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Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Organisation und Personalwirtschaft Prof. Dr. E. Gerum Einführung in die Betriebswirtschaftslehre Konzeptionen - Institutionen - Unternehmensführung - Fallsammlung zur Übung - WS 2010/11 Marburg 2010

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Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre,

Organisation und Personalwirtschaft

Prof. Dr. E. Gerum

Einführung in die Betriebswirtschaftslehre

Konzeptionen - Institutionen - Unternehmensführung

- Fallsammlung zur Übung -

WS 2010/11

Marburg 2010

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Termin Fälle Seite

1. Woche Entfällt (18.10.2010) 2. Woche Gruppeneinteilung/Vorbereitung

Methodik der Fallbearbeitung

3. Woche Karrierist Schlau

DVD-Recorder 2 3

4. Woche Kochen für Anfänger

Azubi-Treff 4 5

5. Woche Die reichste Ente der Welt

Studentenaustausch 6 7

6. Woche Die Kehrseite der Medaille

Die U-Boot KGaA SAP AG

8 9 10

7. Woche Kasko GmbH

Daimler Benz AG Haribo

11 12 13

8. Woche Nachfolgeprobleme

Kork.com Feurag AG

14 15 16

9. Woche Der Apfel-Mann

Stadtwerke Entertainment AG

17 18 19

10. Woche Die Christbaumkugel GmbH

Die Retro Holding AG Hopp oder Top

20 21 22

11. Woche Herr Obermeier

Natur Pur Metalloberflächenveredelung GmbH

23 24 25

12. Woche Mitarbeitertreffen

Sprit GmbH Heilige Elisabeth

26 27 28

13. Woche Capitol Versicherung

Angela M. Lebenswege

30 31 32

14. Woche MC I

MC II 33 35

15. Woche Übungsklausur

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Karrierist Schlau

Martin und Stefan beginnen ihr Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen im Frühjahr

2000. Als angehende Ingenieure planen sie ihr Studium von Anfang an durch. Mit einem

regelmäßigen Arbeitseinsatz von 5 Stunden am Tag wollen sie im Winter 2006 nach 12

Semestern ein möglichst gutes Examen ablegen. Nach ihrer Lerngruppe „Examen 2006“

gehen die beiden öfter in ihre Lieblingskneipe. Es sind nette Abende, bis ihr ehemaliger

Party-Freund Schlau, der im gleichen Semester Ökonomie zu studieren begonnen hat,

auftaucht. Dieser berichtet stolz, dass er bald zum Examen antreten werde und seinen

Arbeitsvertrag bei Daimler-Chrysler längst in der Tasche habe. M. und S. schauen sich

erstaunt an: „Wie hast du das bloß gemacht?“ Schlau erzählt: „Ich habe nicht vor, hier eine

Menge Wissen und Weisheit fürs Leben zu tanken. Ich will den Abschluss, damit ich die

Karriereleiter bis an die Spitze erklimmen kann. Es fragt doch niemand, welche SBWLs oder

Seminare du gemacht hast. Hauptsache, du kriegst das Diplom und brauchst höchstens

4 ½ Jahre. Ich halte mich auch nicht lange mit diesen Lerngruppen auf, die überflüssigen

Diskussionen erspare ich mir lieber.“

Diskutieren Sie, nach welchen ökonomischen Prinzipien die Studenten ihr Studium

ausgerichtet haben!

Welches Prinzip halten Sie für sinnvoller? Begründen Sie dieses allgemein und auf den

Fall bezogen!

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3

DVD-Recorder

Die Weihnachtszeit naht und so beschäftigen sich Heike, Torben und Fabian mit ihren

Wünschen. Die drei diskutieren über die neuen DVD-Recorder. „Ich lege großen Wert auf die

Qualität der Aufnahmen. Da kannst du die herkömmlichen VHS-Recorder doch vergessen“,

meint Heike. Torben hat eine tolle Idee: „Den DVD-Recorder könnte ich innerhalb meines

Bekannten- und Freundeskreises gegen Bares verleihen.“ Fabian ist davon wenig begeistert:

„Du Geldgeier! Bei dem rasanten technischen Wandel solltest du dir echt über die

Entsorgungsproblematik Gedanken machen. Ich kaufe nur noch Geräte, die größtenteils

wieder verwertbar sind.“ Um in Erfahrung zu bringen, welcher der Standards sich letztlich

durchsetzen wird, liest Heike die einschlägige Fachliteratur. Ein renommiertes

Marktforschungsinstitut kommt zu dem Schluss, dass der von Pioneer propagierte DVD-RW

Standard höchstwahrscheinlich zur Industrienorm wird. Daher präferiert Heike ein Gerät von

Pioneer. Torben erfährt aus verlässlicher Quelle von einer definitiven Einigung der

Unternehmen auf den von Panasonic entwickelten DVD-RAM Standard. Dieser Insider-

Information folgend setzt er ein Panasonic Gerät auf seinen Wunschzettel. Fabian hingegen,

der sich ebenfalls einen DVD-Recorder wünscht, ist in dieser technischen Frage völlig

unbedarft.

Welche Ziele werden von den drei Akteuren verfolgt?

Identifizieren Sie die Entscheidungssituationen von Heike, Torben und Fabian hinsichtlich

des DVD-Standards!

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Kochen für Anfänger

Nachdem Roland, Sabine und Corinna, alle Studenten der BWL im 1. Semester, die ersten

Semesterwochen hinter sich gebracht haben, treffen sie sich zum Kochen.

Eigentlich wollen sie abschalten und keine fachspezifischen Fragen erörtern, doch bereits als

Roland mehrere Zutaten in die Pfanne wirft, merkt Sabine entsetzt an: „Also Roland, du

scheinst ja in den letzten Wochen nicht richtig aufgepasst zu haben. Mit dem Kochen ist es

wie beim Wirtschaften. Besonders wichtig ist es, den Überblick zu bewahren und jemanden

zu haben, der sich seiner Verantwortung bewusst ist. Immerhin haben wir bereits in einer der

ersten Vorlesungen gehört, dass Unternehmen ähnlich wie ein Ofen mit Thermostat

funktionieren und entsprechend gesteuert werden können. Da sind Ursache und Wirkung also

auch klar erkennbar und das kommt dem Kochen doch ziemlich nahe, oder?“ Roland stellt

seine Cola beiseite und erwidert amüsiert: „Ach Sabine, du kennst mich doch. Ich vertrete

eher die Meinung, dass es auf das Ergebnis ankommt. Mir ist der Entstehungsprozess relativ

egal, solange alles wie gewünscht funktioniert, und so halte ich es auch beim Kochen, du

wirst sehen. Nach dem Kochen überlege ich dann, wie ich es beim nächsten Mal besser

machen kann. Dafür hole ich mir die Ideen aus Kochbüchern und -sendungen. Prinzipiell

nehme ich mir den besten Koch zum Vorbild, orientiere mich an seinem Produkt und koche

dann ein ähnliches Gericht, das von mir auch optisch bestmöglich aufbereitet wird. Genauso

funktioniert meiner Meinung nach auch die BWL!“. Corinna schaltet sich in das Gespräch ein

und erklärt: „Nach dem Abitur war ich während meines Südamerika-Trips in einer

kolumbianischen Großküche tätig. Grauenhaft, was da verschwendet wurde, nur weil die

Maschinen veraltet und die Produktionsabläufe schlecht aufeinander abgestimmt waren! Mit

dem Kochen wird es zwar bei mir, mangels Talent, ganz sicher nichts mehr, aber als

Computerfreak erhoffe ich mir vom BWL-Studium das theoretische Rüstzeug für

rechnergestützte Optimierungsverfahren im Fertigungsbereich vermittelt zu bekommen. Dann

kann ich mich später auf diesem Gebiet selbständig machen. Und jetzt wünsche ich euch eine

guten Appetit und lasst uns nicht weiter nur über die Vorlesungen reden.“ Stunden später

endet der Kochabend, ohne dass die drei sich auf ein gemeinsames Verständnis der BWL

einigen konnten, aber mit einem gut gefüllten Bauch.

In der Diskussion werden unterschiedliche Auffassungen über die Art des Kochens

geäußert. Welchen Wissenschaftsprogrammen lassen sich diese Äußerungen zuordnen?

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5

Azubi-Treff

Fünf StudentInnen, die vor Beginn des Studiums eine Banklehre absolviert haben, unterhalten

sich über ihre ehemaligen Arbeitgeber.

Uwe lernte das Bankgeschäft bei der Sparkasse Krefeld. Diese Anstalt des öffentlichen

Rechts mit über 2.100 Mitarbeitern gehört zu 100 Prozent verschiedenen

Gebietskörperschaften am linken Niederrhein. Schon als Kunde war er sehr zufrieden mit der

Sparkasse, und so entschloss er sich, dort seinen beruflichen Werdegang zu beginnen. Denn

„wenn’s um Geld geht – Sparkasse.“ Kathi aus Stuttgart absolvierte die Ausbildung beim

kleinen, feinen Privatbankhaus Ellwanger & Geiger OHG – „ganz privat und sehr

persönlich“ –, einem alteingesessenen Familienunternehmen, bei dem besonderer Wert auf

die individuelle Betreuung des Kunden gelegt wird. Schorsch schwärmt von seinem

Ausbilder, der Raiffeisenbank München eG. „Dort war ich nicht nur Azubi, sondern

gleichzeitig auch Mitglied. Alle Mitarbeiter und Kunden können Mitglied der

Kreditgenossenschaft werden. Sie treffen sich einmal im Jahr zur Mitgliederversammlung und

machen den Weg frei zur Ausschüttung des Jahresüberschusses.“ Susanne ist überzeugt von

ihrem ehemaligen Arbeitgeber, der Dresdener Bank. „Das Management ist sehr professionell,

auch die Arbeitnehmer haben Mitspracherechte bei Entscheidungen über die

Unternehmenspolitik. Und bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt. Wir leben unsere

Unternehmenskultur. Nicht ohne Grund sind wir die Beraterbank.“ Stolz berichtet Tom von

seiner Zeit bei der Stiftungsbank SHS: „Das Betriebsklima bei uns war hervorragend. Der

Großteil unserer Kunden war vermögend und von der gemeinnützigen Idee begeistert.

