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Einf¨ uhrung in die Pragmatik und Diskurs: Sprechakte I. Kruijff-Korbayova/A. Horbach Universit¨ at des Saarlandes Sommersemester 2013 Andrea Horbach [email protected] Pragmatik & Diskurs: Sprechakte 25/06/2013

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Einfuhrung in die Pragmatik und Diskurs:

Sprechakte

I. Kruijff-Korbayova/A. Horbach

Universitat des Saarlandes

Sommersemester 2013

Andrea Horbach [email protected] Pragmatik & Diskurs: Sprechakte 25/06/2013

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Motivation

Ich erklare euch hiermit zu Mann und Frau!Ich erklare hiermit die Vorlesung fur beendet!

Das Buffet ist eroffnet!

Wahr oder falsch?

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Sprechakttheorie

Motto:

Außerungen tun etwas.Manchmal verandern Sie die Welt.

Deixis, Prasuppositionen and Implikaturen machen deutlich, dasseine bloße wahrheitsfunktionale Analyse von Satzbedeutung nicht

ausreichend ist.

was Außerungen tun = Sprechakte

Sprechakte sind ein weiteres Kernthema der Pragmatik, fur dasjede allgemeine Pragmatiktheorie eine Erklarung finden muss.

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Plan fur heute

Philosophischer Hintergrund

Austins Sprechakttheorie (”These“)

Sprechaktklassifikation nach Searle

Die Performative Hypothese (”Antithese“)

Die”Literal Force Hypothesis“

Idiomtheorie

Inferenztheorie

Context-Change-Theorie

Hoflichkeits-Theorie

Kernlekture:Levinson 1983, Kapitel 5; Jurafsky & Martin 2000, Kapitel 19

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Philosophischer Hintergrund

Logischer Positivismus (1930er): Wenn sich ein Satz nichtverifizieren (d.h. bestimmen, ob er wahr oder falsch ist) lasst,dann ist er bedeutungslos.

Wittgenstein 1958:”Bedeutung ist Gebrauch“: Außerungen

sind nur in Relation zu den Aktivitaten oder Sprachspielen, indenen sie eine Rolle spielen, erklarbar.

Austin 1962: How to do things with words:

”Letzten Ende gibt es nur ein wirkliches Ding, um dessen

Klarung wir uns bemuhen, und das ist der gesamte Sprechaktin der gesamten Redesituation.“

Austin hob das Sprachverstandnis, nach dem dieWahrheitsbedingungen als Kernstuck des Sprachverstehensbetrachtet wurden, aus den Angeln.

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Austins Argumentation

Wahrheitsbedingungen sind nicht zentral furs Sprachverstehen,sondern vielmehr ist es die Sprachbenutzung. Außerungen sagennicht nur etwas, sie tun etwas.

Austins Argumentation:

1 Unterscheidung zwischen Konstativen (Behauptungen,Aussagen etc. ) und Performativen (Satze die

”den Zustand

der Welt andern“) aufgrund der linguistischen Form.2 Performative konnen nicht falsch sein, aber sie konnen

fehlschlagen, wenn ihre Gelingensbedingungen (felicityconditions) nicht erfullt sind. Konstantive haben auchGelingensbedingungen.

3 Performative sind keine besondere Klasse von Satzen. EinigeSatze sind explizite Performative andere konnen implizitePerformative sein.

4 Eine Zweiteilung in Konstative und Performative ist alsoeigentlich nicht vorhanden, sondern vielmehr unterschiedlicheFalle illokutionarer Akte.

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Konstative vs. performative Satze

Konstative: sind Satze die Wahrheitsbedingungen haben

(1) Schnee ist grun.

Performative Satze andern den Zustand der Welt. Sie sindnormale Aussagesatze, die jedoch ohne die Absicht eine wahre oderfalsche Aussage zu machen geaußert werden. (Sie konnen nichtwahr oder falsch sein.)

(2) Ich wette mit dir, daß es morgen regnet.

(3) Ich entschuldige mich.

(4) Ich erhebe Einspruch.

(5) Ich vermache dir meinen Rembrandt.

(6) Ich warne dich!

(7) Ich taufe dieses Schiff auf den Namen”Anna“.

(8) Hiermit erklare ich Sansibar den Krieg.

