Einführung 1 - Universität Leipzighome.uni-leipzig.de/doelling/veranstaltungen/praefok1.pdf · 3 2.3 Strawson (1950): On Referring Von Peter Strawson wird der Terminus Präsupposition

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    Johannes Dlling WiSe 2012/13 Seminar Prsupposition, Fokus, Topik Einfhrung 1: Prsuppositionen 1 Allgemeines In der Kommunikation wird von den Beteiligten wechselseitig ein Groteil an Wissen als bereits gegeben angenommen. Zum gemeinsamen Hintergrund der Konversation dem Common Ground (Robert Stalnaker 1978) gehren insbesondere auch jene Wissensanteile, die als Pr-suppositionen bezeichnet werden. Prsuppositionen sind Propositionen, die erfllt sein mssen, damit ein Satz berhaupt sinnvoll gebraucht werden kann. Ihr Gegebensein stellt eine Bedingung fr die Interpretierbarkeit einer uerung des Satzes und folglich fr das Gelingen des mit ihm intendierten Sprechaktes dar. (1) Peter hat das Buch an Paul zurckgegeben. >> >Es gibt genau ein Buch, ber das hier gesprochen wird.< >> >Das Buch ist vorher im Besitz von Paul gewesen.< >> >Das Buch ist vorher auf irgendeine Weise von Paul zu Peter gelangt.< (2) Peter hat das Buch an Paul nicht zurckgegeben. (3) Hat Peter das Buch an Paul (nicht) zurckgegeben? (4) Ich vermute, dass Peter das Buch an Paul (nicht) zurckgegeben hat. Prsuppositionen werden vom jeweiligen Sprecher als im Kontext garantiert vorausgesetzt. Falls die Propositionen nicht zum Vorwissen des Adressaten gehren bzw. von ihm als nicht erfllt angesehen werden, wird dies vom Adressaten hufig entsprechend zu erkennen gegeben. (5) (a) Von welchem Buch sprichst du eigentlich? (b) Hat Peter berhaupt jemals ein Buch von Paul bekommen? (c) Ist das denn nicht Peters Buch? (6) (a) Es handelte sich nicht um ein Buch, sondern um eine Zeitschrift. (b) Es war nicht nur ein Buch, sondern eine ganze Kiste von Bchern. (c) Peter hatte das Buch gar nicht von Paul bekommen. Die Prsuppositionen einer uerung werden vom Sprecher nicht explizit gesagt; sie gehren nicht zum (eigentlichen) propositionalen Gehalt der uerung. Die mit der uerung explizit ausgedrckte Proposition verschieden von den Prsuppositionen wird hufig ihre Supposition oder etwas missverstndlich ihre Assertion genannt.

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    2 Historische Quellen 2.1 Frege (1892): ber Sinn und Bedeutung Nach Gottlob Frege ist mit der Verwendung eines Eigennamen wie Kepler in einer Behauptung wie (7) immer die selbstverstndliche Voraussetzung verbunden, dass der Eigenname etwas bezeichnet. (7) Kepler starb im Elend. Diese Voraussetzung, die nicht zur eigentlichen Bedeutung des Satzes gehrt, bleibt auch erhal-ten, wenn die entgegengesetzte Behauptung gemacht wird. (8) Kepler starb nicht im Elend. Falls ein Eigenname nichts bezeichnet, ist der Satz, in dem er vorkommt, weder wahr noch falsch. 2.2 Russell (1905): On Denoting Bertrand Russell analysiert definite NPn auch definite Kennzeichnungen oder Deskriptionen genannt wie der Knig von Frankreich so, dass die von Frege als Voraussetzung angesehenen Propositionen Teil der jeweiligen Behauptung sind. Ein Satz wie (9) besteht deshalb in Wirklichkeit aus drei Propositionen (i) (iii). Mit ihm wird nicht nur eine Behauptung ber das Vorliegen einer Eigenschaft (iii), sondern auch ber die Exi-stenz (i) und die Einzigkeit (ii) des betreffenden Individuums gemacht. (9) Der Knig von Frankreich ist kahlkpfig.