Außerdem mussten wir nicht befürchten, bei Ertragsrückgängen unmittelbar von

Heuschrecken übernommen und restrukturiert zu werden. Darüber hinaus genießt man als

Mitarbeiter einer Stiftung hohes soziales Ansehen.“

Identifizieren und charakterisieren Sie mit Hilfe der Theorie der Verfügungsrechte

(Property Rights) die diesen Banken jeweils zugrundeliegende Unternehmensordnung!

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6

Die reichste Ente der Welt

Daisy Ente war schon immer eine waschechte Kapitalistin, wurde aber leider auf der falschen

Seite des Eisernen Vorhangs geboren. Deshalb hatte sie keine Wahl als ihre Karriere im

Kaufhaus Consum, einem Volkseigenen Betrieb (VEB) der DDR, zu beginnen, wo sie es bis

zur Filialleiterin brachte. Sie begriff jedoch, dass ein VEB für eine aufstrebende

Unternehmerin unbefriedigend ist, weil ständig staatliche Stellen in ihre Arbeit hineinredeten.

Die Situation änderte sich mit der Wiedervereinigung, als sie sich selbständig machen konnte.

Ihre Textildiscountkette TiC (Textil ist Chic) wurde ein voller Erfolg und Daisy durfte

endlich sein, was sie schon immer sein wollte: die Herrscherin im eigenen Betrieb. Ohne ihre

Zustimmung lief in der TiC OHG nichts. Doch nach einiger Zeit langweilte sie sich. Deshalb

wandelte sie TiC, inzwischen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern, in eine AG um und brachte

einen Teil der Aktien an die Börse, um Kapital für neue Unternehmungen zu haben. Auch

stellte sie Manager ein, die das Geschäft leiteten, während sie neue Wege fand, Geld zu

machen. Dadurch wurde sie zwar die reichste Ente der Welt, aber bei der TiC AG hatten jetzt

auch andere Einfluss auf die Unternehmenspolitik.

Analysieren Sie mit Hilfe der Theorie der Verfügungsrechte die jeweils zugrundeliegende

Unternehmensordnung!

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Studentenaustausch

Janek H. ist Student der BWL und macht sein Austauschsemester in Sydney. Am Bondi

Beach genießt er den Sonnenschein und diskutiert mit anderen Austauschstudenten angeregt

über das Seminar „International Corporate Governance“. Die Ansichten des US-

amerikanischen Seminarleiters stoßen bei Janek auf Widerspruch: „Die Amerikaner denken

tatsächlich, dass der Geldgeber alles allein bestimmen kann. Aber auch andere Gruppen sind

für das Unternehmen wichtig. Eine institutionalisierte Mitbestimmung der Arbeitnehmer im

Aufsichtsrat halte ich für durchaus angemessen.“ Diese Äußerung lockt Steven G., Junior

Consultant der BCG aus Chicago, an den Tisch. „So kannst du das nicht sagen. Wenn ich

euch jetzt einen Cocktail spendiere, kann ich doch auch entscheiden, was ich euch ausgebe.

Im Unternehmen ist das meiner Meinung nach nicht anders.“ Darüber echauffiert Janek sich

noch mehr: „Das lässt sich nicht vergleichen, außerdem würde ich nicht jeden Cocktail

trinken, nur weil du ihn bezahlst. Es muss ja nicht gleich der pure Kommunismus wie in

China sein, wo jeder alles irgendwie mitbestimmen darf.“ Darauf antwortet Mingwei,

Studentin aus China, entsetzt: „So pauschal ist das nicht richtig. Wir haben in China durchaus

klare Entscheidungsstrukturen, wenn die Gremien auch nicht so „demokratisch“ sind wie bei

euch. Aber ich finde die Grundidee des Kommunismus durchaus sinnvoll. Deshalb können

bei uns die Unternehmen auch nicht allein bestimmen, sondern müssen sich mit der

Regierung abstimmen, damit sie dem Wohl aller dienen und nicht nur dem Wohl weniger. Wo

gab es denn spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche und Manager, die sich selbst

bedienen?“ Nun ist es Steven, der sich nur mühsam beherrschen kann: „Wer ist noch mal die

größte Industrienation der Welt? Die USA! Denn wir lernen aus unseren Fehlern und achten

die Grundprinzipien des Kapitalismus. Deshalb läuft das auch wie bei dem Cocktail: Wer das

Unternehmen finanziert, darf bestimmen. Meinetwegen sollen Mitarbeiter oder Kunden

Informationsrechte haben, aber die endgültige Entscheidungskompetenz sollte beim board of

directors bleiben, da sollte sonst niemand reinreden dürfen.“ Janek schüttelt den Kopf: „Als

Exportweltmeister kann ich dir nur raten, deine Meinung zu überdenken. Wir beziehen in

Deutschland die Interessen der Arbeitnehmer mit ein und fahren gut damit.“ Mingwei beendet

die Diskussion: „Ich finde die Idee viel besser, viele Interessen zu beachten. Die Kapitaleigner

halte ich für unwichtig, schließlich gibt es bei uns viele Staatsbetriebe, da ist das Volk

Kapitaleigner. Entscheidend sollten die Wünsche von Mitarbeitern, Kunden und anderen

Betroffenen sein. – Abgesehen davon, wo bleibt denn nun dieser Cocktail?“

Wie werden die Grundfragen der Unternehmensordnung hier beantwortet?

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Die Kehrseite der Medaille

Huh Jintaoh ist Chinese und lebt in der ländlich geprägten Provinz Xinjiang. Nicht ohne Stolz

berichtet der Bergarbeiter seinem Besucher Gerhard S. von dem anhaltenden gigantischen

Wirtschaftswachstum. Als S. sich jedoch erkundigt, ob Huh etwas über die „Sklaverei“ in

China wisse, berichtet Huh über das Schicksal des Großteils der arbeitenden Bevölkerung:

„Abgesehen von der physischen Belastung durch die Arbeit im Bergbau, ist die

Untertagearbeit sehr gefährlich, was eine schwere psychische Belastung darstellt. Dazu

kommt ein kärglicher Lohn, der gerade ausreicht, um meine Familie zu ernähren und keinerlei

Versicherungsschutz. Außerdem bin ich jederzeit kündbar und habe keinen Urlaubsanspruch.

Komme ich nach Hause, muss ich Wasser aus dem angrenzenden Fluss trinken, in den wir

sämtliche Abwässer aus dem Bergwerk leiten. Aber glauben Sie, dass interessiert hier

irgendjemanden? Radio und Zeitung berichten nur von den Olympischen Spielen und im

Ausland wird über fehlerhafte bzw. gesundheitsschädliche Produkte berichtet, die exportiert

wurden. Dass auch wir als Konsumenten gegen die Staatskonzerne keinerlei Chance haben,

wird dabei i.d.R. übersehen. An den Ursachen seid ihr doch gar nicht interessiert, Hauptsache

Gewinne und Börsenkurse steigen weiter. Auch die ausländischen Investoren sollten ein

Interesse an mehr Transparenz und weniger Korruption haben!“

Welche Probleme der kapitalistischen Unternehmensordnung werden zurzeit in China

deutlich?

Diskutieren Sie Lösungsansätze!

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Die U-Boot KGaA

Anlässlich des Bahnstreiks wird bei der U-Boot KGaA, einem Unternehmen mit 1800

Mitarbeitern, über den Einfluss der Belegschaft im Unternehmen angeregt diskutiert. Nach

dem Betriebssport sitzen die Beschäftigen zusammen und machen sich Gedanken über die

Fehlentwicklungen im Unternehmen. Für den Großteil steht fest, dass nur die Gewerkschaft

und der Betriebsrat auf ihrer Seite sind. Hartmut regt sich auf: „Der Aufsichtsrat ist

überflüssig. Nicht nur, dass sich die Mitglieder in die eigene Tasche wirtschaften, nein, nicht

einmal die Arbeitnehmervertreter geben sich Mühe, unsere Interessen durchzusetzen. Da hat

man den Eindruck, dass es bei den Sitzungen zugeht wie bei einem Kaffeekränzchen und am

Ende entscheiden immer die Kapitalgeber. Das nenne ich keine wirksame Kontrolle.“ Am

meisten verwundert ihn Kollege Schell, der im Aufsichtsrat wie ausgewechselt wirkt: „Im

Betriebsrat setzt er sich immer für die Interessen seiner Kollegen ein, aber im Aufsichtsrat

legt er die Füße hoch. Das fürstliche Salär für die paar Sitzungen im Jahr streicht er doch

gerne ein.“ Johannes widerspricht: „Sein Einfluss ist nicht so groß. Er sagt immer, dass der

Aufsichtsrat bei uns nur Show ist, weil er nichts wirklich Wichtiges zu entscheiden hat.“

Diese Diskussion kann Bernd nicht verstehen, der bei der Saarstrahl AG arbeitet und als Gast

dabei ist. Die Saarstrahl AG mit 2.100 Mitarbeitern ist hauptsächlich in der Stahlerzeugung

tätig und gilt als Vorzeigebetrieb. Bernd ist überzeugt, dass er seinen Arbeitsplatz nur dem

Aufsichtsrat verdankt: „Der Betriebsrat ist nicht schlecht, aber die wirklich wichtigen Dinge

werden doch ganz oben entschieden. Vielleicht ist der Schell einfach zu ängstlich, wenn er an

weit reichenden Entscheidungen teilhaben soll. Bei uns sieht der Aufsichtsrat dem Vorstand

immer auf die Finger und es findet ein ständiger Dialog statt. Der Aufsichtsrat hat in vielen

Dingen ein Mitspracherecht. Ihr müsst dem Schell nur einmal ordentlich ins Gewissen reden.“

An dieser Stelle schaltet sich Betriebsanwalt Andi ins Gespräch ein, der bisher nur

schweigend zugehört hat: „Ihr vergleicht doch Äpfel mit Birnen. Ich kann euch nur raten: Ein

Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung.“ Damit können die meisten wenig

anfangen. Verwirrt geht ein Großteil nach Hause und fragt sich, wer denn nun Recht hat.

