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Z. Anal. Chem. 275, 281-283 (1975) - by Springer-Verlag 1975 EinfluB der Probenmasse auf die quantitative Bestimmung von Wfirmet6nungen mit der Differentialthermoanalyse Gerd Willmann Institut ffir nichtmetallischeWerkstoffe,Technische UniversitM Berlin Eingegangen arn6. Februar 1975 Influence of the Mass of Sample on the Quantitative Determination of Thermal Effects by Differential Thermal Analysis. From theories about differential thermal analysis (DTA) it can be deduced that the DTA peak is pro- portional to the mass of the sample. Using the method of dynamic difference calorimetry deviations from this proportionality were found if the mass of the sample exceeded a certain value. This effect is demonstrated by measuring melting curves of tin. By investigating the change of the temperature distribution and heat flow in the system furnace-sample holder-sample during the thermal effect it can be shown that the deviation from the pro- portionality is a correct phenomenon. Zusammenfassung. Aus den Theorien, die die Vorg/inge bei der Differentialthermoanalyse (DTA) beschreiben, folgt stets eine strenge Proportionalit/it zwischen der thermisch aktiven Probenmasse und der F1/iche unter der DTA-Kurve. Bei Verwendung der DDK (Dynamischen Differenzkalorimetrie)-Anordnung wurden bei eigenen Experimenten Abweichungen von dieser Proportionalit~t oberhalb einer bestimmten Probenmasse gefunden. Dies wird an DTA-Kurven vom Schmelzen von Zinn demonstriert. DaB diese Ergebnisse nicht auf MeBfehler zuriickzuftihren sind, kann dutch Betrachtungen des Temperaturprofils und des W~irrneflusses im System Ofen- Tiegel-Probe wfihrend des thermischen Effektes bewiesen werden. Best. yon W~irmet6nungen; Thermoanalyse, Differential; Einflul3 der Probenmasse. Problemstellung Prinzipiell kann man mit der Methode der Differen- tialthermoanalyse (DTA) Wfirmet6nungen bestim- men, wie sie z.B. bei Phasenumwandlungen oder chemischen Reaktionen auftreten. Ftir die Auswer- tung gilt die allgemein bekannte Beziehung F = k. m. w (1) wobei F die Flgche unter der DTA-Kurve, M die Pro- benmasse, w die W~irmetSnung in cal/g und k eine Apparatekonstante sind. Die explizite Form der Konstanten k h~ingt vonder Theorie, d.h., von den bei der Ableitung eingefiihrten Idealisierungen [1,2, 6] ab. Alle Theoricn haben abet als gemeinsames Ergebnis, dab die Flfiche F proportional zur Proben- masse Mist. Bei eigenen Ergebnissen dagegen, die mit der Methode der DDK ~ durchgeftihrt wurden, 1 Bei der klassischen DTA hat das Probenmaterialdirekten Kontakt mit dem Thermoelement,oft sitztdas Thermoelement in der Probenmitte. Bei der dynamischen Differenzkalori- metrie (DDK) [1, 3] dagegen befindet sich die Probe in einem sind Abweichungen von dieser Proportionalitfit ge- funden worden. Um zu prfifen, was der Grund dafiir ist, wurden systematische Messungen durchgeffihrt. Experimenteltes Die quantitative Bestimmung von W~irmet6nungen wird bei pulverf6rmigen Proben von Parametern wie z.B. Korngr6Be, Schiittdichte u. ~i. stark beeinfluBt. Um diese Unsicherheiten auszuschlieBen, wurde die Bestimmung der Schmelzwfirme eines Metalls aus- gew/ihlt. Die Wahl fiel aufZinn, weil es einen niedrigen Schmelzpunkt und eine verh/iltnismfil3ig groBe W/irme- t6nung hat. Die Messungenwurden mit dem Thermoanalyzer TA 1 [4] der Fa. Mettler unter Argon als Schutzgas mit dem Makro- DTA/TG-Tiegeltr~ger (DDK-Anordnung) im sog. Nieder- Tiegel, und die Messung der Probentemperatur wird an der Tiegelwand, meistens am Tiegelboden vorgenommen. Das Thermoelement hat keinen direkten Kontakt zur Probe, so dab Kontaminationserscheinungen mit ihren Folgen aus- geschlossen werden.