    (i) >Es gibt mindestens einen Knig von Frankreich.< (ii) >Es gibt hchstens einen Knig von Frankreich.< (iii) >Dieses Individuum ist kahlkpfig.<

    (9) [ ( ) [ ( ) ] ( )] = x KF x y KF y x y KK x

    (9) kann nicht nur deshalb falsch sein, weil (iii) nicht zutrifft, sondern auch deshalb, weil es ent-weder kein solches Individuum oder mehrere solche Individuen gibt. Entsprechend nimmt Russell an, dass die Negation eines Satzes wie (9) durch Skopusambiguitt charakterisiert ist, d.h. dass sich zwei Positionen der Negation unterscheiden lassen. (10) Der Knig von Frankreich ist nicht kahlkpfig. (10) (a) [ ( ) [ ( ) ] ( )] = x KF x y KF y x y KK x (uere Negation) (b) [ ( ) [ ( ) ] ( )] = x KF x y KF y x y KK x (innere Negation)

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    2.3 Strawson (1950): On Referring Von Peter Strawson wird der Terminus Prsupposition eingefhrt. Im Gegensatz zu Russell (und im Anschluss an Frege) nimmt er an, dass eine definite Kennzeichnung das Vorhandensein von genau einem Individuum mit der betreffenden Eigenschaft prsupponiert. Strawson betrachtet damit (i) und (ii) als Prsuppositionen von Satz (9), (iii) dagegen als die einzige Behauptung (Supposition), die mit (9) gemacht wird. Falls der Satz in einem Kontext geuert wird, in dem (i) oder (ii) falsch sind, ist seine ue-rung nicht einfach falsch, sondern es kommt gar keine Aussage zustande. Der Satz hat dann in diesem uerungskontext keinen Wahrheitswert, d.h. es liegt eine Wahrheitswertlcke vor. Analoges gilt fr die Negation des Satzes. Nach Strawsons berzeugung sind Satzuerungen, deren Prsuppositionen im Kontext nicht erfllt sind und die deshalb ohne Wahrheitswert sind, einer logischen Analyse nicht zugnglich. 3 Auslser und Arten von Prsuppositionen Prsuppositionen treten in Verbindung mit speziellen Lexemen oder syntaktischen Konstruktio-nen so genannten Prsuppositionsauslsern (engl. triggers) auf. Entsprechend unterschei-det man zwischen verschiedenen Prsuppositionsarten. Seit Strawson (1952) haben Linguisten und Sprachphilosophen eine Vielzahl von prsuppositi-onsauslsenden Ausdrcken identifiziert. Zu ihnen gehren vor allem:

    Definite Deskriptionen (oder Kennzeichnungen): der Bruder von Paul, Pauls Bruder, sein Bruder, ...

    (11) Der Bruder von Paul ist Klempner. >> >Paul hat (genau) einen Bruder.<

    Einige quantifizierende Determinatoren: die meisten, viele, beide, alle, kein, ... (12) Die meisten Liebhaber Annas sind schwarzhaarig.

    >> >Anna hat mindestens einen Liebhaber.<

    Spaltstze (engl. clefts) (13) Es war Karl, der im Lotto gewonnen hat. >> >Jemand hat im Lotto gewonnen.< In den bisher betrachteten Fllen wird jeweils die Existenz eines oder mehrerer Individuen vor-ausgesetzt. Es wird deshalb von Existenzprsuppositionen gesprochen.

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    Faktive Verben und Adjektive: wissen, bedauern, erkennen, tadeln, dass, ..., wunderbar, schuldig, dass, ...

    (14) Hans wei, dass Maria schwanger ist. >> >Maria ist schwanger.<

    In diesen Fllen spricht man von faktiven Prsuppositionen. Aspektverben (darunter Zustandsvernderungsverben): anfangen, aufhren, fortfahren, ...

    (15) Peter hat angefangen zu rauchen.

    >> >Peter hat bisher nicht geraucht.< Implikative Verben: schaffen, fertig bringen, vergessen ...

    (16) Gerda hat es geschafft zu gewinnen. >> >Gerda hat es versucht zu gewinnen.<

    >> >Es war nicht leicht fr Gerda zu gewinnen.< Fokuspartikeln (fokussensitive Partikeln): nur, lediglich, ..., auch, noch, ..., sogar, selbst, ...