Prüfen Sie, welche rechtlichen Vorschriften über die Mitbestimmung im politischen

System in den Unternehmen Anwendung finden und erläutern Sie die Auswirkungen!

Diskutieren Sie, warum die Mitbestimmung in den beiden Unternehmen so

unterschiedlich wahrgenommen wird!

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SAP AG

Die SAP AG ist Europas größter Softwarekonzern. Der Hauptsitz befindet sich im badischen

Walldorf und das Unternehmen hat bei einem Umsatzvolumen von über 9 Mrd. EUR mehr als

40.000 Mitarbeiter. Trotzdem war bisher kein Betriebsrat nötig, um den Betriebsfrieden zu

wahren. Allerdings sind inzwischen dunkle Wolken über der Konzernzentrale aufgezogen.

Obwohl SAP weiterhin einen Großteil seiner Programmierer in Deutschland beschäftigt und

fast alle Mitarbeiter sowohl mit ihren Arbeitsbedingungen als auch mit der Entlohnung

äußerst zufrieden sind, fordern 3 Dissidenten unter tatkräftiger Unterstützung der IG Metall,

die letzte Festung im DAX-30 zu „schleifen“ und endlich einen Betriebsrat zu installieren.

Aus diesem Grund haben sie eine Klage beim Arbeitsgericht in Mannheim eingereicht.

Doch nicht nur bei Vorstandschef Kagermann stößt diese Forderung auf keinerlei Gegenliebe.

Auch ein Großteil der Mitarbeiter sei davon überzeugt, dass ihre Interessen, auch ohne

Betriebsrat, immer von der Geschäftsführung hinreichend berücksichtigt würden, betont

Kagermann. Außerdem arbeiteten sie in einem modernen Unternehmen, das jeglicher

Institutionalisierung und Bürokratisierung skeptisch gegenüberstehe; ein Betriebsrat würde

zudem der Unternehmenskultur widersprechen. Sollte es doch einmal zu Konflikten kommen,

könne sich der bestehende Aufsichtsrat dieser Probleme annehmen. Überhaupt sei doch der

Betriebsrat sowieso nur der kleine Bruder des Aufsichtsrats. Da die wichtigen Entscheidungen

immer auf politischer Ebene getroffen würden, sei eine Mitwirkung auf administrativer und

operativer Ebene reine Zeitverschwendung. Wenn schon Betriebsrat, dann müssten

Zeitaufwand und Kosten doch zumindest durch umfangreiche Entscheidungsbefugnisse

kompensiert werden. Optimal wäre es deshalb, wenn neben einigen Sachbearbeitern auch

Vorstandschef Kagermann, Aufsichtsratsvorsitzender Plattner und einige Top-Manager in

diesem Gremium vertreten sein könnten. Denn nur so sei es möglich, die Interessen der

Arbeitnehmer mit der Unternehmensstrategie in Einklang zu bringen. Da sich auf der eigens

einberufenen Betriebsversammlung keine 10 Prozent der Mitarbeiter für die Einrichtung eines

Betriebsrates ausgesprochen haben, fragt sich der IG-Metallvorsitzende Peters, wie er

Belegschaft und Öffentlichkeit von der Notwendigkeit eines Betriebsrates überzeugen könnte.

Zeigen Sie die rechtlichen Möglichkeiten der Befürworter eines Betriebsrates bei der

SAP AG auf und stellen Sie Struktur und Einflussbereiche des Betriebsrates dar!

Diskutieren Sie die faktischen Einflussmöglichkeiten eines Betriebsrates bei SAP! Gehen

Sie dabei auch auf die Vorstellungen des Vorstandsvorsitzenden ein!

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Kasko GmbH

Die Kantine der Kasko GmbH, einem Unternehmen mit über 2100 Arbeitnehmern, ist

wahrscheinlich einer der kommunikativsten Orte im gesamten Unternehmen. Regelmäßig

kann man hier bei den Mitarbeitern Diskussionen über ihr Unternehmen hören.

In einer dieser Diskussionen geht es darum, inwieweit Mitarbeiter in der Lage sind, in ihrer

Firma mitzumischen, ihre Interessen zu vertreten und zu schützen. Bei dieser Diskussion

kommt der Betriebsrat noch gut weg, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat allerdings

eher weniger. Die meisten kommen zu dem Schluss, dass eigentlich nur der Betriebsrat in der

Lage sei, spürbar etwas für sie zu erreichen. Der Aufsichtsrat der Kasko GmbH mache, nach

allem was die Mitarbeiter so gehört haben, eher den Eindruck eines Kaffeekränzchens; von

einer Kontrolle der Geschäftsführung und erst recht von der Vertretung der

Arbeitnehmerinteressen sei nichts zu spüren. Man wundert sich insbesondere, dass der

Kollege Paul Schlingel als Arbeitnehmervertreter den Aufsichtsrat nicht mal aufmischt. Als

Betriebsrat ist er doch immer einer der aktivsten Streiter für ihre Sache.

Schlingel hört das Gespräch im Vorbeigehen und mischt sich in die Diskussion ein. „Also

Leute, ihr könnt doch nicht einfach alles in einen Topf werfen. Ihr müsst das schon

unterscheiden. Also, die Sache verhält sich so...“

Erläutern Sie die rechtlichen und tatsächlichen Chancen der Arbeitnehmer der Kasko

GmbH, ihre Interessen durch die Mitbestimmung zur Geltung zu bringen!

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Daimler-Benz AG

1992 wurde das Gesamtunternehmen einer Analyse unterzogen und daraufhin eine

Neupositionierung der Produktbereiche veranlasst. Im Rahmen dieser Neupositionierung

wurde auch ein Produktionsstandort für das „ALL ACTIVITY Vehicel“ gesucht. Bei der

Entscheidungsfindung hatte der Vorstand dem Beratungsstab einige Leitlinien mit auf den

Weg gegeben. So strebte die Mercedes Benz AG als Global Player eine internationale Präsenz

an. Oberstes Ziel war es, Kunden- und Marktnähe zu gewährleisten. Weiter sollte die

Entscheidung einen langfristigen Wettbewerbsvorteil erzeugen. Im Laufe der Studie setzte

sich der Stab mit unterschiedlichen Abteilungen zusammen. So hatte die Marktforschung u.a.

bei einer Imagestudie herausgefunden, dass eine internationale Präsenz nicht mehr mit einem

Imageverlust verbunden sei. Man müsse sich nicht mehr auf „Made in Germany“ verlassen,

sondern könne auf „Made by Mercedes“ setzen. Das Controlling erstellte einen

Produktionskosten-Vergleich, der zu dem Schluss führte, dass das Produktionskostenniveau

in den USA im Vergleich zu Deutschland 75 % betrage, in Asien dagegen nur 13 %. Aus

einer Studie der GfK in Nürnberg ging hervor, dass in den nächsten Jahren mit einem

Nachfragevolumen von 2,4 Mio. Einheiten zu rechnen sei. Dies verteile sich u.a. mit 1,3 Mio.

Einheiten auf die USA, 290.000 in Europa und 85.000 in Deutschland. Weiter verfolge die

Zollpolitik der USA, gerade gegenüber asiatischen Produkten, eine Tendenz zur

Einfuhrbeschränkung. In allen drei Regionen bestand ein sehr gutes Kontaktnetz mit den

jeweiligen Außenhandelskammern, beziehungsweise in Deutschland mit den entsprechenden

Handelskammern. Diese versuchten während der Standortsuche dem Unternehmen eine

Entscheidung für ihren Standort schmackhaft zu machen. So appellierten gerade die

deutschen Vertreter immer wieder an die nationale Verantwortung und stellten Subventionen

im Falle eines Engagements in den neuen Bundesländern in Aussicht. Auch die Lieferanten in

Deutschland, die mit den Automobilherstellern eng kooperierten, betonten, dass das

Unternehmen diese enge Zusammenarbeit nicht gefährden solle.

Welchen Standort empfehlen Sie der Mercedes Benz AG, wenn man das Standortmodell

von Behrens bei der Entscheidungsfindung heranzieht?

Zu welchen Ergebnissen kommen Sie, wenn man die Standorte mit dem Konzept von

Weber vergleicht?

