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Einführung in die Syntax und Morphologie Vorlesung mit Übung WS 2010/2011, Computerlinguistik 02

Einführung in die Linguistik - coli.uni-saarland.detania/ws2010/Folien/VL_02.pdf · Ferdinand de Saussure (!) Struktur (= System): Menge von Elementen (sprachlichen Zeichen) und

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Einführung

in die Syntax und Morphologie

Vorlesung

mit

Übung

WS 2010/2011,  Computerlinguistik

02

Bedeutung von „Sprache“

1.

Die menschliche Kommunikationsfähigkeit schlechthin (Satz A).

2.

Eine bestimmte Einzelsprache, etwa Deutsch, Englisch, Russisch, Polnisch, Tschechisch, 

Chinesisch, usw. … (Satz B)

3.

Eine ganz bestimmte Art der Sprachverwendung (Satz C)

4.

Andere Arten von Kommunikationsmitteln: nichtsprachliche

Kommunikationsmittel 

(Satz D) oder künstliche Sprachen (Satz E).

5.

Metaphorische Verwendungen des Wortes „Sprache“

für das kommunikative  Potenzial 

von Gegenständen (Satz F)

Bedeutung von „Sprache“

Gegenstand der wissenschaftlichen Beschreibung sind nur die ersten 3 

Bedeutungen (Sätze A, B und C). 

Bei den übrigen handelt es sich nicht um „Sprache“

im Sinne der 

Sprachwissenschaft, sondern um übertragene Bedeutungen: 

Im Satz D wird zwar kommuniziert, jedoch nicht mit Hilfe lautlicher Äußerungen. 

In den Sätzen E und F ist zumindest ein Kommunikationsteilnehmer kein Mensch, 

sondern eine Maschine (Satz E) bzw. Bilder (Satz F).

Gegenstand der Linguistik

Die Unterscheidung langue

parole

geht auf Ferdinand de Saussure zurück, 

den Begründer der sprachwissenschaftlichen Richtung des Strukturalismus

(Anfang des 20. Jahrhunderts). 

Die Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz

stammt von Noam 

Chomsky, dem Begründer des Generativismus

in den 1950er Jahren.

Der bilaterale Zeichenbegriff

Das semiotische Dreieck

Drei Arten von Zeichen

Die Verbindung zwischen der Ausdrucks‐

und der Inhaltsseite des Zeichens kann 

unterschiedlicher Art sein. Ikonische Zeichen:

Die Verbindung von Ausdruck und Inhalt beruht auf äußerer Ähnlichkeit. 

Der Ausdruck bildet den Inhalt ab, er macht eine Kopie der außersprachlichen

Realität. 

Diese Art der Verbindung nennt man bildlich oder ikonisch.

Indexikalische

Zeichen:

Die Verbindung von Ausdruck und Inhalt beruht auf einer inneren Notwendigkeit

Der Ausdruck ist hier nicht Abbild sondern die notwendige Folge des Inhalts. 

Die äußere Form des Zeichens ist somit infolge ihres Inhalts entstanden, sie verweist 

daher auf ihn oder indiziert ihn.

Symbolische Zeichen:

Die Verbindung von Ausdruck und Inhalt ist rein willkürlich festgelegt. 

Es besteht weder äußerliche Ähnlichkeit noch innere Notwendigkeit. 

Im Prinzip könnte daher für denselben Inhalt auch ein völlig anderer Ausdruck stehen

Drei Arten von Zeichen

Der Strukturalismus

Ferdinand de Saussure (!)

Struktur (= System): Menge von Elementen (sprachlichen Zeichen) und Relationen 

zwischen den Elementen

Ein Zeichen erhält erst seinen sprachliches Wert durch die Beziehung zu anderen 

Zeichen. 

Sämtliche Zeichen stehen in Opposition zueinander, d.h. ein Zeichen lässt sich 

negativ als das beschreiben, was alle anderen Zeichen nicht sind. 