    (17) Nur Fritz kommt. >> >Fritz kommt.< (18) Auch Fritz kommt. >> >Jemand anders als Fritz kommt.< (19) Sogar Fritz kommt. >> >Jemand anders als Fritz kommt.<

    >> >Es war nicht zu erwarten, dass Fritz kommt.< Iterationspartikel: wieder, nochmal, zurck(kommen), ...

    (20) Klara hat wieder gewonnen.

    >> >Klara hatte vorher gewonnen.< 4 Prsuppositionstests und Prsuppositionsprotest 4.1 Testverfahren Es gibt eine Reihe von Verfahren, um festzustellen, was jeweils die Prsupposition und entspre-chend die Supposition einer uerung ist. Ein generelles Kriterium ist, dass Prsuppositionen bei einer Reihe von Abwandlungen eines Satzes erhalten bleiben.

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    (21) Peters Tochter studiert Linguistik. >> >Peter hat (genau) eine Tochter.< Dieselben Prsuppositionen liegen vor, wenn der Satz

    (i) negiert (nicht), (ii) in einen modalen Kontext (mglich, vielleicht, mssen, ...) eingefgt, (iii) in eine Frage berfhrt oder (iv) als Antezedens eines Konditionalsatzes verwendet wird.

    Negationstest

    (i) Peters Tochter studiert nicht Linguistik.

    Modalittstest

    (ii) Es kann sein, dass Peters Tochter Linguistik studiert.

    Fragetest (iii) Studiert Peters Tochter Linguistik?

    Konditionaltest (iv) Wenn Peters Tochter Linguistik studiert, dann versteht sie etwas von Prsuppositio-

    nen. Dagegen gilt nicht generell, dass semantische (oder logische) Implikationen (Entailments) bei Abwandlungen dieser Art erhalten bleiben. Whrend z.B. (21) der Fall ist, gibt es keine analogen Verhltnisse (21i) (21iv). (21) Peters Tochter studiert Linguistik. >Peters Tochter studiert.< (22) (a) Fred bedauert, dass er Karl beleidigt hat. (b) Fred bedauert nicht, dass er Karl beleidigt hat. (c) Mglicherweise bedauert Fred, dass er Karl beleidigt hat. (d) Bedauert Fred, dass er Karl beleidigt hat? (e) Wenn Fred bedauert, dass er Karl beleidigt hat, dann freut sich Anja. >> >Fred hat Karl beleidigt.< (23) (a) Es war Fred, der Karl beleidigt hat. (b) Es war nicht Fred, der Karl beleidigt hat. (c) Vielleicht war es Fred, der Karl beleidigt hat. (d) War es Fred, der Karl beleidigt hat? (e) Wenn es Fred war, der Karl beleidigt hat, dann freut sich Anja. >> >Jemand hat Karl beleidigt.<

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    4.2 Probleme mit dem Negationstest

    Es gibt Audrcke, die nicht einfach negierbar sind: (24) Nicht nur Fritz kommt. >> >Fritz kommt.< (25) (a) *Nicht auch Fritz kommt. (b) Es stimmt nicht, dass auch Fritz kommt. >> >Jemand anders als Fritz kommt.< (26) (a) *Nicht sogar Fritz kommt. (b) ?Es stimmt nicht, dass sogar Fritz kommt.

    Es scheint Flle zu geben, wo Prsuppositionen durch eine Negation verschwinden: (27) Peters Tochter studiert nicht Linguistik er hat nmlich keine Tochter. (28) Klara bedauert nicht, durch die Prfung gefallen zu sein, denn sie war zurckgetreten. Deshalb wird mitunter zwischen Prsuppositionen bewahrender und Prsuppositionen affizie-render (bzw. lschender) oder auch zwischen schwacher und starker Negation unterschieden. 4.3 Zurckweisung einer Prsupposition Im Dialog sind Prsuppositionen normalerweise nicht von einer Verneinung betroffen. (29) A: Ich mute mit meiner Frau zum Notarzt. B: Nein, du lgst. (>A mute mit seiner Frau nicht zum Notarzt.< nicht: >A ist nicht verheiratet.Hans wei, dass Maria schwanger ist.< nicht: >Maria ist nicht schwanger.Helmut raucht immer noch.< nicht: >Helmut hat nicht geraucht.Fritz kommt nicht.< nicht: >Es kommt berhaupt niemand.