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Haribo

Der Süßwarenhersteller Haribo plant wegen des anhaltenden Erfolgs seiner Produkte einen

zweiten Standort. Als potenzielle Standorte kommen Sotschi (Russland) und Krakau (Polen)

in Frage. Die Lohnkosten in Krakau betragen 200 Prozent des in Sotschi üblichen Niveaus.

Zwar sind die Arbeitskräfte in Polen besser qualifiziert, aber auch knapper. Die Bodenpreise

sind dagegen in Russland deutlich geringer. Krakau bietet eine gute Infrastruktur und die

Aktivitäten der Arbeitsämter und Industrie- und Handelskammern gelten als vorbildlich. Die

Korruption scheint nicht so weit verbreitet wie in Russland. Zudem ist das verfügbare

Einkommen in Polen wesentlich höher. Während die Werbeagentur Haribos bereits seit

Jahren in Polen ihren Sitz hat, bezieht das Unternehmen einen Großteil der erforderlichen

Rohstoffe aus Russland. Die für die Fertigung des Erfolgsprodukts Gummibärchen

erforderliche Gelantine bezieht Haribo jedoch über ein Joint Venture in Polen. Von

überregionaler Bedeutung ist zudem die Industriemesse in Moskau.

Die Anlage soll den gesamten europäischen Markt bedienen. In den deutschsprachigen

Ländern soll in naher Zukunft etwa 60 % der Produktion abgesetzt werden. Für die Zukunft

wird jedoch ein deutlicher Anstieg der Nachfrage aus den Ländern Mittel- und Osteuropas

erwartet, der aus Polen besser als aus Russland befriedigt werden könnte.

Welcher Standort empfiehlt sich für Haribo, wenn man das Standortfaktorenmodell von

Behrens für die Entscheidungsfindung heranzieht? Begründen Sie Ihre Empfehlung!

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Nachfolgeprobleme

Die Obermüller KGaA ist ein im Anlagenbau tätiges Unternehmen, das sich weitgehend im

Familienbesitz befindet. Nach dem Tod des Seniors gibt es unter den unternehmerisch nur

mäßig begabten Familienmitgliedern keinen, der wirkliches Interesse an dem Unternehmen

hat. Da kommt das recht großzügige Angebot der Deurag AG, das Unternehmen zu kaufen,

gerade recht.

Die Familie ist sich recht schnell einig und auch die anderen Anteilseigner sind bereit, ihre

Anteile an die Deurag AG zu verkaufen. Nach der Unterzeichnung einer Absichtserklärung

zum Kauf berät der Vorstand der Deurag über die zukünftige Rechtsform der neuen Tochter.

Man ist sich einig, dass die Rechtsform der KGaA für eine Konzerntochter ungeeignet sei.

Zur Diskussion stehen daher die Rechtsformen AG und GmbH.

Zunächst soll die Obermüller KGaA umfassend restrukturiert werden. Einige Bereiche des

Deurag-Konzerns sollen dann in Obermüller eingegliedert werden. Langfristig soll

Obermüller als weitgehend selbständige Einheit agieren, die auch ihre Finanzierung außerhalb

des Konzerns durchführt. Trotzdem will der Vorstand der Deurag in jedem Fall die

Möglichkeit des Durchgriffs bei unternehmenspolitischen Fragen behalten, um eine

Einbindung in die Konzernstrategie sicherstellen zu können.

Zeigen Sie, welche Organe bei der Obermüller KGaA und bei der Deurag AG in die

Entscheidung über den Zusammenschluss eingebunden sind!

Warum sieht der Vorstand der Deurag AG die Rechtsform KGaA hier als ungeeignet an?

Welche Rechtsform würden Sie dem Vorstand der Deurag AG für die Obermüller KGaA

empfehlen? Begründen Sie Ihre Wahl!

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Kork.com

Während Peter mehrere Weingüter im Rheingau führt, leitet sein technik-affiner Bruder Franz

einen Onlinemarktplatz, über den er Wein vertreibt. Eines Abends schlägt Peter seinem

Bruder folgendes vor: „Du Franz, so langsam werde ich wahnsinnig, diese „Geiz-ist-Geil“-

Mentalität treibt mich in den Ruin. Abgesehen davon, wird man auch nicht jünger. Warum

arbeiten wir nicht einfach zusammen?“. Franz erwidert begeistert: „Du sprichst mir aus der

Seele. Allerdings möchte ich weiter keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Aufstellung von

Zahlenfriedhöfen unterliegen und muss unbedingt ein paar Steuerschlupflöcher nutzen. Mein

Steuerberater legt mir bereits seit Jahren nahe durch die Neugründung eines Unternehmens in

entsprechender Rechtsform meine Steuerlast zu reduzieren und dies sollte auch eines der

zentralen Ziele sein!“. „Da kann ich dir nur zustimmen, Franz. Mir ist zudem seit langem ein

Dorn im Auge, dass Haus und Hof mit dem Unternehmen verbunden sind. Selbst große

Konzerne gehen heutzutage pleite und ich möchte nicht nach Jahren harter Arbeit ohne

entsprechenden Gegenwert in meinem Alter dastehen. Zusätzlich würde ich gern auch in

Zukunft, gemeinsam mit dir, das Ruder in der Hand behalten, aber ohne, dass sich Banken

und andere Teilhaber ins operative Geschäft, oder gar in strategische Entscheidungen,

einmischen können. Das nötige Kleingeld haben wir ja.“ merkt Peter an. Dann beendet Franz

die ausgiebige Diskussion.

Würden Sie Peter und Franz eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft für ihr

Vorhaben empfehlen?

Diskutieren Sie, welche konkrete Rechtsform hier optimal wäre!

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Feurag AG

Donaldo Schmidt ist Vorstandsvorsitzender der Feurag AG. Um seine Vision von einem

weltweiten Technologiekonzern zu realisieren, will er den Konzern komplett umbauen. Die

erste Maßnahme betrifft die Meier AG. Die Meier AG ist ein Tochterunternehmen der

Feurag, die wie alle anderen Konzerntöchter neben einer Mehrheitsbeteiligung auch über

einen Unternehmensvertrag an den Konzern gebunden ist. Der Plan von Schmidt sieht vor,

neben einer kompletten strategischen Neuorientierung einige Unternehmensbereiche

umzustrukturieren und als eigene Gesellschaften auszugliedern. Einige der ausgegliederten

Gesellschaften sollen dann später mit anderen Konzernunternehmen zusammengeführt oder

veräußert werden.

Schmidt weiß, dass er sich der Zustimmung im Feurag-Vorstand sicher sein kann; auch den

Aufsichtsrat hat er weitgehend geschlossen hinter sich. Ihm ist aber auch klar, dass man

seinen Plänen in der Meier AG alles andere als begeistert gegenübersteht. Für den Vorstand

der Meier AG würde die Umsetzung der Pläne bedeuten, dass dieses gewachsene und am

Markt erfolgreiche Unternehmen einiger seiner besten Geschäftsfelder beraubt und so zu einer

im Gesamtkonzern unwichtigen Gesellschaft würde. Auch einige Mitglieder des Aufsichtsrats

der Meier AG haben signalisiert, dass sie von diesem Ziel nicht gerade begeistert sind.

Schmidt ist allerdings der Meinung, dass darauf zum Wohl des Konzerns keine Rücksicht

genommen werden darf, und betreibt das Vorhaben mit allem Nachdruck.

Erläutern Sie kurz, welche Konzernform hier vorliegt!

Wie sehen Sie die Chancen von Schmidt seine Vorstellungen bzgl. Strategie und

Konzernstruktur durchzusetzen? Erläutern Sie den Entscheidungsprozess im Konzern!

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Der Apfel-Mann

Als Stefan J. vor über 30 Jahren das Unternehmen Apfel AG gründete, war ihm nicht

bewusst, wie sehr diese Entscheidung sein Leben verändern würde. Während seiner Zeit an

der Universität konnte er noch seinen Hobbys frönen, doch inzwischen ist er 7 Tage die

Woche im Büro und leitet ein weltweit tätiges Unternehmen mit mehr als 20.000

Mitarbeitern. Dabei gilt es täglich, in der knapp bemessenen Zeit die wichtigsten Aufgaben zu

erledigen.

Sein Besucher Woz, der eine Biografie über sein Lebenswerk verfasst, begleitet ihn an einem

ganz normalen Arbeitstag und notiert sich folgendes: „Obwohl Herr J. gestern Abend noch

auf der Verleihung der MTV Music Awards bis spät in die Nacht sein Unternehmen vertrat,

betritt er trotzdem, wie immer, morgens um 7 Uhr sein Büro am Potsdamer Platz. Für ihn

beinhaltet eine solche Feier neben Repräsentationszwecken auch immer die Möglichkeit, das

Ohr am Puls der Zeit zu haben und sich über Branchentrends auszutauschen. Einen Trend zu

verschlafen, kann er sich nicht erlauben. Mit dem Apod und dem Aphone hat er wieder neue

Produkte entworfen, die weltweit Aufsehen erregen und sein Ideenreichtum scheint

unbegrenzt.

Nach Durchsicht seiner Mails platzt Betriebsrat M. herein, der aus der Tagespresse von

angeblich geplanten Stellenstreichungen erfahren hat, doch Herr J. versichert M., dass dies

nur Gerüchte seien und kann diese Zwistigkeit im Keim ersticken. Zu Tisch geht er dann mit

seinem Tenniskollegen Bill G., der Vorstand eines großen Betriebssystemproduzenten ist,

sowie dem restlichen Löwen-Klub. Anschließend erörtert er mit einem zentralen Zulieferer

die Konditionen für die nächste Großbestellung sowie die allgemeine Marktentwicklung.