Test: Das stimmt nicht.

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Gelingensbedingungen fur Performative

Gelingensbedingungen (felicity conditions): die Bedingungen,die erfullt sein musen, damit sie erfolgreich oder

”gegluckt“ sind.

(9) Ich erklare Sie hiermit zu Mann und Frau.

A. (i) Es muss ein ubliches konventionales Verfahren mit einembestimmten konventionalen Ergebnis geben.

(ii) Die betroffenen Umstande und Personen mussen denFestlegungen des Verfahrens entsprechen.

B. Das Verfahren muss (i) korrekt und (ii) vollstandig ausgefuhrtwerden (uptake).

C. Haufig mussen die Personen (i) die fur das Verfahrenfestgelegten Meinungen, Gefuhle und Absichten haben und(ii) sich entsprechend verhalten.

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Gelingensbedingungen fur Performative

Gelingensbedingungen (felicity conditions): die Bedingungen,die erfullt sein musen, damit sie erfolgreich oder

”gegluckt“ sind.

(10) Ich erklare Sie hiermit zu Mann und Frau.

A. (i) Es muss ein ubliches konventionales Verfahren mit einembestimmten konventionalen Ergebnis geben.

(ii) Die betroffenen Umstande und Personen mussen denFestlegungen des Verfahrens entsprechen.

B. Das Verfahren muss (i) korrekt und (ii) vollstandig ausgefuhrtwerden (uptake).

C. Haufig mussen die Personen (i) die fur das Verfahrenfestgelegten Meinungen, Gefuhle und Absichten haben und(ii) sich entsprechend verhalten.

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Scheitern der Gelingensbedingungen

Wenn die Gelingensbedingungen nicht erfullt sind, konnenPerformative misslingen.Dabei gibt es zwei Arten von Nichterfullung:

Verstoße gegen A und B verursachen Versager (misfires): diebeabsichtigten Handlungen kommen nicht zustande.

Verstoße gegen C: Missbrauche (abuses): die Handlungwird ausgefuhrt, ist aber unredlich oder misslungen.

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Explizite vs. Implizite Performative

Explizite Performative haben eine bestimmte linguistischeStruktur, d.h. die Performative Normalform (PNF): 1. Person Sg,Indikativ, Prasens Aktiv, Adverb

”hiermit“ ist nur bei

Performativen moglich. Das Hauptverb beschreibt denperformativen Akt → performative Verben.

(11) Ich warne Sie (hiermit).

(12) ??Ich schlage hiermit die Eier schaumig. (keinperformatives Verb)

Implizite Performative: Auch Satze, die nicht in der PNF stehen,konnen implizit als Performative dienen: Beispiele:

(13) Sie sind hiermit gewarnt! (nicht 1. Person Sg.)

(14) Achtung! (keine PNF-Merkmale)

(15) Du wirst dir noch die Finger verbrennen! (keinePNF-Merkmale)

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Explizite vs. Implizite Performative

Andererseits muss nicht jeder Satz, der in der PNF steht,tatsachlich ein Performativ sein:

(16) A: Warum sind alle meine Partys immer solche Knuller?

B: Ich verspreche zu kommen. (=PNF, aber keinPerformativ)

≈ Deine Partys werden dadurch so toll, dass ich versprechezu kommen.

Fazit: Performative sind keine besondere Klasse von Satzen, derAusdruck

”Performativ“ bezeichnet vielmehr eine bestimmte

Funktion, die eine Außerung haben kann.

Aufgabe: Finde die PNF fur folgende Außerungen:Gib mir den Stift.Ich hole dich nachher am Bahnhof ab.

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gleichzeitig Performative und Konstative

Die Unterscheidung zwischen Konstativen und Performativen istproblematisch:1. Eine Außerung kann sowohl ein Konstativ als auch einPerformativ sein.

(17) Da kommt ein Gewitter!

Als Konstativ: Aussage, die wahr oder falsch sein kann.

Als Performativ: Warnung etc.

2. Sowohl Konstative als auch Performative habenGelingensbedingungen, bei Konstativen sind es Prasuppositionen:

(18) Ich vermache dir meinen Rembrandt.

misslingt (is infelicitous), wenn ich z.B keinen Rembrandt habe

(19) Johns Kinder sind glucklich.

misslingt, wenn John keine Kinder hat.