Zum Beispiel, ein Tisch

ist eben kein Stuhl oder kein Schrank, dadurch erhält der 

Ausdruck Tisch an sich erst seine Bedeutung.

Die Bedeutung des Worts Tisch

ist unscharf, auf jeden Fall endet die Reichweite der 

Gegenstände, die unter „Tisch“

fallen da, wo die Reichweite anderer Wörter beginnt. 

Ein „einsames“

Zeichen, ohne weitere Zeichen, mit denen es in Zusammenhang 

steht, hätte keine Funktion oder Bedeutung. 

Der Strukturalismus

Die wichtigsten von Saussure geprägten Begriffe des Strukturalismus 

Der Strukturalismus

Die wichtigsten von Saussure geprägten Begriffe des Strukturalismus 

Der Strukturalismus

F. de Saussure prägte auch den ersten klaren Zeichenbegriff. 

Seine Definition eines Zeichens ist ein zweiseitiges Modell. 

Ausdruck (= Bezeichnendes/ Form, französisch: signifiant)

Bedeutung (= Bezeichnetes/ Inhalt, französisch: signifié) 

diese beiden Seiten des Zeichens sind untrennbar miteinander verbunden. 

+ + + +

Sprache als Zeichensystem

Wörter

werden als Zeichen aufgefasst, die einen Ausdruck mit einem Inhalt 

assoziieren, wobei der Ausdruck den Inhalt symbolisiert.

symbolisiert (SesselSessel, ‘sessel’)

Sätze

haben selbst Zeichencharakter, d.h. sie assoziieren einen Ausdruck und 

einen Inhalt.

symbolisiert (boysboys

admireadmire

girlsgirls, ‘boys

admire

girls’)

boyboy

s         s         

admireadmire

girlgirl

ss‘boy’

‘plural’

‘admire’

‘girl’

‘plural’

Das Prinzip der Kompositionalität

besagt, dass die Bedeutung komplexer 

Ausdrücke sich aus den Bedeutungen der einzelnen Elementarzeichen 

in Abhängigkeit von der syntaktischen Struktur zusammensetzt.

Arbitrarität / Konvention

Eine jede Sprache formt Ausdrücke für beliebige

Bedeutungen, und dabei 

kommt die Verbindung zwischen Form und Inhalt durch Konvention

zustande. 

Zur Zeit des Aufkommens des Strukturalismus war es notwendig, darauf 

hinzuweisen, dass Symbole (dazu gehören die Zeichen der Sprache) keine 

„natürliche“

Beziehung zwischen Ausdruck und Inhalt besitzen. 

Früher glaubte man, die Wörter seien mit dem „Wesen“

der Dinge verbunden (z.B. 

aufgrund göttlicher Schöpfung). 

Man darf Arbitrarität allerdings nicht mit völliger Beliebigkeit verwechseln.

So wird man keine Sprache finden, in der die Bedeutung von „du“

oder „ist“

mit 

Ausdrücken kodiert ist, die zum Beispiel 22 Silben lang wären. 

Es gibt vielmehr allgemeine Sprachgesetze, die bestimmte Zusammenhänge 

steuern, so unter anderem den Zusammenhang zwischen Länge und Häufigkeit von 

Ausdrücken. 

Der Strukturalismus

Die wichtigsten von Saussure geprägten Begriffe des Strukturalismus 

Das kombinatorische Potenzial der sprachlichen Einheiten

zwei grundlegende Arten von Beziehungen

Paradigmatik

Syntagmatik

Eine systematische Beschreibung von sprachlichen Einheiten 

vollzieht sich unter zwei Aspekten

Die Austauschbarkeit (als abgrenzende Opposition) in einem gegebenen 

Kontext ist Grundlage für die Erfassung des paradigmatischen Aspekts.

Die Kombinatorik (als kontrastive Zusammenstellung) konstituiert den 

syntagmatischen Aspekt des Systems.

Der Strukturalismus

Beispiel 1

In dieser Liste stehen die Buchstaben jeweils innerhalb eines Wortes in 

syntagmatischen Beziehungen, indem sie nach gewissen Regeln angeordnet

sind und auf diese und nur diese Weise zusammen ein bestimmtes Wort bilden. 