Höchst erfreut kehrt er in sein Büro zurück und vermittelt dem für den Einkauf zuständigen T.

die Grundlagen seiner geschickten Verhandlungsführung. Daraufhin zitiert er den

Produktionsleiter A. zu sich. Nachdem Herr J. ihm das monatliche Feedback bezüglich seiner

Leistung gegeben hat, offenbart er ihm, dass A. von nun an für die Personalgenerierung in

seinem Funktionsbereich selbstständig verantwortlich ist. A. verlässt das Büro hoch motiviert.

Da J. sich seine Zeit frei einteilen kann, hält er einen Power Nap und widmet sich danach der

Lektüre seiner angesammelten Post, bevor er spät abends nach Hause zu seiner Familie fährt.“

Identifizieren Sie die Managerrollen des Stefan J.!

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Stadtwerke

Der Vorstand der Stadtwerke Marburg AG, die bisher nur das öffentliche Transportsystem der

Stadt betrieben hat, möchte ihr Geschäftsfeldportfolio erweitern und in den Markt der

Stromerzeugung einsteigen. Der erzeugte Strom soll direkt an die Endkunden geliefert

werden. Zu diesem Zweck soll eine Tochtergesellschaft gegründet werden, über deren

Rechtsform noch Uneinigkeit im Unternehmen besteht. Mögliche Kraftwerksunfälle oder

Stromausfälle machen die Stromerzeugung zu einem riskanten Geschäft. Daher möchte der

Vorstand die Haftung der neuen Gesellschaft weitestgehend begrenzen. Die Finanzierung der

Tochter soll im Rahmen der Konzernfinanzierung geschehen, so dass die externe

Kapitalbeschaffung keine große Rolle spielt. Der Vorstand der Stadtwerke AG möchte

weiterhin direkten Einfluss auf die Strategie der neuen Gesellschaft nehmen und den Einfluss

des neu zu bildenden mitbestimmten Aufsichtsrats begrenzen.

Charakterisieren Sie die Diversifikationsaktivitäten der Stadtwerke Marburg AG!

Ist dem Vorstand der Stadtwerke Marburg AG als Rechtsform für die Tochtergesellschaft

die GmbH zu empfehlen?

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Entertainment AG

Die Entertainment AG ist ein mittelständisches Medienunternehmen, das in der Produktion

von Kino- und Fernsehfilmen und im Handel mit Filmrechten tätig ist. Im Januar kündigte der

Vorstand an, zwei eigene Fernsehsender zu gründen. Nach Meinung von Vorstandschef

Michael Richter erhalte die Entertainment AG damit eine vollständig integrierte

Verwertungskette für ihre Filme und TV-Produktionen. Dass eine solche Strategie Erfolg hat,

habe der Münchener Filmhändler Leo Kirch mit SAT 1 und Pro 7 bereits bewiesen.

Der „Kids Channel“ soll Anfang nächsten Jahres auf Sendung gehen. Bereits Mitte diesen

Jahres soll die „Kids Channel GmbH“ als 100 % Tochter der Entertainment AG gegründet

werden. Das Programm soll sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 20 Jahren

richten. Die Entertainment AG will sich dabei am erfolgreichen Konzept des „Kinderkanal“

von ARD und ZDF orientieren, aber auf teure Sendungen verzichten. Durch die intensive

Verwertung eigener Zeichentrickfilme und günstige Werbepreise unter dem

Branchendurchschnitt hofft Richter, den Break-even-Punkt bereits in 3 Jahren zu erreichen.

Rekonstruieren Sie die Unternehmensstrategie der Entertainment AG! Begründen Sie Ihre

Auffassung.

Beschreiben Sie die Wettbewerbsstrategie der Kids Channel GmbH. Begründen Sie Ihre

Auffassung!

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Die Christbaumkugel GmbH

Die Christbaumkugel GmbH ist ein Familienunternehmen mit 500 Arbeitnehmern, dessen

Gründung auf das Jahr 1826 zurückgeht. Das Unternehmen hat sich auf den Import, die

Produktion und den Vertrieb hochwertiger Christbaumkugeln in Afrika spezialisiert. Die

Einfuhr von Glas und spezieller Braunkohle aus Australien besorgt die eigene

Importabteilung. Die kleine Produktionsabteilung ist für die maschinelle Herstellung von

Christbaumkugeln „Made in Germany“ zuständig. Zur afrikaweiten Abstimmung der

Werbung, und um neue Markttrends aufzuspüren, ist der Marketingabteilung eine

Marktforschungsabteilung als Stab zur Seite gestellt. Die Vertriebsabteilung ist in die

Bereiche Nord-, Süd-, und Mittelafrika aufgeteilt und arbeitet eng mit den

Marketingfachleuten zusammen. Zur Entlastung der Geschäftsführung in Fragen der EDV

und des Personalmanagements sind zwei weitere Organisationseinheiten dem

Geschäftsführer, Herrn Bayer, direkt unterstellt. Die EDV verfügt über eine

Richtlinienkompetenz, während die Personalabteilung eine Servicefunktion gegenüber den

anderen Abteilungen hat.

Stellen Sie die Organisationsstruktur der Christbaumkugel GmbH grafisch dar (mit

Legende)!

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Die Retro-Holding AG

Während sich die meisten „modernen“ Unternehmer gern von den neuesten Trends leiten

lassen, handelt es sich beim Vorstandsvorsitzenden der Retro-Holding AG um den

konservativen Hamburger Kaufmann Helmut Kruse. Entgegen der momentanen

Empfehlungen des Kapitalmarkts ist die Retro-Holding AG breit diversifiziert und verfügt

über Mehrheitsbeteiligungen an vier Unternehmen: Die Gummibärchen AG produziert

Süßigkeiten, die Hugo Chef AG hingegen Damen- und Herrenbekleidung. Bei der Tank Ltd.

handelt es sich um einen der größten Waffenproduzenten Europas, der in die Bereiche

Luftwaffe, Heer und Marine untergliedert ist. Das vierte Standbein der Holding ist mit der

Stadtbank KGaA, ein Unternehmen, welches primär in der Mittelstandsfinanzierung tätig ist.

Befragt nach den Gründen für diese Strategie, verweist Herr K. zunächst auf die

Risikostreuung. Außerdem müsse sich jeder Geschäftsbereich mit den anderen messen und sei

exakt individuell bewertbar. Da sein Unternehmen über viele gute Nachwuchsführungskräfte

verfüge, sei es möglich, diesen eine anspruchsvolle Tätigkeit zu bieten und sie im Ernstfall zu

testen. Alle vier Töchter stehen gleichberechtigt nebeneinander und werden ausschließlich am

ROI gemessen. Um Skalenvorteile zu nutzen, sind sowohl die EDV- als auch die

Marketingabteilung der Holding direkt unterstellt. Dabei hat die Marketingabteilung

Richtlinienkompetenz, während die IT-Fachleute lediglich als Betreuungsstab fungieren.

Sorgenkind ist die Hugo Chef AG, weshalb ihr beratend ein Inhouse-Consulting-Stab zur

Seite gestellt ist.

Stellen Sie die Organisationsstruktur der Retro-Holding AG grafisch dar (mit Legende)!

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Hopp oder Top

Zu unserem Interviewtermin erscheint Sebastian K. in Board-Shorts und Hawaii-Hemd. Mit

einem gewinnenden Lächeln berichtet er, dass er den „Laissez-faire“-Spirit der 60er Jahre

auch in seinem Unternehmen gnadenlos umsetze. Während die meisten Unternehmen in

Deutschland an traditionellen Denkmustern und Organisationsstrukturen festhalten, sei dies

bei der En Vogue-AG niemals der Fall gewesen. In seinem Unternehmen gebe es zwar die

vier Leiter der einzelnen Produktsparten Textilien, Bücher, Accessoires und Individualreisen,

aber diese könnten alleine keine weit reichenden Entscheidungen treffen. Dies gelte insb. für

ihren jeweiligen Funktionsbereich. Der Grund bestehe darin, dass eine dialogische Lösung in

Einklang mit den Leitern aus Beschaffung, Produktion und Absatz unabdingbar sei. Es setze

sich nicht der Stärkere durch, sondern letztendlich obsiege das beste Argument. Aus diesem

Grunde seien die Mitarbeiter überaus zufrieden und das Unternehmen wachse auch im

konjunkturellen Abschwung über dem Branchendurchschnitt. Zusätzlich gebe es die

Stabsabteilung Inhouse-Consulting, die nur dem Vorstand unterstehe. Diese gewährleiste,

dass auch externe Umwelteinflüsse aufgegriffen werden könnten. Bisher sei eine solche

Organisationsstruktur nahezu einmalig und für Herrn K. sei dies der primäre

Wettbewerbsvorteil der En Vogue-AG.

Stellen Sie die Organisationsstruktur grafisch dar (mit Legende)!

Diskutieren Sie die hier vorgestellte Organisationsstruktur!

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Herr Obermeier

Herr Obermeier ist seit langen Jahren Leiter der EDV-Abteilung. Seit einiger Zeit hat er

jedoch das Gefühl, dass seine Mitarbeiter nicht mehr so recht einsehen wollen, dass er der

Chef ist. Schließlich hat dies gute Gründe. Er hat immerhin vor Jahren eine ganze Reihe neuer

EDV-Systeme eingeführt und den meisten seiner Mitarbeiter erst alles beigebracht.