Wenn Gelingensbedingungen nicht erfullt sein, kann man solche Satze,

als weder wahr noch falsch, sondern einfach unangemessen geaußert

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Außerungen, die gleichzeitig Performative und Konstativesind.

3. Sowohl Wahrheit, als auch Gelingen sind graduell. e.g.,

(20) Frankreich ist sechseckig.

(21) Oxford ist 60 km von London entfernt.

Fazit: Konstative and Performative sind nicht notwendigerweisegrundsatzlich verschiedene Phanomene.

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Sprechakttheorie

Alle Außerungen haben sowohl eine (propositionale) Bedeutung(sie sagen etwas aus) und eine spezielle Kraft (sie tun etwas.) EineTheorie muss also klaren, welche Moglichkeiten es gibt, mit demAußern von Satzen Handlungen auszufuhren.

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Sprechakttypen

Austin definiert drei Ebenen, auf denen man etwas tun kann,indem man etwas sagt. Daraus ergeben sich drei Arten von Akten,die gleichzeitig ablaufen.

Lokutionarer Akt: Außerung eines bestimmten Satzes mit einembestimmten Sinn und einer bestimmten Bedeutung.

Illokutionarer Akt: Das Behaupten, Anbieten, Versprechen usw.mit dem Außerns eines Satzes mittels derkonventionellen Kraft, die damit, oder mit derexpliziten performativen Paraphrase verbunden ist.

Perlokutionarer Akt: Das Erzeugen von Wirkungen auf die Horerdurch das Außern des Satzes, wobei die Wirkungenvon den Außerungsumstanden abhangen. (den Horererschrecken, glucklich machen,...)

Normalerweise wird der Begriff Sprechakt immer fur denillokutionaren Akt verwendet.

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Searle

Searles Weiterentwicklung der Sprechakttheorie

verbindet illokutionare Kraft mit Grices Bedeutung-nn

Gelingensbedingungen sind nicht nur Dimensionen, in deneneine Außerung missglucken kann, sondern machen dieverschiedenen illokutionaren Krafte aus.

Klassifikation der Sprechakte

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Gelingenbedingungen nach Searle

propositionaler Gehalt, Einleitungsbedingungen,Aufrichtigkeitsbedingungen, wesentliche Bedingungen

Ich verspreche, dass ich morgen vorbeikomme

1 Prop. Gehalt ist eine zukunftige Handlung von S.2 S beabsichtigt, zu kommen. (Aufrichtigkeit)3 S glaubt, dass er es tun kann. (Einleitung)4 S geht davon aus, dass er unter normalen Umstanden nicht

ohnehin kame. (Einleitung)5 S geht davon aus, dass H mochte, dass S kommt. (Einleitung)6 S beabsichtigt, sich mit der Außerung U zu verpflichten zu

kommen. (wesentlich)7 Sowohl S als auch H verstehen die Außerung.8 Sie sind beide bei Bewusstsein.9 Sie befinden sich in einer normalen Situation (z.B. kein

Theaterstuck).

Aufgabe: Finde die Gelingenbedingungen fur eine Aufforderung,z.B Mach bitte die Tur zu!!

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Searles Sprachaktklassifikation

Reprasentative: legen den Sprecher auf die Wahrheit derausgedruckten Proposition fest (z.B. Feststellungen,Folgerungen)

Direktive: der Sprecher versucht den Angesprochenen zu einerbestimmten Handlung zu veranlassen (z.B. Bitten, Fragen)

Kommissive: verpflichten den Sprecher zu einer zukunftigenHandlungsweise (z.B. Versprechen, Drohungen, Angebote)

Expressive: drucken einen psychischen Zustand aus (Dank,Entschuldigung, Willkommen, Gratulation)

Deklarationen: bewirken unmittelbare Veranderungen derderzeitigen Zustande und sind haufig von kompliziertenaußersprachlichen Institutionen abhangig (Kriegserklarung,Taufen, Kundigung)