Die Liste zeigt außerdem, dass die Buchstaben H, B

und R

in Bezug auf die erste 

Position

in den dargestellten Wörtern und die Buchstaben u

und a

an zweiter 

Position

in paradigmatischer Beziehung stehen. 

syntagmatische Achse

paradigm

atisch

e Ach

se

Der Strukturalismus

Beispiel 2

Hier stehen die Wörter in einem einfachen Aussagesatz in syntagmatischen und 

paradigmatischen Beziehungen zueinander. 

Vertauscht man die Wörter in den Spalten, ergeben sich wieder korrekte Sätze, 

während man dies innerhalb eines Satzes nicht kann, ohne die Konstruktion 

grundlegend zu ändern oder zu einer ungrammatischen Wortfolge zu machen.  

syntagmatische Achse

paradigm

atisch

e Ach

se

Paradigmatik

Paradigmatische Beziehungen bestehen zwischen Einheiten, die in 

ein und demselben Kontext auftreten können und sich in diesem 

Kontext gegenseitig ausschließen.

Paare von Einheiten, die in paradigmatischer Beziehung 

zueinander stehen, bilden eine Opposition.

Paradigma (griech. parádeigma

„Beispiel, Abgrenzung“)

Die Gesamtheit der Elemente, die in paradigmatischer Beziehung 

zueinander stehen.

Der Begriff ist insofern relativ, als es jeweils auf die Definition des Kontextes 

ankommt.

Syntagmatik

Syntagmatische Beziehungen beruhen auf dem linearen Charakter 

der Sprache.

Syntagma (griech. sýntagma

„Zusammengestelltes“)

Durch Segmentierung gewonnene strukturierte, aber noch unklassifizierte 

Folge von sprachlichen Ausdrücken, die aus Lauten, Wörtern, Wortgruppen, 

Teilsätzen oder ganzen Sätzen bestehen kann.

Eine Wortgruppe, die als syntaktische Einheiten fungiert, heißt Syntagma.

Syntagmatische und paradigmatische Relationen

Der Strukturalismus

Die wichtigsten von Saussure geprägten Begriffe des Strukturalismus 

Sprachanalyse bei Saussure

synchronisch

auf Grundlage eines repräsentativen 

Korpus

durch Segmentierung und 

Klassifizierung

Strukturelle Linguistik

Strukturalistische

Schulen

1929 wurde die Prager Schule gegründet, die nach dem 

Funktionieren und nach den Funktionen von Sprache fragt. Sie ist stark sozio‐

und psycholinguistisch geprägt. 

Bedeutende Vertreter sind Roman Jakobson und Nikolai 

Trubetzkoy

sowie Karl Bühler. 

Strukturalistische

Schulen

Die Kopenhagener Schule wurde 1933 gegründet und versucht mit 

einem hohen Grad an Abstraktheit eine formalisierte 

Sprachbeschreibung zu erreichen. Dabei arbeitet diese Schule deduktiv, also von der langue

aus. 

Besonders bemüht ist die Kopenhagener Schule auch um die 

Glossematik. Ihre bekanntesten Vertreter sind Hjelmslev

und Brøndal. 

Strukturalistische

Schulen

Im gleichen Jahr wurde die Amerikanische Schule gegründet, die 

auf Bloomfields Werk „Language“

basiert und behavioristisch 

(nach Skinner) geprägt ist. Diese strukturalistische Schule arbeitet induktiv, von der parole

aus, und die bekanntesten Anhänger sind Boas und Sapir 

Empirisch zu beobachten sind:

Laute (Form, Ausdruck)

Bedeutung(Funktion, Inhalt)

Oberflächenorientierung:sprachliche Einheiten

werden so beschrieben, wie sie nach 

einem herkömmlichen Verständnis „tatsächlich“

auftreten.