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    (33) A: Ich hatte mit meinem Auto einen Unfall. B: Das kann nicht sein. Du hast ja gar kein Auto. (34) A: Katja hat es geschafft, die Stelle zu bekommen. B: Aber das war doch ganz leicht fr sie. (35) A: Sogar Karl war mit dem Ergebnis zufrieden. B: Na der ist doch immer zufrieden. C: Er war aber der Einzige, der zufrieden war. (36) A: Freust du dich denn nicht darber, dass du im Lotto gewonnen hast? B: Wie kommst du denn darauf? Ich habe doch nicht gewonnen. 5 Der Status von Prsuppositionen Es gibt verschiedene Vorschlge, mit denen Prsuppositionen als ein semantisches, als ein prag-matisches oder als ein semantisches und pragmatisches Phnomen erklrt werden sollen. 5.1 Prsuppositionen als semantische Implikationen? Zunchst wurde versucht, Prsuppositionen als eine kontextunabhngige und damit rein seman-tische Eigenschaft von Ausdrcken zu behandeln. Semantische Prsuppositionstheorien nehmen ihren Ausgang bei der Eigenschaft von Prsup-positionen, unter Negation konstant zu bleiben.

    Wenn >> , dann gilt: (a) wenn wahr ist, dann ist wahr,

    (b) wenn Nicht- wahr ist, dann ist wahr. Damit scheint es, dass Prsuppositionen auf semantische (oder logische) Implikationen (En-tailments) zurckgefhrt werden knnen. Folgende Definition wird angenommen:

    Ein Satz (bzw. ) prsupponiert (semantisch) einen Satz gdw gilt: (a) impliziert semantisch (d.h. ) und (b) impliziert semantisch (d.h. ).

    Die Relation der semantischen Implikation wird dabei folgendermaen definiert:

    Ein Satz impliziert semantisch einen Satz gdw gilt: Jede Situation, die wahr macht, macht auch wahr (oder: in allen Welten, in denen wahr ist, ist auch wahr).

    Semantische Prsuppositionstheorien sind aber mit mehreren Problemen konfrontiert.

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    Problem 1: Nicht-Erfllbarkeit von Prsuppositionen Im Rahmen der klassischen, zweiwertigen Logik, auf die die natrlichsprachliche Standardse-mantik aufbaut, ist es ausgeschlossen, dass eine Prsupposition nicht erfllt ist. Denn wenn falsch wre, wrde wegen auf Grund von Modus tollens sowohl als auch gelten, was dem Bivalenzprinzip widerspricht. Damit wren Prsuppositionen nichts anderes als Tautologien. Das ist aber unangemessen, weil (a) Prsuppositionen eine reale Funktion in der Kommunikation erfllen und (b) Prsuppositionen tatschlich nicht erfllt sein knnen (wie z.B. die von (9) am heutigen Tag). Konsequenz:

    Da (und ebenfalls ) weder wahr noch falsch ist, falls die Prsupposition nicht erfllt ist, muss die klassische Logik aufgegeben werden.

    Stattdessen bieten sich nicht-klassische, mehrwertige Logiken als Grundlage der natrlich-sprachlichen Semantik an. In ihnen gilt u.a. nicht mehr die klassische Regel des Modus tollens. Viele semantische Prsuppositionstheorien setzen eine dreiwertige Logik mit den Wahrheitswer-ten wahr, falsch und unbestimmt (oder undefiniert), d.h. weder-wahr-noch-falsch voraus. Dabei werden gewhnlich zwei Negationsoperatoren (schwache vs. starke Negation) definiert. Problem 2: Suspendierbarkeit von Prsuppositionen Prsuppositionen knnen in bestimmten Kontexten suspendiert, d.h. ausgesetzt werden. (37) A: Weit Du denn nicht, dass Fritz gekommen ist? B: Nein, das wei ich nicht. >/> >Fritz ist gekommen.< (38) A: Sven hat es nicht geschafft, in einen Linguistikstudiengang aufgenommen zu werden. B: Zumindest wird er nicht bedauern, Linguistik studiert zu haben. >/> >Sven hat Linguistik studiert.< (39) (a) Vor dem Abschluss ihrer Dissertation heiratete Carla. >> >Carla schloss ihre Dissertation ab.< (b) Vor dem Abschluss ihrer Dissertation verunglckte Carla tdlich. >/> >Carla schloss ihre Dissertation ab.< Eine kontextuelle Suspendierung ist fr semantische Implikationen generell ausgeschlossen. Konsequenz:

    Prsuppositionen knnen keine semantischen Implikationen (Entailments) sein. Ihr se-mantisches Verstndnis ist daher inadquat.