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Zusammenfassung Sprechakte

Außerungen dienen immer dazu, Propositionen auszudruckenund Dinge zu tun.Illokutionare Sprechakte lassen sich nicht mitWahrheitsbedingungen erklaren. →NichtreduzierbarkeitstheseDer illokutionare Sprechakt ist per Konvention mit der Formeiner Außerung verbunden.Performative Normalform Ich Vp dich/dir (hiermit) dass S,wobei Vp ein performatives Verb in der 1. Person Sg. IndikativPrasens Aktiv ist.Die illokutionare Kraft wird durch eine Reihe vonGelingensbedingungen spezifiziert, die sich nach Searle inpropositionalen Gehalt, Einleitungs-, Aufrichtigkeits- undwesentliche Bedingungen einteilen lassen.Gelingensbedingungen geben an in welchem Kontext eineAußerung den mit ihr konventionell verbundenen Aktausfuhren kann.

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AntitheseDie Performative Hypothese (PH)

Gegenposition (Lakoff 1972, Saddock 1977): Die vonAustin und Searle untersuchten Phanomene lassen sich mitStandardtheorien der Syntax und Semantik beschreiben.

PH: Die Tiefenstruktur jedes Satzes hat immer die PNF.

(22) Schnee ist grun.

(23) Ich behaupte hiermit, dass Schnee grun ist.

Gelingensbedingungen sind Teil der Bedeutung performativerVerben.

Ein performativer Satz ist dann wahr, wenn seineGelingensbedingungen erfullt sind.

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AntitheseDie Performative Hypothese

Was die PH erklaren kann:Wieso bestimmte performative Adverbien auch in Satzen ohneexplizite performative Teilsatze auftauchen:

(24) Ehrlich, ich trinke lieber Tee.

(25) Wie spat ist es, weil ich um 8 gehen muss.

Semantische Probleme der PH:

(26) Die Welt ist eine Scheibe.

(27) Ich behaupte, dass die Welt eine Scheibe ist.

Wenn Satz 1 als Tiefenstruktur Satz 2 hat, mussen beide Satzeauch die gleichen Wahrheitsbedingungen haben. Das ist absurd.

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AntitheseDie Performative Hypothese

Was die PH erklaren kann:Wieso bestimmte performative Adverbien auch in Satzen ohneexplizite performative Teilsatze auftauchen:

(28) Ehrlich, ich trinke lieber Tee.

(29) Wie spat ist es, weil ich um 8 gehen muss.

Semantische Probleme der PH:

(30) Die Welt ist eine Scheibe.

(31) Ich behaupte, dass die Welt eine Scheibe ist.

Wenn Satz 1 als Tiefenstruktur Satz 2 hat, mussen beide Satzeauch die gleichen Wahrheitsbedingungen haben. Das ist absurd.

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Fazit

Die performative Hypothese hat, so wie sie in den 70ernformuliert wurde zahlreiche (semantische und syntaktische)Probleme, die sie letztlich unhaltbar machen.

Genauso wie die Sprechakttheorie macht sie die Annahme derLiteral Force Hypothesis (LFH), die ebenfalls problematischist.

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Literal Force Hypothesis (LFH)die Hypothese der wortlichen Kraft

Sowohl Austin und Searle als auch die Performative Hypothesemachen die Annahme, dass sich die illokutionare Kraft direkt ausder Satzform ergibt.Literal Force Hypothesis:

(i) Explizite Performative haben die Kraft, die das performativeVerb im Matrixsatz benennt.

(ii) Außerdem besitzen die drei wichtigsten Satztypen (Imperativ,Interrogativ und Deklarativ) die traditionell mit ihnenverknupften Krafte (Befehlen oder Bitten, Fragen undBehaupten).

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Literal Force Hypothesis

Anhanger der PH mussen die LFH annehmen, denn nach derPH drucken die expliziten Performative ihre illokutionare Kraftdirekt aus, und die drei grundlegenden Satztypen ergeben sichaus den zugrundliegenden performativen Verben desBefehlens, Fragens und Behauptens.

Austin und Searle nehmen ebenfalls an, dass es explizitePerformative und außerdem einen konventionellen Linkzwischen der außeren Form und der illokutionaren Kraft einesSatzes gibt.

Aber auch die LFH hat ihre Probleme . . .