Nur arbeitet in der Abteilung seit letztem Jahr Herr Schmidt, ein Informatik-High-Flyer von

irgendeiner Elite-Uni. Herr Obermeier kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Schmidt

an seinem Stuhl sägt. Mittlerweile kommen die Leute seiner Abteilung nicht mehr zu ihm,

sondern gehen zu Schmidt. Vor kurzem konnte Obermeier ein Gespräch einiger seiner

Mitarbeiter mithören – rein zufällig, natürlich. Da wurde die fachliche Kompetenz von

Schmidt gepriesen und die nette, freundliche Art mit der er jedem hilft. Herrn Schmidts

Vorschläge und Veränderungen an den Arbeitsabläufen seien eine echte Erleichterung, auch

wenn sich einige am Anfang gesträubt hätten. Als dann einer meinte, dass Schmidt ja fast so

eine Art zweiter Abteilungsleiter sei, war der Tag für Obermeier endgültig gelaufen.

Er ist doch schließlich der Chef und entscheidet über Leistungsbeurteilung und Boni. Und das

mit den Veränderungen der Abläufe – da wird er noch ein Machtwort sprechen.

Auf welche Quellen stützen sich Obermeier und Schmidt?

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Natur Pur

Aufgrund eines kontinuierlichen Anstiegs der Verkaufszahlen für naturbelassene Holzstühle

entscheidet sich der Möbelhersteller NATUR-PUR für eine Umstellung in der Produktion, um

der neuen Nachfragestruktur gerecht zu werden. Die bisherige Produktion zeichnet sich durch

eine handwerkliche Orientierung aus. Bei den 30 Mitarbeitern der Abteilung handelt es sich

um gelernte Schreiner, die über eine hohe fachliche Kompetenz verfügen. Bisher war jeder

Schreiner für alle Arbeitsschritte zur Herstellung eines Stuhles eigenverantwortlich zuständig.

Jeder war in der Lage alle 25 Typen zu fertigen. Die Mitarbeiter waren es gewohnt,

anspruchsvolle und abwechslungsreiche Tätigkeiten zu erledigen. Die Produktionsumstellung

sieht nun vor, die Produktion auf Fließbandfertigung umzustellen. Es erfolgt eine Aufteilung

der Arbeit in 5 Typengruppen. Jedem Schreiner wurde in der Arbeitsgruppe ein bestimmter

Arbeitsschritt zugeordnet (z.B. Sägen, Schleifen). Die Endkontrolle nimmt nun der Meister

vor, der bisher als fachlicher Ansprechpartner diente. Der gültige Tarif für die NATUR-PUR

sieht vor, dass Mitarbeiter 3 Monate nach dem Wechsel auf eine geringer wertige Tätigkeit

nur noch den für diese Tätigkeiten vorgesehenen niedrigeren Lohn erhalten. Nach 6 Monaten

ist in der Abteilung der Produktionsausstoß beträchtlich zurückgegangen und der Meister der

Abteilung berichtet der Geschäftsleitung, dass er den Eindruck habe, dass seine Mitarbeiter

nur noch widerwillig arbeiteten und der ein oder andere eine Kündigung in Betracht ziehe.

Die Geschäftsleitung ist verwundert, hatte sie doch extra eine beträchtliche Investition in die

Produktionsanlage vorgenommen, um sich den neuen Markterfordernissen anzupassen.

Charakterisieren Sie die alte und neue Arbeitsaufteilung bei der NATUR-PUR!

Versuchen Sie, die Arbeitsunzufriedenheit der Mitarbeiter zu erklären!

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Metalloberflächenveredelung GmbH

Die Leistung einer Gruppe von Arbeitern, die die Oberflächen von Achsschenkeln für PKW

veredelt, war nach Ansicht der Unternehmensleitung dauerhaft zu gering. Dem Meister der

Veredelung schien es, dass sich die Gruppenmitglieder auf einen bestimmten, relativ geringen

Output verständigt hatten. Als zusätzlich ein junger Mann – Bruno – eingestellt wurde,

erhoffte sich der Meister eine positive Wirkung auf die gesamte Gruppe. Der neue Mitarbeiter

machte einen sehr tüchtigen Eindruck. Er gab an, dringend Geld zu brauchen, um

Mietschulden in Höhe von 1200 Euro begleichen zu können. Sein Vermieter habe ihm

gedroht, ihn fristlos auf die Straße zu setzen. Tatsächlich waren Brunos Leistungen in den

ersten drei Monaten weit überdurchschnittlich, so dass ihm neben dem Grundgehalt eine

beträchtliche Leistungsprämie gezahlt wurde. Der Output der übrigen Arbeiter blieb jedoch

unverändert niedrig. Zu Beginn des vierten Monats sank Brunos Leistung innerhalb weniger

Tage auf ein Niveau, das noch unter dem der übrigen Gruppenmitglieder lag.

Erklären Sie das Verhalten des neuen Arbeiters mit Hilfe der Motivationstheorie von

Maslow!

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Mitarbeitertreffen

Wie jedes Jahr um diese Zeit, treffen sich die Mitarbeiter des Fachbereichs

Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen zur Weihnachtsfeier. Bevor

sie sich ausgiebig dem reichhaltigen Buffet widmen, richtet der Dekan mahnende Worte an

die Anwesenden: „ Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Leider habe ich schlechte

Neuigkeiten für Sie. Obwohl wir im Rahmen einer allgemeinen Besoldungserhöhung ihre

Gehälter deutlich angehoben haben, ist der Output bei den meisten von Ihnen deutlich

zurückgegangen. Unsere Evaluationen ermöglichen es uns inzwischen, jeden von Ihnen

individuell zu beurteilen, und entsprechend wird auch das Weihnachtsgeld gestaffelt.

Vielleicht wird ja das in Zukunft gekürzte Gehalt bei einigen von Ihnen zu einem Umdenken

führen und sie knüpfen wieder an Ihr ursprüngliches Leistungspotential an. Ich wünsche

Ihnen einen Guten Appetit.“

Nachdem der Dekan seine Ansprache beendet hat, gibt es ausgiebige Diskussionen unter den

Mitarbeitern. Dabei sind Malte D. und Kai B. als Mitarbeiter des Strategielehrstuhls

besonders gefragt. Sie waren vor der Besoldungserhöhung jeden Abend bis mindestens 20

Uhr im Büro, veröffentlichten Artikel auf Artikel und erzählten jedem, der es hören wollte,

dass sie für diesen Beruf geboren seien. Ihre Freizeit verbringen sie mit Schach und anderen

Strategiespielen und haben folglich ihr Hobby zum Beruf gemacht. Als Ihnen nach dem

Studium ein Angebot von PCW mit einem Gehalt von 80.000 EUR p.a. vorlag, zögerten sie

keine Sekunde und unterschrieben direkt für 3 Jahre und keine 20.000 EUR bei der

Universität. Hier hätten sie die Freiheit von Forschung und Lehre und keine rigiden

Vorschriften und Kontrollsysteme. Doch mit dem neuen Dekan wurden genau diese

eingeführt. Ralf F. hingegen kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Geboren in

Dresden und das BWL-Studium nach 8 Semestern mit Prädikat angeschlossen, sieht er die

Promotion am Lehrstuhl für Bankbetriebslehre lediglich als Sprungbrett, um später richtig

Karriere zu machen. Er verrichtete vor der Besoldungserhöhung lediglich Dienst nach

Vorschrift und verließ das Büro immer um Punkt 17 Uhr. Durch das neue Anreizsystem

macht ihm die Arbeit zwar immer noch keinen Spaß, aber wer in spätestens 5 Jahren einen

Porsche fahren will, für den ist Arbeit eben ein notwendiges Übel. Außerdem lohnt sich die

Anstrengung jetzt wenigstens. Dass nun auch die anderen sehen, dass er doch der Beste ist,

verschafft ihm eine gewisse Genugtuung.

Kai B. und Malte D. wirken trotz dieser Vorfälle erstaunlich gefasst. Als Lars B. sie auf ihre

Zukunft anspricht, erklären sie ihm, dass sie bereits vor 2 Monaten gekündigt hätten. Diese

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Überwachungsstaatmethoden gingen ihnen zu weit und sie würden ihr Glück im neuen Jahr

nun in Schweden versuchen, denn in Gießen hätten sie keinerlei Freude mehr an der Arbeit.

Analysieren Sie die Motivation der Mitarbeiter!

Erklären Sie die unterschiedliche Leistungsentwicklung bei Kai B./Malte D. und Ralf F.!

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Sprit GmbH

Die Produktivität in der Abteilung „Pernot“ der Sprit GmbH bleibt weit hinter den

Erwartungen zurück. Dies ist der Geschäftsführung seit längerem ein Dorn im Auge. Um der

Sache auf den Grund zu gehen, werden die Arbeitnehmer zu Einzelgesprächen eingeladen.

Die Angestellten klagen einhellig über die „eintönige Arbeitsorganisation“ und über ihren

Vorgesetzten, der sich überhaupt nicht für persönliche Interessen und Probleme interessiere.

Bei Schwierigkeiten greife er hart durch. Er heize den Wettbewerb zwischen den Mitarbeitern

an, indem er einzelnen scheinbar grundlos Lohnzuschläge gewähre, berichtet eine Betroffene.

Der Abteilungsleiter bestätigt, dass es ihn nicht interessiere, welches Fest der Gartenverein

feiere oder welches Lied der Kirchenchor einstudiere. „Die Leute sollen ihre Aufgabe

erfüllen. Fallen mir Unterschiede im Arbeitsverhalten auf, gewähre ich einen kleinen Bonus.“

Für welchen Führungsstil hat sich der Leiter der Abteilung Pernot entschieden?