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    5.2 Prsuppositionen als konversationelle Implikaturen? Die als Alternative vorgeschlagenen pragmatischen Prsuppositionstheorien sind uerst vielfltig. Zu ihnen gehren Versuche, Prsuppositionen analog zu konversationellen Implikatu-ren aus den Griceschen Konversationsprinzipien zu erklren. Prsuppositionen haben mit konversationellen Implikaturen gemeinsam, dass sie nicht zum ex-plizit Gesagten gehren, sondern aus der jeweiligen uerung pragmatisch erschlossen wer-den knnen. Beide sind auf jeweils bestimmte Weise kontextabhngig. Aus folgenden Grnden knnen Prsuppositionen jedoch nicht als spezielle konversationelle Implikaturen behandelt werden:

    Nur konversationelle Implikaturen, nicht aber Prsuppositionen (und Entailments)

    knnen nachtrglich explizit ausgedrckt und dadurch bekrftigt werden. Die Bekrfti-gung von Prsuppositionen fhrt zu Redundanz.

    (40) Einige Studenten sind klug. (+> >Nicht alle Studenten sind klug.> >Einige Studenten sind klug.> >Peter hat (genau) eine Tochter.< >> >Peters Tochter hat es geschafft, das Linguistikstudium abzuschlieen.< >> >Peters Tochter hat es versucht, das Linguistikstudium abzuschlieen.< >> >Es war fr Peters Tochter nicht leicht, das Linguistikstudium abzuschlieen.< >> >Peters Tochter hat Linguistik studiert.< Die Grundannahme ist, dass die Prsuppositionen der Teilstze eines komplexeren Satzes ein-fach kumulieren, d.h. sie werden alle an den komplexeren Satz vererbt.

    Wenn 1 >> 1 , 2 >> 2 , 3 >> 3 etc., dann [ ]1 2 3..., , , etc., ... >> 1 , 2 , 3 etc.

    Die Kumulativittshypothese ist aber zu einfach. Prsuppositionen zeigen ein unterschiedliches Projektionsverhalten in Abhngigkeit davon, in welchem Kontext die prsuppositionsauslsenden Elemente vorkommen. Neben den Kontexten, wo Prsuppositionen immer projizieren, d.h. vererbt werden, gibt es auch solche, wo dies nie oder nur manchmal geschieht. Der erste Erklrungsversuch zum Projektionsverhalten von Prsuppositionen stammt von Lauri Karttunen (1973). Er unterscheidet drei Arten von Konstruktionen:

    Lcher (holes) lassen alle Prsuppositionen der untergeordneten Stze durch und erlau-ben damit, dass sie zu Prsuppositionen des Gesamtsatzes werden. Konstruktionen mit

    nicht (normalerweise) wissen, bedauern, verstehen, ... mglich, vielleicht, mssen, ... etc.

    Stpsel (plugs) blockieren alle Prsuppositionen der untergeordneten Stze und verhin-

    dern damit, dass sie zu Prsuppositionen des Gesamtsatzes werden.

    Konstruktionen mit glauben, wnschen, trumen, ... sagen, erwhnen, erzhlen, ... Konstruktionen des Prsuppositionsprotests etc.

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    (45) (a) Anna erwhnt, dass Peters Tochter Linguistik studiert. (b) Peter trumt, dass seine Tochter Linguistik studiert. >/> >Peter hat (genau) eine Tochter.<

    Filter (filters) lassen Prsuppositionen unter bestimmten Bedingungen durch, unter ande-ren nicht.