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LFH: Probleme

Problem 1. Es gibt Satze, die nicht (nur/genau) die illokutionareKraft haben, die von der LFH vorhergesagt wird, die also die LFHverletzen:

(32) Kannst du mir das Salz reichen?

(33) Komm, setz dich doch!

Eine Außerung hat immer die wortliche Kraft, die von der LFHvorhergesagt wird, aber sie kann daruber hinaus noch eine weitereindirekte illokutionare Kraft haben. Alle Verwendungen, bei denendie LFH verletzt wird, nennt man indirekte Sprechakte (ISA).

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Direkte and Indirekte Sprechakte

Beispiele

(34) Mach bitte die Tur zu! (Imp)Direkter Sprechakt: Bitte, die Tur zu schließen.

Es gibt viele andere mogliche Formen, diese Bitte auszudrucken. Diefolgenden Satze haben verschiedene direkte Sprechakte, aber allengemeinsam ist der indirekte Sprechakt, namlich die Bitte, die Tur zuschließen.

(35) Ich mochte, dass du die Tur schließt. (Decl)

(36) Ich ware dir sehr dankbar, wenn du die Tur schließen wurdest.(Decl)

(37) Kannst du die Tur schließen? (Int)

(38) Wurde es dir etwas ausmachen, die Tur zu schließen? (Int)

(39) Hast du die Tur vergessen? (Int)

(40) Wie ware es mit etwas weniger Durchzug? (Int)

(41) Nun, Julia, was tun große Leute, wenn sie hereinkommen? (Int)

Im normalen Sprachgebrauch sind die meisten Verwendungen indirekt.Andrea Horbach [email protected] Pragmatik & Diskurs: Sprechakte 25/06/2013

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LFH: mehr Probleme

Problem 2. Einige distributionelle Regelmaßigkeiten hangen vonder illokutionaren Kraft ab, unabhangig davon, ob diese durcheinen direkten oder indirekten Sprechakt realisiert wird.Beispiel:Das Wort

”please“ kommt im Englischen in praverbaler Position

nur in Bitten vor, unabhangig davon, ob sie durch direkte oderindirekt Sprechakte realisiert sind.

(42) a. Please shut the door.b. I want you to please shut the door.c. Would you please shut the door?d. ?? The sun please rises in the West.

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LFH: Fazit

Zwei Hauptprobleme der LFH

1 Wie hangt die linguistische Form mit der illokutionaren Kraftzusammen?

2 Wie kann man erklaren, warum Satze syntaktisch Merkmaleihrer indirekten Krafte tragen konnen?

Zwei Losungsansatze

Idiomtheorie

Inferenztheorie

Alternative zur LFH: Context-Change-TheorienWarum benutzen wir uberhaupt indirekte Sprechakte?→ Hoflichkeitstheorie

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Idiomtheorie (Sadock 1974; Green 1975)

Idiom: Feste Wortverbindung, deren Bedeutung sich nicht, odernur teilweise aus der Bedeutung ihrer Bestandteile ergibt, dieBedeutung ist also nicht kompositional.

Beispiel:Ins Gras beißen ist ein Idiom fur sterben.

Kernaussage der Idiomtheorie: Alle linguistischen Formen, dieeinen bestimmten ISA ausfuhren, sind in Wahrheit Idiome.

Beispiel:Konntest du VP? ist ein Idiom mit der BedeutungIch bitte dich zu VP!

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Vorteile der Idiomtheorie

Erklart warum es”Standardformeln“ fur bestimmte

Sprechakte gibt also z.B. warum die Bitte Kannst du VP? okist, aber Bist du in der Lage zu VP? eher ungewohnlich ist.

Einige Formen sind schwer direkt zu interpretieren:Konntest du VP?

Erklart einige der durch die illokutionare Kraft gegebenendistributionalen Beschrankungen: Falls ISAs Idiome fur dieentsprechenden direkten Sprechakte sind, dann haben sie diegleiche zu Grunde liegende Struktur.

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Probleme der Idiomtheorie

Die wortliche und idiomatische Bedeutung konnen gleichzeitigzuganglich sein.

(43) A: Konnen Sie bitte den Koffer fur michherunterheben?B: Ja sicher. Hier, bitte.