Begründen Sie Ihre Auffassung!

Wieso liegt in dieser Abteilung so eine geringe Produktivität vor? Begründen Sie dieses!

Welche Maßnahme sollte das Management der Sprit GmbH ergreifen, damit die

Produktivität der Abteilung steigt?

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Die Heilige Elisabeth

Seit geraumer Zeit betreibt die Heilige Elisabeth zum Missfallen ihrer Verwandtschaft ein

Hospiz am Fuß der Wartburg in Eisenach. Nach 5 Jahren beschäftigt sie über 100 Frauen. Um

weiter expandieren zu können, möchte Elisabeth ihre Kompetenzen im Hospizwesen auf das

neue Geschäftsfeld „Altenpflege“ übertragen. Im Zuge der Erschließung des neuen

Geschäftsfeldes möchte Elisabeth wesentliche organisatorische Neuerungen einführen.

Bislang arbeiten die Frauen jeweils in der Küche oder in der Wäscherei oder erledigen

ausschließlich Putzdienste. Auch die verschiedenen Pflegearbeiten wie Waschen, Füttern und

Ankleiden der Betreuten werden von verschiedenen Personen ausgeführt. Dies führte zu

Unzufriedenheit beim Personal, auch bei den Patienten, die zum Teil von einem Dutzend

Pflegerinnen betreut werden. Elisabeth möchte, dass alle an einem Patienten anfallenden

Arbeiten von höchstens vier Personen erledigt werden.

Zur Erhöhung der Zufriedenheit beim Personal und den Betreuten sollen alle Kräfte im 4-

Monats-Rhythmus jeweils in der Küche, der Putzkolonne und in der Pflege arbeiten. Um

Arbeitskräfte für die Altenpflege zu gewinnen, sollen die Wascharbeiten außer Haus gegeben

werden. Die dadurch freiwerdenden Mitarbeiterinnen werden nach der Einschätzung von

Elisabeth für die Altenpflege nicht ausreichen. Geeignetes Personal ist jedoch rar, so dass sie

sogar bereit ist, Männer zu beschäftigen. Neben dem Wechsel des Arbeitsplatzes sollen

bislang von verschiedenen Personen ausgeführte Arbeiten wie Waschen, Ankleiden und

Füttern zukünftig von einer Person ausgeführt werden.

Elisabeth hatte vor, ihre Mitarbeiterinnen mit diesen Veränderungen zu überraschen. Der „Rat

der pflegenden Schwestern“ hat hiervon jedoch gerüchteweise gehört und wird bei Elisabeth

vorstellig...

Identifizieren und erläutern Sie kurz die angestrebten Veränderungen in der

Arbeitsorganisation!

Bei welchen Fragen hat der „(Betriebs-)Rat der pflegenden Schwestern“ eine Möglichkeit,

auf die geplanten Maßnahmen und mit welcher Intensität Einfluss zu nehmen?

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Capitol Versicherung

Heute ist bei der Capitol Versicherung die Stimmung ausgelassen. Bernd S., der Leiter der

Schadensregulierung, berichtet begeistert: „Inzwischen läuft hier alles wie am Schnürchen.

Kurz nach dem 11. September 2001 war die Stimmung in der Versicherungsbranche natürlich

am Boden und wir mussten viele Mitarbeiter entlassen, auch verdiente Angestellte oder

motivierte Neulinge. Im Ergebnis bestand die Belegschaft aus sehr unterschiedlichen

Personen wie unkündbaren Minderheiten u.ä.. Das Team hatte keinen Zusammenhalt mehr

und jeder arbeitete nur für sich. Das hat das Arbeitsklima beeinträchtigt und zu Dienst nach

Vorschrift geführt. Einige kündigten auch oder fehlten regelmäßig. Zum Glück liegen diese

Zeiten hinter uns.“ Berthold H., sein Stellvertreter, findet hingegen, dass die Situation heute

viel schlechter ist: „Mir hat es damals viel besser gefallen. Beim damaligen Leiter, Herrn

Becker, war klar, wer der Chef war. Da wurde nicht ständig Händchen gehalten. Und wenn

doch mal jemand ein persönliches Problemchen hatte, konnte er sich beim Kollegen Bernd

ausheulen, ohne gleich alle anderen zu belasten. Wenn ich die Abteilung nach Herrn Beckers

Ausstieg übernommen hätte, sähe es hier heute anders aus. Der Output mag heute quantitativ

höher sein, doch das liegt an der neuen EDV. Wahrscheinlich ist die Qualität eher gesunken.“

Da schüttelt Sachbearbeiterin Tanja S. nur amüsiert den Kopf: „Hören Sie nicht auf den. Jeder

andere wird Ihnen bestätigen, dass die Stimmung ausgezeichnet ist. Seit Bernd vor 3 Jahren

die Abteilung übernommen hat, sind Fehlzeiten und Fluktuation Geschichte. Berthold fühlt

sich nur übergangen. Bei Mitarbeiterbefragungen sind wir in punkto Arbeitsatmosphäre und

geringe arbeitsbezogene Belastung seit 2 Jahren Benchmark für das ganze Unternehmen. Da

Bernd die Hierarchien reduziert hat, ist auch laterale und vertikale Interaktion möglich. Wir

haben viele neue, motivierte Mitarbeiter, das reißt alle mit. Jeder hat das Gefühl, wichtiger

Bestandteil der Abteilung zu sein, und man hat Kontakt über Abteilungsgrenzen hinweg.

Inzwischen sind wir dank unserer jungen Mitarbeiter bei Verbesserungsvorschlägen und

Innovationsrate ganz vorn. Bei einem Computerproblem muss ich nicht mehr die EDV

anrufen, sondern frage einfach Ulf.“ Ulf. S. ist Azubi. Er arbeitet zum ersten Mal in einem

Unternehmen, sagt aber schon: „Ich fühle mich sehr wohl. Die anspruchsvolle Arbeit macht

mir Spaß und es ist kein Problem, mich nach der Arbeit weiterzubilden oder mal Überstunden

einzulegen. Die gestiegene Produktivität wird ja auch durch Zulagen entsprechend honoriert.“

Erläutern Sie aus gruppentheoretischer Sicht, wieso die Amtszeiten von Bernd S. bzw.

von Herrn Becker so unterschiedlich erfolgreich waren!

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Angela M.

Bei AQUARIUS müssen mehrere Führungspositionen neu besetzt werden. Da festgestellt

wurde, dass der Markt für „High Potentials“ und Führungskräfte so gut wie leer ist, wird

beschlossen, die Suche und Förderung von Talenten im Unternehmen zu professionalisieren.

Ein Instrument hierfür soll der sog. „Goldfischteich“ sein. In diesen sollen vielversprechende

Nachwuchsführungskräfte aufgenommen werden und eine besondere Förderung erhalten.

Über die Aufnahme entscheidet die „Goldfisch-Konferenz“. Hier werden alle durch einen

Vorgesetzten nominierten „Goldies“ auf ihre „Schwimmfähigkeit“ geprüft. Auf der heutigen

Liste steht unter anderem Angela M.: Spitzenabschluss, gute Referenzen, Assessment-Center

mit Bravour gemeistert und nunmehr seit 1 Jahr Teilnehmerin im Traineeprogramm. Da sie in

diesem Jahr durch Job Rotation und Hospitationen einige Abteilungen durchwandert hat, ist

sie für die meisten Anwesenden kein unbeschriebenes Blatt.

Der Personalleiter gerät ins Schwärmen: „Die Angie haben wir noch sehr gut im Gedächtnis,

die ist ein richtiger Sonnenschein. Selten haben wir im Assessment-Center so eine tolle Frau

gehabt, die diese gesunde Mischung aus Intelligenz, Kreativität und sozialer Kompetenz

besitzt“. Frau Schulte läuft vor Wut dunkelrot an: „Lieber Kollege, das kann ja nun nicht Ihr

Ernst sein, dass sie ihren Frauengeschmack zur Basis der Aufnahmeentscheidung machen

wollen. Bei uns war die Gute 3 Monate, und meine Beobachtungen sehen so aus: Intelligenz

zeigte sie, indem sie unangenehme Aufgaben, die ich ihr zugewiesen hatte, an andere

delegierte. Ihre Kreativität bestand darin, mir immer wieder neue Gründe aufzuführen, warum

sie diese Aufgabe nicht selbst erledigen konnte. Auch ihre soziale Kompetenz half ihr weiter.

Denn um einem Kollegen die Aufgabe aufzuschwatzen, zog sie wirklich alle Register. Ich

stehe der Aufnahme sehr kritisch gegenüber. Nach meinen Beobachtungen ist sie eine

Mitarbeiterin, auf die man sich nicht verlassen kann, die sich regelmäßig unkollegial verhält

und die sich immer die Aufgaben herauspickt, mit denen sie sich profilieren kann.“ Der Leiter

der Goldie-Konferenz ergreift das Wort: „Nun, ich habe wirklich das Gefühl, dass wir, bevor

wir einzelne Vorschläge diskutieren, zunächst klären sollten, welche Beurteilungskonzeption

herangezogen werden soll. Denn so werden wir bestimmt keine objektive Auswahl treffen.“

Wieso kommen der Personalleiter und Frau Schulte zu einer so unterschiedlichen

Einschätzung von Angela M.?

Welche Rechte hat der Betriebsrat in den Fragen der Konzeption des Beurteilungswesens

und der Aufnahme von Angela in den Goldfischteich?