    Konstruktionen mit

    Konnektoren wie wenn-dann, und, oder, ... etc. (46) Wenn Peter seine Tochter gut erzogen hat, dann studiert sie Linguistik. >> >Peter hat (genau) eine Tochter.< (47) (a) Wenn Peter gespart hat, dann studiert seine Tochter Linguistik. >> >Peter hat (genau) eine Tochter.< (b) Wenn Peter eine Tochter hat, dann studiert seine Tochter Linguistik. >/> >Peter hat (genau) eine Tochter.< In den Projektionstheorien von Lauri Karttunen (1974), Robert Stalnaker (1974) und Irene Heim (1983) werden Bedingungen formuliert, denen die Filter von Prsuppositionen gehorchen. Zwei (einfache) Filterbedingungen, die Karttunen formuliert hat, sind:

    Wenn >> , dann gilt: [ ] , Wenn dann >> . Wenn >> , dann gilt: [ ] , Wenn dann >> , auer wenn .

    7 Akkommodation von Prsuppositionen Bisher wurde angenommen, dass die uerung eines Satz nicht interpretiert werden kann und daher nicht gelingt, falls eine Prsupposition nicht erfllt ist. Tatschlich ist das aber nicht im-mer der Fall. Dadurch, dass der Sprecher eine Proposition als Prsupposition behandelt, gibt er zu verstehen, dass er sie als etwas betrachtet, das im Common Ground gegeben ist. Wenn die Proposition in Wirklichkeit gar nicht zum gemeinsamen Wissen von Sprecher und Adressat gehrt, wird neue Information auf indirekte Weise bermittelt. Der Adressat kann in solchen Fllen unterschiedlich reagieren. Eine Mglichkeit ist, dass er die Prsupposition nicht akzeptiert und dies dem Sprecher entsprechend zu erkennen gibt. Es ist aber auch mglich, dass er die betreffende Proposition stillschweigend als Prsupposition akzeptiert. Eine solche nachtrgliche Anerkennung einer Prsupposition wird seit David Lewis (1979) als Akkommodation bezeichnet. Wichtige Ergebnisse bei der Untersuchung von Akkommodatio-nen gehen auf Irene Heim (1982) zurck.

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    Akkommodationsproblem:

    Unter welchen Bedingungen und auf welche Weise erfolgt die nachtrgliche Anerken-nung von Prsuppositionen?

    (48) A: Warum kommst du so spt? B: Ich bin verheiratet und mute mit meiner Frau zum Notarzt. (49) A: Warum kommst du so spt? B: Ich mute mit meiner Frau zum Notarzt. A: Dass du verheiratet bist, wusste ich nicht. Bs Antwort in (49) hat gegenber der in (48) den Vorzug, krzer im Ausdruck zu sein. B ver-traut dabei darauf, dass (i) A meint, dass B weiter kooperativ ist, (ii) die unterstellte Prsupposition von B vertrglich ist mit dem, was A wei, und (iii) A sie daher stillschweigend akzeptiert. (50) A: Warum kommst du so spt? B: Ich mute mit meinem Nilpferd zum Notarzt. A: Was soll das? Erzhl keinen Bldsinn. Akkommodationen knnen von unterschiedlicher Reichweite sein. Entsprechend wird zwischen lokaler und globaler Akkommodation unterschieden. (51) Der Knig von Frankreich ist nicht kahlkpfig. (a) >Es gibt einen Knig von Frankreich, und er ist nicht kahlkpfig.< (global) (b) >Es ist nicht der Fall, dass es einen Knig von Frankreich gibt (lokal) und dieser kahlkpfig ist.< Im Allgmeinen wird eine globale Akkommodation prferiert. Wenn dies aber zu Inkonsistenz oder Inkohrenz fhren wrde, wird lediglich eine lokale Akkommodation vorgenommen. 8 Common Ground Grundlage der formalen Analyse von Prsuppositionen ist eine Modellierung des Common Ground c (c: Kontext) ausgehend von Vorschlgen in Stalnaker (1972, 1973, 1974). Voraussetzung: Eine beliebige Proposition kann mit der Menge der Situationen s (oder mg-lichen Welten w ) identifiziert werden, in denen wahr ist. Dann gilt:

    c = die Menge aller Situationen s , die mit dem gemeinsamen Wissen von Sprecher und

    Adressat kompatibel sind.

    Update von c: { }+ = | ist wahr in c c s s , d.h. die Anreicherung von c durch eine Proposition fhrt zu einer Reduktion von c auf diejenige Menge von Situatio-nen, die mit kompatibel sind.