Aus dem Argument, dass die Idiomtheorie eine Erklarung furdistributionale Phanomene (praverbales

”please“) bietet, folgt,

dass immer ein Idiom angenommen werden muss, wenn sicheine illokutionare Kraft syntaktisch auswirkt. Dann wurde dasLexikon unendlich groß werden.

(44) I’d like you to please X.May I remind you to please X.Would you mind if I was to ask you to please X.I am sorry that I have to tell you to please X.

Idiome fuhren zu Ambiguitaten: Ist die wortliche oder idiomatischeBedeutung gemeint? Wie wird die intendierte Lesart bestimmt?→ Inferenztheorie

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Inferenztheorien

Verschiedene Theorien, gemeinsame Grundannahmen:

Die wortliche Bedeutung und die wortliche Kraft einerAußerung werden von den Teilnehmern berechnet und sindihnen zuganglich.

Eine Außerung ist ein ISA, wenn ein Inferenzausloseranzeigt, dass die wortliche Bedeutung und/oder wortlicheKraft im Gesprachskontext inadaquat ist und durch eineInferenz berichtigt werden muss.

Es muss spezielle Inferenzprinzipien oder -regeln geben, die dierelevante indirekte Kraft aus der wortlichen Bedeutung undKraft sowie dem Kontext ableiten.

Es muss auf die Pragmatik bezogene linguistische Regeln oderBeschrankungen geben, die beispielsweise das Auftreten despraverbalen

”please“ in direkten wie auch indirekten

Aufforderungen steuern.

Andrea Horbach [email protected] Pragmatik & Diskurs: Sprechakte 25/06/2013

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Inferenztheorien

Gordon and Lakoffs Inferenztheorie

Wortliche Bedeutung und wortliche Kraft werden mittels PHberechnet.

Ein ISA liegt dann vor, wenn die wortliche Kraft durch denKontext blockiert wird.

Um einen ISA auszufuhren reicht es schon, dieGelingensbedingungen festzustellen oder zu erfragen.

Beispiel:Ich hatte gerne ein Eis druckt eine Gelingensbedingung fur eineBitte aus. (d.h. S muss das, um das er bittet, auch haben wollen).Daher ist der ausgefuhrte ISA eine Bitte.vgl: Konntest du mir ein Eis kaufen (erfragt dieGelingensbedingung, ob H dazu in der Lage ist.)

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Theorie der Kontextveranderung

Grundideen:

Weist die LFH zuruck.Konzentriert sich darauf, wie eine linguistische Form in einembestimmten Kontext auf einen Sprechakt abgebildet wird

Die Festlegung, welcher Sprechakt vorliegt ist einpragmatisches Problem und hat keine direkte Korrelation mitder linguistischen Form oder der Satzbedeutung.

Vorteile, wenn man nicht mit”literal force“: arbeitet

May I remind you that P?Wortliche Kraft: Bitte, um die Erlaubnis, jemanden zuerinnern. Das macht keinen Sinn, denn schon die Außerungder Bitte ist die Erinnerung.

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Context-Change-Theory

Konsistent mit der allgemeinen Benutzung der dreigrundlegenden Satzarten (und nicht der durch die LFHfestgelegten Beschrankung auf bestimmte SAs)Beispiel:Imperative sind meistens keine Befehle oder Bitten, sondern:

Instruktionen z.B. Rezepte: Stirr continously!Angebote z.B. Nimm dir einen Keks!Willkommen heißen z.B. Komm doch rein!Wunsche z.B. Komm gesund wieder!

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Context-Change-Theory

Hamblin 71, Ballmer 78, Stalnaker 78 und Gazdar 81

Die illokutionare Kraft einer Außerung ist ihr Beitrag zurKontextveranderung.

Ein Kontext ist eine Menge von Propositionen, die dieUberzeugungen, das Wissen, die Verpflichtungen etc. derDiskursteilnehmer beinhalten.

Sprechakte sind Operationen auf Kontexten (bzw Funktionen vonKontexten in Kontexte) .

Behauptung dass p ist eine Funktion von einem Kontext, indem S nicht auf die Wahrheit von p festgelegt ist, in einenKontext, in dem S auf p festgelegt ist.Versprechen dass p ist eine Funktion von einem Kontext, indem S nicht verpflichtet ist, den in p beschriebenen Zustandherbeizufuhren, in einen Kontext, in dem das so ist.Befehl dass p ist eine Funktion von einem Kontext, in dem Snicht von H verlangt, den in p beschriebenen Zustandherbeizufuhren, in einen Kontext, in dem das so ist.