Beschreibung / Modellierung der Sprache

Sprachliche Äußerungen sind in Bestandteile zerlegbar 

(= segmentierbar oder analysierbar). 

Durch Analyse oder Kombination dieser Bestandteile erhält man 

die jeweiligen linguistischen Beschreibungsebenen.

Die kleinsten Einheiten erhält man durch Teilung (Analyse) von 

größeren Einheiten. 

Mikroebene

der linguistischen Beschreibung.

Die größeren Einheiten erhält man durch Kombination von 

kleineren Einheiten. 

Makroebene

der linguistischen Beschreibung.

Sprachliche Einheiten & linguistische Beschreibungsebenen

Laut (Phon/Phonem): Der Sprachlaut ist die kleinste sprachliche 

Einheit und nicht weiter zerlegbar, vereinigt in sich aber "Bündel" 

von Merkmalen, die ihn von anderen Lauten unterscheidbar 

machen.

Morphem: Ein Morphem besteht aus (keinem), einem oder 

mehreren Lauten.

Wort: Ein Wort besteht aus einem oder mehreren Morphemen.

Satzglied (Syntagma): Ein Satzglied besteht aus einem oder 

mehreren Wörtern.

Satz: ein Satz besteht aus einem oder mehreren Satzgliedern.

Text: ein Text besteht aus einem oder mehreren Sätzen.

Diskurs: ein Diskurs besteht aus einem oder mehreren Texten.

Sprachliche Einheiten & linguistische Beschreibungsebenen

Linguistische Teildisziplinen beschäftigen sich mit den 

entsprechenden Bestandteilen der sprachlichen Äußerung:

Phonetik: beschäftigt sich mit den Lauten der Sprache, d.h. mit 

ihrer Erzeugung (der Artikulation) und mit ihren physikalischen 

Eigenschaften

Phonologie: beschäftigt sich mit der Funktion der Laute im 

System der Sprache, d.h. welche Lautunterschiede können 

Bedeutungsunterschiede nach sich ziehen

Morphologie (Formbildung, Wortbildung): beschäftigt sich mit 

den Bestandteilen des Wortes und ihrer Funktion

Teilgebiete der Sprachwissenschaft

Linguistische Teildisziplinen beschäftigen sich mit den 

entsprechenden Bestandteilen der sprachlichen Äußerung:

Syntax: beschäftigt sich mit der Verbindung von Wörtern zu 

größeren Einheiten: Wortverbindungen (Syntagmen) bis zur Ebene 

des Satzes.

Textlinguistik / Textsyntax: beschäftigt sich mit der Verbindung 

von Sätzen zu größeren Einheiten (Satzverbindungen bis zur 

Ebene des Textes)

Diskursanalyse: beschäftigt sich mit der inhaltlichen und 

sprachlichen Analyse gesellschaftlicher Diskurse

Teilgebiete der Sprachwissenschaft

Linguistische Teildisziplinen beschäftigen sich mit den 

entsprechenden Bestandteilen der sprachlichen Äußerung:

Lexikologie: beschäftigt sich mit den regelmäßigen Beziehungen 

zwischen den Wörtern

Lexikographie: Lehre von der Erstellung von Wörterbüchern

Semantik: Lehre von der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke (von 

Morphemen, Wörtern, Sätzen)

Pragmatik: Lehre von der Beziehung der Sprache zum 

außersprachlichen

Kontext (Situation, soziales Umfeld, "Diskurs", 

"Sprechhandlung")

Teilgebiete der Sprachwissenschaft

Aufteilung der Aufgaben auf Teilgebiete der Linguistik

PhonologiePhonologie MorphoMorpho‐‐

phonologiephonologie MorphologieMorphologie MorphoMorpho‐‐

syntaxsyntax SyntaxSyntax

PragmatikPragmatik Pragmatik Pragmatik 

& Semantik& Semantik

(Satz(Satz‐‐))

SemantikSemantik

Struktur und FunktionStruktur und Funktion

BedeutungBedeutung

Gesteuert durch das

Kompositionalitätsprinzip