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Lebenswege

Drei Jahre nach dem bestandenen Examen treffen sich drei alte Studienkollegen beim

Alumni-Ball an der Biertheke. „Ich habe jedenfalls das ganz große Los gezogen“, tönt Holger

M. „Als Unternehmensberater komme ich in diesem Jahr auf satte 90.000 € im Jahr, wovon

allerdings 30.000 € Erfolgsprämie sind. Dazu kommen noch Dienstwagen, Arbeitsessen auf

Kosten der Firma, die goldene Marriot- und Lufthansa-Kundenkarte usw. Und wie läuft es bei

dir, Mark?“ „Von deinem Gehalt kann ich jedenfalls nur träumen – als wissenschaftlicher

Mitarbeiter an der Uni verdiene ich auf einer halben Stelle mit Orts- und Familienzuschlag

brutto weniger als ein Viertel von dir.“ „Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Mit deinem

Examen hättest du doch bei jeder Beratung anfangen können! Wahrscheinlich fährst du auch

immer noch den gebrauchten Polo deiner Frau... Junge, das klingt richtig nach ‘nem Griff ins

Klo!“

„Bleib ganz ruhig, Holger“, mischt sich Theo S. in die Diskussion ein. „Mark hat schon

damals gesagt, dass er einen Uni-Job mit den damit verbundenen Lehraufgaben und den

Kontakten zur Studentenszene jedem Angebot aus der Unternehmenspraxis vorziehen würde.

Außerdem verdient er zwar nicht viel, dafür aber regelmäßig. Ich muss dagegen als

selbständiger Entwickler von Anwendungsprogrammen für Logistikunternehmen teilweise bis

an die Grenzen meines Dispokredits gehen, wenn die Aufträge ausbleiben. Dafür kann ich

aber meine eigenen Ideen umsetzen und habe auch keinen Chef, der mich rumkommandiert.

Aber mal abgesehen davon: Was nützt dir das viele Geld überhaupt? Wer soll denn deinen

aufgemotzten Audi A6 bewundern? Etwa die anderen Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zum

Flughafen? Und abends bist du vermutlich viel zu kaputt, um noch im Designeranzug

irgendwelche Frauen zu beeindrucken.“

Bestimmen Sie, nach welchen Entlohnungsformen die drei alten Freunde bezahlt werden!

Begründen Sie Ihre Auffassung im Einzelnen!

Warum ist für die ehemaligen Studienkollegen die Höhe ihres Einkommens so

unterschiedlich wichtig? Versuchen Sie, dies theoretisch zu erklären!

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Prof. Dr. E. Gerum Übung: Einführung in die BWL

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Multiple Choice I

A U S S A G E N wahr falsch

In der Aktiengesellschaft ist die Hauptversammlung das Kontrollorgan gegenüber dem Vorstand.

Eine Organisation nach Objekten ist typisch für 1-Produkt-Unternehmen.

Das BetrVG betrifft alle Rechtsformen mit mehr als 5 Arbeitnehmern.

Eine GmbH & Co. KG mit mehr als 2000 Arbeitnehmern fällt nicht unter das MitbestG 1976.

Das selbstverwaltete Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass alle Verfügungsrechte allein in den Händen der Arbeitnehmer liegen.

Die strategische Planung besitzt eine Vollzugsfunktion gegenüber der operativen Planung.

D. Schneider bezeichnet als Manager diejenigen Personen, auf die Unternehmerfunktionen übertragen werden.

Rieger interpretiert die Unternehmung als eine Geldfabrik.

Nach Gutenberg bedeutet „Organisieren“ den Ersatz fallweiser durch generelle Regelungen.

In einer Stab-Linie-Organisation haben die Stäbe auch Entscheidungsbefugnisse.

Eine breite Mitarbeiterqualifikation führt zu einer Reduzierung des Koordinationsbedarfs.

Der Vorteil eines Mehrliniensystems liegt in der Nutzung von Spezialisierungsvorteilen.

Job Enlargement erhöht neben dem Tätigkeitsspielraum auch den Entscheidungs- und Kontrollspielraum.

Ein Vorteil der divisionalen Organisation besteht in der Begrenzung der Zahl hoher Führungspositionen.

Das Maximierungsprinzip postuliert ein maximales Ergebnis mit gegebenen Mitteln zu erreichen.

Das grundsätzliche Verbot von Kartellverträgen zur Wettbewerbsbeschränkung findet sich im AktG.

Die Unternehmensverfassung prägt im Grundsatz die Wirtschaftsordnung.

Aus dem Fähigkeitsprofil kann das Anforderungsprofil ermittelt werden.

Die Bedürfnishierarchie von Maslow baut auf dem Defizit- und Progressionsprinzip auf.

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A U S S A G E N wahr falsch

Gutenberg interpretiert die Geschäftsleitung als einen Elementarfaktor.

Asymmetrische Verträge sind ein Grund für die Entwicklung der Verbraucherschutzpolitik.

Die Verhandlungsmacht der Lieferanten und die Bedrohung durch neue Konkurrenten stellen nach Porter Triebkräfte des Wettbewerbs dar.

Das Alter eines Unternehmens stellt eine wesentliche Einflussgröße auf dessen Organisationsstruktur dar.

Der Einsatz von Hygiene-Faktoren führt nach Herzberg zu einer hohen Motivation.

Der tätigkeitsorientierte Ansatz zur Leistungsbeurteilung setzt an den Fähigkeiten der Mitarbeiter an.

Ein Unterordnungskonzern wird nur bei einer Kapitalbeteiligung von mehr als 75% vermutet.

Die KGaA ist eine Personengesellschaft.

Das Konglomerat stellt einen diagonalen Unternehmenszusammenschluss dar.

Die Selbstorganschaft ist idealtypisch für die Kapitalgesellschaften.

Die Unternehmensethik ergänzt die Unternehmensordnung zur Lösung von strukturellen Dauerkonflikten.

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Multiple Choice II

A U S S A G E N wahr falsch

Die Entscheidung über die Besetzung des Vorstands wird den konstitutiven Entscheidungen zugerechnet.

Die GmbH & Co. KG gilt als Personengesellschaft.

Die Personalauswahl ist wesentliche Teilaufgabe der Führungsfunktion Personal.

Gemäß § 3 BetrVG kann die Betriebsratsorganisation durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung gestaltet werden.

Niklisch versteht die BWL als reine, wertfreie Theorie der Unternehmung.

Die operative Planung kann ggf. einen Anstoß zur Revision der gewählten Strategie geben.

Die Arbeitsaufgabe und die individuellen Leistung bestimmen vollständig den individuellen Lohn.

Die gewählte Technologie beeinflusst die Gestaltung der Organisationsstruktur.

Nach Herzberg kann durch eine großzügige Entlohnung dauerhaft die Motivation der Arbeitnehmer gesteigert werden.

Ein Zweck der Leistungsbeurteilung wird darin gesehen, fundierte personelle Auswahlentscheidungen treffen zu können.

Die funktionale Organisation kann als die typische Organisationsform eines Mehrproduktunternehmens bezeichnet werden.

Nach der „Idee der Gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmensführung“ soll der Ausgleich zwischen den verschiedenen ordnungsrelevanten Interessen durch die Manager erfolgen.

Nach Kosiol betreiben die Unternehmen – im Gegensatz zu den Haushalten –Fremdbedarfsdeckung.

Der Markt, der Clan und die Ausbildung gelten als strukturbezogene Koordinationsmechanismen.

Nach der Bedürfnishierarchie von Maslow kann das Verhalten eines Menschen gleichzeitig durch mehrere nicht befriedigte Bedürfnisse geleitet sein.

Nach Fayol soll bei der Organisationsgestaltung in Unternehmen das Prinzip der Einheit der Auftragserteilung beachtet werden.

Die Beteiligung von Arbeitnehmern an Entscheidungen über die Änderung der Arbeitsorganisation zeigt immer positive Effekte.

Der Frage nach dem „Ort des Wettbewerbs“ kann das Unternehmen mit einer Differenzierungs- und einer Kostenstrategie beantworten.

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A U S S A G E N wahr falsch

Die Property-Rights-Theorie differenziert die Verfügungsrechte in Koordinations-, Aneignungs- und Veräußerungs- und Vererbungsrechte.

Der Aufsichtsrat einer GmbH ist de jure weisungsbefugt gegenüber der Geschäftsführung.

Nach Porter kommt der Verhandlungsmacht der Abnehmer bei der Branchenstrukturanalyse eine untergeordnete Bedeutung zu.

Als ein Vorteil einer divisionalen Organisation kann die Entlastung der Gesamtführung bezeichnet werden.

Gemäß § 111 Abs. 4 AktG hat sich der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft selbst zustimmungspflichtige Geschäfte einzuräumen.

Eine Gruppe besteht aus mindestens 5 Personen.

Controlling kann als derivatives Element des Managementprozesses bezeichnet werden.

Unter anderem kann das Arbeitsverhalten eines Angestellten zum Gegenstand der Leistungsbeurteilung gemacht werden.

Behrens zieht als Systematisierungskriterium bei seinem Modell der Standortswahl den Realgüterprozess heran.

Zum Abschluss eines Beherrschungsvertrags müssen sich mindestens 50 % des Grundkapitals der Tochter im Eigentum der Obergesellschaft befinden.

Mintzberg rechnet die Managerrolle des Ressourcenzuteilers zum Bereich der interpersonellen Beziehungen.

Technische Ziele können in quantitativen wie in qualitativen Anforderungen an das Produktionspotential und an den Output konkretisiert werden.