : 16,0°/0 P b 81,06°/0 Jot 16,6, 15,9°/0 Pb4+ 80,82, 80,9O/, JO,’ (volumetrisch)

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Bei der Analyse dieser und der folgenden Verbindungen ergab sich keine Schwierigkeit, Blei und Jodsaure volumetrisch zu be- stimmen. Das Salz wurde durch Kochen mit Na,CO,-Losung zer- setzt, der Niederschlag von PbO, filtriert und gewaschen, mit uber- schussigem Natriumacetat und 5 cm3 Eisessig sowie einer K J-Losung versetzt. Das freie Jod titrierte man mit Thiosulfat. Jodskure im Filtrat wurde in ublicher Weise jodometrisch bestimmt.

3. Lithium-Plumbijodat, Li,[Pb(JO&]2 H,O oder Li,[Pb(JO,),(H,O),]

Die Verbindung wurde hergestellt durch tropfenweisen Zusata einer frisch bereiteten Bleitetraacetatlosung (vgl. oben) zu einer Losung der doppelten theoretischen Menge von Jodsaure und Lithiumacetat in Essigsaure (50%). Der zuerst entstehende hellgelbe Niederschlag war amorph, wurde aber beim Stehen und Ruhren kornig und setzte sich schnell zu Boden. Er wurde gewaschen und getrocknet wie oben angegeben. Gef.: 15,9, 15,92% Pb; 15,6, 15,7% Pb4+; 1,08, 1,07% Li; 80,50, 80,60°/0 JO, Ber. : 15,85% Pb; l,OSo/o Li; 80,33% JO,

4. Natrium-Plumbijodat, Na,[Pb(J0,),]2 H,O oder Na,[(JO,),Pb(H,O),]

wurde ebenso wie das Lithiumsalz hergestellt unter Verwendung der doppelten theoretischen Menge von Natriumacetat und Jodskure. Gef.: 15,7, 15,6 o/o Pb; 15,4, 15,3% Pbr+; 3,5, 3,53% Na; 78,7, 78,4% JO, Ber . : 15,47% Pb; 3,46O/, Na; 78,4% JO,

5. Kaiium-Plumbijodat, Kz[Pb(J03),]2 H,O oder K,[(JO3),Ph(H,O),]

wurde hergestellt durch tropfenweisen Zusatz einer frisch bereiteten Bleitetraacetatlosung (vgl. oben) unter fortwahrendem Ruhren au einer Losung der theoretischen Menge von Jodsaure und Kalium- acetat in 500/,iger Essigsaure. Der zuerst gebildete hellgelbe Nieder- schlag wurde allmlhlich kornig und setzte sich gut ab. Er wurde gewaschen und getrocknet wie oben beschrieben. Gef.: 15,15, 15,10°/0 Pb; 14,86, 14,90°/0 Pb4+; 5,8, 5,81°/0 K; 76,5, 76,9% JO, Ber. : 15,1% Pb; 5,7% K; 76,56OlO JO,

6. Ammonium-Plumbijodat, (NH&[Pb(J0,),]2 H,O oder (NH&[(J08),Pb(H,0),]

wurde in derselben Weise wie die vorhergehende Verbindung hergestellt . Gef.: 15,7, 15,7 o/o Pb; 15,3, 15,4% Pb4+; 2,78, 2,75% NH,; 78,5, 78,6°/0 J03 Ber . : 16,58°/0 Pb; 2,71% NH,; '7Q,0°/o JOa

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Allgemeine Eigenschaften

H,[Pb(J03),].2H,0 und M,[Pb(JO3),].2H2O (M = Li, Na, K, NH,) ist nur die erste weiB, wahrend die iibrigen hellgelb sind. Die Stoffe sind kornig-kristallin und konnen Gase und organische Stoffe reduzieren. Sie werden alle durch siedendes Wasser, insbesondere durch Natriumcarbonatlosung hydrolysiert, wobei sich PbO, quantitativ abscheidet. Alle Versuche, das Wasser durch Erhitzen zu entfernen, waren ohne Erfolg. Die Stoffe konnten auf 1 70° ohne merklichen Gewichtsverlust erhitzt werden. Bei stiirkerem Erhitzen wurden sie unter Abscheidung von Jod zersetzt.

Von den Verbindungen

Catczctta, University College of Science, Chemical Laboratory.

Bei der Redaktion eingegangen am 20. Februar 1934.