Einfluß der Probenmasse auf die quantitative Bestimmung von Wärmetönungen mit der Differentialthermoanalyse

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Page 1: Einfluß der Probenmasse auf die quantitative Bestimmung von Wärmetönungen mit der Differentialthermoanalyse

Z. Anal. Chem. 275, 281-283 (1975) - �9 by Springer-Verlag 1975

EinfluB der Probenmasse auf die quantitative Bestimmung von Wfirmet6nungen mit der Differentialthermoanalyse

Gerd Willmann

Institut ffir nichtmetallische Werkstoffe, Technische UniversitM Berlin

Eingegangen arn6. Februar 1975

Influence of the Mass of Sample on the Quantitative Determination of Thermal Effects by Differential Thermal Analysis. From theories about differential thermal analysis (DTA) it can be deduced that the DTA peak is pro- portional to the mass of the sample. Using the method of dynamic difference calorimetry deviations from this proportionality were found if the mass of the sample exceeded a certain value. This effect is demonstrated by measuring melting curves of tin. By investigating the change of the temperature distribution and heat flow in the system furnace-sample holder-sample during the thermal effect it can be shown that the deviation from the pro- portionality is a correct phenomenon.

Zusammenfassung. Aus den Theorien, die die Vorg/inge bei der Differentialthermoanalyse (DTA) beschreiben, folgt stets eine strenge Proportionalit/it zwischen der thermisch aktiven Probenmasse und der F1/iche unter der DTA-Kurve. Bei Verwendung der DDK (Dynamischen Differenzkalorimetrie)-Anordnung wurden bei eigenen Experimenten Abweichungen von dieser Proportionalit~t oberhalb einer bestimmten Probenmasse gefunden. Dies wird an DTA-Kurven vom Schmelzen von Zinn demonstriert. DaB diese Ergebnisse nicht auf MeBfehler zuriickzuftihren sind, kann dutch Betrachtungen des Temperaturprofils und des W~irrneflusses im System Ofen- Tiegel-Probe wfihrend des thermischen Effektes bewiesen werden.

Best. yon W~irmet6nungen; Thermoanalyse, Differential; Einflul3 der Probenmasse.

Problemstellung

Prinzipiell kann man mit der Methode der Differen- tialthermoanalyse (DTA) Wfirmet6nungen bestim- men, wie sie z.B. bei Phasenumwandlungen oder chemischen Reaktionen auftreten. Ftir die Auswer- tung gilt die allgemein bekannte Beziehung

F = k . m . w (1)

wobei F die Flgche unter der DTA-Kurve, M die Pro- benmasse, w die W~irmetSnung in cal/g und k eine Apparatekonstante sind. Die explizite Form der Konstanten k h~ingt vonder Theorie, d.h., von den bei der Ableitung eingefiihrten Idealisierungen [1,2, 6] ab. Alle Theoricn haben abet als gemeinsames Ergebnis, dab die Flfiche F proportional zur Proben- masse Mis t . Bei eigenen Ergebnissen dagegen, die mit der Methode der DDK ~ durchgeftihrt wurden,

1 Bei der klassischen DTA hat das Probenmaterial direkten Kontakt mit dem Thermoelement, oft sitzt das Thermoelement in der Probenmitte. Bei der dynamischen Differenzkalori- metrie (DDK) [1, 3] dagegen befindet sich die Probe in einem

sind Abweichungen von dieser Proportionalitfit ge- funden worden. Um zu prfifen, was der Grund dafiir ist, wurden systematische Messungen durchgeffihrt.