Vorteil: Mengentheoretisch formalisierbar.Andrea Horbach [email protected] Pragmatik & Diskurs: Sprechakte 25/06/2013

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Exkurs: Hoflichkeitstheorie (Brown & Levinson)

Hoflichkeitstheorie liefert eine Erklarung, warum wir uberhauptISAs benutzen.Grundbegriffe

face: Das offentliche Selbstbild, das jeder Diskursteilnehmerfur sich in Anspruch nimmt:

positive face Das Bedurfnis, dass die eigenen Bedurfnisse furandere ebenfalls erstrebenswert sind.negative face Das Bedurfnis, in seinen Handlungen undEntscheidungen nicht von anderen eingeschrankt zu werden.

Ein gesichtsbedrohender Akt face threatening act (FTA):betrifft das positive oder negative face von entweder S oderH:

FTAs gegenuber dem negative face von H: Befehlen,Vorschlagen, Raten, Warnen, Versprechen,. . .FTAs gegenuber dem positive face von H: Ablehnung, Kritik,schlechte Nachrichten, Tabuthemen,. . .

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Hoflichkeitstheorie

Verschiedene Strategien, FTAs zu begehen:

Vermeiden des FTAs

Off-record: FTA wird so formuliert, dass sich der Sprechernicht auf eine bestimmte Absicht verpflichtet.

Negative politeness: man versucht, das negative face zuwahren .

Positive politeness: man versucht, das positive face zuwahren.

Direkte Außerung des FTAs.

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Hoflichkeitstheorie

Welcher Realisierung gewahlt wird, ist eine Abwagung aus:

Das Bedurfnis, den Inhalt des FTAs tatsachlich zukommunizieren.

Das Bedurfnis, effizient, schnell und direkt zu sein.

Das Bedurfnis, das face von H oder S zu wahren.

Außerdem beeinflussen folgende Faktoren die Schwere des FTAs:

Soziale Distanz zwischen S und H

die relative Macht von S und H

die Bewertung in der jeweiligen Kultur

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Linguistische Realisierungen von Hoflichkeit

Negative politeness fuhrt zu ISAs:Grundidee: Sei indirekt.Dadurch, dass S eine konventionalisierte indirekte Form wahlt,druckt er einerseits unmissverstandlich die intendierte Bedeutungaus, andererseits signalisiert er sein Bemuhen, off-record zu gehen,d.h. die Bedurfnisse des H. zu wahren. Indirektheit wird erreicht,indem Gelingensbedingungen abgefragt werden:

Propositionaler Inhalt: Will you shut the door?

Einleitungsbedingungen: Can you shut the door?Is there any salt?Didn’t you shut the door?

Aufrichtigkeit: I want you to close the door.

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Hoflichkeitstheorie

Je mehr Aufwand S betreibt, um zumindest den Anschein zuerwecken, er wahre das negative face von H, desto hoflicher:

(45) There wouldn’t I suppose be any chance of your being able tolend me your car for just a few minutes, would there?

(46) Could you possibly by any chance lend me your car for just a fewminutes.

(47) Would you have any objections to me borrowing your car for awhile.

(48) I’d like to borrow your car, if you wouldn’t mind.

(49) May I borrow your car?

(50) Lend me your car.

Fazit:

Hoflichkeitstheorie kann erklaren, in welchen Situation welche Art von

direkten oder indirekten Sprechakten gewahlt werden.

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Fazit

Jede Außerung hat eine illokutionare Kraft, d.h. sie fuhrt einenSprechakt aus: Dadurch findet eine Kontextanderung statt.

Die illokutionare Kraft kommt nicht aus der Form alleine,sondern aus einer komplexen Interaktion zwischen Form undKontext.

Wittgenstein: Es gibt so viele Sprechakte, wie es Rollen in derunendlichen Vielfalt der Sprachspiele (oder Sprechereignisse) gibt,die Menschen erfinden konnten.

Andrea Horbach [email protected] Pragmatik & Diskurs: Sprechakte 25/06/2013