Experimenteltes

Die quantitative Bestimmung von W~irmet6nungen wird bei pulverf6rmigen Proben von Parametern wie z.B. Korngr6Be, Schiittdichte u. ~i. stark beeinfluBt. Um diese Unsicherheiten auszuschlieBen, wurde die Bestimmung der Schmelzwfirme eines Metalls aus- gew/ihlt. Die Wahl fiel aufZinn, weil es einen niedrigen Schmelzpunkt und eine verh/iltnismfil3ig groBe W/irme- t6nung hat.

Die Messungen wurden mit dem Thermoanalyzer TA 1 [4] der Fa. Mettler unter Argon als Schutzgas mit dem Makro- DTA/TG-Tiegeltr~ger (DDK-Anordnung) im sog. Nieder-

Tiegel, und die Messung der Probentemperatur wird an der Tiegelwand, meistens am Tiegelboden vorgenommen. Das Thermoelement hat keinen direkten Kontakt zur Probe, so dab Kontaminationserscheinungen mit ihren Folgen aus- geschlossen werden.

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282 Z. Anal. Chem., Band 275, Heft 4 (1975)

E t) LL

30-

20-

10-

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0 560 10100 ]5100 20100 M [mg] ---

Abb. I. Flgche unter der DTA-Kurve F in Abhfingigkeit yon der thermisch aktiven Probenmasse M ffir Schmelzkurven von Zinn (Aufheizgeschwindigkeit 10~ F umgerechnet auf die Schreibergeschwindigkeit 6 in/h und Empfindlichkeit 10 ~tV/in)

temperaturofen durchgeffihrt. Die Tiegel waren aus AlzO3 und als Referenzsubstanz wurde Aluminiumpulver verwendet.

Unter stets gleichen Bedingungen wurden Schmelzkurven von Zinnproben verschiedener Masse aufgenommen. Die Proben wurden vorher zum Aufschmelzen kurz auf 700~ erhitzt. Ausgewertet wurden nut die leicht zu planimetrieren- den F1/ichen der DTA-Effekte beim Aufheizen.

In Abb. 1 sind die Ergebnisse fiir die Aufheiz- geschwindigkeit l 0 ~ C/min dargestellt. Das Diagramm zeigt, dab die Fl~che unter der DTA-Kurve F unter- halb rund 300 mg proportional zur Probenmasse M ist, dann nimmt die Steigung der Kurve deutlich ab. Die Abweichungen von der Proportionalitfit bei gr66eren Massen sind betrgchtlich und eindeutig auBerhalb der Fehlergrenzen.

Deutung der Ergebnisse

DaB die Steigung der Kurve F in Abhfingigkeit von M mit steigender Masse oberhalb eines kritischen Wertes abnimmt, kann man deuten, wenn man den zeitlichen und r~iumliehen Verlauf des Temperaturprofils im System Ofen-Tiegel-Probe betrachtet. Durch das gew/ihlte Temperaturprogramm (im folgenden als Beispiel nur noch lineares Aufheizen) kann die Tem- peratur im Ofen nie r~iumlich und zeitlich konstant sein, sie nimmt zum Ofeninneren ab. Es stellt sich nach einem Einschwingvorgang im ganzen System ein quasi- stationfires Gleichgewicht ein. Die Phasenumwandlung (im folgenden nut noch eine mit endothermer Wfirme- t6nung) setzt ein, wenn die Randtemperatur der Probe, d.h., die Temperatur des Tiegels gleich der der Urn-

wandlung ist [5]. Weil das Temperaturprogramm weiterlfiuft, steigt die Temperatur am Referenztiegel, der sich ja weiter in einem quasistationfiren Gleich- gewicht befindet, linear an. Bei der Probe sieht das anders aus.

F fir die Umwandlung wird Wfirme ben6tigt, die nun nicht mehr fiir eine Erh6hung des W~rmeinhalts der Probe zur Verfiigung steht. Die Phasengrenze der Umwandlung wandert ins Probeninnere; d.h., eine W~irmesenke, die natfirlich das Temperaturprofil im System Tiegel-Probe beeinfluBt, wandert durch die Probe. Der Einflul3 dieser W/irmesenke ist um so gr6Ber, je gr6ger die Wgrmet6nung ist, je kleiner die Probe ist und je geringer der W~rmezufluB vom Ofen zum Tiegel ist.

Hat man eine kleine Probe, dann beeinfluBt die W/irmesenke die Temperaturverteilung zwischen der Phasengrenze und dem Probenrand (d. h. dem Tiegel) so stark, dab die Rand- bzw. Tiegeltemperatur kaum oder gar nicht fiber die Temperatur der Umwandlung ansteigen kann. Ffir das DTA-Signal folgt ein linearer Zusammenhang.

Hat man eine sehr groBe Probe, dann gilt am Anfang das gleiche. Aber nach einer gewissen Zeit lfil3t der Ein- flul3 der W/irmesenke aufden Rand nach, da der Abstand zwischen Phasengrenze und Probenrand zu groB ist. Wenn jetzt genfigend W/irme zugef~hrt werden kann, dann kann der Fall eintreten, dab Wfirme f~r die Umwandlung vom Ofen dutch den Tiegel und die bereits umgewandelte Probe fliel3t und dab auBerdem W/irme zur Verf~gung steht, um den W/irmeinhalt im Bereich zwischen Phasengrenze und Probenrand zu erh6hen. Diese Erh6hung des W~irmeinhaltes ffihrt zwangslfiufig zu einer Ver/inderung des Temperatur- profils und natfirlich zu einer Zunahme der Rand- temperatur.

Nun ist es m6glich, dab der Probenrand und damit der Tiegel die Programmtemperatur angenommen hat, obwohl die Probe im Inneren noch nicht v611ig um- gewandelt ist. Da das DTA-MeBsignal nun aber wegen der Anordnung der DDK Null ist, wird eine verfrfihte Beendigung des Effektes vorget/iuscht. Es flieBt noch weiter Wfirme in die Probe, um die Umwandlung zu beenden und um das quasistation~ire Gleichgewicht zu erreichen. Da dies nicht mehr registriert wird, ist die F1/iche unter der DTA-Kurve zu klein.

Folgerungen Man wfirde den eben geschilderten Fall experimentell sofort bemerken, wenn man den W~irmeflu6 in die Probe nicht nur fiber eine einzige Temperaturmessung am Probenrand, sondern durch eine zusfitzliche in der Probenmitte registrieren wfirde. Das bedeutet aber einen zus~tzlichen Aufwand und macht auBer- dem die Vorteile der DDK zunichte.

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G. Willmann: Bestimmung von W/irmet6nungen mit der Differentialthermoanalyse 283

Ffir die Praxis folgt nun, dab man bei Verwendung der D D K zur quantitativen Bestimmung von W~rme- t6nungen den Bereich best immen mul3, in dem die Proportionalit/it zwischen den Gr6Ben F und M gegeben ist. Dieser Bereich ist keine universelle Apparategr6Be, sondern h/ingt von den Stoffkonstan- ten der Probe und der Gr613enordnung der W~irme- t6nung ab.

Literatur

1. Boersma, S. L. : J. Am. Ceram. Soc. 38, 281 (1955) 2. Schultze, D.: Differentialthermoanalyse, S. 75ff. Wein-

heim (Bergstr.): Verlag Chemie GmbH 1972 3. Schwiete, H. E., Ziegler, G.: Bet. Deut. Keram. Ges. 35,

193 (1958) 4. Wiedemann, H. G. : Chem. Ing. Techn. 36, 1105 (1964) 5. Willmann, G. : diese Z. 269, 257 (1974) 6. Willmann, G. : Ber. Deut. Keram. Ges. 51,339 (1974)

Ass.-Prof. Dr. rer. nat. Gerd Willmann, D-8630 Coburg, Gustav-Hirschfeld-Ring 18b, Bundesrepublik Deutschland